Ärztliches Journal, Ausgabe 1 2016
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Ärztliches Journal, Ausgabe 1 2016
01 -2016 | 40. Jahrgang | 4,60 REISE Eisiges Vergnügen in Portes du Soleil Alles grün in Costa Rica! 700 Jahre Bürgerspital in Würzburg Kulturtrip durch Jordanien So herrlich verrückt: London Schneeschuhspaß im Hochpustertal MEDIZIN 080627_SANOL_Eck-Anz_80x80_iNet.qxd 21.08.2008 Jahresrückblick 2015 – eine Fülle neuer Zulassungen ol .d e du ro w od sa w w .fe en n rro al ol -s an Serie: • Diabetes fe r Schiffsarzt: Vielseitiger Job mit Wellengang ® Psoriasis vulgaris: Update für die Praxis Jordanien Der Rhythmus der Wüste Von der quirligen Hauptstadt Amman in die unendliche Weite der Wüste Wadi Rum, von Bethanien, der Taufstelle Jesu am Jordan-Ufer, in die sagenhafte Stadt Petra – das Königreich Jordanien trumpft mit Historie und Schätzen aller Art auf. Renate Wolf-Götz (Text und Bilder) Das Wadi Rum ist das größte Wadi in Jordanien. Seine Felswände bestehen aus Sandstein und Granit. Als Schutzgebiet wurde es 2011 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. Besonders beeindruckend sind die wuchtigen Felsformationen und einmaligen Felsbrücken des Siq Barrah (Barrah Canyon). Jordanien Jordanien 1 Ein aus Fels geformtes Gesicht im Wadi Rum 2 Der einzige Herzog von Jordanien, Mamdouh Bisharat, ist ein leidenschaftlicher Kunstsammler. 3 Beim morgendlichen Kamel-Ritt durch die Wüste entfacht die aufgehende Sonne ein prächtiges Farbenspiel von changierenden Rottönen. 1 2 3 32| ärztliches journal reise & medizin 1|2016 Schallend ruft der Muezzin zum Gebet. Aus allen Richtungen eilen die Gläubigen zur König-Abdullah-Moschee. Das monumentale Gebetshaus gegenüber dem jordanischen Parlament sei nicht einfach nur eine Moschee, betont Reiseleiter Raed. »Hier wurden die wichtigsten politischen Entscheidungen für unser Land getroffen«. Als in Jordanien die Todesstrafe noch galt, wurde publikumswirksam vor den heiligen Hallen vollstreckt. Zu Beginn des »Arabischen Frühlings« versammelten sich die Aufständischen zu den Freitagsdemons-trationen vor der Moschee. 90 Prozent der rasant gewachsenen und heute gut zwei Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt Jordaniens sind Moslems. Zu den wenigen Christen in der Metropole, die auf Tradition und Moderne setzt, gehört der Herzog von Jordanien. Auf einem der sieben Hügel Ammans residiert der ernannte Adlige in vornehmer Bescheidenheit. Der gastfreundliche Hausherr hat viel zu erzählen. Immerhin kannte der etwa 80-jährige Schöngeist, der mit seinem wahren Alter »hinterm Berg« hält, bereits Abdullah I., der Amman 1922 zum Regierungssitz des neu geschaffenen Emirats Transjordanien ernannt hat. Mit dem Niedergang der Libanon-Metropole Beirut in den Wirren des Bürgerkriegs entwickelte sich Amman zur wichtigsten Handelsmetropole im Vorderen Orient. Allerdings hatte erst König Hussein den kunstsinnigen Menschenfreund zum Herzog ernannt. Der Enkel Abdullahs, der das Emirat vor knapp 60 Jahren zum Königreich erhoben Frau Lot und das Tote Meer hat, würdigte den »Botschafter seines Landes« für seine beispielhaften sozialen und kulturellen Projekte mit dem Titel »Duke of Jordan«. Von der idyllischen Ruhe in der von Pinienbäumen umgebenen Villa des Herzogs geht es Downtown in die quirligen Straßen und Märkte der Stadt. Im ältesten Obstund Gemüsemarkt verwirrt eine wilde Mischung orientalischer Düfte die Sinne. »In diesem Souk findet man alles, was bei den Jordaniern auf den Tisch kommt«, ruft Raed in das Stimmengewirr. Aromatisch riecht es aus dem Kessel, in dem einer der Verkäufer Erdnüsse, Melonen-, Sonnenblumen- und Kürbiskerne röstet. Nebenan in einem traditionellen Gewürzladen mixt ein Händler bizarre Wurzeln mit klein gehackten Kräutern und Früchten. Ein König zum Anfassen Schlendert man weiter durch die Straßen mit ihren bunten Läden und kleinen Cafés zwischen laut hupenden Autos und wild gestikulierenden Händlern, fällt der Blick immer wieder auf die Königsfamilie. Von unzähligen Plakaten lächelt der amtierende König Abdullah II., der inzwischen genauso beliebt ist wie sein kluger Vater König Hussein, dem über 200 Staatschefs aus aller Herren Länder zu seiner Beisetzung vor 16 Jahren die Ehre erwiesen. Ein Fotos: S. 30/31: Jordan Tourism Board, S. 32/33: Jordan Tourism Board (3), Renate Wolf-Götz (4) 1 Auf dem Weg zu einem erholsamen Bad im Toten Meer begegnen wir der biblischen Gestalt in Form einer hoch aufgerichteten Felsformation. Im Tanach, der hebräischen Bibel, ist Lot die Hauptfigur der Erzählung vom Gottesgericht über die Stadt Sodom (Gen 19,1–29 EU). Als zwei Engel in der sündigen Stadt Sodom nach Gerechten suchen, die von der drohenden Zerstörung Sodoms durch Gott gerettet werden sollen, nimmt Lot die zwei Fremden bei sich auf. Die Sodomiter fordern die Männer für sich, um mit ihnen intim zu werden, worauf Lot aus Verzweiflung der Meute seine jungfräulichen Töchter anbietet. Die Engel bewahren die Familie vor dem Mob und gebieten ihnen zu fliehen. Auf der Flucht aus dem Sündenpfuhl Sodom soll sich die Frau von Lot trotz Verbot der rettenden Engel umgeblickt haben. Zur Strafe erstarrte sie zur Salzsäule. Die Steinsäule auf einem kahlen Berg versinnbildlicht neben der ungehorsamen Frau auch das Tote Meer. In dem Gewässer, das mit 420 m unter dem Meeresspiel als tiefster Punkt der Erde gilt, ist fast alles Lebendige erstarrt. Dennoch wirkt der mit 32 Prozent extrem hohe Salzgehalt in dem mineralstoffreichen Meerwasser äußerst heilsam. Indiz für die weltweite Achtung vor seiner besonnenen Politik. Immer wieder hat der Monarch dazu beigetragen, die Flamme unter dem Pulverfass des Mittleren Ostens in Schach zu halten. Gleichzeitig machte der liberale Herrscher sein muslimisch geprägtes Land zu einer Oase der Ruhe. Auch im traditionellen »Sufra Restaurant« in der Altstadt ist die Königsfamilie präsent. Nicht nur auf Bildern, sondern gelegentlich auch leibhaftig. Nach ursprünglicher Rezeptur werden hier die leckeren Falafel und der Kichererbsenbrei Humus oder Foul, das Püree aus braunen Bohnen, zubereitet. »Das mag die Königsfamilie, die auch wegen der zwanglosen Atmosphäre gerne zum Essen hierher kommt«, sagt Raed. Einfach so, ohne Bodyguards? »Klar, wir haben einen König zum Anfassen!«. Auf dem Zitadellenhügel hat die Geschichte von Amman um 3000 v. Chr. ihren Anfang genommen. Vom 837 Meter hohen, einstigen Festungsberg der seit knapp 1400 Jahren arabisch geprägten Stadt öffnet sich der Blick nach Osten hin auf die schier unendliche Wüste. In westlicher Richtung breitet sich das fruchtbare Jor- dantal aus. Wer auf Pilgerfahrt in dem biblischen Land unterwegs ist, schlägt die südwestliche Richtung ein zur Taufstelle von Jesus und zum Grab von Moses. Wo genau Johannes der Täufer dem Messias damals seinen Segen gegeben hat, darüber werden Jordanier und Israelis vermutlich noch streiten, wenn der bereits deutlich geschrumpfte Jordan vollends versiegt ist. Immerhin sind die Pilgerströme ein höchst einträgliches Geschäft. Staubtrocken ist die Landschaft, die zur Taufstelle im kürzlich zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannten Bethanien führt. Wie von Gott und der Welt verlassen wirkt der von dichtem Tamarisken-Gestrüpp umsäumte Pfad. Fast unverhofft steht man am Ende vor einer schmucken Kirche. Was macht die Jordanier so sicher, dass Johannes der Täufer Jesus an ihrem Jor- 1 Junge jordanische Studentinnen auf Ausflugstour in Jerash 2 Mosaik von der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer in der St.-Georgs-Kirche in Madaba … 3 … und ein Blick in den Kirchenraum 2 1 3 1|2016 ärztliches journal reise & medizin |33 Jordanien Jordanien Palästinas erwiesen. »Das war der Beweis, dass die Taufstelle auf unserer Seite liegt«, bestätigt Raed. Die biblische Spur führt weiter auf den Berg Nebo. Auf dem Gipfel stand einst Mose und erblickte nach 40-jähriger Irrfahrt durch die Wüste das von Gott gewiesene heilige Land (5. Mose 34). Beschaulich und friedlich wirkt das grüne Jordantal mit dem Toten Meer und im Hintergrund den Hügeln von Jerusalem. Nationalparks, folgt die Wüste einem anderen Takt. Über sandige Pisten, vorbei an wuchtigen Felsendomen, brettern die Pickups Richtung Siq Barrah (Barrah Canyon) mit seinen steinernen Brücken. Ein Hauch von Abenteuer kommt auf, wenn man auf die spektakulären Felsen klettert – wie im Film »Lawrence von Arabien«. Auf seinen Wegen durch Jordanien kam der echte Geheimagent Lawrence auch nach Petra, der Hauptstadt der Antike im Reich der Nabatäer. »Petra ist der herrlichste Ort der Welt«, schwärmte er. Doch nicht nur die 2000 Jahre alten, in den Sandstein gemeißelten Bauwerke zogen den Abenteurer in ihren Bann, sondern auch die bunten Farben, die sich in krausen Linien über Felsen und Klippen ziehen. Am Ortsrand von Wadi Musa beginnt der Weg in die unterirdische Stadt durch eine Felsschlucht mit bedrohlichen Steilwänden. Kaum ein Sonnenstrahl dringt Kamelritt in den Sonnenaufgang 1 danufer getauft hat? »Der Beweis liegt auf dem Boden der griechisch-orthodoxen St.Georgs-Kirche in Madaba«, erklärt Raed. Der Heimatverbundene ist stolz auf seine Stadt, in der einst die Israeliten auf ihrer Flucht vor den Ägyptern siedelten. Damals verteilten sich schon mehr als ein Dutzend Kirchen über die belebte Stadt. Nach Plünderungen und Erdbeben geriet der biblische Ort jedoch in Vergessenheit. 34| ärztliches journal reise & medizin 1|2016 Später entdeckten Christen aus Kerak, der einstigen Hochburg der Kreuzritter, die byzantinischen Bauruinen und nutzten sie als Grundmauern zum Aufbau des neuen Madaba. Dabei stießen sie auf kunstvolle Fußbodenmosaike, die gleichsam die Geschichte der frühen Christen erzählen. Das Mosaik in der Kirche St. Georg gilt als besonderes Meisterwerk, denn die Darstellung hat sich als ältester Lageplan Info Fotos: S. 34/35: Jordan Tourism Board Wohl das berühmteste Bauwerk Petras: das fast 40 m hohe und 25 m breite, im hellenistischen Stil erbaute Khazne alFiraun – das »Schatzhaus des Pharao« Nicht zu Fuß, wie einst die Israeliten, sondern mit dem Jeep geht es durch die größte Wüste Jordaniens, Wadi Rum, in Richtung Wüstencamp. Ali hat das traditionelle Gericht Zarb aufgetischt, das nach altem Brauch behutsam in einem Erdloch gegart wird. Lamm, Gemüse und Reis werden dafür übereinander geschichtet. Der heiße Tee dazu wirkt wohltuend, denn ein kalter Wind hat die Hitze des Tages restlos weggefegt, nachdem sich tiefe Dunkelheit über die Landschaft gelegt hat. Man rückt zusammen um das Feuer, das Abu Awat vor dem Zelt gemacht hat. Er erzählt vom Leben in der Wüste, in der bis zu 1750 Meter hohe, monolithische Felsformationen zwischen den Sandebenen emporragen. In der Dunkelheit lassen sich die bizarren Berge kaum erahnen. Dafür funkeln abertausende Sterne am nachtschwarzen Himmel. Am Morgen stehen Kamele zum Ritt in den Sonnenaufgang bereit. Bedächtig und majestätisch traben die genügsamen Tiere durch die unendliche Weite und Stille, während die langsam aufgehende Sonne die bizarren Wüstenberge in wechselnde Rottöne taucht. Raum und Zeit sind in weite Ferne gerückt, und man gibt sich ganz entspannt dem Rhythmus der Wüste hin. Kurvt man später mit dem Jeep durch die eindrucksvolle Landschaft des riesigen Beim jährlich in Jerash stattfindenden »Jerash Festival for Culture and Arts« performen jordanische, arabische und ausländische Künstler verschiedene Shows. Es ist Teil des »Jordan Festival«, welches Queen Nour 1981 ins Leben rief. durch den Siq, das Nadelöhr. Gespens tisch hallt das Traben der Pferde und Maultiere nach, die jeden, der 25 Jordanische Dinar (ca. 20 Euro) bezahlt, in kleinen Kutschen zum Kleinod des antiken Ortes bringen. Sobald sich die Schlucht zum Talkessel weitet, steht man vor den berühmten Bauwerken, allen voran das Khazne al-Firaun – das »Schatzhaus des Pharao«. Auf dem Platz davor herrscht orientalisches Treiben. Zwischen Pferdekutschen, Kamelen und Maultieren versuchen Beduinen in Arabisch-EnglischDeutsch, die Kauflust der Touristen zu wecken. Geschäftstüchtig wie die Naba täer. Diese herrschten über die Weihrauchstraße, die bis in den Jemen führte. Ihren Reichtum erkennt man noch heute an den kunstvoll gestalteten Tempelfassaden, den Königsgräbern und Säulenstraßen. Dennoch ist das geniale Volk der Antike mit seiner beeindruckenden Baukunst und dem ausgeklügelten Handelswesen bis heute ein Rätsel geblieben. Anreise Royal Jordanien fliegt von München, Berlin, Frankfurt/M., Düsseldorf und weiteren größeren Flughäfen nach Amman (www.royaljordanien.com). Einreise: Wer mit Unterstützung eines jordanischen Reiseveranstalters in der Gruppe oder individuell nach Jordanien reist und mindestens 2 aufeinanderfolgende Nächte im Land verbringt, spart sich die Visagebühren. Die Gebühr für das Einreisevisum von 40 Jordanischen Dinar (JOD) (ca. 51 EUR) reduziert sich für Urlauber, die auf dem Landweg einreisen und mindestens 3 aufeinanderfolgende Nächte bleiben, auf 10 JOD (etwa 13 EUR). Zeit: MEZ +1 Std. GELD Landeswährung ist der Jordanische Dinar (JOD);1 EUR ≈ 0,7923 (JOD) Unterkunft Intercontinental Amman. Islamic College St., Amman, www.ihg.com. Luxuriöses Businesshotel, direkt im Diplomatenviertel auf einem der 7 Hügel der Stadt gelegen Wadi Rum Night Luxury Camp. www.wadirumnight.com. Mitten im Naturschutzgebiet Wadi Rum kann man das Leben der Beduinen nachempfinden und braucht dennoch nicht auf Komfort zu verzichten. ÜF für 2 Pers. im King-Size-Zelt: 85 JOD (ca. 68 EUR), inkl. einer Kamel-Tour: 170 JOD (ca.136 EUR) Mövenpick Resort Petra. Wadi Musa, www.moevenpick-hotels.com. Von dem eleganten Hotel, das sich mit seiner Ausstattung farblich an die Umgebung anpasst, erreicht man den Eingang, der in die sagenhafte Felsenstadt Petra führt, in wenigen Gehminuten. Kempinski Hotel Ishtar Dead Sea. Dead Sea Rd., Amman, www.kempinski.com/de/deadsea/hotel-ishtar/welcome. Das Luxushotel mit elegantem Spa-Bereich befindet sich direkt am Toten Meer. Von hier aus sind auch die biblischen Stätten wie Madaba, der Berg Nebo oder die Taufstelle Jesu nicht weit. ESSEN UND TRINKEN Sufra Restaurant. Al Rainbow St. 26, Amman. Das traditionelle Restaurant, das auch die Königsfa- milie schätzt, liegt an der belebten Rainbow St., ist aber nicht ganz leicht zu finden. Bei der Wahl der köstlichen Speisen kann man sich blind auf die Empfehlung der Kellner verlassen. Al Quantarah Restaurant. Wadi Musa, www.al-qantarah.com. Die große Auswahl an orientalischen Vorspeisen ist ebenso beeindruckend wie die Gastfreundschaft. LITERATUR Jordanien. Baedeker-Reiseführer mit Tipps, Empfehlungen, Infografiken und großer Reisekarte. Von Michel Rauch, Baedeker, 302 S., 22,99 EUR AUSKÜNFTE Jordan Tourism Board. www.visitjordan.com 1|2016 ärztliches journal reise & medizin |35