Cesars_Way - Tiere Helfen Leben

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Cesars_Way - Tiere Helfen Leben
„Cesar's Way –
eine kritische Betrachtung“
Überlegungen rund um die schriftlichen
Veröffentlichungen eines TV-Hundetrainers
Doris Boitllehner
Juli 2015
Arbeit zur Erreichung des Abschlusses zur ganzheitlich
orientierten Hundeverhaltenstrainerin bei Tiere helfen Leben
Für alle, die im Umgang mit Hunden - sei es aus Unwissenheit oder aus
Mangel an Einfühlungsvermögen - unnötige Härte und überzogene
Maßnahmen angewendet haben, und dies bereuen.
1
INHALTSVERZEICHNIS
Einleitung
Seite 5
Überblick
Seite 6
Zielvorstellungen
Seite 8
TEIL EINS
1. Erster Eindruck
Seite 9
1.1. Kurzbiographie des Cesar Millan
Seite 10
1.2. Der geläuterte Macho
Seite 11
1.3. Das Image vom Arbeiterkind
Seite 12
2. Die Eckpfeiler seiner Methode
Seite 13
2.1. Energie
Seite 13
2.2. Disziplin
Seite 15
2.3. Korrektur
Seite 16
3. Diverse „Formeln“
Seite 18
3.1. Die „Erfüllungsformel“
Seite 18
3.2. Noch eine „Formel“
Seite 19
3.3. Und noch eine „Formel“
Seite 19
4. Das Konstrukt eines „Rudels“ mit einem „Führer“
Seite 21
4.1. Verhalten an der Türschwelle
Seite 25
4.2. Die Kunst des Spazierengehens
Seite 25
2
5. Überbewertung von körperlichen Aktivitäten
Seite 27
5.1. Laufband
Seite 27
5.2. Hunderucksäcke
Seite 28
5.3. Verklärung des Lebens von Hunden mit obdachlosen...
Seite 28
6. Flooding
Seite 30
7. Rassespezifische Aktivitäten
Seite 31
8. Verwendung von Hilfsmitteln – Erziehungshilfen
Seite 33
8.1. Leine – Nylonschlinge
Seite 34
8.2. Würgehalsband
Seite 34
8.3. Das Illusion-Halsband
Seite 34
8.4. Das Stachelhalsband
Seite 35
8.5. Das Elektrohalsband
Seite 36
9. Der Alphawurf
Seite 38
10. Der sogenannte „rote Bereich“
Seite 39
TEIL ZWEI
11. Was wer von Cesar Millan lernen kann
Seite 40
11.1. Martin Rütter
Seite 40
11.2. Roman Schröck
Seite 41
11.3. Cesar Millan
Seite 41
11.4. Brauchbare Sätze
Seite 42
11.5. Wenig bis keinerlei Kritik...
Seite 43
3
12. Zusammenfassung
12.1. Same Same... but Different
Seite 46
12.2. Schlussfolgerung
Seite 47
Dank
Seite 48
Bildteil
Seite 49
ANHANG
Literatur
Seite 56
Internetquellen
Seite 58
4
Einleitung
Cesar Millans TV-Sendungen werden in über hundert Ländern ausgestrahlt. Es ist unklar,
ob die gezeigten Erziehungsmethoden im Widerspruch zu den landesweit gültigen
Tierschutzgesetzen stehen.
Laut dem bundeseinheitlichen, ab 1. 1. 2005 gültigen Österreichischen Tierschutzgesetz1
ist es verboten, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen
oder es in schwere Angst zu versetzen. Dagegen verstößt insbesondere wer
Stachelhalsbänder, elektrisierende oder chemische Dressurgeräte oder auch technische
Geräte, Hilfsmittel oder Vorrichtungen verwendet, die darauf abzielen, das Verhalten eines
Tieres durch Härte oder Strafreize zu beeinflussen.
Für die Konsumentinnen der TV-Serien ist es oft schwierig, zwischen Anleitung und
Unterhaltung zu unterscheiden, die Übergänge zwischen Coaching TV und
Affektfernsehen sind fließend.
Der Sinn der Serien ist Unterhaltung, es geht um Einschaltquoten und hoch dotierte
Werbeplätze.
Die möglichen Auswirkungen auf Konsumentinnen sind derzeit wissenschaftlich noch nicht
näher untersucht. Denkbar ist eine negative Beeinträchtigung der Beziehung und der
Bindung von Mensch und Hund. Durch den beständigen Kampf um die Führungsposition
kann es auf beiden Seiten zu vermehrtem Stress kommen.
Oft entsteht ein subjektiv als unangenehm empfundener Zustand, weil Überzeugung und
Verhalten nicht vereinbar sind, dadurch kommt es zu einer Abwertung des Hundes.2
Ich finde es schlichtweg absurd und abstoßend, wie Hunde und Halterinnen im TV
vorgeführt werden.
1
2
& www.ris.bka.gv.at
&www.dogsinthecity.at/ Televisiertes Hundetraining, Sunny Benett
5
Überblick
Für die vorliegende Arbeit habe ich folgende Bücher des bekannten TV-Hundetrainers und
„Hundeflüsterers“ Cesar Millan und Melissa Jo Peltier3 gelesen:
„Tipps vom Hundeflüsterer“- Cesar Millan mit Melissa Jo Peltier,
Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Cesar's Way“, New York, 2006
„Du bist der Rudelführer“ - Cesar Millan mit Melissa Jo Peltier,
Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Be the Pack Leader“, New York, 2007
„A Member of the Family“ - Cesar Millan with Melissa Jo Peltier, London, 2008
„Cesar Millans Welpenschule“ - Cesar Millan mit Melissa Jo Peltier,
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
„How to Raise the Perfect Dog. Through Puppyhood and Beyond“, New York, 2009
„Die Glücksformel für den Hund“ - Cesar Millan,
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
„Cesar's Short Guide to a Happy Dog“, 2013
Im ersten Teil der Arbeit werde ich Cesar Millans Methoden und seine Philosophie anhand
seiner schriftlichen Veröffentlichungen beschreiben.
Im zweiten Teil werde ich Möglichkeiten aufzeigen, wie wir als Tierfreundinnen (und auch
als Hundetrainerinnen) mit Aussagen wie folgender umgehen könnten:
„Dass Cesar Millan Hunde tritt und ihnen Schmerzen zufügt finde ich nicht gut. Aber
ansonsten kann man viel von ihm lernen und übernehmen.“4
Gleich vorweg: ich kann dieser Aussage voll und ganz zustimmen.
Ich finde es nicht gut, dass Cesar Millan Hunde schlägt und ihnen Schmerzen zufügt.
3
4
& Melissa Jo Peltier ist Koautorin und ausführende Produzentin der Serie „Dog Whisperer“und Mitbegründerin und
Miteigentümerin der Produktionsfirma MPH Entertainment
& Gerda Kainz: Aufgabenstellung beim Seminar „Diverse Trainingsphilosophien“, Neudörfl, 2015
6
Unleugbar kann „man“, abhängig vom eigenen Informations- und Bewusstseinsstand, fast
immer noch etwas dazu lernen. Auch Negativbeispiele können äußerst lehrreich sein und
uns eventuell davor bewahren, gleiche oder ähnliche Fehler zu machen.
Was man von Cesar Millan übernehmen kann, stammt allerdings genauer betrachtet nicht
ursprünglich von ihm.
In der Zusammenfassung versuche ich herauszufinden, ob und inwieweit sich die ab 2009
massiv einsetzende internationale Kritik5 an Cesar Millan auf seine schriftlichen
Veröffentlichungen ausgewirkt haben könnte. Dabei geht es mir nicht darum aufzuzeigen,
wie toll Cesar Millan ist. Mir ist es wichtig zu zeigen, dass mit Protest und Kritik sehr wohl
etwas zu bewirken ist.
5
& Zum Beispiel von der European Society of Veterinary Clinical Ethology (ESVCE) und der American Veterinary
Society of Animal Behaviour (AVSAB) ; htps://de.wikipedia.org/wiki/Cesar_Millan
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Zielvorstellungen
Wo immer es um die Person Cesar Millan geht, entsteht der Eindruck, dass er stark
polarisiert, auch wenn er selbst immer wieder betont, dass dies nicht seine Absicht ist.
Ich will mit dieser Arbeit zu einer Versachlichung der hochemotional geführten Debatte
beitragen. Die Zusammenfassung der meiner Ansicht nach herausragendsten
Kernaussagen von Herrn Millan kann Interessierten als wichtiger Teil in ihrem
Meinungsbildungsprozess und ihrer Argumentation dienen.
Die von mir gewählten Zitate sind meist selbsterklärend, an einigen wenigen Stellen zitiere
ich zum Vergleich aus der in meiner Ausbildung verwendeten Literatur. Es würde den
Rahmen dieser Arbeit jedoch bei Weitem sprengen, die Methode der vergleichenden
Literaturstudie konsequent anzuwenden.
Die Arbeit ist - wie auch die dazu verwendete Literatur stark persönlich gefärbt. Als
Nichtakademikerin stelle ich keinen wie immer gearteten wissenschaftlichen Anspruch.
Ich möchte darauf hinweisen, dass ich selbst keine übermäßige Antipathie gegen Herrn
Millan empfinde. Ich habe ihn aufgrund seines hohen Bekanntheitsgrades ausgewählt. Für
mich ist er einer von Vielen.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichte ich im vorliegenden Text auf eine
gendersensible Schreibweise. Mit der weiblichen Form sind selbstverständlich beide
Geschlechter gemeint.
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TEIL EINS
1. Erster Eindruck
Um einen ersten Eindruck zu vermitteln, was einen Hund in Cesar Millans „Rudel“
(einer Hundegruppe von fünfunddreißig freilaufenden Hunden, Anm.) erwartet, zitiere ich
aus dem Prolog seines ersten Buches:
„Sobald wir unseren Rhythmus gefunden haben, wühlen das Rudel und ich den Boden
des Weges auf, als seien wir eine Einheit, als seien wir ein Tier. Ich führe, und sie folgen.“
(Millan/Peltier: 2006: 23)
„Die Hunde folgen mir in der Reihenfolge ihres Ranges, doch da das Rudel sehr viel
größer ist als ein wild lebendes Wolfsrudel, bilden die Hunde je nach Energieniveau
Gruppen mit hoher, mittlerer und niedriger Energie. (Die kleinen Hunde müssen sich mehr
anstrengen, um Schritt zu halten).“ (Millan/Peltier: 2006: 24)
„Nach vier Stunden intensiver Bewegung in den Bergen brauchen die Hunde Wasser –
und Ruhe.“ (Millan/Peltier: 2006: 26)
„Wenn sie gefressen und sich erleichtert haben, ist es wieder Zeit für körperliche
Ertüchtigung.“ (Millan/Peltier: 2006: 27)
„Jetzt wird es richtig anstrengend. Wir gehen zum Inlineskaten. Ob Sie's glauben der
nicht, die meisten Hunde laufen liebend gern mit mir beim Inlineskaten. Sie genießen die
Herausforderung, mit einem Rudelführer auf Rollen mitzuhalten. (…)
Gegen 17:00 gehen wir dann wieder hinaus und spielen zwanzig Minuten Ball. Im Dog
Psychology Center können dreißig bis vierzig Hunde demselben Ball nachjagen, ohne
dass sie sich darum streiten. Ich nenne das 'die Macht des Rudels'. Sie sorgt dafür, dass
sich die Hunde ordentlich benehmen.(...)
Nehmen wir zum Beispiel Beauty, eine schlaksige Deutsche Schäferhündin und ein
schwerer Fall von Angstaggression. Wenn ich sie anleinen will, muss ich sie solange
hetzen, bis sie müde wird, und dann warten, bis sie aufgibt.“ (Millan/Peltier: 2006: 27f)
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1.1. Kurzbiographie des Cesar Millan
Geboren 1969 in Culican, Mexiko, verbrachte Cesar Millan eine glückliche Kindheit am
Lande, bis er dreizehnjährig mit seiner Familie in die Stadt Mazatlan zog, wo er sich
niemals wohlfühlte.
Laut eigenen Angaben überquerte er am 23. Dezember 1990 illegal die Grenze von
Tijuana ins kalifornische San Ysidro. Die Schilderung der Flucht fällt unterschiedlich aus.
Während er sich 2013 erinnert: „Ich rieche immer noch die Trockenheit der Luft, und spüre
die Kargheit des Geländes in dem ich mich zwischen Felsen und Büschen versteckte, um
nicht erwischt zu werden.“ (Millan: 2013: 9) heißt es noch sieben Jahre zuvor: „Die Nacht
war regnerisch, kalt und windig. (…) Ich fror und zitterte, aber das war mir egal.“
(Millan/Peltier: 2006: 59)
Seit 2009 US-amerikanischer Staatsbürger, fühlt sich Cesar Millan keinem Land
zugehörig, das sich über Grenzen, Staatsgebiet oder Sprache definiert.
„Ich gehöre zu einer weltweiten Gemeinschaft von Hundeliebhabern. Das ist mein Rudel.
Dort gehöre ich hin – zu ihnen und ihren Hunden. Ein Rudel aus über 400 Hunden und
mehr als einer Milliarde Menschen, die mit Hunden leben. Meine Rolle in dieser
Gemeinschaft ist die eines Rudelführers.“ (Millan: 2013: 12)
Nach seiner Ankunft in San Diego arbeitete er in einem Hundesalon, später als Pfleger in
einer Hundeschule in Los Angeles, wo er seine eigenen Vorstellungen von
Hundepsychologie entwickelte. Unterstützt von Jada Pinkett Smith gründete er seine
eigene Hundeschule, die „Pacific Point Canine Academy“, einige Jahre später das „Dog
Psychology Center“ in Los Angeles. Ab 2004 wurde seine Reality-TV Serie „Dog
Whisperer“ (deutsch: „Der Hundeflüsterer“) ausgestrahlt, seit 2013 gibt es eine neue
Sendereihe, die sich „Leader of the Pack“ nennt.
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1. 2. Der geläuterte Macho
In jungen Jahren darauf konditioniert, seine Gefühle zu unterdrücken und unter
Draufgängertum zu verstecken, war er der Ansicht, dass nur Frauen Gefühle hätten. Sein
Vater lehrte ihn, ein weinender Junge wäre ein „Waschlappen“. Solange er keinen Zugang
zu seinen Gefühlen gefunden hatte, war es ihm nicht möglich, einen Zustand der
Ausgeglichenheit zu erreichen. Dies änderte sich nach einigen Jahren Ehe mit Illusion
Millan. (Millan/Peltier: 2007: 15)
„Als ich gelernt hatte, mich meiner Frau gegenüber ruhig und unterordnungsbereit zu
zeigen, verbesserte sich die Qualität meiner Ehe um hundert Prozent...!“ (Millan/Peltier:
2006: 102)
„Ich musste viele psychologische Ratgeber lesen, bis ich die Welt durch Illusions Augen
sehen konnte. Glauben Sie mir, meiner Ehe hat das sehr viel gebracht.“ (Millan/Peltier:
2006: 112)
Cesar Millan gibt sich gerne als geläuterter Macho, das gelingt nicht immer:
„Der häufigste Fehler, den viele meiner Klienten im Umgang mit ihren Hunden machen,
gleicht dem Missverständnis, dem zahlreiche Männer mit ihren Frauen unterliegen – sie
gehen davon aus, deren Verstand arbeite wie der ihre.“ (Millan/Peltier: 2006: 113)
Ein Jahr später setzt Cesar Millan vermehrt auf Frauen als Publikum, ein Klischee jagt das
nächste: „...möchte ich nun alle Frauen und ihre besondere Kraft würdigen – auch wenn
sie selbst sich ihrer vielleicht noch nicht bewußt sind. Ich sehe mit Sorge, dass meine
Kinder in einer äußerst unbeständigen Welt aufwachsen, die ein paar ganz unglaubliche
Rudelführer brauchen wird, um wieder ins Lot zu kommen. Ich glaube, dass die Frauen
den Schlüssel haben und uns dabei helfen können. Das wird allerdings erst möglich sein,
wenn die Männer ihre einzigartige Weisheit und Führung aufrichtig anerkennen und zu
schätzen wissen – und wenn die Frauen ihren inneren Rudelführer annehmen. (…) Ich
glaube, dass die Frauen eher als Männer dazu bereit sind, zum Wohle des Rudels zu
handeln.“ (Millan/Peltier: 2007: 387)
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1. 3. Das Image vom Arbeiterkind
Der schwerreiche TV-Star und Entertainer Cesar Millan umgibt sich oft mit einem Hauch
„Working-Class“ und setzt auf Understatement.
„Mehrere Jahre lang war ich in Aspen (Colorado) Redner bei der jährlichen Veranstaltung
'Cesar Whispers in Aspen' (Cesar flüstert in Aspen), die die Friends of the Animal Shelter
(Freunde des Tierheims Aspen) veranstalten. Viele Hundeliebhaber besuchen dieses
gesellschaftliche Ereignis, genau wie viele der Reichen, die in Aspen den Sommer
verbringen. Unter den Zuhörern befinden sich oft Direktoren der größten
Aktiengesellschaften, aber auch Entertainer, Medienstars und Politiker.
Erstaunlicherweise sollte ich dort über das sprechen, was ich als >Rudelführerschaft<
bezeichne. Was könnte ich, ein Arbeiterkind aus Mexiko, den erfolgreichsten Menschen in
den USA wohl zu bieten haben? Offenbar eine ganze Menge. Ich weiß, dass das
Geheimnis, mit denen sie die Beziehung zu ihren Hunden verbessern, auch ihr eigenes
Leben zum Besseren wendet. Das Geheimnis? Ich nenne es die Erfüllungsformel.“ (Millan:
2013: 183)
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2. Die Eckpfeiler seiner Methode
„Die Eckpfeiler meiner Methode waren Energie, Körpersprache und, falls nötig, eine
schnelle Berührung mit einer zum Pfötchen geformten Hand, die für den Hund nicht
schmerzhaft ist, aber große Ähnlichkeit mit dem rügenden 'Schnappen' eines dominanten
Hundes oder der Mutter hat.“ (Millan/Peltier: 2006: 74)
„Meine Grundphilosophie zu Disziplin und Korrekturen bei Tieren lautet, man sollte diese
Methoden stets so einsetzen, dass man das gewünschte Verhalten mit der geringst
möglichen Kraft erzielt. Soweit das angemessen ist, arbeite auch ich mit positiver
Verstärkung und belohne mit Futter. Ich glaube allerdings, dass jede Technik ihre Zeit und
ihren Ort hat. Offenbar stören sich viele Vertreter der rein positiven Erziehung an meinen
Methoden, weil sie glauben, ich sollte einige Verhaltensweisen, an denen ich mit Energie,
Körpersprache, Blickkontakt und Berührung arbeite, mit Clicker und Leckerli verändern.
Doch ich glaube, dass meine Vorgehensweisen bei sehr schwierigen, aggressiven,
zwanghaften oder ängstlichen Hunden funktionieren, weil sie einfach und vernünftig sind
und ganz auf den Prinzipien von Mutter Natur beruhen.“ (Millan/Peltier: 2007: 69)
2.1. Energie
Der bei Cesar Millan zentrale Begriff der „Energie“ ist nicht gleich vollständig zu erfassen,
es bedarf dazu einigen Nachlesens. Energie wäre einerseits Teil der Identität und damit
des Aspekts, den wir als „Persönlichkeit“ bezeichnen, und obwohl kein Typus besser oder
schlechter wäre als der andere, gäbe es Zusammenhänge mit bestimmten Aufgaben. So
brauche ein Mensch, der den ganzen Tag am Computer sitzt, ein etwas nierigeres
Energieniveau, um mit seiner Tätigkeit zufrieden zu sein, eine Aerobiclehrerin hingegen
müsse natürlich dynamischer sein. Gleiches gelte für Hunde. (Millan/Peltier: 2007: 176)
„Jedes Tier hat ein individuelles, angeborenes energetisches Niveau. Unabhängig von der
Rasse gibt es hier vier Level: niedrig, mittel, hoch, sehr hoch.“ (Millan/Peltier: 2006: 136 )
Aber das ist längst nicht alles. „Energie“ bezeichnet noch mehr, wie etwa Körpersprache,
und emotionale Befindlichkeit.
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„Ohne es zu wissen, senden wir rund um die Uhr nonverbale Informationen! Unsere
Mitgeschöpfe können die Signale noch erfassen, nur wir haben keinen Schimmer mehr,
wie wir sie verstehen sollen. Sie erfassen unsere Botschaften laut und deutlich, selbst
wenn wir nicht einmal mehr erahnen, dass wir mit ihnen kommunizieren! Diese universelle
Sprache zur Verständigung zwischen den Arten heißt Energie“ (Millan/Peltier: 2006: 88)
„Die Energie beeinflusste die Körpersprache, und diese verstärkte wiederum die Energie.
Körpersprache und Energie sind immer miteinander verbunden.“ (Millan/Peltier: 2006:
103)
„Das Wichtigste an der energetischen Kommunikation ist, dass es sich um eine
emotionale Sprache handelt. Sie müssen einem Tier nicht sagen, dass sie traurig, müde,
aufgeregt oder entspannt sind. Es weiß ganz genau, wie Sie sich fühlen.“ (Millan/Peltier:
2006: 94)
„Geruch und Energie verbinden sich zur individuellen >Persönlichkeit< des Hundes.“
(Millan/Peltier: 2007: 54)
„Ich rate meinen Klienten häufig, ihre Phantasie und bestimmte Visualisierungstechniken
einzusetzen, wenn sie nicht mehr weiterkommen und es ihnen nicht gelingt, ihren Hunden
gegenüber die richtige Energie auszustrahlen.“ (Millan/Peltier: 2006: 99)
„Ein Hinweis darauf, dass ein Hund nicht mit anderen auskommt ist Unwohlsein oder
aggressives Verhalten wenn er beschnuppert wird. Ein solches Tier hat keine 'Manieren' es verhält sich wie ein Mensch, der einem anderen zur Begrüßung nicht die Hand reichen
will.(...)
Für meine Hunde bin ich nicht 'Cesar'. Ich bin ihr Rudelführer, mit Cesars Geruch und
Cesars Energie.“ (Millan/Peltier: 2006: 108)
Das Gebet wäre die stärkste Form des inneren Dialogs und der Absicht auf Erden.
Forschungen würden zeigen, dass Gebete, Meditation und der Glaube Ereignisse auf eine
Art und Weise beeinflussen könnten, die sich die meisten „Realisten“ nicht träumen ließen.
Um Zugang zu unserer ruhigen und bestimmten Seite, also zu „unserem inneren Anführer“
zu erlangen, empfiehlt Cesar Millan folgende Techniken:
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
eine klare und positive Absicht

Techniken aus dem Method Acting (eine Schauspielmethode basierend auf
Entspannungs- und Konzentrationstechniken sowie emotionaler Gefühlserinnerung)

Visualisierung

Selbsthypnose

Innerer Dialog

Motivationskassetten

Positive Affirmation, schriftlich oder mündlich

Musik

Yoga, Tai Chi

Kampfsport und wie schon genannt

Meditation und Gebet
(Millan/Peltier: 2007: 306f)
Zum quasi religiösen Aspekt in der Hundeerziehung kommen wir später noch. Denn auch
religiöse Führer oder sogar „Gott“ wären nichts anderes als Rudelführer mit ruhiger
bestimmter Energie (Millan/Peltier: 2007: 292f).
Unterordnungsbereitschaft wäre nicht mit Schwäche oder Unterwürfigkeit gleichzusetzen,
eher mit Aufnahmebereitschaft. Ein unterordnungsbereites Tier wäre offen und willens, von
einem dominanteren Rudelmitglied Befehle entgegenzunehmen. (ebd.: 292f)
2.2. Disziplin
„Meiner Meinung nach gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen dem Konzept der
Disziplin und dem der Bestrafung. Disziplin ist für mich ein Teil der Ordnung des
Universums: Sie ist der Kern des Wirkens von Mutter Natur, mit dem sie den gesamten
Planeten 'am Laufen hält'. Sie ist die Drehung der Erde, der Zyklus des Mondes, Auf- und
Untergang der Sonne. Sie ist der Wechsel der Jahreszeiten - es gibt eine Zeit zum Säen
und zum Wachsen und eine Zeit zum Ernten. In diesem größeren Zusammenhang
bezeichnet Disziplin die Art und Weise wie die Mitglieder des Tierreichs für ihr Überleben
sorgen. Jeden Morgen begeben sich die Eichhörnchen schon früh in ihrem Garten auf
Futtersuche. Ein paar Vögel kommen ans Futterhäuschen auf ihrer Veranda. Andere
picken auf der Suche nach Würmern und anderen Leckereien in der Erde.“ (ebd.: 69)
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„Im Gegensatz zu Disziplin, für die das natürliche Umfeld sorgt, ist Bestrafung meines
Erachtens in erster Linie ein menschliches Prinzip.“ (Millan/Peltier: 2007: 70)
„Mutter Natur ist für Disziplin empfänglich. Jede Spezies auf unserem Planeten kennt
Regeln und Grenzen. Bienen sind organisiert, ebenso Ameisen, Vögel oder Delfine. Wenn
Sie je gesehen haben, wie Delfine oder ein Schwarm Fische jagen, wissen Sie, wie
geordnet sie zusammenarbeiten. Wölfe halten sich nicht nur bei der Jagd, sondern auch
beim Umherziehen, beim Spielen und beim Fressen an bestimmte Regeln. Sie stellen die
Disziplin nicht infrage. Die Natur betrachtet sie nicht als etwas Negatives. Sie steckt in den
Genen. Sie bedeutet Überleben. (…)
Und ich sorge bei Hunden für Disziplin. Es ist meine Aufgabe, ihnen zu sagen, wann sie
aufwachen, wann sie fressen und wie sie miteinander umgehen sollen. Ich lege die
Regeln und Grenzen fest, bestimme, wohin und wie schnell sie laufen, wann wir uns
ausruhen, wann sie das Beinchen heben, wen sie jagen und wen sie nicht jagen, wo sie
ein Loch graben und wo sie sich wälzen dürfen. All das ist Disziplin. Für mich bedeutet
dies nicht Strafe. Es sind die Regeln und Grenzen, die zum Wohl der Hunde und meiner
Beziehung zu ihnen aufgestellt werden.“ (Millan/Peltier: 2006: 278ff)
2.3. Korrektur
„Tiere können nicht bewusst zwischen Richtig und Falsch, Gut oder Schlecht
unterscheiden. (…) Ein großer Teil des Hundeverhaltens spielt sich in der einfachen Welt
von unmittelbarer Ursache und Wirkung ab, und die genannten >Strafen< machen dem
Tier nicht klar, welches Benehmen unerwünscht ist und wodurch es ersetzt werden soll.
Das muss der Hund schon selbst herausfinden und häufig sind dann weder er noch wir
Menschen mit seiner Lösung glücklich. Deshalb verwende ich persönlich lieber die
Begriffe 'Disziplin' und 'Korrektur', statt im Zusammenhang mit Hunderehabilitation von
'Strafe' zu sprechen.“ (Millan/Peltier: 2007: 71f)
„Eine Korrektur - manche Menschen würden das als 'Strafe' bezeichnen, ist einfach die
Folge eines Regelbruchs.“ (Millan/Peltier: 2006: 280)
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„Hunde leben in einer Welt, die aus Ursache und Wirkung besteht. Sie denken nicht, sie
reagieren. Deshalb muss die Korrektur im selben Augenblick wie das unerwünschte
Verhalten erfolgen. Sie dürfen nicht einmal fünf Minuten (sic!) verstreichen lassen, ehe Sie
ihren Hund korrigieren, denn dann hat sich sein geistiger Zustand schon wieder verändert.
Hunde leben im Augenblick. Auch die Korrekturen müssen im Nu erfolgen - und bei jedem
Regelbruch wiederholt werden. Nur dann versteht das Tier, welche Aspekte seines
Verhaltens unerwünscht sind.“ (Millan/Peltier: 2006: 281)
„Nachdem ich das vorausgeschickt habe: bei der Korrektur kommt es mehr auf Ihre
Energie, Ihre Geisteshaltung und den Zeitpunkt als auf die angewandte Methode an sofern diese nicht an Misshandlung grenzt. Schlagen Sie einen Hund niemals. Eine
schnelle, bestimmte, aber nie gewalttätige Berührung kann ihn aus einem unerwünschten
Zustand herausreißen. Ich lege die Hand wie zu einem Pfötchen zusammen; und wenn
ich dann schnell den Hals des Hundes oder die Stelle unter seinem Kinn berühre, fühlen
sich die aneinandergelegten Fingerspitzen wie die Zähne eines Rudelmitglieds oder einer
Hundemutter an. Die Tiere korrigieren einander oft mit leichtem Schnappen, und die
Berührung ist eine der häufigsten Kommunikationsformen. Sie ist wirkungsvoller, als es
Schläge je sein können.“ (Millan/Peltier: 2006: 283)
„Legt man Dr. Clearmans Ausführungen zugrunde, lassen sich einige der Methoden, die
ich bei meiner Arbeit anwende, korrekt als direkte Bestrafung bezeichnen. Da dieses Wort
allerdings eine menschliche Bedeutung für mich hat, bezeichne ich die Techniken lieber
als einfache 'Korrekturen'. Ich krümme zum Beispiel meine Hand zu einer Art Klaue, um
Mund und Zähne eines Mutterhundes oder eines dominanteren Tieres nachzuahmen und
den Hund damit fest im Nacken zu berühren.“ (Millan/Peltier: 2007: 74)
„Alles kann der Korrektur dienen, ein Geräusch, ein Wort, ein Fingerschnippen - was bei
Ihnen am besten funktioniert und dem Hund weder körperlichen noch seelischen Schaden
zufügt. Bei mir funktioniert es, wenn ich Hunde so berichtige, wie sie es untereinander zu
tun pflegen - mit Blicken, Energie, Körpersprache und indem ich mich auf sie zubewege.
Hunde sind sich ihrer Energie stets bewusst, und sie verstehen, wenn ich energetisch
sage: 'Das ist nicht in Ordnung'.“ (Millan/Peltier: 2006: 284)
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3. Diverse Formeln
Kennzeichnend für Cesar Millans Methode ist, dass simples Allgemeinwissen vereinfacht
und formelhaft zu Slogans zusammengefasst wird.
3. 1. Die „Erfüllungsformel“
„Meine Formel für einen glücklichen Hund ist einfach: Ein Hund ist ausgeglichen und
gesund, wenn ihm sein Besitzer Bewegung verschafft, auf Disziplin achtet und ihm
Zuneigung schenkt. Auf diese Reihenfolge kommt es an, wie ich später noch genauer
erklären werde.“ (Millan/Peltier: 2006: 81)
Oder etwas genauer ausgedrückt:
„Every dog needs...
1. Exercise (in the form of a minimum of two thirty-minute structured walks with a pack
leader, twice a day)
2. Discipline (clearly communicated and consistently enforced rules, boundaries, and
limitations)
3. Affection (in the form of physical affection, treats, playtime)
...but in that order! Though you may be adopting a dog in order to give it love, the reality is
dogs need a lot more than love to keep them balanced. A good pack leader shows love by
fullfilling the dog in all three areas – in the right sequence.“ (Millan/Peltier: 2008: 7f)
Mit dieser Formel für den erfüllten Hund lassen sich laut Herrn Millan 99 Prozent der
Verhaltensauffälligkeiten (wie Aggression gegenüber anderen Hunden und/oder
Menschen, Hyperaktivität, Furchtsamkeit und Trennungsangst, Zwänge und Fixierungen,
Phobien sowie geringes Selbstwertgefühl und Verzagtheit) beseitigen. (Millan/Peltier:
2007: 59).
Er weist darauf hin, dass diese Verhaltensauffälligkeiten medizinische Gründe haben
können und eine regelmäßige tierärztliche Kontrolle des Hundes sinnvoll ist.
(Millan/Peltier: 2007: 51f)
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3. 2. Noch eine „Formel“
„Hunde erleben die Welt über den Geruchs-, dann über den Gesichts- und schließlich über
den Gehörsinn – in dieser Reihenfolge. Das dürfen wir niemals außer Acht lassen, wenn
wir richtig kommunizieren wollen. Vergessen Sie nie meine Formel: Nase, Augen, Ohren.“
(Millan/Peltier: 2006: 126)
Diese Aussage ist nur auf den ersten Blick richtig. Bei genauerer Überlegung kommen
allerdings Zweifel auf. Die norwegische Hundetrainerin und Spezialistin für Nasenarbeit
Anne Lill Kvam erklärt auf die Frage, welche Sinne unsere Hunde auf der Suche nach
Beute bevorzugt einsetzen, schlüssig: „ Bei der Arbeit mit Hunden kann es ausgesprochen
hilfreich sein, darüber nachzudenken,was der Hund von seinem Urahn, dem Wolf, als
Erbe bewahrt hat. Die meisten seiner Instinkte und Verhaltensweisen stammen aus seiner
Zeit als Wildtier. Für einen wild lebenden Hund oder Wolf steht zunächst einmal das
Überleben im Vordergrund. Dazu ist es notwendig, sich soviele Nährstoffe wie möglich zu
beschaffen und dafür ein Minimum an Energie aufzuwenden.
Wie der Mensch orientiert sich der Hund in erster Linie mit Hilfe des Gesichtssinns, also
über die Augen. Zusätzlich wird er sich in hohem Maße auf seinen gut entwickelten
Geruchssinn verlassen. Trotzdem ist die Nase normalerweise nicht das erste
Sinnesorgan, das ein hungriger Hund oder Wolf zur Futtersuche einsetzt. Das >billigste<
Futter, also die Nahrung, an die er mit dem geringsten Energieaufwand gelangen kann, ist
das in der Nähe, also in Sichtweite. Kann der Hund oder Wolf nichts Fressbares sehen,
benutzt er als nächstes sein Gehör und lauscht nach Geräuschen, die ein potenzielles
Beutetier von sich geben könnte. Erst wenn diese beiden Sinne ihn nicht zu seiner Beute
führen, fängt er an, gezielt den Geruchssinn einzusetzen. Hierbei schnüffelt er zunächst
im Wind nach einer Witterung. Nur wenn auch dieser Versuch fehlschlägt, senkt er die
Nase zu Boden und versucht, eine Spur zu finden, der er folgen kann und die ihn zu
seiner Beute führt.“ (Kvam: 2005: 9)
3. 2. Und noch eine „Formel“:
„Im Umgang mit Ihrem Hund – und das ist in erster Linie dann wichtig, wenn Sie Probleme
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beheben oder Fehlverhalten korrigieren möchten – müssen Sie folgende Punkte und
Reihenfolge beachten:
1. Er ist in erster Linie ein Tier
2. Spezies: Hund (Canis lupus familiaris), dann
3. Rasse (Chihuaua, Deutsche Dogge, Collie, usw.)
und zuletzt
4. ein Name (Persönlichkeit)“ (Millan/Peltier: 2006: 127)
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4. Das Konstrukt des „Rudels“ mit einem „Führer“
Cesar Millan stellt sich gerne als Rebell dar: „Ich werde die Begriffe 'dominant' und
'unterordnungbereit' beibehalten – auch auf die Gefahr hin, als 'politisch inkorrekt' zu
gelten.“ (Millan/Peltier: 2006:160)
„Ich habe bereits erwähnt, dass der erste Rudelführer eines Welpen die Mutter ist. Die
Jungen lernen von Geburt an, kooperative Mitglieder einer Gemeinschaft zu sein. Mit etwa
drei oder vier Monaten sind sie entwöhnt, dann treten sie in die normale Rudelhierarchie
ein und nehmen ihre Anweisungen vom Rudelführer und nicht mehr von der Mutter
entgegen.“ (ebd.:152)
An dieser Stelle möchte ich den schwedischen Hundetrainer und Psychologen Anders
Halllgren zitieren, er beschreibt ein wesentlich liberaleres Konzept von Rangordnung.
„Ebenso wird behauptet, das Muttertier dominiere seine Welpen streng und unnachgiebig,
um sie zu erziehen. Dies hört sich für den unerfahrenen, unbelesenen und unkritischen
Hundehalter, der keine Fehler machen will, ja richtig an – ist aber ebenso falsch.“
(Hallgren: 2006: 22)
Weiter bei Anders Hallgren: „Je jünger ein Individuum ist, desto mehr
Niedrigstatusverhalten zeigt es, meistens in Form von Unterwürfigkeit. Zum Beispiel
kommt es häufig vor, dass jüngere Wölfe die Mundwinkel der älteren ablecken und sich
bei der Begrüßung zusammenrollen.
Dies passt nun gar nicht in das Bild des dominanten Alphas, der alle anderen im Rudel
permanent zurechtweist und auf erarbeiteten Privilegien besteht. Ganz im Gegenteil ist es
so, dass die älteren, hochrangigen Individuen am wenigsten Aggression zeigen. Sie
kümmern sich nicht darum, andere in die Schranken zu weisen, es sei denn, sie gehen zu
weit. Die älteren Tiere sind ruhig und ziemlich passiv und stehen offensichtlich über den
kleinen Streitereien des Alltags. Es kann sogar vorkommen, dass sie
Unterwürfigkeitssignale zeigen, um einen aufgebrachten 'Teenager' zu beruhigen. Ihre
Stärken scheinen also Geduld und unerschütterliches Selbstvertrauen zu sein, nicht das
Zeigen von Dominanz“. (ebd.: 72)
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Entscheidend wäre - wie könnte es anders sein – die Energie. „Der Rudelführer
unterscheidet sich vom -mitglied durch die alles entscheidende Energie. Er muss mit einer
hohen energetischen Ausstrahlung geboren sein. Diese muss sowohl dominant als auch
ruhig und bestimmt sein. Hunde mit mittlerem und niedrigem Energieniveau sind keine
Rudelführer. Die meisten Tiere sind so wie die meisten Menschen nicht zum Anführer
bestimmt.“ (Millan/Peltier: 2006: 153)
„Auch in der Hundewelt ist der 'Chef' für das Überleben der Rudelmitglieder
verantwortlich. Er sucht nach Nahrung und Wasser für alle. Er entscheidet, wann man
gemeinsam auf die Jagd geht. Er bestimmt, wann das Rudel schläft und wann es spielt.
Der Anführer legt die Regeln und Strukturen fest, an die sich alle anderen halten müssen.
Er braucht absolutes Selbstvertrauen und muss wissen, was er tut. Genau wie in der
menschlichen Welt sind die meisten Hunde eher zum Rudelmitglied geboren als für die
harte Arbeit, die nötig ist, um die Stellung des Führers zu wahren. Wenn sie sich innerhalb
der vom Alpha-Männchen oder -Weibchen aufgestellten Regeln und Grenzen bewegen,
ist ihr Leben leichter und weniger anstrengend.“ (ebd.: 154)
Die Frage, ob Rudelverhalten bei Hunden genetisch bedingt ist, behandeln unter anderen
Ray und Lorna Coppinger: „In meinen Augen gibt es bei Hunden wenig Hinweise darauf,
dass sie jene grundlegenden Verhaltensmuster besitzen, die einen echten
Zusammenschluss in wolfsähnlichen Rudeln erst ermöglichen. Hunderüden kümmern sich
zum Beispiel im Unterschied zu Wölfen im Allgemeinen nicht um die Welpen und würgen
kein Futter für sie hervor. Andere Verhaltensweisen von Hunden lassen vermuten, dass
sie zu einer sozialen Organisation, wie sie erwachsene Wölfe haben, wenig Neigung
zeigen. Es ist sogar fraglich, ob die weiblichen Tiere bei den Dorfhunden häufig genug
Futter für die Welpen hervorwürgen, um deren Überleben sichern zu können. Das
Aufzuchtverhalten der Hunde basiert auf dem Vorhandensein des Abfallhaufens, auf dem
die Welpen selber Futter suchen können. Hunde sind an eine ganz andere ökologische
Nische angepasst als Wölfe, und auch ihr Sozialverhalten hat sich so entwickelt, dass es
zum Leben in dieser Nische passt.“ (Coppinger/Coppinger: 2001: 84f)
Cesar Millan erklärt uns, dass Hunde nicht in einer Demokratie leben wollen. Ein
unterordnungsbereites Tier wäre offen und willens, von einem dominanteren Rudelmitglied
Befehle entgegenzunehmen. Oder genauer ausgedrückt:
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„Wenn die Leute in den Staaten zur Kirche gehen, kommt es vor, dass Angehörige
mehrerer Rassen – Weiße, Latinos, Schwarze, Asiaten – friedlich im Geiste des Gebets
versammelt sind. Der Rudelführer ist der religiöse Führer – oder Gott -, und alle sind ruhig
und unterordnungsbereit. Wenn sich die Gemeinde anschließend zum zwanglosen
Beisammensein trifft, haben alle eine positive Geisteshaltung und können einander im
gesellschaftlichen Rahmen begegnen. Erst wenn sie zur Tür hinausgehen und die Kirche
verlassen, kehren die alten Probleme, Unterschiede und Vorurteile zurück, um sie zu
quälen.
Wir wollen für unsere Hunde eine Zuflucht wie die Kirche (sic!) erschaffen, damit sie
sicher, entspannt und ungezwungen am sozialen Kontakt teilhaben können. Um eine
solche Umgebung schaffen zu können, müssen wir die Projektion ruhiger und bestimmter
Energie meisterhaft beherrschen.“ (Millan/Peltier: 2007: 292f)
Das klingt einfach und logisch. Für alle, die lieber wissen als glauben, noch einmal Anders
Hallgren:
„Das alte Rangordnungs- und Dominanzkonzept kann man sich schnell zu Eigen machen,
denn es klingt einfach und unkompliziert – es ist also nicht verwunderlich, wenn die Leute
daran glauben. Jedes Tier hat seinen Platz auf der sozialen Rangleiter, und dies schafft
Ruhe und Harmonie im Rudel.
Die Logik in diesem Bild spricht die autoritäre Seite in vielen von uns an – es herrscht
Ordnung und die Tiere stellen keinen Unfug an. Das Modell ist auch ganz leicht zu
verstehen, denn es ist so schön einfach und direkt.
Komplizierte Begriffe und Sachverhalte sind schwieriger zu begreifen und haben daher
eine Art 'eingebauten Widerstand', akzeptiert zu werden. Unglücklicherweise, denn die Art,
wie Tiere sich im realen Leben untereinander verhalten, ist kompliziert und variiert mit der
Menge unterschiedlichster äußerer und innerer Zustände.“ (Hallgren: 2006: 22)
„Für einen Hund gibt es in einer Beziehung nur zwei Rollen: die des Anführers oder die
des Mitglieds. Dominant und unterordnungsbereit. Für ihn gibt es nur schwarz oder weiß.
In seiner Welt gibt es keine Grautöne. Wenn ein Hund mit einem Menschen
zusammenlebt, muss sich der Mensch dafür entscheiden, die Rolle des Rudelführers zu
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hundert Prozent zu übernehmen, um das Verhalten des Hundes kontrollieren zu können.
So einfach ist das.“ (Millan/Peltier: 2006: 158)
Anders Hallgren schreibt aber: „ Unglücklicherweise hatte die Hundeszene den
inzwischen weit verbreiteten starren Rangordnungsbegriff bereits angenommen und als
wissenschaftlich belegte Wahrheit postuliert, als man ihn zu kritisieren begann. Er hatte
sich verbreitet und so tief und fest im Weltbild über die soziale Hierarchie von Hunden
verwurzelt, dass es bis heute sehr schwierig scheint, daran etwas zu ändern.
Die Auffassung über diese relativ brutalen Dominanzhierarchien wird auch durch manche
Hundeausbilder und Trainer verstärkt, die den Begriff verwenden, um ihre harten
Trainingsmethoden zu rechtfertigen und zu legalisieren. Zum Beispiel bekommt man zu
hören, dass man seinen Hund hart bestrafen soll, wenn er knurrt und sein Futter bewacht,
sonst würde er 'das Kommando übernehmen'. Um den zweifelnden Hundehalter noch
mehr zu überzeugen, behauptet der Trainer, dass sich Wölfe, die nächsten Verwandten
unserer Hunde, in entsprechenden Situationen genauso verhalten, was aber definitiv
falsch ist.“ (Hallgren: 2006: 21)
Im folgenden Absatz glaube ich der Antwort auf die Frage nach Cesar Millans meiner
Ansicht nach übersteigerten Kontrollbedürfnis und seiner Kynophobie6 etwas näher zu
kommen:
„Dass wir zu Rudelführern unserer Hunde werden, ist vor allem dann wichtig,wenn wir sie
in eine Umgebung voller Gefahren holen, die sie nicht verstehen, etwa den
Straßenverkehr, die Elektrizität und giftige Chemikalien. Wie können wir erwarten, dass
sie diese Tücken ohne unsere Führung bewältigen? Wir müssen ihnen zu ihrem eigenen
Wohl und zu ihrer Sicherheit Führung geben. Wir müssen auch um der anderen
Menschen willen gute Rudelführer werden und dürfen nicht vergessen, dass Hunde
Raubtiere sind. Sie sind soziale, aber auch fleischfressende Lebewesen – und tief in ihren
Genen verbirgt sich der Wolf, der seine Beute jagen und töten will. Wenn wir harmonisch
mit andern Tieren und Menschen zusammenleben möchten, müssen wir diese Instinkte
kontrollieren können.“ (Millan/Peltier: 2007: 285)
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& „Dominanztheoretiker wie Cesar Millan haben Angst vor Hunden = Kynophobie“ (Gerda Kainz, Seminar „Diverse
Trainingsphilosophien“, Neudörfl, 2015)
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„Viele Leute missverstehen mich und sagen, ich würde die Welt der Hunde zu sehr
vereinfachen, als ob es immer nur um Dominanz ginge. Dominanz heißt keineswegs, dass
der Alphahund 'besser' wäre als die anderen. Er hat das Sagen, gewiss, aber >mehr wert<
ist er nicht. In einem Rudel hat jeder seine Aufgabe. Das Schlusslicht ist der Sensibelste
von allen und oft derjenige, der die anderen vor möglichen Eindringlingen warnt. Der Hund
an der Spitze - der Rudelführer - sorgt dafür, dass alle zu fressen haben, Nahrung und
Wasser finden und vor Rivalen oder anderen Raubtieren sicher sind.“ (Millan/Peltier: 2007:
56)
4.1. Verhalten an der Türschwelle
„Es ist wichtig, die Position des Anführers bereits auf der Schwelle festzulegen. Derjenige,
der zuerst hinaus geht, ist der Boss.“ (Millan/Peltier: 2006: 165)
Allein die Vorstellung, mir jedesmal beim Aufbruch zum Spaziergang Gedanken zu
machen, wer von uns beiden, meine Hündin Khito oder ich, als Erste die Schwelle
passiert, verursacht mir Stress-Symptome. Allerdings halte ich es durchaus für sinnvoll,
ein stabiles „Steh“ oder „Warte“ an Türschwellen oder ähnlichen Übergängen zu trainieren,
sozusagen „für alle Fälle“.
Auch bei der Heimkehr wäre es wichtig, derselben Routine zu folgen wie beim Verlassen
des Hauses. Als Rudelführerin sollte ich die Türe öffnen und mein Revier zuerst betreten.
(Millan/Peltier: 2007: Bildteil)
4.2. Die Kunst des Spazierengehens
Cesar Millan erhebt den Spaziergang mit dem Hund zur Kunst. Bis jetzt war ich der
Ansicht, der Hauptgrund für den gemeinsamen Spaziergang wäre, den Hund „aufs Klo“ zu
bringen und ihm Gelegenheit zu geben, ein wenig herumzuschnuppern.
„Falls Ihr Hund sich seine wunderbare Geisteshaltung beim gemeinsamen Spaziergang
bewahrt hat, können Sie ihn damit belohnen, dass Sie ihn ein wenig herumschnuppern
und sein Geschäft verrichten lassen.“ (Millan/Peltier: 2007: Bildteil)
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Wir erfahren allerdings nicht, welche „wunderbare Geisteshaltung“ der Hund an den Tag
legen soll, damit er sich zur Belohnung lösen darf.
„Beim Spaziergang achten Sie darauf, dass der Hund neben oder hinter Ihnen geht. Wenn
er vorneweg läuft oder Sie zieht, geht er mit Ihnen spazieren und führt das Rudel an. Sie
haben sich vermutlich schon daran gewöhnt, dass Ihr Hund alles beschnuppern muss jeden Busch, jeden Baum, jede Pflanze und jedes Grasbüschel. Das ist für ihn normal.
Doch wenn Sie gemeinsam unterwegs sind, sollte er nur stehenbleiben, wenn Sie es
zulassen. (…) Der Spaziergang ist erstens dazu da, eine Bindung zwischen Ihnen und
Ihrem Hund herzustellen und Ihren Führungsanspruch zu verdeutlichen, zweitens dient er
der Bewegung, und drittens gibt er Ihrem Hund die Gelegenheit, seine Umgebung zu
erforschen.“ (Millan/Peltier: 2006: 267)
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5. Überbewertung von körperlichen Aktivitäten
Kennzeichnend für Cesar Milllans Erziehungsstil ist eine Überbewertung von körperlichen
Aktivitäten. Durch übermäßige körperliche Belastung kann Stress entstehen.
„Stress ist auch zu verstehen als Reaktionszustand des Organismus bei
Überbeanspruchung, wie zum Beispiel durch vermehrte Muskelarbeit, Wärme, Kälte oder
durch Reize oder Schädigung von außen. Diese Überbeanspruchung kann aber nicht nur
durch plötzlich auftretende Ereignisse wie Schreck, Schock, usw. entstehen, sondern auch
durch permanente oder sich häufig wiederholende, eigentlich nur kleine Belastungen, die
das Tier nicht zur Ruhe kommen lassen und in der Summe zu Stress führen.“ (Scholz/v.
Reinhardt: 2012: 56)
„Sie müssen ein unerwünschtes durch ein erwünschtes Verhalten ersetzen. Deshalb gibt
es im Center einen Hindernisparcours, Schwimmbäder, Laufbänder, Tennisbälle und
andere Möglichkeiten, damit die Hunde sich austoben können. Daher entfallen fünf bis
acht Stunden am Tag auf anstrengende körperliche Ertüchtigung, und aus diesem Grunde
mache ich jede Aktivität - vom Gehen über das Baden bis hin zum Fressen - zu einer
psychischen Herausforderung für sie.“ (Millan/Peltier: 2006: 294)
5.1. Laufband
„Ich rate meinen Klienten, gleich morgens mit ihren Hunden einen langen Spaziergang zu
unternehmen, mit ihnen zum Laufen oder sogar zum Inlineskaten zu gehen. Das tut auch
der Gesundheit des Menschen gut. Wenn das völlig unmöglich ist, stellen sie ihren Hund
auf ein Laufband, während sie frühstücken oder sich schminken.“ (Millan/Peltier: 2006:
208)
„Hunde sind wie Männer - sie können sich immer nur auf eine Sache gleichzeitig
konzentrieren…! Und wenn ihr Hund auf dem Laufband steht, muss er sich konzentrieren.
Er gerät geradezu in einen anderen Geisteszustand!“ (ebd.: 270)
„Für das Tier sind die ersten beiden Wochen auf diesem Gerät eine geistige
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Herausforderung, weil sich der Boden bewegt und sein Instinkt ihn in diesem Fall dazu
auffordert, davonzulaufen! Nach zwei Wochen werden Sie feststellen, dass Ihr Hund an
dem Gerät kratzt und sie bittet, es einzuschalten. Hunde werden süchtig danach - aber
das ist eine gute Sache. Wenn Sie ganz langsam anfangen und aufpassen, bis sich das
Tier pudelwohl fühlt, sollten Sie es auf das Laufband stellen und ihren Verpflichtungen
nachgehen können, solange Sie sich nicht allzuweit von ihm entfernen. Lassen Sie ihn
auch nicht zu lange auf dem Band, ohne hin und wieder nach ihm zu sehen. Die
Bewegungen auf dem Laufband bei einer vernünftigen Geschwindigkeit ist zwar keine
Ersatz für den Spaziergang im Freien, kann aber eine gesunde und sichere Ergänzung
zum Sportprogramm Ihres aktiven Hundes darstellen. Das ist besonders bei körperlich
kräftigen Tieren wichtig, die zusätzliche Aktivität brauchen, um ihre Dominanz oder ihre
Aggression zu dämpfen.“ (Millan/Peltier: 2006: 273)
5.2. Hunderucksäcke
Hunderrucksäcke würden wie ein Beruhigungsmittel wirken – nur ohne Nebenwirkungen.
Sie hätten Millan geholfen, bei der Rehabilitation von Hunden Wunder zu wirken.
(Millan/Peltier: 2006: 273f)
5.3. Verklärung des Lebens von Hunden mit obdachlosen Besitzern
Äußerst befremdlich mutet im Zusammenhang mit Cesar Millans Überbewertung
körperlicher Äktivitäten seine Verklärung von Obdachlosigkeit an. Ich finde dafür keine
andere Bezeichnung als „Elendsromantik“. Es gleicht einer Verhöhnung. Nur wenige von
Obdachlosigkeit Betroffene wählen diesen Lebensstil aus freien Stücken. Die damit
verbundenen Probleme wie soziale Ausgrenzung, schlechte bis keine medizinische
Versorgung, Sucht- und andere Krankheiten, ein gewisses Ausgeliefertsein, etc. können
niemals ein ideales Leben für Hunde oder deren Halterinnen darstellen.
„Wenn der Hund abgelenkt wird, reagiert der Obdachlose normalerweise wie ein AlphaTier – ein Blick oder ein Laut genügt, um ihn an die Regeln zu erinnern und wieder auf
den rechten Weg zu bringen. Abends belohnt er ihn mit Futter und Streicheleinheiten,
bevor sich beide schlafen legen. Sie führen wohl ein sehr ursprüngliches Leben, das
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große Ähnlichkeit mit den frühen Beziehungen zwischen unseren Vorfahren und ihren
Hunden haben dürfte.“ (Millan/Peltier: 2006: 177)
„Man mag diese Art zu leben vielleicht inakzeptabel finden. Aber für einen Hund ist das die
ideale Daseinsform, genau wie Mutter Natur es für ihn vorgesehen hat: er bekommt immer
gleich viel Auslauf, noch dazu jene Art von Bewegung, die er braucht. Und er darf
umherziehen.“ (ebd.: 175)
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6. Flooding
Herr Millan ist ein Befürworter der Konfrontationstherapie. Ihn begeistert die schnelle
Wirkung, bei Menschen wie auch bei Hunden beseitige sie die Phobie in kürzester Zeit. Es
wäre schlimm, Phobien nicht zu behandeln. Phobien würden Stresshormone produzieren,
diese würden das Leben dadurch verkürzen, indem sie Herz, Gehirn und Immunsystem
schädigen. Sie würden Hunden in gleicher Weise wie Menschen schaden. Diese
Belastung schnell zu beseitigen, wäre das Beste, was wir für ängstliche oder furchtsame
Hunde tun können.
Nun gibt es Kritiker, die seine Arbeit als 'grausam' bezeichnen. Natürlich könne es mehr
schaden als helfen, wenn jemandem ohne klugen Führer und Helfer an seiner Seite eine
schreckliche Erfahrung aufgezwungen würde. Allerdings, mit dem richtigen Wissen und
einer ruhigen, bestimmten Energie ausgestattet, könnte Hunden geholfen werden, ihre
Phobien zu überwinden und ein entspannteres und besseres Leben zu führen.
(Millan/Peltier: 2007: 325f)
„Ich glaube nämlich, dass Menschen und Tiere ihre Angst nur dadurch überwinden
können, dass sie den schlimmstmöglichen Fall erleben und durchstehen.“ (ebd.: 322)
Laut der Hundetrainerin Brigid Weinzinger ist die Praxis des Flooding, also der
Reizüberflutung durchaus dazu angetan, weiteres unerwünschtes Verhalten zu erzeugen.
Laut Theorie wird der Hund solange einem Übermaß an Auslösereizen ausgesetzt, bis er
nicht mehr mit unerwünschten Verhaltensweisen reagiert. Situationsgebunden stellt diese
Technik zumindest eine hohe Stressbelastung dar, es besteht die Gefahr der
Sensibilisierung bis Traumatisierung.7
Menschen können von dieser Technik, wenn sie der Anwendung zustimmen und die
Möglichkeit haben, sie jederzeit zu beenden, profitieren. Bei Tieren ist diese Freiwilligkeit
nicht gegeben.
7
& Brigid Weinzinger, Vortrag „Verhaltenskorrektur“, Neudörfl, 2014
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7. Rassespezifische Aktivitäten
„Die Rasse kann das Verhalten unterschiedlich beeinflussen, in der Arbeit mit dem Hund
muss man sie daher gelegentlich berücksichtigen – ob es dabei nun um einfaches
Training, um die Zuweisung einer geeigneten Aufgabe oder um Resozialisierung geht. (...)
Jagdhunde helfen durch Anzeigen oder Aufstöbern der Beute oder durch das Apportieren
von Wild, vor allem von Wasservögeln, bei der Jagd. Für diese Gruppe eignen sich Spiele,
die das Finden oder Apportieren von Beute simulieren. Einem Vorstehhund können Sie
einen Gegenstand mit vertrautem Geruch zeigen und ihn dann verstecken. Belohnen Sie
ihn für das Anzeigen, aber lassen Sie ihn das Objekt nicht apportieren, weil das seinen
Beutetrieb stimuliert. Einen Spaniel lassen Sie den Gegenstand aufspüren, einen
Retriever apportieren. (...)
Den Bedürfnissen des Schweißhundes entspricht das 'Ausreißer'-Spiel. Dazu zeigen Sie
dem Hund Kleidungsstücke mit dem vertrauten Geruch 'seiner<'Menschen, danach
verstecken Sie sie entlang Ihrer Spazierroute. Belohnen Sie den Hund für jedes
Kleidungsstück, das er findet.“ (Millan: 2013: 62f)
In der Natur von Gebrauchshunden läge das Bewachen, Ziehen und Retten. Am besten
spanne man sie auf dem Spaziergang vor einen kleinen Karren, sie sähen das nicht als
lästige Pflicht, sondern als psychische und mentale Herausforderung.
Hütehunde schließlich hätten großen Spaß am Agility-Training und Frisbeespielen. (ebd.:
64)
Die wichtigste aller Beschäftigungen für Hunde wäre Bewegung – pro Tag mindestens
zwei dreißigminütige „strukturierte“ Spaziergänge mit einem Rudelführer, und das schon
für Welpen. (Millan/Peltier: 2009: 232)
Für jeden Hund ab dem Welpenalter wären Spiele mit der Reizangel geeignet. Dabei wäre
es wichtig, sich nicht zu schnell zu bewegen, um den Welpen nicht zu überreizen. Je
schneller sich der Welpe beim Spielen bewege, desto mehr körperliche Energie würde
aubgebaut werden; bei langsamen Bewegungen würde mehr geistige Energie abgebaut,
31
da der Jagdtrieb mehr Konzentration verlange. (ebd.: 254)
Cesar Millan hat nach eigenen Angaben Schutzhunde trainiert und ist der Ansicht, dass
die Schutzhundausbildung eine phantastische Möglichkeit sei, die vielen geistigen und
körperlichen Impulse von Arbeitshunderassen in die richtigen Bahnen zu lenken. Es wäre
ein Irrtum zu glauben, ein solches Training brächte unkontrollierbare Killerhunde hervor.
Letztendlich würden nur ausgeglichene Hunde die Prüfungen bestehen, und diese Tiere
würden auf Kommando ihres Halters jegliche Aggressivität sofort einstellen. Die
Schutzhundausbildung wäre nicht nur eine hervorragende Möglichkeit, um die durch die
Rasse bedingte Aggressivität zu kanalisieren, sondern auch um das Band zwischen Hund
und Halter noch weiter zu stärken. Leider erfahren wir von Herrn Millan nichts über jene
Hunde, die die Prüfungen nicht bestehen. Er ist der Ansicht, dass auch andere Rassen mit
starkem Beutetrieb ihren Spaß an 'Schutzhundespielen' haben können, doch da ihnen der
Kampftrieb fehle, könnten sie nicht bei offiziellen Wettkämpfen antreten. Die Übungen
wären dennoch eine unterhaltsame geistige Herausforderung für sie, die ihre Energie
abbaue. (Millan/Peltier: 2007: 203ff)
32
8. Verwendung von Hilfsmitteln - Erziehungshilfen
„Sie - das heißt Ihre Energie, Ihr Sein - sind das mächtigste 'Werkzeug' das je erschaffen
wurde. Als Mensch verfügen Sie über eine Fähigkeit, die im ganzen Tierreich einmalig ist.“
(Millan/Peltier: 2007: 108)
„Trotzdem werden Sie niemals etwas Besseres finden als die Energie, die Sie bereits in
sich tragen. In dieser Hinsicht gibt es kein größeres Kunstwerk im ganzen Universum als
sie. Sie sind ein Teil von Mutter Natur und können jederzeit mit ihr Kontakt aufnehmen. In
der Tierwelt sind Sie ihre Energie - und die ist grenzenlos. Sie müssen nur lernen, den
Code zu knacken und Zugang zum Tier in sich zu finden. Ihre instinktive Energie ist die
Nummer eins, das allerwichtigste Hilfsmittel, um das Verhalten Ihres Hundes zu
kontrollieren oder zu beeinflussen.“ (Millan/Peltier: 2007: 110f)
„Unabhängig davon, für welche Erziehungshilfe Sie sich entscheiden, das Instrument
wurde nicht erfunden, um Ihren Hund zu verletzen. Vielmehr soll es dem Hundeführer
Macht verleihen - für den Fall, dass er das Tier nicht mit seiner Energie allein lenken kann.
Wenn man bestimmte Hilfsmittel einsetzt und dabei nervös, frustriert, wütend oder hilflos
ist, dann wage ich zu behaupten, dass negative Ausstrahlung dem Hund gegenüber sehr
viel unmenschlicher ist, als die meisten Erziehungshilfen, die es gibt.“ (Millan/Peltier: 2007:
111)
„Das perfekte Szenario sieht so aus, dass Sie vielleicht mit einem Hilfsmittel wie dem
Stachelhalsband anfangen, daraufhin Selbstvertrauen gewinnen, eine bessere, auf
Vertrauen und Respekt basierende Beziehung zu ihrem Hund aufbauen und schließlich zu
einem Würgehalsband aus Nylon zurückkehren. Ungefähr ein Jahr später können Sie
dann ein einfaches Seil verwenden - und noch ein Jahr darauf gemeinsame Erfahrungen
ohne Leine sammeln.“ (Millan/Peltier: 2007: 161f)
„Verwenden Sie niemals etwas, von dem Sie nicht hundertprozentig intellektuell, moralisch
oder spirituell überzeugt sind, ganz gleich, was die Experten sagen.“ (Millan/Peltier: 2007:
162)
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8.1. Leine - Nylonschlinge
„Gerät ein angeleinter Hund außer Kontrolle, ziehe ich Leine oder 'Würgehalsband' unter
Umständen einmal leicht zur Seite oder berühre ihn mit dem anderen Fuß am Hinterteil.
Das reißt ihn aus seiner wie auch immer gearteten Fixierung und macht ihm klar: 'Dieses
Verhalten ist in meinem Rudel nicht erwünscht.' Auch dabei handelt es sich nicht um einen
wirklichen Tritt. Es ähnelt eher einem festen Schulterklopfen, mit dem Sie die
Aufmerksamkeit eines Freundes erregen möchten. Dabei kommt es vor allem auf die
Energie hinter der Berührung an - sie darf weder wütend noch frustriert, zaghaft oder
ängstlich, sondern muss immer 'ruhig und bestimmt' sein.“ (Millan/Peltier: 2007: 74)
8. 2. Das Würgehalsband
„Das Würgehalsband ist vermutlich die Erziehungshilfe mit dem negativsten Namen und
geht ebenfalls auf die Grundidee zurück, dass man eine Schlaufe um den Hals eines
Tieres legt, um seine Bewegungen zu kontrollieren. Damit sind wir wieder beim Seil
meines Großvaters. Korrekt verwendet, wird dieses Hilfsmittel das Tier weder 'würgen'
noch ihm die Luft abschnüren oder ihm auch nur vorübergehend Unbehagen bereiten. Die
Grundüberlegung lautet: Wenn sich die Kette fester um den Hals legt, schickt das eine
Korrekturbotschaft an den Hund, während ihre Lockerung andeutet, dass der Korrektur
nachgekommen wurde. Der falsche Umgang mit der Kette - wenn man den Hals des
Hundes zu kräftig nach oben zerrt - kann natürlich eine Würgereaktion auslösen. Richtig
ist, sanft zur Seite zu ziehen. Es ist eine Bewegung, die nur dazu dient, die
Aufmerksamkeit des Hundes zu erregen und ihn aus seinem momentanen Zustand
herauszureißen. Ich wünschte nur, diese Erziehungshilfe hätte einen anderen Namen 'Schlaufenkette', 'Kettenhalsband', 'Kontrollkette' oder etwas Ähnliches.“ (Millan/Peltier:
2007: 123)
8. 3. Das Illusion-Halsband
Dieses Halsband wird seit der Scheidung von Illusion Millan „Pack Leader Collar“genannt.
„Der untere Nackenabschnitt ist der stärkste, hier hat der Hund die größte Kontrolle. Will
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man ein unausgeglichenes Tier beherrschen, bei dem die Leine an dieser Stelle sitzt,
kann es vorkommen, dass man ihm die Luft abschnürt, dass es an der Leine zerrt, kämpft
und Sie aus diesem Kräftemessen als Verlierer hervorgehen. Ist die Leine dagegen an
oberster Stelle des Halses angebracht, setzen Sie am empfindlichsten Teil an. Dann
brauchen Sie nur wenig Kraft, um mit ihrem Hund zu kommunizieren, ihn zu führen und zu
korrigieren. Er empfindet es als natürlicher, einzulenken und eine positive Lernerfahrung
zu machen. Darüber hinaus wird die Nase vom Boden gehoben und er so vor den
Ablenkungen seines Umfelds bewahrt. Das Illusion-Halsband ist so konstruiert, dass der
untere Teil als Stütze dient, während es gleichzeitig den oberen Halsabschnitt zur
Kommunikation und Kontrolle nutzt.
Darüber hinaus trägt das Illusion-Halsband dazu bei, die Körpersprache eines Hundes zu
verändern, sodass er aussieht, als sei er stolz auf sich. (…)
Wenn ein Hund mit hoch erhobenem Kopf nach vorn blickt, verändert sich seine ganze
Körpersprache. Schwanz und Brust folgen oft auf dem Fuße und werden ebenfalls
aufgerichtet. Sobald sich die Körpersprache verändert hat, wandelt sich auch die Energie.
Ein Hund mit erhobenen Haupt drückt aus, dass er stolz auf sich ist.
Projiziere ich menschliche Gefühle auf sie, wenn ich sage, dass Hunde Stolz empfinden?
Meiner Meinung nach nicht. Im ganzen Tierreich finden wir Zurschaustellung einer
Körpersprache, die Stolz ausdrückt. (…) In der Tierwelt steht Stolz für Selbstbewusstsein,
Selbstwertgefühl, Energie und Durchsetzungskraft oder gar Dominanz. Diese Art von
'Dominanz' kann sich sogar bei eher unterordnungsbereiten Hunden zeigen - da das von
mir beschriebene Selbstbewusstsein oder Selbstwertgefühl ein spielerisches Element
enthält. Es handelt sich nicht um hundertprozentige Dominanz, mit der die Unterwerfung
anderer gefordert wird - sondern schlicht um ein Tier, das es genießt, Hund zu sein.“
(Millan/Peltier: 2007: 129f)
8. 4. Das Stachelhalsband
„Das Stachelhalsband wurde entwickelt, um den Biss eines Muttertieres oder eines
dominanteren Hundes nachzuahmen, und ähnelt der von mir als natürliche
Rehabilitationsmethode verwendeten 'Klaue'. (...) Bei korrektem Gebrauch kann man mit
einem Stachelhalsband meiner Ansicht nach sehr viel schneller eine unmittelbare
Reaktion erzielen als mit vielen anderen Hilfsmitteln, einfach deshalb, weil es der Natur
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nachempfunden ist. (…)
Stellen Sie sich vor, wie ein erfahrener Masseur seine Daumen in Ihre verspannten
Nackenmuskeln bohrt. Zuerst spüren Sie den Druck, dann folgt sofort die Entspannung.
Ein informierter Hundehalter, der mit einem Stachelhalsband arbeitet, kann einen
angespannten Hund auf diese Art und Weise beruhigen; doch der falsche Gebrauch kann
die Anspannung noch weiter erhöhen und das Tier zum Kampf anstacheln.
Auch hier gilt: Erfolgt die Korrektur mit der falschen Energie (Frustration, Wut) oder zur
falschen Zeit (unregelmäßig oder nicht im Augenblick des Fehlverhaltens), schadet das
dem Hund.“ (Millan/Peltier: 2007: 140)
8. 5. Das Elektrohalsband
„Ich stimme den Kritikern dieser Methode zu, dass sie bei falschem Gebrauch oder in den
falschen Händen ihren Hund nicht nur traumatisieren, sondern sogar dauerhaft das
Vertrauen zerstören kann, das Sie zu ihm aufbauen möchten. Wird dieses Halsband
allerdings in der richtigen Situation von einem vorbildlichen Halter eingesetzt, erachte ich
es als eine Möglichkeit, die in der Tat den Unterschied zwischen Leben und Tod für Ihr
Tier machen kann.“ (Millan/Peltier: 2007: 141)
„Die Wahrheit ist, dass sich der von renommierten Elektrohalsbändern erzeugte
Stromstoß eher mit dem Reiz eines TENS-Geräts zur transkutanen elektrischen
Nervenstimulation vergleichen lässt, der sich Menschen im Rahmen einer Physiotherapie
freiwillig unterziehen. (...)
Bei den Korrekturen mit dem bewährten Elektrohalsband (und einem aufgeklärten,
verantwortungsbewussten Halter) kommt es auch auf die Dauer des Stromstoßes an. Ein
wirkungsvoller Reiz sollte nicht länger als eine Vierzigstelsekunde dauern - das ist kürzer
als ein durchschnittliches Fingerschnippen. Sinnvolle Korrekturen aller Art sollten stets in
dieser Geschwindigkeit erfolgen. Hunde leben im Augenblick, und deshalb muss die
Maßnahme in dem Sekundenbruchteil erfolgen, indem das unerwünschte Verhalten
einsetzt. So kann das Tier 'zwei und zwei zusammenzählen' und wird auf die
Verhaltensänderung hin konditioniert.“ (Millan/Peltier: 2007: 143)
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Cesar Millan hält direkte Bestrafung für eine effektive Erziehungsmethode. Allerdings
räumt er im Falle des Elektrohalsbandes ein, dass falscher oder wahlloser Gebrauch sehr
großen Schaden anrichten kann. Falls der Hund durch den Stomstoß erschrickt, würde er
dies sofort mit dem Gegenstand oder dem Verhalten verbinden, mit dem er genau in
diesem Augenblick beschäftigt war. Deshalb empfiehlt er allen Halterinnen, die es zur
Verhaltensmodifikation einsetzen möchten, sich mit einem im Umgang mit
Elektrohalsbändern erfahrenen Hundetrainer in Verbindung zu setzen, damit die Strafe so
gering wie möglich gehalten werden könne. (Millan/Peltier: 2007: 144)
Um eine genauere Vorstellung von strafbasierten im Vergleich zu belohnungsorientierten
Erziehungsmethoden zu vermitteln, empfehle ich ein Video, das unter dem Link:
https://www.youtube.com/watch?v=yQAayRtXkwE zu finden ist.
Bei der Schilderung des Fallbeispiels „Molly und der Mähdrescher“ gewinnen wir einen
Eindruck davon, wie das aussehen könnte: „Wir führten sie mit dem Reifen des
Pritschenwagens in Versuchung. Sobald sie auf die Räder zulief, drückte ich den Knopf.
(…) Sie drehte sich postwendend ab und kam in großem Bogen zurück. (…) Ich brachte
Mark und Leisha bei, den Sekundenbruchteil zu erkennen, in dem sich Molly auf den
Reifen fixierte, und zeigte ihnen, wann sie drücken mussten. Wieder drehte Molly ab und
lief davon. (…)
Bevor ich ging, konnte ich mit dem Mähdrescher an Molly vorbeifahren, während sie
friedlich ein wenig abseits lag. Das war bei ihr etwas ganz Neues. Ich empfahl den
Eggers, Molly das Halsband drei Monate lang jeweils zehn Stunden täglich anzulegen und
bei Bedarf weiter mit der niedrigsten Korrekturstufe zu arbeiten (in diesem Fall 'Vibrieren'),
sobald sich ihre Fixierung auf die Reifen bemerkbar machte.“ (Millan/Peltier: 2007: 146)
37
9. Der Alphawurf
„Einige Tierverhaltenstherapeuten halten den Alphawurf für ebenso grausam, wie einen
Hund in Brand zu stecken… Ich werde von vielen Anhängern der rein positiven Erziehung
kritisiert, als 'unmenschlich' und 'barbarisch' bezeichnet, weil ich diese Methode anwende.
Ich respektiere die Meinung dieser Kritiker und stimme ihnen insofern zu, dass jede
Methode nur in ganz bestimmten Fällen angemessen ist und allein von erfahrenen
Hundeführern angewandt werden sollte. Wenn auch Sie diese Methode für grausam
halten, sollten Sie das soeben Gesagte ergänzend zu meinem Rat im Hinterkopf behalten.
Ich glaube, im Umgang mit Tieren müssen wir stets auf unser eigenes Gewissen hören.
Ich halte es für ganz natürlich, von einem Hund zu verlangen, dass er sich mir
unterordnet, indem er sich auf die Seite legt. Innerhalb meines eigenen Rudels genügt fast
immer ein strenger Blick, ein Laut oder eine Geste, um einen Hund 'auf Abwegen' zur
Unterordnung zu bewegen - sodass er sich hinsetzt oder -legt. Und dies, ohne dass ich
ihn berühren oder auch nur nahe kommen müsste. Es versteht sich von selbst, dass ich
einen Hund lieber mit einem Blick oder mit einem Laut als mit einer Berührung zum
erwünschten Verhalten bewege. (…)
Ich habe diese Technik erstmals bei meinem Rottweilerrudel angewandt und verwende sie
immer noch, wenn es nötig ist. Sie teilt dem Tier auf ursprüngliche Art und Weise mit, dass
ich der Boss bin.“ (Millan/Peltier: 2006: 285f)
38
10. Der sogenannte „rote Bereich“
„Ehe ich in die Vereinigten Staaten kam, war ich noch nie einem Hund im roten Bereich
begegnet. Ich hatte tollwütige Hunde gesehen und solche, die miteinander kämpften. Aber
sobald sich der eine als dominant erwies, indem er den anderen zu Boden drückte, war
der Kampf normalerweise vorüber. In der Natur dient Drohverhalten meist dazu,
tatsächliche Aggression zu vermeiden. Sofern es sich nicht um ein schwaches Tier
handelt, das vom Rudel getötet werden muss, ist es im Interesse der Gemeinschaft,
aggressives Verhallten auf ein Mindestmaß zu reduzieren.“ (Millan/Peltier: 2006: 225f)
„Wir sind es sowohl unseren Hunden als auch unseren Mitmenschen schuldig, dass wir
das Verhalten unseres Hundes kontrollieren können. Falls er nicht richtig sozialisiert oder
rehabilitiert wurde, und unseren Nachbarn oder deren Haustiere irgendwie gefährlich
werden könnte, handeln wir fahrlässig, wenn wir uns mit ihm in die Öffentlichkeit begeben.
Manche Tiertherapeuten und -ärzte glauben, positive Verstärkung und Belohnungen seien
bei allen Hunden und in allen Situationen angemessen. Ich bin der Ansicht, wenn man sie
mit Leckerlis und positiver Verstärkung konditionieren kann, dann ist das ideal. Es ist am
besten, wenn der Mensch das Verhalten und die Erziehung seines Begleiters von einer
positiven und mitfühlenden Warte aus sieht, und es ist niemals richtig, ihn aus Wut zu
bestrafen. Hunde müssen - wie alle anderen Tiere auch - stets „human“ (das heißt aber
nicht vermenschlicht) behandelt werden. Doch darüber dürfen wir nicht vergessen, dass
die Aggression von Hunden im roten Bereich oft eskaliert, bis sie entweder einen
Artgenossen oder einen Menschen töten oder zum Krüppel machen. Ein solches Tier ist
soweit aus dem Gleichgewicht, dass es eine Gefahr darstellt; und keine Liebe, kein Lob
und kein Leckerli der Welt werden ihn davon abhalten, erhebliche Schäden anzurichten.“
(Millan/Peltier: 2006: 252)
„Können Sie sich vorstellen, zu clicken und mit Leckerlis zu werfen, während Sie Ihren
Hund gleichzeitig mit aller Kraft davon abhalten wollen, einen Menschen oder Artgenossen
anzugreifen?“ (Millan/Peltier: 2007: 81)
39
TEIL ZWEI
11. Was wer von Cesar Millan lernen kann
Um in der Debatte glaubwürdig zu sein, sollten wir differenzieren:

Was lehne ich persönlich ab, weil es meinem Wissensstand und/oder meiner
Überzeugung widerspricht?

Was ist tierschutzrelevant, dh. möglicherweise strafbar?

Was von dem was er sagt ist ok? -gemäß: „Was gut is für den Hund is gut für den
Hund“
Im Gespräch mit Kundinnen halte ich es für sinnvoll, nicht gleich allzu sehr auf
Konfrontation zu gehen. Überzeugungsarbeit braucht Zeit.
11.1. Martin Rütter
Zum Beipiel könnte Herr Martin Rütter von seinem Kollegen einiges bezüglich
Erziehungshilfen wie Wurfketten und Sprühflaschen lernen.
„Das Problem dabei ist, dass Hunde meist nicht glauben, dass dieses Geschoss aus
heiterem Himmel angeflogen kommt; sie haben ein sehr gutes Gespür für Ursache und
Wirkung und sie haben einen hervorragenden Orientierungssinn. Verknüpfen sie diesen
fremden Gegenstand erst einmal mit Ihnen als den Werfer, haben Sie den ersten Schritt
getan, um das vertrauensvolle Band zwischen Ihnen zu zerstören - ein Hund versteht
nämlich nicht, wenn man Gegenstände nach ihm wirft. Möglicherweise wird er dadurch
zwar soweit aufgeschreckt, dass er von seinem Verhalten absieht. Ein solches Vorgehen
wird allerdings weder dafür sorgen, dass er Sie respektiert, noch bewirken, dass er ruhige
Unterordnungsbereitschaft zeigt.
Verbringen Sie einmal einen Tag im Zoo und beobachten Sie einen beliebige kleine
Primatengruppe. Sie werden sehen, dass es vor allem einen 'Primatengewohnheit' ist,
Gegenstände zu werfen, um die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu ziehen.“
(Millan/Peltier: 2007: 158)
40
„Ich bin der Ansicht, dass es sich dabei ebenso wenig wie bei den Gegenständen, mit
denen man einen Hund schlägt oder die man nach ihm wirft, um eine in seiner Welt als
natürlich empfundene Disziplinierungsmaßnahme handelt. Und bedenken Sie, dass der
Hund unausweichlich einen Zusammenhang zwischen Ihnen und der Sprühflasche
herstellen wird.“ (Millan/Peltier: 2007: 160)
11. 2. Roman Schröck
Herr Roman Schröck8, die österreichische Cesar Millan-Replik (eigentlich Dog Coach selbstverständlich ohne „klassische Trainerausbildung“, schließlich habe ihn noch nie ein
Hund um ein Zertifikat gefragt!), hat nicht genau aufgepaßt:
„Es ist völlig sinnlos, einem unsicheren Hund eine zweiwöchige Frist zu setzen, in der er
Gehorsam lernen soll. Jeder Hund braucht seine Zeit, um zu lernen und zur
Ausgeglichenheit zu finden. Da kann man nichts überstürzen, man kann seinen Hund
auch nicht einfach 'fortgeben', damit andere die Sache erledigen. Wie gesagt sind Hunde
keine Art Haushaltsgeräte.“ (Millan/Peltier: 2007: 151).
11. 3. Cesar Millan
Und sogar Herr Millan kann noch etwas von sich selbst lernen. Er hat es schon
geschrieben, nun sollte er es auch umsetzen:
„Sie nähern sich einem Hund richtig, wenn Sie sich ihm überhaupt nicht nähern. Diese
Tiere laufen niemals frontal aufeinander zu, es sei denn, sie wollen sich herausfordern.
Der Rudelführer geht nie seiner Gefolgschaft entgegen. Die kommt zu ihm.“ (Millan/Peltier:
2006: 123)
„If the dog walks away or otherwise indicates it's not interested in you, don't chase after it!
Respecting a dog's boundaries is the best thing you can do to encourage that same dog to
respect you.“ (Millan/Peltier: 2008: 36)
8
& www.dogcoach.at/
41
11. 4. Brauchbare Sätze
Der Kern der folgenden Weisheiten stammt zwar nicht originär von Herrn Millan, aber die
Sprüche sind treffend formuliert.
„Das ist der Haken, nicht wahr? Wir wollen unsere Hunde gar nicht ändern, weil sie uns
zum Lachen bringen oder uns das Gefühl geben, bedingungslos geliebt oder gebraucht zu
werden. Allerdings versetzen wir uns nur selten in ihre Lage, um uns zu fragen, wie sie
sich wohl fühlen. Wenn ein Hund ängstliches oder zwanghaftes Verhalten oder eines der
vielen anderen Probleme zeigt, die zu lösen ich gerufen werde, haben wir es meist nicht
mit einer 'Marotte' zu tun. Sondern mit einem unerfüllten und bisweilen sogar völlig
unglücklichen Tier.“ (Millan/Peltier: 2007: 46)
„Jedes Mal, wenn Sie ihren Hund vermenschlichen und er in Ihrem Leben die Position
eines abwesenden Kindes, Liebhabers, Freundes oder Elternteils ausfüllen soll, stellen
Sie unrealistische Erwartungen an ihn. Sie nehmen ihm seine Würde - die Würde, ein
Hund zu sein.“ (ebd.: 23)
Ich denke, dass Schilderungen wie die folgende einen großen Teil zu Cesar Millans
Beliebtheit beitragen. Humorige Aufbereitungen von Geschichten, die wir alle schon so
oder so ähnlich erlebt haben; sie lassen haarsträubende pseudowissenschaftliche
Aussagen an anderen Stellen richtiger erscheinen.
„Ich habe oft Klienten, die einen Problemhund aus dem Tierheim geholt haben und nun
schon seit Monaten überlegen, was ihm wohl im Welpenalter Schreckliches zugestoßen
sein und seine aktuellen Probleme verursacht haben mag. Sie sagen über ihn: „Sicher ist
er von einer Frau mit hohen Absätzen getreten worden, weil er jetzt Angst vor Frauen mit
hohen Absätzen hat.“ Oder: „Der Müllmann hat ihm Angst gemacht, deshalb spielt er jetzt
jedes Mal verrückt, wenn ein LKW vorbeifährt.“ Das mag durchaus stimmen. Aber diese
Hundebesitzer sprechen von den Ängsten und Phobien ihrer Hunde, als handle es sich
um menschliche Ängste oder Phobien. Als säßen die Tiere den ganzen Tag da und
dächten zwanghaft über eine traumatische Welpenzeit nach, oder verbrächten ihre freie
Zeit damit, sich Sorgen über Müllmänner und hohe Absätze zu machen.“ (Millan/Peltier:
2006: 141)
42
„Am wichtigsten aber ist, dass alle Tiere im Hier und Jetzt leben. Immerzu. Nicht, dass sie
keine Erinnerung hätten, die haben sie sehr wohl. Sie denken nur nicht zwanghaft über
die Vergangenheit nach.“ (Millan/Peltier: 2006:129)
Eine gewisse Uneinigkeit wird hinsichtlich des Schlafplatzes des Hundes vermittelt.
Einerseits wird frisch gebackenen Welpenbesitzerinnen geraten, den Welpen bereits in der
ersten Nacht im neuen Heim in der geschlossenen Hundebox in einem eigenen Raum
schlafen zu lassen, also grausamer Unfug. „Vermutlich wird Ihr Welpe irgendwann nachts
aufwachen und anfangen zu winseln. Das hört sich fürchterlich an, ist aber normal. Sie
sollten niemals sofort aufspringen und auf sein jämmerliches Winseln reagieren, es sei
denn, es ist an der Zeit, mit ihm vor die Tür zu gehen, damit er Pipi machen kann. (…)
Kaufen Sie sich fürs Erste in der Drogerie ein paar Ohrstöpsel, trinken Sie vor dem
Zubettgehen ein Glas warme Milch, meditieren Sie ein wenig und wiederholen Sie immer
wieder 'Auch dies wird vorübergehen.“ Glauben Sie mir, es wird vorbei sein, ehe Sie sich's
versehen!“ (Millan/Peltier: 2009: 154f)
Ich persönlich halte mich seit fast fünfzehn Jahren an eine empfehlenswerte Regel, die
Millan folgendermaßen formuliert: „Es ist natürlich für Hunde, zusammen mit anderen
Rudelmitgliedern zu schlafen, und es bietet eine gute Möglichkeit, die Bindung zwischen
Ihnen und dem Tier zu stärken. Aber überlassen Sie dem Hund nicht die Herrschaft im
Bett.“ (Millan/Peltier: 2006: 312)
11. 5. Wenig bis keinerlei Kritik...
Wenig bis keinerlei Kritik gibt es von meiner Seite zu folgenden Punkten, die es vor der
Anschaffung eines Hundes zu bedenken gilt:
What is your overall lifestyle? What is your conflict-resolution style? Are you a group of
people who works together, functioning best as a unit, or do you seem to be sharing the
same living space while everyone does his or her thing? (Millan/Peltier: 2008:16f)
What are your real reasons for wanting to bring a dog into our lives? Is erveryone in the
family aware of and prepared to take responsibilities – including financial burdens –
involved in caring for a dog? Is everyone willing to pitch in and take part in leadership as
43
well as affection? (Millan/Peltier: 2008: 16f)
„Arbeiten Sie? Wie viele Stunden wäre der Hund längstens allein? (…) Können Sie sich
einen Hund leisten? Werden Sie regelmäßig mit ihm zum Tierarzt gehen? Werden Sie ihm
qualitativ hochwertiges Futter geben?“ (Millan/Peltier: 2009: 57)
Cesar Millan empfiehlt moderate Impfschemen. (ebd.: 200ff)
Er rät Welpenbesitzerinnen, zuerst an 'Verbundenheit', dann an 'Kommunikation' und dann
erst an 'Erziehung' zu denken. (ebd.: 231)
Kinder sollten einen Hund bei der Begrüßung weder ansehen, noch ansprechen, noch
anfassen, bis dieser signalisiert, dass er weiteren Kontakt wünscht. Niemals sollte einem
Kind erlaubt werden, einen Welpen zu necken. (ebd.: 298)
Und: „Unsere Welpen verlassen sich darauf, dass wir für ihre Sicherheit sorgen und
zuhören, wenn sie uns mitteilen, dass ein Unbekannter bei der ersten Begegnung etwas
mehr Abstand halten sollte.“ (ebd.: 304)
Hilfreich finde ich diverse Checklisten wie

So machen Sie ihr Heim welpensicher (Millan/Peltier: 2009: 147)

Beliebte Zimmerpflanzen, die für Hunde giftig sind (Millan/Peltier: 2009: 143)

Was macht ein verantwortungsbewusstes Tierheim aus? (Millan/Peltier: 2008: 45f)
sowie auch (Millan/Peltier: 2009: 80)

Wie erkenne ich eine seriöse Tiernothilfe? (Millan/Peltier: 2009: 76ff)

Wie finde ich den richtigen Züchter? (Millan/Peltier: 2009: 71ff); wobei im vorläufig
letzten Buch „Die Glücksformel für den Hund“ (Millan: 2013) Züchter als Quelle für
Hunde unerwähnt bleiben. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass nach
dem endgültigen Ende der Fernsehserie „Der Hundeflüsterer“ nach der neunten
Staffel in der darauffolgenden Serie „Leader of the Pack“ ein neues Zuhause für
Hunde gesucht wird. (Anm.)
Auch das Thema Welpenfabriken wird behandelt. (Millan/Peltier: 2009: 66ff)
„Wenn niemand den Welpen im Fenster mit ethisch bedenklichen Praktiken kauft, landet
er irgendwann im Tierheim oder bei der Tiernothilfe, wenn sein 'Verfallsdatum' in Sachen
Niedlichkeit überschritten ist. Wenn Sie wirklich helfen wollen und glauben, genügend
44
Geduld und Erfahrung zu besitzen, um mit den unzähligen Verhaltens- und
Gesundheitsproblemen fertig zu werden, die ein solches Tier mit sich bringt, ist dies der
richtige Zeitpunkt für die Adoption. Die 'Massenzüchter' machen keinen Profit, die
Tierhandlungsbesitzer machen keinen Profit, und Sie tragen dazu bei, dass wir der
Lösung des Problems der Welpenfabriken und ihrer endgültigen Schließung einen kleinen
Schritt näher kommen.“ (Millan/Peltier: 2009: 71)
„Hundefolterknecht“ für die einen, für andere „Der Rudelführer“. Sein Engagement für
Tierheimhunde, seine klaren Aussagen gegen Hundekämpfe (Millan/Peltier: 2007: 125ff)
und Kettenhaltung sowie gegen die Euthanasie für aggressive Hunde verdienen
Anerkennung.
„Ich würde gerne sehen, dass mehr Gnadenhöfe für die Hunde geschaffen werden, die
nicht zu rehabilitieren sind und nicht gefahrlos mit Menschen zusammenleben können. In
meinen kühnsten Träumen stelle ich mir vor, wie Golfplätze in solche Refugien verwandelt
werden, auf denen sich professionell ausgebildetes Personal um die Hunde kümmert und sie studiert. Wir können von diesen geschädigten Tieren nämlich sehr viel lernen. Sie
lehren uns, dass Missbrauch Killerhunde hervorbringt. (…) Ich bin der Meinung, wir sollten
diese Hunde nicht einschläfern. Sie sterben wegen der Untaten, die wir Menschen an
ihnen begangen haben. Ich denke, wir sollten kreativ genug sein, Möglichkeiten zu finden,
damit sie den Rest ihres Lebens so angenehm wie möglich verbringen.“ (Millan/Peltier:
2006: 249)
45
12. Zusammenfassung
12. 1. Same Same...but different!
Herr Millan hat uns auch im Jahr 2013 nichts Neues zu verkünden. Die üblichen Formeln
werden leicht verändert umbenannt in „Cesar's Naturgesetze für Hunde“ (Millan: 2013:
33ff), „Neun Prinzipien für einen ausgeglichenen Hund“ (ebd.: 51ff) sowie die fünf
„Rudelführertechniken“ (ebd.: 75ff).
Ein Beispiel zur natürlichen Position des Hundes im Rudel: „Der Rudelführer erschnuppert
frisches Wasser und Beute jenseits des dunklen, furchterregenden Waldes und geht
deshalb darauf zu. Die hinteren Hunde wissen nur, dass sie einen dunklen,
furchterregenden Wald betreten. Ihre normale Reaktion wäre, durch Bellen vor der Gefahr
zu warnen. Die Hunde in der Mitte spüren die ruhige Energie von vorn und beruhigen die
ängstlichen hinteren Hunde durch ihre eigene ruhige Energie. Wenn sich dem Rudel
dagegen von hinten eine große Bedrohung nähert, bleiben die hinteren Hunde erregt und
bellen weiterhin warnend. Die Hunde in der Mitte nehmen diese Energie auf und geben
sie nach vorn weiter. Der Rudelführer wendet das Rudel, um es gegen die neue
Bedrohung zu schützen.“ (Millan: 2013: 68)
Ich bin der Ansicht, dass Aussagen wie diese wenig bis nichts über Hunde, dafür umso
mehr über den mentalen Zustand des Autors verraten.
Cesar Millan arbeitet weiterhin mit einer Kombination aus positiver Verstärkung und
positiver Strafe, die er allerdings als „Korrektur“ bezeichnet, zum Beispiel dem Leinenruck.
Außer dem Pack Leader Collar und der Nylonschlinge begegnen uns 2013 keine weiteren
Erziehungshilfen. Er beschäftigt sich vermehrt mit der Körpersprache von Hunden.
Seine Aussagen sind deutlich verwaschener, es macht auf mich den Eindruck, als würde
er sich rechtfertigen und dabei ein wenig aus dem Konzept geraten. Dies könnte eine
Folge der beständigen Kritik an seinen Methoden sein.
„Beim Training geht es um die Anwendung von Techniken. In meinen Kursen am Dog
Psychology Center (DPC) behandle ich die meisten Techniken, die bei Hundetrainern
heute Standard sind, wie das Klickertraining und die positive Verstärkung. Ich höre oft,
46
dass ich im Training keine Klickertechniken verwende, aber wenn ich bei den Sitzungen
ein 'Tsch' von mir gebe, ist das im Prinzip dasselbe: Ich verknüpfe einen Laut mit einem
erwünschten (sic!) Verhalten. Manchmal setze ich auch Leckerchen ein, um ängstliche
Hunde in einen entspannten Zustand zu bringen. (…)
Es ist unerheblich, ob man Belohnungen, einen Klicker oder disziplinarische Maßnahmen
benutzt, um ein erwünschtes Verhalten hervorzurufen, solange dieses Verhalten natürlich
ist.“ (Millan: 2013: 22)
Seine neuen Erkenntnisse über Lernen und Gedächtnis möchte ich der Leserin nicht
vorenthalten: „Viele Hundebesitzer sind skeptisch, wenn ich ihnen sage, dass Hunde rein
in der Gegenwart leben und dass ihre Gedächtnisspanne nur etwa 20 Sekunden beträgt.
(…)
Ein Hund erinnert sich an Menschen und Orte anhand von Assoziationen, die mit diesen
verknüpft sind.“ (ebd.: 26)
Dafür dämmert es dem „Rest der Welt“ langsam, wie recht er hat: „Wissenschaftler
beginnen gerade erst, die Auswirkungen von Energie auf das Verhalten zu untersuchen.
Das meiste, was ich über Hunde weiß, basiert auf meiner lebenslangen Arbeit mit ihnen.
Deshalb freue ich mich immer, wenn eine neue Studie zum Verhalten von Hunden
veröffentlicht wird, die die Überzeugungen und Beobachtungen die ich im Laufe meines
Lebens entwickelt habe, bestätigt oder wenigstens stützt.“ (ebd.: 40)
12. 2. Schlussfolgerung
Abschließend stelle ich fest:
Das was der „Hundeflüsterer“ tut, hat mit Flüstern nichts zu tun.
Cesar Millan ist ein typischer Dominanztheoretiker, er postuliert die Überlegenheit von
Menschen gegenüber Hunden, so wie andere die Überlegenheit einer Gruppe von
Menschen über eine andere Gruppe von Menschen als Grundlage ihres Weltbildes
nehmen. Besonders nervtötend finde ich persönlich in diesem Zusammenhang die
redundante Beschwörung von „Mutter Natur“.
Der Vater-Gott ist tot (frei nach Nietzsche, Anm.), also muss „Mutter Natur“ herhalten ...
47
Wir befinden uns in der glücklichen Lage, durch unser Wissen und unsere
Empathiefähigkeit weniger anfällig für diese Art von Gedankengut zu sein.
In diesem Sinne möchte ich mit den Worten der englischen Hundetrainerin Sheila Harper
schließen. Sie beantwortete die Frage 'What else can we do?':
„Well, everybody could just listen to their dogs. It would make such a difference.“
(Sheila Harper: 2015)
Dank
Ich danke

meiner Mutter Hilde Boitllehner sowie

Trixi Berger

Susanna Haitzer

Susi Lehr

Sabine Pinterits

Doreen Poppe

Bettina Rippel

Daniela Russ

Sigrun Schwaiger und

meiner Hündin Khito...
… für Eure Freundinnenschaft & Kollegialität, für Euren Rat, Eure Inputs und
Unterstützung... Danke für all die Schätze, die Ihr mir geschenkt habt!
48
Bildteil
(Foto: Doreen Poppe)
Das „Pfötchen“ imitiert das Schnappen des Muttertieres ...
49
(Foto: Doreen Poppe)
… oder eines dominanteren Hundes.
50
(Foto: Doreen Poppe)
So legen sie die Leine richtig an!
51
(Foto: Doreen Poppe)
… wie ein festes Schulterklopfen, mit dem ich die Aufmerksamkeit eines Freundes erregen
möchte ...
52
Die Rudelführerin betritt ihr Revier zuerst!
(Foto: Doreen Poppe)
53
(Foto: Doreen Poppe)
Die Rudelführerin tritt immer zuerst über die Schwelle.
54
(Foto: Doreen Poppe)
Die Autorin zeigt ruhige gefügige Energie ...
55
ANHANG
Literatur
Aus folgenden Büchern, Skripten oder Vorträgen habe ich entweder zitiert oder auf sie
verwiesen.
„Tipps vom Hundeflüsterer“- Cesar Millan mit Melissa Jo Peltier,
Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Cesar's Way“, New York, 2006
„Du bist der Rudelführer“ - Cesar Millan mit Melissa Jo Peltier,
Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Be the Pack Leader“, New York, 2007
„A Member of the Family“ - Cesar Millan with Melissa Jo Peltier, London, 2008
„Cesar Millans Welpenschule“ - Cesar Millan mit Melissa Jo Peltier,
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
„How to Raise the Perfect Dog. Through Puppyhood and Beyond“, New York, 2009
„Die Glücksformel für den Hund“ - Cesar Millan,
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
„Cesar's Short Guide to a Happy Dog“, 2013
„Hunde“ - Ray und Lorna Coppinger,
Titel der amerikanischenOriginalausgabe: „Dogs“, New York, 2001
„Stress bei Hunden“ - Martina Scholz und Clarissa v. Reinhardt, Bernau, 2012
„Spurensuche“ - Anne Lill Kvam,
Titel der norwegischen Originalausgabe: Nesearbeid for Hund, Bernau, 2005
„Das Alpha-Syndrom“ – Anders Hallgren, Bernau, 2006
56
„Verhaltenskorrektur“ - Brigid Weinzinger, Skriptum zum gleichnamigen Vortrag, Neudörfl,
2014
„Diverse Trainingsphilosophien“ - Gerda Kainz, Skriptum zum gleichnamigen Vortrag,
Neudörfl, 2015
„Televisiertes Hundetraining“ - Sunny Benett, 2014, Download auf ihrer Homepage
„Dog Centered Hollydays“ - Sheile Harper und Winnie Boerman, Mitterstoder, 2015
57
Internetquellen
htps://de.wikipedia.org/wiki/Cesar_Millan aufgerufen am 3. 8. 2015
www.dogcoach.at/ aufgerufen am 4.8. 2015
www.ris.bka.gv.at aufgerufen am 4.8. 2015
www.dogsinthecity.at aufgrufen am 4.8.2015
https://www.youtube.com/watch?v=yQAayRtXkwE aufgerufen am 7.8. 2015
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