Der Bibeltext zur heutigen Predigt steht im 19
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Der Bibeltext zur heutigen Predigt steht im 19
P0260 0 gehalten in Wettingen am 18. Mai 2014 in Neuenhof am 25. Mai 2014 Autor: Stefan Burkhard Der Bibeltext zur heutigen Predigt steht im Matthäusevangelium im Kapitel 12 in den Versen 20 und 21, sowie im Kapitel 11 im Vers 28. Doch bevor ich Ihnen diesen Text nach der Übersetzung der Lutherbibel vorlese, hören Sie zuerst eine Fabel von Äsop, einem griechischen Dichter, der um 600 vor Christus gelebt hat. Die Eiche und das Schilfrohr Eine Eiche und ein Schilfrohr stritten über ihre Stärke. Als ein heftiger Sturm aufkam, beugte und wiegte sich das Schilfrohr im Wind, um nicht entwurzelt zu werden. Die Eiche aber blieb aufrecht stehen und wurde entwurzelt. Sodann heisst es im Matthäusevangelium: Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis er das Recht hinausführt zum Sieg; und die Heiden werden auf seinen Namen hoffen. Und ergänzend dazu heisst es im 11. Kapitel des Matthäusevangeliums: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Amen. 1 P0260 gehalten in Wettingen am 18. Mai 2014 in Neuenhof am 25. Mai 2014 Autor: Stefan Burkhard Predigt zu Matthäus 12,20+21 und Matthäus 11,28 Von der Stabilität des Schwankens Liebe Mitchristen, gehören Sie auch manchmal zu jenen, die man bisweilen als „lau“ oder als „wankelmütig“ oder als „unsicher“ bezeichnet? Leben Sie also auch manchmal etwas zwischen den Fronten und schwanken hin und her und bewundern womöglich jene, die entweder ganz „heiss“ oder ganz „kalt“ für dieses oder jenes einstehen? Und: Ist auch Ihr Leben und Glaubensleben oft mehr von Fragen und Unsicherheiten gezeichnet – und weniger von fertigen, gefestigten Antworten? Wenn ja, dann möchte die heutige Predigt gerade Sie ansprechen, die Sie sich an diesem Punkt womöglich ebenfalls zu den Mühseligen und Beladenen zählen, die auf Erquickung hoffen. --Doch, damit Sie nun keine falschen Erwartungen an mich haben: Ich werde Ihnen Ihre Zweifel und Unsicherheiten gewiss nicht ausräumen können. Das Einzige, was ich vielleicht tun kann, ist das, dass ich Ihnen zu zeigen versuche, dass das Fragen und die Unsicherheit zu unserem Menschsein und zu unserer Lebendigkeit hinzu gehören und grundsätzlich nichts Schlechtes sind. --Gewiss – ; das wussten Sie vielleicht auch vorher schon. Aber unter Umständen ist Ihnen dieses Wissen auch abhandengekommen oder zunichte gemacht worden, P0260 2 gehalten in Wettingen am 18. Mai 2014 in Neuenhof am 25. Mai 2014 Autor: Stefan Burkhard da die christliche Verkündigung die Unsicherheit und den Zweifel meist als etwas Schlechtes gedeutet und verstanden hat; und dazu anleiten wollte, im Glauben fest gegründet zu stehen. Schon in der Offenbarung des Johannes wird nämlich der laue Glaube aufs Schärfste kritisiert: So heisst es da an die Adresse der Gemeinde in Laodizea gerichtet: Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. (Offb 3, 15-16) Im Jakobusbrief wird den Wankelmütigen darum zugerufen: Heiligt eure Herzen, ihr Wankelmütigen. (Jak 4,8b); Denn schliesslich soll man so standhaft und unerschütterlich glauben wie Hiob: Von der Standhaftigkeit Hiobs habt ihr gehört, und das gute Ende, das ihm der Herr geschenkt hat, konntet ihr sehen. Selig (ist darum) der Mann, der die Prüfung besteht, denn wenn er sich bewährt, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott denen verheissen hat, die ihn lieben. (Jak 1, 12) Er bitte aber im Glauben, ohne zu zweifeln, denn wer zweifelt, gleicht den Wogen des Meeres, die vom Wind gepeitscht und dahin und dorthin geschlagen werden. (Jak 1, 6) (Jak 5, 11) Auch der Apostel Paulus ruft darum unentwegt zu einem standfesten Glauben auf: Bleibt wachsam, und steht fest im Glauben! Seid entschlossen und stark! (1. Kor 16,13 Eberfelder) Denn für Paulus gleicht der Glaubende einem Gladiator im Kampf: Wir aber, die wir Kinder des Tages sind, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil. (1. Thess 5, 8 LB) Mit anderen Worten: Das ganze Neue Testament ist voll von solchen und ähnlichen Sätzen, P0260 3 gehalten in Wettingen am 18. Mai 2014 in Neuenhof am 25. Mai 2014 Autor: Stefan Burkhard die zum standhaften, unerschütterlichen Glauben aufrufen und den Zweifel als etwas Schlechtes sehen. Über weite Strecken dominieren im Neuen Testament die appellartigen Ermahnungen nicht zu zweifeln, und so wundert es nicht, dass im Neuen Testament das Glaubensleben des Christen mit dem Bild des Gladiators verstanden wurde, der sich in der Arena in der Rüstung zum Kampfe stellt. --Und wir nehmen damit zugleich auch wahr, dass das Neue Testament in einer grundsätzlich anderen Zeit entstanden ist. Denn damals herrschten die Römer. Stein und Eisen waren die Zeichen ihrer Macht; und brutal und unnachgiebig herrschten ihre Kaiser. Das Recht des Stärkeren und die Willkür bestimmten das tägliche Geschehen, und so etwas wie Bildung blieb dem gewöhnlichen Volk versagt. Dafür gab es viele Hitzköpfe, deren Konflikte oft mit dem Schwert ausgetragen wurden; und es ist für unser Verständnis wichtig zu sehen, dass die ersten Christen aus unserer Sicht allesamt Südländer waren mit einem grundsätzlich anderen – eben heissblütigen – Temperament. --Um Ihnen diese Diskrepanz zwischen jener und unserer Zeit zu illustrieren, habe ich für einmal nach Wörtern in der Bibel gesucht, die diese harte „Stein- oder Eisenmentalität“ der Römerzeit überwinden wollen, und die mehr nach einer Wahrheit zwischen dem heissen und dem kalten Zustand fragen und die diese digitale Entweder-Oder-Logik aufzubrechen versuchen. Ich habe also in der Bibel ganz speziell nach Wörtern gesucht, die dynamisch klingen, wie zum Beispiel „zäh“ oder „biegsam“ oder „elastisch“ oder „flexibel“, also nach Begriffen, die in unserer Zeit kraftvoll tönen und positiv besetzt sind und für Werte stehen, die ein jeder im Leben und im Arbeitsleben kennt und braucht, P0260 – 4 gehalten in Wettingen am 18. Mai 2014 in Neuenhof am 25. Mai 2014 Autor: Stefan Burkhard – gerade das Wort „flexibel“ taucht ja auf fast jedem Stelleninserat auf – ; aber alle diese dynamischen Worte wie „zäh“, „biegsam“, „elastisch“ oder „flexibel“ tauchen in der Bibel gar nie auf. Dafür hören wir immer wieder etwas von Steinen und Ecksteinen, von Fundamenten und auch vom Stein des Anstosses oder wir hören etwas vom Helm der Hoffnung, vom Panzer und vom Schwert des Glaubens, aber wir hören eben nirgends etwas davon, dass dieses Eisen grundsätzlich auch zäh, biegsam und elastisch ist. Mit all dem will ich die Bibel überhaupt nicht in Frage stellen oder kritisieren – das sei ferne! – ; ich will uns bloss bewusst machen, dass die Bibel in einer anderen Zeit entstanden ist und vielfach eine andere Denkgrammatik kennt. Selten gibt es in der Bibel nämlich eine Wahrheit zwischen zwei Dingen; – selten gibt es also eine Sowohl-als-auch-Logik – , sondern vielfach gibt es nur ein digitales Entweder-Oder; da man entweder heiss oder kalt für dieses oder jenes ist. Grautöne und Zwischentöne werden in dieser Logik also kaum als differenziertes Denken und Empfinden wahrgenommen, sondern schlicht und einfach als Zweifel und Unglaube; womit sich die digitale Logik – nämlich das Schwarz-Weisse – erneut bestätigt. Es gibt in der Bibel zwar gewiss ein mässigendes, integratives Jesuswort, welches heisst: Wer nicht gegen euch ist, ist für euch. (Lk 9,50) ; aber in der Regel ist dieses Jesuswort den wenigsten Zeitgenossen bekannt, da es von einem anderen Wort verdrängt wurde, welches den Akzent mehr auf ein exklusives, ausschliessendes Wahrheitsverständnis legt: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, und wer nicht sammelt mit mir, der zerstreut. (Mt 12, 30) Denn: Wer nicht voll und ganz „heiss“ ist, der ist offenbar nur „lau“, und demzufolge – in dieser Logik gedacht – auch ganz „kalt“. ---- P0260 5 gehalten in Wettingen am 18. Mai 2014 in Neuenhof am 25. Mai 2014 Autor: Stefan Burkhard Indes – ; solche Schlüsse sind eigentliche Kurzschlüsse und eine deutliche Verengung, Vereinfachung und Reduktion unseres Denkens und Empfindens, und mit wirklichem Wahrnehmen und effektiver Wahrheit hat das im Grunde genommen nur noch wenig zu tun. Aber offensichtlich neigen Menschen zu Vereinfachungen, – das ist auch im Neuen Testament so in Bezug auf das Denken über den Glauben – ; und schwierig wird das alles für uns eigentlich erst, wenn uns diese Vereinfachungen selber Mühe bereiten, da wir uns oft eben gar nicht immer als so „heiss“ oder als so „kalt“ in Bezug auf unser Leben und unseren Glauben empfinden, sondern uns eher in einem Dazwischen fühlen. Suchend und tastend und stolpernd und fragend bewältigen wir ja oft unser Leben, oftmals auch Hin- und Hergerissen zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Mut und Zweifel und zwischen Glaube und Unglaube – und genau das gehört eben auch zum Glauben; nämlich zu einem erwachsen gewordenen und erwachsen werdenden Glauben, der sich dem Zweifel stellt und ihn aushält und ihn zulässt. Denn: In einem ehrlichen Zweifel ist manchmal mehr Glaube enthalten als in unseren Glaubensbekenntnissen. (Alfred Lord Tennyson 1809 -1892) Das wusste auch schon Alfred Lord Tennyson völlig zu Recht. Und: Wo wären heute auch die Kirchen der Reformation, wenn Luther nicht die Zweifel am Ablass zugelassen hätte? --Alles, was ich Ihnen heute darum zu sagen versuche, das bringt der folgende Text von Ludwig Burgdörfer gar trefflich auf den Punkt: Der Titel heisst: Wackelkandidat mit Standfestigkeit P0260 6 gehalten in Wettingen am 18. Mai 2014 in Neuenhof am 25. Mai 2014 Autor: Stefan Burkhard Schwanken Sie auch manchmal so hin und her? Sind sie sich auch nicht immer sicher, was zu tun und zu lassen ist? Können Sie auch manchmal besser zweifeln als glauben? Ich bin auch so ein Wackelkandidat. Ich schwanke immer wieder ziemlich hin und her. Immer muss ich erst herausfinden und ausbalancieren, wo meine Mitte ist. Lange Zeit habe ich gedacht, dass das eine Schwäche sei. Ja, ich war oft ärgerlich über mich selber, dachte, man müsse doch, um in dieser Welt ernst genommen zu werden, mit der Zeit sicher und fest im Leben stehen und auf möglichst alle Fragen eine klare Antwort haben. Und ich habe mich oft auch beeindrucken lassen von Leuten, die sich ihrer Sache immer ganz sicher waren und alles andere als Schwankungen in ihrer Einschätzung zuliessen. Und dann bin ich mal mit auf dem Stiftskirchenturm in Landau gewesen. Bei einer Führung war das, glaub ich, und da standen wir ganz oben, schauten über die Dächer der Stadt und auf einmal fing es an zu läuten. Ziemlich heftig mit allem, was bimmeln kann. Und ich lehnte mich so ans Geländer und hing meinen Gedanken nach. Da wurde ich doch plötzlich sehr wach, weil ich spürte, wie es zu schwanken begann, das Geländer, ach, was sag ich, der ganze Turm. Und ich bin dermassen erschrocken damals und habe mich ängstlich umgeschaut. Da sprach mich einer an, der Ahnung hatte vom Bauen und vom Schwanken, und wir unterhielten uns, ich über die Panik und er über die Statik. Und was ich da gelernt habe, das hilft mir noch heute, wenn ich ins Schwanken komm: P0260 7 gehalten in Wettingen am 18. Mai 2014 in Neuenhof am 25. Mai 2014 Autor: Stefan Burkhard „Seien Sie froh, dass der Turm so schön schwankt“, sagte mein Gesprächspartner ruhig. „Würde er das nicht tun, würde er zusammenfallen, könnte er die Wellen nicht auffangen und aushalten. Nur was schwankt, steht auch fest!“ Das hab ich mir gemerkt. Weil es so hilfreich ist für alles, was ich aufbauen möchte in meinem Leben, weil es eben immer wieder vorkommt, dass es wackelt und schwankt, – das Lebenshaus. Inzwischen betrachte ich mich als Wackelexperten, als Fachmann für das schwankende Leben und denke dankbar an die Turmbesteigung zurück. Wenn also ( ) irgendetwas bei Ihnen ins Schwanken gerät, wenn es irgendeinen Wackelkontakt gibt, wenn Sie irgendwie aus dem Gleichgewicht kommen und unsicher werden sollten: Denken Sie dran: Nur was wackelt, kann auch stehen bleiben, kann aushalten, dass es im Leben hin und hergeht und nicht einfach fest steht. Die Bibel sagt, dass Gott es ist, der wankende Knie fest machen will. (Jes.35,3/Hebr.12,12) Gut zu wissen… (Text von Ludwig Burgdörfer) Diesem Text von Ludwig Burgdörfer habe ich nun auch gar nichts mehr hinzu zu fügen; ausser, dass es wirklich gut ist, zu wissen, dass Gott die wankenden Knie fest machen, (Jes.35,3/ Hebr.12,12) das geknickte Rohr nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht nicht auslöschen will, (Mt 12,20) und dass es manchmal eben auch so ist, wie in der Fabel vom schwankenden Schilfrohr und der Eiche. Die Eiche mag zwar durchaus kräftig wirken, aber um die Lebensstürme zu bestehen, braucht es bisweilen auch in Glaubensfragen P0260 8 die Biegsamkeit und Zähigkeit und Widerstandsfähigkeit eines schwankenden Schilfrohrs. Denn nur was schwankt, hält auch was aus. Amen. gehalten in Wettingen am 18. Mai 2014 in Neuenhof am 25. Mai 2014 Autor: Stefan Burkhard P0260 9 gehalten in Wettingen am 18. Mai 2014 in Neuenhof am 25. Mai 2014 Autor: Stefan Burkhard Ich bitte Sie, sich zum Gebet zu erheben: Unser Gott, wir meinen oft, wir müssten immer stark sein. Denn nur wer stark und sicher ist, kann etwas bewirken oder anderen Halt geben. Dabei hast du doch gesagt, dass du aus Ersten Letzte und aus Letzten Erste machst; und auch Paulus schreibt, dass er sich seiner Schwachheit rühmen will, damit die Kraft Christi bei ihm Wohnung nehme. (2. Kor 12, 9) Wir meinen auch oft, dass wir übermenschliche Glaubenshelden sein müssten. Dabei wolltest du uns mit deiner Menschwerdung einen menschlichen Glauben erschliessen, der sich unserer Schwachheit annimmt. Unser Gott, du bist wahrhaftig ein guter Gott. Bei dir dürfen wir sein, was wir sind. Bei dir müssen wir nichts aus uns machen, was wir nicht sind. Bei dir finden wir immer unsere Heimat, unseren Grund und unser Ziel. Lass uns deshalb in dir Wohnung nehmen, damit wir befreit von Zwängen leben. Lass uns dein gutes Evangelium auch leben und hinaustragen zu anderen Menschen. Und alles, was uns sonst noch bewegt, das fassen wir zusammen, wenn wir gemeinsam das „Unser Vater“ beten: Unser Vater im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Sie können sich wieder setzen; und ich bitte Sie, als Fortsetzung des Gebets vom Lied 679 alle 3 Strophen zu singen. Lied NRG: 679; 1-3 (Herr Gott, du bist uns Trost und Trutz)