Interview lesen - Erzbistum Freiburg
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Interview lesen - Erzbistum Freiburg
aus: Konradsblatt Nr. 50 – 12. Dezember 2004 Von Afghanistan bis Weißrussland Domkapitular Wolfgang Sauer über die weltkirchliche Umfrage im Erzbistum Wie haltet ihr es mit dem Engagement für die Weltkirche? Das wollte der Diözesanrat von den Pfarreien in der Erzdiözese wissen. Die Ergebnisse dieser Umfrage erläutert Domkapitular Wolfgang Sauer, der Leiter der Abteilung Weltkirche im Erzbischöflichen Ordinariat, im Interview. Konradsblatt: Herr Domkapitular Sauer, Sie haben die Pfarrgemeinden im Erzbistum zu ihren weltkirchlichen Verbindungen befragt. Wie ist die Antwort ausgefallen? Sauer: Sehr positiv. Aus den gut 1000 Pfarreien im Erzbistum Freiburg haben wir fast 700 Rückmeldungen erhalten, das ist für eine solche Umfrage ein sehr guter Wert. Und auch der Inhalt der Antworten hat uns gefreut: Denn fast 600 Pfarreien pflegen Verbindungen in die Weltkirche. Sie reichen, alphabetisch sortiert, von Afghanistan bis Weißrussland. Dieses Ergebnis zeigt: Das Wissen um die Weltkirche und das entsprechende Engagement ist im Erzbistum Freiburg sehr groß. Wir haben hier einen reichen Schatz. Lassen Sie uns die Ergebnisse im Einzelnen betrachten. Die meisten weltkirchlichen Verbindungen aus dem Erzbistum gehen nach Lateinamerika, genauer gesagt: nach Peru … Ja, Lateinamerika macht fast die Hälfte der weltkirchlichen Verbindungen aus; unter den einzelnen Ländern steht Peru mit Abstand an der Spitze. Dieses Ergebnis war zu erwarten. Schließlich hat das Erzbistum Freiburg seit fast 20 Jahren eine Partnerschaft mit Peru; in diesem Rahmen gibt es derzeit rund 160 Verbindungen auf Pfarrei- und Verbandsebene. Peru hat also ohne Zweifel eine besondere Bedeutung für uns. Doch die Umfrage zeigt auch: der manchmal geäußerte Verdacht, wir würden über Peru den Rest der Weltkirche aus dem Blick verlieren, hat keine Grundlage. Vielmehr scheint die Peru-Partnerschaft als Inspirationsquelle für andere Verbindungen zu wirken. Welche anderen Verbindungen gibt es denn? Mehr als ein Viertel der weltkirchlichen Verbindungen im Erzbistum sind mit Afrika geknüpft, die meisten Kontakte gehen dabei nach Tansania und Uganda. Auch dieses Ergebnis hat mich sehr gefreut. Es zeigt, dass die verbreitete Rede von Afrika als dem „vergessenen Kontinent“ zumindest für das Erzbistum Freiburg nicht zutrifft. Welche Rolle spielen Kontakte nach Asien und Osteuropa? Asien ist mit einem Anteil von 18 Prozent an den weltkirchlichen Verbindungen deutlich vertreten. Hier sind es vor allem die Kontakte nach Indien, die sich bemerkbar machen. Osteuropa spielt dagegen eher eine geringere Rolle. Das hat mit unserer geografischen Lage im Südwesten Deutschlands zu tun. Es ist ganz natürlich, dass Diözesen im Osten auf diesem Feld stärker engagiert sind als wir. Sie haben bei der Erhebung noch weitere statistische Daten erfragt, unter anderem das Gründungsjahr der jeweiligen Verbindung. Ende der 1980er-Jahre gab es ein Hoch, seither nimmt die Zahl der Neugründungen stetig ab … Das Hoch in den Jahren zwischen 1985 und 1990 erklärt sich aus der hohen Anfangsmotivation der Peru-Partnerschaft. Kurz nach dem offiziellen Start dieses gemeinsamen Projekts gingen besonders viele Pfarreien eine Partnerschaft ein. Es ist klar, dass sich dieser Höhenflug auf Dauer so nicht durchhalten lässt. Wichtig ist für mich aber, dass es auch heute noch eine stattliche Zahl von neu eingegangenen Verbindungen gibt, in viele Teile der Weltkirche: allein 40 waren es seit dem Jahr 2000. Zeigt sich an dem Rückgang von Neugründungen aber nicht auch, dass das Thema der weltweiten Gerechtigkeit heute schwieriger zu vermitteln ist als früher? Vieles weist darauf hin, dass das weltkirchliche Bewusstsein besonders in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils stark ausgeprägt wurde. Heute gehören die seit damals Engagierten zur Generation „50plus“, die aus Altersgründen sorgsamer mit ihren Kräften umgehen muss und daher etwas kürzer treten will. In dieser Situation erleben wir tatsächlich, dass es schwieriger wird, junge Menschen für ein Projekt wie die Peru-Partnerschaft zu begeistern. Das hat sicher viele Gründe. Ich hoffe, dass es auch ein wenig damit zu tun hat, dass die jungen Menschen die Weltkirche einfach selbstverständlich im Herzen haben – und gar nicht mehr eigens darüber nachdenken müssen. Sicher wären etwa die Firmkatechesen eine gute Möglichkeit der Vertiefung des „Weltkirche-Wissens“ junger Menschen. Und warten wir den Weltjugendtag 2005 ab! Besonders reizvoll ist es, dass man die aktuelle weltkirchliche Umfrage in Beziehung setzen kann zu einer ähnlichen Erhebung vor zehn Jahren … Jene erste Umfrage haben wir im Nachgang des Diözesanforums durchgeführt. Die Versammlung hatte in einem Votum angeregt, alle weltkirchlichen Verbindungen im Sinne des Modells unserer Partnerschaft mit Peru weiterzuentwickeln. Damit ist gemeint, dass es nicht in erster Linie um materielles Teilen gehen soll, sondern mindestens genauso stark um das Kennenlernen der Situation des Anderen, letztlich um eine verlässliche Verbindung im Glauben. Der erste Schritt vor einer solchen Ausrichtung musste die Bestandsaufnahme sein, also die Frage: Was gibt es überhaupt an weltkirchlichen Verbindungen in unserem Bistum? Und was gab es damals? Vor zehn Jahren haben uns 400 Pfarrgemeinden 530 weltkirchliche Verbindungen gemeldet. Bereits das ist ein stolzes Ergebnis, die Umfrage hat uns sehr geholfen. Sie hat zum Beispiel ermöglicht, dass wir bei den diözesanen Eröffnungen des Weltmissionssonntages die verschiedenen Akteure der Eine-Welt-Arbeit an einen Tisch bringen konnten. Überhaupt hat die Erhebung die zahlreichen Kontakte in andere Länder und Ortskirchen ins Bewusstsein gerückt – auch bei uns in Freiburg. Man könnte das eine Stärkung der „Partnerschaft nach innen“ nennen. Und warum jetzt eine Neuauflage? Es sollte so etwas wie unser Geschenk an unseren neuen Erzbischof sein. Robert Zollitsch hat ja als Bischof von Anfang an seine weltkirchliche Verantwortung betont: bereits vor seiner Weihe hat er beispielsweise die Auslandsmissionare auf Heimaturlaub empfangen. Mit den Ergebnissen der Umfrage können wir dem Erzbischof jetzt die Kraftzentren weltkirchlicher Arbeit gebündelt präsentieren. Natürlich hatte die Aktion auch einen ganz praktischen Hintergrund: Nach zehn Jahren seit der letzten Umfrage waren viele Namen oder Adressen nicht mehr aktuell. Die Übernahme der Bistumsleitung durch Erzbischof Robert war also ein willkommener Anlass, die weltkirchliche Landkarte der Erzdiözese auf den neuen Stand zu bringen. Der Diözesanrat der Katholiken, die missio-Diözesanstelle und die Abteilung Weltkirche im Erzbischöflichen Ordinariat haben sich daher zu diesem Kraftakt entschlossen. Die Ergebnisse dieses Kraftaktes sind jetzt in einer Broschüre zusammengefasst. Warum haben Sie darin die Verbindungen bis auf die Ebene der Seelsorgeeinheiten aufgelistet? Dieses Gliederungsprinzip führte bei uns in der Abteilung Weltkirche zu einem Aha-Erlebnis, wie es die Verantwortlichen vor Ort wahrscheinlich ähnlich haben werden. Denn es wurde deutlich, dass es in einigen Seelsorgeeinheiten plötzlich mehrere weltkirchliche Verbindungen gibt – wenn entsprechend aktive Pfarreien zusammenkommen. Das bringt eine große Aufgabe mit sich: nämlich die weltkirchliche Verantwortung so zu organisieren, dass das Ganze nicht in Einzelinteressen zerfällt. Wer in der Seelsorgeeinheit so weitermacht wie bisher in der einzelnen Pfarrei – vielleicht noch mit einem starken Akzent auf der materiellen Unterstützung – läuft Gefahr, sich zu übernehmen. Was rät der Leiter der Abteilung Weltkirche in einem solchen Fall? Das Zusammenkommen in der Seelsorgeeinheit könnte Anlass sein, neu über das eigene weltkirchliche Engagement nachzudenken. Da geht es um Fragen wie: Welche Verbindungen können wir selbst gestalten? Was sollten wir anderen, zum Beispiel den kirchlichen Hilfswerken, überlassen? Es wäre schön und hilfreich, wenn in diesem Zug der Begriff „Partnerschaft“ noch weiter ausgelotet würde – hin zu einem zeitgemäßen Niveau weltkirchlichen Denkens etwa im Sinne dessen, was die Deutsche Bischofskonferenz in dem neuen Dokument „Allen Völkern Sein Heil“ formuliert hat. Wenn das dann noch in das pastorale Konzept vor Ort eingebunden wird, kann auch in diesem Bereich ein Aufbruch im Umbruch gelingen. Interview: Stephan Langer