Vibrationsfreier Motor mit röhrendem Auspuff

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Vibrationsfreier Motor mit röhrendem Auspuff
Vibrationsfreier Motor mit röhrendem Auspuff Duderstädter bauten vor 40 Jahren das Motorrad der Superlative
zu deren Ausstellungsgegen ­
ständen auch eine OCR 1000 ge­
hört. Weil sich beim Wankel­
Motor der Kolben dreht und
nicht auf lind ab bewegt. ist der
Lauf, ähnlich wie bei einem
Elektromotor. weitgehend vibra­
tionsfrei. "Gleichzeitig röhrt der
Edelstahlauspuff jedoch ange­
nehm sportlich", ergänzt Ent­
wickler Kuster. Aufgrund der
hohen Schubkraft bereits bei
niedrigen Drehzahlen lässt sich
die Maschine ohne viel Schalten
"seidenweich" hochfahren. so
der Ingenieur. Die OCR 1000.
die mehr als 200 Kilometer pro
Stunde schafft. kommt mit vier
Gängen aus.
"Dem Wankelmotor wurde Anfang der 70er-Jahren eine
große Zukunft vorhergesagt", weiß Kurator Schwietzer. Zeit­
genossen erwarteten. dass im Jahr 1990 die Hälfte aller Motor­
räder so angetrieben werden würden. Van Veen ließ sich von der Begeisterung anstecken. Für
die Entwicklung seiner Super­
maschine gewann er den Göt ·
tinger Ingenieur Hans-Jürgen
Klusowski. der damals bei VW
in Kassel arbeitete. Klusowski
hatte 1970 das erste leistungs­
starke Wankel-Motorrad gebaut.
das in Deutschland die Zulas­
sung erhielt.
Als Zulicferer für den 100 PS­
starken Zwei-Scheiben-Motor
verpflichtete van Veen die saar­
ländische Firma Comotor. eine
gemeinsame Gründung von
NSU und Citroen. NSU hatte
Erfinder Wankel von 1951 an un­
terstützt und war damals Li­
zenzgeber flir alle Wankelpro­
dukte. Noch bevor bei Comotor
allerdings die Produktion star­
tete. kaufte VW NSU und stiegt
aus dem saarländischen Unternehmen aus. Citroen flihrte die
Tochter alleine weiter. "Ich
bin 1976 mit Klusowski ins
Saarland gefahren. damals
war es bei Comotor be­
reits zappenduster", er­
innert sich Entwickler
Kuster. Das Unterneh­
men verpflichtete sich
aber. van Veen mit
Motoren zu belie­
fern .
Vier Sekunden braucht
die Maschine. um aus
dem Stand auf 100
Stundenkilometer zu
beschleunigen. Ihr
Antrieb, ein sogenannter
Wankelmotor. läuft völlig
ruhig.
Die Van Veen OCR
1000 gehörte Ende der
70er-Jahre zu den
.exklusivsten Motorrä­
dern der Welt. Die Pro­
duktion lief vor 40
Jahren in Duderstadt an.
VON MICHAEL CASPAR
Duderstadt. "Mit dem Import
von Kreidler-Motorrädern in
die Benelux-Länder hat der
Amsterdamer Kaufmann Hen­
drik van Veen ein Vermögen
verdient". berichtet Wilhelm
Kuster. der von 1975 an zur
OCR-1000-En twicklergruppe
gehörte. Van Veens Leiden­
schaft, so der Ingenieur. sei der
Rennsport gewesen. Dreimal
habe er das Kreidler-Rennteam
in der 50-Kuhikmeter-Klasse
zur Weltmeisterschaft geflihrt.
was der Hersteller selbst nicht
. geschaiTt habe. Van Veens
Traum: die Produktion eines Bi­
kes der Superlative. Er habe auf
den Wankelmotor gesetzt.
"Die Erfindung des deutschen
Ingenieurs Felix Wankel aus
dem Jahr 1954 ist so kompakt,
dass sie beinahe in das Hand­
schuhfach eines Autos passt",
sagt Andy Schwietzer. Er ist Ku­
rator des Einbecker Auto- und
Motorradmuseums PS-Speicher,
Probleme mit Stickoxiden • Hendrik van Veen stellte die
Produktion 1980 ein. Peugeot
hatte Citroen gekauft und die
Wankelmotoren-Fabrik Co­
motor eingestellt. Hoffnun­
gen, einen anderen Motoren­
zulieferer zu finden, zerschlu­
gen sich. Selbst in die Motor­
produktion einzusteigen.
wagte der Niederländer
nicht. In Duderstadt fertigte
er in seiner zweiten Firma.
der Kreidler Van Veen Sport
GmbH. weiterhin Renn- und
Crosssport-Räder auf Kreid­
ler-Basis. Damit war Schluss.
als Kreidler 1981 pleite ging.
"Wir haben auch Auspuffteile
für Volkswagen sowie Fahr­
radteile für Heidemann her­
gestellt", erinnert sich Poh!.
die bis zum Schluss mit da­
bei gewesen ist. "Um den
Wankelmotor ist es ruhig
geworden" , sagt Schwietzer.
"Ein Problem sind die Stick­
oxide in den Abgasen. womit
auch Dieselmotoren zu
kämpfen haben", erklärt Ent­
wickler Kuster. Mazda hat der
Technik bis vor Kurzem die
Treue gehalten. Aufgrund der
kompakten Form könnte der
Wankelmotor als Zusatzan­
trieb in Elektrofahrzeugen ein
Comeback erleben. Die Van­
Veen-Mitarbeiter. zu Glanz­
zeiten mehr als 100 Perso­
nen, stehen bis heute mitei­
nander in Kontakt. "Unser
nächstes Treffen wird am 1.
Oktober 2016 sein". kündigt
Pohlan.
mic
Einer der prominenten Kunden des exklusiven Zweirads: Playboy Gunter Sachs
Zonenrandförderullg locl(te Hendrik van Veen ins Eichsfeld Bauen ließ Hendrik van Veen
seine OCR 1000 in Duderstadt.
"Dort erhielt er damals Zonen­
randfOrderung. außerdem lag
das Lohnniveau vergleichsweise
niedrig",
erklärt
Kurator
Schwietzer. Das benötigte Ge­
bäude kaufte Van Veen von den
Einbecker Heidemann-Fahrrad­
werken. die sich seinerzeit aus
der Brehmestadt zurückzogen.
Heute nutzt die Finna Daume
die Halle. die gegenüber der Fir­
ma ottobock liegt. Die Vorberei­
tung der Produktion lief im
Sommer 1975 an. Ein Jahr später
bauten zehn speziell ausgebilde­
te Facharbeiter unter Betriebs­
leiter Martin Ziegler die Nullse­
rie. Andre Weber. der aus Du-
Produktion in Duderstadt.
derstadt stammt und heute
ebenfalls beim PS-Speicher tätig
ist, kam als Schüler oft an der
Halle vorbei. "Immer wenn eine
OCR 1000 fertig war, wurde sie
auf einem kleinen Hügel vor der
Fabrik aufgebockt", erinnert er
sich. Mehrmals schaffte es das
Motorrad ins Fernsehen. Carlo
von Tiedemann, Moderator der
Sendung "Aktuelle Schaubude".
fuhr auf einer der Maschinen '
durch das Tor des Westerturms.
"Wenn es Probefahrten um die
Halle gab. standen die Kon­
strukteure von ottobock stau­
nend am Fenster", erinnert sich
Mechthild Pohl. die bei Van
Veen im Büro arbeitete. "Der
Name OCR ist die Abkürzung
Hir den ölgekühlten Rotor: Oil
Cooled
Rotor",
erläutert
Schwietzer. Der niederländische
Grand-Prix-Fahrer Jos Schurger
gab der Maschine ihr markantes
Aussehen. Mit einem Gewicht
von sechs Zentnern war das Mo­
torrad
"ein
ungewöhnlich
schwerer Brocken", so der Kura­
tor. Da die AuspulTgase bei ei­
nem Wankelmotor sehr heiß
sind. !,!rhielt c\.ie OCR 1000 dop­
pelwandige Auspufftöpfe. die
vom Fahrwind gekühlt werden.
"Ein ungewöhnlich
schwerer Brocken"
"Der Spritverbrauch liegt
zehn bis 15 Prozent über dem ei­
nes Otto-Motors", fiihrt Ent­
wickler Kuster aus. Bei schneller
Fahrweise verbraucht die Ma­
schine zehn Liter auf 100 Kilo­
metern. Bei einem Tankvolu­
mcn von IR Litern kommt der
Fahrer nicht weit. "Die Maschi­
ne ist fürs Touren, aber nicht
Hirs Rasen konzipiert". betont
Kuster. Hoch war der Ölver­
brauch: ein Liter auf 1000 Kilo­
meter. Der Grund: Ähnlich wie
bei einem Zweitakter verbrennt
das Motoröl beim Fahren und
wird nicht wie beim Ottomotor
zurückgewonnen. Eine eigene
Tankanzeige signalisiert, wann
Zeit zum Nachfül­
len des 2,5-Liter­
Öltanks ist.
Van Veen plante
eine
Jahrespro­
duktion von 200
Stück,
Tendenz
steil steigend. Die­
se Hoffnung er­
flillten sich nicht.
Die OCR 1000 war
mit einem
Verkaufs­
preis
von
24198
Mark
ungewöhn­
lich teuer. "Für
10 000 Mark gab
es damals bereits Wilhelm mit Van Veen-Versuchsträger 1975 in
einen Mercedes Duderstadt.
200 0 Jahreswa­
gen", nennt Schwietzer einen Mattschwarz. "Er hat sich in
Vergleich. Van Veen verkaufte in Duderstadt die Produktion an­
den Jahren 1976 bis 1979 keine geschaut", erinnert sich Ent­
wickler Kuster. Sein Kollege Ha­
40 Stück.
Unter den Kunden des exklu­
raId Westenberger lieferte das
siven Zweirads fanden sich sei­
Motorrad aus. Omar forderte
nerzeit Playboy Gunter Sachs den Van Veen -Mitarbeiter auf.
und Verleger Malcolm Forbes. ihn mit der OCR zu überholen
Der in England lebende, saudi­
und beschleunigte dann mit sei­
sche Scheich Sharif Omar, nicht nem Rolls Royce auf 200 Kilo­
zu verwechseln mit dem Schau­
meter pro Stunde. Westenberger
spieler Omar Sharif, erwarb eine gab kurz Gas und ließ den
Einspritz-OCR mit 130 PS in Scheich hinter sich.
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