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INTERVIEW BERND EICHINGER Wann haben Sie das erste Mal „Das Parfum‘‘ als Buch in die Hand genommen? Das war Mitte der 80er Jahre. Ich habe damals das Buch direkt nach Erscheinen gelesen und wollte mir sofort die Rechte sichern. Da der Münchner Autor Patrick Süskind ein Freund von mir ist, dachte ich zunächst, das wäre eine schnelle Sache. Leider war dem nicht so, denn Süskind wollte die Rechte erst mal nicht verkaufen. Wie schwer war es denn, an die Rechte zu kommen? Das Problem war von Anfang an, dass Patrick nicht verkaufen wollte, und zwar nicht nur nicht an mich, sondern auch an keinen anderen. Von 1986 an versuchten eine Menge Leute aus aller Welt – Regisseure sowie Produzenten – ihn zu überreden. Im Jahr 2000, also fast 15 Jahre später, gewann ich schließlich den Eindruck, dass man mit ihm jetzt über den Rechteerwerb sprechen könne. Zudem kann sich selbstverständlich in 15 Jahren eine Menge ändern. Daher fragte ich noch einmal beim Verlag an. Diesmal nannte man mir eine Summe und ich akzeptierte. Warum ist Ihrer Meinung nach das Buch so ungemein erfolgreich? Wissen Sie, es gibt eine Unzahl von Theorien, warum ein Meisterwerk wie „Parfum“ erfolgreich ist oder nicht. Man kann da eigentlich nur raten. Aber meiner Meinung nach liegt es beim „Parfum“ daran, dass die Geschichte so einzigartig ist. Und das Publikum verlangt nach diesen einzigartigen Geschichten. Aber nicht nach simplen Erlebnissen oder solchen, die man bereits zum soundsovielten Male gehört hat. „Das Parfum“ ist im wirklichen Sinne ein Original. Und was genau ist das Aufsehenerregende daran? Das Buch ist mit dem Zusatz „Die Geschichte eines Mörders“ untertitelt. Allerdings ist dieser Mörder keiner, wie wir ihn uns im Allgemeinen vorstellen, also als sexuell motivierten Serienkiller, der lediglich darauf aus ist, Menschen zu töten. Im Buch ist der Mörder vielmehr eine Art autistische Persönlichkeit, ohne Freunde und mit einem schlimmen Schicksal. Dieser Mensch hat, um es so zu formulieren, eine „Gabe“, die ihn seinen Mitmenschen überlegen macht: einen fast übernatürlich ausgeprägten Geruchssinn. Er nimmt seine ganze Umwelt durch seine Nase wahr. Ich glaube, diese Ausprägung allein macht den Roman schon sehr einzigartig. Und auch die Mordtaten sind keineswegs motiviert durch eine simple Lust am Töten. Er tötet diese Mädchen, weil er ihren Geruch besitzen will. Diese Person ist sicherlich kein „Held“, wie wir ihn aus dem traditionellen Kino kennen, wo jemand gegen das Böse kämpft und am Ende zumeist auch Erfolg damit hat. Aber im Roman sowie in unserem Film gibt es kein Gut und kein Böse, und auch das macht die Geschichte einzigartig. Die Handlung ist daher weniger unmoralisch als vielmehr amoralisch, sie liegt jenseits all unserer Moralvorstellungen. Die Hauptfigur Grenouille besitzt nämlich überhaupt keine Moral sowie keinerlei psychologische Vorstellung von Liebe, Dankbarkeit, menschlichem Miteinander oder auch Verantwortungsbewusstsein. Ein Leser oder bald ein Zuschauer wird es daher schwer haben, sich mit dieser Figur zu identifizieren? Genau diese Frage war das A & O während des Drehbuchschreibens. Normalerweise kann man sich eher mit solchen Gestalten identifizieren, die einem sympathisch sind, die man respektiert oder die heroische Aktionen unternehmen. Und genau das war das Problem beim Schreiben, weil Grenouille eine Figur ist, die man in 99,9 Prozent aller Kinofilme so nicht zu sehen bekommt. Aber genau so ein Mensch ist zentrales Thema dieses ungewöhnlichen Buches, das obendrein unglaublich gut funktioniert – obwohl oder gerade weil der „Held“ eben keiner ist, mit dem man sich gemeinhin identifizieren kann. Diesen Plot aus dem Roman ins Drehbuch zu übertragen, war die große Herausforderung. Viel größer übrigens als das andere eher technische Problem, wie man Geruch und Duft in einem Film ausdrücken soll. Letzteres war vergleichsweise eine leichte Aufgabe. Da war die Suche nach dem richtigen Darsteller fast wie jene nach der Nadel im Heuhaufen? In der Tat war das im Falle dieser Produktion eine der Hauptaufgaben, da ja der gesamte Film aus der Perspektive Grenouilles erzählt wird. Wenn man den falschen Darsteller wählt, würde der gesamte Film ein Misserfolg werden. Zudem muss der Hauptdarsteller derart passend sein, dass sich das Publikum an keiner Stelle fragt, ob jemand anderer diese Rolle hätte wesentlich besser übernehmen können. Wir haben daher mit einer Menge von Bewerbern gesprochen, denn sehr viele haben Interesse signalisiert. Gleichzeitig bemerkten wir aber auch eine gewisse Ängstlichkeit, den Grenouille zu spielen. Schließlich hat Tom Ben Whishaw gefunden, der damals als 23Jähriger den Hamlet in London auf der Bühne spielte. Und dieser junge Kerl verkörperte unserer Meinung nach beides: den Unschuldsengel und den Mörder. Das war der eigentliche Auslöser für die Realisierung des Projektes. Ein zweites zähes Unterfangen war die Illustrierung der unsichtbaren Parfum- und Körperdüfte. Wie sind Sie hier zu Werke gegangen? Natürlich lassen sich Geruch und Duft nicht sichtbar machen. Jeder Special Effect würde hier ein unsinniges Unterfangen bedeuten. Andererseits muss man aber zugeben, dass ein Buch beim Lesen eben auch nicht riecht. Der Romanautor Patrick Süskind musste also seine Leser mit der reinen Kraft seiner Worte davon überzeugen, dass sie die Düfte in seiner Geschichte förmlich „riechen“. Im Film können wir glücklicherweise auf mehrere Sprachformen zurückgreifen: die Sprache der Musik, der Töne und Geräusche sowie natürlich die der Bilder. Auf keinen Fall wollten wir in der Übertragung der Gerüche Farbtöne oder Spezialeffekte kreieren. Was uns vorschwebte, war zum Beispiel die Illustration einer Wiese im ersten Licht des Frühlings. Und wenn man hierbei das rechte Licht trifft, die richtige Kamerabewegung und den passenden Augenblick, dann kann auch der Zuschauer diese Wiese im wahrsten Sinne des Wortes riechen. Anders als im Roman nimmt im Film die Begegnung zwischen Grenouille und dem Mirabellen-Mädchen einen sehr großen Stellenwert ein. War das von Anfang an so beabsichtigt? Ja, denn wir wollten der Hauptfigur im Film einen weniger zynischen Charakter als im Buch verleihen. Ich weiß, dass Patrick Süskind diesen Zynismus mag und damit gern kokettiert, und ich will auch nicht sagen, dass wir diese Art von schwarzem Humor komplett eliminiert haben. Allerdings haben wir die Psychologie der Charaktere neu arrangiert. Wir wollten in diesem Fall den Nebenfiguren und ihren Handlungen mehr Raum geben, um rückwirkend dadurch den Protagonisten und seine Motive und Obsessionen besser verstehen zu können. Wieso haben Sie sich für Tom Tykwer als Regisseur entschieden? Tom besitzt zwei Qualitäten, die ihn für dieses Projekt besonders auszeichnen: Zum einen besitzt er eine ausgeprägte künstlerische, ja innovative Ader, zum anderen hat er auch ein sehr populäres Verständnis von Kino. Diese beiden Komponenten – das Experimentelle und das Populäre – muss man bei einem solchen Projekt, das definitiv kein Arthaus-Film ist, verinnerlicht haben, ansonsten kann man so einen großen Film mit internationalen Top-Darstellern gar nicht zustande bringen. Als ich Tom mitgeteilt hatte, mit ihm arbeiten zu wollen, entschied ich mich daher für zwei getrennte Arbeitsschritte: Zunächst einmal schrieben wir zusammen am Script. Und während dieser Zeit wurde mir immer klarer, dass nur Tom der richtige Regisseur sein kann. Und wie hat sich die Zusammenarbeit mit ihm als Regisseur entwickelt? Einfach wundervoll, denn Tom ist nicht nur ein äußerst professioneller Filmemacher, sondern auch ein sehr geschickter. Er verfügt über ein feines Auge, und wir konnten uns über jeden Aspekt des Projekts unterhalten, da wir uns grundsätzlich vertrauen. Zudem hatten wir uns zu Anfang klargemacht, gegenseitig kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und auch wenn Tom bislang nicht so viele Filme gemacht hat wie ich, so ist er doch in meinen Augen der geborene Regisseur. Er liebt nicht nur das Filmemachen, er kann auch Filme machen. Wie haben Sie Dustin Hoffman für die Rolle des Baldini begeistern können? Dustin Hoffman war nicht nur die erste Wahl für diesen Film, sondern gleich von Anfang an mit dabei. Er und Tom kennen sich seit vielen Jahren, da er sich in dessen Film LOLA RENNT regelrecht verliebt hat. Und auch mein TV-Projekt aus den späten 90ern, „Das Mädchen Rosemarie“, fand seine Anerkennung. Und als Hoffman erfuhr, dass wir beide am PARFUM arbeiteten, sagte er gleich fest zu. Und das lag weniger daran, dass es dieser Film werden sollte, sondern weil er unser beider Arbeit als Filmemacher schätzt. Was macht Hoffman zum idealen Baldini-Darsteller? Baldini ist vordergründig ein großspuriger Kerl, dessen Tage als Parfumeur indes gezählt sind. Trotzdem hat er seine Qualitäten, vor allem durch seinen witzigen und manchmal quirligen Charakter. Diese Quirligkeit aber muss ein Schauspieler zugleich mit Würde vermitteln, was Dustin Hoffman wiederum hervorragend vermag. Kein anderer ist dermaßen in der Lage, eine bestimmte Form von Komik auch würdevoll darzustellen. Der nächste tragende Nebendarsteller ist Alan Rickman, der den Kaufmann Richis aus Grasse verkörpert. ch muss an dieser Stelle betonen, dass es für mich eine große Freude war, Alan Rickman bei diesem Projekt dabei zu haben, da ich ihn für einen der größten Schauspieler auf dieser Welt halte. Keiner der Filme, in denen er mitspielte, hat mich gelangweilt. In unserem Fall spielt er den reichen Kaufmann aus Grasse, der seine Tochter – wohlgemerkt: seine schöne Tochter – mit allen Mitteln vor dem Serienkiller Grenouille schützen will, der wiederum ihren Körperduft als letzten Bestandteil seines Ultraparfums braucht. Richis als Vater hat starke Gefühle für seine Tochter, die wegen ihrer Schönheit ein potentielles Opfer ist. Obwohl er anfangs nicht bemerkt, wie nah ihm und seiner Tochter Grenouille wirklich ist, bleibt er die einzige Person, die es mit diesem sonderbaren Mörder wirklich aufnehmen kann und die clever genug ist, Grenouille und dessen Motive zu begreifen. Daher brauchten wir für die Darstellung dieser Rolle einen ganz außerordentlichen Schauspieler, den wir in Alan Rickman gefunden haben. Wie schwer war es, die geeignete Film-Tochter für Richis zu finden? Zugegebenermaßen war diese Suche ein ähnlich langwieriges Unterfangen wie bei Ben. Wir haben Hunderte von Demobändern mit jungen Darstellerinnen gesichtet, und auf einem davon entdeckten wir Rachel. Lustig war, dass sie zuerst von Tom auf einem englischen Tape unter wohl 15 Mädchen entdeckt wurde. Als er das Video gesehen hatte, meinte er zu mir: „Da gibt es unter den 15 eine passende Darstellerin, aber ich weiß nicht mehr genau, welche das ist.“ Dann schaute ich mir das Band an, und auch ich entdeckte die geeignete Person. Und es zeigte sich, dass wir beide die gleiche Schauspielerin gemeint hatten: Rachel. Dies war Grund genug, dass Tom nach London fuhr und sie höchstpersönlich castete. Er kam mit einem neuen Tape zurück, das großartig war, und damit war die Suche beendet. Was zeichnet Rachel Hurd-Wood denn für diese Rolle aus? ch finde, Rachel hat eine sehr seltene Gabe. Sie verkörpert mit ihren jungen Jahren die komplette Unschuld, auf der anderen Seite wirkt sie sehr reif, sehr gebildet und im Gespräch meint man, einer erwachsenen Frau gegenüber zu sitzen. Zudem kommt hinzu, dass sie wunderschön ist. Aus dieser Melange an Eigenschaften erwächst eine Faszination, der sich auch die Zuschauer nicht werden entziehen können. (Quelle: Constantin Medianetworx)