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2010/2 C LASS AKTUELL CLASS a k t u e l l Association of Classical Independents in Germany CHRISTIAN THIELEMANN ZUKÜNFTIGER CHEFDIRIGENT DER STAATSKAPELLE DRESDEN J.S. Bachs Leipziger Choräle Silbermann-Orgel, Freiberg Benjamin Godard vorgestellt vom Trio Parnassus Frank Martin Steven Sloane, Stavanger Symphony Orchestra “The Romantic Piano Concerto” Hyperion präsentiert Volume 50 FRÉDÉRIC CHOPIN PORTRAIT EINES GENIES GUDRUN SCHAUMANN 12:47 Uhr Seite 1 Herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag! 04.05.2010 Foto: Marc Vanappelghem CHRISTIAN ZACHARIAS 3010 Anzeige Zacharias CLASS040510:Layout 1 ...der feine Unterschied! KlangSinn nuanciert schnörkellos – schlichtweg begeisternd. Robert Schumann Piano Quintet op. 44 Complete String Quartets op. 41 Christian Zacharias, piano Leipziger Streichquartett MDG 307 1610-2 (CD) Musikproduktion Dabringhaus und Grimm Telefon 05231-93890 Vertrieb: Codaex Deutschland GmbH Telefon 089-82000233 - Fax 089-82000093 Gramola Wien: klassik@gramola.at MusiKontakt Zürich: info@musikontakt.ch al I ndepe sic nd as ts i en n Germa ny CLASS a k t u e l l iat ion of soc Cl As Über Geschmack lässt sich streiten, heißt es. Manche sagen auch: Über Geschmack CLASS aktuell 2 / 2010 lässt sich NICHT streiten. Gemeint ist natürlich dasselbe. Wo es um ästhetische Vorlieben Inhalt geht, enden Common Sense und gesellschaftliche Vernunft, hilft keine juristische Instanz und keine Laboruntersuchung. Zwar können wir uns darüber verständigen, welche 4 Frequenz ein Ton hat und welches Obertonspektrum. Aber ob uns die Tonhöhe angenehm ist, ob wir den Klang als kristallklar oder schon als schrill wahrnehmen, als „schön warm“ oder „ziemlich dumpf“, das bleibt eine subjektive Entscheidung. Manche empfinden 6 Mit Selmer Saxharmonic auf symphonischen Pfaden 7 Der Thomanerchor Klänge auch als „gelb“ oder „rot“. Mit eigenen Ohren hören Christian Thielemann zukünftiger Chefdirigent der Staatskapelle Dresden erinnert an die Sprengung der Universitätskirche zu Leipzig Dass wir da nicht einer Meinung sind, hat zunächst anatomische Gründe. Sie kennen 8 das beliebte Partyspiel: Hast du angewachsene oder frei hängende Ohrläppchen? Diese Gudrun Schaumann über ihre große musikalische Liebe fleischigen Anhängsel sind aber nicht einfach nur ein kurioser Kopfschmuck, sondern dienen dem Ohr als Resonanzkörper. Jedes Ohrläppchen ist anders, jede Ohrmuschel sowieso, jede Hörschnecke, jedes Trommelfell. Einem jeden Menschen sind die 10 11 Erfahrung und Umwelt. Ein schönes Beispiel: Tierstimmen werden sehr unterschiedlich deutsche Wau-Wau des Hundes wird im Französischen eindeutig jambisch (ouah-ouah), 12 Serge Diaghilews „Balletts russes“ Eine umfangreiche Werkschau im Russischen konsonantisch (gav) und im Türkischen, nun ja, türkisch (kuçukuçu). Auch das Schwein sagt nur bei uns oink-oink, in den slawischen Sprachen hört man im Sloane und Oliemanns Orchesterwerke von Frank Martin neu entdeckt mit dem Stavanger Symphony Orchestra Wichtiger noch als die anatomische Anlage jedoch ist die Prägung unseres Hörens durch wahrgenommen, je nachdem, in welchem Sprachraum man aufgewachsen ist. Das „The Romantic Piano Concerto“ Hyperion präsentiert Volume 50 Ohren anders an den Kopf gewachsen. Unmöglich, dass bei zwei Menschen dasselbe Signal im Gehirn ankommt. Faszination Schumann 13 Craig Frederick Humber: Bach Wie ein Blitz aus heiterem Himmel Grunzen dagegen kombinierte Konsonanten (chro-chro, kví-kví, xrju) und in Skandinavien eindeutig ö-Töne (röh, nöff-nöff). 14 Original und Fälschung Es ist doch so: Wer lange Zeit im Ausland lebt, beginnt ein Hundebellen ganz neu zu verstehen. Wer mehr hört, hört immer besser. Um einen historisierend gespielten Bach 15 von einem romantisch aufgefassten zu unterscheiden, eine analytische Interpretation weil sie von klein auf nur Wau-wau-Musik kennen. Trio Parnassus Sämtliche Klaviertrios von Benjamin Godard von einer gefühlvollen oder verspielten, muss man bereits eine Menge verschiedener Hörerfahrungen mitbringen. Manche Mitmenschen sind dagegen völlig taub für Bach, Pianoduo Trenkner Speidel 16 Frédéric Chopin Zum 200. Geburtstag eines Genies Kurzum: Jeder und jede hört verschieden. Daher kann ich Ihnen nur raten: 22 Lassen Sie sich von den folgenden Seiten inspirieren, anregen und neugierig machen. Aber entscheiden Sie dann mit Ihren eigenen Ohren. Es bleibt Ihnen auch gar nichts CLASS-Blickpunkte Neuheiten vorgestellt von CLASS aktuell anderes übrig. Schöne, individuelle Hörerlebnisse wünscht Hans-Jürgen Schaal Auflage: 135.000 Titelfoto: © Matthias Creutziger Grafik: Ottilie Gaigl CLASS Association of Classical Independents in Germany e.V. Bachstraße 35, 32756 Detmold, Telefon 05231-938922 www.class-germany.de · class@class-germany.de Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.bielekat.de AUSGABE 2010/2 3 Fotos: © Matthias Creutziger Brautschau mit Folgen Christian Thielemann dirigiert die Staatskapelle Dresden in Anton Bruckners achter Symphonie Es war einer jener Momente, die sich zufällig ergeben und doch nicht besser hätten geplant werden können: Im September 2009 musste der Generalmusikdirektor der Sächsischen Staatsoper Dresden, Fabio Luisi, seine Mitwirkung am 2. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle in der Semperoper krankheitsbedingt kurzfristig absagen. Bereits im Juni 2009 hatte er bekannt gegeben, dass er seinen Vertrag in Dresden nicht über 2012 hinaus verlängern werde und im gleichen Jahr als Generalmusikdirektor ans Opernhaus Zürich wechseln wird. Als unverhoffter „Einspringer“ konnte Christian Thielemann gewonnen werden, der sich nach dem Bayreuther „Ring“-Sommer gerade im Erholungsurlaub auf Sylt befand. Thielemann hatte wenige Wochen zuvor ebenfalls erklärt, seinen Vertrag als Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker nicht über 2011 hinaus verlängern zu wollen. So kam es zu einem denkwürdigen Konzert, das nicht zuletzt auch durch die Programmänderung zu einem „überdimensionalen Probedirigat“ (Die Zeit) geriet: Thielemann dirigierte auf eigenen Wunsch Anton Bruckners gewaltige achte Symphonie, einen der Gipfel der abendländischen Symphonik. Wenig später kürten ihn die Musiker der Staatskapelle zu ihrem neuen Chefdirigenten ab der Saison 2012/2013. Der Rundfunk-Mitschnitt dieses Konzertereignisses liegt hiermit erstmals auf CD vor. D ie Bekanntschaft reicht zurück in das Jahr 2003. Damals stand Christian Thielemann zum ersten Mal am Pult der Sächsischen Staatskapelle, jenes ältesten deutschen Traditionsorchesters, mit dem er nicht nur die Vorliebe zu Wagner und Strauss teilt. Thielemann dirigierte damals die traditionellen Requiem-Konzerte am 13./14. Februar, in denen das Orchester alljährlich der Zerstörung Dresdens im Kriegswinter 1945 gedenkt. Mehrere Jahre hatte man sich um den aufstrebenden deutschen „Star“ unter den Dirigenten bemüht, der aber immer anderweitige Verpflichtungen hatte. Dann also die Konzerte mit Johannes Brahms’ „Ein deutsches Requiem“ in der Semperoper, die den Dirigenten schlichtweg überwältigten: „Es war eine so außergewöhnliche Atmosphäre, die ich mir nie hätte erträumen lassen. Ein Konzert ganz ohne Applaus, und dann zu diesem Anlass, der mich schon als Kind berührt hat. Beim Auf- und Abtreten hatte ich eine Gänsehaut. Und anschließend, beim Verlassen 4 AUSGABE 2010/2 des Theaters, läuteten die Glocken. Das alles hat mich tief bewegt.“ Nach einer Wiederholung des Konzertes am 15. Februar in der Berliner Philharmonie (auf Einladung des damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau) stand Thielemann im Oktober 2003 im Rahmen einer kurzfristig eingeschobenen „Wagner-Gala“ in der Semperoper erneut am Pult der Staatskapelle. Danach verlor man sich ein wenig aus den Augen: Thielemann wurde 2004 Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker. Die Sächsische Staatskapelle entschied sich für den Italiener Fabio Luisi, der 2007 sein Amt an der Elbe antrat. Eine Rückkehr in die Semperoper ließ sich mit Thielemanns Terminkalender nur schwer vereinbaren. Erst für den Februar 2010 gelang es, erneut ein Requiem-Konzert mit ihm in Dresden zu terminieren. Dann kam es jedoch zu der unerwarteten Absage Luisis, so dass Thielemann früher als geplant aus dem Urlaub und ans Pult der Kapelle zurückkehrte. „So bin ich eben etwas eher aus Sylt zurück und helfe Freunden aus“, erklärte er in einem Gespräch mit Michael Ernst in den Dresdner Neuesten Nachrichten. „Wissen Sie, ich hab so viel zu tun gehabt, und CLASS a k t u e l l es kommen immer so viele Anfragen, gerade aus Dresden, wo ich auch schon zweimal absagen musste, da bin ich doch froh, wenn es jetzt mal geklappt hat.“ „Brautschau mit Bruckner“ Natürlich schlugen die Wellen hoch, als Thielemann, der nicht gerade als Einspringer bekannt ist, das Konzert der Staatskapelle kurzfristig übernahm. Sofort wurde über einen Weggang des Dirigenten aus München spekuliert, dem sich mit der 2012 frei werdenden Dresdner Chefstelle und der Doppelfunktion der Staatskapelle als Opern- und Konzertorchester eine ideale Position bieten würde. Thielemann hielt sich dazu in der Presse bedeckt. „Man darf sich nie selbst ins Spiel bringen“, äußerte er in einem Interview mit Julia Spinola in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Deren Sonntagszeitung titelte allerdings schon einen Tag zuvor mit „Brautschau mit Bruckner“ und sprach von einem „historischen Konzert“, das so oder so „Folgen haben wird“. Die Brisanz der Ereignisse lag also in der Luft, zumal Thielemann vom Dresdner Kapellklang im FAZ-Interview in höchsten Tönen schwärmte: „Das Orchester liegt mir … Die wechselnden Orchesterleiter haben den Klang in Dresden nicht umgekrempelt. Das ist doch eigent- Anton Bruckner: Symphonie Nr. 8 Live-Mitschnitt aus der Semperoper Dresden, September 2009 Staatskapelle Dresden / Christian Thielemann, Ltg. CD PH10031 / Profil Edition Günter Hänssler lich irre, oder?“ Und im Gespräch mit Guido Glaner für die Dresdner Morgenpost stellte er der Staatskapelle einzig die Wiener Philharmoniker zur Seite, die ebenfalls „Opern- und Konzertorchester zugleich sind. Es gibt in dieser Art nur diese beiden. … Es sind Bruder- und Schwester-Orchester.“ Ähnlich wie bei den Wiener Philharmonikern liegen die Stärken der Staatskapelle natürlich vor allem im romantischen und spätromantischen deutschen Repertoire – etwa in den Opern Wagners, die von „Rienzi“ bis „Parsifal“ bereits allesamt in Dresden konzipiert und teilweise hier uraufgeführt wurden, und in denen von Richard Strauss, der allein neun seiner Opern in AUSGABE 2010/2 5 Dresden herausbrachte und der Staatskapelle, quasi zum Dank, seine gigantische „Alpensinfonie“ widmete. Und natürlich in der Symphonik von Beethoven über Schumann und Brahms bis hin zu Anton Bruckner. Dass das Orchester damit auf mehr als einer Wellenlänge mit den Vorlieben Christian Thielemanns liegt, der für genau dieses Repertoire weltweit gefeiert wird, ist einleuchtend. Kein Wunder also auch, dass sich Thielemann in Abänderung des Programms für ein Bekenntniswerk entschied, das ihm besonders am Herzen liegt: Bruckners achte Symphonie. „Dieses Werk war Herrn Thielemanns ausdrücklicher Wunsch“, erklärt Jan Nast, Orchesterdirektor der Staatskapelle, der mit dem Dirigenten ebenfalls seit Jahren in engem Kontakt stand. „Das Ganze musste innerhalb kürzester Zeit entschieden werden, und natürlich waren auch wir mit dieser Programmwahl ausgesprochen glücklich.“ Thielemann knüpfte mit der Wahl an die lange Bruckner-Tradition der Staatskapelle an, die die achte Symphonie in Dresden zuletzt im Dezember 2002 unter ihrem damaligen Chef Bernard Haitink musiziert hatte. Es war – ähnlich geschichtsträchtig – das erste Konzert, das nach der Flutkatastrophe des Sommers 2002 wieder in der Semperoper stattfinden konnte (und ist im Rahmen der Edition Staatskapelle Dresden als Volume 24 ebenfalls auf CD erschienen PH07057). Tobias Niederschlag Mit Selmer Saxharmonic auf symphonischen Pfaden www.selmer-saxharmonic.de R Sinfonie Nr. 1, f-Moll Sinfonie Nr. 2, F-Dur Sinfonie Orchester Osnabrück Hermann Bäumer, Dirigent MDG 632 1491-2 Sinfonie Nr. 3, D-Dur Sinfonie Nr. 4, c-Moll MDG 632 1492-2 Sinfonie Nr. 5, d-Moll In den Bergen op. 7 MDG 632 1493-2 ussland, Frankreich, Böhmen und die Neue Welt: Was für eine phantastische Reise… Unter der renommierten Leitung von Milan Turković präsentieren die zwölf Solisten von „Selmer Saxharmonic“ erstmals diese faszinierenden Instrumentenfamilie in sinfonischer Dimension des Saxophon-Klangs. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts von Adolphe Sax erfunden, um im Orchester die Klanglücke zwischen Holz- und Blechbläsern zu schließen, entwickelte sich das Saxophon auf zwei Pfaden. In der Jazz- und Unterhaltungsmusik ist der rauchige, kernig melancholische Klang kaum mehr wegzudenken, daneben hat sich gerade in den vergangenen Jahren über eine grundierte Hochschulausbildung eine hervorragende klassische Szene gebildet. Dass Sopranino, Sopran, Alt, Tenor, Bariton bis zum gewichtigen Bass-Saxophon eine große Klangpalette mit riesigen dynamischen Mög- Musikproduktion Dabringhaus und Grimm Tel. 05231-93890 Vertrieb: Codaex Deutschland GmbH Tel. 089-82000233 - Fax 089-82000093 Gramola Wien: klassik@gramola.at MusiKontakt Zürich: info@musikontakt.ch lichkeiten darstellen, mag dabei weniger überraschen, als die hochexpressive quirlige Virtuosität, die diesen Instrumenten hier entlockt wird. Alle Arrangements, darunter Dvořáks Slawische Tänze, Milhauds „Scaramouche“ und Schostakowitschs „Jazz-Suite“, scheinen den Saxophonisten unmittelbar auf den Leib komponiert worden zu sein. Dazu noch ein gelungener Ausflug in Gershwins Jazz-Welt und als besonderer Höhepunkt der „Devil’s Rag“ von Jean Matitia: Hier machen höchste Virtuosität, aber auch Geschmeidigkeit in der Tongebung bis hin zu avangardistisch getupften Artikulationen das Zuhören zu einem wahren Vergnügen. Es ist sicher auch der Begeisterung des Bläserspezialisten Milan Turković zu verdanken, dass sich zwölf gefragte Solisten, internationale Preisträger, Mitglieder der längst im Konzertleben etablierten Ensembles panta rhei, clairobscur, Alliage und Sax Allemande regelmäßig in großer Besetzung zusammen finden und als „Selmer Saxharmonic“ tatsächlich eine neue Dimension des Saxophon-Klangs zu kreieren. Fazit: Audiophil. Für alle Freunde feinster Bläserkammermusik eine Super-Audio-CD mit allerhöchstem Suchtpotential. Lisa Eranos „Flying Saxophone Circus“ Dvořák: 3 Slawische Tänze Milhaud: Scaramouche Schostakowitsch: Jazz-Suite Nr. 2 Gershwin: Suite American Stories Matitia: Devil's Rag Selmer Saxharmonic / Milan Turković, Ltg. MDG 910 1625-6 (Hybrid-SACD) 6 AUSGABE 2010/2 Foto: © Werner Kmetitsch Sämtliche Sinfonien Josef Bohuslav Foerster DEVIL’S SAX around the world Fotos: Fritz Tacke Foto: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig CLASS a k t u e l l Sieben Jahrhunderte lang prägte die Paulinerkirche das Leipziger Stadtbild. Im 13. Jahrhundert als Klosterkirche der Dominikaner erbaut, weihte sie Martin Luther im Jahr 1545 als evangelische Universitätskirche. 1968 ordneten die Machthaber der damaligen DDR die Sprengung der Universitätskirche an. Zur mahnenden Erinnerung an die Sprengung am 30. Mai 1968 D er Thomanerchor Leipzig würdigt mit seiner neuen CD die 1968 zerstörte Universitätskirche St. Pauli zu Leipzig. Im 13. Jahrhundert erbaut, überdauerte die Kirche die Völkerschlacht sowie den Ersten und Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet. 1968 jedoch beschlossen das Politbüro der SED, der Leipziger Stadtrat sowie der Senat der Universität, die Kirche zu sprengen und den Leipziger Augustusplatz im sozialistischen Sinne umzugestalten. Eine Kirche passte nicht in den Campus der damaligen Karl-Marx-Universität. Die CD erscheint zum Jahrestag der Zerstörung am 30. Mai. Gemeinsam mit dem Gewandhausorchester und Solisten erinnert der Thomanerchor an die Der Thomanerchor und die Universitätskirche St. Pauli Leipzig St Thomas’s Boys Choir and the University Church St Pauli Leipzig Johann Sebastian Bach · Dimitri Terzakis Felix Mendelssohn Bartholdy · Max Reger Heinz Werner Zimmermann Thomanerchor Leipzig Gewandhausorchester Thomaskantor Georg Christoph Biller Der Thomanerchor und die Universitätskirche St. Pauli Leipzig Thomanerchor Leipzig, Gewandhausorchester Thomaskantor Georg Christoph Biller CD ROP4032 / Rondeau Production © 2010 große historische und kulturelle Bedeutung der Universitätskirche St. Pauli. Komponisten von Johann Sebastian Bach über Felix Mendelssohn Bartholdy bis zu Dimitri Terzakis beleuchten die Jahrhunderte lange gemeinsame Geschichte und die musikalische Beziehungen zwischen Universität und Thomanerchor Leipzig. Bachs Motette „Der Geist hilft unser Schwachheit auf “ BWV 226 erklang erstmals im Oktober 1729 in der Universitätskirche St. Pauli. Die Thomaner sangen zur Trauerfeier ihres Schulrektors Johann Heinrich Ernesti. Auch die Trauerode „Lass, Fürstin, lass noch einen Strahl“ BWV 198 erlebte ihre Uraufführung in der Universitätskirche. Als Thomaskantor hatte Bach die weltliche Kantate für den Trauerakt der verstorbenen Christiane Eberhardine komponiert. Die beliebte sächsische Fürstin und polnische Königin war Ehefrau von August dem Starken. Werke von drei weiteren Leipziger Musikerpersönlichkeiten sind auf der neuen CD eingespielt: „Der 43. Psalm: Richte mich Gott“ des einstigen Gewandhauskapellmeisters Felix Mendelssohn Bartholdy sowie Max Regers ChoralAUSGABE 2010/2 7 kantate „O wie selig seid ihr doch, ihr Frommen“. Reger war von 1907 bis 1908 Universitätsmusikdirektor in Leipzig. Sein heutiger Amtsnachfolger David Timm begleitet die Kantate an der Sauer-Orgel der Thomaskirche zu Leipzig. In der vorliegenden Einspielung wird gottesdienstliche Kirchenmusik lebendig: Thomaskantor Georg Christoph Biller lässt einzelne Choralstrophen – wie von Reger vorgesehen – von der Gemeinde der Thomaskirche mitsingen. Anlässlich des 600-jährigen Bestehens der Universität Leipzig sang der Thomanerchor im Juni 2009 die Uraufführung der Motette „Wahrlich, ich sage euch“ von Heinz Werner Zimmermann (*1930) in der Thomaskirche. Die Komposition „Die Reden Gottes“ von Dimitri Terzakis (*1938) trägt den Untertitel „Zur mahnenden Erinnerung an die Sprengung der Leipziger Universitätskirche am 30. Mai 1968“ und bringt damit das Konzept der neuen CD auf den Punkt. Teres Feiertag Foto: Gert Mothes Der Thomanerchor und die Universitätskirche Die Thomaner singen vor dem Paulineraltar aus dem 15. Jahrhundert. Der wertvolle Altar konnte 1968 kurz vor der Sprengung der Universitätskirche gerettet werden und steht heute in der Leipziger Thomaskirche. Gudrun Schaumann und Christoph Hammer spielen Violinkompositionen von Robert und Clara Schumann und deren Weggefährten „Es war, als hätt’ der Himmel die Erde still geküsst dass sie im Blütenschimmer von ihm nur träumen müsst’... Und meine Seele spannte weit ihre Flügel aus, flog durch die stillen Lande, als flöge sie nach Haus.“ Joseph Freiherr von Eichendorff ‚‚D ie Mondnacht, diese atmosphärische Schumann-Vertonung eines Gedichtes von Eichendorff, sagt alles über Schumanns innere Welt, seinen schöpferischen Seelenursprung. Diese Stimmung durchwebt immer wieder seine Musik.“ Die große musikalische Liebe der Geigerin Gudrun Schaumann gilt, neben Johann Sebastian Bach, Robert Schumann. Ihm, seiner Frau Clara, deren Halbbruder Woldemar Bargiel und Joseph Joachim widmet sie zu Schumanns 200. Geburtstag eine Doppel-CD – als Auftakt zu einer ganzen Reihe: „The Circle of Robert Schumann“. „Schumann ist für mich ein Gratwanderer zwischen Welten, zwischen Traum und Wirklichkeit, Metaphysischem und Irdischem, zwischen Tragik, Schlichtheit und Innigkeit. Arnold Schönberg hat 1914 dem damals jungen Dirigenten Hermann Scherchen hinsichtlich seiner eigenen Kammersymphonie einmal geschrieben: ,…seine Steigerung hat keinesfalls leidenschaftlich zu sein, sondern „gesteigerte Innigkeit“. Das ist merkwürdig: Leidenschaft, das können alle! Aber Innigkeit, die keusche, höhere Form der Gefühle, scheint den meisten Menschen versagt zu sein….’ Und kein anderer Romantiker hat mit dieser Innigkeit komponiert wie Schumann, den eine so tiefe Verbindung auch zur Literatur prägte, dass er, der große Bach-Verehrer, sogar sagte: ‚Ich habe mehr Kontrapunkt von Jean Paul gelernt als irgendwo sonst.’ “ Schon sehr früh war Gudrun Schaumann von Schumann fasziniert, diesem vielseitigsten aller Komponisten, der nicht nur ein hervorragender 8 AUSGABE 2010/2 Musikkritiker war, sondern auch Dichter hätte werden können. Dabei galt ihre erste Begeisterung Richard Wagner. Als Tochter des SoloOboisten der Komischen Oper Berlin wollte sie zunächst sogar hochdramatischer Sopran werden, ehe sie sich für die Violine entschied. Aufgewachsen zunächst in Ost-Berlin und nach ihrer Flucht in West-Berlin, studierte sie bei Dorothy DeLay an der New Yorker Juilliard School. Früh erhielt sie einen Ruf nach München an die Musikhochschule – und setzte ihre Priorität nicht auf eine große Konzertkarriere. Nun, nach Jahren des Unterrichtens, der Kammermusik und einer Familienpause, rückt das Konzertieren wieder in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Dass sie für ihr CD-Projekt Schumann wählte, ist naheliegend. Dass sie aber auch Schumanns Umfeld einbezieht, ergibt ein ungewöhnliches Programm. Den drei Violinsonaten von Robert Schumann und seinen Romanzen op. 94 stellt Gudrun Schaumann die Drei Romanzen op. 22 von Clara Schumann, die Romanze C-Dur von Joseph Joachim und die Violinsonate von Woldemar Bargiel, Claras Halbbruder, zur Seite. „Claras Romanzen sind einzigartig, die erste ist mit ihren Fotos: © Angela & Lutz Stoess Fotografie Faszination Schumann CLASS a k t u e l l ungewöhnlichen harmonischen Reibungen ein Meisterwerk, das schon Brahms enthusiastisch pries. Und die leider fast restlos vergessene Bargiel-Sonate müsste zum Standard-Repertoire eines jeden Geigers gehören.“ Bargiel komponierte sie unmittelbar, nachdem er von Roberts Verbringung in die Heilanstalt Endenich bei Bonn im März 1854 erfahren hatte. Schumann war nicht nur sein Schwager, sondern auch sein Mentor und Idol. Bargiel schrieb sie in f-moll – der Tonart von Beethovens „Appassionata“, Claras Lieblingsklaviersonate, die Ausdruck von Beethovens Verzweiflung angesichts seiner Taubheit war. Bei den Schumann-Sonaten zeigt Gudrun Schaumann, die die von Ute Bär betreute NeuEdition benutzt, Facetten, die meist übersehen werden. „Wie kaum ein anderer großer Komponist durfte Schumann durch seine Liebe zu Clara eine künstlerisch so bereichernde, innige Partnerschaft und die Nähe von sieben Kindern erleben, und das spürt man besonders in seinen Liedern, Klavierwerken und in der Kammermusik. „Im Kinde liegt eine wunderbare Tiefe“, hatte er geschrieben. Das „Album für die Jugend“ komponierte er 1848 als Vater von fünf Kindern für seine älteste Tochter Marie, aber es ist keine Musik „nur“ für die Jugend. Zugleich war Schumann – neben Mozart und Schubert – das ungeduldigste aller Genies, wie ein Vulkan. Die ersten Themen in seinen Sonaten sind oft leidenschaftlich, geheimnisvoll, hochdramatisch. Dabei ist seine Musik nie äußerlich virtuos konzipiert. Ihm ging es immer um Wahres, um Tiefe. Und wie er Stimmungen und Töne gefunden hat, in denen sich Tragisch-Schwermütiges mit Lyrischem verbindet, ist für mich das Ergreifendste.“ Aufgenommen hat Gudrun Schaumann die Doppel-CD mit einem originalen Hammerflügel von Johann Baptist Streicher 1836, den sie in einer Wiener Musikinstrumentensammlung aufstöberte und für den sich auch ihr Partner Christoph Hammer, der langjährige Leiter der Neuen Hofkapelle München, sofort begeisterte. „Es ist unbeschreiblich inspirierend, mit einem historischen Hammerflügel zu spielen“, sagt sie. Schon während ihres Studiums bei Nathan Milstein in London faszinierte sie dessen „noch von einer reinen Darm-A-Saite und fein dosiertem Vibrato geprägtes schlankes, hingebungsvolles Spiel“. Begegnungen mit Nikolaus Harnoncourt brachten sie dann zur historisch informierten Aufführungspraxis. Seitdem bezieht sie immer wieder die von ihr gespielte Stradivari von 1731 mit Darmsaiten und greift zu ihrem The Circle of Robert Schumann Robert Schumann: Sonate Nr. 1 a-moll op. 105, Sonate Nr. 2 d-moll op. 121, Sonate Nr. 3 a-moll WoO, Romanzen op. 94 Clara Schumann: Drei Romanzen op. 22 Joseph Joachim: Romanze C-Dur Woldemar Bargiel: Sonate f-moll op. 10 Gudrun Schaumann, Violine Christoph Hammer, Hammerflügel CAPRICCIO C 5040 (2 SACDs) AUSGABE 2010/2 9 Léonard Tourte-Bogen von 1790; mehrfach hat sie mit Harnoncourts engen Mitarbeitern, den Hammerflügelspielern Johann Sonnleitner und Anthony Spiri zusammengearbeitet. Das Programm der nächsten „The Circle of Robert Schumann“- CDs will Gudrun Schaumann noch nicht verraten. Der große Weggefährte Mendelssohn wird wohl dabei sein, vielleicht später auch ihr „Traumstück“ aus Schumanns „immer noch weit unterschätzter letzter Schaffenszeit, sein von ungewöhnlich tiefen Registern und tragisch-dunklem Timbre geprägtes, an Magie grenzendes Violinkonzert, das leider immer noch zu wenig aufgeführt wird“. Es war dieses Konzert, in einer Aufnahme von Henryk Szeryng, an dem sie einst Feuer fing für Schumann. „Diese tragische Seite mit ihrer Schwermut, Zerrissenheit, Verzweiflung und dann die unvergleichliche Innigkeit – das hat meine ‚emotionalen Saiten‘ für immer ins Schwingen gebracht.“ Arnt Cobbers D ass die Musikgeschichte zwischen 1850 und 1950 nicht nur aus großen Namen wie Schumann, Chopin und Liszt besteht, hat keine andere CDSerie je so eindrucksvoll bewiesen wie die Reihe „The Romantic Piano Concerto“ des Labels Hyperion. Und selbst wenn – wie nun beim Volume 50 – ein prominenter Romantiker wie Tschaikowsky auf der Verpackung steht, darf man sicher sein, dass im Jubiläumsband manche Entdeckung zu machen ist. Tschaikowskys erstes Klavierkonzert ist ein „Schlager“. Es zählt nicht nur zu den bekanntesten Stücken des Komponisten, sondern auch zu den populärsten Klavierkonzerten überhaupt. Insofern ist es ein würdiges Werk für das Volume 50 einer Serie, die sich „The Romantic Concerto“ nennt. Wer nun aber weiß, dass die HyperionReihe vor allem solche Klavierkonzerte vorstellt, die zuvor noch gar nicht oder nur sehr selten auf Tonträgern zu finden waren, der wird mit Tschaikowskys Erstem allein natürlich nicht ganz glücklich sein. Doch der Raritäten-Freund wird nicht enttäuscht: Denn Stephen Hough hat auch die Konzerte Nr. 2 und 3 sowie Tschaikowskys Konzertfantasie op. 56 eingespielt. Vor allem aber präsentiert er den langsamen Satz des zweiten Konzertes gleich in drei verschiedenen Fassungen: zuerst in Tschaikowskys eigener, mit der der Komponist aber nicht ganz zufrieden war, dann in einer Kurzfassung von Alexander Siloti, die ohne Tschaikowskys Einwilligung nach dessen Tod gedruckt worden war, und schließlich in einem eigenen Arrangement, in dem er eine wörtliche Reprise dadurch aufbrach, dass er die Streichersoli in die Klavierstimme verlegte. Typisch ist die Folge 50 auch insofern für die Serie, als sie erneut mit einem außergewöhnlich hohen interpretatorischen Niveau glänzt: Denn Hough und das Minnesota Orchestra unter Osmo Vänskä spielen Tschaikowsky mit viel Kraft und Virtuosität, mit Sinn für die hochdramatischen wie melancholisch-lyrischen Züge in Tschaikowskys Musik. Dass ausgerechnet Hough den Jubiläumsband mit einer Doppel-CD bestreiten durfte, dürfte kein Zufall sein: Schließlich war dessen Einspielungen von Franz Xaver Scharwenkas viertem Klavierkonzert und Emil von Sauers erstem bereits früh der Bestseller der Reihe. Und Houghs Gesamteinspielung der Klavierkonzerte von Camille Saint-Saëns sowie dessen CD mit Mendelssohns brillanten Werken für Klavier und Orchester zählen ebenfalls zu den besten Folgen dieser an Höhepunkten wahrlich reichen CD-Serie. Dass Hyperion unter Experten heute weltweit als das Pianisten-Label gilt, hat auch mit den Romantic Piano Concertos zu tun, über die Pianisten wie Stephen Hough, Marc-André Hamlien oder Steven Osborne erstmals in Kontakt mit dem Label gekommen sind. Und neben Hough sind etwa auch Piers Lane (6 Folgen), Stephen Coombs (5), Marc-André Hamelin (4) und Howard Shelley (9) gleich mehrfach mit hervorragenden Aufnahmen in der verdienstvollen CD-Reihe vertreten. Der Initiator der Serie heißt Mike Spring und arbeitet seit 1988 als Sales Manager für Hyperion. In einem kleinen Essay zum Jubiläums-Band berichtet der leidenschaftliche Hobby-Pianist und Klavier-Enthusiast, wie die Idee zur Reihe 1990 in einem Gespräch mit dem BBC Scottish Symphony Orchestra entstanden sei. Und mit 27 Folgen haben die Schotten auch den größten Anteil an den nunmehr 50 Produktionen. 131 Werke für Klavier und Orchester wurden bis jetzt verewigt, darunter 102 Klavierkonzerte. 59 Werke sind für die Serie erstmals aufgenommen worden. Der zeitliche Rahmen reicht von Frühromantikern wie Carl Maria von Weber (1786-1826), Friedrich Kalkbrenner (1785-1849) oder Ignaz Moscheles (1794-1870) Peter Tschaikowsky Sämtliche Werke für Klavier und Orchester Stephen Hough CDA 67711 10 AUSGABE 2010/2 Foto: © Greg Helgeson Romantischer Tastenzauber Stephen Hough mit Osmo Vänskä, Chefdirigent des Minnesota Orchestra bis hin zu Spätromantikern wie Nikolai Medtner (1880-1951), ErnŒ Dohnányi (1877-1960) oder Sigismond Stojowski (1870-1946). Einen Schwerpunk bilden Komponisten aus dem englischen Sprachraum wie Henry Holden Huss, Donald Francis Tovey, Alexander Mackenzie, Joseph Holbrooke, Haydn Wood, Frederick Delius und John Ireland. Natürlich besitzen nicht alle Gattungsbeiträge dieselben Qualitäten wie etwa die Konzerte von Liszt, Chopin, Schumann, Grieg oder Tschaikowsky. „Aber es gibt augenscheinlich einige“, so Mike Spring, „die besser bekannt oder sogar Teil des Repertoires sein sollten“. Die Konzerte von Medtner, Busoni, Moszkowski, Paderewski, Scharwenka und d’Albert sind hier wohl zuerst zu nennen. Doch selbst vermeintlich schwächere Werke sind zumeist so unterhaltsam, dass es sich lohnt, sie einem größeren Publikum zu präsentieren. Und man darf sicher sein, dass Mike Spring und seinen Pianisten die Ideen nicht so schnell ausgehen werden. Howard Shelley etwa wird in Folge 51 Klavierkonzerte von Wilhelm Taubert und Jacob Rosenhein zur Diskussion stellen. Und Marc-André Hamelin hat in Berlin soeben das Reger-Konzert aufgenommen. Das Volume 50 mit den Klavierkonzerten Tschaikowskys stellt so zwar einen markanten Höhepunkt der Reihe dar, aber zum Glück keinen Endpunkt. Gregor Willmes Foto: © Christoph Fein CLASS a k t u e l l Aktuelle Konzerte: Ausführliche Informationen über das Stavanger Symphony Orchestra unter: www.sso.no Steven Sloane 17. Juni 2010: Stavanger Steven Sloane Weitere Konzerte: 12. | 13. Mai und 05. Juni 2010: Bochum Weitere Informationen: www.bochumer-symphonie.de/termine.php Thomas Oliemans 09. | 12. | 14. | 15. | 16. | 18. Mai 2010: Opéra Nancy 02. | 06. | 08. | 10. | 13. Juli 2010: Festival d´art Lyrique Aix-en-Provence Thomas Oliemans, Bariton Weitere Informationen: www.thomasoliemans.nl Spätzünder, Luftgeister und Schmankerl Orchesterwerke von Frank Martin neu zu entdecken M it dieser Einspielung erweitert MDG den facettenreichen Katalog des Schweizer Komponisten Frank Martin durch die groß besetzten Orchesterwerke. Das Stavanger Symphony Orchestra unter der Leitung seines Chefdirigenten Steven Sloane präsentiert sechs Monologe aus dem „ Jedermann“, die Suite aus der Oper „Der Sturm“ und die „Symphonie concertante“. Eine weitere Entdeckung dieser in kräftigen Farben und angenehmen Raumklang facettenreich und tadellos ausgesteuerten Super-Audio-CD: die klangvolle Baritonstimme von Thomas Oliemans. Frank Martin schrieb erst mit dreißig sein erstes (von ihm anerkanntes) Werk. Er wuchs in einer Genfer Pfarrersfamilie auf und interessierte sich erst für Musik von Bach und Brahms, später auch für Debussy und Ravel. Seit 1946 lebte er in den Niederlanden und war neben seiner kompositorischen Tätigkeit Präsident des Schweizerischen Tonkünstlervereins. Martins Kompositionen beeindrucken durch manche virtuose Wirkung, durch eine Heiterkeit und Schwerelosigkeit der tonal gebundenen, aber chromatisch äußerst differenzierten Harmonik und durch weiche, fließende Melodik. Diese nuancenreiche Musik in ihrer stilistischen Vielfalt und Kompetenz ist ein reiner Hörgenuss. Auch zum Musiktheater hatte Frank Martin stets eine enge Beziehung. Seine besondere Vorliebe galt dabei den Mysterienspielen. Es wundert daher nicht, dass er sich auf dem Salzburger Domplatz auf Anhieb vom „Jedermann“ verzaubern ließ. Er widmete der Hauptperson sechs Monologe, zuerst in einer Version für Bariton und Klavier, später kam die hier eingespielte Orchesterfassung hinzu. Die „Petite Symphonie concertante“ geht auf eine Bitte des Basler Mäzens und Dirigenten Paul Sacher zurück. Zunächst komponierte Martin ein Werk für Kammerorchester mit solistischen Einlagen von Klavier, Harfe und Cembalo, später schuf er diese Fassung für großes Orchester. Shakespeares Lustspiel „Der Sturm“ hat den Komponisten sehr fasziniert. Zuerst verwandelte er fünf Gesänge des Luftgeistes Ariel in eine zauberhafte Musik für A-CapellaChor, dann schuf er auf Basis des Lustspiels eine Oper, um schließlich aus Teilen der Oper die hier aufgenommene Suite für Bariton und Orchester zusammenzustellen. Übrigens inklusive Bühnenmusik, welche die Klangregie als audiophil willkommenes Schmankerl präzise hinter die Zuhörer platziert. Das Stavanger Sinfonieorchester macht bereits seit Jahrzehnten international von sich reden. Seine beiden Schwerpunkte Alte und Zeitgenössische Musik sowie das große Repertoire norwegischer Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert und die hohe künstlerische Qualität des Klangkörpers machen die Musiker aus Stavanger zu einem unverzichtbaren Bestandteil des europäischen Konzertkalenders. Die Verpflichtung von Steven Sloane als Chefdirigent, die deutliche Aufstockung der Musikerstellen und der Bau einer neuen Konzerthalle haben dem Orchester zusätzlichen Schwung verliehen und setzen deutliche kulturpolitische Akzente. Lisa Eranos AUSGABE 2010/2 11 Frank Martin Sechs Monologe aus „Jedermann“ Suite aus der Oper „Der Sturm“ Symphonie Concertante Thomas Oliemans, Bariton Stavanger Symphony Orchestra Steven Sloane, Ltg. MDG 901 1614-6 (Hybrid-SACD) Frank Martin weitere Einspielungen: Konzert für sieben Blasinstrumente, Pauke, Schlagzeug & Streichorchester Konzert für Violine und Orchester Danse de la peur für zwei Klaviere und kleines Orchester Michael Erxleben, Violine Klavierduo Adrienne Soós und Ivo Haag Orchester Musikkollegium Winterthur Jac van Steen, Ltg. MDG 901 1280-6 (Hybrid-SACD) „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ Christianne Stotijn, Mezzosopran Orchester Musikkollegium Winterthur Jac van Steen, Ltg. MDG 901 1444-6 (Hybrid-SACD) Polyptique / Passacaille Konzert für Cembalo Willi Zimmermann, Violine Rudolf Scheidegger, Cembalo Orchester Musikkollegium Winterthur Jac van Steen, Ltg. MDG 901 1539-6 (Hybrid-SACD) Gesamtkunstwerke Serge Diaghilews „Balletts russes“ auf CD bei SWR music / hänssler CLASSIC D ie 20 Jahre von 1909 bis 1929 sind einzigartig in der Geschichte des Balletts wie der Musik. In dieser Zeit sorgte der Russe Serge Diaghilew für eine Blüte des Balletts wie der Musik, die einzigartig dasteht. Das Label SWR Music / hänssler CLASSIC in Zusammenarbeit mit der Stiftung John Neumeier haben bereits 6 CDs einer geplanten kompletten Werkschau der „Les Ballets russes“ herausgebracht. Serge Diaghilew hatte eine spezielle Begabung: Er konnte außergewöhnliches Talent und besondere künstlerische Strömungen erspüren, sein Urteil war unfehlbar. Aus den besten Tänzern der Petersburger und Moskauer Hofballette stellte er eine Truppe zusammen, die ab 1909 die westeuropäische Ballettszene revolutionierte. Er nannte sie „Ballets russes“ und ver- Les Ballets russes Les Ballets russes Vol. 1 – Stravinsky: Le Sacre du Printemps / Debussy: Jeux / Dukas: La Péri SWR Sinfonieorchester Baden-Baden u. Freiburg, Sylvain Cambreling Nr. 93.196 / SWR music / hänssler CLASSIC Les Ballets russes Vol . 2 – Ravel: Daphnis et Chloé (vollst.) / Poulenc: Les Biches SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg EuropaChorAkademie, Michael Gielen; Marcello Viotti Nr. 93.197 / SWR music / hänssler CLASSIC Les Ballets russes Vol . 3 – Debussy: Prélude à l’après-midi d’un faune / Florent Schmitt: La Tragédie de Salomé / Stravinsky: Pétrouchka SWR Vokalensemble Stuttgart; SWR Sinfonieorchester BadenBaden und Freiburg, Sylvain Cambreling Nr. 93.223 / SWR music / hänssler CLASSIC Les Ballets russes Vol . 4 – Tchaikovsky: Swan Lake (exc.), Tchaikovsky / Strawinsky: Dornröschen / Strawinsky: Le Chant du Rossignol SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg Jurij Ahronowitsch, Hiroshi Wakasugi, Ernest Bour Nr. 93.234 / SWR music / hänssler CLASSIC Les Ballets russes Vol. 5 – de Falla: Der Dreispitz (vollst., mit Gesang) / Prokofieff: Chout (The Buffoon / Der Hanswurst; Suite) Ofelia Sala (Mezzosopran), Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Fabrice Bollon, Karabits Nr. 93.253 / SWR music / hänssler CLASSIC Les Ballets russes Vol. 6 – Igor Strawinsky: Pulcinella (vollständige Fassung) / Feu d'artifice / R. Strauss: Till Eulenspiegel / Ravel: La Valse Nr. 93.237 / SWR music / hänssler CLASSIC In Vorbereitung für Oktober 2010: Les Ballets russes Vol. 7 – Georges Auric: Les Facheux, La Pastorale Deutsche Radio Philharmonie, Christoph Poppen (Ersteinspielung) 12 AUSGABE 2010/2 stand es, die aufregendsten, besten Komponisten, Maler, Literaten und Choreographen zur Mitarbeit zu gewinnen. Das Resultat aus musikalischer Sicht sind zahlreiche Kompositionen, die heute zu den ersten Meisterwerken des 20. Jahrhunderts gezählt werden. Doch waren es durch die enge Verbindung von Musik, Choreographie, Malerei und Text eigentlich Gesamtkunstwerke, die er entstehen ließ. Zu solchen epochal bedeutenden Musikstücken, die auf Bestellung Diaghilews entstanden, gehören u.a. Igor Strawinskys „Le sacre du printemps“, „Der Feuervogel“, „Petruschka“, „Pulcinella“, Debussys „L’après-midi d’un faune“ und „Jeux“, de Fallas „Der Dreispitz“ – um nur einige zu nennen. Natürlich gibt es diese Werke vielfach auf CD, meist jedoch ohne genauere Hinweise auf den ballettgeschichtlichen Hintergrund. Ihr Gesamtkunstwerk-Charakter wird heute kaum mehr wahrgenommen. Dem steuert die CD-Reihe „Diaghilev – Les Ballets russes“ des Labels SWR music / hänssler CLASSIC entgegen. Sie ist ausgelegt auf eine komplette Darstellung der in den 20 DiaghilewJahren entstandenen Kompositionen für die „Balletts russes“ – ob nun bekannt oder unbekannt, oft aufgenommen oder noch niemals. Dabei kommt im Beiheft der Produktionen auch die ballettgeschichtliche Seite der Werke zur Sprache, ihre Entstehungsumstände und die Absichten der Choreographen – hoch interessante Umstände werden geschildert, die im allgemeinen hinter den Deckeln tanzgeschichtlicher Bücher verborgen bleiben. Verantwortlich für diese Seite des einzigartigen Vorhabens ist die Stiftung John Neumeier, mit der das Label eng zusammen arbeitet. Denn ein Schwerpunkt der Stiftung sind eben die „Ballets russes“ und ein Lieblingsgebiet des Hamburger Star-Choreographen ohnehin. Dabei stellt die Stiftung dem Label aus ihrer umfangreichen Sammlung Bilder, Entwürfe oder Zeichnungen aus der Werkstatt der Ballets russes zur Verfügung. Diese systematische Erschließung einer wesentlichen Zeit europäischer Ballett- und Musikgeschichte ist nur zu begrüßen, die fachliche Kompetenz der Reihe durch die Beteiligung der Stiftung John Neumeier macht das Unternehmen noch zusätzlich zu etwas Besonderem. Ernst Oder CLASS a k t u e l l WERGO NEU BEI WERGO Pēteris Vasks Die Jahreszeiten Zuerst studierte Craig Frederick Humber in Kanada Physik, Mathematik und Chemie, dann schloss er in Leipzig, Lübeck und Wien ein komplettes Orgel-Studium an. Seine Vita ist prallvoll mit Stipendien und internationalen Preisen, unter anderem beim Gottfried-Silbermann-Wettbewerb in Freiberg. Seit 2006 hat Humber einen Lehrauftrag am Franz-Schubert-Konservatorium in Wien. Johann Sebastian Bach Die Leipziger Choräle Craig F. Humber Silbermann-Orgel in Freiberg MDG 906 1619-6 (2 SACDs) Blitz aus heiterem Himmel Bachs Leipziger Choräle mit Craig F. Humber Foto Silbermann-Orgel: www.die- orgelseite.de; Foto C. F. Humber: © MDG ‚‚A ls Jugendlicher hat mich eine Bach-Aufnahme, gespielt auf einer Silbermann-Orgel, so sehr fasziniert, dass ich unbedingt das Orgelspiel erlernen wollte…“ Wenn der kanadische Organist Craig F. Humber nun seine Version der „Leipziger Choräle“ auf der berühmten Silbermann-Orgel in St. Petri Freiberg erklingen lässt, dann hören wir auf diesen zwei SuperAudio-Scheiben ein faszinierendes musikalisches Erbe – in doppeltem Sinne. Ein Blitzschlag zerstörte die Freiberger St. Petri Kirche. Das Nebenhaus wurde aber verschont. Zum Glück, denn hier lagerte Gottfried Silber- mann drei bereits fertiggestellte Orgeln. Aus „ewiger Dankbarkeit“ vermachte er der St. PetriGemeinde die große zweimanualige Orgel mit 32 Registern, deren abgrundtiefer 32-Fuß ein bis heute faszinierendes Klangfundament bietet. Das ist höchste barocke Handwerks- und Konstruktionskunst – in einer der Bach’schen Musik absolut ebenbürtigen Perfektion. Die „Achtzehn Choräle“ stellte Bach in seinen letzten Lebensjahren zusammen. Er wählte Sätze aus ganz verschiedenen Lebensperioden aus – die meisten dürften bereits in Weimar entstanden sein. Allerdings weichen manche dieser reifen Spätfassungen erheblich von ihren Vorgängern ab. Das Manuskript endet mit der legendären Choralbearbeitung „Vor deinen Thron tret' ich hiermit“ BWV 668, die Bach kurz vor seinem Tod noch diktierte. Da auch klangtechnisch alles zum Besten gelungen ist, bleibt nur eine nachhaltige Empfehlung sich mit dieser aufregenden Debuteinspielung eines symphatischen Konzertorganisten zu befassen. Lisa Eranos AUSGABE 2010/2 13 WER 67342 (CD) Vestard Shimkus, Klavier „Als ich Vestard Shimkus zum ersten Mal spielen hörte, war mir sofort klar, dass er genau der richtige Interpret ist: Die Töne verwandelten sich in Farben, Gerüche, fingen an zu atmen. Die Uraufführung von ‚Gadalaiki – Die Jahreszeiten’ [auf dieser CD zu hören!] – welche im März 2010 zu Recht mit dem Großen lettischen Musikpreis, der höchsten staatlichen Auszeichnung auf dem Gebiet der Musik, in der Kategorie ‘Konzert des Jahres’ ausgezeichnet wurde – war einer der großen Augenblicke in meinem Komponistenleben.“ (Peteris Vasks) Vasks’ „Jahreszeiten“ kommen von Herzen und gehen zu Herzen. – Hören Sie selbst! Foto: Dzintra Geka Vertriebe Deutschland: Note 1, 06221/720351 · info@note-1.de Österreich: Lotus Records, 06272/73175 · office@lotusrecords.at Schweiz: Tudor, 044/4052646 · info@tudor.ch WERGO Weihergarten 5 · 55116 Mainz · Germany service@wergo.de · www.wergo.de Original und Fälschung Pianoduo Trenkner Speidel mit unerwarteten symphonischen Überraschungen Maurice Ravel: Bolero Arthur Honneger: Pacific 231 Nicolai Rimsky-Korsakov: Shéhérazade Klavierduo Trenkner - Speidel MDG 330 1616-2 auf das geschmeidig arbeitende Gestänge der Lokomotive einläßt. Orient und Okzident V on den meisten großen Werken existieren Klavierarrangements für den häuslichen Gebrauch. Was die „Scheherazade“, „Pacific 231“ und den „Boléro“ von diesen meisten Bearbeitungen unterscheidet, ist die Tatsache, dass die Komponisten ihre weltbekannten Meisterwerke höchst persönlich für das Klavier zu vier Händen arrangiert haben. Das Duo Trenkner und Speidel präsentiert die Kompositionen in einer unverfälschten Wiedergabe auf einem klangstarken Steinway Konzertflügel von 1901. Aktuelle Einspielungen: J.S. Bach Brandenburgische Konzerte von J.S. Bach für Klavier zu vier Händen bearbeitet von Max Reger MDG 330 0635-2 ( 2 CDs) Anton Bruckner Symphonie Nr. 3 arrangiert von Gustav Mahler MDG 330 0591-2 Gustav Mahler Symphonie Nr. 6 und 7 arrangiert für Klavier zu vier Händen von A. v. Zemlinsky bzw. Alfredo Casella Schall und Rauch Die Dampftechnik hatte es ihm angetan. Mit „Pacific 231“ errichtete Arthur Honegger der legendären US-Eilzug-Lok ein faszinierendes und unmittelbar wirkendes Denkmal. Was für ein kraftstrotzender Liebesbeweis – gerade auch in dieser Fassung aus dem Jahr 1929, die geradezu physisch den Genuss spüren lässt, wie sich die Mechanik des Klaviers ungebremst MDG 330 0837-2 ( 2 CDs) Mozart /Grieg „Claviersonaten von W.A. Mozart mit frei hinzucomponirter Begleitung eines zweiten Claviers“ Peer Gynt Suiten Nr. 1 + 2 MDG 930 1382-6 ( 2 Hybrid-SACDs) 14 AUSGABE 2010/2 Rimsky-Korsakow verzaubert seine Zuhörer mit den Wohlgerüchen des Orients. Seine Scheherazade op. 35 greift Motive und Erzählungen aus 1001 Nacht auf. Wir begegnen arabischen Prinzen, orientalischen Prinzessinnen, Sindbad dem Seefahrer und feiern rauschende Feste in Bagdad ... Was für eine farbenprächtige Vielfalt der Motive. Ravel hingegen genügte ein einziges Thema, das mit unerbittlichem Rhythmus fast 20 Minuten lang wiederholt wird. Die Uraufführung des Balletts endete in einem Desaster. Grund genug für den Komponisten eine Orchesterfassung zu schreiben und schließlich auch noch eine Reduktion auf ein vierhändiges Klavier, übrigens mit genauen Angaben zur Interpretation. Keine geringe Herausforderung für ein herausragendes Piano-Duo. Trenkner und Speidel Evelinde Trenkner und Sontraud Speidel haben in perfekter Symbiose vierhändigen Klavierspiels bei MDG eine ganze Reihe CDs mit lange vernachlässigten Fassungen bedeutender Werke aufgenommen und damit so manchen ungewohnten Blick auf längst Bekanntes vermittelt. Wir erinnern uns an Bachs Brandenburgische (Reger), Bruckners 3. (Mahler), Mahler 6. (Zemlinski) oder Mozart/Grieg…, die alle einen musikalisch unverstellten Blick auf kompositorische Substanz freisetzen. Unbedingt hörenswert – und – es lohnt sich! Thomas Trappmann CLASS a k t u e l l Edition VIOLIN SOLO R E N AT E E G G E B R E C H T VIOLINE Vol. 1 TRO-CD 01424 Max Reger Chaconne op. 117 (1910) Johanna Senfter Sonate op. 61 (1930)* Nikos Skalkottas Sonate (1925) Arthur Honegger Sonate (1940) Foto: © Karl Krenkler Vol. 2 TRO-SACD 01429 Erwin Schulhoff Sonate (1927) Béla Bartók Sonate (1944) www.trioparnassus.com Grażyna Bacewicz Sonate (1958) Darius Milhaud Sonatine (1960)* Au gout français Dimitri Nicolau Sonate (2002)* Vol. 3 TRO-SACD 01431 Mit der Wiederentdeckung des französischen Spätromantikers Benjamin Godard hat das Trio Parnassus erneut einen wertvollen Schatz gehoben. Die Klaviertrios des Komponisten waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den europäischen Salons äußerst populär und gefragt. Selbst der englische Kammermusik-Papst W. W. Cobbett adelte die Werke vor 100 Jahren sogar als „entzückend und ohne zu zögern empfehlenswert“. Paul Hindemith Studien (1916)* Satz und Fragment (1925)* Sonate op. 11 Nr. 6 (1918) Sonate op. 31 Nr. 1 & 2 (1924) Anatol Vieru Capriccio (1997)* Ü ber Benjamin Godard ist selbst in der einschlägigen Literatur wenig bekannt. Er stammt aus gut situiertem Pariser Elternhaus und wurde als Wunderkind gerühmt. Schon früh begann er mit dem Violinunterricht. Mit 16 Jahren schrieb er 1865 seine erste Sonate für Geige und Klavier. Godard zählte zur Jeune Académie Française, deren Mitglieder in ihre Werke einen französischen Tonfall einbringen wollten. Europaweit hat sich Godard einen Namen als Benjamin Godard Sämtliche Klaviertrios: Trio op. 32, g-Moll Trio op. 72, F-Dur; Berceuse des Jocelyn Trio Parnassus MDG 303 1615-2 hervorragender Sinfoniker und Opernkomponist gemacht. Höchste Ehren wurden ihm zuteil, als er 1887 als Professor ans Pariser Conservatoire berufen wurde. Sicherlich würde er in der Musikgeschichte eine größere Rolle spielen, wenn er nicht im frühen Alter von 45 Jahren gestorben wäre. Godards Klaviertrios aus den Jahren 1880 und 1884 sind zur Aufführung in den bürgerlichen Salons gedacht und erfreuten sich einer großen Beliebtheit. Lyrische Abschnitte wechseln in den Werken mit hochdramatischen Einfällen. Selbstverständlich werden die Virtuosität und Klangsinn der Instrumentalisten aufs Höchste gefordert. Als hübsche Dreingabe enthält diese Aufnahme die Berceuse aus der Oper „Jocelyn“, ein so raffinierter Einfall, dass sie als ständiges Repertoire in zahllosen Bearbeitungen auch heute immer wieder zu hören ist. Mit mehr als 30 Einspielungen im MDG-Katalog haben der Pianist Chia Chou, Yamei Yu (Violine) und Michael Groß (Cello) längst bewiesen, dass sie mit dem Berg Parnaß im Namen ihres Trios zurecht die Nähe zum Orakel von Delphi gesucht haben: Ihre Vorahnungen erwiesen sich immer wieder als Volltreffer, wenn sie bis dato unbekannte Komponisten oder in Vergessenheit geratene Musik in exzellenter Qualität und – wie in diesem Fall – mit feinstem französischem Esprit zubereiten. Bon appétit! Thomas Trappmann AUSGABE 2010/2 15 Wladimir Martynow Partita (1976)* Vol. 4 TRO-SACD 01433 Ernest Bloch Suite Nr. 1 & Nr. 2 (1958) Igor Strawinsky Élégie (1944) Grażyna Bacewicz Vier Capricen (1968) Aram Chatschaturjan Sonate-Monolog (1975) Alfred Schnittke a paganini (1982) NEU! Vol. 5 TRO-SACD 01436 Sergej Prokofjew Sonate op. 115 (1947) Ljubica Marić Sonata fantasia (1929) Grażyna Bacewicz Sonate (1941)* Polnische Caprice (1949) Caprice Nr. 2 (1952)* Eduard Tubin Sonate (1962), Suite (1979) Edison Denissow * WELTERSTEINSPIELUNG Sonate (1978)* “…eine kluge, abwechslungsreiche Zusammenstellung, mit geradezu unendlicher Ausdruckspalette, tonschönes Spiel, bewundernswert sauber intoniert und mit genau Klassik heute dosierter Intensität.“ Vertrieb: Klassik Center Tel. 0561 935 14 0 • Fax 0561 935 14 15 info@classicdisc.de • www.classicdisc.de TROUBADISC Tel. +49 89 7142357 • Fax +49 89 71000850 E-Mail: troubadisc@online.de • www.troubadisc.de Hut ab, Ihr Herren, ein Genie … … überschrieb Robert Schumann 1831 in der Leipziger „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ seine Kritik eines jungen polnischen komponierenden Pianisten – Frédéric Chopin. Józef Elsner F Robert and Clara Schumann rédéric Chopin wurde 1810 in Żelazowa Wola geboren; sein zweihundertster Geburtstag ist also dieses Jahr zu feiern. Ein willkommener Anlass für Künstler und Label, Aufnahmen seiner Werke neu zu produzieren oder wieder zu veröffentlichen, und ein willkommener Anlass für CLASS aktuell, den Künstler zu würdigen und diese Veröffentlichungen auch vorzustellen. Chopin war ein absolutes Wunderkind. Schon als Achtjähriger trat er öffentlich auf und konzertierte in den Folgejahren regelmäßig in den musikalischen Salons des polnischen Adels. Ab 1826 studierte er am Warschauer Konservatorium Kontrapunkt, Musiktheorie, Generalbass und Komposition bei Józef Elsner. 1829 beendete er seine Studien und begann eine internationale, sofort sehr erfolgreiche Konzertkarriere. Neben Warschau waren Wien und Paris seine bevorzugten Aufenthaltsorte. 1831 siedelte er schließlich endgültig nach Paris über; er bezeichnete die Stadt als „die schönste aller Welten“. Seinen Lebensunterhalt finanzierte er mit Konzerten und zunehmend auch als Klavierlehrer und durch Auftragskompositionen. Er konnte, für einen Musiker ungewöhnlich, durchaus gut davon leben. Immerhin konnte er sich eine Kutsche und Diener leisten. In Paris machte er eine Vielzahl von Bekanntschaften; zu seinem Freundeskreis zählten Liszt, Hiller, de Musset, de Balzac, Delacroix, Heine und – die SchriftPortrait Frédéric Chopins von 1838; ursprünglich mit abgebildet: George Sand (dieser ebenso erhaltene Teil wurde abgetrennt); Gemälde von Eugène Ferdinand Victor Delacroix, Franz Liszt Felix Mendelssohn Bartholdy George Sand, langjährige Lebensgefährtin Chopins; Gemälde von Auguste Charpentier 16 AUSGABE 2010/2 CLASS a k t u e l l Frédéric Chopin, Radierung Komponierender Virtuose Im 19. Jahrhundert war der Typ des komponierenden Virtuosen durchaus häufig, und natürlich wurde vorwiegend für das eigene Instrument komponiert (wobei oft genug die Grenze zwischen ausgearbeiteter Komposition und aufgezeichneter Improvisation fließend ist). Aber kaum einer dieser komponierenden Virtuosen war so einseitig auf sein Instrument fixiert wie Chopin. Zwei Klavierkonzerte und eine große Zahl von Werken für Klavier solo hat er hinterlassen. Das Cello gehörte noch zu den Instrumenten, die ihn interessierten; seine Werke für Cello und Klavier vermögen immerhin eine CD zu füllen. Und dann gibt es noch eine Reihe von Liedern, die er aber nicht veröffentlicht wissen wollte. Das ungarische Label Hungaroton nimmt das Chopin-Jubiläum zum Anlass für eine Neuausgabe sämtlicher Werke. Stütze des Unternehmens ist der ungarisch-italienische Pianist Alex Szilasi, der bereits die Polonaisen und Mazurken ohne Opuszahl (HCD 32471), die Mazurken (HCD 324569) und die Walzer (HCD 32468) und damit drei bedeutende Genres in Chopins Klavierschaffen eingespielt hat. Sowohl die Polonaise wie die Mazurka wären ohne Chopins grundlegende Beiträge wohl Randnotizen der Musikgeschichte geblieben, Tanzmusik auf Hochzeiten und Volksfesten, wofür diese Formen Verwendung fanden. Chopin entwickelte die schlichten Vorlagen zu kompositorischen Meisterwerken, indem er keinen Parameter unangetastet ließ – Melodig, Rhythmik, Dynamik, alles wurde zwar nicht umgekrempelt, aber im Sinne pianistischen Virtuosentums weiter entwickelt. Von seinen Walzern sind 19 erhalten, doch zu seinen Lebzeiten erschienen nur acht im Druck. Es ist erstaunlich, wie viele Gestalten diese Gattung in der Werkstatt des Meisters annahm: angefangen von der einfachen, gleichmäßig pulsierenden Tanzmusik und der glänzenden Virtuosität über die tiefe Melancholie bis hin zu den rhythmisch aufgelockerten, freieren Melodien inspirierte der Walzer Chopin zur Komposition verschiedenster Stimmung. Gerade diese Stücke waren es, die ihm die Hochachtung der Pariser Gesellschaft in den nachmittäglichen Salons sicherte. Manche seiner Werke erfreuten sich immenser Beliebtheit. Die Hungaroton-Serie entfaltet besonderen Reiz dadurch, dass Szilasi auf einem originalen Instrument der Pariser Klavierbaufirma Pleyel spielt. Die Flügel aus dem Hause Pleyel waren damals europaweit berühmt für ihre leichtgängige Mechanik und ihren warmen, samtigen Ton. Chopin war von den Instrumenten Pleyels so begeistert, dass er fast ausschließlich sie spielte. Das hier verwendete Instrument ist zwar schon ein Flügel mit Gussrahmen und filzbezogenen Hämmern, während Chopin sicher noch auf einem Hammerflügel gespielt haben dürfte – aber immerhin: auch dieser spätere Pleyel erfordert piani- 200 Jahr Edition Chopin Polonaisen op. 26, op. 61, op. 71 und ohne op. / Marzuken ohne op. Alex Szilasi, Pleyel-Fortepiano HCD 32471 / Hungaroton 200 Jahr Edition Chopin Mazurken opp. 6, 33, 41, 68 Alex Szilasi, Pleyel-Fortepianol HCD 32469 / Hungaroton Foto: © Peter Poradisch stellerin George Sand, mit der er bis kurz vor seinem Tod zusammenlebte. 1835 lernte er durch Vermittlung Felix Mendelssohn Bartholdys in Leipzig Clara Wieck und Robert Schumann kennen. 1838 bis 1839 hielt sich Chopin mit George Sand und deren Kindern auf ärztlichen Rat in Mallorca auf. Chopin hoffte auf Linderung im milden Klima (er litt zeitlebens an Tuberkulose), die aber ausblieb – im Gegenteil, im gar nicht so milden mallorcinischen Winter fing er sich zusätzlich noch eine Lungenentzündung ein. Seine 24 Préludes op. 28 hat er auf Mallorca komponiert. Das berühmt gewordene „Regentropfen Prélude“ kann man also als durchaus autobiographisch betrachten. Ab 1847 wurde sein Gesundheitszustand immer schlechter, die Trennung von George Sand, die in diese Zeit fiel, dürfte nicht gerade hilfreich gewesen sein, ihn zu stabilisieren. Zwei Jahre später starb Chopin in seiner Wohnung in Paris, vermutlich an der nie ausgeheilten Tuberkulose. 200 Jahr Edition Chopin 19 Walzer / 3 Ecossaisen Alex Szilasi, Pleyel-Fortepiano Frédéric Chopins Grab auf dem Friedhof Pere Lachaise in Paris AUSGABE 2010/2 HCD 32468 / Hungaroton 17 Ignaz Josef Pleyel war ein österreichischer Komponist und genialer Klavierfabrikant. stisches Umdenken; so manche spieltechnischen Angewohnheiten unserer Tage sind auf den alten Instrumenten schlichtweg nicht ausführbar, und das hat natürlich Einfluss auf die Interpretation (vom Klang einmal ganz zu schweigen). Ebenfalls auf einem Pleyel-Instrument hat das ungarische Klavierduo Egri & Pertis Werke Chopins für zwei Klaviere aufgenommen (Hungaroton HCD 31917). Wobei auffällt, wie wenig Chopin für zwei Klaviere bzw. vier Hände komponiert hat, obwohl ihm das Genre alles andere als fremd war: Liszt, Moscheles und Mendelssohn gehörten zu seinen Duopartnern. Die wenigen überlieferten Werke werden hier eingespielt auf einem Pleyel Double Grand, einer instrumentenbautechnischen Kuriosität, denn hier sind buchstäblich zwei Flügel mit je eigener Mechanik und eigenen Saiten in ein gemeinsames Gehäuse eingebaut, was erheblichen Einfluss auf den Klang hat. Durch die unmittelbare gegenseitige Anregung der Resonanzböden entwickelt das Instrument einen umwerfend voluminösen Gesamtklang. Etwa 50 solcher Doppelflügel hat Pleyel Mitte des 19. Jahrhunderts produziert, von denen aber nur noch eine Handvoll erhalten ist. Verbotene Lieder Chopiniana Duette und Klavierwerke vierhändig gespielt auf dem Pleyel Double Grand Piano Egri & Pertis Doch noch einmal zurück zur Chopin-Gesamtaufnahme auf Hungaroton: auch die Lieder liegen schon vor (Hungaroton HCD32474). Szilasi begleitet hier die Mezzosopranistin Alicja Wegorzewska-Whiskerd. Wenn man der Einspielung lauscht, wird deutlich, dass die Gattung des Liedes und Chopins eigentliche Welt, seine Werke für Klavier, gar nicht so weit voneinander entfernt sind, wie man vielleicht denken möchte. Denn Chopin denkt als Klavierkomponist vokal: die volkstümlichen Mazurken, die Nocturnes, Das ungarische Klavierduo Egri & Pertis an einem Pleyel Double Grand Julian Fontana, Schüler Chopins, veröffentlichte Arbeiten Chopins diese kleinen Formen, die vom „Poeten des Klaviers“ unsterblich gemacht wurden, können auch als Lieder ohne Worte aufgefasst werden. Auch seine Lieder sind geprägt von den Vorlagen der Volkstänze, die Chopin immer wieder beschäftigten. Chopins Freund und Schüler Julian Fontana hat die wenigen Beiträge des Meisters zu diesem Genre 1859 im Druck herausgegeben. Von der kleinen, intimen Form des Liedes ist es ein großer Sprung zur Großform des Klavierkonzerts. Zwei Beiträge hat Chopin zu diesem Genre geliefert. Chopin schrieb seine Klavierkonzerte noch in Warschau, 19- bzw. 20jährig selbstverständlich in erster Linie für sich selbst, wie es alle Virtuosen seiner Zeit zu tun pflegten. Das Orchester ist in seinen Konzerten nicht mehr Dialogpartner, sondern Bühne. Unmissverständlich tritt der Virtuose wie der Held eines Dramas vor das Publikum... Ist es in der Tat die „Poesie“ Chopins, die dafür sorgte, dass seine Werke nicht im üblichen Tasten- HCD 31917 / Hungaroton 200 Jahr Edition Chopin Sämtliche Lieder Alicja Wegorzewska-Whiskerd, Mezzosopran Alex Szilasi, Pleyel-Fortepiano HCD 32474 18 AUSGABE 2010/2 CLASS a k t u e l l geklingel der Zeit untergingen? Schumann hatte die bei ihren Aufnahmen für MDG mit leichter Hand kommen sehen, dass sie jede Konkurrenz überleben die Sahnestücke der Klavierliteratur neu erfahrbar würden – und er hatte sich auch in diesem Punkt macht. Hier sind es Scherzi und Nocturnes des großen wieder einmal nicht geirrt... polnischen Komponisten, die die Pianistin auf einem Bei aller Grandezza seiner Konzerte versteckte Steinway-Flügel von 1901 in unnachahmlicher IntenChopin darin doch geheime, sublime Botschaften: Im sität präsentiert und dabei dem Instrument schier f-Moll-Konzert bekennt er sich zu einer „Träumerei in unglaubliche Klangkaskaden entlockt, mit denen sie einer schönen, mondbeglänzten Frühlingsnacht“ – einen weiteren Meilenstein ihrer steilen Karriere setzt. eine unausgesprochene Widmung an die Sängerin Frédéric Chopin hat seit jeher viele Bewunderer. Konstantia Gladkowska, in die er noch in seiner Franz Liszt nannte ihn einst „epochemachend, kühn, Warschauer Zeit unsterblich verliebt war. glänzend und berückend“. Dieses Urteil gilt besonEine besondere Einspielung der oft aufgenommenen ders für die hochvirtuosen Scherzi Chopins: Mit den Klavierkonzerte ist beim Detmolder Label Dabringhaus vier zwischen 1831 und 1843 entstandenen Stücken & Grimm erschienen. Christian Zacharias leitet vom hat der Komponist ein Terrain betreten, das in dieser Klavier aus das Orchestre de Chambre de Lausanne Form bislang unberührt war. (MDG 340 1267-2). Die erfolgreiche Zusammenarbeit Elisabeth Leonskaja nimmt diese Herausforderunzwischen dem Orchestre de Chambre de Lausanne gen mit Bravour. Einen brillanten Zugriff mit Freude und MDG trägt hier besonders delikate Früchte: an der Subtilität der Melodien verbindend, stellt sie Chopins Klavierkonzerte werden „nach Art des Hauses“ eine bestechende Fülle von spielerischen Nuancen zur – meisterhaft, sensibel Schau. Wilde forte-Ausund klangsinnig – aufbrüche etwa fügen sich gelegt: eigenhändig und glaubhaft in das Gesamtmit hörbarer Spielfreugeschehen ein. Andererde und kammermusiseits fehlt es ihr bei allem kalischer Eleganz von Sinn für den Liebreiz Christian Zacharias. perlender Passagen nicht Fast eine Ergänan Energie für notwendizung zu dieser Einspieges motorisches Drängen lung, deren besonderer und Poesie. In solchen klanglicher Reiz vom Momenten weiß man, wakleinen Orchester lebt, rum diese Pianistin wirkbildet die BIS-CD-847, lich zu den besten zählt vor nunmehr 14 Jahren (MDG 943 1558-6). Raum mit Chopins Klavier in Valldemossa, Mallorca erschienen und seinerWie Frédéric Chopin zeit ein großer Verkaufsvon großen Interpreten erfolg. Chopin selbst schwebten zwei verschiedene noch vor etwa 100 Jahren aufgefasst wurde, dokuBesetzungsmöglichkeiten für diese Konzerte vor, mentiert eindrücklich ein bei Dabringhaus & Grimm nämlich Klavier mit Orchester oder aber Klavier mit erschienener „Rollentausch“: Neun Pianisten spielen Solostreichern, also einem Streichquintett. Solche Chopin (MDG 645 1402-2). Sie haben ihre AufnahKammermusikarrangements waren zu Zeiten, die men im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts einer noch keine mechanischen Musikkonserven kannten, Notenrolle anvertraut. Ein hervorragend restaurierter unbedingte Voraussetzung dafür, sich großbesetzte Bösendorfer-Flügel mit Ampico-Selbstspielmechanik Werke auch im häuslichen Kreis aneignen bzw. im lässt die Interpretationen erstmals wieder neu erklinräumlich kleinen musikalischen Salon adäquat auf- gen. Faszinierendes Ergebnis dieser Auferstehung führen zu können. Fumiko Shiraga unternahm zu- längst verschollen geglaubter Klänge ist Vol. 2 der sammen mit dem Yggdrasil Quartet seinerzeit erst- Player-Piano-Serie bei MDG, herausgegeben von dem mals den Versuch, diese Kammermusikfassungen der unermüdlichen Jürgen Hocker. Es sind allesamt Öffentlichkeit vorzustellen. Der virtuose Charakter Pianisten, die exklusiv für die amerikanische Firma des Soloparts kommt hier noch dramatischer zum Ampico gespielt hatten und somit auf anderen SysteAusdruck als in der Orchesterversion. men nicht zugänglich sind. Zu diesen „unerhörten“ Apropos virtuoser Charakter: natürlich sind Chopins Künstlern gehören Moriz Rosenthal, Mischa Levitzki, Werke Prüfsteine für Pianisten und Pianistinnen mit Alfred Mirovitch, Mieczyslaw Münz und Leo Ornstein. Ambition, das erklärt auch die Vielzahl der AufnahEugen d’Albert, Alfred Reisenauer und Ferruccio men. Eine solch Ambitionierte ist Elisabeth Leonskaja, Busoni bilden die direkte Liszt-Nachfolge. Leopold AUSGABE 2010/2 19 Klavierkonzerte Nr. 1 + 2 Christian Zacharias, Klavier und Leitung Orchestre de Chambre de Lausanne MDG 340 1267-2 Die 2 Klavierkonzerte in Kammerversion Fumiko Shiraga, Klavier The Yggdrasil Quartet Jank-Inge Haukås, Kontrabaß BIS-CD-847 (Ersteinspielung) Scherzi / Nocturnes Fantaisie impromptu Elisabeth Leonskaja, Klavier MDG 943 1558-6 (Hybrid-SACD) Player Piano 2 Chopin gespielt von berühmten Pianisten um 1900; Bösendorfer-Ampico-Selbstspielflügel MDG 645 1402-2 Godowsky war besessen von der technischen Perfektion, die er als wichtige Voraussetzung für eine künstlerische Interpretation betrachtete. Während sein Spiel in privatem Kreis „einmalig und überwältigend“ war, litt er bei öffentlichen Konzerten unter Lampenfieber – und es gelang ihm selten, das Publikum zu begeistern. Die hier eingespielte Ballade op. 47 zeigt ihn von seiner besten Seite… Nicht ein einziges Mal hat Leo Ornstein fürs Grammophon gespielt. Der aus Sankt Petersburg stammende und erst 2002 im Alter von 109 Jahren in den USA verstorbene Pianist spielte sein langes Leben lang ausschließlich Ampico-Notenrollen ein – seine oft ebenso eigenwilligen Interpretationen wären beinahe verschollen geblieben. Ornsteins Spiel zeigt alle Eigenarten damaliger Interpretationen: sehr freier Umgang mit den Tempi, ausgeprägte Rubati, Arpeggieren von BassAkkorden oder freies Hinzufügen von Füllstimmen… Schelack-Schätze Frédéric Chopin im Jahr 1849 – diese Fotografie soll die einzige von ihm sein Wilhelm Backhaus spielt Chopin Sämtliche Etüden opp. 10 und 25 Sonate Nr. 2 op. 35 IDIS 6559 Wilhelm Kempff spielt Chopin Ballade Nr. 3 / Fantasie f-moll op. 49 / Impromptu As-dur op. 29 / Berceuse Des-dur op. 57 u.a. IDIS 6555 Historische Aufnahmen allerdings etwas jüngerer Zeit finden sich im Programm des italienischen Labels IDIS. Sämtliche Etüden mit Wilhelm Backhaus finden sich auf IDIS 6559. Backhaus, 1884 in Leipzig geboren, war Zeitgenosse von Bartók und Stravinsky, Picasso und Braque, Le Corbusier und Gropius, Joyce und Kafka und ein sehr modern eingestellter Künstler. Mit nur 20 Jahren gewann er den Rubinstein Preis und bis zu seinem Tod war er weltweit auf Konzertpodien aktiv. Von der Kritik wurde er als kühl und distanziert beschrieben, und sicherlich stimmt das auch. Als erster Pianist nahm Backhaus 1928 das Gesamtwerk Chopins auf; die CD verwendet Aufnahmen von 1928 und 1950 in neuem Remastering. Ein anderer großer deutscher Pianist findet sich auf IDIS 6555. Wilhelm Kempff, der über sechzig Jahre lang immer wieder Aufnahmen machte, war vor allem berühmt für seine Interpretationen der Werke von Beethoven und Schubert. Seine Chopin-Einspielungen wurden weniger beachtet, dabei sind insbesondere diejenigen aus den 50er Jahren exzellent – die hier vorgestellte mit einem bunten Programm quer durch Chopins Klaviermusik stammt aus dem März 1958. Bei Kempff wird Chopin entromantisiert, seine klassischen Wurzeln freigelegt, und daher klingen seine Interpretationen sehr frisch und eigenständig. Einer der großen Protagonisten der Musikszene des 20. Jahrhunderts, der über fünfzig Jahre dominierende Pianist Vladimir Horowitz, war sehr wählerisch, wenn er Chopin spielen sollte. So gibt es auch nur entsprechend wenig Einspielungen. Die auf IDIS 6495 zusammengetragenen stammen aus den Jahren 1932 bis 1951. Ein unvergessliches Hörerlebnis. 20 oben: Skizzenblatt und erste Seite von Chopins Manuskript der Berceuse Des-Dur op. 57 Das gilt auch für die Live, Rundfunk- und Studioaufnahmen mit dem unvergessenen Dinu Lipatti (IDIS 6397). In dieser aus drei CD bestehenden Sammlung findet sich das erste Klavierkonzert und ansonsten vor allem Walzer, Walzer, Walzer. Der dokumentarische Wert dieser Einspielung ist nicht gering zu schätzen, denn sie enthält alle überhaupt bekannten Aufnahmen des polnischen Komponisten durch den rumänischen Pianisten. Ähnlich Kempff verfolgt er einen ganz unromantischen Ansatz, der den Werken und ihrer Durchhörbarkeit letztlich zugute kommt. Schatzgräber Dass die Pianisten von der Kunstfertigkeit der chopinschen Kompositionen am meisten profitierten, ist hinlänglich bekannt und liegt auch – man verzeihe das Wortspielchen – auf der Hand. Dass aber immer wieder gerade die Geiger vom Genie Frédéric Chopins Besitz ergriffen und dabei gern die Pianisten zu Statisten degradierten, ist eine Kuriosität der Musikgeschichte, auf einer Dabringhaus & Grimm-Produktion (MDG 603 1296-2) eindrucksvoll dargestellt von der polnischen Geigerin Joanna Madroszkiewicz und ihrem Wiener Partner Paul Gulda. Sarasate gilt in der Szene nicht gerade als zimperlich, was die Handhabung von Urheberrechten angeht: Kritiker konnten ihm nachweisen, daß nur 24 Takte AUSGABE 2010/2 CLASS a k t u e l l seiner berühmten „Zigeunerweisen“ auf ihn zurückgehen. Seine Bearbeitungskunst hatte nun wieder geniale Züge – der Mann, der sich weigerte, Brahms’ Violinkonzert zu spielen (weil er sich nicht die einzige Melodie in dieser Komposition von der Oboe vorblasen lassen wollte), „komponierte“ nach Herzenslust Chopins Walzer und Nocturnes... Anders als Sarasate bereicherte Kreisler sein Repertoire an Zugabestücken durch wirkliche Eigenkompositionen. Die jedoch schrieb er gern unbekannten Komponisten zu (Nicht selten dachte er sich dabei auch schöne Namen aus). Als Chopin-Bearbeiter hatte er den Schalk nicht minder im Nacken... Ein breitgefächertes Repertoire macht die junge polnische Künstlerin Joanna Madroszkiewicz zu einer Ikone unter den Violinvirtuosen unserer Zeit. 1994 wurde ihr das Offizierskreuz für Verdienste um die Republik Polen verliehen. Sie debutierte 1998 bei MDG mit vielbeachteten Einspielungen der virtuosesten Werke Wieniawskis. Paul Gulda steht in der Nachfolge seines berühmten Vaters. Der hochbegabte Pianist beschreitet gerne abgelegene Repertoirepfade und belegt eins um andere Mal, dass er das ihm zugeschriebene Bonmot beherzigt: „Es heißt Klavier- spiel, nicht Klavierkampf.“ Chopin selbst hat die Streicher ja nicht gerade verwöhnt. Wie bereits erwähnt, gibt es lediglich einige Kammermusik für Cello (abseits eines Klaviertrios und einem Variationszyklus für Flöte), der daher ein besonderer Stellenwert im Gesamtwerk zukommt. Was mag ihn, der doch eigentlich nur für den Eigenbedarf, also fürs Klavier, komponierte, an diesem Instrument so fasziniert haben? War es der Umstand, dass das Cello wie kaum ein anderes Instrument die menschliche Stimme imitieren kann? Immerhin war Chopin zeitlebens ein glühender Anhänger der belcanto-Oper. Antony Cooke, Cello, und Armin Watkins, Klavier, haben auf Centaur CRC 2956 die drei Originalwerke (Sonate, Introduction und Polonaise Brillante, Grand Duo Concertante) eingespielt, die hier ergänzt werden durch Adaptionen von Glazounov (zwei Etüden) und Nocturnes (Taniev, Watkins, Heifetz). Umfangreich wie Chopins Schaffen ist natürlich auch die Zahl ihrer Einspielungen, nicht aber der zur Verfügung stehende Platz – und so müssen wir unseren kleinen Rundgang durch die Aufnahmen von Werken eines der faszinierendsten Klavierkünstler des 19. Jahrhunderts an dieser Stelle beenden. A. Rainer Berceuse/Barcarolle Stephen Hough CDA 67764 / Hyperion CDA 67706 / Hyperion IDIS 6495 Die Chopin-Aufnahmen 1941-1950 Etüden, Mazurken, Walzer, Nocturnes, Klavierkonzert Nr. 1 Dinu Lipatti, Klavier Weitere empfehlenswerte Einspielungen: Klaviersonaten 2 & 3, 2 Nocturnes, Berceuse, u.a. Marc-Andre Hamelin Wladimir Horowitz spielt Chopin Etüden, Mazurken, Nocturne op. 15,2, Polonaisen, Sonate Nr. 2 op. 35 u.a. IDIS 6397 Vol.1: Nocturnes, Scherzi, Sonate H-moll Louis Lortie Arrangements für Violine und Klavier Joanna Madroszkiewicz, Violine Paul Gulda, Klavier CHAN 10588 / Chandos MDG 603 1296-2 Homage to Chopin Sämtliche Werke für Cello und Klavier Antony Cooke, Violoncello Armin Watkins, Klavier Bolero, Allegro de Concert, Polonaise Nikolai Demidenko 6 polnische Lieder (Transkr. v. F. Liszt) 12 Etüden Op. 10 / 12 Etüden Op. 25 Luiza Borac, Klavier Sonate 3, Fantasie op.49, Fantasie Impromptu Nikolai Lugansky NIFCCD 014 AV 2161 / Avie Records ONYX 4049 CRC 2956 / Centaur Im Blickpunkt Orchester und Konzert Anton Dvořák Requiem / Sinfonie Nr. 8 Thomas Quasthoff – Krassimira – Stoyanova – Mihoko Fujimura – Klaus Florian Vogt, Gesang RCO / Mariss Jansons, Leitung Franz Schubert (1797-1828) Symphonie Nr. 8 h-Moll „Unvollendete“ Symphonie Nr. 9 C-Dur „Große“ Swedish Chamber Orchstra Thomas Dausgaard, Ltg. RCO 10001 / RCO Live BIS-SACD-1656 Neben seiner Tätigkeit als Chef des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks fungiert Mariss Jansons auch als Chefdirigent des Concertgebouw Orchesters in Amsterdam. Viele seiner Aufführungen mit diesen Orchestern wurden in den letzten Jahren als Meilensteine bezeichnet. In den Jahren 2007 und 2008 widmete er sich gemeinsam mit dem Concertgebouw Orchester dem Requiem und der 8. Sinfonie von Anton Dvořák. 2008 haben Dausgaard und das Swedish Chamber Orchestra mit großem Zuspruch durch Kritik und Publikum ihren Zyklus der Schumann-Symphonien veröffentlicht. Auf klassik.com war zu lesen, dass es sich hierbei wohl um die neue Referenzeinspielung handele, und der Kritiker der International Record Review meinte, dies sei der beste SchumannZyklus seit über 30 Jahren. Die Trauben hängen also hoch für die Interpreten, wenn sie nun auch Schubert ihrer (wohltuenden) Verschlankungskur unterziehen: weg vom oft klebrigen, romantischen Kleistersound großbesetzter Orchester, hin dafür zu einer transparenten, mit kleiner Besetzung musizierten Interpretation, die den Möglichkeiten und Intentionen insbesondere der Frühromantiker weit mehr entsprechen dürfte: das Schwedische Kammerorchester in Örebro besteht „nur“ aus 38 MusikerInnen. Hochkarätig: Thomas Quasthoff Aus zwei Konzertzyklen stammen die Mitschnitte zur neuen Live-CD, auf der der eigens angereiste Wiener Singverein und eine hochkarätig besetzte Sängerriege zu hören sind. Neben Krassimira Stoyanova, Mihoko Fujimura und Klaus Florian Vogt singt Thomas Quasthoff die Basspartie in Dvořáks Requiem. Seine Totenmesse teilte Dvořák in zwei Teile: der erste, von leise klagender Trauer geprägt, wird vom tröstenden zweiten Teil abgelöst, aus dem Vertrauen und Ergebenheit hervortreten. Wieder sehr viel stärker von seiner böhmischen Heimat geprägt, ist Dvořáks 8. Sinfonie. Hier lässt Dvořák eine volkstümlich anmutende Melodie der anderen folgen. Dramatische Wendungen und eigenwillige Rhythmen unterbrechen die Idylle. Selbstbewusst und voller Inspirationen ver-arbeitete Anton Dvořák seine Ideen. Mit den fabelhaften Interpreten wurden die Konzertabende einmalige Erlebnisse und setzen die Serie RCO-live fort, die dem Hörer Sternstunden aus dem Königlichen Concertgebouw präsentiert. Auf Diät 1995 wurde es gegründet, und seit 1997 ist Thomas Dausgaard sein Chefdirigent. Neben Schubert und Schumann hat dieses Team auch schon Beethoven und Brahms seinen Entschlackungskuren unterzogen. Nun also die beiden späten Sinfonien Schuberts, die mit ihrer neuartigen Konzeption von Schumann und Mendelssohn als legitime Nachfolger und Weiterführungen des Beethovenschen Erbes angesehen wurden. 22 Antonín Dvořák Sinfonie Nr. 6 op. 60 Ouvertüren: In der Natur op. 91, Carneval op. 92, Othello op. 93 Dortmunder Philharmoniker Jac van Steen, Ltg. Igor Stravinsky Monumentum, Mass, Symphonie De Psaumes Royal Flemish Philharmonic / Philippe Herreweghe, Leitung Collegium Vocale Gent / Christoph Siebert, Leitung MDG 601 1601-2 PTC 5186349 / Pentatone (SACD) Dass nach mehr als 120-jähriger Tradition eines Orchesters die erste Schallplatte den Weltmarkt erreicht, ist schon eine Besonderheit. Vielleicht liegt das an dem erst vor wenigen Jahren bezogenen Konzerthaus. Jedenfalls glänzen die Dortmunder Philharmoniker und ihr neuer GMD Jac van Steen mit einer fabelhaften 6. Sinfonie von Antonin Dvořák, die ergänzt wird durch drei eher selten aufgeführte Konzertouvertüren op. 91 – 93 zu einem mehr als 80-minüten Klangrausch. Durch das Oeuvre Igor Strawinskys zieht sich der rote Faden einer Rückbesinnung. Seine Beschäftigung mit Stilen vorangegangener Jahrhunderte und seine Begeisterung für diese Musik schlägt sich bekanntermaßen in vielen seiner Kompositionen nieder. Die drei Werke, die Philippe Herreweghe auf seiner neuesten SACD eingespielt hat, sind eben durch diesen roten Faden miteinander verbunden. An barocken und klassischen Formen im Rahmen des Neoklassizismus orientiert sich Strawinsky in seiner Psalmensinfonie. Hier sticht besonders die Holzbläser-Fuge zu Beginn des zweiten Satzes heraus. Die ungewöhnliche Besetzung mit ausschließlich tiefen Streichern, Bläsern, Schlaginstrumenten und zwei Klavieren erinnert in ihrem unverwechselbaren Klang an eine Orgel. Der individuelle Charakter des Chores geht auf Strawinksys Kenntnisse geistlicher Musik der orthodoxen Kirche zurück. Die scheinbar einfach aufgebaute Messe ist von einer ungewohnten, archaischen Strenge und Gefasstheit. Hier knüpft Strawinsky an die erste Mehrstimmigkeit des frühen Mittelalters an. Das „Monumentum pro Gesualdo Venosa ad CD Annum“ ist eine freie Adaption von drei fünfstimmigen Madrigalen des Venezianers Carlo Gesualdo. Strawinsky schrieb das Monumentum zum Gedenken an den 400. Geburtstag Gesualdos. Nicht nur dessen Kompositionen, auch die Person Gesualdos faszinierte Strawinsky. Er setzte die Vokalwerke für kleines Orchester in moderne Klangfarben um. Philippe Herreweghe legt hier eine Weltersteinspielung vor! Mutiges Debüt Nach erfolgreicher Aufführung von Dvořáks dritter „Slawischer Rhapsodie“ in Wien sollte der Böhme für die folgende Konzertsaison eine Sinfonie abliefern, die dem Geschmack des von Beethoven- und Brahms-Kompositionen verwöhnten Wiener Publikums entsprechen sollte. Dvořák gelang das Kunststück. Er würzte seine „Sechste“ mit Parallelen zu der 2. Sinfonie von Brahms und Anspielungen an die Sinfonik Beethovens, gab ihr aber dennoch eine eigene musikalische Individualität. Zur Uraufführung in Wien reichte es Ende 1880 aber nicht: Der beginnende böhmische Nationalitätenstreit ließ es doch nicht opportun erscheinen, die Werke eines Tschechen in zwei aufeinander folgenden Spielzeiten zur Aufführung zu bringen... Zehn Jahre später lässt Dvořák seiner Vorliebe für die Poesie in der Musik freien Lauf. In seiner KonzertouvertürenTriologie „Natur, Leben und Liebe“ schildert er eindrucksvoll die verschiedenen Seiten menschlichen Daseins. Dass sie endlich einmal zusammen erscheinen ist ein weiteres Plus dieser Einspielung. AUSGABE 2010/2 CLASS a k t u e l l Orchester und Konzert Ulrich Leyendecker gehört zu den wichtigsten deutschen Komponisten seiner Generation. Er nahm bereits als Jugendlicher privaten Kompositionsunterricht. 1965-70 studierte er an der Musikhochschule Köln bei Günter Ludwig Klavier und bei Rudolf Petzold Komposition, nahm an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teil und beschäftigte sich intensiv mit seriellen Kompositionstechniken, ohne sich jedoch damit nachhaltig zu identifizieren. 1971 erfolgte ein Ruf als Theorielehrer an die Hochschule für Musik Hamburg, wo Leyendecker 1981 Professor für Musiktheorie und Komposition wurde. Von 1994 bis 2005 war er in gleicher Position an der Musikhochschule Mannheim-Heidelberg tätig und lebt seither als freier Komponist. Er erhielt zahlreiche Ehrungen: u.a. Stipendien der „Villa Massimo“ in Rom und der „Cité Internationale des Arts“ in Paris, die Mitgliedschaft in der freien Akademie der Künste in Hamburg und den „Eduard van der Heydt-Preis“ seiner Heimatstadt Wuppertal. Leyendeckers Œuvre beinhaltet Sinfonien und Solokonzerte, Kammermusik und viele Werke für Soloinstrumente. Leyendeckers Musik zeichnet sich durch spannungsgeladene Lebendigkeit und klangsinnliche Farbigkeit aus. Sie bewahrt eine „Rest-Tonalität“ und entwickelt aus kurzen Grundgestalten großbögige Formverläufe. Seine stets polyphone Musik vollzieht sich in Metamorphosen dieser Grundgestalten. Eine sehr eigene Stimme unserer Zeit. CDA 67798 / Hyperion In fast allen Werken von Henri Vieuxtemps spielt die Geige eine zentrale Rolle, selbst in seinen Kammermusikwerken. Dennoch lag es dem in Lüttich geborenen Komponisten und Geiger nicht daran, mit Virtuosität zu brillieren oder technische Finessen in den Vordergrund zu stellen. Sein 4. Violinkonzert, das Vieuxtemps selber als sein Bestes beurteilte, wurde von Hector Berlioz als „Sinfonie mit Solovioline“ bezeichnet. Tatsächlich ist Vieuxtemps’ Orchestersatz ebenso selbstbewusst und einfallsreich wie seine Behandlung der Geige, obwohl es eindeutig bleibt, dass das Soloinstrument der Protagonist des Dramas ist. Für das Brüsseler Konservatorium komponierte Vieuxtemps sein Violinkonzert Nr. 5. Romantische Studien Es sollte als Prüfungsstück den bereits fortgeschrittenen Studenten alle Fähigkeiten abverlangen. Das Violinkonzert wurde so erfolgreich, dass es sich im Repertoire gehalten hat und fast noch populärer ist, als das vierte Violinkonzert. Es ist auch als „Grétry-Konzert“ bekannt, da Vieuxtemps eine Melodie dieses Komponisten im langsamen Satz zitiert. Viviane Hagner und das Royal Flemish Philharmonic unter Martyn Brabbins fügen in ihrer Einspielung diesen beiden Violinkonzerten außerdem die Fantasia appassionata op. 35 hinzu. Die erfolgreiche Reihe „The Romantic Violin Concerto“ des Labels Hyperion erfährt damit eine weitere außergewöhnliche Bereicherung. Die aus München stammende Geigerin Viviane Hagner gehört zweifelsohne zu den jungen, bereits etablierten Geigerinnen, die durch herausragendes Talent und inspiriertes Spiel überzeugen. AUSGABE 2010/2 23 Wenn Haydn für Oboe geschrieben hätte..., Vol. 2: Konzert für Violine, Oboe und Orchester F-Dur; Quartett F-Dur op. 50,5 („Der Traum“); Konzert für Oboe und Orchester G-Dur Alexej Utkin, Oboe Hermitage Chamber Orchestra CM 0012007 / Caro Mitis (SACD hybrid) In einem der auf dieser SACD enthaltenen Stücke (dem Doppelkonzert) wird der Cembalo-Part von der Oboe übernommen, in den beiden anderen die Violinstimme. Die Idee, diese Stücke so zu vereinen, stammt vom dem hervorragenden Oboisten Alexej Utkin. Er hat versucht, sich vorzustellen, wie Haydn (von dem praktisch keine Werke für Oboe überliefert sind) für dieses Instrument wohl komponiert haben würde. Übrigens waren im 18. Jahrhundert Arrangements weit verbreitet und Oboenvirtuosen sehr gefragt. So sind Utkins Bearbeitungen also durchaus auch schon zwei Jahrhunderte früher vorstellbar. Die beiden Konzerte entstanden Ende der 1760er Jahre. Haydn arbeitete damals am Hof der Fürsten Eszterházy; 1766 wurde er Kapellmeister und war damit für alle musikalischen Ereignisse am Fürstenhof verantwortlich. Cellosinfonie, Cellosuite Nr. 1 Flanders Symphony Orchestra Seikyo Kim, Dirigent ONYX 4049 M 55720 / Musicaphon Henry Vieuxtemps The Romantic Violin Concerto Vol. 8 Viviane Hagner, Geige Royal Flemish Philharmonic Martyn Brabbins, Leitung Sonate Nr. 3, Fantasy Impromptu Walzer c-moll, Prelude c-moll Scherzo No. 4, Nocturne op. 15/1 Reizender Morgensegen Offenbar waren die Konzerte für die „Hofakademien“ bestimmt. Das Quartett F-Dur gehört zu den sogenannten „Preußischen Quartetten“, die 1787 entstanden. Die Reife und Gestaltung dieser Werke ist auch heute noch jeder Bewunderung wert – man muss ja vielleicht nicht so weit gehen wie der Komponist, Pianist und Dirigent Ferdinand Hiller, der vor 130 Jahren schrieb: „Seit einiger Zeit beginne ich mein Tagwerk mit einem reizenden Morgensegen – ich lese täglich ein Quartett von Haydn, dem frommsten Christen kann ein Capitel aus der Bibel nicht wohler thun.“ ONYX 4051 Ulrich Leyendecker (*1946) Konzert für Gitarre und Orchester (2005); Evocazione (2006) Sinfonie Nr. 4 (1997) Maximilian Mangold, Gitarre Nordwestdeutsche Philharmonie, Romely Pfund SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern, Per Borin Radio-Sinfonieorchester Stuttgart, Johannes Kalitzke ONYX 4058 WISPELWEY LIVE Borodin, Strawinsky, Myaskowski Streichquartette, Concertino Codaex Deutschland GmbH Landsberger Straße 492 81241 München Fordern Sie Neuheiten-Informationen an: infode@codaex.com | blog.codaex.de Orchester und Konzert CHAN 0769 Tomaso Giovanni Albinoni Homage an einen spanischen Grande: Konzerte aus Op. 10 Simon Standage Collegium Musicum 90 Caroline Boissier-Butini (1786-1836) Konzert Nr. 6 „La Suisse“ für Klavier, Flöte und Streicher / Pièce pour orgue / Klaviersonate / Divertissement für Klarinette, Fagott und Klavier Verschiedene Interpreten DVD – Konzert Dmitri Shostakovich (1906-1975) Symphonie Nr. 11 „Das Jahr 1905“, op. 103 Netherlands Radio Philharmonic Orchestra Mark Wigglesworth BIS-SACD-1583 EPRC 005 / EPR-Classic GAL-CD-1277 / Gallo CHSA 5077 Richard Wagner Orchesterfassungen aus Parsifal, Tannhäuser und Lohengrin Royal Scottish National Orchestra Neeme Järvi CHAN 5078 Mieczyslaw Weinberg Sinfonien Nr. 1 & 7 Gothenberg Symphony Orchestra Thord Svedlund Codaex Deutschland GmbH Landsberger Straße 492 81241 München Fordern Sie Neuheiten-Informationen an: infode@codaex.com | blog.codaex.de Caroline Butini wuchs in Genf als Tochter eines Arztes auf, der ihre musikalischen Neigungen stark unterstützte, wie später auch ihr Ehemann, Auguste Boissier. Das war ungewöhnlich; eigentlich gab es im Tagesablauf einer Genfer Bürgerin von Stand keinen Platz für kreative, gestalterische Tätigkeit und schon gar nicht mit der als anrüchig geltenden Musik. Dass sie noch nach ihrer Heirat als Pianistin auftrat und über Jahre viel und regelmäßig komponierte, ist also aller Achtung wert. Sie war eine ausgezeichnete Pianistin; im Winter 1831/32 erhielt sie bei Franz Liszt Klavier- und bei Anton Reicha Kompositionsunterricht. Nach heutigem Forschungsstand gilt Boissier-Butini als eine der vielseitigsten unter den Schweizer Komponisten und Komponistinnen ihrer Generation. In der Allgemeinen musikalischen Zeitung vom 1. März 1815 beschreibt der Korrespondent die „ungemeine Fertigkeit von Frau Boissier auf dem Pianoforte“, insbesondere in einem Konzert aus ihrer Feder. Ihre Kompositionen, darunter viel Instrumentalmusik, wurde bei Leduc in Paris verlegt. Auffällig ist die Vielzahl von Instrumentalwerken und die frühe Beschäftigung mit der Volksmusik ihres eigenen Umfelds. Volkslieder, die ihr vorgesungen wurden, fanden z.B. Eingang in ihr 6. Klavierkonzert. Die auf diesem Komponistinnenportrait eingespielten Werke und die Umstände der Musikpraxis von Caroline BoissierButini geben Einblick in die bis heute unter dem musikalischen Aspekt kaum erforschte Epoche der großen politischen, sozialen und kulturellen Umbrüche zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Genf und in der Schweiz. Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 5 in c-Moll Dokumentation Jos van Immerseel Anima Eterna „Den besten Shostakovich-Interpreten seiner Generation“ nannte BBC Music Magazine Mark Wigglesworth. Zehn Symphonien sind mittlerweile auf BIS durch Wigglesworth eingespielt, zunächst mit dem BBC Orchestra of Wales, seit 2005 mit dem Netherlands Radio Philharmonic Orchestra. Nun also die 11., ein Auftragswerk der Sowjetführung zur Erinnerung an die Ereignisse des sogenannten „Blutsonntags“ im Januar 1905. Damals hatte die Garde des Zaren unter friedlichen Demonstranten ein Blutbad angerichtet und somit die Revolution von 1905 weiter angeheizt, die schließlich in die große Oktoberrevolution 1917 münden sollte. Den historischen Bezug macht Shostakovich in den Satztiteln deutlich wie auch in der Verwendung revolutionärer Lieder jener Zeit. Und doch wird man den Verdacht nicht los, dass der Komponist eher an das Niederknüppeln des ungarischen Aufstands durch russische Panzer in Budapest 1956 dachte, als er ein Jahr später diese Symphonie niederschrieb. Subversiv? Und der Verdacht ist begründet, denn er schrieb selbst: „...ich komponierte sie 1957, und sie bezieht sich auf die Gegenwart, auch wenn sie den Titel ‚Das Jahr 1905‘ trägt. Sie handelt vom Volk, das den Glauben verloren hat, weil der Kelch der Missetaten übergelaufen war.“ Offenkundig ist seine Identifikation mit denen, die gegen die Tyrannei aufbegehren, sei es gegen die Gewalt der Kosakenregimenter 1905 oder der roten Armee in Budapest 1956. 24 AUSGABE 2010/2 Der gebürtige Belgier Jos van Immerseel tritt als Pianist, Cembalist und Organist international auf und wird als vielseitiger Künstler hoch geschätzt. Als Dirigent hat er sich stärker festgelegt und arbeitet ausschließlich mit dem Orchester Anima Eterna in Brügge zusammen, das auf historischen Instrumenten spielt. Gemeinsam erarbeiteten das Ensemble und Immerseel weltweit beachtete Projekte und widmeten sich auch sämtlichen Sinfonien Ludwig van Beethovens. Bei diesen Interpretationen überraschen vor allem die recht schnellen Tempi. Immerseel hat die Handschriften Beethovens eingängig studiert und sich mit weiteren verfügbaren Quellen auseinandergesetzt. So kam er zu dem Ergebnis, die Sinfonien in ungewohnt raschen Tempi zu spielen und damit völlig neue Einblicke in die Werke zu geben. Tatsächlich faszinieren die Interpretationen den Hörer auf unglaubliche Weise. Im Ballsaal des Concert Noble in Brüssel wurde ein Konzert von Beethovens fünfter Sinfonie mit Anima Eterna und Jos van Immerseel aufgezeichnet. Concert noble Im wunderschönen Ambiente des Saals und unter Kerzenschein spielen die Musiker die Sinfonie in der erfrischenden Interpretation und von den Kameras bestens eingefangen. Im zweiten Teil der DVD gibt ein beeindruckender Film Auskunft über die sogenannte Wiederentdeckung der 5. Sinfonie von Beethoven. Jos van Immerseel wurde auf den Spuren Beethovens durch Wien begleitet sowie dort und in Antwerpen zu seiner Arbeit befragt. Das in holländisch geführte Interview ist mit englischen Untertiteln versehen. YOUR INDEPENDENT PARTNER IN MUSIC CLASS a k t u e l l Kammermusik blog.codaex.de Neuigkeiten Besprechungen Tipps und Termine Ludwig van Beethoven Violinsonaten Nr. 3 & 9 ‚Kreutzer‘ Viktoria Mullova, Violine Kristian Bezuidenhout, Hammerflügel ONYX 4050 Das Label Onyx feiert sein 5-jähriges Bestehen mit seiner 50. Aufnahme und einer der größten Geigerinnen unserer Zeit: Viktoria Mullova. Egal auf welcher Violine, die 1959 geborene Russin hat in ihrer gesamten Karriere seit Ende der achtziger Jahre ein immenses Spektrum unterschiedlicher Klangmöglichkeiten und Stilistiken ihren Instrumenten entlockt. Die Bandbreite ihres Repertoires hat sie stetig erweitert, heute reicht ihre Interpretationskunst von der Barockzeit über klassisches und romantisches Repertoire bis hin zu Crossover-Projekten mit jazzigen Tönen. Sie vergibt Aufträge an junge zeitgenössische Komponisten und beschäftigt sich schon einige Jahre mit der historischen Aufführungspraxis. Auf der Jubiläums-Aufnahme bei Onyx spielt sie eine historische Geige von Guadagnini aus dem Jahre 1750 und einen Barockbogen von Walter Barbiero. Jubiläum mit Starbesetzung Viktoria Mullovas Klavierpartner ist Kristian Bezuidenhout, der 1979 in Südafrika geboren wurde und als Cembalist und Pianist vor allem aus der niederländischen Musikszene nicht mehr wegzudenken ist. Er begleitet Viktoria Mullova auf einem restaurierten Wiener Hammerflügel von 1816. Beide Virtuosen verfügen über eine makellose Technik und individuelle Ausdruckskraft, die sie in den Sonaten Nr. 3 op. 12,3 und Nr. 9 op. 47, der Kreutzer-Sonate voll entfalten. Nicolò Paganini 24 Caprices für Violine Solo op. 1 mit Klavierbegleitung von Robert Schumann Benjamin Schmid, Violine Lisa Smirnova, Klavier MDG 333 0674-2 Paganini, der Teufelsgeiger, exzentrisch wie eine Primadonna, ist der eigentliche „Entdecker“ der Violine. Dämonisch wirkt sein Spiel auf das biedermeierlich brave Publikum. So erschienen Karikaturen die Paganini drapiert mit ermordeten Frauen, tanzenden Skeletten und Nebelgeistern zeigen! Musikalisch sind es besonders seine Capricen op. 1, die die Welt in Atem halten. Tanzende Knochenmänner „Paganini ist da!“, schreibt Schumann begeistert in sein Tagebuch. Kurze Zeit später beginnt er, die akrobatischen Capricen für Violine mit einer Klavierbegleitung zu versehen: Der große Klavierkomponist Schumann kontrapunktiert die ungebändigte Virtuosität Paganinis und fügt den Werken mit einer schlichten „Harmonisierung“ eine neue, tiefgründige Dimension hinzu. Sensationelle Erfolge wie beim „Concours International Yehudi Menuhin“ in Paris ebneten Benjamin Schmid den Weg auf die internationalen Konzertpodien. Seine Klavierbegleiterin, die Moskauerin Lisa Smirnova, wurde als 14jährige(!) mit dem 1. Preis beim Nationalwettbewerb der UdSSR ausgezeichnet und konzertiert seither in allen Ländern Europas, in Fernost und den USA. Nach „Bach / Schumann“ nun der zweite geniale Wurf dieses sympathischen Duos bei MDG. Franz Schubert Werke für Violine und Klavier Vol. 2 Julia Fischer, Violine Martin Helmchen, Klavier PTC 5186348 / Pentatone (SACD) Julia Fischer und Martin Helmchen widmeten sich im vergangenen Jahr Franz Schubert. Seine Werke für Violine und Klavier liegen mit dieser zweiten Folge nun in ihrer Gesamtheit vor. Die erste SACD der beiden Künstler wurde sogleich ein großer Erfolg, kein Wunder daher, dass Volume 2 mit Spannung erwartet wurde. Die beiden jungen Musiker spielen die Sonate D 574 sowie die Fantasie D 934 und rücken Schuberts kammermusikalische Kleinodien wieder einmal ins Rampenlicht. Voll inniger Wärme und gelegentlich spielerischer Anmut sind die Werke sowohl für Interpreten als auch für die Zuhörer immer wieder ein Genuss und auch bei dieser Einspielung mit dem aussdrucksstarken Duo FischerHelmchen entsteht beinahe Wehmut, dass Schubert nicht noch mehr für dieses Instrumenten-Paar komponiert hat. Julia Fischer und Martin Helmchen kommen hier dem Hörer mit einer fabelhaften Idee entgegen. Sie spielen, damit die SACDLänge voll ausgeschöpft wird, die Fantasie in f-moll D 940 für Klavierduo! Eine Geigerin als Pianistin Julia Fischer ist damit erstmals auf SACD als Pianistin verewigt. Sie begann im Kindesalter sowohl Geige als auch Klavier zu spielen und hatte mit zwölf Jahren bereits Preise bei Jugend musiziert gewonnen und zehn BeethovenSonaten einstudiert. Beide Instrumente gehörten zu Julia Fischers weiterer Ausbildung und ihr Klavierspiel auf hohem Niveau wurde vielfach in Konzerten bejubelt. Schuberts Werke werden von Julia Fischer und Martin Helmchen mit makelloser Technik und phänomenaler Musikalität dargeboten. blog.codaex.de ist ein Musik-Blog des europäischen unabhängigen CD-Vertriebs Codaex. Das Angebot umfaßt schwerpunktmäßig klassische Musik. Jazz- und Weltmusikveröffentlichungen, sowie DVDs runden das Programm ab. In diesem Blog sollen Neuerscheinungen aus dem Codaex-Kosmos vorgestellt und besprochen werden, auf ältere Veröffentlichungen aufmerksam gemacht werden, Künstler und Labels porträtiert, sowie TV-, Radio- und Linktipps veröffentlicht werden. blog.codaex.de soll dabei keine kritiklose Werbeplattform sein. Deswegen wird das Blog auch von einem freischaffenden Blogger betextet, der fair und unabhängig über die CDs berichten möchte. Oberste Priorität der Besprechungen in diesem Blog soll daher die Freude an der Musik und die Neugierde auf Neues sein. Dieses Blog will nicht auf einer akademischen Ebene musiktheoretische Betrachtungen veröffentlichen, es will den „ganz normalen“ und den „ambitionierten“ Hörer zum Entdecken verführen. Im günstigsten Fall soll blog.codaex.de dem Leser als Richtschnur für neue Entdeckungen oder neue Betrachtungen in Sachen Musik dienen. Dabei bedient sich das Blog moderner Kommunikationsmethoden, um es dem Leser so einfach wie möglich zu machen, den Updates auf dieser Website zu folgen: Neben einem regelmäßigen Besuch dieser Seite kann man das Blog selbstverständlich auch via RSS-Feed abonnieren; außerdem werden die Artikel via Twitter und Facebook angekündigt. Codaex Deutschland GmbH Landsberger Straße 492 81241 München Fordern Sie Neuheiten-Informationen an: infode@codaex.com http://blog.codaex.de AUSGABE 2010/2 25 Kammermusik John Cage „Violin and Piano“ Andreas Seidel, Violine Steffen Schleiermacher, Klavier MDG 613 1607-2 Das früheste Stück dieser Sammlung, „Nocturne“, stammt aus dem Jahr 1947. Cage hatte damals den französischen Komponisten Erik Satie für sich entdeckt und widmete ihm posthum einige seiner Werke, darunter das kurze, fast impressionistisch anmutende „Nocturne“. Eine ganz andere Klangwelt eröffnet sich in den nur drei Jahre später entstandenen „Six Melodies“. Cage beschränkt sich im Klavierpart der sechs kurzen Stücke auf nur 25 verschiedene Töne, die er höchst kunstvoll in stets identischen Kombinationen variiert. 4You Zwei Spätwerke aus den Jahren 1991 und 1992 machen deutlich, welch enorme Wegstrecke John Cage bis zu seinen „Number Pieces“ zurückgelegt hat: Statt einer Partitur gibt Cage den Musikern nur Zeitvorgaben an die Hand, in denen sie eine gewisse Anzahl von Tönen spielen müssen. Die Stoppuhr wird für sie zum Maß aller Dinge. Zusätzlich gibt Cage in der Komposition Two4 minutiöse mikrotonale Abweichungen sowie die jeweilige Klangfarbe bzw. ihre Veränderung vor. Mit Two6 schließt sich der Kreis komplett: Cage greift auf die „Vexation“ von Erik Satie zurück, nutzt dessen Basslinie, verändert sie durch Zufallsoperationen und gibt dem Interpreten ein abstraktes Zeitschema, das er nach eigenem Geschmack ausfüllen kann... Spätestens seit seiner fulminanten Cage-Gesamteinspielung hat Steffen Schleiermacher seinen internationalen Durchbruch als Pianist gefeiert. Sein Partner bei dieser Aufnahme ist Andreas Seidel, der mit seiner Spielfreude und technischer Brillanz heute wieder als Konzertmeister das Gewandhausorchester Leipzig und zwischenzeitig als Primarius das nicht minder berühmte Leipziger Streichquartett bereichert. 26 The Vienna Connection Hans Gál: Sonate op. 17 Egon Kornauth: Sonate D-Dur op. 15 Ernst Krenek: Sonate Nr. 1 fis-Moll op. 3 David Frühwirth, Violine Florian Uhlig, Klavier EDA 32 Es waren die Kulturhauptstädte Europas in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wo im wahrsten Sinne „die Musik spielte“. Orte, an denen Verbindungen geknüpft und diese Verknüpfungen über die Grenzen von Nationalitäten, Schulen und Stilen hinweg ein Musikleben bereicherten, das fast alles tolerierte, vieles möglich machte und manches erst zum Leben kommen ließ. Auf der einen Seite stand das erwachende nationale Selbstbewusstsein, eine politische Angelegenheit, ausgetragen zwischen Restauration und sozialem, wenn nicht sozialistischem Aufbruch; auf der anderen Seite ließ das Bersten der Grenzen der Tonalität, des harmonischen Funktionierens und der Leitplanke des klassisch-romantischen Formenkanons die Feste der bis dahin gerade noch linear verlaufenen Musikgeschichte erzittern. Connections – Menschen trafen sich, musikalisches Denken zwischen letzten Ausläufern der Tradition und ausuferndem Modernismus prallte aufeinander und gebar Großartiges hüben wie drüben. Aus der Kulturhauptstadt Wien, erste Station dieser „Connections“-Serie, war einer der viel beschriebenen Schmelzpunkte dieser Zeit. Die vorliegende Aufnahme belegt eindrucksvoll, welche Vielfalt des kompositorischen Ausdrucks auf höchstem Niveau nebeneinander existieren durfte und erweist Mut und Selbstverständnis der Komponisten die Reverenz, gleich ob sie damals – aus unserer heutigen Sicht – über die Schulter zurück oder mit dem Fernglas weit nach vorn blickten. AUSGABE 2010/2 s CLASS a k t u e l l SU 4012 Kammermusik In Bozen wird heute eine Handschriftensammlung aufbewahrt, die als „Toggenburger Musiksammlung“ bekannt ist. Begonnen hatte sie der reiche Kaufmann und Kunstmäzen Anton Melchior von Menz (1757-1801). Um gedruckte und handgeschriebene Werke erweitert wurde sie durch seine Tochter Annette; sie sammelte Werke, die sie selbst in ihren musikalischen Soireen spielte oder die bei den musikalischen Akademien aufgeführt wurden, die in ihrem Salon stattfanden. Um Annette bildete sich ein Kreis von Musikern, die sich ihrer musikalischen Ausbildung annahmen, die an den von ihr veranstalteten Akademien teilnahmen und ihr eigene Werke widmeten. À votre plaisir Darunter befinden sich viele Gesangsstücke mit Gitarren- oder Klavierbegleitung. Hier allerdings erklingen keine Vokalwerke, sondern Serenaden oder Variationssätze für die Anfang des 19. Jahrhunderts so beliebte, heute leider eher vernachlässigte und klanglich so aparte Kombination von Flöte und Gitarre. Und die CD gibt einen Einblick in die Art und Qualität der musikalischen Unterhaltung des gebildeten Bürgertums Anfang des 19. Jahrhunderts. MDG 304 1618-2 Seit mehr als 20 Jahren hat sich das Ensemble Villa Musica die Entdeckung kammermusikalischer Raritäten auf die Fahne geschrieben. Die mehr als 30 CDAufnahmen wurden mit Preisen und Höchstbewertungen der internationalen Kritik förmlich überschüttet. Kein Wunder: Die Namensliste der Musiker liest sich wie ein „Who is who“ des Kammermusikadels: Andrea Lieberknecht und Claude Gérard (Flöte), Yeon-Hee Kwak und Ingo Goritzki (Oboe), Ulf Rodenhäuser (Klarinette), Dag Jensen (Fagott), Nicolas Chumachenko (Geige) sowie die Pianisten Chia Chou und Kalle Randalu… Jetzt folgt ein bläsermusikalisches Porträt des italienischen Komponisten Amilcare Ponchielli, der auch in der Kammermusik seine Affinität zur Oper in jedem Moment spüren lässt. So erscheinen Klarinette und Violine als Personifizierung von Paolo und Virginia direkt von der Opernbühne inspiriert: Rezitativ, Kantilenen, heftige Stimmungswechsel und eine passgenaue Stretta... Das ist große Oper. Kammermusikalische Rarität Im Divertimento für zwei Klarinetten und Klavier, mehr noch im Quartett für Flöte, Oboe, Es-Klarinette und Klarinette mit Klavierbegleitung zeigt Ponchielli, wie passgenau er die Blasinstrumente nach ihren Stärken und Möglichkeiten einsetzt und sie sehr geschickt zu kombinieren weiß. Als klangliches Bonbon präsentiert das hervorragend aufgelegte Ensemble Villa Musica eine Bearbeitung des berühmten „Danze delle ore“ („Tanz der Stunden“) für Bläsernonett aus der Oper La Gioconda. AUSGABE 2010/2 27 Wiener Serenaden Sonaten und Variationen von Anton Diabelli, Mauro Giuliani und Caspar Joseph Mertz Maximilian Mangold, Gitarre Kristian Nyquist, Fortepiano DVOŘÁK Sinfonische Dichtungen Tschechische Philharmonie Sir Charles Mackerras M 56900 / Musicaphon Anfang des 19. Jahrhunderts erlebte die Gitarre in einigen europäischen Metropolen, besonders in Wien, Paris und London eine wahre Blütezeit. Zahlreiche Gitarrenvirtuosen entfachten eine Begeisterungswelle für die Gitarre, unternahmen ausgedehnte Konzertreisen durch Europa und waren zugleich äußerst produktive Komponisten. Die Gitarre, lange Zeit unbeachtet und im Gegensatz zur Laute ohne Tradition in der Kunstmusik, fand Einzug in das Konzertleben und wurde zu einem Modeinstrument. Und als solches verschwand sie dann auch bald wieder von den Konzertpodien; erst Andres Segovia verhalf ihr Mitte des 20. Jahrhunderts zu einer neuen Auferstehung als ernst genommenes Musizierwerkzeug für Klassik. Für die vorliegende Aufnahme wurde die detailgenaue Rekonstruktion einer sechssaitigen Gitarre nach Johann Anton Stauffer, Wien um 1840, von Bernhard Kresse, Köln, 2003 verwendet. Bei dem hier erklingenden Fortepiano handelt es sich um den Nachbau eines Flügels der damals europaweit berühmten Wiener Klavierbaumeisterin Nannette Streicher aus dem Jahre 1814. Das Instrument stammt aus der Werkstatt von Michael Walker, Heidelberg, 2002. Die hier eingespielten Komponisten sind zwar nicht gebürtige Wiener, verbrachten jedoch große Teile ihres Lebens in der Habsburgermetropole und feierten dort ihre größten Erfolge. Gerade in Wien besaß die Gitarre eine erstaunliche Popularität. Neben Diabelli, Giuliani und Mertz wirkten hier zeitweise auch Simon Molitor, Leonhard von Call, Wenzeslav Matiegka, Ivan Padovec und viele andere. SU 4020 CDS 657 / Dynamic (Ersteinspielung) Amilcare Ponchielli (1834-1886) Kammermusik Ensemble Villa Musica BEETHOVEN Klavierkonzerte Nr.1 & 3 Tschechische Philharmonie Karel Ančerl SU 4014 Der musikalische Salon der Annette von Menz Serenaden und Variationen von Johann Baptist Gänsbacher, Joseph Ewald Reiner, Johann Nepomuk Huber und Leonhard von Call Giuseppe Carrer, Gitarre Luigi Lupo, Traversflöte TSCHAIKOWSKY PROKOFIEFF / BACH Klavierkonzerte Nr.1 Tschechische Philharmonie Prager Symphoniker Karel Ančerl, Václav Talich SUPRAPHON a. s. > www.supraphon.com > info@supraphon.com im Vertrieb von CODAEX DEUTSCHLAND GmbH > Landsberger Str. 492, 81241 München > http:// blog.codaex.de > infode@codaex.com Im Blickpunkt Tasteninstrumente Jean Sibelius Die Sibelius-Edition Vol. 10: Klaviermusik, Vol. 2 Folke Gräsbeck, Klavier BIS-CD-1927 Sibelius ist als großer Symphoniker bekannt geworden, dabei war er zeitlebens auch ein großer Miniaturist mit Spaß an kleinen Formen und aphoristischen Stückchen. Gerade für das Klavier hat er eine große Zahl von Werken geschaffen. Während auf Folge 4 der Sibelius Edition die Klavierwerke der frühen Jahre und seiner national-romantischen Periode veröffentlicht worden waren, sind hier die Werke aus der Zeit zwischen 1905 und 1931 zu hören. Die Sammlung enthält nicht weniger als 14 Ersteinspielungen, und auch alle anderen Werke sind bisher bei BIS noch nicht veröffentlicht worden. Eine maßgeblich treibende Kraft nicht nur hinter dieser Aufnahme der Klavierwerke, sondern auch der Sibelius Edition insgesamt ist Folke Gräsbeck, der in mühsamer detektivischer Arbeit Archive durchpflügte, Fassungen miteinander verglich und stets auf der Suche nach bis dato unbekannten Werken war. Zarte Blumen „Wer glaubt, dass Sibelius in der Lage war, mehr als ein gutes Dutzend ‚Greatest Hits‘ zu schreiben, für den wird die Musik auf diesen CDs viele lohnende, ja wunderbare neue Entdeckungen bereithalten. Wohl wahr, dass die Symphonien die gewaltigen Birken und Kiefern im Sibelius-Wald sind; aber die Klaviermusik stellt seine zartesten Blumen dar – und das musikalische Ökosystem bietet genügend Platz für beide“ (Andrew Barnett im Begleitheft zu dieser 5 CDs umfassenden Edition). Ludwig van Beethoven Klaviersonaten Steven Osborne, Klavier Domenico Alberti (ca. 1717-1740) VIII Sonate per clavicembalo, op. 1 Filippo Emanuele Ravizza CDA 67662 / Hyperion Der schottische Pianist Steven Osborne, Jahrgang 1971, studierte bei Richard Beauchamp in Edinburgh und bei Renna Kellaway in Manchester. Der Gewinner des internationalen Clara-Haskil-Wettbewerbes (1991) beeindruckt mit durchdachten Interpretationen bekannter Werke und überrascht immer wieder mit spannenden Entdeckungen aus der Klavierliteratur des 20. Jahrhunderts. Ernsthaft und intensiv Ob Wiener Klassik, Romantik oder die Welt der Moderne, jedes der Werke, die Steven Osborne für seine Konzertprogramme aussucht, wird von ihm mit gleicher Ernsthaftigkeit und höchster Intensität interpretiert. In zahlreichen Konzerten spielte Steven Osborne mit großem Erfolg aus dem Oeuvre von Ludwig. Nun hat der schottische Pianist zum ersten Mal bei Hyperion drei Beethoven-Sonaten auf CD aufgenommen. Für sein Debüt wählte er drei der bekanntesten und schönsten Klavierwerke des großen Meisters: die Pathetique, die Waldstein- sowie die Mondschein-Sonate. Beethovens Klavierwerke sind in der Klavierliteratur bekanntermaßen von epochaler Bedeutung. Mit seiner Sonate op. 13, der Pathétique gelang Beethoven der Durchbruch zu einem neuen Ausdrucksstil. Formale Freiheiten und starke Emotionen machen die Sonate op. 27,2, seine Mondschein-Sonate zum Vorläufer der Romantik. Die Waldsteinsonate op. 53 sprengt in Umfang und modulatorischer Kühnheit die bis dahin übliche Sonatenform. In allen drei Sonaten werden höchste Anforderungen an den Pianisten gestellt. Steven Osborne wird diesen Ansprüchen mit absoluter musikalischer Intelligenz und Subtilität gerecht. 28 Concerto CD 2067 (Ersteinspielung) Domenico Alberti – der ist jedem Klavierschüler wohl bekannt als Erfinder der Begleitfiguren aus gebrochenen Akkorden, den berühmt-berüchtigten AlbertiBässen. Aber über sein Leben weiß man kaum etwas. In Venedig muss er eine Zeit lang gelebt haben, denn er hatte dort einen guten Namen als Komponist und exzellenter Cembalist, wie der Musikhistoriker Charles Burney 1773 berichtete. In Madrid soll er um 1736 beim venezianischen Botschafter in Spanien gewesen sein, und von 1737 bis 1740 hat er wohl in Rom gelebt, um seine Fertigkeiten zu erweitern. Seine musikalische Ausbildung erhielt er bei Antonio Lotti (Komposition) und bei Antonio Biffi (Gesang), beides Meister der venezianischen Schule. Obwohl seine Lebenszeit noch in die Epoche des Spätbarock fällt, sind seine Werke doch höchst modern, schon dem galanten Stil verpflichtet. Die einfach harmonisierte Melodie erhält den Vorzug vor kontrapunktischer Arbeit, volkstümliche, fröhliche Melodik hält Einzug, die Struktur des Satzes ist klar, einfach und leicht überschaubar. Gleichzeitig werden aber auch Albertis stilistische Wurzeln deutlich: Domenico Scarlatti und Georg Friedrich Händel haben ganz offensichtlich auf ihn Einfluss gehabt. Mehr als nur Bässe Etwa 80 Kompositionen für Cembalo aus seiner Feder sind bekannt; nur einige erschienen zu Albertis Lebzeiten im Druck. Die hier eingespielten Werke beweisen jedenfalls, dass Alberti Unrecht tut, wer ihn lediglich auf seine Bässe reduziert. AUSGABE 2010/2 Gradus ad Parnassum Süddeutsche Orgelkunst Werke von Froberger, Kindermann, Kerll, Murschhauser, Kayser, Maichelbeck und Muffat Christian Brembeck, Baumeister-Orgel (1737) der Klosterkirche Maihingen C 58042 / Cantate Ein „Gradus ad Parnassum“, ein Aufstieg zum Sitz der Götter, ist im übertragenen Sinne für das Portrait eines solch einzigartigen Instrumentes sicherlich der rechte Titel. In unserer Programmzusammenstellung wird dieser „Gradus“ musikalisch durch die beiden „Eckpfeiler“, die einleitenden und abschließenden Werke von Froberger und Muffat versinnbildlicht. Gerade diesen beiden Tonschöpfungen kann man eine qualitative Spitzenstellung in der Musik des ausgehenden 17. Jahrhunderts zubilligen, die schnell ein gewisses Vorurteil von angeblicher Unterlegenheit süddeutscher Orgelmusik (im Vergleich zu Werken mittel- und norddeutscher Provenienz) obsolet erscheinen lässt. Im Gegenteil: Der aufmerksame Hörer erlebt hier einen in sich geschlossenen, äußerst farbigen klanglichen Kosmos. Bedeutendstes Ausstattungstück der Maihinger Klosterkirche ist die Orgel des Eichstätter Orgelbauers Johann Martin Baumeister (1692-1780) aus dem Jahr 1737, die seit ihrer Versiegelung im Jahre 1803 kaum mehr benützt wurde und fast völlig in Vergessenheit geriet. Eine höchst umfangreiche wissenschaftliche Bestandsaufnahme der Orgel sowie die darauf folgende Restaurierung in den Jahren 1988-90 durch die Pfeifenwerkstatt Hildebrand & Brede (Überlingen) und die Orgelbauwerkstätte G. F. Steinmeyer (Oettingen) brachte ein als sensationell zu bewertendes Ergebnis: eine historische süddeutsche Orgel, die über fast zwei Jahrhunderte hinweg in ihrem Ursprungszustand gewissermaßen „eingefroren“ war! Diese Tatsache hebt die Baumeister-Orgel in den höchsten Rang historischer Orgeln. CLASS a k t u e l l Überzeugende Vielfalt Tasteninstrumente Divergénces Jongen: Etude de concert / Deux pièces Reger: Träume am Kamin op. 143 Scirabin: Sonate Nr. 4 / Quasi valse / Fueillet d‘album / Sonate Nr. 7 / Deux danses Joseph Moog, Klavier CLA 50-1005 / Claves Mit diesem Album schließt Moog an seine 2008 bei Claves veröffentlichten „Metamorphosen“ an. Diese Hommage an eine Virtuosität voller Finesse findet hier ihre Fortsetzung mit einem Programm, das der von starken Gegensätzen geprägten musikalischen Welt der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewidmet ist. Die Klangwelten der Komponisten aus Belgien, Deutschland und Russland könnten kaum verschiedener sein. Gegensätze, die Moog in seiner zupackenden, gleichwohl feinfühligen Interpretation deutlich hörbar werden lässt. Für diese CD wurde der junge Interpret bereits zum zweiten Mal mit dem SuperSonic des Luxemburger Magazins Pizzicato ausgezeichnet. Joseph Moog, im Dezember 1987 in Neustadt an der Weinstrasse geboren, erhielt er vierjährig den ersten Klavierunterricht und begann bald darauf zu komponieren. Von 2001 bis 2007 studierte er bei Prof. Bernd Glemser an der Musikhochschule Würzburg und setzt nun sein Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater bei Prof. Arie Vardi fort. Eine Deutschland-Tournee mit den Ungarischen Symphonikern führte Joseph Moog 2009 u.a. in die Kölner Philharmonie und die Stuttgarter Liederhalle. Stets erfolgreich Joseph Moog zählt bereits 22-jährig zu den herausragenden jungen Pianisten mit internationaler Reputation. Besondere Aufmerksamkeit erweckt er durch sein hochvirtuoses Spiel, seine reife Künstlerpersönlichkeit und durch seine Kompositionen, die er regelmäßig im Rahmen seiner Recitals vorstellt. Robert Schumann (1810-1856) Sonate op. 14 Paganini-Studien op. 3 Paganini-Etüden op. 10 Mi-Joo Lee, Klavier Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) Sämtliche Werke für Tasteninstrumente solo, Vol. 20: Sonaten von 1760 bis 1766 Miklós Spányi, Clavichord MDG 604 0941-2 BIS-CD-1623 Die vorliegenden Klavierwerke Schumanns sind ein Psychogramm seiner frühen Schaffenszeit. Mi-Joo Lee präsentiert die große Phantasie-Sonate f-Moll in einer selten zu hörenden Rekonstruktion, welche aber einen perfekten Blick auf die komplizierte Quellenlage dieses absoluten Meisterwerkes erlaubt. In den fünf für diese Folge der Serie ausgewählten Sonaten aus den 1760er Jahren kulminieren Bachs bisherige Erfahrungen in neuen stilistischen Elementen. Vorbei die ausschließliche Dramatik der Württembergischen Sonaten (Vol. 16 und 17 dieser Serie), vorbei auch die lyrische Intimität und Einfachheit der „leichten“ Sonaten. All dies wird nun zusammengeführt in einem neuen Stil, der deutlich „klassischer“ anmutet. Entdeckung Schumann setzte viel daran, seine Werke spontan, wie „Phoenix aus der Asche“ erscheinen zu lassen (Genies arbeiten eben nicht, sie folgen plötzlichen Eingebungen ...). Die Realität sah jedoch anders aus: Gerade Schumanns Arbeit an der Phantasie-Sonate op. 14 zeigt einen mehrjährigen, aufwendigen Prozess der Vervollkommnung – ungezählte Korrekturen markieren den Entstehungsweg des monumentalen Klavierwerkes. Die beiden Paganini-Studien sind in demselben Zeitraum entstanden und damit auch „von Clara besetzt“: Nach Roberts Tod wich Clara jedoch gern den anspruchsvollen Etüden ihres Gatten aus und spielte lieber die effektvolleren Paganini-Paraphrasen von Liszt... Als Koreanerin in der Welt der abendländischen Musik Fuß zu fassen, ist nicht leicht. Mi-Joo Lee ist eine der wenigen jungen asiatischen Pianistinnen, die auf dem steilen Weg nach oben sind: Klavierabende in Berlins Philharmonie, Recitals in Europa, Japan und den USA, zahlreiche Preise und Auszeichnungen pflastern den steilen Weg in die Spitze der klassischen Klaviermusik. Auf neuen Wegen Ein Stil, der Bachs vertraute Energie und Lebhaftigkeit zeigt, wie Miklós Spányi im Booklet anmerkt, aber eine größere Ausgeglichenheit erzielt. Es sind Werke, die in ein biographisch wichtiges Jahrzehnt fallen: 1768 nahm C. Ph. E. Bach seinen Abschied vom preußischen Hof in Potsdam, um in Hamburg als Musikdirektor der fünf Hauptkirchen die Nachfolge seines Patenonkels Georg Philipp Telemann anzutreten. Spányi trägt wiederum auf einem Instrument vor, das ihn durch diese Reihe begleitet: ein Clavichord, das 1999 von Joris Potvlieghe nach dem Muster eines der schönsten erhaltenen Instrumente der sächsischen Clavichordbau-Schule gebaut wurde. 1785 von Gottfried Joseph Horn in Dresden gefertigt, repräsentiert dieses herrliche, resonanzreiche Instrument den mitteldeutschen Clavichordbau in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, wie er von Gottfried Silbermann begründet wurde. KTC 1400 Johann Sebastian Bach Goldberg Variationen Kanonische Variationen Pieter Dirksen, Cembalo und Orgel KTC 1404 W. A. Mozart, F. Petrini Sonaten für Harfe und Violine Masumi Nagasawa Ryo Terakado KTC 1904 Ludwig van Beethoven Sämtliche Sonaten für Violine und Klavier Sarah Kapustin Jeannette Koekkoek Codaex Deutschland GmbH Landsberger Straße 492 81241 München Fordern Sie Neuheiten-Informationen an: infode@codaex.com | blog.codaex.de AUSGABE 2010/2 29 Im Blickpunkt Tasteninstrumente Marcel Dupré (1886-1971) Orgelwerke Vol. 11 Suite Bretonne op. 21 Les Nymphéas op. 54 Trois Esquisses op. 41 Chorales op. 78 (Auswahl) Ben van Oosten, Casavant-Orgel Brick Church, New York City Streichinstrumente Dietrich Buxtehude (1637-1707) Toccaten in F und d Ciacona in e Präludium in a Choralbearbeitungen Magnificat Primi Toni Masaaki Suzuki, Orgel BIS-SACD-1809 MDG 316 1293-2 Marcel Dupré war sein Leben lang ein gefragter Orgellehrer. Deshalb sind einige seiner Werke musikpädagogisch motiviert. Faszinierend seine 79 „leichten“ Choräle für den elemantaren Orgelunterricht, die als Vorspiele zu den Bachschen Chorälen gedacht waren. Im Gegensatz dazu die an Virtuosität kaum zu überbietenden und deswegen so gefürchteten „Trios Esquisses“ op. 41. Niemals zuvor sind „Les Nymphéas, op. 54“ außerhalb von Meudon erklungen, dem Heimatort von Marcel Dupré. Ben van Oosten präsentiert diese außergewöhnliche Komposition allerdings nicht auf der Hausorgel des Komponisten, sondern in der Brick Church von New York, eine beeindruckende Synthese von französisch-symphonischen und amerikanisch-romantischem Orgelbau. Die berühmten acht Seerosen-Gemälde von Claude Monet als Vorlage für „Nymphéas“ inspirierten den Komponisten zu außergewöhnlichen musikalischen Impressionen, in denen sich seine Liebe zur Malerei vereinte mit seiner Vision der „Orgel der Zukunft“. Duprés klangliche Vorstellungen gingen weit über das hinaus, was der zeitgenössische Orgelbau zu bieten hatte, z. B. experimentierte er mit geteilten Manualen, die es erlaubten, oben und unten unterschiedliche Registrierungen zu realisieren. Das Ergebnis: Sechs Stimmen in sechs verschiedenen Registrierungen erklingen gleichzeitig. Sicher keine leichte Herausforderung, auch nicht für einen Ben van Oosten, der mit dieser Edition im Begriff ist, seiner diskografischen Hall of Fame einen weiteren Meilenstein hinzuzufügen. Wenn selbst ein Johann Sebastian Bach als Zwanzigjähriger sich aufmachte, mehr als 400 Kilometer zu Fuß zurückzulegen, nur um Dietrich Buxtehude zu hören, kann man ermessen, welche Bedeutung dem Lübecker Marienorganist von seinen Zeitgenossen zugesprochen wurde. Anders als dies bei vielen seiner norddeutschen Kollegen der Fall war, hat zum Glück ein Großteil seiner Manuskripte die Jahrhunderte unversehrt überstanden. Buxtehude war nicht nur ein Virtuose, sondern auch ein profunder Orgelkenner. Norddeutsche Orgelkunst Die besten Instrumente waren seinerzeit in Norddeutschland zu finden. Insbesondere die reichen Bauerndörfer in den Elbmarschen brachten ihren Wohlstand in großen, schön verzierten Kirchen zum Ausdruck (oft despektierlich „Bauerndome“ genannt), die mit kostspieligen, wertvollen Orgeln ausgestattet wurden. Zwei besonders großartige Exemplare finden sich noch heute, nur drei Kilometer voneinander entfernt, in Altenbruch (Klapmeyer-Orgel in St. Nikolai) und in Lüdingworth (Wilde-Schnitger-Orgel in St. Jakobi), und an diesen beiden wunderbaren dreimanualigen Instrumenten hat Suzuki eine bunte, in ihrer Verschiedenheit durchaus repräsentative Auswahl von Orgelwerken Buxtehudes eingespielt. 30 Bedřich Smetana Streichquartette Nr. 1 + 2 Bennewitz Quartet COV 51004 / Coviello (Hybrid-SACD) „Erster Satz: Die Liebe zur Kunst in meiner Jugend, romantische Stimmung… Gleichzeitig kündigt sich im Prolog das künftige Unglück an… Der zweite Satz entführt mich erneut in jugendlichen Freudentaumel… Der dritte Satz erinnert an meine erste Liebe, die später meine geliebte Gattin wurde. Der vierte Satz: …ich stelle voller Freude fest, dass der eingeschlagene Weg zum Erfolg führt, bis die Katastrophe allem brutal ein Ende bereitet…“ Selten ist der autobiografische Bezug einer Komposition – oft genug eine eher fragwürdige Spekulation – so eindeutig wie hier: Bedřich Smetana selbst schrieb diese Zeilen 1878 über sein erstes Streichquartett „Aus meinem Leben“. Explizit soll es zur Bewältigung seiner Lebenskatastrophe beitragen; da wundert es nicht, dass es zu seinen emotionalsten Werken zählt. Im zweiten Quartett sah der bereits von schwerer Krankheit Gezeichnete eine Art musikalisches Testament; es gipfelt im letzten Satz mit dem Titelzusatz „Sieg über das Schicksal“ – die Krönung von Smetanas Lebenswerk einer Verbindung von anspruchsvoller Kunstmusik mit einem unverwechselbaren tschechisch-nationalen Tonfall. Sehr persönliche Bekenntnisse des Komponisten sind also beide Streichquartette; besonders spürbar wird das in der intensiven Interpretation des international vielfach ausgezeichneten Bennewitz Quartetts. Der erste Preis beim renommierten Borciani-Wettbewerb 2008 war nur der vorläufige Höhepunkt in der langen Reihe seiner Erfolge. Dass die vier jungen Streicher aus Tschechien die Musik ihrer Landsleute besonders authentisch wiedergeben können, daran ließ schon ihre Einspielung mit den Quartetten Leoš Janáčeks keinen Zweifel. Ihr neuestes Werk stellt einmal mehr ihre musikalische Ausnahmeklasse unter Beweis. AUSGABE 2010/2 Oper Antonio Vivaldi (1678-1741) Argippo Fucikova, Stepnickova, Binova-Koucka, Kapf Hof-Musici Barockensemble Ondrej Macek Dynamic CDS 626 (Ersteinspielung) Dies ist die Produktion der 2008 erfolgten Ersteinspielung eines 279 Jahre lang verschollenen Werkes. Seit 2006 hatte der tschechische Cembalist und Dirigent Ondrej Macek nach diesem Dramma per musica aus der Feder des „roten Priesters“ gesucht, von dem nur bekannt war, dass es im Herbst des Jahres 1730 im Palast des Grafen Anton von Sporck in Prag aufgeführt worden war (diese Oper teilt also das Schicksal so vieler Vivaldischer Bühnenwerke: Derzeit sind rund 60 Bühnenkompositionen von ihm bekannt, aber nur von 19 liegen vollständige Partituren vor). Macek fand nun heraus, dass die Theatertruppe, die in Prag diese Aufführung durchgeführt hatte, nach Regensburg weiter gereist war. Also forschte er dort im Archiv der Familie Thurn und Taxis – und wurde fündig. Gesucht und gefunden Fehlende Teile der Partitur (es haben sich nur rund zwei Drittel der Musiknummern erhalten) wurden von Macek behutsam ergänzt. Fehlende Rezitative schrieb er komplett neu; für fehlende Arien griff er auf andere Opern Vivaldis aus demselben Entstehungszeitraum zurück – eine im Barock durchaus übliche Praxis, musikalisches Material mehrfach und somit ökonomisch zu verwerten; man denke nur an Bachs Kantaten oder Händels Konzerte und Opern. Hilfreich bei der Rekonstruktion war der Umstand, dass die Oper strukturell sehr einfach ist und getreulich den Konventionen des damaligen dramma serio folgt. Ein hochinteressanter Beitrag zum immer noch recht wenig gewürdigten Opernschaffen des großen Venezianers. CLASS a k t u e l l Geistliche Musik Alte Musik Lied Franz Schubert Streichquintettt C-Durr Acies Quartett David Geringas Pierre Moulu Messen Stephen Rice The Brabant Ensemble Michel Corette (1707-1795) „Les Delices de la Solitude op. 20“ Sechs Sonaten f. Violoncello und b.c. Ensemble Bassorum Vox CDA 67761 / Hyperion COV 21001 / Coviello Stephen Rice und das Brabant Ensemble haben eine echte Entdeckung gemacht: Messen des Renaissance-Komponisten Pierre Moulu (ca. 1484 - ca. 1550). Moulu hatte verschiedene kirchliche Ämter an der Kathedrale von Meaux inne und war mindestens zwei Jahrzehnte lang für die französische Hofkapelle tätig. Angeblich studierte Pierre Moulu mit Josquin Desprez, da ihm stilistische Nähe zum berühmten Komponistenkollegen attestiert wird. Seine Musik ist von konsequenter Imitation und Polyphonie mit gleichberechtigten Stimmen gekennzeichnet. Er komponierte fast ausschließlich liturgische Musik, deren Handschriften unter anderem in Rom, Bologna und s’Hertogenbosch zu finden sind. In seiner „Missa Alma redemptoris mater“ notierte Moulu die Stimmen wie in einer Art Kanon. Die Sänger hatten so die Möglichkeit, die einzelnen Sätze an einer gekennzeichneten Stelle zu beenden, oder fortzusetzen. Stephen Rice entschied sich in weiten Teilen der Messe für die kurze Version, die dennoch das imitatorische Element klar herausstellt. Die „Missa Missus est Gabriel angelus“ basiert auf einer Motette von Josquin, die das Brabant Ensemble im Anschluss an die Messe ebenfalls aufgenommen hat. Zwei kontrastierende Motetten von Pierre Moulu ergänzen das Programm. In der Motette „Mater floreat“ werden im Text zahlreiche Komponisten der damaligen Zeit genannt, inwieweit dies eine Hommage an die Zeitgenossen darstellt oder Moulu sich mit ihnen auf eine Stufe stellen wollte, ist nicht geklärt. Tatsächlich aber stehen Moulus Klangfarben denen bekannter Renaissance-Meister in nichts nach und sind eine lohnenswerte Entdeckung. Das Violoncello erlebte im 18. Jahrhundert besonders in Frankreich einen rasanten Aufstieg: Um 1700 noch weitgehend unbekannt, war es nur wenige Jahrzehnte später zum äußerst beliebten Soloinstrument geworden. Einer der ersten, die das erkannten, war der Komponist, Musiker, Pädagoge und Verleger Michel Corrette. 1741 veröffentlichte er das erste Lehrbuch für das Cellospiel in Frankreich – seine detaillierten Spielanweisungen und umfassenden Erklärungen klanglicher Wirkungen sind noch heute eine Fundgrube für die Erforschung der Musikgeschichte des 18. Jahrhunderts. Corrette wusste also ganz genau, worüber er schrieb, und dieses Wissen um die technischen Möglichkeiten und den Klangcharakter des Cellos hat er auch musikalisch umgesetzt: schon 1739 erschien seine Sammlung von sechs Sonaten „Les Délices de la Solitude“ (Die Wonnen der Einsamkeit), in der er die Klangfacetten des Instruments zum Strahlen bringt. Ihren besonderen Reiz beziehen die Kompositionen aus der Kombination italienischer und französischer Elemente, mit der Corette einmal mehr stilbildend war. Edvard Grieg (1843-1907) Sämtliche Lieder Monica Groop, Mezzosopran Roger Vignoles, Ilmo Ranta, Love Derwinger, Klavier BIS-CD-1607 Wonnen, gar nicht einsam Das Spezialensemble Bassorum Vox hat sie in einer beispielhaft lebendigen Interpretation neu eingespielt und dabei nicht nur in Artikulation, Rhythmik und Phrasierung, sondern auch in der Ausgestaltung des Continuo-Parts besonderen Wert auf Farbigkeit gelegt. Heraus kam eine CD, die so viel Spielwitz vermittelt, dass man sich fragt, warum Corrette nicht längst zu den Bestsellern der alten Musik gehört. „Eher fröhlich und spielfreudig“ als „einsam“ findet Cellist Seung-Yeon Lee die Sonaten, obwohl der Titel anderes suggeriert. Wer sie hört, wird ihm nur zustimmen können. Als Grieg einmal gefragt wurde, warum das Lied in seinem Schaffen so einen bedeutenden Platz einnähme, hat er geantwortet: „Ich liebte ein Mädchen mit einer wundervollen Stimme und einer genauso wundervollen Begabung als Interpretin“. Das besagte Mädchen war Nina Hagerup, seine spätere Frau, mit der er regelmäßig viele seiner Lieder aufführte (wie auf dem Cover zu sehen, einem Bild von C. S. Krøyer). Liedkomposition war für Grieg also eine Liebeserklärung, doch nicht nur an seine Frau Nina, sondern, wie er betonte, ebenso an die Dichter der Texte. Denn das Wort – der Text – war entscheidend für ihn. Er sollte persönlichen Erfahrungen Ausdruck verleihen, und daher hing die Wahl seiner Dichter mit seinem Erleben zusammen. Es ist ihm wichtig, die Intentionen des Dichters herauszuarbeiten. „Ist diese Aufgabe gelöst, dann ist auch die Musik gelungen“ schrieb er. Liebeserklärungen Die 172 Lieder auf sieben CDs werden im begleitenden 184seitigen Booklet ausführlich dargestellt (u.a. sämtliche Liedtexte in Originalsprache mit Übersetzung ins Englische). Die bisher nur einzeln erhältlichen Einspielungen können ohne Übertreibung in ihrer Auslotung all der Tiefen und Höhen dieser Musik durch Monica Groops als unwiderstehlich bezeichnet werden. Sie selbst sagt, dass sie schon immer eine Art Seelenverwandtschaft zu Grieg und seiner Musik verspürt habe, vielleicht deswegen, weil Griegs Werke so stark im Volkstümlichen verwurzelt sind. Ich bewundere Griegs Neigung zum Einfachen und Ungekünstelten, und dies im Ausdruck zu bewahren, war mein Leitsatz.“ CD GRAM98840 Wenn Brahms vermutet, Schubert sei „jeden Tag über sich selbst erschrocken“ gewesen, erscheint gerade hier der Tod als das Thema der Romantik par excellence. Zugabe: die Ouvertüre c-Moll, ein dramatisches und aufwühlendes Jugendwerk. W. A. Mozart Violinkonzerte e Nr.. 3,, 4,, 5 Thomas A. Irnberger Spirit of Europe, Martin Sieghart SACD GRAM98890 Eine Persönlichkeit mit Weit- und Durchblick, ein denkender Virtuose – kurzum: eine Persönlichkeit, wie sie nicht alle Tage die Weltbühne des hochrangigen Musizierens betritt.“ (Peter Cossé) Johann Sebastian Bach Die e Motetten Chorus sine nomine CD GRAM98875 Die hier präsentierten sechs Motetten Bachs gehören zum Schönsten und Erhebendsten, was je für Chor geschrieben wurde. Diese Musik sucht die Konfrontation mit den Fragen, Abgründen und Widersprüchen menschlichen Daseins. www.gramola.at Codaex Deutschland GmbH AUSGABE 2010/2 31 Landsbergerstrasse 492 81241 München info@codaex.com