Die Zentrale des Ministeriums für Staatssi

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Jahrbuch 2006
Die Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit in der Normannenstraße
und das Untersuchungsgefängnis
Hohenschönhausen
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21. April 2006
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Margots Welt – Fundstücke aus einer verklärten Zeit | von Thomas Lukow
Margots Welt – Fundstücke aus
Gläubige und „negativ-feindliche Elemente“, schickte in einer
einer verklärten Zeit.
Konferenzschaltung via Satellit nach Chile Kampfesgrüße an
Thomas Lukow
Margot.
Sie möchte ja nicht mehr zurück nach Deutschland. – Außer
Im Buchladen lag ein Buch von Luis
der Staatsanwaltschaft hat auch niemand so richtig Interes-
Corvalan mit dem Titel Gespräche
se daran. Ihre Verantwortung für Zwangsadoptionen und
mit Margot Honecker für 1,99 Euro.
Zwangseinweisungen in Kinderheime, für das Schicksal der
Doch nicht einmal diesen Preis ist es
Kinder Verfolgter oder für die willkürliche Einweisung „ver-
wert. Wenn man es aufschlägt, um
haltensauffälliger“ Jugendlicher in Jugendwerkhöfe ist nicht
zu erfahren, womit sich die Ge-
vergessen.
schichtsrad-Dreher nach 15 Jahren
Im Klappentext wird ausdrücklich darauf hingewiesen,
deutscher Einheit munitionieren, fühlt man sich in die alte
dass Frau Honecker keinerlei Urteile über Weggefährten,
DDR versetzt.
die mittlerweile die Seiten wechselten, abgeben wird.
Obwohl Genosse Hans Modrow seinerzeit die Buchpräsenta-
Genauso wenig dürfe man etwas über ihre Intimsphäre
tion in Berlin vor alten und neuen Mitstreitern übernahm, hat
erwarten. Das nimmt man erleichtert zur Kenntnis, die
sich der Verlag „Das Neue Berlin“ mit den erhofften Verkaufs-
innigen Küsse ihres Mannes, die er mit Breshnew und
zahlen wohl verkalkuliert. Hans, der Freund aus alten Zeiten,
Ceaucescu tauschte, sind noch in unangenehmer
in denen die Welt noch so schön einzuteilen war in DDR-
Erinnerung.
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Lüge und Legende begegnen einem schon auf der zweiten
wurde. Zusätzlich waren politisch Verfolgte aus dem Ostblock
Umschlagseite. Hier wird wie zu DDR-Zeiten behauptet, der
und Agenten des BND und CIA dabei. Seit Jahren bekannt
Buchautor Luis Corvalan, der als Generalsekretär der kom-
und publiziert!
munistischen Partei Chiles und Senator im Gefängnis der
Im Prolog erläutert Corvalan dann den Grund für dieses
Pinochet-Diktatur saß, sei dank internationaler Solidarität
Buch. Er wolle seinen chilenischen Landsleuten die vergan-
freigekommen. Zu meiner Schulzeit mussten wir vorgedruck-
gene DDR sowie seinen revolutionären Freund Erich Hone-
te Postkarten für die Freilassung Corvalans ausfüllen. Den
cker und dessen Frau nahe bringen, die ja nun in ihrer Mitte
Rest übernahm die Schule. Nach der Meldung über das Ende
lebe. Corvalan sieht sich in der Pflicht, „die Stimme des Ab-
seiner Haft, worüber das Neue Deutschland in großer Aufma-
scheus zu erheben, gegen den infamen Prozess, der im Kohl-
chung berichtete, verwiesen die Staatsbürgerkundelehrer mit
Deutschland gegen die engsten und ehrenwerten Mitstreiter
geschwellter Brust auf die internationale Bedeutung der DDR.
Honeckers eröffnet und fortgesetzt wird, die als Richter,
Dies glaubten auch viele Schüler und waren darauf stolz, dass
Offiziere und Soldaten in den Sicherheitsorganen oder als
Postkarten aus der DDR genügten, um eine verbrecherische
Minister tätig waren“. Aus Trümmern habe man ein Land
Diktatur in die Knie zu zwingen.
errichtet, in dem die Menschenrechte Realität wurden und
In Wirklichkeit gab es einen Deal, vermittelt von der Bundes-
wo für das Glück und Wohlergehen jedes einzelnen gesorgt
republik und dem BND, durch den Luis Corvalan gegen den
worden wäre.
sowjetischen Dissidenten Wladimir Bukowski, der Jahre im
Wir politischen Häftlinge müssen auf einem anderen Stern
GULAG und in Psychiatrien verbringen musste, ausgetauscht
gelebt haben.
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Frau Honecker antwortet dann auf die sehr „hintergründi-
weil die Großgrundbesitzer und das preußische Junkertum
gen“ und „geistreich“ formulierten Fragen Herrn Corvalans,
„als schon immer bekannte Unruhestifter“ geflohen seien. Die
der sein „profundes Hintergrundwissen“ einmal mehr un-
Vertreibung durch die exzessiv betriebene Zwangskollekti-
ter Beweis stelle. Sie berichtet stolz vom Ausbau der großen
vierung wird beschönigend als antifaschistisch-demokratische
Kulturstätten, die von der Welt und den „Herren im Westen“
Notwendigkeit erklärt, mit höchstem ökonomischem Nutzen.
bewundert wurden. Welche dies sein sollen, bleibt offen. Ihre
– In den Obst- und Gemüseläden der DDR war der allerdings
Heimatstadt Halle jedenfalls und die mittelalterlichen Stadt-
nicht zu bemerken.
kerne Erfurts, Eisenachs, Quedlinburgs und Bautzens kann sie
Zur großen Politik äußert sie sich ebenso kenntnisreich.
da nicht gemeint haben.
Wenn man die Erfahrungen der UdSSR beim Aufbau der
Die Wirtschaftserfolge seien unübersehbar gewesen,
DDR nicht genutzt hätte, wäre man doch dumm gewe-
trotz Reparationen, Wirtschaftsboykott und der im Gegen-
sen, wendet sie ein. – Wer dies damals anders sah, fand sich
satz zum Westen viel umfassenderen Kriegsschäden. Als
schnell im Gefängnis wieder. Kommunisten und Sozialdemo-
Beleg für die „großen wirtschaftlichen Erfolge“ berichtete
kraten hätten eng zusammengewirkt mit den anderen demo-
sie von der Industrieproduktion der DDR, die sich von
kratischen Parteien und Organisationen, also z.B. der CDU
1946 bis 1979 so „rasant“ entwickelt habe, dass sie das
und der LDPD. – Arno Esch, Wolfgang Natonek, Georg
23fache jener von 1936 betragen hätte. – Mit dem Vergleich
Dertinger und Max Fechner haben wohl zu intensiv mitgear-
zu Deutschland 1872 wäre der Erfolg noch grandioser.
beitet, denn sie haben mit dem Tod oder langjährigen Haft-
In der Landwirtschaft sei es leider langsamer vorangegangen,
strafen bezahlt.
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Das, was heute als Menschenrecht, Freiheit und Demokratie
Vorstellungen von einer, wie auch immer gearteten, Weltre-
„suggeriert“ werde, gibt Margot Honecker weiter zum besten,
volution kaschiert werden soll. Das eigentlich Erschreckende
solle nur davon ablenken, dass es Freiheit und Demokratie
aber bleibt, dass mit diesem unteren Mittelmaß SED-Funktio-
ohne Sozialismus niemals geben könne. Schließlich seien de-
näre 40 Jahre lang Millionen Bürger in Schach halten konnten.
mokratische Institutionen des Sozialismus, wie Wohnungs-
Am Ende ist es einfach nur bedauerlich, dass so wenige Träger
kommissionen, gewählte Hausgemeinschaftsvertretungen und
des SED-Systems diese letzte Reise nach Chile antraten.
Elternvertretungen in Schulen und Kindergärten die wirkliche
Garantie für Freiheit und Demokratie.
Es folgen noch viele dieser hohlen und gestanzten Phrasen aus
dem Parteilehrgang der SED auf gut 150 Seiten. Der Epilog
argentinischer Kommunisten ist in gleicher Preislage geschrieben, Bilder aus Honeckers Leben komplettieren das Ganze.
Stephan Hermlins Ergebenheitsadresse vom 22.10.1989 ist
ebenso abgedruckt wie ein Kampfgruß Erich Honeckers an die
Deutsche Kommunistische Partei vom 17.6.1981.
Alles in allem kommt hier die ganze ideologische Enge mit all
ihren vereinfachenden Klischees zum Ausdruck. Kleinkarierte Denkweisen bestimmen das Weltbild, das mit den diffusen
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