In dünner Höhenluft durch Bolivien und Peru

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In dünner Höhenluft durch Bolivien und Peru
Südamerika-Reise 2010, Bericht 11
In dünner Höhenluft durch Bolivien und Peru
Uebersichtskarte
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In dünner Höhenluft durch Bolivien und Peru
Obwohl wir uns ins Hochland begeben wollen, führt die Strasse ab Coroíco zuerst ca.
500 m talwärts. In Puente Yolosa können
wir uns zwischen der alten, einspurigen
Bergstrecke, auch Todesstrasse genannt,
und der neuen Passstrasse hinauf Richtung
La Paz entscheiden. Die Todesstrasse ist
zwar noch immer öffentlich befahrbar, wird
heutzutage aber vor allem von abenteuerlustigen Mountainbikern als Abfahrtsstrecke
benutzt. Uns hat der Nervenkitzel bei der
Anreise nach Coroíco gereicht, wie die
meisten motorisierten Verkehrsteilnehmer
ziehen wir die neue Route vor. Tatsächlich An der Passstrasse zum La Cumbre
treffen wir auf eine bestens ausgebaute,
durchgehend asphaltierte Passstrasse, ganz nach europäischem Muster. Die Ausblicke
sind aber immer noch spektakulär, extrem steile Berghänge bedeckt mit Yungas-Nebelwald, dazwischen eingebettet kleine Plantagen mit Orangen, Mandarinen und Koka. Ab
3'000 m ü.M. wechselt die Farbe langsam von grün zu hellbraun, der Nebelwald bleibt
zurück, das im Altiplano dominierende Itschugras nimmt überhand. Auf 4'670 m ü.M. erreichen wir die Passhöhe La Cumbre. Hier oben an der Christus-Statue wurde früher,
als die Todesstrasse noch die einzige Route war, um Geleitschutz für eine sichere
Abfahrt gebetet und nach einer heil überstandenen Bergfahrt Gott gedankt. Viele tun
dies heute noch, entzünden eine Kerze, legen Blumen nieder, opfern Zigaretten, eine
Flasche Bier oder Industriealkohol. Wir werfen einen Blick zurück Richtung Yungas und
machen uns auf der anderen Seite auf den Weg hinunter nach La Paz.
Häufig wird La Paz als die höchstgelegene Hauptstadt der Welt bezeichnet. Das
ist jedoch eine falsche Aussage, denn
diesen Titel darf Quito in Ecuador für sich
beanspruchen. Zwar liegt La Paz höher
als Quito, ist die wichtigste und grösste
Stadt Boliviens, hier haben auch die Regierung und die meisten bedeutenden Institutionen des Landes ihren Sitz, die formelle Hauptstadt ist jedoch Sucre. Zweifelsohne ist die Millionenstadt La Paz aber
eine besondere Metropole. Das Zentrum
liegt auf 3'600 m ü.M. in einem ausgeprägten Talkessel an dessen steilen HänLa Paz - Aussicht vom Mirador Killi-Killi
gen sich die Armensiedlungen hochziehen. Der ärmste Teil der Bevölkerung lebt westlich des Zentrums in der eigenständigen
Vorstadt El Alto, auf windig kalten 4'000 m ü.M. Im Osten wird La Paz vom fast 6'500 m
hohen Schneeriesen Inti Illimani überragt, am südlichen Stadtrand liegen die wohlhabenderen, ruhigeren Vororte. Hier in Mallasa befindet sich auch das von einem Schweizer
geführte Hotel Oberland, welches wir als Quartier für unseren Aufenthalt in La Paz ausgewählt haben. Das gepflegte Hotel bietet in seinem Hinterhof eine Parkmöglichkeit für
Wohnmobile und hat sich deshalb in den letzten Jahren als Treffpunkt für die europäi-
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schen Selbstfahrer etabliert. Im überraschend ruhigen Sonntagsverkehr kommen wir gut
durch die Stadt und finden problemlos zum Hotel Oberland.
Unter der Woche sieht die Verkehrslage in La Paz aber ganz anders aus. Der öffentliche
Verkehr wird von einigen hundert Micros, häufig uralte amerikanische Kurzbusse, und
wohl gar einigen tausend Minibussen japanischer oder koreanischer Bauart aufrecht erhalten. In letzteren geht es etwa so eng zu wie in Sardinendosen, bis zu 17 Fahrgäste
finden auf den Sitzen Platz, ein Helfer betätigt die Schiebtüre und kassiert das Fahrgeld
von wenigen Rappen ein. In dieser Art fahren wir fast täglich in die Stadt. Je näher wir
dem Zentrum kommen, desto dichter wird der Verkehr, bis er schliesslich fast zum Erliegen kommt und sich die Busse nur noch im Schrittempo Stossstange an Stossstange
fortbewegen. Um die 45 Minuten ist der Minibus vom Hotel Oberland bis ins Stadtzentrum unterwegs. Natürlich existieren auch Taxis, etwas schneller und bedeutend teurer, aber im Bus lässt sich der Puls des Lebens besser spüren. La Paz hat nicht nur
grosse soziale Probleme, Armut und Kriminalität sind allgegenwärtig, der immense Verkehr sorgt auch für eine extreme Luftverschmutzung. Trotzdem ist die Stadt im Zentrum
sehenswert. Die sehr gepflegte Plaza Murillo wird von zwei Dutzend Polizisten, vielen
Passanten und Hunderten von Tauben bevölkert. Um diese Plaza stehen die wichtigsten
Gebäude der Stadt: Der Nationalkongress, der Präsidentenpalast, vor welchem Wachposten in historischen Uniformen aufgestellt sind, und die im Vergleich zu den Regierungsgebäuden schon fast unscheinbare Kathedrale. Etwas hangaufwärts liegt die recht
kleine, teilweise mit neuer Bausubstanz durchmischte, Altstadt. Am schönsten ist die
schmale, verkehrsfreie Gasse Calle Jaén. Hier erstrahlen die Kolonialhäuser im alten
Glanz, an anderen Ecken der Altstadt fehlt zur Restaurierung offenbar häufig das Geld.
Nationalkongress an der Plaza Murillo in La Paz
Calle Jaén in der Altstadt von La Paz
Charakteristisch für La Paz sind die vielen Märkte. Hinter der Kirche San Francisco mit
sehenswerten Bildhauerarbeiten an der Fassade zieht sich ein wahres Marktquartier den
Hang hoch. In der Calle de las Brujas (Hexengasse) liegt der kleine Mercado de Hechicería (Zaubermarkt). Hier werden Kräuter und Pülverchen mit heilender oder potenzsteigernder Wirkung verkauft, aber auch allerlei Glücksbringer bis hin zu getrockneten
Lamaföten, die beim Neubau eines Hauses zum Schutz gegen böse Geister in die
Wände eingemauert werden. Auch auf dem Zaubermarkt erhältlich sind vorpräparierte
Opferteller mit kleinen Figuren, farbigen Papierstreifen und kopierten Dollarnoten, die bei
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irgendwelchen Zeremonien mit Industriealkohol übergossen und angezündet werden. An
die moderne Zeit angepasst ist der Mercado de Artesanía (Kunsthandwerksmarkt) inzwischen um einiges grösser als der Zaubermarkt. Die Verkaufslokale sind übervoll mit
allen Arten von Souvenirs aus Stein, Keramik und vorallem den bunten bolivianischen
Stoffen. Michèle ist ganz hingerissen, das eine oder andere Stück erstehen auch wir.
Die folgenden Strassenzüge sind durchgehend gesäumt von Marktständen, angeboten
werden Früchte, Gemüse und andere Lebensmittel, Schuhe und Kleider, mitunter die
farbig gemusterten Stufenröcke der bolivianischen Frauen, verschiedenste Elektro- und
Gasgeräte, Werkzeuge, Beschläge, Schrauben und Nägel, Nähartikel, Wolle und Stoffe.
Wir entdecken auch Kunstleder, erinnern uns an den zerschlissenen Faltenbalg am
Durchgang zwischen Wohn- und Fahrerkabine unseres Nordwind und sehen uns die
Ware genauer an. Bei bestimmt 50 zur Auswahl stehenden Sorten finden wir leicht etwas nach unserem Geschmack. Es gibt noch unzählige weitere Märkte in La Paz und El
Alto, etliche davon jedoch in eher unsicheren Quartieren, deren Besuch für Touristen
nicht unbedingt zu empfehlen ist.
In einem der schönsten Häuser der Altstadt, dem Casa del Marqués de Villaverde aus
dem 18. Jahrhundert, ist das Mueso de Etnografía y Folklore untergebracht. In verschiedenen Sälen mit dicken, geschnitzten Holztüren wird eine überaus beeindruckende Ausstellung präsentiert, die einen Querschnitt durch die Textil- und Keramikkunst der alten
Kulturen auf dem heutigen Staatsgebiet Boliviens und Perus zeigt. In der Folkloreabteilung sind die traditionellen Masken und Kostüme aus allen Regionen des Landes ausgestellt. Hier erkennen wir Achu, Toro und Sol y Luna aus San Ignacio de Moxos wieder.
Passend zum Thema führt das Ballet Folklórico La Paz am Abend in einem Nebenraum
des Museums die Tanzshow Los Raíces (die Wurzeln) auf. In die entsprechenden Masken und Kostüme gekleidet zeigen die Artisten traditionelle Tänze aus allen Landesteilen. Ein überaus farbenfrohes Spektakel !
Museo de Etnografía y Folklore in La Paz
Tanzshow Los Raíces des Ballet Folklórico La Paz
Eine Stadt wie La Paz verfügt natürlich über eine Vielzahl interessanter Museen. Ein
ganz spezielles ist das kleine Museo de la Coca (Kokamuseum). In einem einzigen
Raum wird mit Fotos und viel Text die Geschichte des Kokablatts von der Pflanze bis
zum Konsum erläutert. Ob der ausführlichen Beschreibungen sind wir froh um das deutsche Übersetzungsheft und die zum Lesen bereitgestellten Stühle. Der grösste Teil des
bolivianischen Kokaanbaus ist legal, nur ein kleiner Prozentsatz der geernteten Blätter
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landet in den Laboratorien der Kokainmafia und wird in einem komplizierten Prozess zu
Rauschgift verarbeitet. Seit alters her kaut die Hochlandbevölkerung, nicht nur in Bolivien, getrocknete Kokablätter, um damit den in der Höhe besonders belasteten Kreislauf
anzuregen und das Hungergefühl zu unterdrücken. Das Kokablatt ist keine Droge, es
wird ihm sogar heilende Wirkung zugeschrieben. Der Verbrauch an Kokablättern ist
gross, die ausgebeulte, mit Blättern vollgestopfte Backe gehört im Hochland zum Alltagsbild.
Ein weiteres ausgefallenes Museum ist das Museo
de Instrumentos Musicales de Bolivia (Bolivianisches Musikinstrumente-Museum). Die private
Sammlung des Charango-Meisters Ernesto Cavour
besteht nicht nur aus vielen verschiedenen Charangos, den kleinen mandolinenähnlichen Saiteninstrumenten, auch Gitarren in allen Varianten und Harfen sind zu sehen. In der Hochlandabteilung werden
die “klassischen“ Instrumente wie Quena und
Panflöte in allen Formen und Grössen gezeigt. Ein
ca. 5 m langes, am Ende gebogenes Blasrohr aus
dem Departamento Tarija erinnert uns etwas an das
schweizerische Alphorn. Es wird zum Spielen aber
nicht am Boden aufgesetzt, sondern quer in der Luft
gehalten. Je ein eigener Saal ist den Musikinstrumenten aus aller Welt und einer umfangreichen
Kuriositätenkollektion gewidmet. Die abwechslungsreiche Sammlung von Ernesto Cavour umfasst wohl
gegen 1'000 Instrumente. Jeweils am Wochenende Charango-Meister Ernesto Cavour
ist im Museum Konzertabend. Zusammen mit den
Engländern Mike und Mary, die auch mit ihrem Wohnmobil auf dem Parkplatz des
Hotels Oberland logieren, besuchen wir am Samstagabend das Konzert. Zuerst erhalten
ein paar noch unbekannte Gruppen die Möglichkeit, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Den Hauptakt bestreitet aber der international bekannte, schon über 70-jährige
Meister Ernesto Cavour persönlich. Begleitet von einem Trommler, einem Flötenspieler
und einem Gitarristen entlockt er dem Charango nicht nur bekannte Hochlandmusik,
auch ganz untypische Stücke Richtung Jazz gibt er zum Besten. Die eingesetzte Gitarre
entstammt der Kuriositätenkollektion. Es ist eine beidseitig bespielbare Wendegitarre mit
zwei verschiedenen Stimmlagen. Auch der Meister selbst führt ein paar originelle
Instrumente vor. So spielt er ein Stück auf einer nur gerade buchgrossen Harfe oder
zaubert ein Miniatur-Charango aus seinem Jackenärmel.
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Sozusagen vor der Tür des Hotels Oberland im Vorort Mallasa liegt das Valle de
la Luna, das bolivianische Mondtal. Wie
schon vor einigen Monaten im Mondtal
der chilenischen Atacama-Wüste finden
wir uns in einer wahrhaft ausserirdisch anmutenden Landschaft wieder. Ein Rundweg führt durch die von Wind und Wetter
erodierten Formationen aus Lehm und
Sand, vorbei an spitzen Türmchen,
Schluchten und Märchenfiguren. Im Gegensatz zum chilenischen, viel weitläufigeren Valle de la Luna ist diese einzigartige Landschaft hier jedoch bedroht. Die
Flöten-Lehrstunde im Valle de la Luna bei La Paz
fortschreitende neureiche Besiedlung im
Süden von La Paz rückt immer näher an das Mondtal heran oder hat Teile davon bereits
verschlungen. An einem Aussichtspunkt spielt ein Aymará-Indianer für die Besucher auf
einer Quena Hochlandmusik. Den schönen Tönen können wir nicht widerstehen, wir
kaufen ihm eine selbst gefertigte Flöte ab. Mit viel Geduld bringt er Michèle bei, wie man
auf der Quena spielt.
Valle de la Luna bei La Paz
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Unser letzter Tag in La Paz ist ein Arbeitstag. Aus dem auf dem Markt erstandenen
Kunstleder fertigen wir einen neuen Faltenbalg für den Durchstieg zwischen Wohn- und
Fahrerkabine unseres Nordwind an. Dies ist gar nicht so einfach. Nachdem wir ein
passgenaues Papierschnittmuster für die Ecken aufgezeichnet haben, wird das Leder
zugeschnitten und vernäht. Inklusive der Montage nimmt die Arbeit aber fast den ganzen
Tag in Anspruch. Gegen Abend kommen die Schweizer Sonja und Markus nach einem
längeren Werkstattaufenthalt mit ihrem Toyota Landcruiser zum Hotel Oberland. Gekocht wird heute nicht mehr, zusammen geniessen wir bei einem verdienten Nachtessen
die gute schweizerisch-bolivianische Küche.
Wir verlassen La Paz, kämpfen uns durch
den stockenden Verkehr der Innenstadt, gelangen auf einer zweispurigen Autobahn
hinauf nach El Alto, um dort gleich wieder
im Verkehrschaos zu versinken. Strassenschilder gibt es wie üblich in Bolivien auch
hier keine, so müssen wir uns auf den richtigen Weg nach Tiwanaku durchfragen.
Schliesslich erreichen wir die bedeutendste
alte Kulturstätte Boliviens auf dem windig
kalten Altiplano unweit des Titicacasees.
Die Tiwanaku-Kultur ist eine der ältesten
und bedeutendsten Hochkulturen Südamerikas, sie wird auf den Zeitraum von Tor zur Kalasasaya und Templete Semisubterrá1'000 v. Chr. bis 1'200 n. Chr. datiert und neo in Tiwanaku
breitete sich über weite Teile des Hochlandes aus, pflegte aber auch Handelsbeziehungen bis hinunter an den Pazifik. Die frühere
Bedeutung der heute ebenfalls Tiwanaku genannten Ruinenstätte ist unklar. Es könnte
eine wichtige Stadt, viel eher aber ein religiöses Zentrum gewesen sein. Darauf lässt zumindest die Konzentration an Tempeln
schliessen. Weil man es in Bolivien lange
Zeit verpasst hat, die Anlage entsprechend zu schützen, wurde viel zerstört
oder geraubt. Was heute noch hier steht
oder wieder aufgebaut wurde, ist aber
durchaus sehenswert. Wir schlendern von
Tempel zu Tempel, begutachten die vielleicht Götter darstellenden Monolithen,
das fein gearbeitete Sonnentor, das viel
schlichtere Mondtor und den geheimnisvollen, in den Boden versenkten Templete
Semisubterráneo mit den über 100 in die
Wände eingelassenen Steinköpfen. Die
Puerta del Sol in Tiwanaku
Mauern der Gebäude bestehen aus ebenSo passgenau gearbeiteten Steinquadern wie jene der jüngeren Inka-Kultur. Der grösste
Monolith Südamerikas, nach seinem Entdecker Benett benannt, ist wieder aus La Paz
hierher zurückgekehrt und steht heute vor Witterungseinflüssen geschützt in einem eigens errichteten Gebäude. Viele Fragen im Zusammenhang mit Tiwanaku sind bis heute
ungeklärt, nicht nur wir fragen uns, warum die Stätte einst aufgegeben wurde.
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Der einzige Landweg in den bolivianischen
Wallfahrtsort Copacabana führt über peruanisches Staatsgebiet. Da wir uns die dadurch notwendigen zwei Zollabfertigungen
ersparen wollen, fahren wir der östlichen
Seite des Titicacasees entlang, um von dort
mit einem Fährponton überzusetzen. Immer
wieder ergeben sich schöne Ausblicke auf
den tiefblauen See, der beeindruckende
Zahlen aufweisen kann. Mit 3'810 m ü.M. ist
er der höchstgelegene See der Welt mit regelmässigen Schiffsverbindungen, seine
Fläche ist ca. 13 mal so gross wie jene des
Bodensees, die maximalen Masse betragen Totora-Schilfboot in Huatajata
195 km in der Länge, 65 km in der Breite
und 304 m in der Tiefe. Bei Huatajata entdecken wir ein grosses Schilfboot zwischen
Strasse und Seeufer. Unsere Neugier ist geweckt, wir wollen wissen, was es mit dem
Boot auf sich hat. Hier wohnt und arbeitet die Esteban-Familie, die sich seit Generationen dem Bootsbau aus Totoraschilf widmet. Fermin Esteban erzählt uns einiges über
die Bautechnik und die bekannten Expeditionen, die auf den Weltmeeren mit Schilfbooten durchgeführt wurden. Sein Vater Paulino war einer von vier Aymará-Indianern,
die vom Norweger Thor Heyerdahl für den Bau der berühmten RAII engagiert wurden.
Nachdem Heyerdahls erster Versuch, mit einem Schilfboot den Atlantik zu überqueren,
scheiterte, weil das Schiff mitten auf dem Ozean auseinanderzubrechen drohte, erinnerte er sich an die geschickten Bootsbauer vom Titicacasee. Diese bauten ihm die 12 m
lange und 4 m breite RAII, mit welcher 1970 die Atlantikexpedition gelang. In 57 Tagen
segelte die achtköpfige Besatzung von Marokko zu den Barbados Inseln in der Karibik.
Das heute auf dem Gelände der Esteban-Familie auf dem Trockenen liegende Schilfboot ist fast fertiggestellt und für den Export nach Norwegen bestimmt. Bald nach
Huatajata erreichen wir die Seeenge von Tiquina. Wie schon auf der letzten Reise,
diesmal aber in umgekehrter Richtung, setzen wir mit einem hölzernen Fährponton über
den Titicacasee. So ganz wohl ist uns diesmal nicht während der Überfahrt. Die Wellen
und der hohe Schwerpunkt des Nordwind bringen den Ponton arg ins Schaukeln. Nach
langen 20 Minuten erreichen wir erleichtert das andere Ufer und setzen unsere Fahrt
nach Copacabana fort.
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Die an einer schönen Bucht direkt am Titicacasee gelegene Stadt Copacabana ist
der bedeutendste Wallfahrtsort in Bolivien. Die Stadt wurde ursprünglich als Kota
Kahuaña (Seeblick) vom Inka-Herrscher
Tupac Yupanki gegründet und erst nach
der Eroberung durch die Spanier in Copacabana umbenannt. Die Namensverwandtschaft mit dem berühmten Strand
von Rio de Janeiro ist nicht zufällig. Die
Virgen (Jungfrau) von Copacabana wird
auch in Brasilien verehrt, so erbte der
Strand seinen Namen vom bolivianischen
Wallfahrtsort und nicht etwa umgekehrt.
Blick vom Cerro Calvario auf Copacabana
Das Stadtbild Copacabanas wird von der
grossen, weissen Basilika mit ihren gekachelten Kuppeln dominiert. Dreimal jährlich, im
Februar zur Fiesta Virgen de la Candelaria, in der Osterwoche und im August zur Fiesta
de la Virgen de Copacabana, strömen die Gläubigen zu Tausenden in die Stadt.
Aber auch ausserhalb dieser Termine spielt
sich in Copacabana viel religiöses Geschehen ab. Täglich erklimmen hunderte von Pilgern trotz der dünnen Höhenluft den Kreuzweg hinauf zum Cerro Calvario, um sich
den Segen Gottes zu erbitten. Wir tun es
ihnen gleich, aber vor allem um von dort
oben die fantastische Aussicht auf den
Titicacasee und die Stadt zu geniessen. Auf
dem Cerro Calvario bieten “Schamanen und
Prediger“ ihre Dienste an. In Karten lesen
sie die Zukunft der Pilger, sprechen Gebete,
segnen symbolisch die geheimen Wünsche
wie Haus oder Auto, die es in Form von Fahrzeugsegnung vor der Basilika in Copacabana
Plastikmodellen gleich vor Ort zu kaufen
gibt. Opfergaben werden mit hochprozentigem Alkohol übergossen und angezündet, die
ganze Angelegenheit mit Bier bespritzt und einige Kracher losgelassen. So vermischen
sich hier wie in vielen anderen Teilen Südamerikas christlicher und Götterglaube. Die
Abfallentsorgung auf dem Cerro Calvario ist sehr rudimentär gelöst, abends werden die
Überreste der Zeremonien einfach über die steilen Felswände hinuntergeworfen. Wieder
unten in der Stadt hören wir erneut Knallfrösche, diesmal von der Basilika her. Zweimal
täglich werden hier Fahrzeuge gesegnet. Kolonnenweise formieren sich bunt, eher karnevalsmässig, geschmückte Autos, Busse und LKW’s auf dem Kirchenvorplatz, interessanterweise tragen die meisten peruanische Kennzeichen. Ein Pfarrer erteilt jedem
Fahrzeug einzeln den Segen, seine Helfer spritzen aus Plastikeimern kräftig mit geweihtem Wasser, die Fahrzeuginsassen tun dasselbe, allerdings mit Bier und Sekt.
Weder davon, noch von den Knallfröschen lässt sich der Pfarrer aus der Ruhe bringen.
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Touristischer Anziehungspunkt von Copacabana und dem bolivianischen Teil des
Titicacasees ist die Isla del Sol (Sonneninsel). In den Augen der einheimischen
Aymará-Bevölkerung ist die Insel ein heiliger Ort, denn hier soll die Keimzelle des
mächtigen Inka-Reichs liegen. Die Schöpfungslegende besagt, dass der erste Inka,
Manco Capac, und seine SchwesterGattin Mama Ocllo ca. 1200 n. Chr. im
Auftrag des Sonnengotts auf der Isla del
Sol zur Erde herabstiegen. An der Stelle,
an welcher sie ihren Stab leicht in fruchtbaren Boden einstecken konnten, sollten
Manco Capac und Mama Ocllo auf der Isla del Sol
sie ein neues Reich gründen. Dies gelang
ihnen erst nach einer langen Wanderung, ca. 300 km weiter nördlich, im heutigen Peru.
Manco Capac nannte den Ort Quosqo, Nabel der Welt, heute unter dem Namen Cuzco
bekannt.
Wir wollen auf der geschichtsträchtigen Insel vor allem eine Wanderung unternehmen
und nur zweitrangig den Spuren der Inkas
folgen. Frühmorgens besteigen wir in Copacabana eines der zahlreichen älteren Holzboote, die täglich zur Isla del Sol ablegen.
Trotz zwei grossen Aussenbordmotoren
dauert die Überfahrt geschlagene zwei
Stunden, dann gehen wir in Challapampa
im Norden der Insel an Land. Das schöne,
erstaunlich grosse Dorf liegt auf einer
schmalen Landzunge, beidseits eingerahmt
von Sandstränden, auf welchen Schweine
und Kühe genüsslich in der Sonne liegen. Hof aus Adobe-Lehmziegeln auf der Isla del Sol
Wir starten zu unserer Wanderung über die
hügelige Insel, passieren ab und zu kleine Dörfer oder einzelne, aus Adobe-Lehmziegeln erbaute, Höfe und haben immer wieder prächtige Ausblicke auf das tiefblaue
Andenmeer, den Titicacasee.
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Es gibt auf der Insel weder Fahrzeuge
noch Strassen, nur ein schmales Wegenetz, auf welchem die Güter mit Eseln
und Maultieren transportiert werden. Mit
einigen Schwierigkeiten, es gibt keine
Wegbeschilderung und auch nicht überall
einheimische Leute zum Fragen, finden
wir schliesslich in den Süden der Insel. An
der Gemeindegrenze zwischen Challapampa und Yumani wird nach alter Manier ein Wegzoll erhoben. Rechtzeitig erreichen wir den Bootsanleger zu Füssen
der Escalera del Inca, der steilen InkaTreppe. Hier stehen als Denkmal die
Terassenfelder auf der Isla del Sol
mannshohen Statuen von Manco Capac
und Mama Ocllo. Auf der Rückfahrt nach Copacabana wird am südlichsten Zipfel der Insel, am Palast von Pilcocaina, nochmals ein kurzer Stopp eingelegt. Die kleine zweistöckige Ruine weist die typischen Merkmale der Inka-Bauweise auf, fugenlos geschichtete Steinmauern sowie trapezförmige Fenster und Türen. Kurz vor Sonnenuntergang sind wir zurück in Copacabana und schauen zu, wie der orange-rote Feuerball in das Andenmeer eintaucht.
Wir verlassen die bolivianische Enklave um Copacabana und stehen schon bald an der
Landesgrenze bei Yunguyo. Die Ausreiseformalitäten auf bolivianischer Seite sind sehr
schnell erledigt, der peruanische Zollbeamte braucht wegen seines langsamen
Computersystems etwas länger, um die Einfuhrgenehmigung für den Nordwind auszustellen. Schliesslich haben wir freie Fahrt nach Peru, unser sechstes Land auf dieser
Reise. Dem Titicacasee entlang, häufig jedoch ausser Sichtweite, geht es weiter nach
Norden. Ein Unterschied zu Bolivien wird schnell augenfällig, die Adobehäuser sind hier
farbig gestrichen. Dies geschieht jedoch nicht aus Wohlstand oder Schönheitssinn.
Durch die bevorstehenden Regionalwahlen sind die Parteihelfer überaus aktiv, bemalen
fast jedes Haus und bringen die Parolen ihrer Kandidaten an. Weil hier längst nicht alle
Leute lesen und schreiben können, tragen die Wahllisten keine Namen oder Nummern,
sondern Symbole. Es gilt also das Lama, den Fussball, die Schubkarre oder den Wasserkrug anzukreuzen. Wir passieren die quirligen Städte Puno und Juliaca, in welchen
unzählige Motorrad-Rikschas als Taxis fungieren und den Verkehr noch chaotischer machen, als er sonst schon ist. Am Ende eines riesigen Hochtales, sozusagen dem Ausläufer des bolivianischen Altiplanos, liegt Cuzco, das Zentrum des Inka-Reichs auf 3'430 m
ü.M. Die Stadt selbst, wie auch Machu Picchu und die anderen bedeutenden InkaStätten im Umland kennen wir bereits von unserer letzten Reise her, so ist Cuzco für
uns diesmal nur Durchgangsstation.
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Nördlich von Cuzco ändert sich die Topographie des peruanischen Hochlandes gewaltig, es geht nicht mehr auf in etwa ähnlicher Höhe weiter. Die gute Asphaltstrasse
führt über den 3’900 m hohen HuillquePass, überquert auf der anderen Seite auf
nur noch 1'900 m ü.M. den Rio Apurímac,
um gleich wieder sehr steil zum 4'011 m hohen Soccllaccasa-Pass anzusteigen. Eine
weitere lange Abfahrt führt hinunter in die
Stadt Abancay auf 2'450 m ü.M. Hier legen
wir eine Zwischenübernachtung ein, folgen
am nächsten Tag der Teerstrasse, die
hinab zur Pazifikküste führt, noch bis auf Tal des Rio Apurímac
1'800 m hinunter und biegen mit der Überquerung des Rio Pachahaca auf die einsame Bergstrecke Richtung Ayacucho ein. Die
meistens zweispurige Schotterstrasse führt in vielen Serpentinen hinauf auf den 3'950 m
hohen Abra Cruzccasa. Obwohl die Strasse breiter ist, erinnern uns die jähen Abgründe
an die bolivianischen Yungas. Offenbar wird diese Strecke für die Zukunft besser
ausgebaut, ausgedehnte Baustellenabschnitte sorgen für lange Wartezeiten. Nachdem
wir auch noch den Abra Huayllaccasa auf 4'100 m ü.M. überquert haben, geht es endlich hinunter nach Andahuaylas auf 2'900 m ü.M. Bedingt durch die Wartezeiten erreichen wir die Stadt erst in der Dämmerung.
Andahuaylas wirkt arm und recht ungepflegt, so ist es nicht einfach, in der Dunkelheit einen Übernachtungsplatz zu finden. Nachdem wir vergeblich etwas in der
Stadt herumgekurvt sind, fragt Reto in einem Motorradgeschäft nach einer sicheren Parkmöglichkeit. Der Ladenbesitzer
Hector erweist sich als sehr hilfsbereit,
beginnt sofort zu telefonieren, steigt bei
uns zu und führt uns zu einer Werkstatt
mit eingezäuntem Hof, in welchem über
Nacht LKW’s abgestellt werden. Trinkgeld
will er für seine Dienste keines annehmen
und die Chefin der Werkstatt verlangt
Sonntagsmarkt in Andahuaylas
auch nur 3.- Soles (ca. CHF 1.10) Parkgebühr. Am Sonntag ist Markttag in Andahuaylas. Die Hauptstrasse wird abgesperrt, auf
einem Kilometer Länge reihen sich vierzeilig die Marktstände auf. Zu kaufen gibt es
Früchte und Gemüse, Hühner lebend oder als Poulet, Schweineköpfe und anderes
Fleisch, Getreide und Reis, Haushaltsgegenstände, Kleider und Schuhe, Werkzeuge für
die Feldarbeit und am anderen Ufer des schmutzigen Bachs Nutztiere wie Kühe, Stiere,
Schafe und Schweine. Die Campesinos (Bauern) der Umgebung kommen zum Kaufen
und Verkaufen. Die Frauen tragen zwar farbige Röcke und Tücher, aber keine spezielle
Sonntagstracht. Als weisse Touristen fallen wir ziemlich auf und werden mehrmals nach
unserer Herkunft gefragt. Nachdem wir dem Markttreiben von einer Treppe lange
zugeschaut haben, decken auch wir uns noch mit Proviant für die kommende Woche
ein. Die angebotenen Lebensmittel sind hier ausgesprochen preisgünstig.
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Am Montag verlassen wir Andahuaylas wieder. Wegen Bauarbeiten ist die Stasse über
den Soraccocha-Pass nur nachts und kurz über die Mittagszeit geöffnet. Wir werden auf
eine Nebenstrecke verwiesen, die den Berg von einer anderen Seite her überquert. Die
Piste wird schon bald schmal und ruppig, wegen fehlender Beschilderung müssen wir in
jedem Dorf nach dem richtigen Weg fragen. Immer wieder eröffnen sich direkt neben der
Strasse tiefe Abgründe, Michèle traut sich kaum aus dem Fenster zu schauen. Wir sind
froh, als wir einem mit Ziegelsteinen beladenen Kleinlaster folgen können. Der Fahrer
kennt den richtigen Weg und als zweites Fahrzeug können wir in einer Kurve auch nicht
plötzlich von Gegenverkehr überrascht werden. Die eigentliche Passhöhe des Abra
Soraccocha erreichen wir gar nie, treffen erst nach dieser wieder mit der Hauptstrecke
zusammen und legen an der Plaza im sehr angenehmen Dorf Chincheros eine weitere
Zwischenübernachtung ein. Die Leute hier sind äusserst freundlich, mit einigen Gesprächspausen dauert unser Dorfspaziergang zwei Stunden. Nun fehlt uns nur noch ein
Pass bis Ayacucho, mit 4'297 m ist der Abra Huamina aber der Höchste der ganzen
Strecke. In Chincheros erfahren wir, dass es nach der Passhöhe eine weitere Baustelle
mit Sperrzeiten geben soll. Deshalb fahren wir am nächsten Morgen früher los als sonst,
um die Bauzone während der Mittagspause der Arbeiter passieren zu können. Dieser
Fahrplan geht auf, weiter unten müssen wir wegen Sprengarbeiten trotzdem nochmals
länger warten, bis wir über eine schlechte, provisorisch angelegte Piste nach Ayacucho
auf 2'761 m ü.M. hinunterfahren können. Obwohl die Arbeiten vielerorts im Gange sind,
wird es wohl noch Jahre dauern, bis die Strasse zwischen Abancay und Ayacucho fertig
ausgebaut ist.
Mit über 100'000 Einwohnern ist Ayacucho
eine der grössten Städte im peruanischen
Hochland. Aus der Quechua-Sprache übersetzt bedeutet Ayacucho “Winkel der Toten“. Früher hiess die Stadt Huamanga,
nachdem General Sucre ganz in der Nähe
die Spanier in einer entscheidenden
Schlacht im Unabhängigkeitskrieg Südamerikas besiegte, wurde der Name der
Stadt geändert. In den 1980er-Jahren gelangte die Bezeichnung “Winkel der Toten“
wieder zu makaberer Wahrheit. Ayacucho
wurde zur Hochburg der Guerillaorganisation Sendero Luminoso (Leuchtender Pfad), Iglesia Santa Teresa in Ayacucho
deren Anführer Abimael Guzman einen Bürgerkrieg in Peru anzuzetteln versuchte. Der Terror der Guerilla und der Gegenterror der
Regierungseinheiten wie Polizei, Militär und Paramilitärs sorgten in den folgenden Jahren für über 20'000 Tote, viele Bewohner flüchteten aus der Andenregion um Ayacucho.
Nach der Verhaftung Guzmans 1992 ging der Terror des Sendero Luminoso zwar vorerst noch weiter, flachte unter seinem Nachfolger aber zusehends ab.
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Südamerikareise 2010, Bericht 11
In dünner Höhenluft durch Bolivien und Peru
Heute ist Ayacucho eine befriedete Stadt.
Viele der nicht weniger als 36 Kirchen
sind schön restauriert, ein Blickfang ist
auch die Plaza de Armas mit einem Denkmal zu Ehren von General Sucre und den
Kolonialhäusern mit Arkadenpassagen,
die sie umrunden. Wie in vielen peruanischen Städten sind die meisten Taxis
auch in Ayacucho Motorrad-Rikschas. Eine solche bringt uns zum Museo Histórico Regional Hipólito Unanue. Wir besichtigen die umfangreiche Keramikausstellung, es sind vielleicht die schönsten
Stücke, die wir auf unserer bisherigen
Rikscha-Taxi in Ayacucho
Reise gesehen haben. Die meisten stammen aus der Huari-Kultur (ca. 600-1'000 n. Chr.), die in dieser Gegend ihr Zentrum
hatte.
Zwei Ziele besuchen wir in der näheren Umgebung von Ayacucho. Zum einen die Ruinenanlage von Huari, die ehemalige Hauptstadt dieser Kultur. Ausser einigen Grabkammern sind die Gebäude nur noch bruchstückhaft erhalten. Fast mehr als die recht
grob aufgeschichteten Steinmauern beeindrucken uns die vielen blühenden Kakteen, die
sich über die ganze Anlage verteilen. Unweit von Huari liegt das zweite Ziel, das Töpferdorf Quinua. Die Polizei erlaubt uns, am Rand der eigentlich autofreien Plaza zu
parkieren und auch gleich zu übernachten. So können wir uns auf einen ausgedehnten
Rundgang durch das gepflegte Dorf begeben. Wir besuchen einige Keramikateliers mit
Verkaufsgeschäften, die so ziemlich alles herstellen, was das Touristenherz begehrt.
Charakteristisch für Quinua sind aber die kleinen Tonkirchen in einer Art Märchenstil.
Die meisten Häuser im Dorf haben eine solche Kirche auf dem Dach, um sich damit vor
bösen Geistern zu schützen. Leider arbeitet heute niemand in den Ateliers, weil ein Kirchenfeiertag bevorsteht. Am Abend wird dieser Feiertag mit einer kleinen Prozession um
die Plaza, begleitet von einer Blasmusik, vielen Knallfröschen und einigen kleinen
Feuern, eingeläutet.
Ruinenanlage von Huari
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Tonkirche auf einem Hausdach in Quinua
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Südamerikareise 2010, Bericht 11
In dünner Höhenluft durch Bolivien und Peru
Nach Quinua ist es bald wieder vorbei mit
den guten Strassen. Eine weitere Piste führt
im Tal des Rio Mantaro Richtung Huancayo. Zwar ist die Fahrbahn meistens anständig breit, stetiges auf und ab, sowie
häufig enge Kurven nahe am Abgrund lassen uns aber nur langsam vorankommen.
Auf dieser Strecke sind auch zahlreiche
Sattelschlepper unterwegs, immerhin ist es
die Hauptverbindung zwischen den grossen
Städten Ayacucho und Huancayo. Wir wundern uns nur, wie die überlangen Vehikel
überhaupt um die engen Ecken kommen.
Es ist bereits Dämmerung, als wir im Durch- Strecke im Tal des Rio Mantaro
gangsort Mariscal Cáceres eintreffen. Direkt
am Strassenrand neben dem Polizeiposten dürfen wir übernachten, die ganze Nacht
über fahren LKW’s und Busse auf die doch recht gefährliche Strecke. Am anderen Morgen bemerken wir, dass der Nordwind etwas schief steht, denken uns aber weiter nichts
dabei. Erst vor der Abfahrt entdecken wir, dass der rechte Vorderreifen flach ist. Dies ist
der erste Platten, der uns auf mittlerweile zweieinhalb Jahren Reise durch Südamerika
ereilt. Einige zufällig herumstehende Männer interessieren sich für unser Problem. Sie
helfen uns, das Reserverad aus dem Träger zu heben und schauen beim Radwechsel
zu. Besonders angetan sind sie von unseren zweckmässigen Werkzeugen, mit denen es
sich leicht arbeiten lässt. Wir setzen unsere Fahrt fort, erreichen bald die nun wirklich
gute Teerstrasse, überqueren auf dieser einen weiteren 3'915 m hohen Pass und suchen uns nach der Stadt Huancayo einen geeigneten Platz, um den platten Reifen zu
untersuchen. Offenbar sind wir beim Rangieren vor der Polizeistation in Mariscal
Cáceres auf einen Nagel gefahren. Das kleine Loch im Schlauch ist schnell repariert,
der Reifen hat keinen Schaden genommen.
Elf Tage haben wir inklusive Aufenthalt in Ayacucho gebraucht, um von Cuzco durch
das peruanische Hochland hierher zu kommen. Die Strecke war sehr anstrengend und
das Vorwärtskommen derart langsam, dass wir gegenüber unserer Reiseplanung arg in
Rückstand geraten sind. Eigentlich hatten wir vor, die wohl attraktivste Gegend der
peruanischen Anden um Huaraz noch zu besuchen und uns erst dann auf den Weg an
die ecuadorianische Pazifikküste zu machen, um dort die Buckelwale zu sehen, bevor
diese Ende September in die Antarktis ziehen. Nun müssen wir einsehen, dass die verbleibende Zeit unmöglich für beides ausreicht und somit eine schwierige Entscheidung
treffen. Nach reiflicher Überlegung entscheiden wir uns für die Wale und gegen die
Berge.
Über den Anticona-Pass, mit 4'823 m schlägt er die Höhenrekorde der letzten zwei
Wochen bei weitem, verlassen wir das peruanische Hochland und fahren hinunter auf
die Panamericana bei Lima. In den nächsten Tagen ist jetzt vor allem Kilometer spulen
angesagt. Die schnelle Panamericana bringt uns durch die Küstenwüste, vorbei an den
Städten Chimbote, Trujillo und Chiclayo, an die Grenze zu Ecuador.
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