Jahresbericht 2014 - EGI-HSG

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Jahresbericht 2014 - EGI-HSG
Jahresbericht 2014
Center for Energy Innovation,
Governance and Investment (EGI-HSG)
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Bundesrätin Doris Leuthard
der Energie strategie 2050 mitwirkt. Das Center for Energy
Governance, Innovation and Investment (EGI-HSG) wird
mit interessanten Forschungsresultaten dazu beitragen, dass
neue Energiepro duktionen sowie deren Einsatz und Transpor t
auf langfristig sichere und stabile Finanzierungsmodelle
gestellt werden können!»
© Foto: Anita Vozza
«Eine erfolgreiche Energiestrategie bedingt nicht nur neue
Technologien, sondern auch innovative Geschäftsmodelle,
durchdachte, möglichst schlanke Regulierung und neue Formen
der Finanzierung. Vor diesem Hintergrund begrüsse ich es, dass
die Universität St. Gallen (HSG) als eine der führenden
Wir tschaftsuniversitäten Europas aktiv an der Umsetzung
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VORWORT | Ein Jahr EGI-HSG
im Center for Energy Innovation, Governance and Invest­
ment (EGI­HSG). Der vorliegende erste Jahresbericht von
EGI­HSG zeigt, wie die beteiligten Forschenden der Uni­
versität St. Gallen einen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung
der Energiestrategie 2050 leisten.
Das rasante Wachstum erneuerbarer Energien,
veränderte Kundenbedürfnisse sowie der verheerende
Unfall in Fukushima führten zu einem fundamentalen
Umbruch im Energiemarkt. In der Schweiz ist die
Energiestrategie 2050 der Kristallisationspunkt
dieser Entwicklungen. Die Stadt St. Gallen hat schon
im Jahr 2006 das Energiekonzept 2050 lanciert. Das
Ziel ist dasselbe: Die schrittweise Reduktion der
Abhängigkeit von nicht-erneuerbaren Energieträgern. Vor dem Hintergrund dieses Generationenprojekts haben Bundesrat und Parlament nicht nur
ein Bündel von Gesetzgebungsprojekten auf den
Weg gebracht, sondern auch die Mittel für Energieforschung um 200 Millionen Franken erhöht und
so die Gründung von acht EnergieforschungsKompetenzzentren (SCCER) initiiert.
Die Universität St. Gallen beteiligt sich an einem dieser
Zentren (SCCER CREST) und bündelt ihre langjährige Kom­
petenz nun in der sozialwissenschaftlichen Energieforschung
Das EGI­HSG basiert auf zwei Elementen, welche die HSG
erfolgreich machen: Interdisziplinäre Forschung und hoher
Praxisbezug. Gründungsmitglieder von EGI­HSG sind fünf
Institute der Universität St. Gallen aus den Bereichen
Management, Finanzierung, Recht und Politikwissenschaft.
Diese interdisziplinäre Konstellation ist der Komplexität des
Forschungsgegenstandes angemessen. Wenn es gelingt, eine
gemeinsame Sprache zu finden, bietet diese vielfältige Sicht­
weise auf den Energiemarkt die Chance für innovative
Lösungsansätze. Bei der Geburt von EGI­HSG standen
zudem die Stadt St. Gallen und die Sankt Galler Stadtwerke
Pate. In sechs gemeinsamen Forschungsprojekten werden
exemplarisch Fragestellungen untersucht, die für die
Energiezukunft aus unternehmerischer, gesellschaftlicher
und politischer Perspektive relevant sind. Um den Wissen­
stransfer in die Praxis noch weiter zu verstärken, haben
Stadt und Universität St. Gallen, gemeinsam mit weiteren
Akteuren aus der Region, die Konferenzplattform Energie­
Tage St. Gallen gegründet, an der sich jährlich im Mai rund
500–600 Teilnehmende an vier Fachkongressen über die
neuesten Entwicklungen im Energiemarkt informieren. Wer
über den Besuch einer Konferenz hinaus in seine Kom­
petenzen investieren möchte, findet bei einem der beiden
von Instituten des EGI­HSG angebotenen Weiterbildungs­
programme ein umfassendes Angebot. Auch für die HSG­
Studierenden steht ein zunehmendes Kursangebot im
Bereich Energie zur Auswahl.
Das erste Jahr von EGI­HSG war geprägt vom Kapazitäts­
aufbau – so wurden unter anderem fünf junge Kolleginnen
und Kollegen auf neu geschaffene Assistenzprofessuren
berufen und es wurden verschiedene Kooperationen mit
Partnern aus Wissenschaft und Praxis initiiert. Für die
weitere Zusammenarbeit freuen wir uns darauf, mit Ihnen,
liebe Leserin, lieber Leser, in Dialog zu treten – entweder
persönlich, im Rahmen einer unserer Tagungen und Weiter­
bildungsprogramme oder auf elektronischem Wege
(www.egi.unisg.ch).
Ich wünsche Ihnen viel Spass bei der Lektüre unseres ersten
Jahresberichtes.
Rolf Wüstenhagen
EGI­HSG
@wuestenhagen
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MISSION STATEMENT
IMPRESSUM
Herausgeber: EGI-HSG
Konzeption: Gieri Hinnen
Gestaltung: www.misigno.ch
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ITAT
Das Center for Energy Innovation, Governance and Investment
(EGI-HSG) bündelt die Kompetenzen der Universität
St. Gallen in der wirtschafts-, sozial- und rechtswissenschaftlichen
Energieforschung. Als Teil des nationalen Kompetenzzentrums
SCCER CREST (Competence Center for Research in Energy So­
ciety and Transition) erarbeitet es wissenschaftlich fundierte, international vernetzte und praxisrelevante Lösungen für eine nachhaltige
Energiezukunft und engagiert sich in Lehre und Weiterbildung für
den Wissenstransfer zwischen Universität und Gesellschaft. Somit
leistet die Universität St.Gallen mit Partnern aus Wissenschaft und
Praxis einen Beitrag zur Umsetzung der Schweizer Energiestrategie
2050 sowohl auf nationaler Ebene als auch in der Region St.Gallen.
Prof. Dr. Thomas Bieger
Rektor Universität St. Gallen
«Es freut mich, dass die Exper tise von fünf Instituten der
Universität St. Gallen aus den Fachbereichen Management,
Finanz-, Politik- und Rechtswissenschaft in das Center for
Energy Innovation, Governance and Investment (EGI-HSG)
einfliesst. Durch die thematische Fokussierung auf die Herausforderungen einer nachhaltigen Energiezukunft und ihre interdisziplinäre Zusammenarbeit leisten die beteiligten Forscher
einen Beitrag zur Umsetzung unserer Vision, als global
anerkannter Denkplatz Impulse für aktuelle Probleme von
Wir tschaft und Gesellschaft zu liefern.»
Das Führungsteam des EGI-HSG (von links nach rechts): Peter Hettich, Rolf Wüstenhagen, Oliver Gassmann, James W. Davis, Karl Frauendorfer
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FROM INSIGHT TO IMPACT | Interview
Forschung mit Impact
Der Leitspruch der Universität St. Gallen (HSG)
lautet «From Insight to Impact». Ein Motto, welches
auch die Forscher des EGI-HSG zu ihrem Credo
gemacht haben. Die Forschungsresultate von EGIHSG dienen Politik und Unternehmen als Entscheidungsgrundlage bei der Umsetzung der Energiewende.
Prof. Dr. James W. Davis
Professor für Politikwissenschaft mit besonderer
Berücksichtigung der Internationalen Beziehungen
Prof. Dr. Oliver Gassmann
Professor für Innovations­m anagement
Prof. Dr. Peter Hettich
Professor für öffentliches Wir tschaftsrecht und
Bau-, Planungs- und Umweltrecht
Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen
Professor für Management erneuerbarer Energien
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Welchen Beitrag kann die Wirtschafts-, Rechtsund Sozialwissenschaft an die Energiewende leisten?
Prof. Dr. James W. Davis: Gesellschaftlicher Wandel ist
immer auch das Resultat von politischen und gesellschaft­
lichen Aushandlungsprozessen. Dabei treffen unterschied­
liche und teils entgegengesetzte Interessen aufeinander. Nur
wenn diese verstanden und moderiert werden können, kann
eine erfolgreiche Energiewende gelingen. Dabei hilft eine
sozialwissenschaftliche Perspektive.
Prof. Dr. Oliver Gassmann: Die Technologien für eine
Energiewende sind verfügbar, es sind die Geschäftsmodelle,
welche eine Technologie erfolgreich verbreitet. Hierzu muss
jedes Unternehmen die vier Kernfragen beantworten: Wer
ist der Zielkunde? Was ist das Nutzenversprechen? Wie wird
dieses umgesetzt und warum funktioniert die Ertrags­
mechanik? Eine konsistente Antwort auf diese Fragen für
die beteiligten Akteure ermöglicht erst die Energiewende.
Prof. Dr. Peter Hettich: Die Rechtswissenschaft giesst
demokratisch getroffene Politikentscheidungen in das
Steuerungsmedium Recht um und hilft die Rechtsanwen­
dung an diesen Politikentscheidungen auszurichten. Sie
hat dabei nicht nur eine handwerkliche Aufgabe, sondern
unterzieht die im Gesetzgebungsprozess entstehenden
Normen auch einer normativen, auf die Verfassung aus­
gerichteten Wertung. Im Bereich der Energiepolitik kann die
Rechtswissenschaft Gesichtspunkte in die Diskussion ein­
bringen, die im politischen Grabenkampf allenfalls zu
kurz kämen.
Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen: Die Technologien zur
Nutzung erneuerbarer Energien sind heute weitgehend vor­
handen. Damit die Ziele der Energie- und Klimapolitik
erreicht werden, müssen sie sich aber auch am Markt durch­
setzen. An diesem entscheidenden Punkt setzen wir an: Bei
der letzten Meile im Innovationssystem auf dem Weg von
der Technologieentwicklung zum Markterfolg. So liefert sie
wichtige Grundlagen für die Gestaltung vielversprechender
Unternehmensstrategien und wirksamer politischer
Rahmenbedingungen.
Was ist der aktuelle Schwerpunkt Ihrer
Energieforschung?
Prof. Dr. James W. Davis: Am Institut für Politikwissen­
schaften beschäftigen wir uns vorwiegend mit der Gover­
nance von Energie, also mit den Institutionen und Praktiken,
welche die oben genannten Aushandlungsprozesse struk­tu­
rieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Frage, wie sich
die Schweizer Politik und internationale Entwicklungen
gegenseitig beeinflussen. So wirken beispielsweise geo­
politische Entwicklungen auf globale Energiemärkte und
den Rohstoffhandel. Dies beeinflusst auch die Schweiz.
Prof. Dr. Oliver Gassmann: In unserem neuen Energy
Innovation Lab verbinden wir das Forschungsfeld Geschäfts­
modellinnovation mit Ansätzen aus der StakeholderManagement Forschung. Neben der Frage, wie profitable
Geschäftsmodelle für EVUs und andere Player aussehen,
behandeln wir im Forschungsbereich Stakeholder-
Management Fragen, wie energiewirtschaftliche Unter­
nehmen mit Ihren Stakeholdern so gemeinsam Wert schaffen
und ver­teilen können, dass hieraus tragfähige und nachhaltige
Geschäftsmodelle entstehen können. Daraus leiten wir
konkrete Fragestellungen ab: Welche Stakeholder sind für
regionale EVUs besonders relevant für PV-Contracting
Geschäfts­­modelle? Wie starken Einfluss hat die Regulation
oder Bürgerbeteiligungen auf mein Geschäftsmodell und
wie werden diese Interessen umgesetzt?
Prof. Dr. Peter Hettich: Die Energiepolitik beeinflusst
eine ganze Reihe von Rechtsgebieten, die sich auf unter­
schiedlichen Stufen unseres föderalistischen Staatswesens
befinden und denen gesellschaftliche Bedürfnisse zu Grunde
liegen. Es hat sich auf dieser Basis ein System herausge­bildet, in das zurzeit in rascher Folge punktuelle Eingriffe
vorgenommen werden. Unsere Forschung befasst sich mit
so entstanden Inkohärenzen und Rechtsunsicherheiten; oder
auf gut deutsch: Wir befassen uns mit den Folgen hand­
werklich schlecht konzipierter Gesetzgebung.
Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen: Am Lehrstuhl für Manage­
ment erneuerbarer Energien verfolgen wir aktuell drei
Forschungsschwerpunkte. Erstens Investitionen in erneuer­
bare Energien: Wie können sich Investoren an Energie­pro­jekten beteiligen und welche Rolle spielen dabei poli­
tische Risiken? Zweitens Kundenpräferenzen: Was bewegt
Haus­besitzer dazu, sich für den Kauf einer Solaranlage zu
entscheiden? Drittens Geschäftsmodelle: Wie kann ein
Unternehmen mit neuen dezentralen Energietechnologien
und intelligenten Stromnetzen am Markt erfolgreich sein?
Häufig forschen wir dabei interdisziplinär, beispielsweise
in Zusammenarbeit mit Psychologen, Politikwissen­schaftlern
und Ingenieuren.
Welchen Einfluss haben Sie damit auf die Praxis?
Prof. Dr. James W. Davis: Adressaten unserer Forschung
sind vor allem politische Akteure. Die Stadt St. Gallen be­
raten wir zum Beispiel dabei, wie sie ihr Energiekonzept
effektiv im Mehrebenensystem der Schweizer Energiepolitik
umsetzen kann.
Prof. Dr. Oliver Gassmann: Unsere Forschung ver­
knüpfen wir eng mit unseren zahlreichen Praxis-Partnern.
Neben den Sankt Galler Stadtwerken arbeiten wir mit über
zehn Firmen aus der Deutschen und Schweizer Energie­
wirtschaft zusammen , darunter EnBW, BKW und IBM. Zum
Beispiel arbeiten wir an Geschäftsmodellen im Bereich
SmartHome, PV-Eigenverbrauchsanlagen oder an Energie­
effizienzdienstleistungen. Aus den gesammelten Erfahrungen
dieser Praxisprojekte entsteht ein Rahmenwerk für Geschäfts­
modellinnovation im Energiesektor.
verschiedenen Stakeholdern direkt in den Gesetzgebungs­
prozess einzubringen. So wollen wir momentan erreichen,
dass sich Eigenverbraucher nach wie vor angemessen an
den Kosten des Verteilnetzes beteiligen.
Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen: Der Startpunkt relevanter
Forschung ist meist ein Praxisproblem. Darum arbeiten wir
eng mit Unternehmen aus der Energie- und der Finanz­
branche zusammen. Ein gutes Beispiel sind die Sankt Galler
Stadtwerke. Mit einer Eye-Tracking-Studie haben wir die
Grundlagen für die Neugestaltung des Produktsortiments
erarbeitet. Die Stadtwerke haben unsere Empfehlungen
prompt umgesetzt – und konnten damit Mehrerlöse von
vier Millionen Franken pro Jahr erzielen, die sie in den
Ausbau erneuerbarer Energien investieren.
Prof. Dr. Peter Hettich: Unsere Forschung erlaubt
uns beispielsweise die Erstellung eines monatlichen Regu­
lierungsradars, das vor allem kleineren Energieversorgern
die Orientierung in dem ständig ändernden Rechtsrahmen
erlaubt und gewisse «Vorwarnzeiten» schafft. In einzelnen
Bereichen versuchen wir uns in Zusammenarbeit mit
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INSIGHT | Forschungsansatz
Wirtschaft-, sozial- und rechtwissenschaftliche
Forschung für die Energiezukunft
Eine Steigerung der Energieeffizienz und der Ausbau
der erneuerbaren Energien sind die beiden zentralen
Stossrichtungen der Energiezukunft. Mittel- bis langfristig soll der Energiebedarf der Schweiz und der
Stadt St. Gallen ohne Kernenergie gedeckt und der
Verbrauch fossiler Energieträger so weit reduziert
werden, dass er mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Stabilisierung des Klimas vereinbar
ist. Die Kompetenzen der am EGI-HSG beteiligten
Institute können hier entscheidende Erkenntnisse
für Unternehmen, Politik und Zivilgesellschaft
liefern und so einen Beitrag für den Übergang in
eine nachhaltige Energiezukunft leisten.
Energy
Law
Energy
Governance
Energy
Finance
Energy
Innovation
Management
Energy
Consumer
Behaviour
Die Umsetzung der Energiestrategie bietet erstens eine Fülle
von interessanten Forschungsfragen für die Politikwissen­
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schaft. Im Inland gilt es, Meinungsbildungsprozesse in Be­
völkerung und Parlament zu verstehen, welche in einer
direkten Demokratie die conditio sine qua non zur Erreichung
energie­politischer Ziele sind. In einem föderalistischen Sys­
tem sind die Kompetenzen für Energiepolitik zudem auf ver­
schiedenen Ebenen angesiedelt – beispielsweise liegt die
Zuständigkeit für Gebäude im Bereich der Kantone, wäh­
rend die Planung neuer Windkraftwerke Kompetenzen auf
Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene berührt, was zu lan­
gen Bewilligungsverfahren führen kann. Ein weiteres Feld
für politik­wissenschaftliche Analysen ist die Einbettung in einen inter­
nationalen Kontext. Die Energieversorgung der Schweiz ist
heute zu rund 80 % vom Ausland abhängig – allen voran
durch den Import von Öl, Gas und Uran. Umgekehrt wird
die Wirtschaftlichkeit von Wasserkraftwerken entscheidend
durch die Möglichkeit zum grenzüberschreitenden Strom­
handel beeinflusst. Wo liegen in einer globalisierten Welt
nationale und kommunale Handlungsspielräume? Und
unter welchen Bedingungen können internationale Zusam­
menhänge umgekehrt auch eine Positionierungschance für
eine kleine, offene Volkswirtschaft sein, indem beispielsweise
durch eine proaktive Energie-Aussenpolitik Exportchancen
für Hersteller sauberer Technologien eröffnet werden?
Die Energiestrategie lediglich als politische Herausforderung
zu interpretieren, würde jedoch zu kurz greifen. Wie in
anderen Infrastrukturbranchen gibt es im Energiemarkt eine
enge Verknüpfung von Politik und Markt. Diese wirkt in
beide Richtungen – die Politik schafft Rahmenbedingungen
für den Markt, Unternehmen und Verbände gestalten jedoch
auch die Politik mit. Verändern sich die Rahmenbedingungen,
so sind neue Geschäftsmodelle gefragt. Das spüren derzeit
die international tätigen Schweizer Stromversorgungsunter­
nehmen, deren altes Geschäftsmodell nicht mehr tragfähig
ist. Hier setzt die Forschung im Bereich Technologie- und
Innovationsmanagement an. Wie gelingt es Unternehmen,
unter Einbeziehung ihrer Anspruchsgruppen, neue, inno­
vative Geschäftsmodelle zu entwickeln? Welche Rolle spielt
dabei die Überwindung von Pfadabhängigkeiten? Und
welche Erkenntnisse lassen sich aus branchenübergreifenden
Vergleichen für die erfolgreiche Bewältigung des Wandels im
Energiemarkt ableiten? Ein besonders spannendes Feld für
Geschäftsmodellinnovationen liegt dabei in der Kombination
von dezentralen erneuerbaren Energien (z.B. Photovoltaik),
Informations- und Kommunikationstechnologien – Stichwort
Smart Grid.
Um mit neuen Geschäftsmodellen erfolgreich zu sein,
müssen Unternehmen am Ende des Tages einen Mehrwert
für ihre Kunden schaffen. Die Analyse von veränderten
Kunden­bedürfnissen und Konsumentenverhalten ist darum
ein weiterer, wichtiger Baustein in der EGI-Forschungs­
agenda. Wie treffen Hausbesitzer energierelevante Kauf­
entscheidungen, und wie können diese Entscheidungen mit
Hilfe neuester verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse
besser erklärt werden? Was bewegt Stromkunden dazu, sich
für ökologische Stromprodukte zu entscheiden, und welche
Rolle spielen dabei Faktoren wie das Standardangebot ihres
Anbieters oder der Ort der Stromproduktion? Und wer kauft
in der Schweiz Solaranlagen und aus welcher Motivation
heraus? Neben solchen Fragen ist die Analyse des Kon­
sumentenverhaltens auch eine entscheidende Grundlage für
das Erreichen der ambitionierten Ziele im Bereich des Energie­
Eine weitere Komponente für die Umsetzung der Energie­
strategie ist das Thema Finanzierung. Das Aufkommen
dezentraler erneuerbarer Energien hat in anderen Ländern
die Investorenlandschaft verändert. Neben klassischen
Akteuren aus der Energiewirtschaft sind beispielsweise in
Deutschland, Frankreich und Italien auch institutionelle
Investoren (z.B. Pensionskassen, Versicherungen), Landwirte
und private Hausbesitzer zu wesentlichen Kapitalgebern für
Energie-Infrastruktur geworden. Diese Akteure unterscheiden
sich bezüglich ihrer Risiko-Rendite-Erwartungen. Ihre Ent­
scheidungsprozesse zu analysieren kann für die Politik
wichtige Grundlagen liefern. Das Forschungsgebiet Energy
Finance beschäftigt sich aber nicht nur mit dem Aufbau
von Infrastruktur, sondern auch mit deren Bewirtschaftung.
Hier hat das Aufkommen fluktuierender erneuerbarer En­
ergien wie Wind- und Solarstrom zu fundamentalen Ver­
änderungen im Stromhandel geführt. Die grössere Volatilität
in der Stromproduktion steigert den Wert guter Prognosen.
Neue Algorithmen für den Intraday-Handel können zu einer
effizienteren Allokation führen und so die gesamtwirtschaft­
lichen Kosten einer Energieversorgung durch hohen Anteil
erneuerbarer Energien senken.
Last but not least ist die Umsetzung der Energiestrategie in
rechtliche Rahmenbedingungen eingebettet. Das Energie­
recht kann dabei Fortschritte sowohl verhindern als auch
ermöglichen. Unter dem Leitgedanken Law as Enabler kann
ITAT
verbrauchs. Wie kann durch geeignete Anreize die Energie­
effizienz gesteigert werden? Und welche Rolle kann der
Suffizienz zukommen – also neuen Wegen der Bedürfnis­
befriedigung mit weniger Material- und Energieeinsatz?
juristische Forschung dazu beitragen, den Wandel im Energie­
markt rechtlich abzusichern und tragfähige Lösungen für die
teilweise gegensätzlichen Interessen der beteiligten Akteure
zu identifzieren. Ein Beispiel ist das Thema Smart Meter –
hier gilt es, zwischen den Zielen einer möglichst transparenten
Bereitstellung von relevanten Daten für die Steigerung der
Energieeffizienz und dem Anrecht der Kunden auf Wahrung
ihrer Privatsphäre abzuwägen. Analoges gilt für die Planung
von Windkraftwerken, die oft im Spannungsfeld von Energie­
produktion und Landschaftsschutz steht. Partizipative
Planungsverfahren und eine Koordination der beteiligten
Instanzen (Guichet Unique) können hier helfen, Investitions­
risiken zu senken. Rechtliche Fragen stellen sich auch bei der
Implementierung von Solaranlagen auf öffentlichen und pri­
vaten Gebäuden, sowie im Zusammenhang mit neuen Preis­
modellen für die Netznutzung dezentraler Stromproduzenten.
Durch die Einrichtung von fünf Assistenzprofessuren in den
genannten Bereichen, den vermehrten interdisziplinären
Austausch zwischen langjährig etablierten Forschungs­
gruppen und die Betreuung einer Vielzahl von Abschluss­
arbeiten von Studierenden und Weiterbildungsteilnehmenden
hat das EGI-HSG die kritische Masse, um die Umsetzung der
Energiestrategie umfassend mit wirtschafts-, sozial- und
rechtswissenschaftlicher Kompetenz zu flankieren. Die tra­
ditionell enge Verzahnung mit der Praxis führt dabei zu
einem zeitnahen Transfer der gewonnenen Erkenntnisse,
trägt aber umgekehrt auch durch die Identifikation rele­
vanter Forschungsfragen zur Stärkung der akademischen
Kernkompetenz der Universität St. Gallen in einem gesell­
schaftlich relevanten Themenbereich bei.
Prof. Dr. Maya Jegen
Director of Graduate
Studies at the Political
Science Department of
the Université du
Québec à Montréal
«Die Energiewende ist nicht nur eine technologische, sondern
auch eine wir tschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung.
Das EGI bündelt die langjährige und vielfältige Kompetenz der
HSG im Bereich Energieforschung. Es war für mich als Gast­
professorin inspirierend, in diese interdisziplinäre Atmosphäre
einzutauchen und zu sehen, wie nicht nur Unternehmen und
öffentliche Verwaltung, sondern auch die Studenten als Entscheidungsträger von morgen von diesem wir tschafts-, politik- und
rechtswissenschaftlichen Forschungsprogramm profitieren.»
Prof. Dr. Sara C. Bronin
University of Connecticut School of Law, Professor of Law (tenured)
& Faculty Director of
the Center for Energy
& Environmental Law
«I am ver y much looking forward to my term as a visiting
professor at the EGI-HSG in spring 2016! It will be a great
oppor tunity to collaborate with international leaders in
clean energy research.»
TEAM | International vernetzt
Was hat Sie motiviert, an die Universität
St. Gallen zu kommen?
Anna Ebers: Die Hauptmotivation für die Fortsetzung
meiner Studien am Institut für Wirtschaft und Ökologie der
HSG, war die hervorragende Reputation des IWÖ im Bereich
Erneuerbare Energien. Ich habe viele der Publikationen aus
dem IWÖ gelesen und wusste, dass ich die Chance nutzen
würde, am IWÖ zu forschen, sollte sich die Möglichkeit er­
geben. Hinzu kommt, dass ich St. Gallen schon vorher kannte
und schätzte. Die Stadt, das Kommitment der HSG zu ihren
Studierenden und die herausragende Kompetenz im Bereich
Erneuerbare Energie haben mir den Umzug über den
Atlantik leicht gemacht.
Dr. Anna Ebers ist seit 2014 PostDoc
am Insitut für Wir tschaft und Ökologie. Sie verfügt über einen Bachelor der Universität Tar tu in
Estland, einen Master der Universität Konstanz
und einen PhD der State University of New York.
Dr. Jörn Richert ist ab 1.8.2015 Assistenzpro­
fessor für Energy Governance. Zuvor arbeitete er
unter anderem als Mercator-IPC Fellow am Istanbul
Policy Center in der Türkei und im Dezernat
Zukunftsanalyse der Bundeswehr sowie bei der
Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.
Stefanie Lena Hille: Die HSG als international ausge­
richtete Institution bietet ideale Rahmenbedingungen, damit
junge Forschende wie ich exzellente Forschung betreiben
können, und das alles an einem der schönsten Flecken der
Erde. Die HSG steht für eine Kultur der frühen Selbststän­
digkeit und Eigenverantwortung, was mir die Möglichkeit
gegeben hat, mein Forschungs- und Lehrprofil im Bereich
Verbraucherverhalten und nachhaltiger Konsum eigen­ständig auszubauen. Die Entwicklung eigener Ideen und die
Möglichkeit, mit international anerkannten Top-Forschern zu
arbeiten, waren die Triebfedern für die Entscheidung, meine
akademische Karriere in der Schweiz fortzusetzen.
Prof. Dr. Stefanie Lena Hille ist seit 2014
Assistenzprofessorin für Energy Consumer Be­
haviour. Zuvor arbeitete sie als Projekt­leiterin für
nachhaltige Mobilität beim Dachverband der
europäischen Konsumentenorganisationen
(BEUC) in Brüssel.
Dr. Andrea Tabi PostDoc am Insitut für
Wir tschaft und Ökologie. Sie hat an der Cor vinus
Universität in Budapest in Wir tschaftswissen­
schaften promovier t. Aufgrund ihres Zweitstudiums
in Biologie ist sie fasziniert von der Schnitt­stelle
zwischen Sozial- und Naturwissenschaften.
Jörn Richert: St. Gallen bietet die Möglichkeit, in einem
sehr dynamischen und professionellen Umfeld zu forschen
und die interdisziplinär angelegte Energieforschung bietet
viele spannende Kooperationsmöglichkeiten. In meinen
ersten Wochen hat mich darüber hinaus besonders der
­Unternehmergeist vieler Forschender beeindruckt. Gereizt
Von New York über Brüssel bis nach Istanbul: Die Forscher am EGI-HSG verfügen über weitreichende,
internationale Erfahrung – davon profitiert auch die Schweiz. Ein Interview mit vier beteiligten Forschenden.
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hat mich auch die Tatsache, dass die Forschung im Rahmen
des SCCER CREST Projektes in enger Verbindung mit
tatsächlichen politischen Prozessen der Schweizer Energie­
strategie steht.
Andrea Tabi: Ich hatte das Vergnügen, schon als Dok­
torandin für einen kurzen Forschungsaufenthalt nach
St. Gallen zu kommen. Die internationale und offene Atmo­
sphäre hat mich schon da begeistert. Darum bin ich später
als Sciex-CRUS Stipendiatin zurückgekehrt, um eine Studie
zum Thema «Soziale Akzeptanz von Erneuerbaren Energien»
durch­zuführen. Später habe ich mich dann auf eine PostDocStelle am EGI beworben.
Woran forschen Sie im Rahmen von EGI-HSG?
Anna Ebers: Meine Forschung fokussiert auf verschiedene
Aspekte des Investoren-Verhaltens. Zum Beispiel untersuche
ich, wie die regulatorischen Rahmenbedingungen Investitions­entscheide in Erneuerbare Energien beeinflussen. Unter an­
derem schaue ich mir sogenannte «soft cost» an, beispiels­
weise die Bewilligungspraxis von grossen Windkraft-­­
Projekten in der Schweiz.
Stefanie Lena Hille: Meine Forschung untersucht unter
anderem den Energiekonsum von Privatpersonen. Dies­be­züglich bin ich in eine Vielzahl von Forschungsprojekten
ein­gebunden. Zum Beispiel untersuchen wir im SNF-Projekt
«ACTIVE INTERFACE» nicht-tech­nische Barrieren von ge­
bäudeintegrierter Photovoltaik (BIPV). Wieso verbreitet sich
diese Technik so langsam, wie kann man diesen Prozess
beschleunigen? Ebenso begleite ich derzeit mehrere For­
schungsprojekte im Bereich nachhaltiger Mobilität.
Jörn Richert: Ich untersuche, wie globale Entwicklungen
und die Schweizer Energiepolitik zusammenhängen. Erstens
werde ich mich mit der Frage beschäftigen, welchen Einfluss
Aussagen über die Energie-Zukunft auf politische Entschei­
dungen haben und wie Entscheidungsträger mit solchen
Aussagen umgehen sollten. Zweitens beschäftige ich mich
mit der Frage, wie in einer immer komplexeren Welt mit
immer mehr nichtstaatlichen Akteuren «EnergiewendeAussenpolitik» erfolgreich gestaltet werden kann.
Andrea Tabi: Ich beschäftige mich mit der sozialen
Akzeptanz von erneuerbaren Energien. Welchen Effekt
haben Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Anspruchs­
gruppen und verschiedenen Technologien auf den Trans­
formationspfad von regionalen Energiesystemen? Was
beeinflusst die soziale Akzeptanz von verschiedenen
Energieformen? Dazu nutzen wir Erkenntnisse der Umwelt­
ökonomie und der Politikwissenschaften.
Was kann die Schweiz von Ihren internationalen
Erfahrungen lernen?
Anna Ebers: Die USA haben wahrscheinlich die kom­pe­titivste und zugleich offenste Kultur, die ich je erlebt habe
– und ich habe zuvor doch immerhin in fünf unterschied­
lichen Ländern gelebt. Die Schweiz teilt meiner Ansicht nach
viele kulturelle Gemeinsamkeiten mit den USA. Ich hoffe, ich
kann meine internationalen Erfahrungen in meine Forschung
in der Schweiz einbringen, so zum Beispiel neue, in den USA
entwickelte Ansätze zur Regulierungsanalyse.
Gesundheit und Verbraucher der Europäischen Kommission,
im Büro eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments
und als Projektleiterin für Nachhaltigen Transport bei der
europäischen Verbraucherorganisation BEUC sammeln durfte,
haben mir erlaubt, ein fundiertes Verständnis des Gesetz­
gebungsprozesses zu entwickeln. Das hilft mir zu verstehen,
welche Entscheidungsgrundlagen Behörden und Politiker
zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende benötigen.
Jörn Richert: Bei der Beschäftigung mit globalen Entwick­
lungen fällt der Blick notwendiger weise auf andere Länder.
Über die Jahre habe ich Erfahrungen zur Energie- und
Klimapolitik in Europa, den USA und der Türkei gesammelt.
Politik funktioniert von Land zu Land unterschiedlich und
oft weicht schon die Problemwahrnehmung stark von­
einander ab. Meine vorherige Arbeit hat die Sensibilität für
solche Unterschiede erhöht. Nur wenn diese Unterschiede
beachtet werden, kann eine Analyse des internationalen
Kontexts der Schweizer Bemühungen in der Energiepolitik
gelingen.
Andrea Tabi: Der Vergleich der sozialen Akzeptanz von
erneuerbaren Energien in Ungarn und der Schweiz lässt
interessante Rückschlüsse für die Politik zu: Wie kann die
Bevölkerung am besten in die Energiewende miteinbezogen
werden? Welche Bedenken sind auszuräumen? Ich glaube
hier kann ich mit einem «Blick von Aussen» einen Beitrag für
die Umsetzung der Energiestrategie in der Schweiz leisten.
Stefanie Lena Hille: Meine Erfahrungen, welche ich
während meiner «Brüssler Zeit» in der Generaldirektion
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TEAM | National verankert
Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt?
Livia Camenisch: Meine Forschung fokussiert vor allem
auf Fragen des Wirtschaftsverwaltungsrechts.
Michael Gratwohl: Risiken am Strommarkt. Manche davon
sind vielen Betroffenen nicht einmal bewusst und oft geht
man sie ohne genügend Reserven ein. Die Charakteristik
dieser Risiken wollen wir verstehen und Wege finden, sie zu
vernünftigen Kosten zu bändigen oder zumindest optimal
zu verteilen.
Naomi Häfner: Wir forschen im Energy Innovation Lab
vor allem zu den Themen Geschäftsmodellinnovation und
Stakeholder-Management. Ein besonderer Fokus unserer
diesbezüglichen Arbeit liegt natürlich auf dem Energiesektor.
Simone Walther: Wirtschaftsverwaltungsrecht, insbe­
sondere die rechtliche Regulierung von netzgebundenen
Infrastrukturen.
Ob Basel, Aargau oder St. Gallen – das EGI-HSG ist ein Sprungbrett für Schweizer Nachwuchsforscher aus
allen Landesteilen. Ein Interview mit vier beteiligten Forschern.
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Livia Camenisch ist in Freienstein aufge­
wachsen und nach Praktika in Anwaltskanzleien
nun als wissenschaftliche Assistentin am EGIHSG tätig.
Naomi Häfner ist Doktorandin am Lehrstuhl
für Innovationsmanagement. Zuvor studier te
sie an der HSG und am Middlebury College
(Vermont, USA).
Prof. Dr. Michael Gratwohl stammt
aus Basel und arbeitet heute am Institut für
Operations R
­ esearch und Computational Finance
an der Universität St. Gallen. Im Rahmen von
EGI-HSG wurde er zum Assistenzprofessor für
Energy Finance gewählt.
Prof. Dr. Simone Walther ist im Aargau
aufge­wachsen und heute Assistenzprofessorin für
Energierecht im Team von Prof. Dr. Peter Hettich.
Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste
Herausforderung in Bezug auf die Energiewende
in der Schweiz?
Livia Camenisch: Die Bewältigung der Energiewende
verlangt nicht nur technisches, wirtschaftliches und juristi­
sches Fachwissen sondern deren Verknüpfung und Aus­
tausch untereinander. Nur gemeinsam und in einem inter­disziplinären Umfeld sind Herausforderungen wie der
Ausstieg aus der Atomenergie und der damit verbundene
Ausbau der erneuerbaren Energien zu bewältigen. Diese
Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche sowie der
Austausch entsprechenden Fachwissens erachte ich als eine
der grössten, sich stellenden Herausforderungen im Rahmen
der Energiewende.
Naomi Häfner: Die schweizerischen Energieversorgungs­
unternehmen sehen sich seit kurzer Zeit mit erhöhter Un­
sicherheit konfrontiert. Viele Unternehmen haben Mühe die
neuen Opportunitäten am Markt, die mit dieser Unsicherheit
einhergehen, mit ihren bestehenden Tätigkeiten in Einklang
zu bringen. Eine der wichtigsten Herausforderungen wird es
wohl sein, dass diese Unternehmen es lernen, sich in diesem
Umfeld nachhaltig neu zu positionieren.
Simone Walther: Die Energiewende basiert auf der An­
nahme eines gesellschaftlichen Wertewandels hinsichtlich
der kurz- und langfristigen Kosten und Risiken der Energie­
erzeugung. Da ein solches Vorhaben grundsätzliche und
langfristige (Um-)Verteilungseffekte mit sich bringt und
bestehende Rechtspositionen erheblich verändert, ist aus
staatsrechtlicher Sicht eine genügende demokratische Legi­
timation unabdingbar. In Anbetracht der Tragweite der
Energiewende ist eine Verfassungsänderung erforderlich,
welche in der Schweiz der Zustimmung von Volk und
Ständen bedarf.
3. Wie leisten Sie hier einen Beitrag?
Livia Camenisch: Ich befasse mich mit den öffentlich-­
rechtlichen Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien.
Zum Beispiel mit der Abklärung, unter welchen Voraus­
setzungen und in welchem Verfahren ein Gemeinwesen
öffentliche Dachflächen Privaten zur Bebauung mit
ITAT
Michael Gratwohl: Aktuelle und verlässliche Information.
Damit können alle Interessierten bestmöglich ihre eigene
Meinung bilden und fortlaufend überprüfen. Auch wenn
Unsicherheiten bleiben, basieren so die Entscheide von
Politik und individuellem Konsum zumindest auf reali­stischen
Einschätzungen.
Photovoltaik-Anlagen zur Verfügung stellen kann. Zudem
arbeite ich an wissenschaftlichen Gutachten zu energierecht­
lichen Fragestellungen mit und beteilige mich am wissen­
schaft­lichen Austausch bei Gemeinschaftsprojekten der EGIInstitute mit der Stadt St. Gallen.
Michael Gratwohl: Wissen allein schafft schon Mehr­wert. Wir zeigen Effizienzsteigerungen im Alltag auf und
ent­wickeln Szenarien und Massnahmen für Ausnahme­
situationen. Dadurch können Politik und Wirtschaft neu
erkannte Risiken besser meiden und manche altbekannte
dank unserer Absicherung leichter tragen.
Naomi Häfner: Unsere Forschungsschwerpunkte Geschäfts­
modellinnovation und Stakeholder-Management sind hier
direkt anschlussfähig. In Arbeitskreisen und Bilateral­
projekten arbeiten wir mit Firmen aus der Energiewirtschaft
zusammen, damit sie ihre Innovationsfähigkeit und Posi­
tionierung am Markt zukünftig stärken können. So arbeiten
wir zum Beispiel aktiv mit den St. Galler Stadtwerken, der
EnBW, IBM und BKW zusammen.
Prof. Dr. Sebastian Heselhaus
Universität Luzern, Ordinarius für Europarecht,
­Völkerrecht, Öffentliches Recht und Rechtsver­
gleichung
«Das SCCER CREST hat die Grundlage für eine fruchtbare
interuniversitäre Zusammenarbeit zwischen St. Gallen und
Luzern gelegt, die in dieser Effizienz und Fokussierung sonst
nur schwer zu realisieren gewesen wäre. Ich bin sehr glücklich
über die bereits erreichten Ergebnisse und sehe der weiteren
gemeinsamen Forschungsarbeit mit Freude entgegen.»
Simone Walther: Ich beteilige mich aktiv an der Erarbei­
tung von wissenschaftlich fundierten Entscheidungsgrund­
lagen für Wirtschaft und Politik zu verschiedenen regu­lierungs­rechtlichen Themen. Um nur ein paar Beispiele zu
nennen: Netzkostenanlastung bei zunehmendem Eigen­
verbrauch, Rechtsfragen im Zusammenhang mit Solar­an­lagen auf öffentlichen Dachflächen, rechtliche Risiken für
die Schweizerische Energieversorgungssicherheit oder
die Erstellung eines monatlichen Regulierungsradars.
13
IMPACT | Praxispartner
interdiszi­plinären Grundlagenforschung in den verschiede­
nen Be­reichen der Sozialwissenschaft ist die Stadt St. Gallen
vor allem an anwendungs- und ergebnisorientierten Resulta­
ten der Forschung und entsprechenden Impulsen für die
Praxis, Lehre und die Weiterbildung interessiert.
Fredy Brunner, Stadtrat St.Gallen
Enge Zusammenarbeit EGI-HSG
mit der Stadt St.Gallen.
Die Stadt St. Gallen folgt in ihrer Energiepolitik
seit dem Jahr 2006 der Leitlinie des städtischen
«Energiekonzepts 2050». Dessen erfolgreiche
Umsetzung ist nicht nur von neuen Technologien,
sondern zunehmend auch von gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Faktoren abhängig. Hier setzt
unsere Kooperation mit dem neu gegründeten
«Center for Energy Innovation, Governance and
Investment (EGI-HSG)» an.
Zusammen mit dem neuen Kompetenzzentrum wollen wir
innovative Lösungen für die Herausforderungen der Energie­
zukunft entwickeln. Wie können wir mit der lokalen Energie­
politik die richtigen Rahmenbedingungen setzen? Wie
werden die Sankt Galler Stadtwerke künftig in einem
anspruchs­vollen Umfeld profitabel wirtschaften? Und wie
verändern sich die Bedürfnisse unserer Kunden? Neben der
14
Wir freuen uns daher sehr, bei der Umsetzung des Energie­
konzeptes der Stadt St. Gallen auf die Unterstützung von
fünf Instituten der Universität St. Gallen zählen zu können.
Der Aufbau eines interdisziplinäres Kompetenzzentrums aus
Management, Finanzierung, Politikwissenschaft und Recht
passt ausgezeichnet zu den Zielen der Stadt. Zudem kann
die Stadt St. Gallen mit der Zusammenarbeit auch den Ruf
der Universität als global anerkannter Denkplatz weiter ver­
stärken. Und nicht zuletzt fliesst auch ein Teil der von der
Kommission für Technologie und Innovation (KTI) ausge­
richteten Gelder an die HSG - und damit in die Ostschweiz.
Dank des zukunftsweisenden Einsatzes der Stadt St. Gallen
im Rahmen des Energiekonzeptes 2050 und der guten Zu­
sammenarbeit mit dem «EGI-HSG», der Energieagentur
St. Gallen, der EMPA und den OLMA Kongressen sind unter
anderem die Energie-Tage St.Gallen entstanden, welche
wichtige Impulse für die Region, die Schweiz und das nahe
Ausland geben und diesen Frühling zum fünften Mal
Kapazitäten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Praxis
zusammenführen werden.
Wir ziehen nach einem Jahr der Annäherung zwischen
«EGI-HSG» und Stadt St. Gallen eine positive Bilanz und
hoffen, dass wir in Zukunft die Zusammenarbeit mit der
Universität weiter vertiefen können. Wir freuen uns auf
spannende und umsetzbare Forschungsresultate!
ITAT
Prof. Dr. Maximilan Palmié
Assistenzprofessor für Energie- und Innovations­
management (ITEM-HSG)
«Die Kooperation mit Praxispar tnern aus dem Energiesektor
in Arbeitskreisen und Bilateralprojekten ist für unsere Forschung
essentiell. Duch die Zusammenarbeit verstehen wir die Pro­
bleme und Herausforderungen besser, mit denen Unter­
nehmen wie z.B. die St. Galler Stadtwerke täglich konfrontier t
sind, und können unsere Forschung entsprechend ausrichten.
Die Erkenntnisse, die wir aus unseren Forschungsaktivitäten
gewinnen, können wir dann an die Praxis zurückspielen.
So befruchten sich Praxis und Forschung gegenseitig.»
IMPACT | Interdisziplinäre Forschung
Forschung mit Einfluss:
Das Beispiel «Mentale Buchführung»
Die Forschenden am EGI-HSG untersuchen eine
Vielzahl unterschiedlicher Phänomene. Ein Beispiel
ist die sogenannte «Mentale Buchführung» – wie
wirkt sich die Tatsache, dass Menschen bestimmte
Entscheid­ungs­bereiche oftmals mentalen Konten
zuordnen auf Energieinvestitionen und -verbrauch
aus? Stefanie Hille von der Universität St. Gallen und
Tobias Brosch von der Universität Genf haben sich
dieser spannenden Frage angenommen.
Stefanie Lena Hille
ist seit 2014 Assistenz­p ro­
fessorin für Energy Consumer
Behaviour. Frau Hille hat den
Co-Lead WP 2 im SCCER
CREST, welches das Kon­
sumentenverhalten erforscht.
Tobias Brosch ist Professor
für Psychologie an der Uni­
versität Genf, wo er seit
Februar 2015 das Consumer
Decision and Sustainable Behavior Lab leitet. Davor war er als
wissenschaftlicher Mitarbeiter
an der Universität Genf sowie
der New York University tätig.
16
Sie untersuchen «Mentale Buchführung».
Was versteht man darunter?
Stefanie Hille: Ein Franken ist ein Franken, sollte man
­meinen. Jedoch hat eine Vielzahl an Studien gezeigt, dass
Geld für die meisten von uns eben nicht immer den gleichen
subjektiven Wert hat. Mit dem Geld, das man vom spar­
samen Verwandten vererbt bekommen hat, wird oftmals
ganz anders umgegangen als mit dem Geld, welches wir im
Job hart erarbeitet haben. Geld, das wir im Lotto gewinnen,
verbuchen wir beispielsweise auf dem Konto «Glücksfälle
des Lebens» und geben es oftmals mit vollen Händen aus.
Wir sprechen in der Wissenschaft dabei von einer sogenannten
mentalen Buchführung (engl. Mental Accounting), da wir
Menschen dazu tendieren, Ausgaben in unterschiedliche
Kategorien zu buchen. Dadurch erhalten gleiche finanzielle
Aufwendungen subjektiv ein unterschiedliches Gewicht,
was oftmals zu irrationalen Entscheidungen führen kann.
Wie zeigt sich «Mentale Buchhaltung» in der Praxis?
Stefanie Hille: Beispielsweise zahlen viele Leute oftmals
auf dem Girokonto hohe Überziehungszinsen, während auf
dem Sparkonto fürs Alter noch Geld liegen würde, welches
gleichzeitig noch niedrig verzinst wird. Oder denken Sie
daran, wie viele Menschen für die Anschaffung und Unterhalt
des Autos monatlich enorm viel Geld in die Hand nehmen,
obwohl die Benutzung eines Taxis bei wenigen gefahrenen
Kilometer im Monat objektiv gesehen günstiger kommen
würde. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Kosten für eine
Taxifahrt mental mit dem Zweck der Fahrt wie beispielsweise
Einkaufen oder ein Besuch bei Freunden verrechnet wird,
wodurch diese Ereignisse teurer werden. Die monatlichen
Kosten für den Autobesitz hingegen werden unter die Rubrik
Auto verbucht und belasten die anderen Kategorien nicht.
Weshalb ist dieses Konzept für die Umsetzung
Energiewende in der Schweiz von Bedeutung?
Tobias Brosch: In unserem Projekt wollen wir unter
­anderem untersuchen, inwiefern solche Mechanismen der
mentalen Buchführung auch für energierelevante Entschei­
dungen angewandt werden können. Beispielsweise haben
Studien in dem Bereich der mentalen Buchführung gezeigt,
dass Verbraucher sehr viel Wert auf die relative Höhe der
möglichen Einsparung bei dem Kauf eines Produktes legen.
Wenn beispielsweise 5 Franken eingespart werden können,
wird der mögliche Gewinn als viel größer wahr­genommen,
wenn der ursprüngliche Kaufpreis bei 15 anstatt bei 150
Franken liegt. Solche Erkenntnisse wollen wir auf den Energie­
sektor anwenden, indem beispielsweise getestet wird, ob die
Angabe der monetären Einsparung bei EnergieeffizienzMaßnahmen anstelle von absoluten Werten relativ im Ver­
hältnis zu den aktuellen Energiekosten zu einer ­anderen
Wahrnehmung von Seiten der Verbraucher führt. Im Laufe
des dreijährigen Projektes ist geplant, dass wir eine Vielzahl
unterschiedlicher Experimente durchführen.
Stefanie Hille: Darüber hinaus wollen wir mit Hilfe ex­
perimenteller Studien untersuchen, ob die Mechanismen der
mentalen Buchführung auch auf nicht-finanzielle Trans­
aktionen übertragbar sind. Wir untersuchen, ob Menschen in
ihrem Umweltverhalten eine Art moralischen Ablasshandel
betreiben. Studien zeigen, dass, wenn etwas Gutes für die
Umwelt getan wird, dies zu möglichen Fehltritten in anderen
Bereichen führt. Demnach gibt es in unserem Kopf ein
«moralisches Konto», auf welches umweltfreundliches Ver­
halten eingezahlt und umweltschädliches Verhalten wieder
abgebucht werden kann. So lange auf dem Konto ein Plus
befindet, hält sich das schlechte Gewissen auch in Grenzen.
Mit welchen Forschungsmethoden
planen Sie zu arbeiten?
Tobias Brosch: Wir werden hauptsächlich Entscheidungs­
experimente im Internet durchführen. Zusätzlich planen wir
einige Laborexperimente im Brain and Behaviour Laboratory
der Universität Genf. Dieses interdisziplinäre Labor wird
gemeinsam vom Schweizer Zentrum für Affektive Wissen­
schaften (CISA) und dem Genfer Zentrum für Neurowissen­
schaften (CIN) betrieben. Hier stehen uns unter anderem ein
virtuelles Realitätslabor, ein Magnetresonanztomograph und
eine Vielzahl anderer psychophysiologischer und neuro­
wissenschaftlicher Messmethoden zur Verfügung, welche
wir je nach Projektverlauf einsetzen können.
Welchen Impact erhoffen Sie durch
Ihre Resultate auf die Praxis?
Tobias Brosch: Generell sollen unsere Erkenntnisse aus
dem Projekt der Politik und Wirtschaft dabei helfen,
Em­pfehlungen für die Konzeption und Umsetzung ausge­
wählter Maßnahmen der Energiestrategie 2050 des Bundes
abzuleiten, um deren Akzeptanz, Umsetzung und Wirk­
samkeit zu verbessern. Programme zur Förderung von
energieeffizienten Verhalten umfassten in der Vergangenheit
oftmals Gebote oder Verbote. Darüber hinaus existieren eine
Vielzahl an ökonomischen Anreizen, wie beispielsweise
Subventionen. Wir wollen diese Ansätze mit neuen For­
schungserkenntnissen aus dem Bereich der Sozial- und
­Umweltpsychologie sowie dem Sozialmarketing ergänzen,
um so deren Wirkung noch zu erhöhen. So soll unsere For­
schung beispielsweise Energieunternehmen helfen, ihre
Dienstleistungen im Bereich Energieeffizienz besser zu
vermarkten.
Welche weiteren Implikationen
könnte Ihre Forschung haben?
Stefanie Hille: Es wäre fatal, wenn Leute sich in einem
Teilbereich engagieren, dies dann aber gleichzeitig als Lizenz
nutzen würden, welche ein umweltschädliches Verhalten in
einem anderen Bereich legitimieren würde. Als Beispiel:
Nur weil der Konsument seinen Wochen Einkauf im Stoffstatt im Plastiksack nach Hause trägt, kompensiert das noch
lange nicht einen Flug nach New York. Falls dieser mora­
lische Ablasshandel ein weitverbreitetes Phänomen ist,
müssen Interventionen von Seiten der Politik, Umwelt­
organisationen oder aus der Wirtschaft kritisch hinterfragt
werden. Beispielsweise gehen die Kampagnen, welche
propagieren, dass «jede gute Tat zählt» mitunter langfristig
nach hinten los, wenn dadurch der «Moral Licensing» Effekt
gefördert wird.
Wissenschaften» und des interfakultären Zentrums für
affektive Wissenschaften an der Universität Genf und
Prof. Martin Patel, Leiter der Energieeffizienz-Gruppe der
Universität Genf. Prof. Rolf Wüstenhagen, Direktor des
In­stituts für Wirtschaft und Ökologie und Leiter des GoodEnergies-Lehrstuhls für Management Erneuerbarer Energien,
wird ebenso inhaltlich und beratend von Seiten der Uni­
versität St. Gallen in das Projekt involviert sein. Wir freuen
uns sehr, dass die gemeinsame Zusammenarbeit zustande
gekommen ist. Ich bin mir sicher, dass durch die sukzessiv
wachsende, universitätsübergreifende Vernetzung alle be­
teiligten Wissenschaftler stark profitieren werden.
Herr Brosch, Sie leiten das Projekt von Seiten der
Universität Genf. Wie teilen Sie sich die Arbeit mit
den Forschungskollegen in St. Gallen auf?
Tobias Brosch: Diese Forschungskooperation kam im Zuge
der Neugründung des schweizerischen Energie-Kompetenz­
zentrums (SCCER CREST) im «Aktionsfeld Ökonomie,
Umwelt, Recht, Verhalten» zustande. Insgesamt sind sechs
Forschende an dem Projekt beteiligt. Gilles Chatelain, welcher
seine Doktorarbeit über das Thema Mental Accounting
schreibt, wird gemeinsam mit mir federführend dieses Pro­
jekt begleiten. Frau Hille wird ebenso massgeblich bei der
Konzeption und Durchführung der Studien beteiligt sein
und wird über die nächsten drei Jahre mehrere Forschungs­
aufenthalte in Genf dazu einplanen. Ebenso mit an Bord von
Seiten der Universität Genf sind Prof. David Sander, Leiter
des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NFS) «Affektive
17
PROJEKTE | IWÖ-HSG
Soziale Akzeptanz erneuerbarer Energien
und Investorenverhalten
Die Umsetzung der Energiestrategien von Bund und
Stadt bedingt eine verstärkte Energieproduktion aus
erneuerbaren Energien. Entscheidende Erfolgsfak­
toren sind dabei die Akzeptanz von Investoren und
Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund untersucht
das Institut für Wirtschaft und Ökologie (IWÖ-HSG)
das Entscheidungsverhalten von Investoren und
erforscht die Einflussfaktoren sozialer Akzeptanz.
Investorenverhalten
Der Ausbau der Produktion von erneuerbaren Energien geht
einher mit einer fundamentalen Änderung der Investoren­
landschaft. In der Vergangenheit wurden Kraftwerke nahezu
ausschliesslich von Energieversorgungsunternehmen (EVU)
finanziert. Das starke Wachstum erneuerbarer Energien,
insbesondere bei den dezentralen Energieträgern Sonne und
Wind, rief jedoch neue Investoren auf den Plan: So wird bei­
spielweise in Deutschland 80 % der Wind- und 95 % der
Solaranlagen nicht durch Energieversorger, sondern durch
private und institutionelle Anleger finanziert: Hauseigen­
tümer, Landwirtschaftsbetriebe, Pensionskassen oder Ver­
sicherungen sind damit wesentliche Treiber der neuen
Energiewelt. Eine Forschungsgruppe am IWÖ-HSG unter­
sucht, was das unterschiedliche Entscheidungsverhalten von
EVU und Nicht-EVU erklärt. So wird beispielsweise der
Frage nachgegangen, wie sich unterschiedliche Rendite­
erwartungen von Finanzinvestoren und Privathaushalten
auf das Investitionsverhalten auswirken. Bei Solar- und
Windenergie-Projekten fällt typischerweise der überwiegende
Teil der Kosten gleich zu Beginn an, während beispielsweise
18
and effective policies, and the lack of understanding of the
roots of public attitudes towards wind power schemes, in
particular the underrating of the crucial significance of
landscape issues in the attitude towards wind power
schemes. Furthermore, questions about the social foundations of renewables in relation to the scale of the
installations and the options for ownership of installations
and of decentralized power supply were raised (McDaniel,
1983; Wolsink, 1987).
Nevertheless, the issue of social acceptance remained
largely neglected in the 1990s, because of a high level of
Gaskraftwerke
hohe Brennstoffkosten
Energie­
general
public support
for renewable aufweisen.
energy technologies.
versorgungsunternehmen
mit
hohen
Kapitalkosten
könnten
However, as the papers in this issue demonstrate in
more
aus diesem
Gaskraftwerke
detail,
there Grund
is moresystematisch
than one aspect
of social gegenüber
acceptance
that
be taken intoerneuerbaren
account. There
are abevorzugen.
number of
denmust
kapitalintensiveren
Energien
features
renewable energy
innovation
bring new
Auch dieofWahrnehmung
von Risiken
durchthat
unterschiedliche
aspects
to und
the deren
debateEinfluss
on social
acceptance.
For one,
Investoren
auf das
Entscheidungsver­
renewable
energy
plants
tend
to
be
smaller-scale
than
halten wird analysiert.
conventional power plants, increasing the number of siting
decisions that need to be taken. In some cases, such as
Soziale Akzeptanz
micro-generation
in residential buildings, the siting deciEin becomes
hoher Anteil
der Bevölkerung
äussert
sich in Meinungs­
sion
in effect
an individual
investment
decision.
umfragen as
positiv
zu erneuerbaren
Energien. Diese
generelle
Secondly,
renewable
energy conversion
tends
to be
Zustimmung by
ist jedoch
nicht gleichbedeutend
mit einer
characterized
lower energy
densities, the relative
visual
impact
(per konkreter
MWh of Ausbauprojekte
output) tends to
be higher.
This is
Akzeptanz
durch
die lokale
partly
reinforced
the factAnspruchsgruppen
that resource extraction
in the
Bevölkerung
undby
weiterer
(z.B. Land­
case
of
fossil
or
nuclear
energy
happens
below
the
earth’s
schaftsschutz). Um die Ziele des Bundesrates für den Aus­
surface (Sieferle, 1982) and is thus invisible for everyday
bau der erneuerbaren Energien zu erreichen, ist die lokale
life of a citizen, while wind turbines and other renewable
Akzeptanz jedoch entscheidend. Ein Team des IWÖ-HSG
plants harness energy in a more visible way. It also means
untersucht,
welche
Faktoren
die Akzeptanz
positiv closer
oder to
that renewable
energy
conversion
tends to happen
negativ
Bisherige
hat Verfahrenswhere
thebeeinflussen.
energy consumer
livesForschung
(the ‘‘backyard’’),
thereby
und Verteilungsgerechtigkeit
wesentliche
Determinanten
increasing
its visibility and als
bringing
the environmental
impact
closerIn einer
to their
residence. Befragung
Thirdly, von
given
the
identifiziert.
repräsentativen
1‘004
ubiquitous
presence
of externalities
inmit
theHilfe
energy
sector,
Schweizerinnen
und Schweizern
wurde
sogenannter
most
renewable energy
technologies
do not
compete
Wahlexperimente
(Choice-Based
Conjoint
Analyse)
die with
re­
incumbent
technologies
on
a
level
playing
field,
thereby
lative Bedeutung dieser Aspekte bei der Akzeptanz von Aus­
making acceptance of them a choice between short-term
bauprojekten der Wasserkraft untersucht. Im Ergebnis zeigt
costs and long-term benefits.
sich,
diepapers
Verteilungsgerechtigkeit
eine wichtige
Rolle
Thedass
set of
on the social acceptance
of renewable
spielt –innovation
wenn der Nutzen
eines
Kraftwerksprojekts
der lo­
energy
presented
in this
issue provides both
new
kalen Bevölkerung zugute kommt und der Projektentwickler
ein Unternehmen aus der Region ist, wirkt sich dies positiv
auf die Akzeptanz aus. Ausländische Projektentwickler
hingegen verringern den wahrgenommenen Nutzen des Pro­
jekts. Desweiteren zeigt sich, dass eine Minimierung der
carbon capture and storage (CCS).
2. Conceptualizing social acceptance
Social acceptance is an often used term in the practical
policy literature, but clear definitions are rarely given. We
intend to contribute to the clarity of understanding by
distinguishing three dimensions of social acceptance,
namely socio-political acceptance, community acceptance
and market acceptance. All three, sometimes interdependent categories of social acceptance are studied in this
ökologischen Auswirkungen eine wichtige Grundvoraus­
special issue (Fig. 1).
setzung für die soziale Akzeptanz erneuerbarer Energien ist.
In
weiterführenden
Forschung sollen diese ersten
2.1.derSocio-political
acceptance
Erkenntnisse nun auch für Windkraftprojekte empirisch ge­
prüft
werden. Daraus
können dann
Handlungsempfehlungen
Socio-political
acceptance
is social
acceptance on the
broadest,
most und
general
level.
Bothwerden.
policies (such as
für
Unternehmen
Politik
abgeleitet
ecological tax-reform, see Energy Policy special issue 2006)
and technologies can be subject to societal acceptance
Socio-political acceptance
• Of technologies and policies
• By the public
• By key stakeholders
• By policy makers
Community acceptance
Market acceptance
• Procedural justice
• Distributional justice
• Trust
• Consumers
• Investors
• Intra-firm
Fig. 1. The triangle of social acceptance of renewable energy innovation.
Quelle: Wüstenhagen, Wolsink, Bürer (2007)
PROJEKTE | ITEM-HSG
Kooperation zwischen Organisationen aus der Energie­
wirtschaft und dem Energy Innovation Lab des
Instituts für Technologiemanagement (ITEM-HSG)
Die Akzeptanz und Finanzierung neuer Geschäftsmodelle,
regulatorische Unsicherheit, komplexe Stakeholderstrukturen
und die geringe Standardisierung bezüglich Design und
Implementierung neuer Geschäftsmodelle sind zentrale Her­
ausforderungen, denen sich die Unternehmen aus der
Energie­wirtschaft angesichts der Energiestrategie 2050 ge­
genübersehen. Um mögliche Lösungen zu diesen Problem­
stellungen zu finden, arbeitet das Energy Innovation Lab mit
Organisationen aus der Energiewirtschaft zusammen (siehe
Abbildung 1). Diese Kooperationen umfassen einerseits
einen multilateralen Arbeitskreis und andererseits Bilateralprojekte. Abbildung 2 veranschaulicht die Schwerpunkte
dieser Kooperationen. Aus der Zusammenarbeit sind einige
neue Geschäftsmodellideen hervorgegangen. Sie beschäftigen
sich häufig mit dem Wandel vom reinen Energieversorger
hin zum Energiedienstleister. Ziel dieser Entwicklung ist es,
die Kunden nicht nur mit Energie zu versorgen, sondern
eine ganzheitliche Problemlösung anzubieten. Beispielsweise
können Unternehmen aus der Energiewirtschaft durch eine
Verzahnung mit Lieferanten und Installateuren den Kunden
neben der Energie für die technischen Geräte zugleich auch
Klassische
Wertkette
Erzeugung
Übertragung
Kraftwerksbetrieb
+
Dezentrale Erzeugung
Neue
Werteversprechen
Verteilung
Konsum
Netzbetrieb
Versorgungssicherheit
Neue Werteversprechen in dezentralen Erzeugungs- und Energiedienstleistungen auf bestehenden
Werteversprechen aufbauen:
Energieberatungsdienstleistungen
Installation & Betrieb und
Finanzierung von EE Anlagen
Energieeffizienz
Dezentrale Speicherung
Tarifflexibilisierung
Verbrauchssteuerung / Demand
Side Management
“Smarte” Geräte und Technologien
Batterien
Einbindung hausinterner
Speicher z.B. Boiler
E-Mobility
Was?
Erhöhung der Wertschöpfungstiefe
durch Überwindung der
dominanten Branchenlogik:
Nutzenversprechen
Orientierung an anderen Branchen
Lernen von Ertragsmechaniken
anderer Industrien
Wer?
Strategische Fenster nutzen
Investitionen auch in neue weniger
profitable Geschäftsfelder zulassen
Erhöhung der Wertschöpfungstiefe
One-Stop-Shopping Lösungen oder
Contracting-Modelle
Lock-in Hebel nutzen
Innovationsfähigkeit:
Ökosysteminnovation
Aufbau
von eigenen Ökosystemen
Strukturen
und Prozesse
zur
nachhaltigen
Ertragsgenerierung
Abb. 1: Partner aus der Energiewirtschaft
Kunden neben dem Basispaket massgeschneiderte Zusatz­
applikationen anzubieten. Eine weitere Idee betrifft ContractingGeschäftsmodelle für Photovoltaikanlagen, die es dem
Kunden ermöglichen, seinen Eigenverbrauch zu optimieren.
Die Unterstützung der Unternehmen bei der Generierung
und Ausarbeitung derartiger Ideen gehört zum Tages­
geschäft des Energy Innovation Labs.
deren Lieferung und Wartung anbieten. Dieses Vorgehen
kann zu einer höheren Kundenbindung und einem Image­
gewinn und damit zu einer starken Marktposition führen.
Eine erste Idee, wie dieses Ziel erreicht werden soll, sieht
vor, verschiedene technische Haushaltsgeräte über eine
zentrale Steuerbox zu bedienen. Diese Möglichkeit bietet den
Kunden mehr Komfort und erlaubt dem Anbieter, seinen
Abb. 2: Kooperationsschwerpunkte
Ertragsmechanik
Warum?
Notwendige Schlüsselkompetenzen
aufbauen oder zukaufen:
Kundenmanagement:
Dialog und Nähe
Analyse und Verständnis
Wertschöpfung
Kundengruppen
Lokale Kundensegmente
nutzen, international skalieren:
Internationale Skalierung
Nutzung der lokalen Bekanntheit
Segmentierung nutzen
Wie?
Technologiekompetenz:
Informationstechnologie
Ausbau Kommunikationstechnologie
Stakeholder Management:
Strategische Partner
Politik und Regulation
Innovationsfähigkeit:
Ökosysteminnovation
Strukturen und Prozesse
19
PROJEKTE | ior/cf-HSG
Algorithmic Intraday Trading
Since the beginning of the so called «energy transition»
(Energiewende) in Germany, the trading amount in the in­
traday market for electricity has grown substantially. As
the infeed from renewable energies is highly volatile and
depends in particular on sunshine and wind intensity, which
are only predictable to some extent, electricity producers
have the need to trade a surplus or deficit of electrical power
at the intraday market to meet their delivery obligations
exactly. Other important market participants are transition
system operators that are obliged by law to market electricity
from renewable sources.
From the perspective of a market participant (e.g., electricity
producers, utilities, traders, transmission system operators),
the monitoring over 150 tradable products (up to 32 hour
and 124 quarter hour contracts plus available block con­
tracts) cannot be handled continuously and effectively
in practice by single human traders. Relying on an algo­
rithmic trading system ensures continuous, consistent, and
cost effective closure of open positions while constantly
assuring that predefined risk limits are not broken.
Trading positions at the intraday market is possible starting
at 2 p.m. before the actual delivery day, after the auction
results of the day-ahead market are known, and up to 45
minutes before beginning of delivery. Since then forecasts on
actual infeed and demand are already more precise, and
positions resulting from trades in the day-ahead market can
be «corrected». Remaining open positions have to be cleared
on the balancing market for energy, usually at considerable
price surcharges or discounts for open short or long
positions, respectively.
In contrast to the day-ahead market, where only hourly
products are traded, also contracts for 15 minute delivery are
available at the intraday market. In this way, it offers parti­
cipants a high flexibility of trading electricity just shortly
before the actual delivery. This is of high importance in the
context of the energy transition, as it allows for an efficient
and market-based integration of renewable energies under
the existing market design.
20
Algorithmic intraday trading: extract from a prototype of the
trading algorithm
The Institute for Operations Research and Computational
Finance (ior/cf-HSG) develops an algorithmic trading
system for the intraday market that supports its participants
in the task of closing open positions in an efficient way at
favorable prices and with limited risks. Up to now, the
theoretical foundations for the trading day algorithm have
been laid: identification of the relevant sources of risk
(volumes, prices, forecasts, market liquidity etc.) and cor­
responding probability distributions.
This determines the framework of intraday trading at the
respective electricity exchange. Together with the specifi­
cation and parameterization of the degrees of freedom for
single trading activities, optimization-based and rule-based
methodological procedures for the trading algorithm were
identified. One core element of the trading algorithm is given
by the quantification of the profit & loss probability distri­
butions for closing open positions: this distribution depends
mainly – besides further influencing factors like timetomaturity or observed market liquidity – on the open posi­
tion itself and the probability distribution of the respective
intraday price.
PROJEKTE | FIR-HSG
Regulierungsradar (FIR-HSG)
Der Regulierungsradar des EGI-HSG stellt den rechtlichen
Handlungsspielraum eines lokalen Energieversorgers aus
Sicht der St. Galler Stadtwerke und der Stadt St. Gallen dar.
Dabei wird nicht nur der Status Quo einbezogen, sondern
die Rechtsentwicklung in dynamischer Sicht verfolgt.
Mögliche oder pendente Rechtsentwicklungen werden
antizipiert und auf ihre konkrete Auswirkung auf den
lo­kalen Energieversorger überprüft. Das Regulierungsradar
ermöglicht den Stadtwerken und der Stadt St. Gallen somit
eine praxisorientierte, wissenschaftliche Abstützung der
rechtlichen Handlungsoptionen und die Formulierung einer
Regulierungsstrategie. Diese kann eine Grundlage für die
strategische Positionierung der Stadtwerke und der Stadt
St. Gallen in den Energiemärkten bilden. Zudem versetzt das
Re­gulierungsradar die Stadtwerke und die Stadt St. Gallen
in die Lage, sich frühzeitig und fundiert in Regulierungs­
prozesse auf kantonaler Ebene und auf Bundesebene ein
zubringen, z.B. durch Positionspapiere und Vernehmlassungen.
Ausgabe: Dezember 2014
Potentieller Einfluss auf sgsw
gross
EU- Recht
mittel
gering
keiner
CH- Recht
Landesversorgung
Gasmarktgesetz?
Kartellgesetz
REMIT/StromVV
Strategie
Stromnetze
EnV
StromVG
Derivathandel
öff. Beschaffung
EnG
Vertragsrecht
aktuell
innerhalb der nächsten 1-2 Jahre
Datenschutz
in mehr als 2 Jahren
PROJEKTE | IPW-HSG
Beobachten, verstehen und mitgestalten
Für eine erfolgreiche Schweizer Energiewende
müssen wir globale Entwicklungen verstehen,
be­obachten … und mitgestalten.
Die Schweiz hat sich mit dem Atomausstieg und der Energie­
strategie 2050 ehrgeizige Ziele gesetzt. Deren Umsetzung
kann nur erfolgreich sein, wenn dabei auch globale
Ent­wicklungen im Blickfeld bleiben.
Beobachten
Der Erfolg der Schweizer Energiepolitik ist entscheidend von
globalen Entwicklungen abhängig. Die Entwicklung globaler
Öl- und Gaspreise beeinflusst zum ­Beispiel die Schweizer
Handelsbilanz ebenso wie die Wett­bewerbsfähigkeit nach­
haltiger Stromproduktion auf hei­mischen Märkten. Ebenso
können politische Entscheidungen, beispielsweise in der
Europäischen Union und den inter­nationalen Klimaverhand­
lungen, und geopolitische Ver­änderungen erhebliche Aus­
wirkungen auf den Erfolg und die Autonomie der Schweizer
Politik habe.
Insbesondere die zunehmende Vernetzung der Schweiz birgt
neue Chancen und Risiken. Dies gilt beim Ausbau Europä­
ischer Energienetze ebenso wie für die zunehmende Ver­
knüpfung von Energie-Infrastruktur mit dem Internet.
Während letztere Effizienzgewinne verspricht, kann sie auch
die Verwundbarkeit gegenüber Cyber-Angriffen aus dem
Ausland steigern. Für eine erfolgreiche Schweizer Energie­
politik müssen wir solche Entwicklungen im Blick behalten.
22
Verstehen
Die globale Energiepolitik ist dabei äussert komplex. Noch
vor wenigen Jahren befürchteten Kommentatoren, dass sich
westliche Industriestaaten schon bald in Ressourcenkriege
mit Schwellenländern wie China verwickeln würden. Heute
ist davon kaum noch die Rede. Experten warnen statt­dessen
vor den Folgen des Ölpreisverfalls für Ölexporteure und die
Energiewirtschaft.
Wenn eines aus der Geschichte der Energiepolitik klar
­geworden ist, dann die Einsicht, dass es anders kommt als
gedacht. Die globale Energielandschaft ändert sich schnell
und obwohl wirtschaftliche und politische Akteure dies
­wissen sollten, werden sie doch regelmässig davon über­
rascht. Für die Energiewirtschaft stellt dies eine besondere
Herausforderung dar, weil Investitionen zumeist über
Jahrzehnte kalkuliert werden müssen.
Am IPW-HSG erarbeiten wir daher neue analytische Pers­
pektiven auf die globale Energiepolitik. So wollen wir den
unberechen­baren Charakter der globalen Energiepolitik bes­
ser verstehen und Akteuren bessere Werkzeuge an die Hand
geben, um mit der ungewissen Zukunft umzugehen.
Mit der Stadt St. Gallen entwickeln wir zum Beispiel Szenarien
zur zukünftigen Entwicklung ihres politischen Umfeldes.
Hierdurch können die energiepolitischen Strategien der
Stadt schon heute auf ihre «Zukunftsrobustheit» geprüft
werden. In einem anderen Projekt beschäftigen wir uns mit
der Frage, wie Energievorhersagen – zum Beispiel jene der
Internationalen Energieagentur – auf Politik wirken, welche
Fehler in solchen Vorhersagen gemacht werden, und wie
politische und wirtschaftliche Akteure besser mit Aussagen
zur Zukunft der globalen Energielandschaft umgehen können.
Mitgestalten
Wie die Aufzählung von Themenbereichen zeigt, ist der
­Erfolg der Schweizer Energiepolitik mit einer Vielzahl inter­
nationaler Entwicklungen verknüpft. Daher stellt sich nicht
nur die Frage, wie diese beobachtet und verstanden werden
können. Auch sollte gefragt werden, wie die Schweiz globale
Entwicklungen mitgestalten und zu Ihren Gunsten be­ein­flussen kann.
Es geht bei dieser Frage aber nicht nur um den Erfolg
Schweizer Energiepolitik. Sollte die Schweiz mit ihren
­Bestrebungen zur Energiewende global allein bleiben, ist
zu erwarten, dass dies aufgrund vergleichsweise höherer
­Kosten nachhaltiger Energie zu Wettbewerbsnachteilen
führt. Andererseits böte eine Globalisierung der Energie­
wende Chancen für Schweizer Unternehmen, im Heimat­
markt erworbene Fähigkeiten auch im Ausland einzusetzen.
Für die Politik wiederum, würde eine Schweizer Energie­
wende die Chance bieten, sich international als progressives,
nachhaltiges und zukunftsorientiertes Land zu präsentieren.
Die Schweiz sollte daher ein Interesse haben, globale
Entwicklungen aktiv mitzugestalten. In diesem Bereich
forscht das IPW-HSG zu der Frage, wie eine Energie-­
Aussenpolitik aus­sehen sollte, die die heimischen Bemüh­
ungen effektiv flankiert.
IMPACT | Bachelor und Masterarbeiten
Die am EGI-HSG beteiligten Institute haben 2014
über 60 Bachelor-, Master- und Diplomarbeiten zu
Energie­themen betreut. So wird nicht nur der wissen­
schaft­liche Nachwuchs ge­fördert, sondern auch die
Grund­lagen für spätere Forschungsprojekte gelegt.
Die «Wortwolke» illustriert die Themenwahl der
studen­tischen Arbeiten.
Eine Liste der studentischen Arbeiten findet sich unter:
23
IMPACT | Lehre
Vernetztes Denken fördern
Finanzierung, Regulierung oder Marketing: Das
­interdisziplinäre Forschungsprogramm des EGI-HSG
manifestiert sich in vielfältigen Lehrveranstaltungen
an der HSG. So lernen zukünftige Entscheidungs­
tragende die Herausforderungen der Energiewende
in all ihren Facetten zu verstehen und zu adressieren.
Bachelorstufe
Sustainable Consumption and Behaviour Change
(Prof. Dr. Stefanie Hille)
Eine zunehmende Erdbevölkerung und die rasante Ent­
wicklung der Schwellenländer stellen das heutige Konsum­
verhalten zunehmend in Frage. Was sind die Heraus­for­de­r­ungen und was mögliche Lösungen? Was bedeutet «nach­
haltiger» Konsum und wie kann dieser gefördert werden?
Energiewende und ihre Implikationen für EVU
(Dr. Nadia Germann/Prof. Dr. Michael Gratwohl)
Jeder konsumiert Strom, aber kaum jemand versteht, wie
Energieversorgungsunternehmen (EVU) eigentlich funk­
tionieren. Was sind die Aufgaben, Herausforderungen und
Instrumente von EVUs? Und was bedeutet dies für die
Manager in solchen Unternehmen?
Masterstufe
Climate Change Strategy Role Play
(Prof. Dr Rolf Wüstenhagen)
Ein globales Abkommen ist notwendig und ein Muss, um
den Klimawandel zu stoppen. Und trotzdem gelingt es der
Staaten­gemeinschaft nicht, sich auf ein verbindliches Ab­
kommen zu einigen. Wieso? In diesem Kurs simulieren
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Studierende von sieben CEMS-Universitäten die UN-Klima­
verhandlungen und lernen so Herausforderungen und
Lösungsansätze in internationalen Verhandlungen kennen.
Clean Energy Marketing
(Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen/Prof. Dr. Stefanie Hille)
Die Nachfrage nach erneuerbaren Energien steigt. Wie
können diese neuartigen Energieformen noch besser ver­
marktet werden? Welche Bedenken haben die Kunden? Was
sind mögliche Treiber? Wie können Manager morgen dazu
beitragen, dass erneuerbare Energien zu einem höheren
Kundennutzen führen?
Geschichte und Zukunft von Energiesystemen
(Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen/Dr. Daniele Ganser)
Von Feuer zu Kohle zu Solar: Energiesysteme sind eng mit
der historischen Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft
und Politik verknüpft. Das Studium der Geschichte von
Energiesystemen hilft, die Herausforderungen bei der
Umsetzung der Energiestrategie 2050 in ihrem Kontext zu
verstehen. So lernen die Entscheidungstragenden von
morgen, die Tragweite ihre Entscheide zu begreifen – und
ent­sprechend zu handeln.
Energy Governance
(Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen/Prof. Dr. Maya Jegen)
Energie steht im Zentrum politischer Diskussion in ver­
schiedensten Bereichen. Die internationale Sicherheits-, Um­
welt,- Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik dreht sich immer
mehr um die Frage, wie der zunehmende Energiehunger der
Welt nachhaltig gestillt werden kann. Wieso ist internationale
Koordination so schwierig? Was sind Lösungsansätze?
Rechtsmethode, Rechtstheorie
und Wirtschaftsrecht (Prof. Dr. Simone Walther/
Prof. Dr. Peter Hettich)
Die Energieindustrie wird durch ein komplexes Netz an
internationaler, nationaler und lokaler Gesetzgebung regu­
liert. Was sind die Rechtsgrundlagen der Energiewirtschaft
und wie stehen diese in einer Beziehung zur volkswirt­
schaftlichen Theorie?
Energy Finance (Prof. Dr. Michael Gratwohl)
Der Verkauf und Handel von Energie bedingt das Verständnis
komplexer mathematischer Methoden. In diesem Kurs
lernen Studierende verschiedene quantitative Konzepte,
­welche unter anderem zur Preissetzung, Angebotssteuerung
und Risikomanagement dienen.
Foreign Policy Strategies: Theories and Cases
(Prof. Dr. James W. Davis)
Die Energiepolitik ist eng mit der Aussenpolitik verbunden.
Mit Hilfe welcher Theorien lassen sich Herausforderungen
und Lösungsansätze der Aussenpolitik am besten begreifen?
ITAT
Business Model Innovation (Prof. Dr. Oliver
Gassmann/Prof. Dr. Karolin Frankenberger)
Die Welt entwickelt sich immer schneller: Für Unternehmen
ist es zunehmend überlebenswichtig ihre Geschäftsmodelle
kontinuierlich zu entwickeln. Auch Energieversorger stehen
vor der Herausforderung, ihr Geschäftsmodell konstant
neuen Herausforderung und Technologien anzupassen.
Die Studenten analysieren verschiedene Industrien und
entwickeln selbstständig Lösungsansätze für innovative
­Geschäftsmodelle.
Durch die Analyse eine Reihe von Fallbeispielen lernen
Studierende komplexe Probleme mit Hilfe theoretischer
Modelle zu analysieren.
Doktorat
Topics in Energy Finance (Prof. Dr. Karl
Frauendorfer/Dr. Gido Haarbrücker)
Themen im Energie- und Nachhaltigkeitsmanagement
(Prof. Dr. Thomas Dyllick/Prof. Dr. Rolf Wüstenhagen)
Weiterbildungen
CAS EVU Manager (Certificate of Advanced Studies,
11 ECTS, Deutsch)
Der Zertifikatskurs (CAS) für Führungskräfte «Management
von Energieversorgungs-Unternehmen» («EVU-Manager»)
beantwortet ökonomische und regulatorische Fragen rund um
die Energiewirtschaft mit wissenschaftlich fundierten Kon­
zepten. Die Referierenden vertreten Akademia und Praxis
gleichermassen und bringen langjährige Erfahrungen sowie
ausgewiesenes Expertenwissen auf ihrem Spezialgebiet ein.
DAS Renewable Energy Management (REM-HSG)
(Diploma of Advanced Studies, 30 ECTS, Englisch)
Das berufsbegleitendes Weiterbildungsprogamm Renewable
Energy Management umfasst acht einwöchige Module in
St. Gallen, Berlin und Singapur. Das Programm vermittelt
Praktzierenden aus verschiedensten Bereichen die notwen­
digen Kompetenzen, um die wirtschaftlichen, ökologischen
und sozialen Herausforderungen des heutigen und mor­
gigen Energiemarktes in neue erfolgreiche Geschäftsmodelle
umzusetzen.
Tamás Petrovics
(HSG/WU Wien),
Student in 2014
«The CEMS Climate Change Strategy Course has been one of
the most interactive, interesting and useful courses I have ever
attended. It not just raises students’ awareness for climate change
and its implications for society and world economy, but also helps
the participants to significantly improve their negotiation skills»
Basheer Hashem
King Abdullah City for
Atomic and Renewable
Energy, Saudi Arabia,
Class of 2014/2015
«The REM-HSG allows me to look at things from a different
perspective, leading to new, unexpected solutions beyond
business as usual. The unique blend of selected professionals
provides for synergies and valuable insights.»
FINANZIERUNG
¡Über 15 private und öffentliche Organisationen
kooperieren mit dem EGI-HSG.
¡Über 45 Forscherinnen und Forscher
an fünf Instituten forschen am EGI-HSG.
¡5 Assistenzprofessoren
und drei Post Docs sind durch das EGI-HSG finanziert.
¡14 Publikationen
sind 2014 in Verbindung mit EGI-HSG entstanden.
¡34 jahre
beträgt das Durchschnittsalter der EGI-HSG Forschenden.
IWÖHSG
SCCER-Mittel
KTI
FIRHSG
Eigenmittel
Universität und Institute
ior/cfHSG
IPWHSG
Drittmittel
Stadt St. Gallen und Praxispartner
Nationalfonds, BFE, EU Horizon 2020
26
ITEMHSG
EGI-HSG
¡Über 10
spezifische Lehrveranstaltungen in Verbindung mit
Energiethemen wurden 2014 an der HSG angeboten.
¡Mehr als 500 Teilnehmende
haben 2014 die gemeinsam von Stadt und Universität
getragenen Energie-Tage St. Gallen besucht.
¡Über 3000 mal
wurden Forschungsartikel der fünf, an EGI-HSG
be­teiligten HSG-Professoren von anderen Forschenden
zitiert.
¡Über 530 ECTS Punkte
haben Teilnehmende an Weiterbildungsprogrammen
des EGI-HSG im Jahre 2014 gesammelt.
Forschung für die Energiestrategie 2050
Aufbau von acht interuniversitär vernetzten Forschungskompetenzzentren
«Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCER)»
Federführung: Kommission für Technologie und Innovation (KTI)
Ein wirtschafts-, rechts- und sozialwissenschaftlich orientiertes Kompetenzzentrum
Sieben technologisch
orientierte Kompetenzzentren
«Competence Center for Resarch in Energy, Society and Transition» (SCCER CREST)
UniBas1
1
ZHAW2
ETHZ
HSG
EPFL
UniGe
UniNe
ior/cfHSG
FIRHSG
IWÖHSG3
IPWHSG
ITEMHSG
EGI-HSG
Leading House SCCER CREST
2
Co-Leading House SCCER CREST
3
ITAT
ORGANISATION
UniLu
Walter Steinlin
Präsident KTI
«Ein Ziel der Schaffung der Swiss Competence Centers for
Energy Research (SCCER) ist der Kapazitätsausbau in der
universitären Energieforschung und -lehre. Es freut mich daher
besonders, dass das Center for Energy Innovation, Governance and Investment (EGI-HSG) eingebunden in das SCCER
CREST (Competence Center for Research in Energy, Society
and Transition) bereits im ersten Jahr seines Bestehens fünf
neue Assistenzprofessuren besetzen konnte. Mit ihrer Re­sul­t atorientierung, ihrer internationalen Ausstrahlung und der
engen Verzahnung zwischen sozialwissenschaftlicher Energieforschung und Praxis leistet die Universität St. Gallen einen
wichtigen Beitrag zum Erfolg der koordinier ten Energie­
forschung Schweiz.»
Lead Institut EGI-HSG
27
www.misigno.ch
Universität St. Gallen
Center for Energy Innovation, Governance and Investment (EGI-HSG)
Kontakt
Doris Hoevel
doris.hoevel@unisg.ch
Tigerbergstrasse 2
CH-9000 St. Gallen, Switzerland
Telefon+41 71 224 27 46
Telefax +41 71 224 27 22
www.egi.unisg.ch