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Im Anhang finden Sie darüber hinaus eine Aufstellung über Verbote neonazistischer Organisationen sowie verbotene Symbole und Kennzeichen. Jeder kann sehen, dass der demokratische Rechtsstaat auch durch Verbote gezielt gehandelt und Verstöße gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung nicht hingenommen hat und auch künftig nicht hinnehmen wird. Ich hoffe, dass auch die neue Broschüre insbesondere von jungen Menschen gelesen und auch für schulische Zwecke eingesetzt wird. Informierte Bürgerinnen und Bürger bieten den besten Schutz vor der extremistischen Skinhead- und Kameradschaftsszene, die in diesem Heft beschrieben wird. Erstmals in den Jahren 1983/84 wurden in den niedersächsischen Verfassungsschutzberichten Skinheads im Zusammenhang mit der Beobachtung rechtsextremistischer Bestrebungen erwähnt („Rechtsextremistische Beeinflussung von Skinheads, Fußballfans u.a.“). Niedersachsen gehörte zu den ersten Bundesländern, in denen die aus Großbritannien stammende Subkultur Anfang der 80er Jahre öffentlich anlässlich der Chaos-Tage in Hannover in Erscheinung trat. In den Folgejahren wuchs die Skinheadszene kontinuierlich an, insbesondere in den 90er Jahren vollzog sich nach der Wiedervereinigung ein rapider Anstieg. Im Verlaufe der Jahre beobachteten die Verfassungsschutzbehörden, dass Teile der zunächst weitgehend unpolitischen, später diffus rechtsextremistischen Skinhead-Bewegung zunehmend neonazistisch beeinflusst wurden. In dieser Hinsicht hervorzuheben ist die Verfestigung der neonazistischen Beeinflussung bei den Hammerskins und den Blood & Honour - Skins. Zu einer besonderen Herausforderung für die Sicherheitsbehörden entwickelten sich die Skinheads wegen der von ihnen begangenen Gewalttaten gegen Ausländer und andere Minderheiten, die sie in den Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung des Rechtsextremismus rückten. Hervorzuheben sind in dieser Hinsicht die Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte und von türkischen Bürgern bewohnte Häuser sowie Übergriffe auf Angehörige ethnischer Minderheiten, Obdachlose, Sozialhilfeempfänger und Homosexuelle. Die sich in diesen Übergriffen manifestierende Menschenverachtung wurde unter anderem über die Hassbotschaften der rechtsextremistischen Skinhead-Musik und über Konzertveranstaltungen transportiert. Ge- 2 rade die Konzerte und die Skinhead-Musik bringen häufig Jugendliche erstmals mit der rechten Szene in Kontakt und wirkten im schlechten Sinne identitätsstiftend. In zum Teil offener Weise verherrlichen die von den rechtsextremistischen Skinheads verbreiteten Musik-CDs den Nationalsozialismus. Ungeachtet der bisherigen erfolgreichen Strafverfolgungsmaßnahmen der Sicherheitsbehörden hat sich inzwischen ein rechtsextremistischer Musikmarkt entwickelt, weil durch das internationale Wirken Zugriffe erheblich erschwert werden. Ein Charakteristikum der Skinheads ist die fehlende Bereitschaft, sich in feste Organisationen und Strukturen einbinden zu lassen. Abweichend von dieser allgemeinen Aussage lässt sich festhalten, dass sich ein Teil der rechtsextremistischen Skinheads auch in Niedersachsen neonazistischen Kameradschaften angeschlossen hat. Mittlerweile kann in Bezug auf die meisten der in Niedersachsen vom Niedersächsischen Landesamt für Verfassungsschutz beobachteten 20 Kameradschaften von „Mischszenen“ aus Neonazis und Skinheads gesprochen werden. Die Bildung der neonazistischen Freien Kameradschaften stellte eine Reaktion auf die Vereinsverbote neonazistischer Organisationen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre dar. Über ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten versuchte die NPD seit Mitte der neunziger Jahre Einfluss auf die in Kameradschaften organisierten Neonazis und damit auf einen Teil der rechtsextremistischen Skinheadszene zu gewinnen. Im Zuge dieses wechselseitigen Zusammenspiels haben sowohl die Kameradschaftsszene als auch teilweise die NPD Veränderungen erfahren. So verlor die JN im Zuge des NPD-Verbotsverfahrens einerseits an Akzeptanz in der neonazistischen Szene. Andererseits finden immer wieder Veranstaltungen statt, auf denen sowohl Skinheads und Neonazis als auch NPD-Mitglieder gemeinsam in Erscheinung treten, wie z.B. auf den Pressefesten des Deutsche Stimme Verlages der NPD, den Demonstrationen gegen die „Wehrmachtsausstellung“ oder den Rudolf Heß-Gedenkmärschen in Wunsiedel im August. Die nachfolgenden Ausführungen, die vom Niedersächsischen Landesamt für Verfassungsschutz erarbeitet worden sind, zeichnen diesen Prozess nach und leiten aus den bisherigen Erfahrungen und Erkenntnissen eine Prognose über künftige Entwicklungstendenzen der Skinhead- und Kameradschaftsszene ab. Sie sollen Jugendlichen helfen, einen wachsamen, kritischen Umgang mit solchen für unsere Demokratie gefährlichen Erscheinungsformen der politischen Subkultur zu ermöglichen. 3 Inhaltsübersicht Rechtsextremistische Skinheads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Die Ursprünge der Skinhead-Bewegung in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Die Skinhead-Bewegung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Entwicklung der Skinhead-Szene in Niedersachsen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Blood & Honour . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Hammerskins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Nicht extremistische Strömungen der Skinhead-Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Kontakte der Skinhead-Szene zu anderen gewaltgeneigten neonazistischen Gruppierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Fanzines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Skinhead-Konzerte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Rechtsextremistische Musikvertriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Skinhead-Musik als Transportmittel verfassungsfeindlicher Botschaften . . . . . . 19 Entwicklung der Skinhead-Bands in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Nutzung des Internets durch die rechte Skinhead-Szene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Radio Wolfsschanze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Neonazistische Kameradschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Das Organisationsmodell der Freien Kameradschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Kameradschaften in Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Die Kameradschaft Northeim als Beispiel für eine neonazistische Kameradschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Bestrebungen zur Vernetzung von Kameradschaften / „Nationales und Soziales Aktionsbündnis Norddeutschland“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Nutzung der Kommunikationsmedien durch die neonazistischen Kameradschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Zum Zusammenspiel zwischen NPD und neonazistischer Kameradschaftsszene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 Anhang Verbote neonazistischer Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Einschlägige Straftatbestände mit Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4 Rechtsextremistische Skinheads Rechtsextremistische Skinheads1 Vielfach werden mit dem Begriff Skinhead die Attribute rechtsextremistisch und gewalttätig assoziiert. Eine solche Sichtweise lässt die verschiedenen Strömungen innerhalb der Skinhead-Bewegung ebenso außer Acht wie die komplexe Entstehungsgeschichte, die die Skinhead-Bewegung als eine zunächst unpolitische Jugend-Subkultur erscheinen lässt. Ohne Zweifel allerdings weist das eher diffuse Wertesystem der meisten Skinheads, insbesondere der überbetonte Männlichkeitskult, die Fremdenfeindlichkeit und der primitive Nationalstolz, Affinitäten zur Weltanschauung neonazistischer Rechtsextremisten auf. Nicht zuletzt dies dürfte der Grund dafür gewesen sein, warum es Neonazis gelang, Teile der Skinhead-Bewegung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die Fokussierung auf diesen Teil der Skinhead-Bewegung darf jedoch nicht dazu verleiten, sie in ihrer Gesamtheit als rechtsextremistisch zu klassifizieren. Die Verfassungsschutzämter haben dem Rechnung getragen, indem sie die Kategorie „subkulturell geprägte und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten“ zur Kennzeichnung des gewaltbereiten unstrukturierten Rechtsextremismus eingeführt haben. Rechtsextremistische Skinheads bilden eine Teilmenge dieser Kategorie. Die folgende Darstellung versucht durch eine differenzierte Schilderung der Geschichte der Skinhead-Bewegung und ihrer verschiedenen Strömungen herauszuarbeiten, wo die Grenze zum Rechtsextremismus innerhalb der Skinhead-Bewegung verläuft. Im Mittelpunkt der Betrachtung wird jedoch der rechtsextremistische Teil der Skinhead-Bewegung stehen. Die Ursprünge der Skinhead-Bewegung in Großbritannien2 Die Bildung der Skinhead-Bewegung als Jugend-Subkultur vollzog sich in zwei zeitlich aufeinander folgenden Schüben in Großbritannien. Ende der sechziger Jahre entstand dort aus Teilen von drei Subkulturen - Modernists, Rude-Boys und Boot-Boys - die erste Skinheadbewegung. Das sich stark ähnelnde Aussehen der Anhänger der drei genannten Gruppierungen - eine „Uniform“ aus Stiefeln, Jeans und T-Shirts sowie kurze Haare - wurde von den Skinheads übernommen. Wie ihre Vorgänger leiteten auch sie aus ihrer Zugehörigkeit zur Arbeiterklasse einen elitären Anspruch, einen subkulturellen Stolz ab. Zur Kennzeichnung der neuentstandenen 1 2 Vgl. Zur Geschichte und Ausprägung der Skinhead-Bewegung: Christian Menhorn: Skinheads: Portrait einer Subkultur. Baden-Baden 2001; Klaus Farin und Eberhard Seidel-Pielen: Skinheads. München 1993; Klaus Farin: generation kick.de – Jugendsubkulturen heute. München 2001; Susanne El-Nawab: Skinheads. Ästhetik und Gewalt. Frankfurt/Main 2001. George Marshall: Spirit of `69. A Skinhead Bible. Dunoon 1991, schildert die Geschichte der Skinhead Bewegung in Großbritannien aus der Sicht eines Insiders. Marshalls Buch kann als Standard-Werk über den Skin-Kult bezeichnet werden. Christiane Tramitz: Unter Glatzen. Meine Begegnungen mit Skinheads. München 2001, vermittelt auf der Grundlage von intensiven Gesprächen, die sie als Verhaltensforscherin mit Skinheads geführt hat, einen Einblick in die Lebenswelt der Skinheads. Einen Überblick über die komplexe Entstehungsgeschichte gibt die „Ahnentafel der Skinheads“ auf der nächsten Seite, die von Christian Menhorn erstellt wurde. Rechtsextremistische Skinheads 5 6 Rechtsextremistische Skinheads Subkultur wurde 1968/69 von britischen Zeitungen erstmals der Begriff Skinhead verwendet. Diese erste Skinhead-Bewegung war in erster Linie spaßorientiert. Das Skinhead-Dasein stand für ein Lebensgefühl, Politik spielte nur insoweit eine Rolle, als die Skinheads der ersten Stunde gegen etablierte bürgerliche Lebensverhältnisse rebellierten, indem sie kontinuierlich provozierten und Unhöflichkeit förmlich inszenierten. Allerdings waren exzessiver Alkoholkonsum und Gewalt von Anfang an elementare Bestandteile ihres Lebensstils. Bevorzugte Opfer von gewalttätigen Übergriffen wurden Homosexuelle, Studenten, Einwanderer, insbesondere aber so genannte Hippies, die von den sich einem tradierten Arbeiterethos verpflichtet fühlenden Skinheads wegen ihrer bürgerlichen Herkunft und ihres schmuddeligen Images abgelehnt wurden. Eine bevorzugte Opfergruppe bildeten daneben die Einwanderer vom indischen Subkontinent. Jeder vierte Pakistani soll damals Opfer des so genannten Paki-Bashing3 geworden sein. Die Übergriffe auf Pakistani zeigten insofern ein widersprüchliches Verhalten, als die Skinheads selbst von jamaikanischen Einwanderern, also Ausländern, Elemente ihrer eigenen Subkultur, z. B. die Ska-Musik, entlehnt hatten. Bis Ende 1972 waren die Skinheads der ersten Generation völlig aus den Straßen Großbritanniens verschwunden. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre formierte sich eine zweite Generation der Skinhead-Bewegung aus den Reihen enttäuschter Punks, den so genannten Streetpunks, die Outfit und Selbstverständnis der Skinheads für sich wiederentdeckten, um ihre Abkehr von den gestylten Modepunks zum Ausdruck zu bringen. Bei dieser zweiten Skinhead-Generation handelte es sich also ebenfalls um keine neue, sondern um die Transformation einer bestehenden Subkultur. Schon bald bekam die neue Szene, die neben ehemaligen Punks auch ehemalige Mods und Rude-Boys umfasste, den Namen Oi!-Bewegung4. Anfangs noch unpolitisch waren die Skinheads der zweiten Generation bald einer intensiven Einflussnahme aus dem rechts- und linksextremistischen Bereich ausgesetzt. Ende der siebziger Jahre schließlich erreichte die Politisierung der Skinheads in Großbritannien ihren Höhepunkt. Große Erfolge bei der Einbindung der Skinheads hatte zunächst die 1967 gegründete National Front, die beispielsweise der bekannten Skinhead-Band Skrewdriver Übungsräume zur Verfügung stellte. Anfang der achtziger Jahre wurde die Vorherrschaft der neonazistischen britischen National Front durch die Einflussnahme rechter Gruppierungen wie British Movement und später Blood & Honour (B & H) abgelöst. Die rechtsextremistischen Organisationen profitierten bei ihren Einflussversuchen von der verschlechterten wirtschaftlichen Lage in Großbritannien. Der Versuch rechtsextremistischer Einflussnahme vollzog sich, ähnlich wie später auch in Deutschland, jedoch nicht widerspruchslos. Zahlreiche Skinheads sahen die Ideale der Bewegung verraten und wendeten sich von ihr ab. 3 4 Vergleichbar dem so genannten „Fidschi-Klatschen“, d.h. körperlicher Übergriffe von Skinheads auf Vietnamesen im Osten Deutschlands. Bei dem Begriff Oi! handelt es sich um einen Slang-Ausdruck, der aus dem Londoner Eastend stammt und soviel wie „Hey!“ bedeutet. Dass Oi! zum Oberbegriff dieser Bewegung geworden ist, ist vermutlich der Skinhead-Band Cockney Rejects zu verdanken, die ihre Songs bei Live-Konzerten nicht mit dem üblichen „one, two, three“ anzählte, sondern mit „oi, oi, oi“. Rechtsextremistische Skinheads 7 Entscheidend für die rechtsextremistische Neuausrichtung der Skinhead-Szene in Großbritannien, für das Herausdrängen von Mods, Boot-Boys und Punks aus der Bewegung, war ein Oi!-Konzert am 3. Juli 1981 im überwiegend von Pakistanis bewohnten Londoner Stadtteil Southall. Während des Konzertes kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den angereisten Oi!-Skins und pakistanischen Jugendlichen, in deren Verlauf das Veranstaltungslokal niederbrannte und 110 Menschen schwer verletzt wurden. Die Medien machten allein die Oi!-Skins für die Ausschreitungen verantwortlich, obwohl die Gewalt von den pakistanischen Jugendlichen ausgegangen war. Seit Southall war Oi! ein Synonym für die rechtsextremistische Skinhead-Szene; erst seit Anfang der neunziger Jahre steht Oi! wieder für unpolitische Skins. Die Skinhead-Bewegung in Deutschland In den Jahren 1977/78 traten die ersten Skinheads in der deutschen Öffentlichkeit in Erscheinung, von einer Skinhead-Subkultur lässt sich ab 1980/81 sprechen. Die deutsche Skinhead-Bewegung geht auf den Import der britischen Subkultur zurück. Zum einen gelangte die Skinhead-Subkultur über die hier stationierten britischen Streitkräfte nach Deutschland, zum anderen versorgten sich deutsche Punks mit Szene-Zeitschriften (Fanzines) aus England, in denen ausführlich über die englische Skinhead-Szene und die Oi!-Bewegung berichtet wurde. Innerhalb der Punk-Bewegung begann ein Differenzierungsprozess. Ähnlich wie in Großbritannien sympathisierten Teile der Punk-Bewegung mit der neuen Subkultur. Anfang der achtziger Jahre vollzogen sie den Wechsel in die Skinhead-Szene, während sich im Gegenzug ein anderer Teil der Punk-Bewegung politisch immer stärker nach links entwickelte. Die so genannten Chaos-Tage in Hannover markierten den Bruch zwischen den beiden Jugend-Subkulturen. Konnten die „Chaos-Tage“ des Jahres 1983 noch als eine Gemeinschaftsveranstaltung von Punks und Skinheads gelten, brachte die Folgeveranstaltung des Jahres 1984, in deren Verlauf es zu Straßenschlachten aufgrund gegenseitiger Provokationen durch „Sieg Heil“- und „Nazis raus“-Rufe kam, die mittlerweile bestehenden unversöhnlichen Differenzen zwischen den beiden Subkulturen zum Ausdruck. War die Skinhead-Szene bis 1984 noch recht überschaubar, so setzte mit der endgültigen Abspaltung von der Punk-Szene ein enormer Zulauf ein. Bereits 1986 soll die Szene eine Größenordnung von ein- bis zweitausend Personen gehabt haben, von denen ein Großteil eine ausländerfeindliche Einstellung hatte5. Als Ursache für die Politisierung der Skinheads sind mehrere Faktoren anzuführen. Viele Skinheads dürften durch ihre Sozialisation bereits in diffuser Weise rechtsextremistisch vorgeprägt sein. Diese Grundeinstellung verstärkte sich noch durch die gezielte Provokation der Öffentlichkeit durch nationalsozialistische Symbole, deren Verwendung in der deutschen Gesellschaft einen Tabubruch darstellt. Die Provokation mit nationalsozialistischen Symbolen dient dieser Subkultur zur identitätsstiftenden Abgrenzung. Ein übriges zur Politisierung der deutschen SkinheadBewegung beigetragen haben dürften die Orientierung an der britischen Szene, 5 Der Spiegel, Nr. 26 v. 07.07.1986, S. 86 ff. 8 Rechtsextremistische Skinheads die sich entwickelnde deutsche Skinhead-Musik-Szene mit Bands wie „Kraft durch Freude“ (KdF) oder anfangs den „Böhsen Onkelz“ und die Beeinflussung durch neonazistische Organisationen. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die von Michael Kühnen geführte Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) und die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP), deren niedersächsischer Landesvorsitzender, der Skinhead Thorsten Heise, die Verbindung beider Szenen personifizierte. Jedoch erlangten weder diese Organisationen, noch die rechtsextremistischen Parteien Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und Deutsche Volksunion (DVU) innerhalb der deutschen Skinhead-Szene einen vergleichbaren Einfluss wie die National Front in England. Wenige Skins schlossen sich neonazistischen Gruppierungen an. „In Wirklichkeit waren es nicht so viele Skinheads, die Nazis wurden, sondern Nazis, die zu Skinheads wurden.“6 Mit der Wiedervereinigung veränderte sich das Gesamtbild. In der DDR hatte sich parallel zur Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland eine eigene SkinheadSzene herausgebildet, die nach Angaben des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR 1989 1.000 Personen umfasste7. Skinheads aus der ehemaligen DDR, die sich durch nationalsozialistische Symbolik in demonstrativer Weise vom staatlich verordneten Antifaschismus abgegrenzt hatten, erwiesen sich im Vergleich mit ihren westlichen „Kameraden“ als wesentlich stärker politisiert. Zählte man lediglich ein Drittel der westdeutschen Skinheads zu den Neonazis, so traf diese Einschätzung auf fast jeden Skinhead in Ostdeutschland zu. In Relation zur wesentlich größeren Bevölkerungszahl des Westens war die Anzahl der Skinheads im Osten überdies erheblich höher. 1991 bezifferte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Anzahl der rechtsextremistischen Skinheads in Westdeutschland auf 3.500 Personen und für Ostdeutschland auf mindestens 3.000 Personen. Mit der Wiedervereinigung vergrößerte sich nicht nur die Gesamtzahl der Skinheads, sondern es kam auch zu einem dramatischen Anstieg rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten. Waren in den achtziger Jahren bereits erste Todesopfer in Folge gewalttätiger Übergriffe von Skinheads zu beklagen gewesen, so erlangten die Gewalttaten jetzt eine neue Dimension. Im Jahre 1991 wurden fast 400 Brandanschläge auf Asylbewerberheime verübt; im darauf folgenden Jahr stieg die Zahl der Anschläge auf über 700. Im September 1991 kam es in Hoyerswerda zu Ausschreitungen rechtsextremistischer Jugendlicher vor Ausländerwohnheimen, in deren Verlauf die Jugendlichen versuchten, die Wohnheime mit Molotow-Cocktails in Brand zu setzen. Im August 1992 eskalierte die rechtsextremistisch motivierte Gewalt in Rostock-Lichtenhagen. Von Anwohnern unterstützt randalierten vor der Unterbringungsstelle für Asylbewerber 1.200 Gewalttäter, von denen viele aus anderen Bundesländern angereist waren. Wie bereits in Hoyerswerda versuchten die rechtsextremistischen Gewalttäter das Asylbewerberheim mit Molotow-Cocktails anzuzünden. 6 7 Farin und Seidel-Pielen, a.a.O., S. 106. Zitiert nach Menhorn, a.a.O., S. 159. Rechtsextremistische Skinheads 9 Die rechtsextremistisch motivierten Brandanschläge blieben jedoch nicht auf den Osten Deutschlands beschränkt. Im November 1992 zündeten zwei jugendliche Rechtsextremisten das Wohnhaus einer türkischen Familie in Mölln an. Bei diesem Anschlag kamen drei Menschen ums Leben. Ein halbes Jahr später, im Mai 1993 unternahmen vier Jugendliche einen Brandanschlag auf das Haus einer türkischen Familie in Solingen, bei dem fünf Menschen in den Flammen verbrannten und sieben weitere verletzt wurden. Die öffentliche Empörung auf nationaler und internationaler Ebene über diese pogromartigen Ausschreitungen veranlasste die Politik zu harten Reaktionen, die neben dem organisierten Neonazismus vor allem auf Bekämpfung der rechtsextremistischen Skinhead-Szene zielten. Viele ältere Szeneangehörige und Aktivisten kehrten unter diesen Umständen der Skinhead-Bewegung den Rücken. Auf der anderen Seite war der Neuzugang gebremst, so dass sich das Potential der rechtsextremistischen Skinheads 1993 und die Anzahl rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten erstmals seit Jahren rückläufig entwickelten. Von 2.200 Taten im Jahr 1993 ging die Anzahl der Gewalttaten über 1.500 im Jahr 1994 auf ca. 800 Delikte 1995 zurück. Die Zahl der Skinheads reduzierte sich nach den Anschlägen von Mölln und Solingen von 6.400 Personen im Jahr 1992 auf 5.400 Personen im Jahr 1994.8 Seit 1997 ist jedoch ein erneuter Anstieg der Deliktzahlen und des Personenpotentials im Bereich des gewaltbereiten Rechtsextremismus zu verzeichnen. Die Anzahl gewaltbereiter Rechtsextremisten stieg von 7.600 Personen im Jahr 1997 über 9.700 Personen im Jahr 2000 auf 10.700 Personen im Jahre 2002. Im Jahre 2003 war erstmals seit 1995 kein weiterer Anstieg zu verzeichnen. Die Anzahl verringerte sich bis Ende des Jahres auf 9.800 Personen. Machten Anfang der neunziger Jahre die Brandanschläge auf Asylbewerberheime einen Großteil der Gewalttaten der rechtsextremistischen Skinhead-Szene aus, so verlagerten sich die Straftaten in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts auf Attacken gegen Einzelpersonen. Bevorzugte Ziele rechtsextremistischer Gewalttaten stellten Obdachlose und Ausländer dar; es kam zu Übergriffen, die mit dem Tod der Opfer endeten. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre gelang es der NPD, teilweise Einfluss auf die Skinhead-Szene zu gewinnen, nachdem die Partei unter dem seit 1996 amtierenden Bundesvorsitzenden Udo Voigt einen strategischen Wechsel hin zum „Kampf um die Straße“ vollzogen hatte. Ohne die Einbindung der Skins wären die beiden Großdemonstrationen der Partei am 01.03.1997 in München gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg und am 01.05.1998 in Leipzig unter dem Motto „Arbeit zuerst für Deutsche“ sowie verschiedene kleinere Aufmärsche vermutlich ohne größere Resonanz geblieben. Zur Politisierung von Teilen der Skinhead-Bewegung trugen ferner die Einbindung von Skinheads in lokale neonazistische Kameradschaften und der wachsende Einfluss der neonazistisch ausgerichteten „Blood & Honour“ - Skinheads bei. 8 Siehe Verfassungsschutzberichte 1992-1994. 10 Rechtsextremistische Skinheads Entwicklung der Skinhead-Szene in Niedersachsen Niedersachsen zählte zu den Bundesländern, in denen die neue rechte Subkultur zuerst in der Öffentlichkeit präsent war. Dies war nicht zuletzt auf die hier stationierten britischen Streitkräfte zurückzuführen. Die Entwicklung der Szene wurde bis Mitte der achtziger Jahre von den Sicherheitsbehörden nicht planmäßig beobachtet, da die Skinheads bis dahin grundsätzlich unpolitisch waren und Versuche der politischen Einflussnahme durch neonazistische Organisationen durchweg scheiterten. 1986 gehörten nach Schätzungen des niedersächsischen Verfassungsschutzes rund 200 Personen der Skinhead-Szene in Niedersachsen an, von denen 20 Personen dem rechtsextremistischen Spektrum zugerechnet wurden. Bis 1989 stieg die Szene auf ca. 550 Personen an, von denen 80 rechtsextremistisch ausgerichtet waren. Nach der Öffnung der Mauer beschleunigte sich auch in Niedersachsen der Anstieg des rechtsextremistischen Potentials innerhalb der Skinhead-Szene, der Ende 1992 bereits ca. 500 Personen zuzurechnen waren. In der Folge der Anschläge von Mölln und Solingen ging die Anzahl rechtsextremistischer Skinheads jedoch wieder auf ein Potential von nur noch 290 Personen zurück, bevor 1995 parallel zur bundesweiten Entwicklung ein erneuter Anstieg einsetzte, der seinen vorläufigen Höhepunkt Ende 2001 erreichte, als rund 1.100 gewaltbereite Rechtsextremisten der Szene zugerechnet wurden. Seitdem ist in Niedersachsen im Gegensatz zum Trend auf Bundesebene ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Das Potential stagniert mit ca. 1.000 gewaltbereiten Rechtsextremisten Ende 2003 auf einem unverändert hohen Niveau. Analog zur Entwicklung im Bundesgebiet veränderten sich auch in Niedersachsen Quantität und Qualität des Straftatenaufkommens. In den achtziger Jahren fanden die Auseinandersetzungen hauptsächlich zwischen Skinheads und so genannten Antifaschisten oder türkischen Jugendlichen statt. Nach dem Anschlag von Hoyerswerda 1991 erreichte die Gewaltwelle gegen Ausländer und Asylbewerber ihren Höhepunkt: Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte wurden auch in niedersächsischen Gemeinden verübt. In den folgenden Jahren entwickelte sich die statistische Erfassung der Brandanschläge und tätlichen Auseinandersetzungen rückläufig, wenngleich spektakuläre Einzelfälle immer wieder die öffentliche Aufmerksamkeit auf diesen unverändert gewaltbereiten Bereich des Rechtsextremismus lenkten. Beispielhaft sei hier nur eine Gewalttat vom Himmelfahrtstag 2001 beschrieben, als Angehörige der so genannten Wiesenauer Szene in Hannover-Langenhagen, die eine Hakenkreuzfahne mit sich führten, in Hannover und Langenhagen gewalttätige Übergriffe verübten, in deren Verlauf mehrere Passanten verletzt wurden. Einem Iraner wurden dabei so schwere Verletzungen zugefügt, dass er fünf Tage lang stationär behandelt werden musste. Eine Zunahme rechtsextremistisch motivierter Straftaten war im Bereich der Propagandadelikte wie z.B. Hakenkreuzschmierereien zu beobachten. In der öffentlichen Wahrnehmung und in zahlreichen Presseartikeln wurden die verübten Gewalttaten der Skinhead-Szene zugerechnet. Der Begriff Skinhead wurde auf diese Weise zu einem Synonym für rechtsextremistische Gewalttäter, obwohl Skinheads beispielsweise bei den Ausschreitungen in Rostock, anders als in Mölln oder Hünxe, nur eine untergeordnete Rolle spielten. Viele rechtsextremistisch motivierte Straftaten werden von Jugendlichen begangen, die weder der Skinhead- Rechtsextremistische Skinheads 11 Szene, noch dem organisierten Rechtsextremismus angehörten. Die inzwischen von den Verfassungsschutzämtern verwendete Kategorie „subkulturell geprägte und sonstige gewaltbereite Rechtsextremisten“ bringt dieses Phänomen begrifflich zum Ausdruck. Dennoch ist unübersehbar, dass eine Durchdringung von Teilen der Skinhead-Bewegung mit rechtsextremistischem, insbesondere neonazistischem Gedankengut stattgefunden hat. Wie bereits angedeutet, handelt es sich hierbei primär um einen Prozess, der von der Neonazi-Szene ausgehend, in die Skinhead-Bewegung hineinwirkte. Inzwischen haben sich neonazistische Skinheads (Neoskins) mit politischem Anspruch und eigener Symbolik fest in der Szene etabliert. Sie verwenden nationalsozialistische Symbole, Keltenkreuze oder „White-Power“-Schriftzüge als Zeichen ihrer Gesinnung. Wegen des polizeilichen Verfolgungsdrucks befinden sich äußerliche Erkennungsmerkmale wie Kahlschädel und Springerstiefel inzwischen allerdings auf dem Rückzug. Musikalisch orientieren sich die Neoskins an Bands, die den Nationalsozialismus und die Wehrmacht in Ton und Wort offen verherrlichen. Die Skinhead-Szene ist insgesamt nach wie vor differenziert zu betrachten. Teile der Skinhead-Szene, die für sich das Erbe der „Urskins“ reklamieren, stehen in Opposition zur neonazistischen Strömung in der Skinhead-Bewegung. 12 Rechtsextremistische Skinheads Blood & Honour Die Organisation Blood & Honour (B & H) wurde 1987 von Ian Stuart Donaldson, dem am 24. September 1993 verstorbenen Frontmann der englischen SkinheadBand Skrewdriver9, gegründet. Den Namen wählte der in der Szene überwiegend als Ian Stuart bekannte Donaldson aufgrund eines nationalsozialistischen Filmes über die Hitler-Jugend mit dem Titel „Blut und Ehre“10, um die strikt neonazistische Ausrichtung der Organisation deutlich zu machen. Blood & Honour verschrieb sich unter seiner Führung dem Ziel, dem rechtsextremistischen Teil der Skinhead-Szene eine organisatorische Basis zu geben, den Zusammenhalt durch Konzerte zu stärken und über die Musiktexte ideologische Agitation zu betreiben. Schon bald sammelten sich unter dem Dach der neuen Organisation einige Skinhead-Bands. Ihre Einnahmen sollten in einen gemeinsamen Topf fließen, aus dem dann die Konzerte und die Ausstattung der Bands bezahlt werden sollten. Im gleichen Jahr entstand auch das gleichnamige Magazin, das bis heute existiert und vierteljährlich hauptsächlich über die nationalistische und neonazistische Skinhead-Musikszene berichtet. Aufgrund des Erfolges der britischen Mutterorganisation begannen Skinheads zu Beginn der neunziger Jahre in anderen Ländern Blood & Honour-Divisionen zu gründen. Die Bezeichnung „Division“ kennzeichnet die landesweiten Organisationen und der Begriff „Sektion“ ist regionalen Gruppierungen vorbehalten. B &H operiert als eine weltweite Bewegung; Ableger existieren heute auf fast jedem Kontinent, auch in Australien und Südafrika. Nach dem Unfalltod Ian Stuarts entstand in der Führung von B & H zunächst ein Vakuum. Schließlich übernahmen Vertreter der Hooligan- und Schlägertruppe Combat 1811 die Kontrolle über Blood & Honour. Combat 18 war 1992 von der British National Party (BNP) zur Abwehr von Angriffen linker Gewalttäter gegründet worden und beherrschte bereits die National Socialist Alliance (NSA), die Dachorganisation der britischen Neonazi-Szene. Die Übernahme von B & H durch Combat 18 konterkarierte die Intentionen Ian Stuarts, der verhindern wollte, dass die von ihm geschaffene Organisation lediglich als musikalischer Arm einer politischen Gruppierung fungiert, die die im Musikgeschäft erzielten Gewinne der rechtsextremistischen Skinhead-Szene abschöpft. 9 10 11 1977 gründete Ian Stuart die Gruppe „Tumbling Dice“ in Blackpool, die schon bald auf Betreiben der Plattenfirma in „Skrewdriver“ umbenannt wurde. Obwohl anfangs als Vorgruppe so bekannter Bands wie „The Police“ oder „Boomtown Rats“ eingesetzt, stellte sich kein Erfolg ein, weshalb Stuart die Band 1978 zunächst auflöste. Bereits ein Jahr später gründete er „Skrewdriver“ als reine Skinhead-Band in Manchester neu. Wegen des erneut ausbleibenden Erfolges wurde die Band 1980 ein zweites Mal aufgelöst. 1981 erfolgte in London eine weitere Neugründung der Gruppe und diesmal sicherte sie sich in der rechtsextremistischen Skinhead-Szene eine feste Fan-Gemeinde. „Blut und Ehre“ war der Leitspruch der Hitler-Jugend. Bedeutet im Deutschen „Kampf Adolf Hitler“, wobei die Ziffern 1 und 8 für den ersten und achten Buchstaben im Alphabet stehen. Rechtsextremistische Skinheads 13 Die deutsche Division von Blood & Honour wurde 1994 in Berlin gegründet. In der Folgezeit entstanden in allen Bundesländern Sektionen. Der Organisation gehörten bis zum Verbot am 14. September 2000 durch das Bundesministerium des Innern (BMI) ca. 200 Personen an. Das Verbot ist seit dem 13.06.2001 rechtskräftig geworden. In Niedersachsen hatten drei Sektionen bestanden: die Sektion „Niedersachsen“ mit Sitz in Hildesheim, die Sektion „Nordmark“ im nordöstlichen Niedersachsen und die Sektion „Weser-Ems“, die sich von Bremen bis ins Emsland erstreckte. Seit dem Verbot von B & H werden Konzerte der nach wie vor international operierenden Organisation nur noch im benachbarten Ausland, vornehmlich in Frankreich, Belgien und Österreich, durchgeführt. Ein besonderer Anziehungspunkt für Blood & Honour-Skinheads aus aller Welt sind die Ian-Stuart-Memorial-Konzerte, die alljährlich am Todestag des Gründers der Bewegung in England durchgeführt werden. Deutsche B & H-Skins sind bei diesen Konzerten zahlreich vertreten. Hammerskins Eine weitere rechtsextremistische Skinhead-Gruppierung stellt die 1986 in den USA gegründete Hammerskin-Bewegung dar, die sich zum Ziel gesetzt hat, alle weißen Skinheads auf der ganzen Welt in einer so genannten Hammerskin Nation zu vereinigen. Als Symbol der rassistischen Organisation, die einen elitären Anspruch erhebt, fungieren zwei gekreuzte Zimmermannshämmer, die bereits in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das Symbol einer amerikanischen Organisation12 weißer Arbeiter waren. In der Bundesrepublik traten die Hammerskins erstmalig 1991 in Brandenburg in Erscheinung. Wie die Organisation Blood & Honour sind auch die Hammerskins in so genannte Chapters untergliedert. Ein Teil der niedersächsischen Hammerskins ist im Chapter Bremen organisiert, das auch Mitglieder im benachbarten niedersächsischen Umland erfasst. Bei den Hammerskins gibt es keine durch Ausweise dokumentierten Mitgliedschaften, so dass jeder Skinhead „Mitglied“ werden könnte. Tatsächlich akzeptieren die Hammerskins in der Regel jedoch nur langjährige Szene-Aktivisten als Neumitglieder. Ihren elitären Habitus unterstreichen die Hammerskins durch strikte Disziplin, Einschränkung des Alkoholkonsums sowie die Ablehnung von Drogen. Nicht extremistische Strömungen der Skinhead-Bewegung Innerhalb der Skinhead-Szene gibt es neben den neonazistischen Gruppierungen Blood & Honour und Hammerskins mit einem verfestigten rechtsextremistischen Weltbild Strömungen, die nicht dem Rechtsextremismus zuzurechnen sind. Anzu12 Die Arbeiterorganisation machte unter dem Motto „Jobs for Whites“ mit Streiks und Demonstrationen in den USA Front gegen die Einstellung Schwarzer zu Billiglöhnen auf Kosten weißer Arbeiter. 14 Rechtsextremistische Skinheads führen ist in dieser Hinsicht insbesondere die in den siebziger Jahren in Großbritannien entstandene Oi!-Bewegung, der mindestens ein Drittel, vielleicht sogar die Hälfte der deutschen Skinhead-Szene - mit Schwerpunkt in den alten Bundesländern - anhängen dürfte. Oi! steht für den spaß- und erlebnisorientierten Teil der Skinhead-Bewegung. Die Konzerte sind weitgehend frei von politischen Botschaften. Soweit keine Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen vorliegen, richtet sich der Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes nicht gegen diese Teile der Skinhead-Bewegung. Gleiches gilt für die linksorientierten, in Deutschland allerdings inzwischen nur schwach vertretenen Skinhead-Richtungen Skinheads Against Racial Prejudice (SHARP) und Redskins. Die SHARP-Skins traten erstmals im Jahre 1986 in New York in Erscheinung. Mit einer Flugblattaktion wollten sie deutlich machen, dass es eine große Anzahl nichtrassistischer und unpolitischer Skinheads gibt. Kurze Zeit später gelangte die neue Strömung auch nach Deutschland. Durch das Wiederaufleben der Oi!-Szene ist sie inzwischen nahezu bedeutungslos geworden. Bei den Redskins handelt es sich um Skinheads, die durch eine sozialistische Grundeinstellung geprägt sind. Der organisatorische Arm der Redskins wurde 1993 in den USA unter der Bezeichnung „RASH“ (Red & Anarchist Skinheads) gegründet. Seit 1995 existieren RASH-Sektionen auch in Europa, u.a. in Deutschland. Die Anzahl der deutschen Redskins dürfte sich auf 150 – 200 Personen belaufen. Kontakte der Skinhead-Szene zu anderen gewaltgeneigten neonazistischen Gruppierungen In erster Linie ist hier Combat 18 zu nennen, die 1993 in England Blood & Honour „übernommen“ haben und somit einen direkten Einfluss auf die SkinheadSzene ausüben. Combat 18 wurde durch Gewalttaten, in deren Folge Menschen zu Tode kamen, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Mitte der neunziger Jahre in Dänemark und Südschweden verübte Briefbombenattentate stehen im Zusammenhang mit der Organisation. Anfang Mai 2003 bezichtigte sich eine deutsche Gruppierung mit der Bezeichnung C 18 in einem Schreiben, einen Anschlag auf den jüdischen Friedhof von Neustadt (Schleswig-Holstein) begangen zu haben. Einzelne Skinheads bzw. Skin-Gruppen unterhalten Kontakt zu Hooligans und zu Rockern. Hierbei dürfte die gemeinsame Affinität zu körperlichen Auseinandersetzungen bzw. zu Waffen eine Rolle spielen. Hinweise auf ein gezieltes politisches Zusammenwirken dieser Gruppen gibt es derzeit nicht. Angesichts des eher unpolitischen Charakters der gewalttätigen Hooligan- und RockerSzene erscheint eine solche Entwicklung auch als eher unwahrscheinlich. Rechtsextremistische Skinheads 15 Fanzines Der Begriff Fanzine ist der englischen Sprache entlehnt und setzt sich aus den Worten „Fan“ und „Magazine“ zusammen. Er bezeichnet Info-Hefte, wie sie in vielen Subkulturen typisch sind. Fanzines sind also weder eine Erfindung der Skinhead-Szene, noch ausschließlich in ihr zu finden. Zu den Inhalten dieser Fanzines gehören Informationen über Musikgruppen und Tonträger-Neuerscheinungen, Verlaufsberichte von Konzerten und Partys und nicht zuletzt Interviews mit Szeneangehörigen. Die Auflagenhöhe der Fanzines hat in Einzelfällen bis zu 15.000 Hefte pro Ausgabe betragen. Diese Größenordnung ist jedoch die Ausnahme. In der Regel dürfte die Auflagenhöhe einige hundert Exemplare nicht überschreiten. Die Erscheinungsform reicht von einem wenige Seiten umfassenden, kopierten Heft bis hin zur hundertseitigen Hochglanzbroschüre. Bundesweit wurden in den Jahren 2002/2003 etwa 30 Fanzines registriert. In Niedersachsen sind in diesem Zeitraum die Fanzines „Violence“ (Braunschweig), „Final Destination“ (Emden) und „Outlaws - Whites in Jail“ erschienen. 16 Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte Die Weltanschauung der rechtsextremistischen Skinheads ist gekennzeichnet von Nationalismus, rassistischer Ausländerfeindlichkeit und einer diffusen Bezugnahme auf das nationalsozialistische 3. Reich. Ihren Hass auf bestimmte Menschengruppen leben rechtsextremistische Skinheads offen aus. Opfer ihrer Feindseligkeit sind von ihnen verachtete soziale Gruppen: Ausländer, Obdachlose, Behinderte, Homosexuelle und als „Zecken“ titulierte Linke. Diese Minderheiten gelten den Skinheads als minderwertig und damit im Extremfall als vernichtenswert. Kennzeichnend für die von Männern dominierte Bewegung sind darüber hinaus ein martialischer Männlichkeitskult sowie eine latente bis offene Feindlichkeit gegenüber Frauen. Rechte Skinhead-Musiktexte bringen diesen Hass gegen alles als fremdartig Empfundene in krasser Form zum Ausdruck. Diese Texte sind die wichtigste ideologische Klammer der Szene. Skinhead-Konzertveranstaltungen bieten den Angehörigen Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte 17 der Skinhead-Szene die Möglichkeit, ihre Weltanschauung gemeinsam zu artikulieren und das subkulturelle Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Einen zentralen Stellenwert bei den Skinhead-Konzerten hat dabei der übermäßige gemeinsame Alkohol-Konsum. Die Wirkung der Musik mit ihren dumpfen, schlichten Melodien und harten Rhythmen und ihren menschenverachtenden Texten darf als Mittel der Indoktrination nicht verkannt werden. Bereits die Namen der Bands sind Ausdruck dieses Hasses gegen verachtete Minderheiten. Martialisch und gewalttätig klingende Bandnamen, die sich an nationalsozialistischen Begriffen und insbesondere eine militaristische Sprache anlehnen, sind für die Skinhead-Szene von hohem symbolischen Wert: „Reichssturm“, „Stahlgewitter“, „Rassenhass“, „Race War“, „Weisse Jäger“, „Radikaler Hass“, „Kraftschlag“, „Macht & Ehre“, „Landser“, „Arisches Blut“, „Zillertaler Türkenjäger“, „Nahkampf“, „Oithanasie“, „Triebtäter“, „Volkszorn“, „Volksverhetzer“, „Spreegeschwader“ sowie „Endlöser“. In gleicher Weise dient die martialische, gewaltverherrlichende Illustration der CD-Cover diesem Bekenntnis. Als Cover-Illustrationen werden Abbildungen nationalsozialistischer Symbole sowie Kampfszenen der Wehrmacht oder der SS verwendet. Skinhead-Konzerte Konzerte bzw. CDs mit rechtsextremistischer Musik sind nach wie vor ein wichtiges Bindeglied innerhalb der rechtsextremistischen Szene. Häufig kommen Jugendliche über diese Medien erstmals mit der Szene in Berührung und werden nicht selten anschließend von ihr vereinnahmt. Maßnahmen gegen rechtsextremistische Skinhead-Konzerte in den vergangenen Jahren haben zu Verhaltensänderungen der Szene geführt. Konzerte werden unter immer konspirativeren Umständen, häufig auf Privatgelände oder in kleineren Orten, veranstaltet. Raumanmietungen werden zunehmend als größere Geburtstagsfeier mit Musik deklariert. Die Mobilisierung von Konzertteilnehmern erfolgt in den meisten Fällen über Telefonketten, per SMS über das Handy oder per E-Mail. In der Regel wird dabei lediglich ein Treffpunkt bekannt gegeben, von dem aus die Teilnehmer dann zum eigentlichen Veranstaltungsort weiter geleitet werden. Oft nehmen die Teilnehmer für das Konzert lange Anreisen in Kauf. In der Regel zahlen sie Eintrittspreise von bis zu 15 Euro. Als Reaktion auf die behördliche Repression zeichnet sich darüber hinaus ein Trend zur Verlagerung größerer Konzerte ins Ausland ab. Zu nennen sind neben Großbritannien, wo alljährlich im September unter Teilnahme zahlreicher niedersächsischer Rechtsextremisten Ian-Stuart-Memorial-Konzerte veranstaltet werden, Belgien, Elsaß-Lothringen und Österreich (Vorarlberg). Insgesamt ist bundesweit eine Zunahme von Skinhead-Konzerten zu verzeichnen. Bereits im ersten Halbjahr 2003 fanden ca. 70 Konzerte statt, die bisherige Höchstzahl des Jahres 1998 – damals gab es 128 Konzerte - dürfte somit wieder erreicht werden. Konzerte mit größerer Besucherbeteiligung sind zuletzt überwiegend im europäischen Ausland durchgeführt worden. So besuchten am 20. April 2003 in Beveren / Belgien ca. 180 Personen ein Skinhead-Konzert mit den Bands „Kompetenz für die Zukunft“ (KfZ), „Oidoxie“, „Endlöser“, „Thekenschlag“ und „Spreegeschwader“. Die Auslandskonzerte, zu denen aus vielen Ländern Europas Teilnehmer anreisen, verstärken die internationale Verflechtung der Szene. 18 Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte Ein wichtiger Faktor bei der Entstehung und Verfestigung von Gruppen innerhalb der Skinhead-Szene ist das Gemeinschaftserlebnis bei Konzerten. Auf Konzerten werden Kontakte geknüpft, Informationen ausgetauscht, einschlägige CDs und Skinhead-Utensilien zum Kauf angeboten. Nicht selten hat die laute Musik mit ihren dumpfen, harten Rhythmen eine aufputschende und aggressive Wirkung auf die Konzertbesucher. Bei dem für die Skinhead-Subkultur typischen Pogo-Tanz wird ein wirklicher oder imaginärer Gegner durch anrempeln körperlich angegriffen. Unter dem unmittelbaren Eindruck von Skinhead-Konzerten werden häufig strafbare Handlungen begangen. Überwiegend handelt es sich dabei um Propagandadelikte. Konzertbesucher und Bandmitglieder skandieren neonazistische Parolen wie „Sieg Heil“ oder zeigen den „Hitler-Gruß“. Rechtsextremistische Musikvertriebe Insgesamt ist in der rechten Musik-Szene eine fortschreitende Kommerzialisierung feststellbar. Viele Tonträger werden im Ausland, insbesondere in Tschechien und Taiwan produziert. Der Handel mit Skinhead-Musik ermöglicht nach wie vor relativ hohe Gewinne. In Deutschland vertrieben in den letzten 10 Jahren mehr als 100 deutsche Bands ca. 500 unterschiedliche CDs. Die Auflagen variieren sehr, erreichen aber im Durchschnitt etwa 3.000 Stück. Die Anzahl der rechtsextremistischen Skinhead-Musikvertriebe, die - meist über das Ausland gesteuert - in nennenswertem Umfang rechtsextremistische Musik anbieten, liegt bei ca. 50. Zusätzlich werden die Tonträger über zahlreiche regionale Szeneläden und mobile Händler verkauft. Rechtsextremistische CDs mit strafrechtlich relevanten Inhalten werden überwiegend über ausländische Vertriebe bezogen. Hierzu zählen insbesondere der dänische Vertrieb „Celtic Moon“ sowie die amerikanischen Vertriebe „Panzerfaust Records“ und „Micetrap Records“. „Celtic Moon“ ist seit August 2001 der Nachfolgevertrieb von „Blood & Honour Scandinavia“, der im März 1999 aus dem Skinhead-Versand „NS 88“ des deutschen Neonazis Marcel Schilf hervorgegangen war. Die Kataloge von „Celtic Moon“, die überwiegend strafrechtlich relevante Tonträger in deutscher und englischer Sprache enthalten, richten sich insbesondere an einen Kundenkreis in Deutschland. CDs deutscher rechtsextremistischer Bands stellen ein Drittel bis zur Hälfte des Angebots dar. Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte 19 Skinhead-Musik als Transportmittel verfassungsfeindlicher Botschaften Rechtsextremistischen Musik-CDs kommt eine besondere Bedeutung bei der Verbreitung menschenverachtender und verfassungsfeindlicher Inhalte zu. Die Internationalität bei der Produktion und beim Vertrieb verfassungsfeindlicher CDs erschwert Behörden die strafrechtliche Bekämpfung. Die Möglichkeiten, sich entsprechende Musiktitel aus dem Internet herunterzuladen, sind vielfältig. Auf diese Weise erreicht die rechtsextremistische Musik einen Interessentenkreis, der weit über das von den Verfassungsschutzbehörden registrierte rechtsextremistische Personenpotential hinausreicht. Die Skinhead-Musik hat bei der Verbreitung der rechtsextremistischen Ideologie eine zentrale Funktion. Ian Stuart Donaldson formulierte für die in Deutschland verbotene Blood & Honour Bewegung eines ihrer Ziele wie folgt: „Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen, besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden.“ (Broschüre des LfV Baden-Württemberg „Rechtsextremistische Skinheads“, 2001) Die Blood & Honour Bewegung nimmt bei der Verbreitung rechtsextremistischer Ideologie über die Skinhead-Musik eine wichtige Funktion wahr. Schwerpunkt der Aktivitäten bildet die Organisation von Konzerten und damit die Beeinflussung der Szene über die rechtsextremistische Musik. Musik dient als Transportmedium für die neonazistische und rassistische Ideologie. Die von aggressiver Menschenverachtung und Feindbildprojektionen geprägten Texte wirken zunächst unterschwellig und stellen ein Mittel der Indoktrination mit rechtsextremistischen Inhalten dar. Die Liedtexte enthalten rassistische, antisemitische und gewaltverherrlichende Aussagen, die in Verbindung mit der Musik über die gefühlsmäßige Ansprache aufgenommen werden. Zentrales Merkmal der inhaltlichen Ausrichtung ist die Verherrlichung des Nationalsozialismus. Nordische Mythologien sind ebenso Thema wie antisemitische Verschwörungstheorien - wie z.B. bei der Band „Landser“ - Rock gegen ZOG13. In 20 Jahren rechtsextremer Musikproduktion haben sich die Themen gewandelt. Waren die Liedtexte anfangs von den Themen Alkohol, Spaß und Gewalt („Skinhead – A Way of Life“) geprägt, bekamen die Songs im Laufe der Jahre zunehmend politischere Akzente. Heute lassen sich die Skinmusik-Produktionen grob in zwei Segmente aufteilen. Auf der einen Seite die Produktionen mit zwar z.T. rechtsextremistischen, aber nicht strafbaren Inhalten, auf der anderen Seite die illegalen Produktionen mit gewaltfixierten und volksverhetzenden strafbaren Inhalten. 13 ZOG = Zionist occupied government; Antisemiten verwenden ZOG als Code für eine jüdische Weltverschwörung. 20 Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte Entwicklung der Skinhead-Bands in Deutschland Die Anzahl der aktiven deutschen rechtsextremistischen Skinhead-Bands ist seit geraumer Zeit leicht rückläufig. Von den 90 Bands, die in letzter Zeit bei Konzerten auftraten oder Tonträger veröffentlichten, sind nur 30 Bands seit Jahren in der Szene durchgängig aktiv. Viele Bands der stark fluktuierenden Szene bestehen nur für einen kurzen Zeitraum. Ausländische Bands aus der „White Power“ Bewegung wie „Celtic Warrior“, „Youngland“, „Max Resist“, „Brutal Attack“, „Intimidation One“ und „Final War“ finden in der deutschen Szene Resonanz und erweisen sich als Publikumsmagneten. Sie stellen für viele Sympathisanten einen zusätzlichen Anreiz dar. Das gleiche gilt für viele deutsche Skinhead-Bands, die aufgrund ihres musikalischen Niveaus attraktiv sind, wie z.B. „Endlöser“ aus Bremen und „Stahlgewitter“ aus Meppen. In Niedersachsen sind zur Zeit sechs Skinhead-Bands bekannt, von denen die Band „Saccara“ (Meppen), bereits seit dem letzten Jahr eher inaktiv ist. Die Band „Leitwolf“ (Wischhafen), die in letzter Zeit nicht öffentlich in Erscheinung getreten ist, kündigt auf ihrer Homepage die Rückkehr ins „Musikgeschäft“ für das Jahr 2004 an. In den zurückliegenden Jahren hatte die Band „Leitwolf“ drei, die Band „Saccara“ vier CDs veröffentlicht. Die 1986 gegründete Band „Saccara“ verfügt über eine eigene Homepage im Internet. Zu den aktiven Bands zählen „Stahlgewitter“ Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte 21 (Meppen), „Endstufe“ (Lilienthal), „Nordfront“ und „Terrortorium“ (beide Raum Hannover). Die aus drei Personen bestehende Gruppe „Nordfront“ aus Hannover trat im Jahr 2002 auf mehreren Skinhead-Konzerten auf und veröffentlichte über den WikingerVersand im Frühjahr die zweite CD mit dem Titel „Argonnerwald“. Laut Beschluss des AG Pinneberg vom 13. Februar 2002 erfüllt das bereits auf der Debüt-CD veröffentlichte Lied „Werft sie raus“ den Straftatbestand der Volksverhetzung. Der menschenverachtende Text des Liedes stachelt zum Hass gegen Teile der Bevölkerung auf: „ ... Autonome, Zecken und Kanaken – Ich wünsche mir, dass sie die Koffer packen ... Das Land in dem wir leben, ist von Feinden umgeben - Eingenistet und vermehrt, aber Deutschland nicht verehrt ... Werft alle aus dem Land, die unsere Heimat zerstören – Werft alle raus, werft alle raus ... “. Die Band „Endstufe“ aus Lilienthal hat insgesamt acht CDs veröffentlicht. Im Jahr 2002 wurde die Neuaufnahme „Adrenalin“ mit 10 Titeln angeboten. Die Band „Boots Brothers“ aus Delmenhorst feierte nach eigenen Angaben im Jahr 2002 zehnjähriges Bestehen. Nach einer inaktiven Phase hat sie eine neue CD mit dem Titel „Die Brüder sind zurück“ produziert. Erschienen ist die CD bei BackstreetNoise in Chemnitz. Die im Mai 2002 erschienene dritte CD der Gruppe „Stahlgewitter“ aus Meppen mit dem Titel „Politischer Soldat“ lag mit ihren rechtsextremistischen Inhalten auf der Linie der vorangegangenen Produktionen. Auch diese CD bietet Anhaltspunkte für den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB, ein Ermittlungsverfahren ist eingeleitet. Die CD ist bislang in einer Auflage von 9.000 Exemplaren erschienen. Der Titel „Zurück zu unseren Traditionen“ enthält folgende Passagen: 22 Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte „Ich bin stolz auf meine weiße Haut und wisst ihr was ich hasse eine bunte Republik und die völlig verdummte Masse ich mag sie nicht die Süßmuth und ihre Überfremdungskommission ich bin und bleib ein Länderfreund und ich liebe die Nation Refrain Muslime, Mullahs Muezzin es tönt vom Minarett sie preisen und sie künden den Propheten Mohammed ist das die neue Leitkultur um unser Volk zu spalten für uns gibt es nur das eine deutsche Kultur erhalten“ In einer CD-Besprechung im Szeneheft „RockNORD“ (Nr. 80/81) heißt es: „ ... Musikalisch bleiben die Jungs ihrem Stil treu. Wieder einmal ist Stahlgewitter eingezielter Tritt in den Arsch der etablierten Politik gelungen, ... !“ CDs wie „Ran an den Feind“ der Gruppe „Landser“ oder „Noten des Hasses“ von den „White Aryan Rebels“14 haben nicht zuletzt aufgrund der aggressiven fremdenfeindlichen Texte einen Kultstatus in der Szene: „Nur die Starken haben das Recht zu überleben ... diese Untermenschen, der Jude, der Nigger, dieses schwule Pack sie alle graben sich ihr eigenes Grab.“ („White Aryan Rebels“, „Noten des Hasses“) Die den Hammerskins zuzurechnende Skinhead-Band „Landser“ ruft auf ihrer CD „Ran an den Feind“ zum Mord an den Abgeordneten des deutschen Bundestages auf: “Stürmt den Reichstag, räuchert sie aus, macht der Rattenbande den Garaus“. 14 Die am 28. April 2001 indizierte CD ist die bisher einzige Veröffentlichung der Band. Im Text werden Menschen aufgrund ihrer religiösen und ethnischen Zugehörigkeit verächtlich gemacht, wodurch der Tatbestand von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt ist. Ein Berliner Neonazi, der an der Erstellung und Verbreitung der CD „Noten des Hasses“ beteiligt war, wurde zu einer 22-monatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte 23 Die 1992 um Mitglieder der rechtsextremistischen Organisation „Vandalen - Ariogermanische Kampfgemeinschaft“ ursprünglich unter dem Namen „Endlösung“ gegründete Band „Landser“ propagiert in ihren Liedern nationalsozialistisches, rassistisches und antisemitisches Gedankengut. Die von der Band als Feindbilder gezeichneten Minderheiten werden pauschal als dekadent, minderwertig und verbrecherisch dargestellt. Ganz offen wünscht man Angehörigen ethnischer Minderheiten den Tod, wie der Titel des Liedes „Kanacke verrecke“ verdeutlicht. Gleiches gilt für das „Afrika-Lied“: „Afrika für Affen, Europa für Weiße ... steckt die Affen in ein Klo und spült sie weg wie Scheiße.“ Damit ruft die Band „Landser“ offen zur Gewalt auf. Der Generalbundesanwalt hatte mit Anklageschrift vom 9. September 2002, wie in einer Presseinformation mitgeteilt wird, „Anklage wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und anderer Straftaten erhoben. Den Angeschuldigten wird zur Last gelegt, als Mitglieder der kriminellen Vereinigung Musikband ‚Landser‘ durch Verbreiten von Tonträgern in volksverhetzender Weise zu Hass und Gewalt gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt, die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen, zu rechtswidrigen Taten aufgefordert und die Bundesrepublik Deutschland und ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft und verächtlich gemacht zu haben. Der Angeschuldigte Michael R. steht in dem dringenden Verdacht, als Sänger, Textverfasser und Bandleader Rädelsführer der kriminellen Vereinigung gewesen zu sein. Die Angeschuldigten Michael R. und André M. sowie der gesondert verfolgte Horst S. waren Mitglieder der im Jahr 1992 gegründeten Berliner Skinhead Gruppe ‚Landser‘. Ziel der Gruppe war es, über Musik-CD‘s rechtsradikales Gedankengut in der Jugendszene zu verbreiten; finanzielle Gewinnerwartung stand im Hintergrund. Unter Verzicht auf öffentliche Auftritte schufen die Bandmitglieder spätestens 1993 eine auf Heimlichkeit und Konspiration aufbauende Organisationsstruktur. Der Vertrieb der im Ausland produzierten CD’s erfolgte über ein abgetarntes Verteilernetz in der Bundesrepublik Deutschland. Auftakt der politisch ausgerichteten Aktivitäten der Band war die CD ‚Republik der Strolche‘. Die Liedtexte dieses Albums waren geprägt von rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Hasstiraden. Sie riefen zu Gewalt gegen Ausländer, Juden und politisch Andersdenkende auf, und waren darauf angelegt, den Staat Bundesrepublik Deutschland sowie seine pluralistische Ordnung als untragbar zu diffamieren.“ Nach dem Selbstverständnis der Band-Mitglieder ist es ihr Ziel, den „Soundtrack zur arischen Revolution“ zu liefern. Dem Strafverfahren kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als es sich um das erste Verfahren gegen Mitglieder einer rechtsextremistischen Musikgruppe wegen des Verdachts der Gründung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung handelt. Ein weiterer Liedtext der 2000 bekannt gewordenen Band - „Die Kugel ist für dich“ - ist ein vertonter Aufruf zum Mord an Personen des öffentlichen Lebens wie Rita Süssmuth, Stefan Heym, Lilo Wanders, Alfred Biolek u. a.. 24 Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte Als beispielhaft für die menschenverachtende und fremdenfeindliche Ausrichtung der Skinhead-Musik sind die seit Frühjahr 2003 in der rechtsextremistischen Szene verbreiteten drei neuen volksverhetzenden CDs zu nennen. Mehrere der auf der seit Mai kursierenden CD „Lasst sie ruhig kommen“ einer Band „Rassenhass“ veröffentlichten Lieder enthalten antisemitische, fremdenfeindliche und volksverhetzende Texte. Darüber hinaus ruft die Band auf der CD zum Aufstand gegen das bestehende System mit dem Ziel der Errichtung eines „Vierten Reiches“ auf. Auf dem Cover wird die Synagoge in Berlin-Mitte im Visier einer Waffe abgebildet, Booklet und CD sind mit Hakenkreuzen gestaltet. Das Lied „Volk steh auf“ dokumentiert auf besonders perfide Weise menschenverachtende, fremdenfeindliche, rassistische und antisemitische Aussagen: „Jeder Neger ist dann zu Haus in Afrika oder hängt an einem Baum, und Europa ist dann wieder weiss, denn für Affen ist hier kein Raum. ... Wir brennen alle Judaskirchen ab, denn wir brauchen hier kein Christentum. Jedes Krummnasengrab wird exhumiert, denn mit Antimenschen ham wir nix zu tun. ... Schwarz-rot-gold wird abgeschafft und das Hakenkreuz wird wieder wehen. Die Bundesregierung stürzen wir und das Kanzleramt wird in Flammen stehen.“ (Schreibweise aus dem Original übernommen) Der seit März 2003 durch den rechtsextremistischen Vertrieb „Celtic Moon“ (Dänemark) angebotene Sampler „Blood & Honour Deutschland - Trotz Verbot nicht tot“ findet auch in der deutschen Skinhead-Szene Verbreitung. Auf der CD sind Reden Adolf Hitlers eingespielt. In einigen der insgesamt 19 Lieder wird u. a. gegen Farbige, Homosexuelle und Behinderte gehetzt. Die CD selbst trägt den Aufdruck: „Pro- Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte 25 duziert in Skandinavien für den dortigen Vertrieb ... Die Bands auf diesem Sampler kommen nur aus einem bestimmten Teil des besetzten Reiches.“ Diese CD ist wegen ihres volksverhetzenden Inhalts und wegen Verstoßes gegen das Vereinsverbot strafrechtlich relevant. Seit kurzem wird in der rechtsextremistischen Szene eine CD der bislang unbekannten Skinhead-Musikgruppe „Weisse Jäger“ mit dem Titel „Gaskammer“ angeboten, vertrieben vom dänischen „Celtic Moon“-Versand, sowie vom US-amerikanischen Vertrieb „Panzerfaust Records“. Der Tonträger enthält Lieder mit volksverhetzenden, antisemitischen und fremdenfeindlichen Texten. Zu der Melodie des Weihnachtsliedes „Leise rieselt der Schnee“ wird ein Lied mit dem zynischen Titel „Reichskristallnacht“ gesungen. Auffällig bei dieser CD ist die - im Vergleich zur sonstigen Skinhead-Musik - andere gesangliche und musikalische Gestaltung. Die revisionistische15 Ausrichtung dokumentiert bereits das Booklet der CD. Hier wird der Nationalsozialismus verherrlicht und der Holocaust16 geleugnet: „In einer Zeit, wo wir Nationalsozialisten so dermaßen verfolgt, verurteilt und eingesperrt werden. Wo es niemandem mehr erlaubt ist, seine Meinung über die Überfremdung unseres Deutschlands oder die sogenannte 6 Millionenlüge zu äußern. In dieser Zeit entstehen immer härtere Lieder und Gedichte.“ Während die Ermordung der Juden durch Giftgas in der Zeit des Nationalsozialismus im Booklet unter Berufung auf bekannte Revisionisten wie Fred Leuchter und Ro15 16 Mit dem Begriff Revisionismus werden solche Positionen innerhalb des Rechtsextremismus bezeichnet, die die Leugnung bzw. Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen zum Inhalt haben. Der Begriff bedeutet Massenvernichtung (vom griech. holocaustos = „völlig verbrannt“). Das Wort stammt (wie der offizielle Begriff des Staates Israel für die europäische Judenvernichtung - schoa = Katastrophe, Unheil) ursprünglich aus dem Alten Testament. Er bezeichnete „was ganz im Rauch aufsteigt“. Luther übersetzte den Begriff mit Brandopfer, die englische Bibelübersetzung mit holocaust. Die deutschen Herausgeber der „Enzyklopädie des Holocaust“ haben das Wort Holocaust mit großen Bedenken in ihrem Titel beibehalten, weil kein kennzeichnenderer Begriff im Deutschen verfügbar sei und der Untertitel „Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden“ den begrifflichen Gegenstand genau umschreibt. 26 Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte bert Faurisson ausdrücklich geleugnet wird, enthält das Lied „Reichskristallnacht“ Passagen, in denen nach der schrittweisen Entrechtung der Juden deren physische Vernichtung durch Gas besungen wird. Gleiches gilt für das menschenverachtende Lied „Judensau“ mit den Textstellen: „In Auschwitz ist noch ein Plätzchen frei ... Dort wirst Du hungern, dort wirst Du frieren und wirst elendig krepieren“. Nutzung des Internets durch die rechte Skinhead-Szene Das Internet hat als Kommunikationsmittel für Rechtsextremisten zunehmend an Bedeutung gewonnen, wenn auch die Anzahl der von deutschen Rechtsextremisten betriebenen Homepages 2003 erneut auf aktuell 950 Seiten17 sank. Dies dürfte insbesondere auf die Sperrung deutscher Homepages bei amerikanischen Providern zurückzuführen sein, die in ihren Geschäftsbedingungen Hasspropaganda verbieten. Im Internet werden exzessiv fremdenfeindliche und antisemitische Positionen verbreitet. Chat-Rooms und Diskussionsforen, wie das „Wikinger-Forum“ oder das „Nationale Forum“, haben für den Zusammenhalt der Szene einen immer größeren Stellenwert erlangt. Das Internet bietet Rechtsextremisten die Möglichkeit, in abgeschotteten, durch Passwort geschützten Bereichen miteinander zu kommunizieren. Zum Teil gelingt es Rechtsextremisten auf diese Weise, Organisationsverbote zu unterlaufen und internationale Kontakte zu knüpfen. 17 Gesamtzahl rechtsextremistischer Seiten im Internet; Bands, Parteien, Kameradschaften und sonstige rechtsextremistische Organisationen zusammen gerechnet. Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte 27 Auch die Skinhead-Musikszene nutzt das Internet verstärkt zur Selbstdarstellung und zur Verbreitung ihrer Produkte. Die meisten der bekannten Skinhead-Bands betreiben eine eigene Homepage, über die Liedtexte und Musikstücke herunterzuladen sind. Insbesondere ausländische Bands und Musiktauschbörsen bieten über das Internet Lieder und Texte mit strafrechtlich relevanten Inhalten an. Internet-Foren sind für die Skinhead-Szene von zunehmender Bedeutung. Die verschiedenen Foren fördern den Zusammenhalt durch den Austausch von Informationen und dienen der szeneinternen Kommunikation. Von den ca. 25 Foren sind als bedeutendste das “Wikinger Forum”, das “Hatecore-Forum” sowie das “Unserforum” zu nennen. Die 500 Mitglieder des für die Szene meinungsbildenden “Wikinger Forums” äußern sich derzeit zu etwa 800 Themen mit rund 17.000 Beiträgen. Das verbindende Element der Kommunikation in diesen Foren ist die rechtsextremistische Grundhaltung. Neben vielen allgemeinen politischen Rubriken behandeln alle größeren Foren vor allem Musikthemen. Auf diese Weise kann sich der Fan rechtsextremistischer Musik in den Foren einen umfassenden Überblick über die rechte Musikszene verschaffen und sich virtuell über bevorstehende Ereignisse informieren. Der “Forengott”18 ”thombvinyl” berichtete von einem Mitgliedertreffen von “Unserforum” im März 2003 im Raum Hannover: “War auf jeden Fall ein Hammerwochenende!!!! ... Hut ab vor unseren Kameraden/ innen aus Östereich. Trotz des langen Anfahrtsweges dabei gewesen ... Insgesamt ne tolle Gemeinschaft, die sich nur über das Forum kennengelernt hat ...” (Fehler aus dem Original übernommen.) 18 Je nach Bedeutung hat ein Mitglied eine weitere Bezeichnung. Anfänger sind z.B. „Grünschnabel“, während „Vielposter“ z.B. „Haudegen“, „Forengott“ oder auch „Kaiser“ sein können. 28 Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte Neben den Diskussionsforen gewinnt auch das IRC19 an Bedeutung. In diesem Medium können sich die Nutzer in Echtzeit mit einer speziellen Software mittels Texteingabe “unterhalten”. Für die rechtsextremistische Szene hat der IRC-Channel “#nationalersturm” die größte Bedeutung. Nutzer des “Nationalen Forums” werben für die Teilnahme im ”beliebtesten deutschen Sprechraum” der nationalen Bewegung, um eine Bündelung der in Kleinst-Chatrooms versprengten Kameraden zu erreichen. Auf Jugendliche üben diese interaktiven Dienste eine besondere Faszination aus. Der Einstieg in rechtsextremistische Zusammenhänge ist leicht möglich, Gleichgesinnte sind schnell gefunden. Der rechtsextremistischen Szene wird durch diese Kommunikation ein neues Wir-Gefühl vermittelt. Die Nutzung des Internets mit der ganzen Bandbreite der beschriebenen Möglichkeiten setzt beim Anwender eine gewisse Grundkenntnis und kommunikative Fähigkeit voraus. Der Umgang mit Musiktauschbörsen (Downloads von MP3-Dateien), Foren, Chats (IRC, Messenger) und im Mailversand mit der Verschlüsselungssoftware PGP20 gehört heute zum Standard der rechtsextremistischen Skinhead-Szene. Radio Wolfsschanze Auf der anonym über anfangs US-amerikanische, später russische Provider betriebenen Homepage „Rastenburg“ wurden seit August 1999 in unregelmäßigen Abständen insgesamt vier Sendungen eines Internet-Radios „Großdeutscher Rundfunk - Radio Wolfsschanze“ verbreitet. Die Betreiber des „Radio Wolfsschanze“ verschleierten Hinweise auf ihre Identität. Die Inhalte dieser Sendungen waren volksverhetzend und gewaltverherrlichend. In fiktiven Reportagen, z. B. aus dem Erdbebengebiet in der Türkei, wurden volksverhetzende und rassistische Aussagen verbreitet, wie: „Zehntausend von leblosen Kanaken auf den Straßen - ich kann mich vor Freude kaum halten. ... Wenn das der Führer noch hätte erleben dürfen!“ Darüber hinaus wurden auf der Homepage „Rastenburg“ zeitweise MP3-Dateien mit zum Teil strafrechtlich relevanten Musiktiteln zum Download angeboten. Titel eines namentlich unbekannten „DJ Adolf“ waren abrufbar. Diese Musikstücke hatten Reden Hitlers zur Grundlage, welche durch Hinterlegen von Techno-Musik vertont wurden. Die einzelnen Sendungen waren jeweils nur vorübergehend im Internet abrufbar. Die antisemitischen und fremdenfeindlichen Sendungen von „Radio Wolfsschanze“ erfreuten sich innerhalb der rechtsextremistischen (Internet-) Szene großer Beliebtheit. 19 20 Internet Relay Chat, wörtlich: Internet - Übertragung - Unterhaltung. Abk. für Pretty Good Privacy, ein im Internet für die geschützte Übermittlung von Datensätzen verwendetes Datenverschlüsselungssystem im Public-Key-Verfahren. Es werden zwei Schlüssel benutzt, wobei der eine öffentlich zugänglich ist und der andere ein privater Code ist. Die Verschlüsselung ist damit so sicher, dass es selbst Computerexperten der US-Geheimdienste vor unlösbare Probleme stellte. Skinhead-Musik und Skinhead-Konzerte 29 Aufgrund von Hinweisen des niedersächsischen Verfassungsschutzes durchsuchte das LKA Niedersachsen im Mai 2001 die Wohnungen von acht Verdächtigen im Alter von damals zwischen 19 und 35 Jahren, die an der Erstellung und Verbreitung der Internet-Sendungen von „Radio Wolfsschanze“ beteiligt gewesen sein sollen. Durch die Maßnahme konnte die kurz bevorstehende Internet-Veröffentlichung der bereits produzierten fünften Sendung verhindert werden. Gegen vier Beschuldigte wurde wegen Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung Anklage erhoben. Am 26.11.2003 verurteilte das Gifhorner Amtsgericht einen der beiden Hauptangeklagten zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, ein weiterer Mitangeklagter wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. 30 Neonazistische Kameradschaften Neonazistische Kameradschaften Das Organisationsmodell der Freien Kameradschaften Neonazis treten als Einzelpersonen, in unstrukturierten lokalen Szenen oder organisiert in neonazistischen Freien Kameradschaften in Erscheinung. Die Herausbildung und der Bedeutungszuwachs der neonazistischen Kameradschaften stehen in einem engen Zusammenhang mit den Organisationsverboten, den die Verbotsbehörden in der ersten Hälfte der neunziger Jahre in Reaktion auf mehrere gegen türkische Bürger und Asylbewerber gerichtete Brandanschläge anordneten. Um weitere Verbotsmaßnahmen zu unterlaufen, entwickelten führende Neonazis eine Organisationsform ohne verbotsfähige formale Vereinsstrukturen und ohne formale Mitgliedschaften. Es entstand das Organisationsmodell der so genannten Freien Kameradschaften. Einer Kameradschaft gehören zwischen 5 bis 20 Personen an. Die Fähigkeit zur Durchführung gemeinsamer Aktionen sollte dem Konzept zufolge durch die „Vernetzung“ der Kameradschaften, d. h. durch den Einsatz technischer Kommunikationsmittel wie Mobiltelefone, Mailboxen, Infotelefone oder das Internet sichergestellt werden. Die Protagonisten der organisatorischen Umstrukturierung des neonazistischen Lagers waren zuvor in zwischenzeitlich verbotenen neonazistischen Zusammenschlüssen aktiv gewesen. Hervorzuheben sind die Neonazis Thorsten Heise, der ehemalige Landesvorsitzender der FAP, sowie der Vorsitzende bzw. stellvertretende Vorsitzende der verbotenen Nationalen Liste Thomas Wulff und Christian Worch. In einer Internetdarstellung wird der „Kameradschaftsgedanke“ in idealtypischer Weise dargestellt: “Wir ‚Freien Nationalisten‘21 sind meist junge Kameraden und Kameradinnen aus ganz Deutschland. Es bestehen bei uns keine festen Organisationsformen, trotzdem sind wir im gesamten Nationalen Widerstand der aktivste Teil. Aufgrund unserer nur losen Kontakte kann der Staat uns mit Verboten nur wenig anhaben. Die einzelnen voneinander unabhängigen Gruppen führen selbständig oder mit Hilfe anderer Gruppen jede Menge Aktionen durch, zum Teil auch in Zusammenarbeit mit der NPD“.22 In der 2. Ausgabe der seit April 2002 im Großraum Hannover-Hildesheim verbreiteten neonazistischen Publikation „Nationaler Beobachter“ führen die Autoren über den Zweck einer Kameradschaft aus, sie solle den Rahmen dafür bieten, sich für seine Ziele gemeinsam einzusetzen und dafür zu kämpfen. Außerdem diene eine Kameradschaft der Schulung von Kameraden, denn nur mit dem nötigen Wissen könne man seine Ziele verwirklichen. Ohne diese Kenntnisse sei man seinen Gegnern ausgeliefert und werde nicht ernst genommen. 21 22 Die Kameradschaftsmitglieder bezeichnen sich in Anspielung auf ihre Parteiunabhängigkeit auch als Freie Nationalisten oder freie Kräfte. Internet-Seite der Freien Kameradschaft Langeoog. Strukturen dieser Kameradschaft sind nicht nachgewiesen. Bei dem Gestalter der Internet-Seite handelt es sich um einen Kenner der Kameradschaftsszene. Neonazistische Kameradschaften 31 Die Verfassungsschutzbehörden sprechen von einer Kameradschaft, wenn die folgenden vier Kriterien vorliegen: – ein abgegrenzter Aktivistenstamm mit geringer Fluktuation; – eine lokale oder regionale Ausdehnung; – eine zumindest minimale Struktur; – die Bereitschaft zu gemeinsamer politischer Arbeit auf Basis einer rechtsextremistischen, insbesondere neonazistischen Grundorientierung. Mit dem Entstehen der neonazistischen Kameradschaften bewegten sich die beiden Lager des Rechtsextremismus, die subkulturell geprägten Skinheads und die Neonazis, aufeinander zu. Diesem Annäherungsprozess war eine Politisierung von Teilen der Skinhead-Szene vorausgegangen. Inzwischen existieren neben reinen neonazistischen Kameradschaften so genannte Mischkameradschaften, die neben Neonazis auch politisierte Skinheads umfassen. Die Konzeption der Freien Kameradschaften ist also aufgeweicht worden. Die Zielvorstellung eines festgefügten Netzes jederzeit aktivierbarer und zu koordiniertem Handeln fähiger Kameradschaften deckt sich nicht mit den Realitäten. Neben größeren Kameradschaften mit politischem Anspruch besteht inzwischen eine Vielzahl von Kameradschaften, die allenfalls fähig sind, kleinere Aktionen auf lokaler Ebene durchzuführen. Heutzutage rekrutieren Kameradschaften ihre Anhänger hauptsächlich aus den örtlichen rechten Jugendszenen. Die Kontaktaufnahme erfolgt aufgrund persönlicher Bekanntschaft oder im Rahmen von Skinhead-Konzerten. Während das Einstiegsalter bei etwa 16 Jahren liegt, dürfte sich das Durchschnittsalter der Mitglieder einer Kameradschaft zwischen 20 und 25 Jahren bewegen. Der überwiegende Teil der Kameradschaftsmitglieder ist männlich. Der Anteil von Frauen, die sich an Kameradschaftsabenden beteiligen, beträgt in Niedersachsen ca. 18 %, wobei Frauen in der Regel keine Führungsfunktionen wahrnehmen. Kameradschaften in Niedersachsen Im Jahr 2003 wurden vom Verfassungsschutz in Niedersachsen rund 20 neonazistische Kameradschaften beobachtet. Ihnen gehörten ca. 350 Rechtsextremisten an. Bundesweit gab es 160 Kameradschaften mit ca. 2.600 Mitgliedern. Die Aktivitäten der meisten Kameradschaften beschränkten sich auf die Durchführung regelmäßiger Kameradschaftsabende, die oft nur Stammtischcharakter besaßen. So genannte politische Schulungsarbeit trat demgegenüber oftmals in den Hintergrund. Gleichwohl wurde in diesen Veranstaltungen durch das Einschwören auf gemeinsame Feindbilder rechtsextremistisches Gedankengut transportiert. Die Teilnahme an öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen wie Demonstrationen stellte bei den meisten Kameradschaftsangehörigen eher die Ausnahme dar. 32 Neonazistische Kameradschaften Auf verfassungsfeindliche Bestrebungen ausgerichtet sind die Aktivitäten derjenigen Kameradschaften, die sich regelmäßig an Demonstrationen beteiligen und/oder eine eigene Homepage im Internet betreiben wie die Kameradschaften Northeim, Weserbergland, Göttingen, Salzgitter oder die Nationalen Kräfte Barsinghausen. Im Mittelpunkt der regelmäßigen Zusammenkünfte dieser Kameradschaften steht neben der politischen Schulungsarbeit die Vorbereitung auf Demonstrationen. Über das verfassungsfeindliche Selbstverständnis gibt folgende Internet-Darstellung der Kameradschaft 84 Aufschluss: „Wir wollen die nationale und völkische Identität Deutschlands erhalten und fördern, ebenso ist die geschichtliche wie politische Bildung innerhalb der Kameradschaft ein wichtiger Aspekt. Ebenfalls ist die Teilnahme an politischen Veranstaltungen und Demonstrationen ein aktivistischer Punkt.“ Ihre Zusammengehörigkeit dokumentieren die Kameradschaftsangehörigen auf Demonstrationen durch das Mitführen von Spruchbändern oder das Tragen von T-Shirts mit aufgedrucktem Kameradschaftsnamen. Derartige Veranstaltungen gehören zum Hauptbetätigungsfeld der in Kameradschaften organisierten rechtsextremistischen Skinheads und Neonazis. Einige Kameradschaften treten dabei als geschlossener Verband auf. Sowohl die Anzahl der Kameradschaften in Niedersachsen als auch das in ihnen „organisierte“ Personenpotential sind seit 1998 nahezu konstant geblieben. Allerdings haben sich inzwischen die regionalen Schwerpunkte verschoben. Galt im Jahr 1998 noch der Regierungsbezirk Lüneburg als eine Hochburg neonazistischer Kameradschaften, so sind die aktivsten Kameradschaften mittlerweile in den südlichen bzw. südwestlichen Landesteilen ansässig. Diese Entwicklung ist einmal als ein Indiz für die Fluktuation im Kameradschaftsbereich zu werten, sie lässt auch Rückschlüsse auf die Bedeutung von Führungsfiguren zu, derer es bedarf, um das nach wie vor bedeutende Potential rechtsextremistischer Mitläufer zu mobilisieren. Die Kameradschaft Northeim als Beispiel für eine neonazistische Kameradschaft Die Entstehungsgeschichte der Kameradschaft Northeim zeigt exemplarisch auf, unter welchen Umständen und mit welcher Zielrichtung sich das neue neonazistische Organisationsmodell herausgebildet hat. Ausgangspunkt der Entstehungsgeschichte war das Verbot der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) als sonstige Vereinigung durch das Bundesministerium des Innern am 24.02.1995. Unmittelbar nach Vollzug des Verbotes gründete der niedersächsische Landesvorsitzende der FAP und Skinhead Thorsten Heise an seinem damaligen Wohnort die Kameradschaft Northeim, die sich in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre zur be- Neonazistische Kameradschaften 33 deutendsten Kameradschaft Niedersachsens entwickelte. Die Gründungsmitglieder der Kameradschaft Northeim entstammten wie Heise mehrheitlich dem ehemaligen FAP-Landesverband. Die Gründung der Kameradschaft war eine Reaktion auf die vorangegangene Verbotsmaßnahme. Der „seine“ Kameradschaft autoritär leitende Neonazi Heise veranschaulicht beispielhaft die Bedeutung von Anführern innerhalb der neonazistischen Kameradschafts-Szene. An den unter seiner Leitung wöchentlich durchgeführten Kameradschaftsabenden nahmen bis zu 30 Personen teil. Im Mittelpunkt der Kameradschaftsabende, auf denen ein striktes Alkohol- und Rauchverbot herrschte, stand die „politische“ Schulung. Wie bei allen größeren Kameradschaften ist in unterschiedlicher Ausprägung zwischen dem festen Aktivistenstamm und einem Mobilisierungspotential zu unterscheiden. Das Mobilisierungspotential rekrutiert sich aus meist jüngeren Personen der jeweiligen örtlichen rechtsextremistischen Szene und weist in der Regel eine beachtliche Fluktuationsrate auf, weil die von den Kameradschaftsführern erhobene Forderung nach Disziplin vor allem auf den jüngeren, aktionsorientierten Personenkreis eher ebenso abschreckend wirkt wie die „politische“ Ausrichtung der Aktivitäten. Zumindest bis zu seinem Umzug im September 2002 nach Fretterode/Thüringen hat Heise mit seiner Kameradschaft immer wieder die Öffentlichkeit gesucht. Der Einzugsbereich der Kameradschaft Northeim erstreckte sich auf den gesamten südniedersächsischen Bereich. Die Kameradschaft nahm unter seiner Leitung auf Bundesebene an zahlreichen Demonstrationen des rechtsextremistischen Spektrums teil. Darüber hinaus organisierte sie SkinheadKonzerte. Aufgrund dieser vielfältigen Aktivitäten wurde Heise zu einer festen Bezugsgröße innerhalb des neonazistischen Spektrums. Der Umzug von Northeim nach Fretterode hat allerdings zu einem Bedeutungsverlust der Kameradschaft geführt, die sich nach wie vor nach ihrem Gründungsort nennt. Überdies hat Thorsten Heises Ansehen in der Szene wegen seiner Geschäfte mit rechtsextremistischen Musik-CDs gelitten. 34 Neonazistische Kameradschaften Bestrebungen zur Vernetzung von Kameradschaften / „Nationales und Soziales Aktionsbündnis Norddeutschland“ Die aktiven Kameradschaften aus Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt haben sich seit März 1997 zusammengeschlossen unter der Bezeichnung „Nationales und Soziales Aktionsbündnis Norddeutschland“. Die Gründung dieses so genannten Aktionsbündnisses war Ausfluss eines von dem führenden Hamburger Neonazi Thomas Wulff entwickelten Vernetzungskonzepts, das ein Zusammenwirken von Kameradschaften und einzelnen Neonazis in jederzeit mobilisierbaren, „nicht organisierten Einheiten“ verwirklichen sollte. Die Zielsetzung beschrieb ein „reichsweit bekannter, langjähriger Mitkämpfer“ der Freien Nationalisten im Internet wie folgt: „Es ist eine Bündnisstruktur, die immer dann zum Tragen kommt, wenn im norddeutschen Raum verschiedenste Aktionsgruppen und Parteien zu nationalen und sozialen Fragen aktiv werden. Der Name soll vor allem deutlich machen, dass unter diesem Aktionsnamen alle anderen nationalen Kräfte ein Bündnis eingehen können, ohne dass sie ihre Selbständigkeit aufgeben müssen. ... Ich persönlich sehe in den Strukturen Freier Nationalisten eine notwendige Ergänzung zu bestehenden nationalen Gruppierungen. Zum einen, um die Radikalität innerhalb der Szene zu steigern und zum anderen, um den Druck auf Spalter und Provokateure erhöhen zu können. Für viele wird es wohl auch eine organisatorische Alternative sein.“ („Wir sind Freie Nationalisten“, Internet-Beitrag, Version vom 07.04.2000) Für die Koordination der gemeinsamen Aktivitäten des Aktionsbündnisses der Freien Nationalisten wurde ein so genanntes „Aktionsbüro Norddeutschland“ gegründet. Neben der Mobilisierung für Demonstrationen sollten der Informationsaustausch innerhalb des Aktionsbündnisses sowie die Öffentlichkeitsarbeit zu den wichtigsten Aufgaben des Aktionsbüros gehören. Zur Aufgabenerfüllung bedient sich das Aktionsbüro hauptsächlich des Internets. Die Internetseiten der Freien Nationalisten beinhalten Berichte über rechtsextremistische Demonstrationen und Veranstaltungen, szenespezifische Informationen, Dokumentationen und herunterladbare Flugblätter. Ende der neunziger Jahre sind vom Aktionsbüro Demonstrationen - immer wieder auch im Zusammenspiel mit der NPD - koordiniert worden, so z.B. am 13.06.1998 in Lüneburg eine Protestveranstaltung unter dem Motto „Arbeitsplätze statt Sozialalmosen“, an der sich 70 Neonazis Neonazistische Kameradschaften 35 aus Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Westfalen beteiligten. Eine führende Rolle spielte das Aktionsbüro ferner bei den von der NPD angemeldeten Demonstrationen gegen die Wehrmachtsausstellung am 30.01.1999 in Kiel und am 10.07.1999 in Hamburg. Seitdem zeichnet sich eine gewisse Demonstrationsmüdigkeit ab. Die relativ große Anzahl neonazistischer Demonstrationen - 60 bis 70 Veranstaltungen jährlich auf Bundesebene - hat dazu geführt, dass sich immer weniger Kameradschaftsangehörige zur Teilnahme an Demonstrationen bereit finden. Teilnehmerzahlen von durchschnittlich 70 bis 150 Teilnehmern spiegeln diese Entwicklung wieder. In Reaktion hierauf veröffentlichte das Aktionsbüro Norddeutschland, das bereits 2002 den „Demotourismus“ der freien Kräfte kritisiert hatte, im März 2003 einen Leitfaden für Freie Nationalisten mit folgenden Maximen für die künftige Arbeit: revolutionäre Politik unabhängig von Organisationsstrukturen, Herstellung von Politikfähigkeit durch verbindliches und kontinuierliches Arbeiten, informelle Vernetzung von Aktivisten zur Koordinierung gemeinsamer Aktivitäten, Initiative und Selbstdisziplin jedes Aktivisten. Ausgenommen von der „Demonstrationsmüdigkeit“ sind die alljährlich im August durchgeführten Rudolf-Heß-Gedenkaktionen, die für den Zusammenhalt der Freien Nationalisten auf Bundesebene eine zentrale Bedeutung erlangt haben. Die Aktionen konzentrieren sich inzwischen auf Wunsiedel, wo der 1987 verstorbene ehemalige Hitler-Stellvertreter seit 1987 begraben ist. An der vom Hamburger Rechtsanwalt und Neonazi Jürgen Rieger angemeldeten Gedenkveranstaltung des Jahres 2003 beteiligten sich 2.600 Rechtsextremisten, darunter auch niedersächsische Neonazis. Nutzung der Kommunikationsmedien durch die neonazistischen Kameradschaften Die Freien Nationalisten messen der modernen Kommunikationstechnik eine große Bedeutung zu. Die Selbstdefinition der Informationsplattform für Freie Nationalisten im Internet WiderstandNord verdeutlicht dies: „WiderstandNord ist eine unabhängige informelle Netzstruktur für die Berichterstattung über nationale und soziale Bewegungen an der Basis des Widerstandes. WiderstandNord bietet freien politischen Projekten die Möglichkeit, diese Netzstruktur im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten als Plattform für kontinuierliche, verbindliche und revolutionäre Berichterstattung zu nutzen.“ Neben dem Aktionsbündnis haben auch einzelne Kameradschaften eigene Homepages ins Internet eingestellt. Aus Niedersachsen sind dies die Kameradschaft Weserbergland, die Kameradschaft 84, die Freie Jugend Ostfriesland und die Freien Nationalisten Niedersachsen/Weser. 36 Neonazistische Kameradschaften Die Internetseiten der Kameradschaften ähneln einander sehr stark. Neben Beiträgen über politische Themen werden Berichte über eigene Aktivitäten und Demonstrationen der rechtsextremistischen Szene veröffentlicht. Alle Homepages bieten unter der Rubrik „Gästebuch“ ein Diskussionsforum. Neonazistische Kameradschaften 37 Als weiteres Medium zur Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts nutzen neonazistische Kameradschaften selbst erstellte Informationsschriften. Die Kameradschaft Weserbergland beispielsweise veröffentlichte die Broschüre „Widerstand im Weserland“. Die Informationsschrift enthält Berichte über Aktionen der Kameradschaft, Presseberichte sowie Artikel über Demonstrationen und rechtsextremistische Musikveranstaltungen. Eine andere Publikation der niedersächsischen Neonaziszene mit der Bezeichnung „Das Sturmsignal“ erscheint im Raum Hildesheim. Das Deckblatt zeigt zwei Jungen in der Uniform der Hitlerjugend unter einer schwarz-weiß-roten Fahne. Die Herausgeber schreiben dazu: “Die Farben schwarz, weiß, rot stehen für die Reichsfarben und auch für die Idee welche dahinter steckt.“ An neonazistische Leser im Großraum Hannover/Hildesheim wendet sich auch die Broschüre „Nationaler Beobachter - Informationsblatt für die Region Südniedersachsen“. Ziel dieser neonazistischen Publikation ist es, „dem geneigten Leser zu zeigen, wie man sich als revolutionäre Opposition zur Wehr setzen kann und welche Wege es gibt, unsere verblendeten Volksgenossen zum Erwachen zu bringen, um ein neues Deutschland erblühen zu lassen“. Insgesamt lässt sich feststellen, dass Printerzeugnisse in ihrer Bedeutung für die neonazistische Szene wegen des für die Erstellung einer Publikation erforderlichen relativ hohen Kosten- und Zeitaufwandes inzwischen hinter Internetveröffentlichungen zurückgetreten sind. 38 Neonazistische Kameradschaften Zum Zusammenspiel zwischen NPD und neonazistischer Kameradschaftsszene Nachdem der langjährige NPD-Funktionär Udo Voigt im Jahre 1996 an die Spitze der NPD getreten war, forcierte die Partei im Rahmen einer Drei-Säulen-Strategie den „Kampf um die Straße“23, d. h. die NPD versuchte sich über Demonstrationen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Um für diese Demonstrationen ein ausreichendes Personenpotential mobilisieren zu können, suchte die NPD-Führung das gezielte Zusammenspiel mit den Freien Nationalisten der Kameradschaftsszene. Dabei handelte es sich um ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Die freien Kräfte profitierten davon, dass ihnen die NPD unter dem Schutzmantel des Parteienprivilegs einen öffentlichen Freiraum eröffnete und sie lieferten der NPD das Fußvolk für die öffentlichen Auftritte. Über das Aktionsbüro Norddeutschland wurde bis zum Jahr 2000 im Internet nahezu uneingeschränkt zur Teilnahme an NPD-Veranstaltungen aufgerufen. In aller Deutlichkeit zeigte sich das Zusammenspiel anlässlich der Demonstration gegen die so genannte Wehrmachtsausstellung am 19.12.1998 in Hannover, zu der der örtliche NPD-Kreisverband aufgerufen hatte. Unter den ca. 150 Demonstranten befanden sich hauptsächlich Neonazis der Kameradschaftsszene. Zu ihnen sprachen der niedersächsische NPD-Vorsitzende Ulrich Eigenfeld und der Hamburger Neonazi Christian Worch. Thorsten Heise, der Führer der Kameradschaft Northeim, war an der Durchführung des Demonstrationszuges beteiligt. Persönliche Auseinandersetzungen zwischen führenden Kräften der Freien Nationalisten und dem NPD-Parteivorstand führten im Sommer 2000 zu einer Abkühlung des Verhältnisses. Die Distanz verstärkte sich noch, als die NPD-Führung der Partei im August 2000 im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion über das Parteiverbotsverfahren einen Demonstrationsverzicht auferlegte. Angesichts erheblicher Kritik aus dem gesamten rechtsextremistischen Spektrum sowie auch aus den eigenen Reihen wurde der Verzicht auf Demonstrationen im Oktober 2000 von der NPD-Führung wieder zurückgenommen. Die NPD-Führung hatte erkennen müssen, dass sie öffentlichkeitswirksame Aktionen ohne Unterstützung durch die demonstrationsbewährten Freien Nationalisten nur in eingeschränktem Maße durchführen kann. Sie war wieder bereit, parteiunabhängigen Neonazis ein Rederecht und damit eine Selbstdarstellungsmöglichkeit auf Demonstrationen einzuräumen. Vorübergehend verbesserte sich das Verhältnis wieder und es kam erneut zum Schulterschluss 23 Zur Drei-Säulen-Strategie gehören neben dem „Kampf um die Straße“ der „Kampf um die Köpfe“ und der „Kampf um die Parlamente“. Neonazistische Kameradschaften 39 bei Demonstrationen. Führende Neonazis wie Christian Worch allerdings gingen auf Distanz zur „systemangepassten Politik der NPD“ und haben eine Diskussion darüber entfacht, ob Angehörige der neonazistischen Kameradschaftsszene Demonstrationen der NPD überhaupt noch unterstützen oder ob sie nicht gleich eigene Kundgebungen veranstalten sollten. Die Differenzen wurden erstmals öffentlich zum Ausdruck gebracht, als die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ im Frühjahr 2002 in Bielefeld gezeigt wurde und die NPD am 02.02. und die freien Kräfte unter Führung von Worch am 02.03.2003 getrennt voneinander demonstrierten. Das Werben der NPD um Unterstützung der Freien Nationalisten ist aber dennoch unverkennbar. So sind die vom NPD-Verlag Deutsche Stimme ausgerichteten Pressefeste vom Programm her insbesondere auf die Teilnahme von Freien Nationalisten ausgerichtet. Die Auftritte bekannter rechtsextremistischer Bands und Liedermacher zielten auf dieses Publikum. Das Musikprogramm des NPD-Pressefestes in Königslutter am 03.08.2002 beispielsweise wurde von den Skinhead-Bands Sleipnir und Spreegeschwader und den rechtsextremistischen Liedermachern Frank Rennicke und Lars Hellmich bestritten. Ein Jahr später, am 09.08.2003 in Meerane/Sachsen, sorgten die Skinhead-Bands Saga aus Schweden und Nordfront aus Hannover und der Rechtsextremist Frank Rennicke für die musikalische Unterhaltung. Beide Veranstaltungen fanden mit 1.500 bzw. 2.500 Teilnehmern, darunter zahlreichen Skinheads und Freie Nationalisten, starken Zuspruch sowohl in der rechten Skinheadszene als auch bei Angehörigen der Kameradschaften. Gute persönliche Beziehungen dürften der Hauptgrund dafür sein, dass Demonstrationen der NPD in Niedersachsen nach wie vor von zahlreichen Angehörigen Freier Kameradschaften aus Niedersachsen und aus benachbarten Bundesländern unterstützt werden. Kameradschaftsmitglieder beteiligen sich darüber hinaus an lokalen Flugblattaktionen und an Infotischen der NPD. Das auf persönlichen Loyalitäten basierende Verhältnis könnte sich durch die Einbindung von freien Kräften in NPD-Funktionen weiter festigen. Dem gegenwärtigen NPD-Landesvorstand gehören drei Beisitzer an, die als Anführer der Kameradschafts-Szene zu betrachten sind. Die Verflechtung wird sich noch verfestigen, wenn weitere Kameradschaftsangehörige aufgrund altersbedingter Rücktritte von NPDFunktionären Führungsaufgaben in der NPD übernehmen. In besonders deutlicher Form ist diese enge Verknüpfung bereits in Göttingen zu beobachten. Die dortige Kameradschaft bildet auf ihrem Spruchband auch die Internetadresse der NPD ab. 40 Fazit und Ausblick Fazit und Ausblick Die Beobachtungsfelder der rechtsextremistischen Skinhead-Szene und der neonazistischen Kameradschaften haben sich in den letzten 15 Jahren als die Erscheinungsformen des Rechtsextremismus erwiesen, die sich am stärksten verändert hat. Der traditionelle parteigebundene Rechtsextremismus, der wegen der Wahlerfolge der Partei Die Republikaner in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich gezogen hatte, ist demgegenüber in den Hintergrund getreten. Eine gewisse Ausnahme bildet die NPD, bezeichnenderweise aber deshalb, weil sie den Versuch einer Öffnung gegenüber der neonazistischen Kameradschafts-Szene unternommen hat. Innerhalb der niedersächsischen Kameradschafts-Szene, in der Skinheads eine wichtige Rolle spielen, ist eine starke Fluktuation zu beobachten. Trotz ihrer unstrukturierten Gesamterscheinung birgt diese rechtsextremistische Szene ein nicht unerhebliches Gefahrenpotential, wie die über die Skinhead-Musiktexte und über das Internet verbreitete menschenverachtende Ideologie belegt. Aus dem Mangel an anerkannten Führungspersönlichkeiten, die mit politischer Zielsetzung auf die Szene einwirken, resultiert auch eine gewisse Unberechenbarkeit des Handelns. Andererseits erklärt sich aus dem Mangel an Anführern der gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene auch, dass den Vernetzungsbestrebungen im wesentlichen nicht der Erfolg beschieden ist, der den Protagonisten des Modells Freier Kameradschaften vorschwebte. Erkenntnisse darüber, dass sich niedersächsische Rechtsextremisten für den „politischen Kampf“ gezielt Waffen beschaffen, liegen gegenwärtig den Sicherheitsbehörden nicht vor, auch wenn festgestellt werden muss, dass Rechtsextremisten generell eine überdurchschnittliche Affinität zu Waffen und Sprengstoff haben. Die Herausbildung eines rechtsextremistischen Terrornetzes, einer „Braunen Armee Fraktion“, ist angesichts der derzeitigen Struktur der Kameradschafts-Szene in Niedersachsen unwahrscheinlich. Es fehlt gegenwärtig nach den Beobachtungen der Sicherheitsbehörden an Protagonisten und am nachhaltigen Willen, den „bewaffneten Kampf“ gegen das „System“ aufzunehmen. Die im Herbst 2003 bekannt gewordenen Anschlagspläne von Mitgliedern der so genannten Kameradschaft Süd in München stießen bei niedersächsischen Kameradschaftsangehörigen auf einhellige Ablehnung. Es handelte sich um Vorbereitungen von Neonazis der Kameradschaftsszene, wie sie auch für Niedersachsen zukünftig nicht ausgeschlossen werden können. Deshalb ist die intensive Beobachtung der neonazistischen Kameradschafts-Szene weiterhin eine vordringliche Aufgabe der Sicherheitsbehörden, um vergleichbare Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. Eine dauerhafte Vernetzung des neonazistischen Rechtsextremismus über die nationalen Grenzen hinweg zeichnet sich ebenfalls nicht ab, auch wenn es zahlreiche Kontakte zwischen rechtsextremistischen Skinheads und Neonazis auf internationaler Ebene gibt, etwa bei der Durchführung größerer Konzerte. Blood & Honour ist ohnehin eine internationale Bewegung mit Divisionen auf verschiedenen Kontinenten. Ein abgestimmtes zielgerichtetes politisches Zusammenwirken indes findet gegenwärtig nicht statt. Dies wäre auch schon deshalb schwierig, weil die jeweils eigene Nation für Neonazis nach wie vor eine feste Bezugsgröße darstellt. Die bis- Fazit und Ausblick 41 lang registrierten Kontakte auf internationaler Ebene, z.B. im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Combat 18, konzentrieren sich auch weniger auf ein ideologisches Zusammenspiel als auf kommerzielle Interessen. In einer Gesamtbetrachtung über den Rechtsextremismus in Deutschland gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Entwicklung in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich vollzieht. Im Gegensatz zu Niedersachsen, wo es zahlreiche Kameradschaften gibt, in denen rechtsextremistische Skinheads und Neonazis vereint sind, ist in anderen Regionen Deutschlands eine Verfestigung des neonazistischen Einflusses innerhalb der Kameradschafts-Szene zu beobachten. In Niedersachsen wiederum hat die NPD nicht im gleichen Ausmaß ihren Einfluss auf die Kameradschafts-Szene verloren wie in anderen Bundesländern. Der von der NPD-Führung angestrebte Erneuerungsprozess vollzieht sich in Niedersachsen unter Einbeziehung von Kameradschaftsangehörigen. Die weitere Beobachtung und Bewertung der neonazistischen Kameradschafts- und Skinhead-Szene lässt bisher zu einem großen Teil länderspezifische Entwicklungen erkennen. Eine einheitliche Entwicklung für das gesamte Bundesgebiet ist nicht feststellbar. 42 Anhang Anhang Verbote neonazistischer Vereinigungen Verbotsverfüg. Vereinigung Verbotsbehörde 26.11.1992 Nationalistische Front (NF) Bundesministerium des Innern 08.12. 1992 Deutsche Alternative (DA) Bundesministerium des Innern 18.12.1992 Deutscher Kameradschaftsbund (DKB) Niedersächsisches Innenministerium 21.12.1992 Nationale Offensive (NO) Bundesministerium des Innern 07.06.1993 Nationaler Block (NB) Bayerisches Staatsministerium des Innern 08.07.1993 Heimattreue Vereinigung Deutschlands (HVD) Innenministerium des Landes BadenWürttemberg 25.08.1993 Freundeskreis Freiheit für Deutschland (FFD) Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen 10. 11.1994 Wiking Jugend e.V. (WJ) 24.02.1995 Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) Bundesministerium des Innern (auf Initiative des Niedersächsischen Innenministeriums) Bundesministerium des Innern (auf Initiative des Niedersächsischen Innenministeriums) Anhang 43 22.02.1995 Nationale Liste (NL) Behörde für Inneres Hamburg 12.05.1995 Direkte Aktion/ Mitteldeutschland (JF) Innenministerium des Landes Brandenburg 22.07.1996 Skinheads Allgäu Bayerisches Staatsministerium des Innern 14.08.1997 Kameradschaft Oberhavel Innenministerium des Landes Brandenburg 09.02.1998 Heide-Heim e.V. und Heideheim e.V. Niedersächsisches Innenministerium 10.08.2000 Hamburger Sturm Behörde für Inneres Hamburg 12.09.2000 Blood & Honour -Division Deutschland mit Jugendorganisation White Youth Bundesministerium des Innern 03.04.2001 07.03.2003 Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) mit Skinheads Sächsische Schweiz - Aufbauorganisationen und Nationaler Widerstand Pirna Bündnis nationaler Sozialisten für Lübeck (www.fuer-luebeck.com) Sächsisches Staatsministerium des Innern Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein 44 Anhang Einschlägige Straftatbestände des Strafgesetzbuches (StGB) Die nachfolgende Darstellung dient ausschließlich der staatsbürgerlichen Aufklärung im Sinne von § 86 Abs. 3 StGB. Es handelt sich dabei um einen Abdruck aus der Broschüre Musik - Mode - Markenzeichen mit freundlicher Zustimmung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen. 1. §84StGB: Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei (1) Wer als Rädelsführer oder Hintermann im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes den organisatorischen Zusammenhalt 1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder 2. einer Partei, von der das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, aufrechterhält, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. (2) Wer sich in einer Partei der in Absatz 1 bezeichneten Art als Mitglied betätigt oder wer ihren organisatorischen Zusammenhalt unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (3) [...] 2. § 85 StGB: Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot (1) Wer als Rädelsführer oder Hintermann im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes den organisatorischen Zusammenhalt 1. einer Partei oder Vereinigung, von der im Verfahren nach § 33 Abs. 3 des Parteiengesetzes unanfechtbar festgestellt worden ist, dass sie Ersatzorganisation einer verbotenen Partei ist, oder 2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist, aufrechterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar. (2) Wer sich in einer Partei oder Vereinigung der in Absatz 1 bezeichneten Art als Mitglied betätigt oder wer ihren organisatorischen Zusammenhalt unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (3) [...] Anhang 3. 45 § 86 StGB: Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen (1) Wer Propagandamittel 1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt ist, dass sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist, 2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist, das sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist, 3. einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen tätig ist, oder 4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften (§ 11 Abs. 3), deren Inhalte gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet sind. (3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient. (4) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. 4. § 86 a StGB: Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. im Inland Kennzeichen einer der in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften (§ 11 Abs. 3) verwendet oder 2. Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten, zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in Nummer 1 46 Anhang bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt. (2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind. (3) § 86 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Nach § 86 a StGB verboten sind insbesondere folgende Symbole, Kennzeichen, Parolen, Lieder und Fahnen: Strafbar Hitler-Bild und Hitler-Gruß Strafbar Hakenkreuz – Symbol der NSDAP, wird in zahlreichen Variationen verwendet (Beispiele nachfolgend) Strafbar Hakenkreuz – seitenverkehrt Anhang 47 Strafbar Abzeichen der ’Hitler-Jugend’ Strafbar Fahne der ‘Deutschen Arbeitsfront’ Strafbar Armbinde mit Adler und Hakenkreuz Anhang 48 Strafbar Hakenkreuz – negativ Symbol der verbotenen ‘Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten’ Strafbar Hakenkreuz – leicht verändert (Swastika-Kreuz). Wurde in ähnlicher Form von den Nationalsozialisten in Symbolen des ‘Deutschen Frauenwerkes’ und der ‘NS-Frauenschaft’ verwendet. Strafbar Sigrune (germanisches S) Zeichen des ‘Deutschen Jungvolkes’ Strafbar Doppel-Sigrune/SS-Rune Zeichen der ‘Schutzstaffeln’ (SS) der NSDAP Anhang 49 Strafbar Abgeänderte Sigrune mit waagerechten Spitzen Kennzeichen der verbotenen ‘Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten’ Strafbar Wolfsangel Strafbar als Symbol der verbotenen ‘Jungen Front’ Strafbar nur in Verbindung mit verbotenen Organisationen Odalrune; strafbar als Kennzeichen des verbotenen ‘Bundes Nationaler Studenten’ (BNS) und der verbotenen ‘Wiking-Jugend’ (WJ) Strafbar Abzeichen der ‘Sturmabteilung’ (SA) Anhang 50 Strafbar Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz (1935–1945) Nicht strafbar Reichskriegsflagge (1867–1921) Das Zeigen der Flagge ist zwar nicht strafbar, die Polizei kann sie aber unter bestimmten Umständen wegen Störung der öffentlichen Ordnung einziehen. Nicht strafbar Reichskriegsflagge (1922–1933) Nicht strafbar Reichskriegsflagge (1933–1935) 51 Anhang Strafbar nur in Verbindung mit verbotenen Organisationen Als Kennzeichen der ‘Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit’. Das Keltenkreuz steht im rechtsextremistischen Kontext vor allem für das »kulturelle Erbe der arischen Herrenrasse«; insbesondere in der Skinhead-Szene weit verbreitet. Nicht strafbar Sonnensymbol (Sonnenrad) ‘Triskele’ Wird unter anderem von White -Power-Skins und vom ‘Ku Klux Klan’ (KKK) benutzt sowie bis zu ihrem Verbot am 14. September 2000 von der ‘Blood & Honour’-Organisation (B & H). Strafbar Logo der verbotenen Skinhead-Organisation ‘Blood & Honour’. In der Skin-Szene wird seit dem Verbot für B & H das Kürzel 28 (B=2, H=8) verwendet. Strafbar Symbol der verbotenen’Nationalen Sammlung’ (NS) 52 Anhang Strafbar Symbol der verbotenen ‘Nationalen Liste’ Strafbar Symbol NF der verbotenen ‘Nationalistischen Front’ (NF) Strafbar Symbol der verbotenen ‘Deutschen Alternative’ (DA) Strafbar Symbol der verbotenen ‘Nationalen Offensive’ (NO) 53 Anhang Strafbar Symbol der verbotenen ‘Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit’ (VSBD/PdA) Strafbar Symbol der verbotenen ‘Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit’ (VSBD/PdA) Strafbar Symbol der verbotenen ‘Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei’ (FAP). Der Zahnkranz als Umrahmung eines Hakenkreuzes fand auch in dem Symbol der nationalsozialistischen ‘Deutschen Arbeitsfront’ Verwendung. Strafbar Erkennungszeichen der verbotenen ‘Direkten Aktion/Mitteldeutschland’ (JF) 54 Anhang Nicht strafbar Symbol der Hammer-Skins. Zum Zahnkranz: siehe Erläuterung zum FAPSymbol Nicht strafbar Aufnäher von Rechtsextremisten mit der »White-Power-Faust« und ZahlenCodes für die rassistischen »14 words« sowie für die Grußformel »Heil Hitler«(88) Nicht strafbar Die Zahlen stehen für den 8. Buchstaben im Alphabet = H.H. Mit dieser synonym für die verbotene Grußformel »Heil Hitler« verwandten Abkürzung signalisieren Rechtsextremisten ihre Gesinnung. Nicht strafbar Die Zahl signalisiert rassistische Gesinnung. Sie steht für die 14 Worte: »Wir müssen die Existenz unseres Volkes sichern und eine Zukunft für unsere weißen Kinder.« Nicht strafbar Die Zahl steht für den 1. und 8. Buchstaben im Alphabet = A.H. Die Abkürzung steht für »Adolf Hitler«. 55 Anhang Nicht strafbar Die Zahl steht für die Buchstaben B und H. Sie wird als Umschreibung der in Deutschland verbotenen Skinhead-Strömung ‘Blood & Honour’ verwandt. »Sieg Heil« Strafbar Parteitags- und Massenparole der NSDAP »Heil Hitler«, »Deutscher Gruß« oder »Hitler-Gruß« Strafbar Grußform mit ausgestrecktem rechten Arm – auch ohne Worte »Mit deutschem Gruß« Strafbar Briefliche Grußform – BGH, Az. 3 StR 280/76 »Meine Ehre heißt Treue« bzw. »Unsere Ehre heißt Treue« Strafbar Losung der SS »Alles für Deutschland« Strafbar Losung der SA »Blut und Ehre« Strafbar Losung der ‘Hitler Jugend’ »Deutschland erwache« Strafbar Losung der NSDAP (SA, SS) 56 »Ein Volk, ein Reich, ein Führer« Anhang Strafbar Allgemeine Parteilosung »Rotfront verrecke« Strafbar BGH, Az. 3 StR 575/86 Die folgenden Lieder gehörten zum offiziellen Liedgut der NSDAP und waren während des Dritten Reiches sehr bekannt. »Die Fahne hoch! Die Reihen dicht geschlossen! SA marschiert mit ruhig festem Schritt. Kameraden, die Rotfront und Reaktion erschossen, marschiern im Geist in unsern Reihen mit.« Strafbar »Vorwärts! Vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren. Vorwärts! Vorwärts! Jugend kennt keine Gefahren. Deutschland, du wirst leuchtend stehn, mögen wir auch untergehn.« Strafbar Horst-Wessel-Lied (Kampflied der SA) Vorwärts! Vorwärts (Lied der Hitler Jugend) Dieses Lied wurde neben dem HorstWessel-Lied bei offiziellen Anlässen gesungen. 57 Anhang »Brüder in Zechen und Gruben, Brüder, ihr hinter dem Pflug, aus den Fabriken und Stuben: Folgt unsres Banners Zug! Strafbar [...] Dieses Lied ist auch unter der hier ausgelassenen Textzeile »Einst kommt der Tag der Rache« bekannt. Hitler treu ergeben, treu bis in den Tod. Hitler wird uns führen Einst aus dieser Not.« »Kampfgenossen schließt zusammen fest der Staffel schwarze Reihn. Hoch das Banner, lichtumflossen in dem Kampf um Deutschlands Sein. Hakenkreuz, du heilges Zeichen, Runensiegel deutscher Art, Deutschlands Feinde müssen weichen, Leitstern unsrer Siegesfahrt.« Brüder in Zechen und Gruben (Kampflied der NSDAP) Strafbar Lied der SS und SA Anhang 58 5. § 129 StGB: Bildung krimineller Vereinigungen (1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich an einer solchen kriminellen Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Absatz 1 ist nicht anzuwenden, 1. wenn die Vereinigung eine politische Partei ist, die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfassungswidrig erklärt hat, 2. wenn die Begehung von Straftaten nur ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist oder 3. soweit die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung Straftaten nach den §§ 84 bis 87 betreffen. (2) Der Versuch, eine in Absatz 1 bezeichnete Vereinigung zu gründen, ist strafbar. (3) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern oder liegt sonst ein besonders schwerer Fall vor, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen. (4) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, von einer Bestrafung nach den Absätzen 1 und 3 absehen. (5) [...] 6. § 130 StGB: Volksverhetzung (1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, 1. zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder 2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. Schriften (§ 11 Abs. 3), die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte 59 Anhang Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, a) verbreitet, b) öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht, c) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überlässt oder zugänglich macht oder d) herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, ankündigt, anpreist, einzuführen oder auszuführen unternimmt, um sie oder aus ihnen gewonnene Stücke im Sinne der Buchstaben a bis c zu verwenden oder einem anderen eine solche Verwendung zu ermöglichen, oder 2. eine Darbietung des in Nummer 1 bezeichneten Inhalts durch Rundfunk verbreitet. (3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 220 a Abs. 1 (Völkermord) bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost. (4) [...] (5) In den Fällen des Absatzes 2, auch in Verbindung mit Absatz 4, und in den Fällen des Absatzes 3 gilt § 86 Abs. 3 entsprechend. Herausgeber: Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Lavesallee 6, 30169 Hannover Telefon: (05 11) 1 20 - 62 55 Telefax: (05 11) 1 20 - 65 55 E-Mail: pressestelle@mi.niedersachsen.de Internet: www.mi.niedersachsen.de Diese Broschüre darf, wie alle Broschüren der Landesregierung, nicht zur Wahlwerbung in Wahlkämpfen verwendet werden. Herstellung: LGN, Hannover 2003 Gedruckt auf ungebleichtem Recycling-Papier