„Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“ – Diese
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„Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“ – Diese
„Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt“ – Diese Losung, die erste Zeile der Nationalhymne der DDR, entsprach hinsichtlich der wirtschaftlichen- und technologischen Lage des Landes nach dem zweiten Weltkrieg sicher der Wahrheit. Im Vergleich zur Bundesrepublik litt die DDR unter größerer technologischer Ausbeutung und unter dem einseitigen Handel mit dem neuen Freund und Sieger, der UdSSR. Außerdem war die Basis des kleinen Landes von Rohstofen, wie Steinkohle, Kupfer und Eisenerz, denkbar schlecht. Die wirtschaftliche Entwicklung der DDR lässt sich in fünf Phasen einteilen, die erste Phase von 1945 bis 1953, ist die Phase des Wiederaufbaus; 1954 bis 1961 dann beginnt der Aufbau des Sozialismus; das neue ökonomische System von 1962 bis 1970; schließlich ab 1971 mit der Machtübernahme durch Erich Honecker auch die Umwandlung unter ihm; und schließlich als letzte Phase, ab 1982 bis 1989, der ökonomische Niedergang der DDR. Die dritte Phase scheint die interessanteste zu sein. Nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 hatte eine kurze Phase der liberalen Entwicklung innerhalb des DDR Sozialismus 1 Haus des Dokumentarfilms – www.dokumentarfilm.info begonnen. In der Mitte der 60er Jahre leitet Walther Ulbricht eine neue politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Phase ein, auch mit der Absicht die DDR zu einem starken wirtschaftlichen Mitglied innerhalb des Ostblocks also des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) zu machen und damit auch das kleine Land in eine wirtschaftlich blühende Zukunft zu führen. Forschung und Technologie wurden modernisiert und von 1963 bis zum Ende der 60er Jahre versuchte man mittels des neuen ökonomischen Systems mit einer Reform der Planwirtschaft fortschrittlicher zu werden. Dieses System beinhaltete mehr dezentrale Entscheidungsmöglichkeiten: die Einführung von realistischeren Preisen und Anreize für die Arbeitnehmer die produktive Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Der Modernisierungsprozess Mitte der 60er Jahre wurde durch das Zusammentrefen mehrerer Faktoren verursacht: So zum einen durch den Bau der Berliner Mauer – dadurch war dem Abwandern der technologischen, medizinischen Intelligenz und der Facharbeiter ein Ende gesetzt – ein Generationswechsel, so wie in vielen anderen Ländern auch; konstante wirtschaftliche und ökonomische Engpässe in der Produktion, teilweise auch wegen der harten Handelsbedingungen mit der UdSSR; die Anerkennung von Wissenschaften als produktive Kraft im marxistisch –leninistischen Denken; die erste große Welle der kybernetischen Forschung und des kybernetischen Denkens und die Kybernetik als ein neues, leistungsfähiges Werkzeug der wissenschaftlichen Selbstkontrolle, auf der einen Seite und der Leitung der Partei auf der anderen Seite; das neue ökonomische System mit dem dezentralisierten Industrieentscheidungen; das erste DDR Atomkraftwerk in Reinsberg, nördlich von Berlin, 1966 und die Welle der internationalen Anerkennung der DDR ab 1969. Auch die vierte Phase – die 70er Jahre – sind interessant, vor allem, weil die DDR mehr importierte als sie exportierte – dies war eine Folge des intensiven sozialen Programms unter Erich Honecker. Die Modernisierung wurde in bestimmten Bereichen, z.B. der Mikroelektronik oder auch dem Wohnungsbau fortgesetzt und dies schuf in den 70er Jahren einen großen Berg von Schulden, der schließlich bis zu einem gewissen Grad auch den Fall der Mauer verursachte. Das Hauptthema war in den 70er Jahren: Probleme; Zukunftsprobleme – Wie kann man sie lösen; wie kann man 2 Haus des Dokumentarfilms – www.dokumentarfilm.info Energieprobleme lösen? Die Wissenschaftssendungen im DDRFernsehen hatten eine ganz spezielle Bedeutung, denn Medien in der DDR waren in den Händen des Staates und sie wurden zentralisiert. Gemäß ihrer Rolle mussten die Medien Sprachrohr der sozialistischen Partei und der sozialistischen Regierung sein. Heute spiegeln Radio und TV für uns, die wir sie rekonstruieren, die politischen Absichten der Partei und Staatsführung zu den jeweiligen Zeiten der DDR wieder. Auf dem Gebiet, von dem ich hier sprechen möchte – Visionen der Zukunft in der Vergangenheit – waren Wissenschaft, Industrie und Energie die Kernthemen und diese Themen folgten den politischen Entscheidungen in Wellen und Kampagnen; manchmal diese Wellen auch wieder kurzfristig revidierend oder ihnen widersprechend. Die 60er Jahre, als ein Hauptjahrzehnt nicht nur für und in der DDR, spiegeln diese zukünftigen Visionen am intensivsten wieder. Deshalb sollen auch die 60er Jahre im Mittelpunkt meiner Ausführungen stehen und im Fokus stehen ausschließlich publizistische Sendungen d.h. Berichte, Dokumentationen und Feature. Es war die Zeit, in der sich in der DDR das Fernsehen zum Massenmedium entwickelte und deswegen herausragend diese Sendungen in das Programm aufgenommen wurden. Im folgenden Jahrzehnt, also in den 70er Jahren, wurden dann schon wieder die Visionssendungen zu Gunsten der Unterhaltungsfunktion deutlich weniger, spätestens nach der großen Programmreform von 1971 im DDR- Fernsehen. Die 60er Jahre waren aber auch das Jahrzehnt einer neuen Welle von zukünftigen Visionen weltweit, besonders des Weltraums und der Reise zum Mond. Die nach dem Start des sowjetischen Satelliten Sputnik 1957 vor allem vom ersten Weltraumfug eines Menschen, dem von Juri Gagarin 1961, ausgelöste Weltraumeuphorie fndest sich massiv im DDR-Fernsehen wieder. Die 60er Jahre waren aber auch das Jahrzehnt der Etablierungen neuer Fernsehprogrammtypen und von der intensiven Ausbreitung des Fernsehen allgemein. Die Ausdiferenzierung galt populärwissenschaftlichen Formen, Reihen und Magazinen. Die frühen 60er Jahre sind vom Formieren, in Redaktionsstrukturen, im Genrekanon und in den ersten seriellen Strukturen geprägt. Vor dem Hintergrund der beginnenden wissenschaftlich- technischen Revolution rückt naturwissenschaftliche Bildung in den Fokus programmpolitischer Überlegungen. Zukunftsvisionen werden thematisiert und die Ratgeberfunktion des Fernsehens gestärkt. Deshalb ist es kein Wunder, dass Zukunftssendungen in den 60er Jahren das ganze Programm dominieren. Typisch für diese Zeit sind zwei Richtungen, zum einen der internationale Fokus auf den Weltraum-Wettlauf zwischen der UdSSR und der USA und der DDR spezifsche Fokus der sich 3 Haus des Dokumentarfilms – www.dokumentarfilm.info mit Rohstofen der Energie und den Nahrungsvisionen befasst. Andere Themen über die vier Jahrzehnte hinweg waren: die Zukunft des Verkehrs, die Zukunft der Menschheit, die auf die wirksame Ausnutzung der Umwelt ausgerichtet ist, die Zukunft der Kommunikation, der Medizin und der Umgang mit dem Wetter. Es würde interessant sein dies einmal international zu vergleichen; es würde wahrscheinlich nicht viele Unterschiede im Rahmen der Themen geben, denn auch in der Bundesrepublik waren zu dieser Zeit die wichtigsten Zukunftsfaktoren, von denen die künftige Gesellschaftsstruktur geprägt werden sollte, die wissenschaftlichen Umwälzungen, die Automation, Fortschritte in der Raumfahrt, Verhütung von Kriegen und Wafensystemen. Wahrscheinlich in engen Zusammenhang mit der großzügigen Etablierung gleich zweier Hauptabteilungen innerhalb des DDR-Fernsehens, zum einen für Wirtschaft und Wirtschaftspolitik, zum anderen für Wissenschaft und das astronautische Studio. 1961 wurden entsprechende Reportagen ein früher und schon relativ stabiler Programmbestandteil. Oft wurden Probleme des wissenschaftlich-technischen Fortschritts behandelt, aber alle Sendungen hatten demonstrativ auch den Blickwinkel des Systemvergleichs. Während es anfänglich noch Reportagen und Berichte waren, die sich mit dem Fortschritt in Gestalt favorisierter Industriezweige und neuer Technologien zuwandten, wurde gegen Ende des Jahrzehnts, also der 60er Jahre, die Perspektive geweitet und die wissenschaftlichtechnische Revolution als komplexer Prozess dargestellt. Die bisherigen Einzelsendungen zu Ecksteinen der Industrie genügten ofenbar weder der Partei, noch den fernseheigenen Intentionen. So entstand zum Beispiel die bedeutsame Reihe „Bilder und Bemerkungen zur technischen Revolution“. Es wurde ein Anspruch gestellt globale und epochale Dimensionen in der Symbiose von Film und Populärwissenschaft zu vermitteln. Die Sendungen der Reihe „Bilder und Bemerkungen zur technischen Revolution“ befassten sich oft mit Zukunftsvisionen, so beispielsweise „Entscheidung für morgen“, „Automation“ oder „Was kostet uns die Zukunft“. Fast alle der mehr oder weniger kleinen Reihen in den 60er Jahre trugen die zukünftige Vision in ihrem Titel: „Unsere Welt von morgen“, „Visionen zur Technik im Jahr 2000“ oder auch Serien „Mit den Augen von morgen“ und „Wege in den Weltraum“, genauso die Reihe „Fernsehstudio Naturwissenschaften“ mit Sendungen wie „Öl, eine Ressource der Zukunft“, „Nachdenken über das Auto der Zukunft“, „Sind wir alleine im All“, „Mensch, Maschine, Kybernetik“ , „Kernfusion: Energiequellen von Übermorgen“. 4 Haus des Dokumentarfilms – www.dokumentarfilm.info In den siebziger Jahren befassten sich zwei große Reihen mit wissenschaftlichen Fragen , unter ihnen auch viele zukünftige Visions-Programme. So lief von 1968 bis 1970 die „FernsehUrania“ und von 1975 bis 1991 die „Neue Fernseh-Urania“. „Urania“ war in der DDR eine Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse mit dem Ziel die DDR Bevölkerung aufzuklären, insbesondere in den Bereichen Naturwissenschaften, Technik, Medizin, Ökonomie. Diese Sendungen befassten sich also genauso mit Zukunftsvisionen: „Löst das Atom unser Energieproblem“, „Die Zukunft der Erde“, „Energie für die Zukunft: Woher nehmen?“, „Wann bricht die Erde zusammen?“, „Werden unsere Enkel in der Dunkelheit sitzen?“, „Weltproblem Energie“, „Hallo Nachbar im Raum“, „Wohin wächst die Weltbevölkerung?“, - und dann in den 80er Jahren: „Können Pfanzen unsere Zukunft sichern?“, „Visionen, Ängste und Katastrophen“, „Mit den Computern in die Zukunft“ und „Wohin rollt der Verkehr?“. Typisch für die DDR Medien war, dass sie Zukunftsvisionen auf Befehl der Partei vermehrt präsentieren mussten, je nach Entscheidungen und Propaganda-Bedürfnissen, denn die Fernsehprogramme folgten immer dem jeweiligen Kurs der Partei. Drei unveränderliche Faktoren können aber in diesen Visions-Fernsehprogrammen herausgestellt werden: Das ist zum einen der Blick auf den großen Bruder, die UdSSR, als der Fokus der Orientierung, der Bewunderung in Forschung und Technologie, des Lernens aus dieser Macht; und – seit den 70er Jahren auch – der Forschungsund Entwicklungszusammenarbeit. Ein weiterer Punkt ist der Fokus auf das Rennen zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Block, sowie schließlich auf den unausweichlichen Kollaps des kapitalistischen Systems und drittens eine, mehr oder weniger, herausstechende Funktion der Wissenschaft: Fernsehprogramme zu liefern, eingebettet in Abenteuer, Aufklärung und Service, sowohl für Erwachsene, als auch für Kinder. Dieser Text ist eine Übertragung des Vortrages von Judith Kretzschmar während der Medientagung „Voll daneben?!- Das Bild der Zukunft in Dokumentarfilm und Fernsehen“ am 19. und 20.11.2009 in Stuttgart. Die Rechte verbleiben bei der Autorin Haus des Dokumentarfilms, 2009 5 Haus des Dokumentarfilms – www.dokumentarfilm.info 6 Haus des Dokumentarfilms – www.dokumentarfilm.info