Marktwirtschaftliche Umwelt- instrumente mit einnahmen

Transcription

Marktwirtschaftliche Umwelt- instrumente mit einnahmen
Marktwirtschaftliche Umweltinstrumente mit einnahmenseitiger Kompensation
Machbarkeitsstudie
im Auftrag des Regierungsrates des Kantons
Bern
Schlussbericht
Juli 1996
ECOPLAN
Wirtschafts- und Umweltstudien
3011 Bern
6460 Altdorf
Monbijoustr. 26
Postfach
031 385 81 81
041 870 90 60
Marktwirtschaftliche Umweltinstrumente mit einnahmenseitiger Kompensation
Machbarkeitsstudie
im Auftrag des Regierungsrates des Kantons
Bern
Schlussbericht
Juli 1996
ECOPLAN
Wirtschafts- und Umweltstudien
3011 Bern
6460 Altdorf
Monbijoustr. 26
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031 385 81 81
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ECOPLAN-Projektteam
Stefan Suter (Projektleiter)
André Müller
Felix Walter
René Neuenschwander
Renger van Nieuwkoop
Begleitung seitens des Auftraggebers
Dr. R. Meier, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (Leitung)
Frau R. Flury, Koordinationsstelle für Umweltschutz des Kantons Bern
Dr. H. Werder, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern
Dr. U. Schaer, Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern
E. Zehnder, Finanzdirektion des Kantons Bern
D. Hürzeler, Steuerverwaltung des Kantons Bern
B. Knüsel, Steuerverwaltung des Kantons Bern
R. Schneider, Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern (als Gast)
Wissenschaftliche Begleitung
Prof. Dr. R. Leu, Universität Bern
Bezugsquelle
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Frau M. Moser, Reiterstr. 11,
3011 Bern, Fax 031 - 633 37 03, Telefon 031 - 633 31 63
Kurzfassung deutsch oder französisch (ca. 20 S.):
Fr. 10 .-
Langfassung deutsch oder französisch (ca. 250 S.): Fr. 30.-
Inhaltsübersicht
Kurzfassung ...................................................................................K - 1
1
Einleitung..................................................................................... 1
2
Überblick: "state of the art" ....................................................... 4
3
Detailevaluation der Umweltabgaben .................................... 16
4
Detailevaluation der Verwendungsmodelle ........................... 28
5
Zwischenfazit ............................................................................ 39
6
Wirtschaftliche Auswirkungen ................................................ 43
7
Skizze einer Einführungsstrategie......................................... 109
8
Schlussfolgerungen ................................................................ 110
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben..................................A - 1
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle ...........B - 1
Anhang C: Arbeitsbereiche/Arbeitsgruppen im Umfeld ..........C - 1
Quellenverzeichnis ....................................................................... Q - 1
Kurzfassung
K-1
Das Wichtigste auf einer Seite
In der vorliegenden Studie wird geprüft, ob auf kantonaler Ebene ein UmweltabgabenSystem mit einnahmenseitiger Kompensation (v.a. Steuersenkungen) machbar und aus
ökologischer Sicht sinnvoll ist und ob ein solches System die bernische Wirtschaftskraft
stärkt bzw. die Standortgunst des Wirtschaftsraumes Kanton Bern verbessert.
Für folgende Umweltabgaben wird geprüft, ob sie Teil eines kantonalen UmweltabgabenSystems mit einnahmenseitiger Kompensation sein könnten:
– Abfallabgabe
– Abgabe auf Beschäftigten- und Besucherpark– Abwasserabgabe
plätzen
– Wasserabgabe
– Motorfahrzeugsteuern
– Kiesabgabe
– Vignetten / Road Pricing
– Bodenversiegelungsabgabe
– Emissionsabgabe bei Feuerungen
– Abgabe auf öff. Parkplätzen
– Elektrizitätsabgabe
Das Einnahmenpotential dieser Abgaben wird auf 220 bis 500 Mio. Fr. (ohne Vignetten /
Road Pricing) geschätzt, je nachdem welche Ausgestaltung der Abgaben unterstellt wird.
Es reicht damit aus, um spürbare einnahmenseitige Kompensationen vorzunehmen. Für
diese Kompensation kommen folgende Verwendungsmodelle in Frage:
❏ Steuersenkungen: Die Einnahmen aus den Umweltabgaben werden über eine Re-
duktion der Steueranlage kompensiert. Die Steueranlagensenkung reduziert alle direkten Staatssteuern (z.B. die Einkommenssteuer für natürliche Personen).
❏ Die Abgabeneinnahmen werden über eine Pauschale pro Kopf an die Bevölkerung
zurückerstattet.
❏ Den bernischen Unternehmen wird im Ausmass der Abgabeneinnahmen ein Lohn-
summenbonus, d.h. ein Prozentabzug auf der AHV-pflichtigen Lohnsumme, gewährt.
Welches Modell bzw. welcher Mix von Verwendungsmodellen gewählt werden soll,
hängt davon ab, welche Bedeutung den Kriterien "Verbesserung der Standortgunst" und
"Sozialverträglichkeit" beigemessen wird.
Die Analyse der Auswirkungen eines Systems MUEK hat folgende Ergebnisse ergeben:
❏ Auswirkungen auf die Branchen: Der tertiäre Sektor profitiert, der Industriesektor
gehört tendenziell zu den Verlierern. Die negativen Auswirkungen auf stark betroffene
Unternehmen können mit einem Ermässigungsmodell spürbar reduziert werden.
❏ Soziale Verteilungseffekte: Entscheidend für diese Effekte ist das Verwendungs-
modell. Will man arme Haushalte nicht schlechter stellen, muss eine Pauschale pro
Kopf von 145 Fr. zurückerstattet werden.
❏ Regionale Verteilungseffekte: Sie sind relativ gering und hängen stärker vom Ver-
wendungsmodell als von der Abgabenbelastung ab. Urbane Regionen profitieren von
Steuersenkungen, ärmere Regionen von der Pauschale pro Kopf.
❏ Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen: Positive Auswirkungen können erwartet
werden, wenn die einnahmenseitige Kompensation über Steuersenkungen erfolgt. In
diesem Fall verbessert das System MUEK wichtige Standortfaktoren und fördert den
Strukturwandel. Dieser weist aber auch Risiken auf: Es kann nicht mit Sicherheit angenommen werden, dass die Einbussen in den schrumpfenden strukturschwachen
Branchen durch die wachsenden strukturstarken Branchen wettgemacht werden. Mit
flankierenden Umsetzungsmassnahmen können diese Risiken gemindert werden.
ECOPLAN
K-2
1
Kurzfassung
Einleitung
Die Diskussion über die Einführung von Umweltabgaben und über die verschiedenen
Möglichkeiten der Einnahmenverwendung hat sich in den letzten Jahren sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene weiterentwickelt. Nach wie vor stehen aber
auch kantonale Instrumente zur Diskussion, da sie sich teilweise rascher realisieren lassen. Vor diesem Hintergrund stellt sich für die vorliegende Machbarkeitsstudie folgende
Hauptfrage: Welche weiteren Potentiale bieten Umweltabgaben auf kantonaler Ebene in
einem grösseren System von marktwirtschaftlichen Umweltinstrumenten mit einnahmenseitiger Kompensation (System MUEK). Auf zwei Fragestellungen ist dabei besonders einzugehen:
❏ Abklärung der technisch-praktischen, administrativen und rechtlichen Machbar-
keit: Ist ein solches System von marktwirtschaftlichen Umweltinstrumenten mit einnahmenseitiger Kompensation auf kantonaler Ebene überhaupt machbar?
❏ Abklärung der wirtschaftlichen und verteilungspolitischen Auswirkungen: Kann
mit dem System MUEK ein Beitrag zur Verbesserung der Standortgunst des Wirtschaftsraumes Kanton Bern bzw. seiner Wirtschaftskraft erreicht werden, ohne dass
schwerwiegende Umverteilungen resultieren?
Der Anstoss, die Machbarkeit eines solchen Systems für den Kanton Bern zu prüfen,
kommt von verschiedener Seite:
❏ Die überdurchschnittlich hohe Steuerbelastung für natürliche Personen stellt für
den Kanton Bern einen zentralen negativen Standortfaktor dar. Eine Reduktion gehört
denn auch zu den vom Regierungsrat vorgeschlagenen Massnahmen zur Stärkung der
bernischen Wirtschaftskraft.
❏ Aufgrund der angespannten Finanzlage kann eine spürbare Reduktion der Steuer-
belastung nur realisiert werden, wenn der Einnahmenausfall durch andere Massnahmen kompensiert wird.
❏ In der bernischen Umweltpolitik soll in Zukunft vermehrt auf die Marktkräfte gesetzt
werden, damit mit den knappen verfügbaren Mitteln möglichst viel zu einer Reduktion
der Umweltbelastung beigetragen wird.
2
Überblick: "state of the art"
Die bisherige Umweltpolitik auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene stellt vornehmlich auf Ver- und Gebote ab. Diese umweltpolitische Strategie ist aus vollzugstechnischer und effizienzmässiger Sicht an ihre Grenzen gelangt. Immer mehr hat sich deshalb die Überzeugung durchgesetzt, dass die künftige Umweltpolitik vermehrt auf die
Marktkräfte setzen muss. Angesichts des ökologischen Handlungsbedarfs hat sich weiter
die Erkenntnis durchgesetzt, dass nur ein umfassender Wechsel, der über die Umweltpolitik im engeren Sinne hinausgeht und insbesondere Bereiche der Finanzpolitik miteinbezieht, in der Lage ist, längerfristig eine Lösung der Umweltproblematik herbeizuführen.
ECOPLAN
Kurzfassung
K-3
In diesem Zusammenhang wird häufig der Begriff einer "ökologischen Steuerreform" benützt. Die zentralen Elemente einer ökologischen Steuerreform sind die folgenden:
❏ Abgaben: In den meisten Vorschlägen zu einer ökologischen Steuerreform bildet eine
Energiesteuer das Herzstück des Umweltabgaben-Systems. Neben der Energiesteuer
wird meistens die Einführung weiterer Lenkungsabgaben vorgeschlagen.
❏ Kompensation: Die Abgabeneinnahmen sollen nicht kompensationslos an den Staat
fliessen. In einer engeren Begriffsauslegung steht eine Reduktion bestehender Steuern im Vordergrund, in einer etwas weiteren Auslegung werden auch andere Verwendungsformen (z.B. direkte Rückerstattung) in Betracht gezogen.
In der vorliegenden Machbarkeitsstudie wird nicht der Begriff "ökologische Steuerreform"
verwendet, sondern der Begriff "marktwirtschaftliche Umweltinstrumente mit einnahmenseitiger Kompensation (MUEK)". Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass
nicht eine Reform des kantonalen Steuerwesens geprüft werden soll. Vielmehr ist zu untersuchen, ob die Standortgunst des Wirtschaftsstandortes Kanton Bern bzw. die bernische Wirtschaftskraft mit einem System MUEK verbessert werden kann.
Mit der Abklärung der Machbarkeit eines Systems MUEK liegt der Kanton Bern im internationalen und nationalen Trend, wie der folgende kurze Überblick über die Bestrebungen in Europa und in der Schweiz zeigt:
❏ Bestrebungen in Europa
Im 5. Aktionsprogramm "Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung" der EU
mit dem Titel wird marktwirtschaftlichen Umweltinstrumenten hohe Priorität in der
künftigen gemeinschaftsweiten Umweltpolitik eingeräumt. Im "Weissbuch über
Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung" wird ein Schritt weitergegangen. Um bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu fördern, schlägt die EUKommission vor, die Lohnnebenkosten zu senken. Als steuerliche Ausgleichsmassnahme werden unter anderem Umweltabgaben in Betracht gezogen.
Einzelne EU-Staaten haben ihren Handlungsspielraum auf nationaler Ebene ausgenutzt
und Abgabelösungen realisiert. Beispiele sind etwa die niederländische CO2-Abgabe,
deren Einnahmen zweckgebunden für Umweltschutzmassnahmen eingesetzt werden,
die jährliche Erhöhung der Steuern auf Treibstoffen um real 5% in Grossbritannien
oder die nach dem Emissionsverhalten differenzierte Motorfahrzeugsteuer in
Deutschland. Schweden hat bereits in den letzten Jahren eine eigentliche ökologische
Steuerreform eingeleitet, andere Länder wie z.B. Dänemark, die Niederlande oder
Österreich wollen in unmittelbarer Zukunft auch erste Schritte in diese Richtung tun.
❏ Bestrebungen in der Schweiz
In der Schweiz wird mit der Revision des Umweltschutzgesetzes (USG) ein grosser
Schritt in Richtung mehr Marktwirtschaft in der Umweltpolitik angestrebt (z.B. VOCAbgabe). Ein grosser Teil der Einnahmen aus den vorgeschlagenen Umweltabgaben
soll nicht in die allgemeine Bundeskasse fliessen sondern an die Bevölkerung zurückerstattet werden. Auf Bundesebene sind zudem noch die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe und - wenn auch zeitlich hinausgeschoben - eine CO2-Abgabe in Diskussion.
ECOPLAN
K-4
Kurzfassung
Auch auf kantonaler und kommunaler Ebene sind Bestrebung in diese Richtung festzustellen: Parkplatzbewirtschaftungsmassnahmen sind Teil verschiedener Massnahmenpläne zur Luftreinhaltung, verschiedene Kantone (z.B. SG, SO) stehen unmittelbar
vor der Einführung einer verursachergerechten Finanzierung der Entsorgung von Abfall
und Abwasser, in den meisten deutschsprachigen Gemeinden wird eine Kehrichtsackgebühr erhoben, um nur einige Beispiele zu nennen.
❏ Bestrebungen im Kanton Bern
Der Kanton Bern hat verschiedentlich untersucht, welche Möglichkeiten für den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente auf kantonaler Ebene bestehen.
Bereits realisiert ist die verursachergerechte Finanzierung von Beiträgen in den Bereichen Wasser, Abwasser und Abfall. Im Rahmen der noch laufenden Anstrengungen
zur Haushaltsanierung wurden weitere umweltrelevante Steuern und Abgaben diskutiert, teilweise beschlossen (z.B. Erhöhung Motorfahrzeugsteuern), aber auch abgelehnt (z.B. Kiesabgabe).
Fazit: Die Absichten und Bestrebungen auf europäischer und auf nationaler Ebene weisen in die gleiche Richtung, wie ein System MUEK auf kantonaler Ebene. Innerhalb des
Kantons Bern kann auf geleisteten Vorarbeiten im Bereich marktwirtschaftliche Instrumente aufgebaut werden.
3
Detailevaluation der Umweltabgaben
Für folgende Umweltabgaben wird geprüft, ob sie Teil eines kantonalen umweltabgabenSystems mit einnahmenseitiger Kompensation sein könnten:
– Abfallabgabe
– Abgabe auf Beschäftigten- und Besucherpark– Abwasserabgabe
plätzen
– Wasserabgabe
– Motorfahrzeugsteuern
– Kiesabgabe
– Vignetten / Road Pricing
– Bodenversiegelungsabgabe
– Emissionsabgabe bei Feuerungen
– Abgabe auf öff. Parkplätzen
– Elektrizitätsabgabe
Bei einzelnen Umweltabgaben ist die Ausgestaltung praktisch vorgegeben. Dies ist z.B.
bei Abgaben der Fall, die bereits eingeführt sind und eine Integration in das Konzept
MUEK eigentlich nur bedeuten kann, dass die Abgabenhöhe um einen "MUEK-Zuschlag"
aufgestockt wird. Bei anderen Abgaben besteht noch ein sehr grosser Ausgestaltungsspielraum. Um die Diskussion zu erleichtern, haben wir bei allen Abgaben zwei Eckvarianten - selbstverständlich sind auch andere sinnvolle Varianten möglich - gewählt, die
sich in der Abgabenhöhe und u.U. auch in der Ausgestaltung unterscheiden:
– eine untere Variante A, die sich an frühere im Grossen Rat oder in der Verwaltung diskutierte Vorschläge oder an Abgaben in anderen Kantonen oder Staaten anlehnt.
– eine obere Variante B, mit bedeutend höheren Abgabesätzen, die aber u.E. langfristig
dennoch als realistisch eingestuft werden kann.
ECOPLAN
Kurzfassung
K-5
Tabelle K-1: Vorgeschlagene Ausgestaltung der verschiedenen Umweltabgaben
Abgabe
Abfallabgabe
Abwasserabgabe
Ausgestaltungsmerkmale
Abgabesätze
Variante A
Variante B
Abgabe pro Tonne Kehricht in
Form eines Zuschlages auf der
bestehenden Abgabe;
Abgabesubjekte: Abfallentsorgungsunternehmen, Gemeinden
Zuschlag bei KVA:
15 Fr./t
50 Fr./t
Schmutzfrachtabhängige Abgabe
in Form eines Zuschlages auf der
vorgesehenen Abgabe;
Abgabesubjekt: Betreiber von
Abwasserreinigungsanlagen
Zuschlag auf Phosphor:
0 Fr./kg
15 Fr./kg
Zuschlag bei Deponien:
25 Fr./t
100 Fr./t
Zuschlag auf Ammonium:
0 Fr./kg
2 Fr./kg
Zuschlag auf Gesamtstickstoff:
1.5 Fr./kg
3.5 Fr./kg
Zuschlag auf chem. Sauerstoffbed.:
1.3 Fr./kg
2.3 Fr./kg
Wasserabgabe
Abgabe in Form eines Zuschlages auf dem Wasserzins;
Abgabesubjekt: Konzessionsnehmer
Zuschlag auf Trinkwasser:
4 Fr./l pro Min.
13 Fr./l pro Min.
3
2.5 Rp./m
6 Rp./m3
Zuschlag bei Industrie/Gewerbe:
4 Fr./l pro Min.
10 Fr./l pro Min.
3
2 Rp./m
5 Rp./m3
Zuschlag auf Kühlwasser:
0.75 Fr./l pro Min. 2 Fr./l pro Min.
15 Rp./m3
40 Rp./m3
Zuschlag bei Bewässerungen:
0 Fr./Hektare
80 Fr./Hektare
Zuschlag für Schwimmbäder:
3 Fr./l pro Min.
6 Fr./l pro Min.
Kiesabgabe
Abgabe auf dem Kiesabbau;
Abgabesubjekt: Konzessionsnehmer (Unterstellung des Kiesabbaus unter das Bergregal)
6 Fr./m3
15 Fr./m3
Versiegelungsabgabe
Abgabe auf Neuversiegelungen
des Bodens;
Abgabesubjekt: Bauherr, Eigent.
25 Fr./m2
50 Fr./m2
Kantonale Parkplatzab- Abgabe in Form eines kantonalen
Anteils (z.B. 20%) an den komgabe auf öffentlichen
munalen Einnahmen aus der
Parkplätzen
Parkplatzbewirtschaftung,
Abgabesubjekt: Gemeinden
ECOPLAN
Parkplatzabgaben:
1 - 2 Fr./Std.
1.5 - 3 Fr./Std.
Parkkartengebühr (Blaue Zone)
360 Fr./Jahr
480 Fr./Jahr
K-6
Abgabe
Kurzfassung
Ausgestaltungsmerkmale
Abgabesätze
Variante A
Kantonale Parkplatzabgaben auf Parkplätzen
von privaten Unternehmen
Abgabe in Form einer Jahrespau- 120 Fr./Jahr
schalen auf Beschäftigten- und
Besucherparkplätzen;
Abgabesubjekt: Unternehmen
Motorfahrzeugsteuern
Abgabe in Form einer Erhöhung
der Jahressteuer pro Gewichtstonne und Reduktion des Degressionssatzes;
Abgabesubjekt: Motorfahrzeughalter
Vignette / Road Pricing Strassenbenützungsabgaben in
Agglomerationen (denkbar auch
auf bestimmten Abschnitten des
Kantonsstrassennetzes)
Abgabesubjekt: Motorfahrzeuglenker
Variante B
360 Fr./Jahr
Erhöhung der Jahressteuer:
linear um 10%
linear um 10%
Reduktion des Degressionssatzes:
keine
4 %-Punkte
Road pricing nur
in der Region
Bern
Road Pricing in
den Regionen
Bern, Biel, Thun
Richtwerte für die Abgabe:
PW: 14 Rp./Fzkm
LW: 1.1 Fr./Fzkm
Emissionsabgabe bei
Grossfeuerungen
10 Fr./kg NOx
Abgabe auf den jährlichen
Stickoxidemissionen (NOx) von
grossen Feuerungen (Leistung >
1 Megawatt);
Abgabesubjekt: Anlagenbetreiber
30 Fr./kg NOx
Elektrizitätsabgabe
Abgabe auf der Elektrizität;
Abgabesubjekt: Elektrizitätsversorgungsunternehmen
1 Rp./kWh
0.3 Rp./kWh
Damit überhaupt spürbare einnahmenseitige Kompensationen vorgenommen werden
können, müssen die Abgaben längerfristig ein gewisses Einnahmenpotential aufweisen.
In Tabelle K-2 ist eine Grobschätzung dieses Potentials für die Varianten A und B wiedergegeben. Die Angaben sind ausdrücklich als Grössenordnungen und nicht als exakte
Zahlen zu verstehen. Bei einer anderen Ausgestaltung bzw. bei anderen Abgabenhöhen
resultieren selbstverständlich andere Einnahmen.
Die Schätzungen in Tabelle K-2 zeigen, dass die geprüften Umweltabgaben ein substantielles Einnahmenpotential aufweisen. Zum Vergleich: Bei Variante B machen die geschätzten Einnahmen rund einen Fünftel der gesamten staatlichen Steuereinnahmen aus.
Das Potential reicht damit aus, um spürbare Entlastungen auf der Steuerseite vorzunehmen.
ECOPLAN
Kurzfassung
K-7
Tabelle K-2: Grobschätzung des Einnahmenpotentials der verschiedenen Abgaben, in Mio. Fr. pro Jahr
Abgabe
Variante A
Variante B
Abfallabgabe
12
44
Abwasserabgabe
17
38
Wasserabgabe
5.5
15
Kiesabgabe
27
57
Versiegelungsabgabe
40
80
Abgabe auf öffentlichen Parkplätzen
20
40
Abgabe auf Beschäftigten- und Besucherparkplätzen von Firmen
30
87
Motorfahrzeugsteuern
25
35
Vignette / Road Pricing
20
30
Emissionsabgabe auf Grossfeuerungen
6
17
Elektrizitätsabgabe
19
63
Total
222
506
Die Prüfung der Machbarkeit der verschiedenen Umweltabgaben erfolgte anhand folgender Kriterien:
❏ Umweltaspekte: Der grösste Vorteil des analysierten Konzeptes MUEK ist, dass für
praktisch alle belasteten Umweltbereiche machbare Umweltabgaben gefunden werden konnten. Eine Realisierung des Konzeptes würde dem marktwirtschaftlichen
Umweltschutz auf kantonaler Ebene auf breiter Front zum Durchbruch verhelfen. Die
marktwirtschaftliche Strategie würde insbesondere bewirken, dass anhaltende Anreize
zur Entlastung der Umwelt gesetzt werden. Mittel- bis längerfristig trägt MUEK zu einer spürbaren Verminderung der Umweltbelastung und der damit verbundenen Folgekosten ("externe Kosten") bei. Bestehende Umweltziele (z.B. in der Luftreinhaltung)
wären dank der Umsetzung von MUEK leichter zu erreichen.
❏ Praktikabilität und Vollzugsaufwand: Bei vielen Abgaben kann auf dem bestehen-
den Vollzug aufgebaut werden. Entsprechend ist nur mit einem geringen Mehraufwand zu rechnen. Nur wenige Abgaben verursachen u.E einen mittleren bis hohen
Vollzugsaufwand. Bei diesen Abgaben ist zudem zu berücksichtigen, dass der anfallende Vollzugsaufwand
– nicht allein dem Konzept MUEK angelastet werden kann, weil die Abgaben teilweise unabhängig von einem allfälligen System MUEK realisiert werden.
– nicht allein vom Kanton getragen werden muss.
Insgesamt kommen wir zum Schluss, dass der Vollzugsaufwand im Vergleich zu den
potentiellen Einnahmen bei keiner Abgabe in einem derart ungünstigen Verhältnis
ECOPLAN
K-8
Kurzfassung
steht, dass von einer Realisierung dieser Umweltabgabe in einem allfälligen System
MUEK abgeraten werden muss.
❏ Rechtliche Anforderungen(1): Die meisten der analysierten Umweltabgaben können
auch aus rechtlicher Sicht auf kantonaler Ebene realisiert werden. Kritisch ist die Situation bei drei Abgaben zu beurteilen:
– Vignette/Road Pricing: Derzeit verbietet der Bundesverfassungsartikel 37 Abs. 2 die
Einführung von Strassenbenützungsgebühren. Der Bundesrat hat in Zusammenhang mit zwei hängigen Motionen aber seine Bereitschaft zur Änderung von BV Art.
37 signalisiert.
– Emissionsabgabe bei Grossfeuerungen: Uneinigkeit herrscht in der Lehre bei der
Frage, ob ausgehend vom USG gesamtkantonale Emissionsabgaben zulässig sind,
oder ob dies nur in besonders belasteten Gebieten ("Massnahmenplangebieten")
der Fall ist.
– Elektrizitätsabgabe: Der Konflikt mit der Mehrwertsteuer stellt möglicherweise d.h. im Fall eines entsprechenden Urteils des Bundesgerichts - bei der Elektrizitätsabgabe ein "Killerargument" dar.
Die Schlussfolgerung aus der Detailevaluation lautet: Die analysierten Umweltabgaben
sind grundsätzlich machbar. Zwischen den verschiedenen Abgaben bestehen aber erhebliche Unterschiede. Im Sinne einer groben Unterteilung der Machbarkeit können drei
Gruppen unterschieden werden:
❏ Gruppe 1 umfasst die relativ leicht realisierbaren Abgaben, die in jedem Fall Kern ei-
nes allfälligen Systems MUEK sein sollten und aus der Sicht der Machbarkeit ohne
Vorbehalt empfohlen werden können. Sie umfassen ein Einnahmenpotential in der
Grössenordnung von 105.5 (Variante A) bzw. 252 Mio. Fr. (Variante B). Zu Gruppe 1
zählen wir die Abfall-, Abwasser-, Wasser-, Kies-, Elektrizitätsabgabe (die rechtliche
Machbarkeit vorausgesetzt) sowie die Motorfahrzeugsteuern.
❏ Zu Gruppe 2 gehören Abgaben, deren Einführung zwar lösbare, aber nicht unerhebli-
che Probleme vollzugstechnischer oder rechtlicher Natur stellt. Die Grobschätzung des
Potentials dieser Abgaben beträgt 96 bzw. 224 Mio. Fr. Zu Gruppe 2 gehören die Bodenversiegelungsabgabe, die kantonalen Parkplatzabgaben und die Emissionsabgabe
bei Grossfeuerungen.
❏ Die Gruppe 3 umfasst schwierig zu realisierende Abgabetypen. Wir zählen dazu nur
gerade die verschiedenen Formen von Strassenbenützungsabgaben (Vignette / Road
Pricing), und dies wegen der angesprochenen rechtlichen Problematik.
4
Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Mit welchen Verwendungsmodellen können die Einnahmen aus den Umweltabgaben an
die Bevölkerung und an die Wirtschaft zurückerstattet werden? In der ausführlichen Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten von Steuersenkungen und direkter Rückerstattung in Anhang B sind folgende Verwendungsmodelle analysiert worden:
1
Die rechtlichen Anforderungen wurden einerseits von ECOPLAN, insbesondere aber von der Rechtsabteilung der Volkwirtschaftsdirektion geprüft.
ECOPLAN
Kurzfassung
Bevölkerung / Haushalte
Wirtschaft / Unternehmen
Steuersenkungen:
Steuersenkungen:
K-9
– Reduktion der Einkommenssteuer für natür- – Reduktion der Gewinnsteuer für juristische
liche Personen
Personen
– Reduktion der Kapitalsteuer für juristische
Direkte Rückerstattung:
Personen
– Reduktion der Beiträge der Arbeitnehmer
Direkte Rückerstattung:
an die Sozialversicherungen
– Rückerstattung einer Pauschale pro Kopf
– Arbeitsplatzbonus: Auszahlung eines Pau-
über die Krankenpflegeversicherung
schalbetrags pro Arbeitsplatz
– Verrechnung einer Pauschale pro Kopf mit
– Lohnsummenbonus: Rückerstattung ge-
der Steuerrechnung bzw. Auszahlung
mäss AHV-Lohnsumme
Unter Berücksichtigung verschiedener Beurteilungskriterien (z.B. Beitrag zur Verbesserung der Standortgunst, Sozialverträglichkeit vgl. Tabelle K-3 unten) kann der Schluss gezogen werden, dass für ein allfälliges System MUEK auf kantonaler Ebene drei Verwendungsmodelle in Frage kommen:
– Steuersenkungen: Über eine Reduktion der Steueranlage werden alle direkten
Staatssteuern wie z.B. die Einkommenssteuer für natürliche Personen oder die Gewinnsteuer für juristische Personen gesenkt.
– Pauschale pro Kopf, die mit der Steuerrechnung verrechnet wird oder direkt ausbezahlt wird.
– Lohnsummenbonus.
Die Verwendungsmodelle wirken sich sehr unterschiedlich auf die beiden wichtigsten
Beurteilungskriterien "Verbesserung der Standortgunst" und "Sozialverträglichkeit" aus.
Falls beide Kriterien erfüllt werden sollen, drängt sich ein Mix von Verwendungsmodellen
auf. In Tabelle K-3 werden vier denkbare Verwendungsvarianten aufgezeigt, die mit den
Einnahmen aus den Umweltabgaben "finanziert" werden könnten. (2)
Es ist es nicht möglich, aus wissenschaftlicher Sicht die "richtige" Verwendungsvariante
auszuwählen. Die Wahl hängt davon ab, welches Gewicht den in Tabelle K-3 aufgeführten
Beurteilungskriterien beigemessen wird. Bei der Wahl ist zu beachten, dass der Vollzugsaufwand steigt, wenn mehrere Verwendungsmodelle realisiert werden sollen. Der
geringe Vollzugsaufwand einer Senkung der Steueranlage macht dieses Verwendungsmodell besonders attraktiv, umso mehr als es sowohl auf der Seite "Bevölkerung / Haushalte" als auch auf der Seite "Wirtschaft / Unternehmen " wirkt. Aus diesem Grund sollte
u.E. eine Senkung der Steueranlage im Zentrum der Verwendungsseite stehen. Es
muss politisch entschieden werden, ob und mit welchem Verwendungsmodell die Steueranlagensenkung kombiniert werden soll. Dabei wird zu bedenken sein, dass eine voll
sozialverträgliche Ausgestaltung die Kompensationsmöglichkeiten für eine markante
Standortgunstverbesserung schmälert (und umgekehrt).
2
Annahme: Alle Umweltabgaben der Gruppen 1 und 2 werden realisiert, die Abgabenhöhe entspricht der
Variante B (vgl. Kapitel 3). Werden einzelne Abgaben gestrichen oder die Abgabensätze reduziert,
resultieren natürlich geringere Einnahmen und damit auch geringere Kompensationsmöglichkeiten.
ECOPLAN
K - 10
Kurzfassung
Tabelle K-3: Grobbeurteilung der Verwendungsvarianten VV1 bis VV4
Verwendungsvarianten:
VV1
VV2
VV3
VV4
2
2
3
4
– Pauschale pro erwachsene Person in Fr.
145
0
145
0
– Pauschale pro Kind in Fr.
75
0
75
0
0.4%
0.8%
0
0
– Verbesserung Standortgunst
+
++
+
+
– Sozialverträglichkeit
+
-
+
-
– Verteilungsneutralität
-
+
--
--
– Einfachheit (administrativer Aufwand)
--
-
+
++
– Flexibilität (Anpassung an Einnahmenschwankungen)
++
+
++
--
Ausgestaltung der einzelnen Verwendungsmodelle(3)
– Senkung der Anlage in Steuerzehnteln
– Lohnsummenbonus in % der AHV-Lohnsumme
Beurteilungskriterien
Legende zu Tabelle K-3:
++
=
positive Wirkung/Beurteilung
+
=
eher positive Wirkung/Beurteilung
=
eher negative Wirkung/Beurteilung
-=
negative Wirkung/Beurteilung
5
Zwischenfazit
Nach der Analyse der technisch-praktischen, administrativen und rechtlichen Machbarkeit eines Systems MUEK kann ein positives Zwischenfazit gezogen werden:
– Ein kantonales System MUEK würde im nationalen und internationalen Trend liegen
und zumindest mittelfristig keinen bernischen Alleingang darstellen.
– Auf kantonaler Ebene und im kantonalen Handlungsspielraum gibt es genügend praktikable Umweltabgaben mit einem ausreichend hohen Einnahmenpotential.
– Ebenso sind auf kantonaler Ebene machbare Kompensationsmöglichkeiten vorhanden.
Diese weisen sehr unterschiedliche Wirkungen auf.
– Aus umweltpolitischer Sicht würde ein System MUEK einen Schritt in die richtige
Richtung darstellen.
3
Ein Lesebeispiel zu Tabelle K-3: Bei Verwendungsvariante 1 (VV1) wird die Steueranlage um 2 Steuerzehntel gesenkt, eine Pauschale pro Kopf von Fr. 145.- für Erwachsene und Fr. 75.- für Kinder an die Bevölkerung zurückerstattet (vgl. dazu Abschnitt 6.2 unten) und den Unternehmen ein Lohnsummenbonus
von 0.4% auf der AHV-pflichtigen Lohnsumme gewährt.
ECOPLAN
Kurzfassung
6
K - 11
Wirtschaftliche Auswirkungen
Welche Auswirkungen sind zu erwarten, wenn im Kanton Bern ein System MUEK realisiert würde? Dieser Frage wird in der Machbarkeitsstudie auf vier Ebenen nachgegangen:
– Auswirkungen auf die verschiedenen Branchen
– Soziale Verteilungseffekte
– Regionalwirtschaftliche Aspekte
– Gesamtwirtschaftliche Effekte
6.1
Auswirkungen auf die Branchen
Anhand verfügbarer Daten ist die Abgabenbelastung für die verschiedenen Branchen pro
Arbeitsplatz und in % des Umsatzes ermittelt worden. Die Datenbasis war teilweise recht
dünn, so dass verschiedentlich Annahmen getroffen werden mussten. Wenn auch bei
einzelnen Abgaben relativ grosse Unsicherheiten - vor allem bei der Aufteilung auf die
verschiedenen Branchen - bestehen, vermag die Gesamtschau u.E. ein gutes und umfassendes Bild zu geben. Es ist allerdings festzuhalten: Die wiedergegebenen Belastungen
sind durchschnittliche Branchenbelastungen - einzelne Betriebe können stark über oder
unter dem Branchendurchschnitt liegen.
Die Ergebnisse der Analyse in der Machbarkeitsstudie lauten:
❏ Durchschnittliche Belastung pro Arbeitsplatz: Ohne Berücksichtigung der einnah-
menseitigen Kompensation ergeben sich durch die Umweltabgaben von MUEK in den
einzelnen Wirtschaftssektoren Belastungen pro Arbeitsplatz (AP) in folgenden Grössenordnungen:
Variante A
Variante B
– Landwirtschaft
50 Fr./AP
135 Fr./AP
– Industrie/Gewerbe
250 Fr./AP
690 Fr./AP
– Dienstleistungen
180 Fr./AP
470 Fr./AP
❏ Durchschnittliche Belastung in Prozent des Umsatzes: Wird die Belastung durch
die Umweltabgaben in % des Umsatzes ermittelt, ergeben sich folgende Ergebnisse:
Variante A
Variante B
– Landwirtschaft
0.04 %
0.10 %
– Industrie/Gewerbe
0.11 %
0.31 %
– Dienstleistungen
0.11 %
0.30 %
❏ In einzelnen Branchen und Unternehmen ist die Belastung derart hoch, dass ein Er-
mässigungsmodell eingeführt werden muss(4): Wenn die Abgabenbelastung einen
gewissen Schwellenwert übersteigt, ermässigt sich der darüber liegende Anteil um
4
Dieses Ermässigungsmodell wird heute in Zusammenhang des Abwasser- und Abfallfonds angewandt.
ECOPLAN
K - 12
Kurzfassung
90%. Für unsere Abklärungen wurden die Schwellenwerte auf 1'000 Fr. (Variante A)
und auf 2'000 Fr. pro Arbeitsplatz (Variante B) festgelegt.
Bisher wurde vernachlässigt, dass die Einnahmen aus den Umweltabgaben nicht an den
Staat fliessen sondern zurückerstattet werden sollen. Unter Berücksichtigung der einnahmenseitigen Kompensation ergibt sich als Ergebnis das in Grafik K-4 wiedergegebene
Bild der "Gewinner-" und "Verlierer-Branchen".
Grafik K-4:
"Gewinner-" und "Verlierer"-Branchen - NettoAbgabenbelastung
Variante A
"Gewinner"
-200
0
Variante B
"Verlierer"
Fr./Arbeitsplatz
200
400
600
800
1000
"Gewinner"
-500
0
Fr./Arbeitsplatz
500
1000
"Verlierer"
1500
2000
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Aus der Grafik kann - kurz zusammengefasst - folgendes Fazit gezogen werden:
"Gewinner" eines solchen MUEK-Systems wäre der tertiäre Sektor. Rund 20% der Beschäftigten (bzw. deren Firmen) werden schlechter gestellt, während 80% davon profitieren. Kritisch wird es für die import- bzw. exportsensiblen Branchen Nahrung/Getränke,
Steine und Erden und Giessereien (zusammen rund 15'000 Beschäftigte), die heute
schon eine schwache Wettbewerbsposition aufweisen.
ECOPLAN
Kurzfassung
6.2
K - 13
Soziale Verteilungseffekte
Wie wirken sich die Umweltabgaben auf die Haushalte aus? Wie stark werden "ärmere"
und "reichere" Haushalte belastet? Ausgehend von der Verbrauchserhebung für die
Schweiz ist die Abgabenbelastung in den "ärmeren" und "reicheren" Haushalten abgeleitet
worden. Die Auswertung hat gezeigt, dass für die Haushalte die Abgabe auf öffentlichen
Parkplätzen die bedeutendste Abgabe ist, gefolgt von der Versiegelungsabgabe. Einen
relativ geringen Anteil machen Wasser- und Feuerungsabgabe aus.
Um die sozialen Verteilungseffekte etwas genauer darzustellen, drängt sich ein Vergleich
der Abgabenbelastung mit dem Einkommen der Haushalte auf. Dieser Frage wurde anhand von "Modellhaushalten" nachgegangen. Tabelle K-5 fasst die Ergebnisse der Berechnungen für die verschiedenen "Modellhaushalte" zusammen (Annahme: Variante B
bei den Umweltabgaben). In Tabelle K-5 ist die einnahmenseitige Kompensation nicht berücksichtigt.
Tabelle K-5: "Modellhaushalte": Einkommen und Abgabenbelastung (Variante B)
Verheiratetes Ehepaar
mit 2 Kindern
Einkommen
Fr./Jahr
Abgabenbelastung Fr./Jahr
Abgabenbelastung in % des
Einkommens
Einpersonenhaushalt
Einkommen
Fr./Jahr
Abgabenbelastung Fr./Jahr
Abgabenbelastung in % des
Einkommens
"armer" Haushalt
Durchschnittshaushalt
"reicher" Haushalt
35'000
66'000
120'000
435
595
725
1.2%
0.9%
0.6%
"armer" Haushalt
15'000
145
0.9%
Die Berechnungen zeigen, dass bei den "ärmeren" Haushalten die Abgabenbelastung über
1% vom Einkommen in Anspruch nimmt, währenddem sie bei den "reicheren" Haushalten viel weniger ins Gewicht fällt. Aus der Sicht der Sozialverträglichkeit ist folgender
Punkt zu beachten: Will man die "ärmeren" Haushalte zumindest nicht schlechter stellen
als heute, so ist ihnen mindestens 145 Fr./Erwachsenem und 75 Fr./Kind zurückzuerstatten.
Diese Rückerstattung ist nur mit dem Verwendungsmodell "Pauschale pro Kopf" realisierbar. Von einer Steuersenkung profitieren die ärmsten Haushalte nicht, da sie gar keine
oder vernachlässigbar tiefe Steuern bezahlen.
ECOPLAN
K - 14
6.3
Kurzfassung
Regionale Verteilungseffekte
Wie werden die verschiedenen Teilräume und Regionen des Kantons Bern durch ein System MUEK tangiert? Ergeben sich durch MUEK massive Umverteilungen zwischen den
Regionen? Die Analyse zeigt folgende Ergebnisse:
❏ Unternehmensseite:
– Die Abgabenbelastung pro Beschäftigtem liegt in den Voralpenregionen Oberes Emmental, Gürbe-, Aare- und Kiesental sowie im Schwarzwasser aufgrund des relativ hohen Anteils an Landwirtschaft (gehört zu den "Gewinner"-Branchen) unter dem kantonalen Mittelwert.
– Nur gerade das Oberland-Ost liegt deutlich (rund 22%) über dem kantonalen Mittelwert; dies in erster Linie aufgrund der stark vertretenen Tourismusbranche.
– Die restlichen Regionen liegen in etwa im kantonalen Mittel.
❏ Haushaltsseite:
– Die pro-Kopf-Abgabenbelastung liegt nur in der Region Bern unter dem kantonalen
Mittel.
– Die restlichen Regionen liegen bis zu rund 18% über dem kantonalen Mittelwert.
Grosse Unterschiede in der regionalen Abgabenbelastung bestehen nicht. Allenfalls kann
für das Oberland-Ost eine gewisse Benachteiligung festgestellt werden, da die Abgabenbelastung sowohl auf der Wirtschafts- als auch auf der Haushaltsseite über dem kantonalen Mittel liegt.
Wird zusätzlich die einnahmenseitige Kompensation berücksichtigt, können folgende
Schlussfolgerungen gezogen werden:
– Es gibt regionale Umverteilungen im Rahmen eines Systems MUEK. Die Umverteilungen halten sich aber im Rahmen. Die maximalen "Gewinner-" oder "Verlierer"-Regionen
werden nie mehr als rund 130 Fr. pro Kopf besser bzw. schlechter gestellt.
– Die Umverteilung ist stark vom gewählten Verwendungsmodell abhängig. Während
bei der Pauschale pro Kopf die "ärmeren" Regionen (Schwarzwasser, Oberes Emmental, Gürbe-, Aare-, Kiesental) profitieren, sind es im MUEK-System mit Steuerreduktion
oder Lohnsummenbonus die urbanen "reicheren" Regionen (insbesondere Bern, aber
auch Biel).
– Sollen die regionalen Umverteilungswirkungen minimiert werden, so wäre eine Kombination zwischen Pauschale pro Kopf und dem Lohnsummenbonus bzw. der Steuerreduktion zu wählen.
6.4
Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen
Die Abschätzung der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer allfälligen Realisierung
des Konzeptes MUEK auf kantonaler Ebene erfolgte anhand von vier Fragestellungen:
– Steigert das System MUEK die Effizienz und die Wohlfahrt?
– Welche Wirkungen hat das System MUEK auf den Strukturwandel?
ECOPLAN
Kurzfassung
K - 15
– Verbessert sich die Standortgunst des Wirtschaftsraumes Kanton Bern, wenn das
System MUEK realisiert wird?
– Schafft das System MUEK Anreize zu Innovationen oder baut es neue Hemmnisse
auf?
a) Auswirkungen auf Effizienz und Wohlfahrt
Die Auswirkungen wurden mit einem gesamtschweizerischen Allgemeinen Gleichgewichtsmodell abgeschätzt. Obwohl im Modell bernspezifische Anpassungen vorgenommen wurden, können aus dieser Analyse nur Trendaussagen über die Wirkungsrichtung
und über die Grössenordnung der Wohlfahrtseffekte abgeleitet werden. Diese Trendaussagen lauten wie folgt:
– Wohlfahrtsgewinne lassen sich in erster Linie mit dem Verwendungsmodell
"Steuerreduktion" erzielen. Diese werden noch verstärkt, wenn die Umweltabgaben zu
einer Abnahme der Folgekosten der Umweltbelastung führen. Weil diese Kosten in
aller Regel nicht von den Verursachern der Umweltbelastung (z.B. Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer) getragen werden, werden sie "externe Kosten" genannt.
– Der "Lohnsummenbonus" schneidet schlechter ab, könnte aber bei Berücksichtigung
der externen Kosten auch zu leichten Wohlfahrtsgewinnen führen.
– Aus der Sicht der Wohlfahrt ist die Rückerstattung der Einnahmen aus den Umweltabgaben über eine Pauschale pro Kopf am schlechtesten zu bewerten.
– Die Grössenordnungen der Wohlfahrtsgewinne - ohne Berücksichtigung der externen
Kosten - bewegen sich zwischen - 40 bis + 30 Mio. Fr., sind also relativ bescheiden.
Damit wird auch deutlich, dass andere auf internationaler und nationaler Ebene ablaufende Entwicklungen und Veränderungen (z.B. weitergehende Globalisierung und Liberalisierung der Märkte, Wechselkursschwankungen) die Wohlfahrt im Kanton Bern
weit stärker beeinflussen werden als eine allfällige Realisierung des Konzeptes MUEK.
Berücksichtigt man die zu erwartenden Reduktionen der externen Kosten aufgrund der
verbesserten Umweltsituation und den technischen Fortschritt, so dürfte ein System
MUEK zu Wohlfahrtsgewinnen führen. Am höchsten sind diese Gewinne, wenn die Einnahmen aus den Umweltabgaben über Steuersenkungen zurückerstattet werden, am
geringsten, wenn die Pauschale pro Kopf realisiert wird.
b) Auswirkungen auf den Strukturwandel
Die Analyse der Auswirkungen auf den Strukturwandel konzentriert sich auf die Frage, ob
mit einem System MUEK der Branchenstrukturwandel beschleunigt oder gehemmt wird.
Eine Antwort auf diese Frage kann durch eine Gegenüberstellung von künftigen Wachstumsbranchen gemäss Perspektivarbeiten für die Bundesverwaltung und der Abgabenbelastung der Branchen gegeben werden (vgl. Grafik K-6).
ECOPLAN
K - 16
Kurzfassung
Grafik K-6 macht deutlich, dass ein System MUEK den prognostizierten Strukturwandel
unterstützt (Ausnahmen: Chemie, Landwirtschaft und Bekleidungsindustrie): Branchen
mit hohen prognostizierten Wachstumsraten gehören zu den "Gewinnern" eines Systems
MUEK.
Grafik K-6:
Wachstumsbranchen und Abgabenbelastung / "Gewinner"- und
"Verlierer"-Branchen
Wachstumsrate 1993 bis 2005 / Abgabebelastung in % BPW
-1.0% -0.5%
0.0%
0.5%
1.0%
1.5%
2.0%
2.5%
3.0%
"Gewinner"
3.5%
4.0%
-500
0
Fr./Arbeitsplatz
500
"Verlierer"
1'000
1'500
Chemie
Maschinen/Fahrzeuge
Gesundheitswesen
Elektrotechnik
Graphisches Gewerbe
Kunststoff
Baugewerbe
Übrige DL (ohne öff. Hand)
Banken/Versicherung
Verkehr und Nachrichten
Bijouterie
Holz/Möbel
Elektrizität/Gas/Wasser
Handel
Metallindustrie
Textil
Papierindustrie
Gastgewerbe
Steine und Erden
Nahrung/Getränke
Landwirtschaft
Bekleidung
Wachstumsrate von 1993 bis 2005
Abgabebelastung in % BPW
Fr./Arbeitsplatz
Zusätzlich verstärkt sich die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften, da die
Wachstumsbranchen einen überdurchschnittlichen Bedarf an solchen Arbeitskräften
aufweisen.
Mit dem Strukturwandel sind aber auch Anpassungskosten verbunden: Die Reallokation
von Arbeitskräften und Kapital zwischen Unternehmen und Branchen wird nicht friktionslos verlaufen. Und: Es kann nicht mit Sicherheit angenommen werden, dass die Einbussen in den schrumpfenden strukturschwachen Branchen durch die wachsenden strukturstarken Branchen wettgemacht werden. Insofern stellt MUEK nicht nur eine Chance
für den Kanton Bern dar, sondern weist auch gewisse Risiken auf.
ECOPLAN
Kurzfassung
K - 17
c) Auswirkungen auf die Standortattraktivität
Welche Auswirkungen sind von einem System MUEK auf die Standortgunst des Wirtschaftsraumes Kanton Bern zu erwarten? Tabelle K-7 zeigt, wie die in einer Umfrage unter Unternehmen ermittelten Standortfaktoren durch das System MUEK beeinflusst werden. Dabei wird zwischen den Verwendungsmodellen "Steuersenkung" und "Lohnsummenbonus" unterschieden. Die "Pauschale pro Kopf" wird nicht berücksichtigt, da ihr Einfluss auf die Standortgunst sehr gering ist.
Tabelle K-7: Beeinflussung der Standortfaktoren gemäss BAK-Studie durch das
System MUEK
Rang
Durch MUEK positiv beeinflusst
Einnahmenverwendung
QUA BED
HB
Steuersen-
Lohnsum-
kung
menbonus
Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften
25.
1.
2.
++
Preis/Leistung von hochqualifizierten Arbeitskräften
24.
2.
3.
+
Preis/Leistung von Arbeitskräften mit guter Ausbildung
29.
5.
3.
Steuerbelastung für hochqualifizierte Arbeitskräfte
37
16
5.
+++
Steuerbelastung für Unternehmen
20.
4.
8.
+
Verfügbarkeit von Arbeitskräften mit guter Ausbildung
15.
6.
13.
+
Preis/Leistung von Arbeitskräften ohne spezielle Ausbild.
21.
25.
20.
Verfügbarkeit von Arbeitsflächen
11.
23.
25.
+
+
Lebensqualität in der Region
1.
9.
23.
+
+
Qualität des öffentlichen Verkehrs
7.
30.
37.
+
+
Vorausseh-/Berechenbarkeit des rechtlich-polit. Umfelds
22.
12.
11.
+/-
+/-
Situation des privaten Verkehrs
26.
28.
20.
+/-
+/+/-
++
++
++
Durch MUEK positiv oder negativ beeinflusst
34.
18.
9.
+/-(5)
Kosten von Arbeitsflächen
32.
19.
12.
-
-
Energiekosten
27.
24.
17.
--
--
Aufwand für die Einhaltung von Umweltvorschriften
Durch MUEK negativ beeinflusst
Quelle: BAK
QUA: Qualität der Standortfaktoren
BED: Bedeutung der Standortfaktoren
HB: Handlungsbedarf
Die wichtigsten Schlussfolgerungen aus Tabelle K-7 lauten:
❏ MUEK verbessert Standortfaktoren, die einen hohen Handlungsbedarf aufweisen.
❏ Je nach Ausgestaltung der Verwendungsseite von MUEK werden unterschiedliche
Standortfaktoren positiv beeinflusst:
5
Kurz- bis mittelfristig: negative Auswirkungen, langfristig: positive Auswirkungen.
ECOPLAN
K - 18
Kurzfassung
– MUEK mit Steuerreduktion: Die Steuerbelastung für hochqualifizierte Arbeitnehmer
wird sinken. Die Folge davon: Die Verfügbarkeit dieser Arbeitskräfte steigt. Dies ist
eine der wichtigsten positiven Auswirkungen eines System MUEK mit Steuerreduktion. Dies vor allem darum, weil der künftige Branchenstrukturwandel zu einer
vermehrten Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften führen wird.
Als zusätzlicher Nebeneffekt wird die schon heute tiefe Unternehmensbesteuerung
weiter abnehmen.
– MUEK mit Lohnsummenbonus: Bei diesem Verwendungsmodell wird in erster Linie das Preis/Leistungsverhältnis der Arbeit verbessert.
❏ Wir schätzen, dass die Verfügbarkeit von Arbeitsflächen, die Lebensqualität im Kanton
und die Qualität des regionalen öffentlichen Verkehrs durch MUEK positiv beeinflusst
werden.
❏ Eine Standortverschlechterung wird insbesondere bei den Kosten von Arbeitsflächen
und den Energiekosten eintreten. Diese Standortfaktoren werden aber als weniger
bedeutend eingestuft als jene, die durch MUEK verbessert werden.
Es ist weiter denkbar, dass MUEK aufgrund der Wirkung der Umweltabgaben mittel- bis
längerfristig zu einer schlankeren und damit billigeren Infrastruktur v.a. im Bereich von
Entsorgungsaufgaben führt, was seinerseits den Wirtschaftsstandort Kanton Bern attraktiver macht.
d) Auswirkungen auf das Innovationsverhalten
Die Abschätzung der Auswirkungen eines Systems MUEK auf das Innovationsverhalten
erfolgt anhand des Erklärungsmodells für die Innovationstätigkeit in der schweizerischen
Wirtschaft der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF). Das Erklärungsmodell
unterscheidet zwischen Innovationsdeterminanten und Innovationshemmnissen.
Die Gegenüberstellung der positiven Wirkungen auf die Innovationsdeterminanten und
der Wirkungen auf die Innovationshemmnisse hat folgendes Bild ergeben:
❏ Das System MUEK kann Innovationsimpulse auslösen, indem es einzelnen Innova-
tionsdeterminanten positiv beeinflusst: Es sind dies eine günstigere Nachfrageperspektive sowie der Anreiz zur Nutzung von firmenexternem Wissen und zum Eingehen
vermehrter Kooperation. U.E. darf der Einfluss des Systems MUEK aber nicht
überschätzt werden.
❏ Positiv zu vermerken ist, dass vor allem Innovationen zugunsten einer umweltscho-
nenderen Produktion und Verhaltensweisen ausgelöst werden. Das System MUEK
leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einem ökologischen Strukturwandel.
❏ MUEK baut wichtige Innovationshemmnisse ab. Dies betrifft insbesondere die sin-
kende Steuerbelastung und damit verbunden die tendenziell vereinfachte Rekrutierung
von qualifiziertem Personal. Mit zusätzlichen Innovationshemmnissen oder mit einer
Verstärkung bisheriger Innovationshemmnisse ist allenfalls bei Betrieben, die durch die
Abgaben stark betroffen sind, zu rechnen. Bei diesen Betrieben verknappen die
Abgaben u.U. die nötigen finanziellen Mittel zur Finanzierung von Innovationsvorhaben.
ECOPLAN
Kurzfassung
K - 19
e) Flankierende Unterstützungsmassnahmen
Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass eine allfällige Umsetzung von MUEK neben Chancen auch Risiken in sich birgt. Unseres Erachtens können diese Risiken von
MUEK nicht vernachlässigt werden. Bei einer Realisierung von MUEK sollte deshalb angestrebt werden, mit "flankierenden Unterstützungsmassnahmen" die Risiken zu mindern. Stichworte zu Möglichkeiten von Massnahmen bzw. Strategien, die unserer Ansicht
nach die Risiken von MUEK vermindern und die Chancen erhöhen, sind:
– schrittweise Umsetzung (vgl. unten Kapitel 7)
– Einbettung in eine umfassende wirtschaftspolitische, marktwirtschaftlich ausgerichtete Strategie
– soweit möglich dank MUEK auf künftige oder sogar bestehende Gebote und Verbote
im Umweltschutz verzichten
– Verkürzung der Wege zwischen Forschung, Entwicklung und Produktion/Prozess (z.B.
durch Massnahmen im Bereich Technologietransfer)
– Aufbau eines Umweltberatungs-Angebots für stark betroffene Unternehmen
– Prüfung und allenfalls Förderung von Contracting-Lösungen
– verstärkte Anstrengungen im Bereich Umwelt-Management-System und Umwelt-Auditing.
7
Aspekte einer Umsetzungsstrategie
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre es verfrüht, bereits eine Umsetzungsstrategie für
MUEK aufzeigen zu wollen. Die notwendigen politischen Diskussionen, Beurteilungen
und Weichenstellungen müssen erst noch erfolgen, bevor ein allfällige Umsetzung von
MUEK eingeleitet werden kann. In jedem Fall werden folgende Aspekte zu beachten
sein:
❏ Beurteilung aus einer politischen Gesamtsicht
Eine allfällige Umsetzung MUEK erfordert einen intensiven und langen politischen
Dialog. Die Durchführung des zweiten Workshops im Rahmen des Projekts stellt im
besten Fall einen ersten Einstieg in diesen Prozess dar.
❏ Einbettung in die kantonale Politik
MUEK wird in die übrigen Aktionsfelder und Strategien der kantonalen Politik einzubetten sein, damit negative Auswirkungen von MUEK auf die übrige kantonale Politik
ausgeschlossen werden können.
❏ Prioritäre Haushaltsanierung
MUEK wird in jedem Fall erst nach erfolgter Haushaltsanierung umgesetzt werden
können.
❏ Schrittweise Einführung
Falls MUEK im Kanton Bern dereinst realisiert werden soll, wäre eine schrittweise Einführung (z.B. zuerst die Abgaben der Gruppe 1 aus Kapitel 3 mit tiefen Abgabensätzen
ECOPLAN
K - 20
Kurzfassung
realisieren, dann etappenweise die Abgabensätze erhöhen und zusätzlich Abgaben aus
Gruppe 2 einzuführen) anzustreben, und dies vor allem aus zwei Gründen:
– Zum einen ist ein solches Vorgehen "fehlerfreundlich". Unerwünschte Entwicklungen können frühzeitig erkannt werden, Korrekturen sind einfacher möglich.
– Zum andern ermöglicht dieses Vorgehen den Unternehmen eine frühe Antizipation
der in Aussicht gestellten Einführung weiterer Abgaben bzw. Erhöhung von Abgabensätzen, was tendenziell zu einer Abnahme der Anpassungskosten führt.
8
Schlussfolgerungen
Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der vorliegenden Machbarkeitsstudie?
Wie lauten die Antworten auf die beiden zentralen Fragestellungen aus Kapitel 1? (6)
❏ Ist ein System von marktwirtschaftlichen Umweltinstrumenten mit einnahmenseitiger
Kompensation auf kantonaler Ebene überhaupt machbar?
❏ Kann mit einem solchen System ein Beitrag zur Verbesserung der Standortgunst des
Wirtschaftsraumes Kanton Bern bzw. seiner Wirtschaftskraft erreicht werden, ohne
dass schwerwiegende Umverteilungen resultieren?
Die erste Frage wurde im Zwischenfazit (Kapitel 5) beantwortet: Die technisch-praktische, administrative und rechtliche Machbarkeit eines Systems MUEK auf kantonaler Ebene kann bejaht werden. Zudem würde MUEK aus umweltpolitischer Sicht einen
Schritt in die richtige Richtung darstellen, da es die Marktkräfte vermehrt in den Dienst
des Umweltschutzes stellt.
Die Beantwortung der zweiten Frage ist schwieriger. Trotz der grundsätzlich positiven
Ergebnisse der Auswirkungsanalyse ist zu beachten, dass die Einführung von MUEK
nicht nur Chancen sondern auch Risiken in sich birgt. Die Risiken liegen vor allem im
prognostizierten Strukturwandel, aber auch in der eher ungünstigen Ausgangslage des
Kantons Bern. Bei der Einstufung der Risiken ist allerdings zu beachten, dass andere auf
internationaler und nationaler Ebene ablaufende Entwicklungen und Veränderungen die
bernische Wirtschaft weit stärker herausfordern werden, als es eine Umsetzung des
Konzeptes MUEK tun würde. Angesichts dieser Tatsache und angesichts der Möglichkeit,
MUEK im Rahmen einer umfassenden wirtschaftspolitischen Strategie zusammen mit
flankierenden Umsetzungsmassnahmen zu realisieren, stellt MUEK u.E. trotz der Risiken
ein zukunftsträchtiges Konzept dar.
6
Nicht zu beantworten war die Frage der politischen Realisierbarkeit des Konzeptes MUEK.
ECOPLAN
Inhaltsverzeichnis
I
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung ...................................................................................K - 1
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................. I
Abkürzungsverzeichnis....................................................................................................... III
1
Einleitung..................................................................................... 1
1.1
Umfeld und Auftrag ................................................................................................... 1
1.2
Vorgehen.................................................................................................................... 2
1.3
Aufbau der Machbarkeitsstudie ................................................................................. 2
1.4
Projektorganisation und Dank .................................................................................... 3
2
Überblick: "state of the art" ....................................................... 4
2.1
Zur Terminologie ........................................................................................................ 4
2.2
Erfahrungen und Pläne ausserhalb des Kantons Bern ............................................... 5
2.3
2.2.1
Bestrebungen in Europa................................................................................. 5
2.2.2
Bestrebung in der Schweiz ............................................................................ 8
2.2.3
Bestrebungen im Kanton Bern ..................................................................... 11
Ziele und Grundsätze eines Umweltabgaben-Systems mit einnahmenseitiger
Kompensation im Kanton Bern ................................................................................ 14
3
Detailevaluation der Umweltabgaben .................................... 16
3.1
Einleitung ................................................................................................................. 16
3.2
Zusammenfassung der Detailevaluation.................................................................. 17
3.3
3.2.1
Ausgestaltung und Einnahmenpotential ...................................................... 17
3.2.2
Praktikabilität und Vollzugsaufwand ............................................................. 20
3.2.3
Rechtliche Anforderungen............................................................................ 23
3.2.4
Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte (erste Hinweise) .............. 25
3.2.5
Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung ......................... 25
Schlussfolgerungen ................................................................................................. 26
ECOPLAN
II
Inhaltsverzeichnis
4
Detailevaluation der Verwendungsmodelle ........................... 28
4.1
Einleitung.................................................................................................................. 28
4.2
Zusammenfassung der Detailevaluation .................................................................. 29
4.3
Schlussfolgerungen.................................................................................................. 33
5
Zwischenfazit............................................................................. 39
6
Wirtschaftliche Auswirkungen................................................. 43
6.1
Einleitung und Methodik .......................................................................................... 43
6.2
Auswirkungen auf die Branchen .............................................................................. 44
6.2.1
Abgabebelastung in den Branchen (ohne Ermässigungsmodell) ................. 44
6.2.2
Ermässigungsmodell für stark betroffene Branchen .................................... 70
6.2.3
"Gewinner"- und "Verlierer"-Branchen (mit Ermässigungsmodell) ................. 72
6.3
Soziale Verteilungseffekte........................................................................................ 74
6.4
Regionale Verteilungseffekte ................................................................................... 76
6.5
Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen ..................................................................... 80
6.5.1
Steigert MUEK die Effizienz und Wohlfahrt? ................................................ 81
6.5.2
Beschleunigt MUEK den Branchenstrukturwandel?..................................... 88
6.5.3
Steigert MUEK die bernische Standortattraktivität? ..................................... 91
6.5.4
Fördert MUEK Innovationen? ....................................................................... 99
6.5.5
Chancen / Risiken von MUEK und flankierende Massnahmen .................. 104
7
Aspekte einer Einführungsstrategie ...................................... 109
8
Schlussfolgerungen................................................................. 110
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben ................................. A - 1
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle........... B - 1
Anhang C: Arbeitsbereiche/Arbeitsgruppen im Umfeld.......... C - 1
Quellenverzeichnis ....................................................................... Q - 1
ECOPLAN
Inhaltsverzeichnis
III
Abkürzungsverzeichnis
ADT
Sachplan "Abbau, Deponie, Transporte"
AGR
Amt für Gemeinden und Raumplanung
AP
Arbeitsplatz
ARA
Abwasserreinigungsanlage
ASP
Anschlussprogramm zur Haushaltsanierung des Kantons Bern
ATAL
Amt für technische Anlagen und Lufthygiene des Kantons Zürich
AWD
Dekret über die Fondsbeiträge an die Abwasser- und Abfallentsorgung
sowie die Wasserversorgung
BG-Modell
Berechenbares Gleichgewichtsmodell
BKW
Bodenkennwert
BPW
Bruttoproduktionswert
BUWAL
Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft
BV
Bundesverfassung
CO2
Kohlendioxid
CSB
Chemischer Sauerstoffbedarf
DGVE
Dünge-Grossvieheinheit
DL
Dienstleistungsbranche, -unternehmen
EU
Europäische Union
FES
Schweizerischer Städteverbnand / Fachorganisation für Entsorgung und
Strassenunterhalt
Fr. / a
Franken pro Jahr
FSK
Fachverband für Sand und Kies
Fz.
Fahrzeug
GJ
Gigajoule
GSA
Amt für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft
GSchG
Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer
HH
Haushalte
IKST
Interkantonale Kommission für den Strassenverkehr
KEBAG
Kehrichtbeseitigungs-AG Emmenspitz Zuchwil
KIGA
Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit
KKW
Kernkraftwerk
KV
Kantonsverfassung
KVA
Kehrichtverbrennungsanlage
kWh
Kilowattstunde
LHG
Gesetz zur Reinhaltung der Luft des Kantons Bern (Lufthygienegesetz)
LRV
Luftreinhalte-Verordnung
LW
Lastwagen
MFZ
Motorfahrzeug
ECOPLAN
IV
Inhaltsverzeichnis
MIV
Motorisierter Individualverkehr
MJ
Megajoule
MUEK
Marktwirtschaftliche Umweltinstrumente mit einnahmenseitiger Kompensation
MW
Megawatt
NOx
Stickoxid
ÖV
Öffentlicher Verkehr
PP
Parkplatz
PW
Personenwagen
RAVEL
Rationelle Verwendung von Elektrizität, Impulsprogramm des Bundesamtes für Konjunkturfragen
SGZZ
St. Galler Zentrum für Zukunftsforschung
SO2
Schwefeldioxid
StG
Kantonales Steuergesetz
StHG
Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden vom 14. Dezember 1990
STZ
Steuerzehntel
SVGW
Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches
TJ
Terajoule
TOC
Total organic carbon (totaler organischer Kohlenstoff)
TVA
Technische Verordnung über Abfälle
URP
Umweltrecht in der Praxis (Zeitschrift der Vereinigung für Umweltrecht)
USG
Bundesgesetz über den Umweltschutz
VE90
Verbrauchserhebung 1990
VOC
Volatile organic compounds (flüchtige Kohlenwasserstoffe)
VOKOS
Vollzugskonzept Siedlungsentwässerung
VSA
Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute
VV
Verwendungsvariante
WEA
Wasser- und Energiewirtschaftsamt des Kantons Bern
WNG
Wassernutzungsgesetz
ECOPLAN
1 Einleitung
1
Einleitung
1.1
Umfeld und Auftrag
1
Im Kanton Bern hat der Regierungsrat im Februar 1992 den Bericht "Marktwirtschaftliche
Instrumente in der kantonalen Umweltpolitik - Grundzüge und Möglichkeiten" verabschiedet. Parallel dazu wurde eine breite Evaluation aller Instrumente in der Luftreinhaltung durchgeführt.(1)
In der Zwischenzeit konnten - beschleunigt durch die finanzpolitische Situation - verschiedene Abgaben bereits der parlamentarischen Beratung zugeführt werden (z.B.
Wasserfonds, Abfallfonds, Abwasserfonds), andere sind vorerst gescheitert (z.B. Kiesabgabe, Energiegebühr). Die bisherigen Abgaben sind allesamt primär Finanzierungsabgaben: sie dienen der Mittelbeschaffung für staatliche Beiträge, die bisher aus Steuern
finanziert wurden. Eigentliche Lenkungsabgaben wurden bisher nicht realisiert.
Ebensowenig wurde auch versucht, Umweltabgaben über die Finanzierung von Umweltschutzmassnahmen als Finanzquelle für den Staat unter gleichzeitiger Reduktion herkömmlicher Steuern einzusetzen.
Auf nationaler und internationaler Ebene hat sich die Diskussion um Umweltabgaben und
Einnahmenverwendungsmodellen weiter entwickelt(2), auch wenn die politische Realisierung (Lenkungsabgaben in der USG-Revision, CO2-/Energieabgabe, Studien zu Abfall- und
Abwasserabgaben) nicht überall gleich weit gediehen ist. Nach wie vor stehen aber neben nationalen und internationalen Instrumenten auch kantonale Instrumente zur Diskussion, da sie sich - wie das Beispiel des Kantons Bern zeigt - teilweise rascher realisieren lassen.
Die Hauptfrage, die sich in dieser Ausgangslage stellt, lautet: Welche weiteren Potentiale
bieten Umweltabgaben auf kantonaler Ebene, sei es zur Finanzierung und/oder Lenkung
im Umweltschutz, sei es in einem grösseren System von marktwirtschaftlichen Umweltinstrumenten mit einnahmenseitiger Kompensation. Insbesondere stellt sich die Frage,
ob die Standortgunst des Wirtschaftsraumes Kanton Bern bzw. die Wirtschaftskraft des
Kantons Bern durch eine Steuersenkung erhöht werden kann, die über Umweltabgaben
kompensiert wird.
In einer Vorstudie im Auftrag der Koordinationsstelle für Umweltschutz wurde untersucht,
ob sich die vertiefte Abklärung der oben genannten Frage für den Kanton Bern lohnen
könnte. Die Ergebnisse und Vorschläge der Vorstudie vom 13. April 1994 wurden am 26.
August 1994 im Rahmen eines Workshops mit Vertreterinnen und Vertretern aus
Wirtschaft, Politik und Verwaltung diskutiert. Im Anschluss an die Auswertung des
Workshops hat der Regierungsrat des Kantons Bern ECOPLAN beauftragt, die vorliegende Machbarkeitsstudie auszuarbeiten.
1
ECOPLAN (1991), Marktwirtschaftliche Instrumente zur Luftreinhaltung im Kanton Bern.
2
Vgl. z.B. OECD (1994), Managing the environment - The role of economic instruments, UBA (1994), Umweltabgaben in der Praxis oder ECOPLAN (1993), Umweltabgaben in Europa.
ECOPLAN
2
1 Einleitung
Der Name "Machbarkeitsstudie" macht deutlich, dass mit der vorliegenden Untersuchung
Antworten auf die Fragen gegeben werden sollen, ob ein System von marktwirtschaftlichen Umweltinstrumenten und einnahmenseitigen Kompensationen ("System MUEK")
auf kantonaler Ebene sinnvoll und vor allem ob ein solches System grundsätzlich machbar
ist. Die politische Diskussion der Wünschbarkeit eines solchen Systems wird in einer
nächsten Phase erfolgen müssen.
1.2
Vorgehen
Die Ausarbeitung der Machbarkeitsstudie erfolgte in drei Teilschritten:
❏ Im ersten Teilschritt stand die Abklärung der technisch-praktischen, administrativen
und rechtlichen Machbarkeit eines Umweltabgaben-Systems mit einnahmenseitiger
Kompensation auf kantonaler Ebene im Vordergrund. Ergebnis des ersten Teilschritts
war der Zwischenbericht vom 20. April 1995. Dieser Zwischenbericht wurde an einer
Sitzung der Begleitgruppe ausführlich diskutiert.
❏ In einem zweiten Schritt standen einzelne Vertiefungen von Themen aus dem ersten
Teilschritt sowie die Analyse der wirtschaftlichen und verteilungspolitischen
Auswirkungen eines solchen Umweltabgaben-Systems im Vordergrund. Resultat des
zweiten Teilschritts waren die beiden Arbeitspapiere "Vertiefende Abklärungen" und
"Wirtschaftliche Auswirkungen" vom 13. September 1995. Der zweite Teilschritt wurde
mit der Begleitgruppensitzung vom 20. September 1995 abgeschlossen.
❏ Basierend auf den von ECOPLAN erarbeiteten Unterlagen und den Anmerkungen der
Begleitgruppenmitglieder wurde im letzten Teilschritt der nun vorliegende Schlussbericht ausgearbeitet.
Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie sollen im Rahmen eines zweiten Workshops mit
interessierten und betroffenen Kreisen diskutiert werden.
1.3
Aufbau der Machbarkeitsstudie
Der Bericht ist in einen Hauptteil und in einen Anhang unterteilt. Die Kapitel des Hauptteils weisen folgende inhaltlichen Schwerpunkte auf:
❏ Kapitel 2 dient als Einstieg in die Thematik der vorliegenden Machbarkeitsstudie. Zum
einen werden Begriffe geklärt und die angestrebten Ziele eines kantonalen Umweltabgaben-Systems mit einnahmenseitiger Kompensation diskutiert, zum andern wird
ein Überblick über den Stand der Dinge auf kantonaler, nationaler und internationaler
Ebene gegeben.
❏ In Kapitel 3 wird die ausführliche Detailevaluation der verschiedenen Umweltabgaben
von Anhang A zusammengefasst. Besonderes Gewicht wird dabei dem Einnahmenpotential, der Praktikabilität, den Umweltwirkungen und rechtlichen Fragen beigemessen.
ECOPLAN
1 Einleitung
3
❏ Kapitel 4 enthält eine Zusammenfassung der Diskussion möglicher staatsquotenneu-
traler Einnahmenverwendungsformen in Anhang B. Einerseits werden verschiedene
Formen von Steuersenkungen geprüft, andererseits wird auf direkte Rückerstattungsmodelle eingegangen.
❏ In Kapitel 5 wird eine erste Zwischenbilanz der administrativ-technischen Machbarkeit
des Systems MUEK gezogen.
❏ Die Auswirkungsanalyse von Kapitel 6 befasst sich schwerpunktmässig mit den
Auswirkungen auf die bernische Wirtschaft. Regionale und soziale Verteilungseffekte
fliessen ebenfalls in die Betrachtung ein.
❏ Die Skizzierung verschiedener Aspekte einer Einführungsstrategie in Kapitel 7 gibt
erste Hinweise, wie ein System MUEK im Kanton Bern realisiert werden könnte.
❏ Im 8. Kapitel werden schliesslich die wichtigsten Schlussfolgerungen gezogen.
Die Anhänge A und B enthalten Detaildiskussionen zu den beiden Themenkomplexen
"Umweltabgaben" und "Verwendungsmodelle". Sie dürften in erster Linie für Leserinnen
und Leser von Interesse sein, welche sich vertieft mit dem Thema der vorliegenden
Machbarkeitsstudie befassen möchten. Wer sich nur für die wichtigsten Ergebnisse
interessiert, kann sich auf die Kapitel 3 und 4 bzw. die Kurzfassung beschränken.
Anhang C zeigt schliesslich die Querbezüge von Arbeitsbereichen/Arbeitsgruppen innerhalb der kantonalen Verwaltung zum Thema der Machbarkeitsstudie auf. Die Übersicht
wurde von Dr. R. Meier von der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (Projektleiter seitens des Kantons) zusammengestellt.
1.4
Projektorganisation und Dank
Der vorliegende Bericht wurde von ECOPLAN erarbeitet. Der Bericht und die darin vertretenen Beurteilungen liegen in der Verantwortung der Autoren. Sie bilden eine Diskussions- und Entscheidungsgrundlage, nehmen aber in keiner Weise Entscheide der zuständigen Gremien vorweg.
Die Autoren danken den Mitgliedern der Begleitgruppe und den Vertreterinnen und Vertretern der konsultierten Ämter für die Unterstützung bei der Ausarbeitung des Berichts
und für die zahlreichen wertvollen Kommentare. Dieser Dank gilt insbesondere der
Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion und der Steuerverwaltung, welche sich mit
den rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Machbarkeit eines Systems
MUEK auf kantonaler Ebene befassten, und Herrn Prof. Dr. Robert Leu vom volkswirtschaftlichen Institut der Universität Bern für die wissenschaftliche Begleitung der Ausarbeitung des Berichts.
ECOPLAN
4
2 Überblick: "state of the art"
2
Überblick: "state of the art"
2.1
Zur Terminologie
Die bisherige Umweltpolitik auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene, stellt
vornehmlich auf Ver- und Gebote ab. Diese umweltpolitische Strategie ist an ihre Grenzen gelangt: Ohne einen Paradigmawechsel könnten die heutigen und zukünftigen
Umweltprobleme nur noch mit einer unverhältnismässig hohen Regulierungsdichte und
einem enormen Aufwand seitens der Verwaltung bewältigt werden. Immer mehr hat
sich deshalb die Überzeugung durchgesetzt, dass eine effiziente und effektive Umweltpolitik vermehrt auf die Marktkräfte setzen muss. Auf die Vorteile einer marktwirtschaftlichen Strategie wurde in einer Vielzahl von Publikationen hingewiesen.(1)
Marktwirtschaftliche Instrumente
Marktwirtschaftliche Instrumente in der Umweltpolitik sind alle Instrumente, die
direkt über den Preis wirken.
Am wichtigsten sind Abgaben und verursachergerechte Gebühren. Daneben sind
da und dort Umweltlizenzen (Emissionszertifikate) eingesetzt worden. Auch ein
umwelt- resp. verursachergerechtes Haftungsrecht, Pfandsysteme sowie Subventionen werden zu den marktwirtschaftlichen Instrumenten gezählt.
Angesichts des ökologischen Handlungsbedarfs hat sich weiter die Erkenntnis durchgesetzt, dass nur ein umfassender Paradigmawechsel, der über die Umweltpolitik im engeren Sinne hinausgeht und insbesondere Bereiche der Finanzpolitik miteinbezieht, in
der Lage ist, längerfristig eine Lösung der Umweltproblematik herbeizuführen.
Der in diesem Zusammenhang benützte Begriff einer "ökologischen Steuerreform"
lässt sich nicht mit einer allgemein anerkannten Definition umschreiben, zu verschieden
wird er in der umweltpolitischen Diskussion verwendet. Die zentralen Elemente einer
ökologischen Steuerreform sind die folgenden:
❏ In den meisten Vorschlägen zu einer ökologischen Steuerreform(2) bildet eine Ener-
giesteuer das Herzstück des Umweltabgaben-Systems. Die Energiesteuer soll einerseits zu einem sparsameren Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen und andererseits zu einer Reduktion der Schadstoffemissionen führen.
❏ Neben der Energiesteuer wird meistens die Einführung weiterer Lenkungsabga-
ben (z.B. Abgaben auf umweltbelastenden Stoffen) vorgeschlagen.
1
Vgl. z.B. ECOPLAN (1991), Marktwirtschaftliche Instrumente zur Luftreinhaltung im Kanton Bern, S. 8
ff.; von Stokar T., Mauch S. und Iten R. (1993), Marktwirtschaftliche Instrumente für einen ökologischen
Strukturwandel, S. 10 ff.; Meier R. und Walter F. (1991), Umweltabgaben für die Schweiz, S. 81 ff. oder
Regierungsrat des Kantons Bern (1992), Marktwirtschaftliche Instrumente der kantonalen Umweltpolitik
- Grundzüge und Möglichkeiten, S. 3.
2
Vgl. z.B. DIW (1994), Ökosteuern - Sackgasse oder Königsweg?, Mauch S.P., Iten R., von Weizsäcker E.
und Jesinghaus J. (1992), Ökologische Steuerreform; Meier R. und Walter F. (1991), Umweltabgaben für
die Schweiz.
ECOPLAN
2 Überblick: "state of the art"
5
❏ Angesichts des hohen Abgabenaufkommens bildet die Frage der Mittelverwen-
dung einen weiteren zentralen Pfeiler einer ökologischen Steuerreform:
– In einer engen Auslegung des Begriffs steht eine Reduktion bestehender Steuern (Warenumsatzsteuer bzw. Mehrwertsteuer, direkte Steuern) oder gar deren
Ersatz im Vordergrund.
– In einer etwas weiteren Auslegung werden auch andere Verwendungsformen in
Betracht gezogen (z.B. Rückerstattungsformen, Zweckbindung für Umweltschutzmassnahmen).
In der Mittelverwendungsdiskussion wird häufig auch das "double dividend"-Argument angeführt, wonach durch eine ökologische Steuerreform "zwei Fliegen mit
einer Klappe" geschlagen werden können: Auf der einen Seite nehmen die Umweltschäden und damit die anfallenden Kosten für deren Reparatur oder Beseitigung ab,
auf der anderen Seite können mit den Einnahmen verzerrende Steuern und Abgaben
(z.B. Sozialversicherungsabgaben auf der Lohnsumme) abgebaut werden. Gemäss
Befürwortern der "double dividend"-Hypothese führen diese beiden je positiven Effekte zu einer Erhöhung der Wohlfahrt.
Um Missverständnisse zu vermeiden, benützen wir in der vorliegenden Machbarkeitsstudie den Begriff "ökologische Steuerreform" nicht. Damit bringen wir zum Ausdruck,
dass nicht eine Reform des kantonalen Steuerwesens geprüft werden soll. Vielmehr ist
zu untersuchen, ob durch Steuersenkungen die Standortgunst des Wirtschaftsstandortes Kanton Bern bzw. die Wirtschaftskraft des Kantons Bern verbessert werden kann,
wobei der Einnahmenausfall beim Staat durch zusätzliche Einnahmen aus marktwirtschaftlichen Instrumenten auf kantonaler Ebene kompensiert werden soll. Aus diesem
Grund verwenden wir in Anlehnung an den englischen Begriff "economic instruments
with revenue recycling" den Begriff "marktwirtschaftliche Umweltinstrumente mit
einnahmenseitiger Kompensation (MUEK)".
2.2
Erfahrungen und Pläne ausserhalb des Kantons Bern
2.2.1 Bestrebungen in Europa
Auf gesamteuropäischer Ebene sind bisher keine Umweltabgaben in Kraft. Marktwirtschaftlichen Instrumenten (inkl. Vereinbarungen) wird aber im 5. Aktionsprogramm der
Europäischen Union (EU) mit dem Titel "Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung" hohe Priorität in der künftigen gemeinschaftsweiten Umweltpolitik eingeräumt. In folgende Bereichen sieht das Programm den Einsatz marktwirtschaftlicher Instrumente vor:(3)
3
Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (1994), Zwischenbericht über die Umsetzung des
Programms der Europäischen Gemeinschaft für Umweltpolitik und Massnahmen im Hinblick auf eine
dauerhafte Entwicklung und ECOPLAN (1993), Umweltabgaben in Europa, S. 53.
ECOPLAN
6
2 Überblick: "state of the art"
Tabelle 2-1:
Vorgesehene ökonomische Instrumente der EU im 5. Aktionsprogramm
Bereich
Einzelheiten, mögliche Massnahmen Zeitrahmen
Akteure(4)
Energie, Klima
z.B. CO2-/Energieabgabe
fortlaufend
EU (+MS)
2000
2000
im Gang
im Gang
MS (+EU)
MS (+EU)
EU
EU (MS)
bis 1995
1993 - 1998
LB
MS (EU, LB)
Verkehr(5)
– Fahrzeugtechnik
– Treibstoffe
– Schwerverkehr
– Stadtverkehr
– Tourismusverkehr
Steuerdifferenzierung z.B. nach Emissionen, Verbrauch, Entsorgung
bleifreie und alternative Treibstoffe
Harmonisierung der Mineralölsteuer
Diskussion um Euro-Vignette und
Strassenbenützungsgebühren(6)
Parkgebühren
z.B. CO2-/Energieabgabe sowie Strassengebühren und ÖV-Förderung
Gewässer
qualitative und quantitative Aspekte im fortlaufend
Süss- und Meerwasser-Bereich
Abfälle
u.a. freiwillige Vereinbarungen
fortlaufend
MS (EU; LB)
MS (EU)
Aus der Übersicht wird deutlich, dass die EU in den meisten Bereichen das Subsidiaritätsprinzip zum Tragen kommen lassen will, d.h. den Mitgliedsstaaten die Abgaberegelungen überlassen will. Einzig bei der CO2-/Energieabgabe steht an sich eine gemeinschaftsweite Lösung im Vordergrund, deren Realisierung sich allerdings bis zum heutigen Zeitpunkt als äusserst schwierig erwiesen hat. Gegenwärtig stehen zumindest bis
ins Jahr 2000 wieder nationale Alleingänge im Vordergrund, erst anschliessend soll eine
EU-weite harmonisierte Steuer eingeführt werden.
Im Weissbuch der Kommission über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung wird ein Schritt weitergegangen. Um bestehende Arbeitsplätze zu sichern und
die Entstehung neuer zu fördern, schlägt die EU-Kommission vor, die Lohnnebenkosten
zu senken. Als steuerliche Ausgleichsmassnahme werden unter anderem Umwelt-
4
EU
=
Aktivität auf EU-Ebene
MS = Aktivität auf Ebene der Mitgliedstaaten
LB
= Aktivität auf Ebene der lokalen Behörden
in Klammern jeweils die mitbetroffenen Institutionen.
5
Auf Ende 1995 ist von der EU-Kommission ein Grünbuch über externe Effekte des Verkehrs und über
deren Internalisierung in Aussicht gestellt.
6
Bis im Februar 1996 soll eine neue Fassung der vom Europäischen Gerichtshof für ungültig erklärten
Richtlinie 93/89 EWG über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie
über die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten ausgearbeitet werden. Dabei sollen auch ökologische Aspekte berücksichtigt werden.
ECOPLAN
2 Überblick: "state of the art"
7
abgaben in Betracht gezogen.(7) Von der EU-Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen
wird eine ökologische Steuerreform als ökonomische Notwendigkeit bezeichnet.(8)
Einzelne EU-Staaten haben ihren Handlungsspielraum auf nationaler Ebene ausgenutzt
und Abgabelösungen realisiert. Beispiele sind etwa(9)
– die Abwasserabgabe in Deutschland
– die nach dem Emissionsverhalten differenzierte Motorfahrzeugsteuer in Deutschland
(für LW seit 1994, für PW ab dem 1.1.1997)
– die niederländische CO2-Abgabe, deren Einnahmen zweckgebunden für Umweltschutzmassnahmen eingesetzt werden
– die jährliche Erhöhung der Steuern auf Treibstoffen um real 5% in Grossbritannien
– der Zuschlag auf verbleitem Benzin in praktisch allen europäischen Staaten
– die französische Deponieabgabe
– die Abgabe auf Altöl in Italien.
Am weitesten fortgeschritten im Bereich des marktwirtschaftlichen Umweltschutzes
sind die skandinavischen Ländern.
❏ Schweden hat in den letzten Jahren eine eigentliche ökologische Steuerreform ein-
geleitet: Dank der Einführung und Erhöhung bestehender umweltrelevanter Abgaben
konnten die direkten Einkommenssteuern gesenkt werden.(10)
❏ Dänemark hat im Sommer 1995 beschlossen, neue Energieabgaben einzuführen
bzw. bestehende zu erhöhen. Die Einnahmen werden eingesetzt, um die Arbeitgeberbeiträge an die Lohnnebenkosten zu senken, um Energiesparmassnahmen zu
fördern und um die Rahmenbedingungen für Klein- und Mittelunternehmen zu fördern.(11)
Aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit hat Spanien einen ersten Schritt in Richtung
ökologische Steuerreform unternommen: Um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken,
wurde Anfang 1995 eine aufkommensneutrale Umstrukturierung des Abgabensystems
vorgenommen. Die Beiträge an die Sozialversicherung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurden um einen Prozentpunkt gesenkt, gleichzeitig wurden aber die Steuersätze
auf Mineralöl und Treibstoffen erhöht.(12)
Für verschiedene weitere Länder wurden die Möglichkeiten und die Auswirkungen einer
ökologischen Steuerreform eingehend analysiert (z.B. Österreich(13) oder Deutsch7
Kommission der Europäischen Gemeinschaften (1993), Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung - Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundert, Weissbuch, S. 154 f.
8
Kommission der Europäischen Gemeinschaften (1994), Jahreswirtschaftsbericht, Anhang zur ökologischen Steuerreform.
9
Für einen umfassenden Überblick vgl. ECOPLAN (1993), Umweltabgaben in Europa, Anhang oder OECD
(1994), Managing the environment - The role of economic instruments sowie verschiedene Ausgaben
des Wuppertal Bulletin zur ökologischen Steuerreform.
10 Vgl. dazu z.B. Engström M. (1993), Energie- und Umweltabgaben in Schweden.
11 Vgl. europe environment (1995), Danish energy/environment aid, S. 4.
12 Vgl. Wuppertal Bulletin zur ökologischen Steuerreform, S. 17, Jahrgang 1, Nr. 2, Sommer 1995.
13 Vgl. Köppl A. et al. (1995), Makroökonomische und sektorale Auswirkungen einer umweltorientierten
Energiebesteuerung in Österreich.
ECOPLAN
8
2 Überblick: "state of the art"
land(14)). Erste Schritte in Richtung ökologische Steuerreform wollen Österreich und die
Niederlande tun: Der holländische Finanzminister will 1996 eine aufkommensneutrale
ökologische Steuerreform einleiten, Österreich will im gleichen Jahr die Besteuerung
der Energie ausweiten und erhöhen und gleichzeitig andere Steuern senken.(15)
Aber nicht nur auf Seiten des Staates wird marktwirtschaftlichem Umweltschutz immer
mehr Bedeutung beigemessen. Auch führende Unternehmer verlangen diesen Wechsel
in der Umweltpolitik: Der Business Council for Sustainable Development fordert,
marktwirtschaftliche Umweltinstrumente nicht mehr bloss von Fall zu Fall einzusetzen,
sondern sie vielmehr als "broad means" in zu verändernden Anreizstrukturen zur vollen
Wirkung kommen zu lassen.(16) Gleichzeitig mit der Einführung der marktwirtschaftlichen Instrumente in der Umweltpolitik soll die Besteuerung des Produktionsfaktors
Arbeit gesenkt werden.
Fazit: Insgesamt stellen die Absichten und Bestrebungen auf europäischer Ebene kein
Hindernis dar für die Realisierung eines Umweltabgaben-Systems mit einnahmenseitiger Kompensation auf kantonaler Ebene: Im Gegenteil, auch in anderen europäischen
Ländern sollen marktwirtschaftliche Elemente in der zukünftigen Umweltpolitik eine
wichtigere Rolle spielen. In allen Ländern wird die Staatsquotenneutralität hervorgehoben: Die Einführung der marktwirtschaftlichen Umweltinstrumente soll nicht zu Mehreinnahmen für den Staat führen, vielmehr sind entsprechende Kompensationen vorzunehmen. Insgesamt verspricht man sich von diesem Vorgehen einen positiven (Netto)Wohlfahrtseffekt. Diese Meinung wird in zunehmendem Masse auch von Unternehmerinnen und Unternehmern geteilt.
2.2.2 Bestrebung in der Schweiz
Neben den Bestrebungen im Ausland muss bei der Realisierung eines kantonalen
Systems marktwirtschaftlicher Umweltinstrumente mit einnahmenseitiger Kompensation ("System MUEK") vor allem auf die Umweltpolitik im Inland Rücksicht genommen
werden. Im Vordergrund stehen dabei die Absichten und Massnahmen auf Bundesebene, aber auch jene in den anderen Kantonen spielen eine gewisse Rolle.
Ein Schritt in Richtung mehr Markt im Umweltschutzbereich wird mit der Revision des
Umweltschutzgesetzes (USG) angestrebt. Ein grosser Teil der Einnahmen aus den vorgeschlagenen Umweltabgaben soll nicht in die allgemeine Bundeskasse fliessen sondern an die Bevölkerung zurückerstattet werden.
Die Bestrebungen auf Bundesebene haben wir in Tabelle 2-2 zusammengefasst.
14 Vgl. DIW (1994), Ökosteuern - Sackgasse oder Königsweg? und Deutsche Bank Research (1995), Öko-
logische Steuerreform - Patentrezept oder Mogelpackung?.
15 Vgl. Wuppertal Bulletin zur ökologischen Steuerreform, S. 18, Jahrgang 1, Nr. 2, Sommer 1995.
16 Vgl. de Andraca R. und McCready K.F. (1995), Internalizing Environmental Costs to Promote Eco-Ef-
ficiency.
ECOPLAN
2 Überblick: "state of the art"
Tabelle 2-2:
9
Abgabenpläne auf Bundesebene
Abgabe auf
Höhe
ökologische
Wirkung
Einnahm.
pro Jahr
Verwendung
der Einnahmen
Stand der
Diskussion
(Juni 1996)
Schwerverkehr, Ziel: leistungsabhängige Ausgestaltung
Pauschale: 650
Fr. bis 4'000 Fr.
(je nach
Gewicht); leistungsabhängig
(Vor-schlag):
1.6 Rp. pro km
und t
Gesamtgew.,
neuer Vorschlag mit Anhebung Gewichtslimite ist
in Diskussion
dämpft Wachstum des
Schwerverkehrs,
leistet Beitrag
zur Umsetzung
der Alpen-Initiative
je nach
Höhe,
heute ca.
130 Mio.
Fr.; leistungsabhängig:
ca. 750
Mio., neue
Zahlen
erst intern
verfügbar
Strassenkasse,
Abgeltung externer Kosten;
Variante: Finanzierung
Bahninfrastruktur (Vorschlag
AG Finanzierung des ÖV)
Zustimmung
in der Volksabstimmung
vom 20.2.94;
erster Gesetzesvorschlag in Vernehmlassung
mehrheitlich
abgelehnt,
neue Botschaft folgt
noch 1996
CO2-Abgabe
Vorschlag: 12
Fr. pro Tonne
CO2 (1996) 36
Fr. (2000)
Schätzung: ca. 6
- 10% Emissionsrückgang
Schätzung
für das
Jahr 2000:
1.4 Mrd.
Fr.
Vorschlag:
Rückerstattung
an Bevölkerung
und Wirtschaft,
Teilzweckbindung
Vernehmlassung März
1994, Einführung verschoben, Ausarbeitung Gesetz
zur CO2-Reduktion
VOC (flüchtige organische Verbindungen)
stufenweise 1,
2, evtl. 5 Fr./kg
75'000 t VOC
(rund 30%)
ca. 250
Mio. (2.
Stufe)
Rückerstattung
pro Kopf an
Bevölkerung
Teil der USGRevision, von
den Räten angenommen
Schwefelgehalt Heizöl Extraleicht
20 Fr./t (ca. 5%
des Marktpreises)
6'000 t SO2 (ca.
11%) weniger
Emissionen
50 Mio. Fr.
Rückerstattung
pro Kopf an
Bevölkerung
Teil der USGRevision, von
den Räten angenommen
Dünger
1 Fr./kg Stickstoff und
Phosphor
Minderverbrauch
ca. 15 - 20%
ca. 80
Mio. Fr.
Zweckbindung
Teil der USGRevision, von
den Räten abgelehnt
Pflanzenbehandlungsmittel
Menge pro
Hektare und
Umweltverträglichkeit
Verlagerung zu
ökolog. Produktion
ca. 40
Mio. Fr.
Zweckbindung
Teil der USGRevision, von
den Räten abgelehnt
Deponieabgabe zur Altlastenfinanzierung
ca. 5 - 10 Fr./t
nur Finanzierungswirkung
angestrebt
30 - 40
Mio. Fr.
Zweckbindung
für Kantonsbeiträge an Altlastensanierung
Teil der USGRevision,
"kann-Formulierung", von
den Räten angenommen
weniger Emissionen
ECOPLAN
10
2 Überblick: "state of the art"
Tabelle 2-2:
Abgabenpläne auf Bundesebene (Fortsetzung)
Abgabe auf
Höhe
ökologische
Wirkung
Einn. pro
Jahr
Verwendung
der Einnahmen
Stand der
Diskussion
(Nov. 1995)
Vorgezogene
Entsorgungsgebühren
je nach Entsorgungskosten
sichert SpezialEntsorgung od.
Verwertung
offen
für jeweilige
Entsorgung
zweckgebunden
Teil der USGRevision,
"kann-Formulierung", von
den Räten angenommen
Abfall (nicht
nur Deponien)
offen
Beiträge finanzieren und/oder
Lenkung
offen
evtl. Finanzierung von Beiträgen
verwaltungsinterne Abklärung
Abwasser
1 - 6 Fr./kg
Stickstoff, 3045 Fr./kg
Phosphor, 2
Fr./kg TOC
(organ. Fracht)
optimiert ARABetrieb, Anreiz
zu ARA-Investitionen, finanziert
ökolog. Beiträge
ca. 150
Mio. Fr.
zweckgebunden für Beiträge (Förderung
und Ausgleich)
prov. Vorschlag BUWAL zur Diskussion
Das Kernstück eines Umweltabgaben-Systems in der Schweiz wäre eine CO2-Abgabe.
Im Juni 1995 hat der Bundesrat beschlossen, von einer isolierten Einführung der Abgabe vorläufig abzusehen. Vielmehr soll die CO2-Abgabe in den Gesamtzusammenhang
von Zielen der Klima- und Energiepolitik integriert werden. Bis Mitte 1996 soll deshalb
ein Entwurf für ein Gesetz zur Reduktion der CO2-Emissionen ausgearbeitet werden. In
diesem CO2-Gesetz sind CO2-Reduktionsziele, die Fristen zur Erreichung dieser Ziele
und die zu ergreifenden Massnahmen aufzuzeigen.
Das Gleiche gilt für die Bestrebungen auf kantonaler und kommunaler Ebene. Auf
diesen Ebenen wird die Diskussion über marktwirtschaftliche Instrumente im Umweltschutzbereich von folgenden Massnahmen dominiert:
❏ Parkplatzbewirtschaftungsmassnahmen: In einigen Massnahmenplänen zur Luft-
reinhaltung wird die Einführung von höheren Parkgebühren auf zentralen öffentlichen
Parkplätzen vorgeschlagen. Verschiedene Gemeinden haben entsprechende Reglemente ausgearbeitet.
❏ Kehrichtsackgebühr: In den deutschsprachigen Gemeinden setzt sich die Keh-
richtsackgebühr mehr und mehr durch.
❏ Verursachergerechte Finanzierung der Entsorgung von Abfall und Abwasser:
Neben dem Kanton Bern sind weitere Kantone bestrebt, die Entsorgung von Abfall
und Abwasser durch verursachergerechte Abgaben zu finanzieren (z.B. St. Gallen,
Schaffhausen, Solothurn).
❏ Emissionsguthabenpolitik in den beiden Basel: Als einzige Kantone der Schweiz
versuchen Basel-Stadt und Basel-Landschaft über den Handel mit Emissionsgutschriften, die ausgestellt werden, wenn ein Emittent seine Emissionen über das gesetzlich verlangte Mass hinaus reduziert, eine kostengünstige Verbesserung der
ECOPLAN
2 Überblick: "state of the art"
11
Luftqualität zu erreichen. Aus verschiedenen Gründen (z.B. "zu strenge" Emissionsgrenzwerte der Luftreinhalte-Verordnung) blieb diese marktwirtschaftliche Strategie
bisher praktisch wirkungslos.
❏ Vereinbarungsstrategie: In verschiedenen Kantonen sind die Behörden bestrebt,
mit Unternehmen Vereinbarungen über freiwillige Reduktionen von Emissionen abzuschliessen (z.B. Vereinbarungen zwischen dem Staat und Unternehmen über verkehrspolitische Massnahmen auf Unternehmensebene).
2.2.3 Bestrebungen im Kanton Bern
Schliesslich muss das System MUEK möglichst gut in die aktuelle umweltpolitische
Diskussion dieses Kantons eingepasst werden. Zum einen können eingeleitete Entwicklungen Basis für das System MUEK sein, indem z.B. eine bereits eingeführte Abgabe in
den Dienst eines solchen Systems gestellt wird, zum andern zeigt die bisherige Diskussion auf, bei welchen Vorschlägen im politischen Prozess mit erheblichen Bedenken
zu rechnen ist.
Der Kanton Bern hat verschiedentlich untersucht, welche Möglichkeiten für den Einsatz
marktwirtschaftlicher Instrumente auf kantonaler Ebene bestehen. Die Ergebnisse sind
in den folgenden Berichten zusammengefasst:
❏ Marktwirtschaftliche Instrumente zur Luftreinhaltung im Kanton Bern:(17) Der
Bericht enthält eine Evaluation von 29 möglichen Instrumenten im Bereich der Luftreinhaltung. Die Evaluation kommt zum Schluss, dass in erster Linie im Verkehrsbereich marktwirtschaftliche Instrumente (differenzierte Motorfahrzeugsteuern, Parkplatzabgaben, Road Pricing/Vignette und Parkplatzverbund) eingeführt werden sollten. Die Umsetzungsarbeiten sind im Bereich der Parkplatzabgaben - allerdings in erster Linie auf kommunaler Ebene - in den Zentrumsgemeinden der Agglomeration
Bern am weitesten fortgeschritten, laufen aber auch in der Agglomeration Bern
an.(18)
❏ Marktwirtschaftliche Instrumente der kantonalen Umweltpolitik:(19) Der Bericht
des Regierungsrats gibt eine Übersicht über eingeführte und diskutierte marktwirtschaftliche Instrumente in den Bereichen Luftreinhaltung, Energie, Abfall, Wasser/Abwasser, Landwirtschaft und Raumordnung/Raumplanung. Die Übersicht zeigt,
dass ausser der verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung sowie den kostendeckenden kommunalen Gebühren für Abfall- und Abwasserentsorgung marktwirtschaftliche Massnahmen noch keine bedeutende Rolle spielen.
Im Rahmen dieser Machbarkeitsstudie gehen wir nur auf die in diesen beiden Berichten diskutierten Abgabenlösungen ein. Hingegen spielen die anderen aufgeführten
17 ECOPLAN (1991), Marktwirtschaftliche Instrumente zur Luftreinhaltung im Kanton Bern.
18 Vgl. dazu ECOPLAN (1993), Parkplatzmassnahmen Zentrumsgemeinden - Rahmenkonzept und KIGA
(1993), Parkplatzmassnahmen - Vorgehensvorschlag.
19 Regierungsrat des Kantons Bern (1992), Marktwirtschaftliche Instrumente der kantonalen Umweltpolitik.
ECOPLAN
12
2 Überblick: "state of the art"
marktwirtschaftlichen Massnahmen (wie z.B. grenzkostenorientierte Tarife für leitungsgebundene Energieträger, Tarifierung der Abwärme aus Kehrichtverbrennungsanlagen
Parkplatzgutschriften und -verbunde oder die Überprüfung von bestehenden, umweltrelevanten Subventionen) für die weiteren Untersuchungen keine Rolle.
Mehrheitlich bereits erfolgreich eingeführt ist die verursachergerechte Finanzierung von
Beiträgen in verschiedenen Bereichen, welche im Rahmen der finanzpolitischen Debatte über den "Massnahmenplan Haushaltgleichgewicht 1993 - 1996" gefordert worden
war. Im Massnahmenplan I wurden die folgenden Massnahmen vorgeschlagen:
– die Einführung einer Abfallabgabe,
– die Einführung einer Abwasserabgabe,
– die Erhöhung des Gebrauchwasserzins,
– die Einführung einer Elektrizitätsabgabe und
– die Einführung höherer Gebühren für Unfallverursacherinnen und -verursacher zur
Deckung der Kosten der Öl-, Chemie- und Gaswehr.
In der finanzpolitischen Debatte um den zweiten Massnahmenplan Haushaltgleichgewicht und um das Anschlussprogramm zur Haushaltsanierung (ASP) wurden weitere
umweltrelevante Steuern und Abgaben diskutiert bzw. beschlossen:
– Erhöhung der Motorfahrzeugsteuern
– Unterstellung des Kiesabbaus unter das Bergregal und damit Einführung einer Kiesabgabe
– Erhöhung des Kostendeckungsgrades im öffentlichen und privaten Verkehr
Die Ergebnisse der Diskussionen und Untersuchungen und der jeweilige Stand bei der
Umsetzung sind in Tabelle 2-3 wiedergegeben. Anhang C enthält zudem eine Übersicht
über kantonale Arbeitsbereiche/Arbeitsgruppen, welche Querbezüge zum vorliegenden
Projekt MUEK aufweisen.
Die kurze Übersicht über die Bestrebungen im Kanton Bern zeigt folgendes:
❏ Einmal hat der Kanton Bern verschiedene marktwirtschaftliche Lösungsansätze ein-
geführt, auf welchen ein System MUEK aufbauen könnte.
❏ Andererseits ist die Einführung weiterer Abgabenlösungen, welche ebenfalls Teil
eines solchen Systems sein könnten (z.B. eine Kiesabgabe), auf kantonaler Ebene
gescheitert. Ein wichtiger Grund für dieses Scheitern war die nicht vorhandene
Staatsquotenneutralität: Eine Erhöhung der Fiskalquote über die Einführung von umweltrelevanten Abgaben wurde von einer Mehrheit der Mitglieder des Grossen Rates
nicht akzeptiert. Da im vorliegenden Projekt die Staatsquotenneutralität eine
entscheidende Rolle spielt (vgl. dazu Abschnitt 3.5), werden auch bisher gescheiterte
Abgabenlösungen erneut diskutiert.
ECOPLAN
von Gebrauchs-
wasser
brauchswasser-
zinsen
Strom endver-
braucherInnen
Elektrizitäts-
abgabe
ECOPLAN
Kies
Verkehr
und -halterinnen
fahrzeugsteuern
Kiesgruben
Eigentümer von
Kies
6
(Kant. Nettozahlungen an ÖV reduzieren, Abgaben beim MIV erhöhen)
Kiesabgabe
Fr./m3
gewicht
je nach Fr./Tonne FahrzeugFz.
kosten
wehr
Betriebs- für Notfalleinsätze
Motorfahrzeuge
Chemie- und Gas-
Kostendeckungsgrad im ÖV und im MIV erhöhen
Fahrzeughalter-
Bagatellfälle
Innen exkl.
Erhöhung Motor-
sacherInnen
und Gaswehr für Unfallverur-
volle diverse Tarife
Rp./kWh
Strom endverbrauch
0.3
je nach Kategorie
zu heutigen Zinsen
0-167 Prozent Zuschlag
Fr./EinwohnerIn
Fr./Tonne (KVA)
Fr./Tonne (Deponien)
und bezogene Menge
menge pro Minute
konzedierte Wasser-
Oel-, Chemie- Höhere Gebühren Unfallverursacher- Einsatz der Oel-,
Energie
NutzerInnen
Erhöhung Ge-
Wasser
Kanalisationsgebiet
25
EinwohnerInnen im
z.T. Gemeinden
Abwasserabgabe
25
schutt, Klärschlamm
ARAs und
Abwasser
15
Höhe Einheit
Siedlungsabfall, Bau-
sungsgrundlagen
Objekte/Bemes-
Deponie- und
KVA-Betreiber
Abfallabgabe
Abfall
Subjekte
Abgabe
Bereich
Tabelle 2-3: Beschlüsse des Grossen Rates zu bernischen Abgaben
1992: Erhöhung angenommen
Änderung WNG in Kraft
Vom Grossen Rat abgelehnt
In Kraft seit dem 1.1.1994
Einführung am 1.1.1995
Gesetz und Dekret in Kraft
Einführung am 1.1.1995
Gesetz und Dekret in Kraft
18
offen
1993 abgelehnt
Vom Grossen Rat im Sept.
Nullwachstum Nettozahl. an ÖV
Integration in ASP, Ziel: Reales
Verbrauchsabhängigkeit abgelehnt
höhung angenommen, Nov. 1995:
lehnt, Juni 1995: Weitere Er-
(Mehreinn.) 1993: Weitere Erhöhung abge-
ca. 25
ca. 0.3
18
5-6
22 - 23
15
Mio. Fr./a
Einnahm. Stand Her bst 1995
2 Überblick: "state of the art"
13
14
2 Überblick: "state of the art"
2.3
Ziele und Grundsätze eines Umweltabgaben-Systems mit
einnahmenseitiger Kompensation im Kanton Bern
Der Anstoss, für den Kanton Bern die Machbarkeit eines Systems MUEK zu prüfen,
kommt grundsätzlich von drei Seiten:
❏ Einmal ist die Steuerbelastung für natürliche Personen im Kanton Bern höher als
im schweizerischen Durchschnitt, von einem Vergleich mit den steuergünstigsten
Kantonen der Schweiz ganz zu schweigen. Die hohe Steuerbelastung stellt einen negativen Standortfaktor für den Wirtschaftsraum Kanton Bern dar. Bei der Standortwahl beachten Unternehmen nicht nur die tiefen Steuern für juristische Personen im
Kanton Bern, sie müssen auch berücksichtigen, dass es schwierig ist, Kaderleute für
den Standort Bern zu gewinnen. Die hohe steuerliche Belastung des Einkommens
natürlicher Personen steht aber nach Meinung verschiedener Experten auch im Widerspruch zu einer Wirtschaftspolitik, die den Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit
möglichst begünstigen will, damit die hohe Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann.
Entsprechend gehört eine Reduktion der Steuerbelastung für natürliche Personen
denn auch zu den vom Regierungsrat vorgeschlagenen Strategien und Massnahmen
zur Stärkung der bernischen Wirtschaftskraft.(20)
❏ Die angespannte Finanzlage im Kanton Bern schränkt den Handlungsspielraum für
Steuersenkungsmassnahmen erheblich ein. Eine spürbare Reduktion der Steuerbelastung kann nur erreicht werden, wenn der Einnahmenausfall durch andere Massnahmen kompensiert werden kann.
Aufgrund der angespannten Finanzlage wird von verschiedener Seite auch die Meinung vertreten, die Einführung oder Erhöhung von umweltrelevanten Abgaben solle
der Erhöhung der Staatseinnahmen dienen.
❏ Schliesslich soll im Kanton Bern im Umweltschutzbereich in Zukunft vermehrt auf
die Marktkräfte gesetzt werden(21), damit mit den knappen verfügbaren Mitteln möglichst viel zu einer Reduktion der Umweltbelastung beigetragen wird und damit für
die Wirtschaftssubjekte ein Anreiz geschaffen wird, möglichst haushälterisch mit den
verfügbaren Ressourcen umzugehen. Eine solche Reduktion wird auch in Zukunft
nötig sein, denn zum einen sind auch im Kanton Bern die im Umweltbereich gesetzten Ziele noch nicht alle erreicht (z.B. in der Luftreinhaltepolitik), zum andern führt
eine Verbesserung der Umweltqualität auch zu einer Erhöhung der Standortgunst
eines Wirtschaftsraums.
Mit dem vorliegenden Projekt soll geprüft werden, wie diese zentralen Ziele aus Wirtschafts-, Finanz- und Umweltpolitik unter einen Hut gebracht werden können.
20 Vgl. Regierungsrat des Kantons Bern (1993), Bernische Wirtschaftskraft, S. 18.
21 Vgl. Regierungsrat des Kantons Bern (1993), Bernische Wirtschaftskraft, S. 11 und 21.
ECOPLAN
2 Überblick: "state of the art"
15
Basierend auf den oben dargelegten Zielvorstellungen können folgende Grundsätze für
ein Umweltabgaben-System im Kanton Bern abgeleitet werden:
❏ Das System soll zu einer Abnahme der Steuerbelastung für natürliche und allen-
falls juristische Personen und damit zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen
des Wirtschaftsraumes Kanton Bern führen. Die Fiskal- und damit die Staatsquote
soll durch die Realisierung des Systems nicht steigen.
❏ Das Konzept MUEK soll in erster Linie in jenen Umweltbereichen ansetzen, wo noch
ein ökologischer Handlungsbedarf besteht und wo das Verursacherprinzip noch
wenig verwirklicht ist. Ein Handlungsbedarf ist auch dann gegeben, wenn mit einer
marktwirtschaftlichen Strategie anstelle von Verboten und Geboten die gleiche Umweltqualität zu geringeren Kosten erreicht werden kann.
In den folgenden beiden Kapiteln wird aufzuzeigen sein, wie ein System MUEK, welches diese Grundsätze umsetzt, auf kantonaler Ebene ausgestaltet sein könnte.
ECOPLAN
16
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
3
Detailevaluation der Umweltabgaben
3.1
Einleitung
In diesem Kapitel steht die Abgabenseite im Vordergrund. Es ist die Frage zu beantworten, ob sich auf kantonaler Ebene genügend ökologisch sinnvolle und vollziehbare Umweltabgaben finden lassen, deren Einnahmenpotential gross genug für spürbare einnahmenseitige Kompensationen (v.a. Steuersenkungen) ist. Ausführliche Antworten zu dieser Fragestellung enthält Anhang A. In diesem Kapitel werden die wichtigsten Ergebnisse von Anhang A zusammengefasst.
Folgende Umweltabgaben wurden in die Überlegungen einbezogen:
– Abfallabgabe
– Abgabe auf Beschäftigten- und Besucherpark-
– Abwasserabgabe
plätzen
– Wasserabgabe
– Motorfahrzeugsteuern
– Kiesabgabe
– Vignetten / Road Pricing
– Bodenversiegelungsabgabe
– Emissionsabgabe bei Feuerungen
– Abgabe auf öff. Parkplätzen
– Elektrizitätsabgabe
Bei jenen Abgaben und Steuern, die bereits eingeführt sind, steht weniger eine Neukonzeption im Vordergrund, als vielmehr die Integration der bestehenden Abgabe in ein
Umweltabgaben-System mit einnahmenseitiger Kompensation.(1)
Die Diskussion der einzelnen Abgaben erfolgt in Anhang A anhand des folgenden Rasters:
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten: (Varianten A und B)
b) Mögliche Einnahmen
c) Bestehende Erfahrungen
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
e) Rechtliche Anforderungen(2)
f) Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte (erste Hinweise)
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
i) Schlussfolgerung und Empfehlung
1
Auf kantonaler Ebene realisiert sind: Abfallabgabe, Abwasserabgabe, Wasserabgabe und Motorfahrzeugsteuern.
2
Detailabklärungen von rechtlichen Fragestellungen wurden nicht von ECOPLAN, sondern von den Herren
P. Flury und R. Schneider von der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion durchgeführt.
ECOPLAN
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
3.2
17
Zusammenfassung der Detailevaluation
3.2.1 Ausgestaltung und Einnahmenpotential
Bei einzelnen Umweltabgaben ist die Ausgestaltung praktisch vorgegeben. Dies ist z.B.
bei Abgaben der Fall, die bereits eingeführt sind und eine Integration in das Konzept
MUEK eigentlich nur bedeuten kann, dass die Abgabenhöhe um einen "MUEK-Zuschlag"
aufgestockt wird. Bei anderen Abgaben besteht noch ein sehr grosser Ausgestaltungsspielraum (z.B. bei der Bodenversiegelungsabgabe). Die bei solchen Abgaben vorgeschlagene Ausgestaltung ist als Arbeitshypothese zur Klärung der Machbarkeit zu verstehen. Vor einer allfälligen Einführung müssten zwingend weitergehende Abklärungen vorgenommen werden (z.B. Prüfung von sinnvollen Differenzierungen des Abgabesatzes bei
der Bodenversiegelungsabgabe).
Um die Diskussion zu erleichtern, haben wir bei allen Abgaben zwei Eckvarianten gewählt, die sich in der Abgabenhöhe und u.U. auch in der Ausgestaltung unterscheiden:
– eine untere Variante A, die sich an frühere im Grossen Rat oder in der Verwaltung diskutierte Vorschläge oder an Abgaben in anderen Kantonen oder Staaten anlehnt.
– eine obere Variante B, mit der bedeutend höhere Einnahmen und/oder Lenkungseffekte angestrebt werden, die aber dennoch aufgrund unserer Einschätzung langfristig nicht als zum vornherein unrealistisch eingestuft werden kann.
Diese Varianten dienen in erster Linie dazu, Eckwerte für die Diskussion zu erhalten. Insbesondere bei der Diskussion der Verwendungsmodelle (Kapitel 4) und der wirtschaftlichen Auswirkungen (Kapitel 6) beziehen wir uns auf die gewählten Varianten. Selbstverständlich sind auch andere sinnvolle Varianten möglich.
Tabelle 3-1:
Ausgestaltung der verschiedenen Umweltabgaben
Abgabe
Abfallabgabe
Abwasserabgabe
Ausgestaltungsmerkmale
Abgabesätze
Variante A
Variante B
Abgabe pro Tonne Kehricht in
Form eines Zuschlages auf der
bestehenden Abgabe;
Abgabesubjekte: Abfallentsorgungsunternehmen, Gemeinden
Zuschlag bei KVA:
15 Fr./t
50 Fr./t
Schmutzfrachtabhängige Abgabe
in Form eines Zuschlages auf der
bestehenden Abgabe;
Abgabesubjekt: Betreiber von
Abwasserreinigungsanlagen
Zuschlag auf Phosphor:
0 Fr./kg
15 Fr./kg
Zuschlag bei Deponien:
25 Fr./t
100 Fr./t
Zuschlag auf Ammonium:
0 Fr./kg
2 Fr./kg
Zuschlag auf Gesamtstickstoff:
1.5 Fr./kg
3.5 Fr./kg
Zuschlag auf chem. Sauerstoffbed.:
1.3 Fr./kg
2.3 Fr./kg
ECOPLAN
18
Abgabe
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
Ausgestaltungsmerkmale
Abgabesätze
Variante A
Variante B
Wasserabgabe
Abgabe in Form eines Zuschlages auf dem Wasserzins;
Abgabesubjekt: Konzessionsnehmer
Zuschlag auf Trinkwasser:
4 Fr./l pro Min.
13 Fr./l pro Min.
3
2.5 Rp./m
6 Rp./m3
Zuschlag bei Industrie/Gewerbe:
4 Fr./l pro Min.
10 Fr./l pro Min.
3
2 Rp./m
5 Rp./m3
Zuschlag auf Kühlwasser:
0.75 Fr./l pro Min. 2 Fr./l pro Min.
15 Rp./m3
40 Rp./m3
Zuschlag bei Bewässerungen:
0 Fr./Hektare
80 Fr./Hektare
Zuschlag für Schwimmbäder:
3 Fr./l pro Min.
6 Fr./l pro Min.
Kiesabgabe
Abgabe auf dem Kiesabbau;
Abgabesubjekt: Konzessionsnehmer (Unterstellung des Kiesabbaus unter das Bergregal)
6 Fr./m3
15 Fr./m3
Versiegelungsabgabe
Abgabe auf Neuversiegelungen
des Bodens;
Abgabesubjekt: Bauherr, Eigent.
25 Fr./m2
50 Fr./m2
Kantonale Parkplatzabgabe auf öffentlichen
Parkplätzen
Abgabe in Form eines kantonalen
Anteils (z.B. 20%) an den kommunalen Einnahmen aus der
Parkplatzbewirtschaftung,
Abgabesubjekt: Gemeinden
Parkplatzabgaben:
1 - 2 Fr./Std.
1.5 - 3 Fr./Std.
Kantonale Parkplatzabgaben auf Parkplätzen
von privaten Unternehmen
Abgabe in Form einer Jahrespau- 120 Fr./Jahr
schalen auf Beschäftigten- und
Besucherparkplätzen;
Abgabesubjekt: Unternehmen
Motorfahrzeugsteuern
Abgabe in Form einer Erhöhung
der Jahressteuer pro Gewichtstonne und Reduktion des Degressionssatzes;
Abgabesubjekt: Motorfahrzeughalter
Vignette / Road Pricing Strassenbenützungsabgaben in
Agglomerationen (denkbar auch
auf bestimmten Abschnitten des
Kantonsstrassennetzes)
Abgabesubjekt: Motorfahrzeuglenker
ECOPLAN
Parkkartengebühr (Blaue Zone)
360 Fr./Jahr
480 Fr./Jahr
360 Fr./Jahr
Erhöhung der Jahressteuer:
linear um 10%
linear um 10%
Reduktion des Degressionssatzes:
keine
4 %-Punkte
Road pricing nur
in der Region
Bern
Road Pricing in
den Regionen
Bern, Biel, Thun
Richtwerte für die Abgabe:
PW: 14 Rp./Fzkm
LW: 1.1 Fr./Fzkm
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
Abgabe
Ausgestaltungsmerkmale
19
Abgabesätze
Variante A
Variante B
Emissionsabgabe bei
Grossfeuerungen
10 Fr./kg NOx
Abgabe auf den jährlichen
Stickoxidemissionen (NOx) von
grossen Feuerungen (Leistung >
1 Megawatt);
Abgabesubjekt: Anlagenbetreiber
30 Fr./kg NOx
Elektrizitätsabgabe
Abgabe auf der Elektrizität;
Abgabesubjekt: Elektrizitätsversorgungsunternehmen
1 Rp./kWh
0.3 Rp./kWh
Die in Tabelle 3-1 aufgeführten Abgaben sollen zu staatlichen Einnahmen führen, die eine
spürbare Senkung der Fiskalbelastung als Kompensation zulassen. Entsprechend muss
an die Abgaben die Anforderung gestellt werden, dass sie auch längerfristig ein gewisses
Einnahmenpotential aufweisen. In Tabelle 3-2 ist dieses Potential für die verschiedenen
Abgaben wiedergegeben.
Bei verschiedenen Abgaben war das Abgabenaufkommen schwierig abzuschätzen, da
zum Teil Abgaben untersucht wurden, bei welchen noch sehr wenig Erfahrungen bestehen. Entsprechend sind die Angaben in Tabelle 3-2 ausdrücklich als Grössenordnungen
und nicht als exakte Zahlen zu verstehen.
Tabelle 3-2:
Grobschätzung des Einnahmenpotentials der verschiedenen Abgaben, in Mio. Fr. pro Jahr
Abgabe
Variante A
Variante B
Abfallabgabe
12
44
Abwasserabgabe
17
38
Wasserabgabe
5.5
15
Kiesabgabe
27
57
Bodenversiegelungsabgabe
40
80
Abgabe auf öffentlichen Parkplätzen
20
40
Abgabe auf Beschäftigten- und Besucherparkplätzen von Firmen
30
87
Motorfahrzeugsteuern
25
35
Vignette / Road Pricing
20
30
Emissionsabgabe auf Grossfeuerungen
6
17
Elektrizitätsabgabe
19
63
Total
222
506
ECOPLAN
20
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
Die Schätzungen in Tabelle 3-2 zeigen, dass die in Anhang A analysierten Umweltabgaben grundsätzlich ein substantielles Einnahmenpotential aufweisen. Bei der Abschätzung
der Einnahmen sind wir in Anhang A mehrheitlich von eher konservativen Annahmen
ausgegangen, so dass die hier ausgewiesenen Werte tendenziell eine Untergrenze darstellen. Ohnehin ist zu beachten, dass eine andere Ausgestaltung der Abgaben auch zu
anderen Einnahmen führen würde.
Vergleicht man die Grössenordnung der Einnahmenpotentiale z.B. mit den staatlichen
Steuereinnahmen im Jahr 1993 von mehr als 2.5 Mrd. Franken (vgl. dazu Tabelle 4-2),
wird klar, dass mit den relativ moderaten Abgabesätzen von Variante A nur dann
"genügend" hohe Einnahmen erzielt werden, wenn praktisch alle aufgeführten Abgaben in
das Konzept MUEK integriert werden können. Oder anders herum gesagt: Wenn einzelne
einträgliche Abgaben nicht in das Konzept MUEK integriert werden können, wird es mit
Variante A schwierig, genügend Einnahmen zur "Finanzierung" von spürbaren einnahmenseitigen Kompensationen zu erzielen.
3.2.2 Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Wie unter 3-1 angetönt, stellen die Praktikabilität und der Vollzugsaufwand wichtige Kriterien bei der Beurteilung der Machbarkeit des Konzeptes MUEK dar.
Die Abschätzung des Vollzugsaufwand musste sich bei Abgaben, bei welchen die Ausgestaltung noch nicht im Detail festgelegt werden konnte, auf qualitative Aussagen beschränken. In Tabelle 3-3 haben wir unsere Einschätzung aus Anhang A zusammengefasst.
Tabelle 3-3:
Einschätzung der Praktikabilität und des Vollzugsaufwandes der verschiedenen Abgaben
Abgabe
Wichtigste Punkte
Beurteilung Vollzugsaufwand
Abfallabgabe
Vollzug grundsätzlich problemlos, da bereits heute
Abgaben erhoben werden;
noch vorhandene, aber lösbare Probleme: Vollzug
bei Abfallexporten, illegale Entsorgung
gering
Abwasserabgabe
Kein nennenswerter Mehraufwand gegenüber un- gering
abhängig vom Projekt MUEK geplanter Erhebungsform
Wasserabgabe
Kein nennenswerter Mehraufwand, gegenüber
heutiger Erhebungsform
ECOPLAN
sehr gering
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
21
Abgabe
Wichtigste Punkte
Beurteilung Vollzugsaufwand
Kiesabgabe
Trotz Neueinführung geringer Vollzugsaufwand,
notwendige Grundlagendaten werden bereits
heute bei Erteilung der Abbaubewilligungen erhoben;
noch vorhandene, aber lösbare Probleme: Entschädigung der Grundeigentümer, Integration
Aushubkies
gering bis mittel
Versiegelungsabgabe
Versiegelte Fläche muss im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens vom Bauherr ausgewiesen
und von der zuständigen Behörde geprüft
werden;
Mehraufwand bei differenzierter Abgabe
mittel bis hoch
Kantonale Parkplatzabgabe auf öffentlichen
Parkplätzen
Hoher Aufwand bei den Gemeinden: Ausarbeitung mittel bis hoch
Reglemente und Parkplatzkataster, Einführung der
Bewirtschaftung;
mittlerer Aufwand beim Kanton: Ausarbeitung
rechtlicher Grundlagen, Prüfung Reglemente und
Parkplatzkataster
Kantonale Parkplatzabgaben auf Parkplätzen
von privaten Unternehmen
Hoher Aufwand bei den Unternehmen: Planung,
Einführung und "Betrieb" des Bewirtschaftungsmodells;
hoher Aufwand beim Kanton: Ausarbeitung der
rechtlichen Grundlagen, Unterstützung der Unternehmen, Kontrolle
hoch
Motorfahrzeugsteuern
Einmalige Anpassung der Veranlagung in der EDV;
sehr gering
Vignette / Road Pricing Je nach System: mittlere bis hohe Planungs-, Einführungs- und Betriebskosten; Kosten bei Fahrzeugbesitzern bei elektronischer Lösung
hoch bis sehr
hoch
Emissionsabgabe bei
Grossfeuerungen
Grossfeuerungen werden bereits heute kontrolliert; Hochrechnung der Jahresfrachten mit mittlerem Aufwand möglich
mittel
Elektrizitätsabgabe
Gewisser Zusatzaufwand bei den Elektrizitätsversorgungsunternehmen; Geringer Aufwand beim
Kanton
gering bis mittel
Bei vielen Abgaben kann auf dem bestehenden Vollzug aufgebaut werden. Entsprechend
ist nur mit einem geringen Mehraufwand zu rechnen. Nur wenige Abgaben verursachen
u.E einen mittleren bis hohen Vollzugsaufwand. Bei der Beurteilung dieses Aufwands
sind zusätzlich aber folgende Punkte zu beachten:
ECOPLAN
22
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
❏ Der ausgewiesene administrative Aufwand darf nicht vollständig dem System
MUEK angelastet werden, da die betroffenen Abgaben auch aus anderen Gründen als
wegen einer allfälligen Realisierung eines Systems MUEK eingeführt werden:
– Die Abgaben auf öffentlichen Parkplätzen werden von zahlreichen Gemeinden unabhängig von einem allfälligen Konzept MUEK erhoben. Insbesondere in den grösseren Agglomerationen sind die Vorbereitungsarbeiten, welche einen grossen Teil
des administrativen Aufwands ausmachen, bereits eingeleitet worden (v.a. Agglomeration Bern, aber auch Agglomeration Thun).
– Ähnliches - wenn auch in geringerem Ausmass - gilt für die Abgabe auf Beschäftigten- und Besucherparkplätzen: Auch hier sind einzelne Unternehmen von sich aus
tätig geworden, nicht zuletzt zwecks verursachergerechter Finanzierung des den
Beschäftigten zur Verfügung gestellten Bodens. Die vorgeschlagenen Varianten
lassen den Unternehmen den notwendigen Spielraum, damit dies auch nach einer
allfälligen Realisierung des Konzeptes MUEK möglich bleibt.
– Auch eine allfällige Einführung von Strassenbenützungsgebühren (Vignette / Road
Pricing) wird nicht in erster Linie zur Ermöglichung des Konzeptes MUEK erfolgen.
Im Vordergrund wird vielmehr die verursachergerechte Finanzierung von Strasseninfrastrukturanlagen stehen.
❏ Nicht aus volkswirtschaftlicher, aber aus Sicht des Kantons ist bedeutend, dass der
anfallende Vollzugsaufwand nicht ausschliesslich vom Kanton geleistet werden
muss:
– Bei den Abgaben auf öffentlichen Parkplätzen müssen die Gemeinden den grössten
Teil des Vollzugsaufwandes übernehmen. Ihnen verbleibt bei der vorgeschlagenen
Ausgestaltung der Abgabe aber auch der grösste Teil der Einnahmen. Das gleiche
gilt für die Unternehmen bei der Abgabe auf Beschäftigten- und Besucherparkplätzen. Zudem stellt das KIGA mit dem Handbuch "Parkraumoptimierung" den Unternehmen Unterlagen zur Verfügung, die mithelfen, den Aufwand für die Einführung
einer Parkplatzbewirtschaftung zu reduzieren.
– Auch bei einer allfälligen Realisierung eines Road Pricing ist davon auszugehen,
dass der Kanton nur einen Teil der Vollzugskosten würde tragen müssen.
Angesichts dieser "Arbeitsteilung" zwischen Kanton, Gemeinden und Privatunternehmen ist es für die Höhe des Vollzugsaufwandes von grosser Bedeutung, dass eine allfällige Umsetzung eines Systems MUEK von den drei "beteiligten Parteien" befürwortet wird. Ansonsten steigt der Kontrollaufwand für den Kanton stark an.
Insgesamt kommen wir zum Schluss, dass der Vollzugsaufwand im Vergleich zu den potentiellen Einnahmen bei keiner Abgabe in einem derart ungünstigen Verhältnis steht,
dass von einem "Killerkriterium" gesprochen werden müsste. Alle Abgaben können als
grundsätzlich machbar bezeichnet werden. Der vergleichsweise hohe Aufwand bei den
beiden Formen von kantonalen Parkplatzabgaben sowie bei der Einführung eines Road
Pricings kann u.E. durch die hohen Einnahmen und die "Nebenwirkungen" (v.a. verursachergerechte Finanzierung von Verkehrsanlagen) gerechtfertigt werden.
ECOPLAN
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
23
3.2.3 Rechtliche Anforderungen
Grundsätzlich ist es problematisch, allfällig hohe rechtliche Anforderungen als Hauptargument gegen die Machbarkeit einer bestimmten Abgabenlösung zu betrachten, da gesetzliche Normen veränderbar sind und eigentlich den jeweiligen politischen Willen einer
Mehrheit der Gesellschaft widerspiegeln sollten. Dies trifft in hohem Masse zu, solange
eine entsprechende gesetzliche Regelung grundsätzlich in der Kompetenz des Kantons
liegt. Sehr viel kritischer sind hingegen Abgabenlösungen zu beurteilen, die eine Änderung gesetzlicher Grundlagen auf Bundesebene notwendig machen.
Eine Zusammenfassung unserer Einschätzung und jener der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion der Machbarkeit der verschiedenen Abgaben aus rechtlicher Sicht
enthält Tabelle 3-4. Die Tabelle beurteilt nur, ob aus rechtlicher Sicht die Einführung der
verschiedenen Abgaben möglich ist. Die politische Machbarkeit haben wir auftragsgemäss nicht beurteilt.
Tabelle 3-4:
3
Beurteilung der Abgaben aus rechtlicher Sicht
Abgabe
Wichtigste Punkte
Beurteilung aus
rechtlicher Sicht
Abfallabgabe
Revision des kantonalen Abfallgesetzes notwendig machbar
Abwasserabgabe
Revision des kantonalen Wassernutzunggesetzes
notwendig resp. Einbau in das neu entworfene
Gewässerschutzgesetz
machbar
Wasserabgabe
Einbau im Rahmen der laufenden Entflechtung
Abwasser/Wasser in das kantonale Wassernutzungsgesetz
machbar
Kiesabgabe
Revision des kantonalen Bergwerksgesetzes und
Ausarbeitung neuer gesetzlicher Grundlagen notwendig
machbar
Versiegelungsabgabe
Vereinbarkeit mit der Kantonsverfassung gegeben, machbar
Ausarbeitung neuer gesetzlicher Grundlagen notwendig,
Kantonale Parkplatzabgabe auf öffentlichen
Parkplätzen
Ausarbeitung eines kantonalen Gesetzes notwendig; evtl. teilweise Konflikt mit Bundesverfassung,
Bundesgerichtsurteil wird Klarheit schaffen
(Klärung des Begriffs "gesteigerter Gemeingebrauch"); Eingriff in die Gemeindeautonomie
machbar, aber
evtl. mit Einschränkungen(3)
Evtl. unter gewissen Restriktionen, je nach Festlegung des Begriffs "gesteigerter Gemeingebrauch" durch
das Bundesgericht.
ECOPLAN
24
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
Abgabe
Wichtigste Punkte
Beurteilung aus
rechtlicher Sicht
Kantonale Parkplatzabgaben auf Parkplätzen
von privaten Unternehmen
Ausarbeitung eines kantonalen Gesetzes notwendig; ob Überwälzungspflicht festgelegt werden
kann, ist unsicher; Zielkonflikt mit Parkplatzersatzabgabe
machbar, aber
evtl. mit Einschränkungen(4)
Motorfahrzeugsteuern
Revision des kantonalen Gesetzes über den Stras- machbar
senverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge notwendig, Zweckbindung aufheben
Vignette / Road Pricing "Noch-Kollision" mit Bundesrecht (BV Art. 37), Motionen zur Anpassung BV sind hängig; politischer
Wille ausschlaggebend; Konflikt mit betroffenen
Gemeinden
noch kritisch
(letztlich politische
Frage)
Emissionsabgabe bei
Grossfeuerungen
Zulässigkeit nicht völlig klar, Änderung des kantonalen Lufthygienegesetzes auf jeden Fall notwendig
kritisch, aber wohl
machbar
Elektrizitätsabgabe
kritisch
Unklar, ob Kollision mit Bundesrecht (Mehrwertsteuer); Regierung/Verwaltung erachten die Abgabe als machbar, Bundesgerichtsentscheid muss
letztlich Klarheit schaffen
Die rechtlichen Anforderungen stellen eigentlich nur bei der Elektrizitätsabgabe - und
auch hier nur bei einem entsprechenden Urteil des Bundesgerichts - ein "Killerargument"
dar.
Uneinigkeit herrscht in der Lehre auch bei der Frage, ob ausgehend vom nationalen Umweltschutzgesetz gesamtkantonale Emissionsabgaben zulässig sind, oder ob dies nur in
besonders belasteten Gebieten ("Massnahmenplangebieten") der Fall ist.
Die rechtlichen Möglichkeiten zur Einführung von flächendeckenden Strassenbenützungsgebühren (Vignette / Road Pricing) sind derzeit wegen Artikel 37 der Bundesverfassung nicht gegeben. Die Bundesversammlung kann für einzelne Verkehrsinfrastrukturanlagen (wie z.B. für den Tunnel am Grossen St. Bernhard) Ausnahmen gewähren,
nicht aber für flächendeckende Projekte. Gegenwärtig wird auf Bundesebene diskutiert,
ob und wie Art. 37 BV angepasst werden könnte. Aus der Sicht des Kantons Bern haben
wir diese Abgabe aufgrund des sehr beschränkten kantonalen Handlungsspielraums als
kritisch eingestuft.
4
Evtl. unter gewissen Restriktionen, je nach Festlegung des Begriffs "gesteigerter Gemeingebrauch" durch
das Bundesgericht.
ECOPLAN
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
25
3.2.4 Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte (erste Hinweise)
In Kapitel 6 stellen die Auswirkungen auf die Unternehmen und Haushalte die zentralen
Untersuchungsgegenstände dar. Erste Überlegungen in Anhang A haben - kurz zusammengefasst - folgende Schwerpunkte aufgezeigt, die in Kapitel 6 vertieft werden:
❏ Bei einzelnen Abgabenlösungen sind Ermässigungsmodelle zu diskutieren, wenn die
Abgaben für Unternehmen aus bestimmten Branchen nicht zu einer übermässigen Belastung führen sollen (z.B. für abwasserintensive Unternehmen bei Einführung einer
erhöhten Abwasserabgabe).
❏ Die Randregionen-Problematik ist sowohl aus der Sicht der betroffenen Unterneh-
men als auch der Haushalte zu untersuchen, da die Belastung durch einzelne Abgaben
eine räumliche Komponente enthält.
❏ Generell zu betrachten ist die unterschiedliche Betroffenheit von Industrie- und
Dienstleistungsbetrieben sowie von verschiedenen Branchen.
3.2.5 Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Tabelle 3-5 zeigt, dass die Abgaben in Umweltbereichen mit unterschiedlichem ökologischen Handlungsbedarf ansetzen. Ebenso unterschiedlich fallen die zu erwartende Wirkung(5) und der Bedarf nach einem koordinierten Vorgehen mit Bestrebungen auf anderen
Ebenen aus.
Tabelle 3-5:
Beurteilung des ökologischer Aspekte der verschiedenen Abgaben
Abgabe
Ökologischer Handlungsbedarf
Ökologische Wirkung
Koordinationsbedarf
(Bund, Kantone)
Abfallabgabe
mittel
mittel
mittel
Abwasserabgabe
mittel
mittel bis hoch
mittel
Wasserabgabe
gering
gering
gering
Kiesabgabe
mittel
mittel
mittel
Versiegelungsabgabe
mittel
gering bis mittel
gering
Abgabe auf öff. PP
hoch
mittel
gering
Abgabe auf priv. PP
hoch
mittel bis hoch
Motorfahrzeugsteuern
mittel bis hoch
gering bis
mittel(6)
gering
gering(7)
Vignette / Road Pricing hoch
hoch
hoch
Emissionsabgabe
hoch
mittel
gering
Elektrizitätsabgabe
mittel
gering
gering bis mittel
5
Bei der Beurteilung der Wirkung gehen wir grundsätzlich von Variante B aus.
6
Bessere ökologische Wirkung, wenn Bemessungsgrundlage geändert wird.
7
Im Falle einer Anpassung der Bemessungsgrundlage: hoch.
ECOPLAN
26
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
Wie zu erwarten war, stellt das Kriterium "Umweltaspekte" für keine Abgabe ein
"Killerkriterium" dar. Bei der Einstufung der in Tabelle 3-5 summarisch zusammengefassten Umweltaspekte sind folgende Punkte zu beachten:
❏ Tabelle 3-5 zeigt, dass das System MUEK auch in Bereichen ansetzt, in welchen die
bestehenden Umweltprobleme noch ungelöst sind und ein hoher Handlungsbedarf
besteht. Dies trifft insbesondere auf die Luftreinhaltung zu. Die im System MUEK vorgesehenen Abgaben (Verkehrsabgaben, Feuerungen) würden massgeblich zu einer Erreichung der in den Massnahmenplänen zur Luftreinhaltung vorgesehenen Umweltzielen beitragen.
❏ Die Umweltbelastung verursacht Kosten, die gegenwärtig von der Allgemeinheit und
nicht von den Verursachern getragen werden müssen. Diese "externen Kosten" fallen
ins Gewicht: Allein für die Region Bern wurden z.B. die externen Kosten des PW-Verkehrs auf rund 150 Mio. Fr. geschätzt.(8) Das Konzept MUEK führt in den verschiedenen Umweltbereichen zu einer Abnahme der externen Kosten und trägt dazu bei,
dass künftig vermehrt die Verursacher für die Kosten der Umweltbelastung aufkommen müssen.
❏ Das Konzept MUEK verhilft dem marktwirtschaftlichen Umweltschutz auf kantonaler
Ebene zum Durchbruch. Es stellt damit eine Alternative zu einer auf Geboten und Verboten basierenden Umweltpolitik dar, deren Grenzen aus vollzugstechnischer Sicht
und aus dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit immer deutlicher geworden sind. Mittelbis längerfristig ist durchaus vorstellbar, dass die Wirkung der Umweltabgaben des
Systems MUEK weitere Umweltvorschriften erübrigen oder bestehende Vorschriften
abgebaut werden können (vgl. dazu auch Abschnitt 6.5.3).
❏ Bei der Einstufung der ökologischen Wirkung sind auch die längerfristigen Auswirkun-
gen der Umweltabgaben zu berücksichtigen. Abgaben setzen einen dauerhaften Anreiz, schädliche Emissionen zu vermeiden. Dies kann Innovationen bei den Emissionsvermeidungstechnologien anregen, die weit über die heute absehbaren Möglichkeiten
hinausführen. Die Einstufung der ökologischen Wirkung aus heutiger Sicht tendiert,
die längerfristigen positiven Umweltwirkungen zu unterschätzen.
Vor diesem Hintergrund und aufgrund der zahlreichen Ansatzpunkte des Konzeptes
MUEK ist davon auszugehen, dass eine Realisierung von MUEK mittel- bis längerfristig zu
einem verbesserten Kosten-Nutzen-Verhältnis in der bernischen Umweltpolitik führen wird.
3.3
Schlussfolgerungen
Die wichtigste Schlussfolgerung aus der Detailevaluation in Anhang A lautet: Alle geprüften Abgaben sind grundsätzlich machbar. Zwischen den verschiedenen Abgaben bestehen aber erhebliche Unterschiede. Im Sinne einer groben Unterteilung der Machbarkeit
haben wir drei Gruppen von Abgaben unterschieden:
8
Vgl. ECOPLAN (1992), Externe Kosten im Agglomerationsverkehr, S. 108.
ECOPLAN
3 Detailevaluation der Umweltabgaben
27
❏ Gruppe 1 umfasst die relativ leicht realisierbaren Abgaben, die in jedem Fall Kern ei-
nes allfälligen Umweltabgaben-Systems mit einnahmenseitiger Kompensation sein
sollten und aus der Sicht der Machbarkeit ohne Vorbehalt empfohlen werden können.
Sie umfassen ein Einnahmenpotential in der Grössenordnung von 105.5 (Variante A)
bzw. 252 Mio. Fr. (Variante B). Zu Gruppe 1 zählen wir
– Abfallabgabe
– Abwasserabgabe
– Wasserabgabe
– Kiesabgabe
– Motorfahrzeugsteuern
– Elektrizitätsabgabe (die rechtliche Machbarkeit vorausgesetzt)
❏ Zu Gruppe 2 gehören Abgaben, deren Einführung zwar lösbare, aber nicht unerhebli-
che Probleme vollzugstechnischer oder rechtlicher Natur stellt. Die Grobschätzung des
Potentials dieser Abgaben beträgt 96 bzw. 224 Mio. Fr. Zu Gruppe 2 gehören u.E. die
– Bodenversiegelungsabgabe
– kantonale Abgabe auf öffentlichen Parkplätzen
– kantonale Abgabe auf Parkplätzen von privaten Unternehmen
– Emissionsabgabe bei Grossfeuerungen
❏ Die Gruppe 3 umfasst schwierig zu realisierende Abgabetypen. Wir zählen dazu nur
gerade die verschiedenen Formen von Strassenbenützungsabgaben (Vignette / Road
Pricing). Die Gründe für unsere Einschätzung sind: Die noch offene rechtliche Machbarkeit, der geringen kantonale Handlungsspielraum, der hohe Koordinationsbedarf mit
internationalen Lösungen bezüglich der Abgabenerhebungstechnologie, das "Konkurrenzverhältnis" zu den Parkplatzabgaben und der abzusehende Konflikt mit den betroffenen Gemeinden.
Mit dieser Beurteilung sprechen wir uns keineswegs gegen das Instrument an sich
aus. Im Gegenteil, aus ökonomischer Sicht sind Strassenbenützungsabgaben besser
einzustufen als etwa Parkplatzabgaben. Wir sind aus den genannten Gründen bloss
der Meinung, dass Vignetten- oder Road Pricing-Lösungen aufgrund der gegenwärtigen Ausgangslage nicht unbedingt im Rahmen des Konzeptes MUEK weiterverfolgt
werden sollten. Sollten bis zum allfälligen Einführungszeit des Konzeptes MUEK die
offenen Fragen im Zusammenhang mit Road Pricing geklärt sein, wäre das Instrument
wieder in die Betrachtungen einzubeziehen.
ECOPLAN
28
4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
4
Detailevaluation der Verwendungsmodelle
4.1
Einleitung
In Kapitel 3 standen die möglichen Umweltabgaben im Vordergrund. In diesem Kapitel
wird die Frage diskutiert, wie die Einnahmen aus den Umweltabgaben verwendet werden
sollen und können.
Für die Verwendung des Abgabenaufkommens sind zahlreiche verschiedene Formen
denkbar. Das Spektrum reicht grundsätzlich von einer starren Zweckbindung bis zu verschiedenen Formen der Rückerstattung der Einnahmen an die Wirtschaftssubjekte und
an die Bevölkerung.
Im Rahmen dieser Machbarkeitsstudie werden nur staatsquotenneutrale Verwendungsformen vertieft untersucht. Es sind dies
– Steuersenkungsmodelle sowie
– direkte Rückerstattungsmodelle.
Die ausführliche Diskussion der verschiedenen Möglichkeiten von Steuersenkungen(1)
und Rückerstattungen ist in Anhang B wiedergegeben. In Anhang B werden folgende
Vewendungsmodelle detailliert untersucht:
Bevölkerung / Haushalte
Wirtschaft / Unternehmen
Steuersenkungen:
Steuersenkungen:
– Reduktion der Einkommenssteuer für natür- – Reduktion der Gewinnsteuer für juristische
liche Personen (Abschnitt B1.1 in Anhang
B)
Personen (B1.2)
– Reduktion der Kapitalsteuer für juristische
Personen (B1.3)
Direkte Rückerstattung:
Direkte Rückerstattung:
– Reduktion der Beiträge der Arbeitnehmer
– Arbeitsplatzbonus: Auszahlung eines Pau-
an die Sozialversicherungen (B2.1)
schalbetrags pro Arbeitsplatz (B2.4)
– Rückerstattung einer Pauschalen pro Kopf
– Lohnsummenbonus: Rückerstattung ge-
über die Krankenpflegeversicherung (B2.2)
mäss AHV-Lohnsumme (B2.5)
– Verrechnung einer Pauschalen pro Kopf mit
der Steuerrechnung bzw. Auszahlung (B2.3)
1
Bei den Steuersenkungsmodellen werden in Anhang B unterschiedliche Varianten von Steuersenkungen
untersucht:
– Variante 1: Einführung eines zusätzlichen Abzuges (Pauschale oder Prozentabzug) auf der Steuerbemessungsgrundlage (z.B. steuerbares Einkommen)
–
–
–
–
Variante 2: Änderung der Einheitsansätze gemäss Steuergesetz
Variante 3: Änderung der Steueranlage
Variante 4: Prozentabzug auf dem Steuerbetrag
Variante 5: Aufhebung einer Steuer.
ECOPLAN
4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
29
Die verschiedenen Verwendungsmodelle werden anhand folgender Kriterien analysiert:
– Wirkung auf die Standortgunst des Kantons Bern
– Sozialverträglichkeit und Verteilungsneutralität
– Administrativer Aufwand für die Verwendung der Einnahmen
– Rechtliche Verankerung
– Flexibilität (Auffangen von Schwankungen bei den Einnahmen aus den Umweltabgaben)
Die Ergebnisse der Detailevaluation werden im nächsten Abschnitt zusammengefasst.
Leserinnen und Leser die an der Herleitung der Ergebnisse interessiert sind, finden diese
in Anhang B.
4.2
Zusammenfassung der Detailevaluation
Die Diskussion der verschiedenen Verwendungsmodelle in Anhang B hat ergeben
– dass die Machbarkeit eines Umweltabgaben-Systems mit einnahmenseitiger Kompensation auf kantonaler Ebene durch die Verwendungsseite nicht in Frage gestellt
wird.
– dass sowohl auf der Haushaltsseite als auch auf der Wirtschaftsseite machbare Verwendungsmodelle gefunden werden konnten.
– dass als Verwendungsmodelle Steuersenkungen und direkte Rückerstattungen möglich sind.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Beurteilungskriterien kommen wir zum Schluss, dass
bei einer Realisierung des Systems MUEK auf kantonaler Ebene folgende Verwendungsmodelle für die einnahmenseitigen Kompensationen in Betracht gezogen werden
sollten:
Bevölkerung / Haushalte
Wirtschaft / Unternehmen
– Senkung der Steueranlage
– Senkung der Steueranlage
– Pauschale pro Kopf: Verrechnung mit der – Lohnsummenbonus
Steuerrechnung bzw. direkte Auszahlung
Die wichtigsten Merkmale sowie die Vor- und Nachteile der ausgewählten Verwendungsmodelle sollen im folgenden kurz zusammengefasst werden.
a) Senkung der Steueranlage, Haushaltsseite
Die Steueranlage ist das alljährlich durch den Grossen Rat festgelegte Vielfache(2) der einfachen Steuer. Gemäss Art. 3 Abs. 3 des kantonalen Gesetzes über die direkten Staatsund Gemeindesteuern (StG) ist die Steueranlage für alle direkten Steuern die gleiche. Auf
2
Gegenwärtig beträgt die Anlage für die Staatssteuern 2.3.
ECOPLAN
30
4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
der Haushaltsseite führt eine Senkung der Steueranlage zu Reduktionen folgender
Steuerarten:
– Einkommenssteuer
– Vermögenssteuer
– Vermögensgewinnsteuer (Steuer auf wirklich erzielten Grundstückgewinnen und auf
Lotteriegewinnen).
Soll die einnahmenseitige Kompensation der Umweltabgaben über eine Senkung der
Steueranlage erfolgen, müsste in Artikel 3 StG oder allenfalls in einem Spezialgesetz
("MUEK-Gesetz") festgehalten werden, dass der Grosse Rat bei der Festlegung der
Steueranlage die Einnahmen aus den marktwirtschaftlichen Umweltinstrumenten berücksichtigt.
Die wichtigsten Merkmale dieses Verwendungsmodells lauten:
❏ Der grösste Vorteil ist die Einfachheit des Modells. Bei keinem anderen Modell erfolgt
die einnahmenseitige Kompensation zu derart geringen administrativen Kosten.
❏ Das Modell hat eine positive Wirkung auf die Standortgunst, da wohlhabendere
Personen und damit eher höher qualifizierte Arbeitskräfte überdurchschnittlich profitieren. Auf der Einkommensseite fällt sowohl ihre absolute Entlastung als auch ihre relative Entlastung im Vergleich zum Einkommen höher aus als bei ärmeren Personen.
Zudem beeinflusst die Anlagesenkung auch die Vermögenssteuer und die Vermögensgewinnsteuer. Mit Ausnahme der Lotteriegewinne fallen diese beiden Steuern
praktisch nur bei besser bemittelten Personen an. Insgesamt dürfte eine Anlagesenkung damit die Schwierigkeiten etwas abbauen, hochqualifizierte Arbeitskräfte in den
Kanton Bern zu holen oder im Kanton Bern zu halten.
❏ Eine Anlagesenkung hätte unmittelbare Rückwirkungen auf den Steuerindex. Anhang
B macht allerdings deutlich, dass die Anlagesenkung mehrere Steuerzehntel betragen
müsste, damit der Kanton Bern im interkantonalen Steuervergleich einen "kommunizierbaren" Schritt nach vorn machen würde.
❏ Die Anlagesenkung bezieht auch die Quellenbesteuerten mit ein, was aus rechtlicher
Sicht zwingend notwendig ist. Der Quellensteuertarif wird unter anderem von der kantonalen Steueranlage bestimmt.
❏ Die Anlagesenkung beeinflusst das Verwendungsmodell auf der Unternehmensseite,
da die Steueranlage auch für die Ermittlung der Gewinn- und Kapitalsteuer für juristische Personen sowie für die Ermittlung der Vermögensgewinnsteuer ausschlaggebend ist.
❏ Weil die Steueranlage für verschiedene direkte Steuern die gleiche ist, kann keine
gezielte Senkung einer bestimmten Steuer (z.B. Einkommenssteuer) vorgenommen
werden. Zudem wird auch die Vermögensgewinnsteuer als nicht-periodische, sondern
objekt- bzw. fallbezogene Steuer reduziert, was sachlich kaum begründet werden
kann. Es ist allerdings zu beachten, dass die Einnahmen aus der Einkommenssteuer
die Gesamteinnahmen aus direkten Steuern deutlich dominieren (vgl. Tabelle B-2 in
Anhang B).
ECOPLAN
4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
31
❏ Der Nachteil einer Steueranlagesenkung besteht in der unvollständigen Sozialver-
träglichkeit: Nur jene Personen kommen unmittelbar in den Genuss einer Steuersenkung, die bisher überhaupt Steuern bezahlten. Über 72'000 Steuerpflichtige taten dies
1993 nicht. Über eine allfällig verbesserte Standortgunst und damit verbunden über
eine Stärkung der bernischen Wirtschaftskraft (vgl. dazu Kapitel 6) profitieren auch
diese Personen bis zu einem gewissen Grad von einem Umweltabgaben-System mit
Steuersenkungen als einnahmenseitiger Kompensation.
❏ Eine Feinabstimmung mit der Höhe der Einnahmen aus den Umweltabgaben ist
nicht möglich: Ein Steuerzehntel beläuft sich auf über 100 Mio. Fr.
b) Verrechnung eines Pauschalbetrages pro Kopf mit der Steuerrechnung
bzw. Auszahlung
Bei diesem Verwendungsmodell erfolgt die Rückerstattung der Einnahmen aus den Umweltabgaben in Form eines Pauschalbetrages pro Kopf. Für Kinder unterhalb einer bestimmten Altersschwelle wäre z.B. die halbe Pauschale zu verrechnen. Die Rückerstattung erfolgt durch die kantonale Steuerverwaltung. Das Modell erfasst alle Personen, die
eine Steuererklärung im Kanton Bern ausfüllen müssen. (3)
Für die Rückerstattung der Einnahmen aus den Umweltabgaben sind grundsätzlich zwei
Varianten denkbar:
1) Der Pauschalbetrag wird von der Steuerrechnung abgezogen und z.B. mit der ersten Steuerrate verrechnet.
2) Wenn der Pauschalbetrag höher ist als die insgesamt geschuldeten Steuern, wird eine
entsprechende Auszahlung vorgenommen (auf ein Bank- oder Postcheck-Konto oder
durch eine Barauszahlung via PTT).
Es wäre auch denkbar, nur diese Auszahlungsform anzuwenden: In diesem Fall müsste die Steuerverwaltung einmal im Jahr unabhängig von der Steuerrechnung eine Auszahlung des Pauschalbetrages vornehmen.
Die wichtigsten Merkmale dieses Verwendungsmodells lauten kurz zusammengefasst:
❏ Das Modell ist sozialverträglich ausgestaltbar, da der Pauschalbetrag unabhängig
vom Einkommen ist und entsprechend der durchschnittlichen Belastung eines Haushaltes mit den Umweltabgaben festgelegt werden kann. Zudem können auch Kinder
einbezogen werden.
❏ Aus der Sicht der Standortgunst bringt das Verwendungsmodell eine bescheidene
Verbesserung, da der Pauschalbetrag für hochqualifizierte Arbeitskräfte und damit
tendenziell wohlhabendere Personen nur eine geringe Entlastung bedeutet. Diese
Personen würden von einer Senkung der Steueranlage stärker profitieren.
3
Keine Steuererklärung ausfüllen müssen folgende, im Kanton Bern lebende Personen:
– Quellenbesteuerte
– auswärts (d.h. nicht im Kanton Bern) bevormundete Personen.
ECOPLAN
32
4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
❏ Die pauschale Rückerstattung beeinflusst den Steuerindex. Bedingung dazu ist, dass
die Rückerstattung in der kantonalen Steuergesetzgebung ausdrücklich erwähnt wird.
❏ Die Rückerstattung kann flexibel der Höhe der Einnahmen aus den Umweltabgaben
angepasst werden.
❏ Das Modell muss auch die Quellenbesteuerten einbeziehen. Da die Quellenbesteuer-
ten kommunal erfasst werden, muss die Auszahlung der Pauschale durch die Gemeinden erfolgen. Aufgrund der Unterlagen, die Quellenbesteuerte bzw. deren Arbeitgeber bei der Gemeinde einreichen müssen, besitzen die Gemeinden genügend
Informationen, um die Höhe des Pauschalbetrages zu bestimmen. Die Summe der
Pauschalen würde anschliessend dem Kanton in Rechnung gestellt. In jedem Fall verursacht die "Sonderbehandlung" der Quellenbesteuerten einen administrativen Mehraufwand.
c) Senkung der Steueranlage, Unternehmensseite
Eine Senkung der Steueranlage führt auf der Unternehmensseite zu einer Reduktion der
– Gewinnsteuer: Steuer auf dem Reingewinn von juristischen Personen (z.B. Aktiengesellschaften, Genossenschaften)
– Kapitalsteuer: Steuer auf dem Eigenkapital von juristischen Personen.
Wie oben erwähnt, gilt für diese Steuern die gleiche Steueranlage wie für die Einkommens- und Vermögenssteuer der natürlichen Personen.
Die wichtigsten Merkmale dieses Verwendungsmodells sind:
❏ Der administrative Aufwand ist vernachlässigbar gering.
❏ Dieses Verwendungsmodell begünstigt erfolgreiche Unternehmen, da es mit einer
Reduktion der Gewinnsteuer verbunden ist. Unternehmen, die keinen Gewinn erzielen, profitieren nur von der Abnahme der Kapitalsteuer.
❏ Das Eigenkapitals eines Unternehmens ist eine eher unausgewogene Bemes-
sungsgrundlage zur Bestimmung der Höhe der Rückerstattung.
❏ Die Steuersenkungen werden durch den Steuerindex erfasst. Die Verbesserung der
heute bereits guten Position des Kantons Bern im interkantonalen Vergleich kann
"nach aussen" kommuniziert werden.
❏ Das Verwendungsmodell schliesst nur juristische Personen mit ein. Personengesell-
schaften und weitere Selbständigerwerbende werden nicht erfasst.
❏ Die Holding- und Domizilgesellschaften versteuern ihr Eigenkapital zu einem festen
Satz (vgl. Art. 71 und 71a StG). Entsprechend profitieren Sie von einer Senkung der
Steueranlage nicht.
❏ Eine flexible Anpassung der Rückerstattung an die Höhe der Einnahmen ist nicht
möglich, da ein Steuerzehntel einen Betrag vom mehr als 100 Mio. Fr. ausmacht.
ECOPLAN
4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
33
d) Lohnsummenbonus
Ziel des Verwendungsmodell ist, den Unternehmen die Einnahmen aus den Umweltabgaben in Form eines Prozentsatzes auf der AHV-pflichtigen Lohnsumme zurückzuerstatten. Gegenüber den Steuersenkungsmodellen zeichnet sich dieses Rückerstattungsmodell dadurch aus, dass die Unternehmen unabhängig von ihrer Gesellschaftsform
erfasst werden.
Die Ergebnisse der Diskussion dieses Modells in Anhang B lauten kurz zusammengefasst:
❏ Unternehmen, mit einem relativ hohem Personalkostenanteil profitieren stärker als
Unternehmen mit relativ hohen Kapitalkosten. Tendenziell bevorteilt der Lohnsummenbonus den Dienstleistungssektor gegenüber dem Industriesektor.
❏ Der Umfang der Rückerstattung kann flexibel an die Einnahmen aus den Umweltab-
gaben angepasst werden.
❏ Da die Unternehmen unabhängig von ihrer Gesellschaftsform erfasst werden, er-
geben sich keine Verzerrungen zwischen Personengesellschaften und Selbständigerwerbenden einerseits und juristischen Personen (Aktien- und Genossenschaften) andererseits.
❏ Der administrative Aufwand ist höher als im Fall einer Steueranlagesenkung.
❏ Der Steuerindex wird durch die Erstattung eines Lohnsummenbonus nicht beein-
flusst. Die Berechnung der Steuerindices bei den juristischen Personen beruht auf bestimmten Annahmen bezüglich der Höhe des Eigenkapitals und der Rendite. Die
Lohnsumme spielt für die Berechnung keine Rolle. Entsprechend kann auch diese
Rückerstattungsform nicht in die Berechnung einfliessen. Es ist allerdings zu bedenken, dass der Kanton Bern bezüglich der Steuerbelastung von juristischen Personen im
interkantonalen Vergleich gegenwärtig recht gut dasteht. Eine "Imagekorrektur" ist in
diesem Bereich weniger dringend als bei der Besteuerung der natürlichen Personen.
❏ Der Einbezug der öffentlichen Verwaltung in die Rückerstattung schmälert die
Mittel, die für die Rückerstattung an die Unternehmen zur Verfügung stehen.
4.3
Schlussfolgerungen
Aus der Diskussion im vorangehenden Abschnitt können eigentlich zwei Schlussfolgerungen gezogen werden:
❏ Die spezifischen Vor- und Nachteile der oben beschriebenen Verwendungsmodelle
deuten darauf hin, dass auf den ersten Blick eine Kombination der verschiedenen
Modelle die erfolgversprechendste Variante wäre. Dazu ein Beispiel: Mit einer Senkung der Steueranlage allein verbessert sich zwar tendenziell die Standortgunst des
Kantons Bern für besserverdienende Personen und damit auch für die Wirtschaft, für
die weniger bemittelten Haushalte stellt sich aber nur eine geringe Verbesserung oder
gar eine Verschlechterung ein. Mit der Rückerstattung einer Pauschalen pro Kopf
könnte dieser Effekt korrigiert werden.
ECOPLAN
34
4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
❏ Sobald aber verschiedene Verwendungsmodelle realisiert werden sollen, steigen die
administrativen Kosten für die Umsetzung des Konzeptes MUEK.
Der Entscheid, welches Verwendungsmodell bei einer Realisierung des Konzeptes MUEK
zu wählen wäre, hängt damit entscheidend davon ab, welches Gewicht den einzelnen in
Abschnitt 4.1 erwähnten Beurteilungskriterien beigemessen wird. Diese Gewichtung
kann nicht aus wissenschaftlicher Sicht, sondern nur aus politischer Sicht vorgenommen
werden. Es ist uns daher nicht möglich, das beste Verwendungsmodell zu benennen. Aus
diesem Grund beschreiben wir im folgenden verschiedene Kombinationsmöglichkeiten.
Ausgehend von den in Kapitel 3 abgeschätzten Einnahmen aus den Umweltabgaben
haben wir die verschiedenen Verwendungsvarianten(4) durchgerechnet. Übersicht 4-1
zeigt die Berechnung anhand eines konkreten Beispiels, Tabelle 4-2 fasst die Ergebnisse
für die analog durchgerechneten Verwendungsvarianten zusammen.
Übersicht 4-1 ist wie folgt aufgebaut und geht von folgenden Annahmen aus:
❏ Ausgangspunkt sind die Einnahmen aus den Umweltabgaben gemäss Variante B, wie
sie in Tabelle 3-2 wiedergegeben sind. Das Instrument "Road Pricing" ist nicht enthalten. Ansonsten sind alle Umweltabgaben der Gruppen 1 und 2 aus Abschnitt 3.3 einbezogen. Der Einnahmenausfall hervorgerufen durch das Rabattsystem (Begrenzung
der Belastung für besonders stark betroffene Unternehmen) und durch die geschätzten Lenkungseffekte sind berücksichtigt.
❏ Die linke Hälfte der Tabelle bezieht sich auf die Haushaltsseite, die rechte auf die Un-
ternehmensseite.
❏ Die Übersicht zeigt, woher die Einnahmen aus den Umweltabgaben stammen
("Einnahmen von den Haushalten, Einnahmen von den Unternehmen").
❏ Für beide Seiten sind je beide noch zur Diskussion stehenden Verwendungsmodelle
aufgeführt: Steueranlagesenkung mit Auswirkungen auf der Haushalts- und auf der
Unternehmensseite, die Pauschale pro Kopf auf der Haushaltsseite und der Lohnsummenbonus auf der Unternehmensseite.
❏ In Übersicht 2-1 ist folgende Verwendungsvariante (im folgenden Verwendungsvari-
ante 1 (VV1) genannt) wiedergegeben:
– Die kantonale Steueranlage wird um 2 Steuerzehntel (STZ) von 2.3 auf 2.1 gesenkt.
– Die pauschale Rückerstattung pro Kopf beträgt Fr. 145.- für Erwachsene und Fr.
75.- für Kinder. Mit diesen Pauschalbeträgen wird sichergestellt, dass die Zusatzbelastung der ärmsten Haushalte durch die Abgaben im Durchschnitt ausgeglichen
wird (vgl. dazu Abschnitt 6.3).
– Den Unternehmen wird ein Lohnsummenbonus von 0.4% erstattet.
❏ Der Vergleich von Einnahmen und Kompensation zeigt für die Haushaltsseite und die
Unternehmensseite, inwieweit sich pro Seite die Einnahmen und die Rückerstattung
die Waage halten.
4
Um begriffliche Missverständnisse zu vermeiden, verwenden wir für die Kombination von verschiedenen
Verwendungsmodellen den Begriff "Verwendungsvarianten".
ECOPLAN
ECOPLAN
2'244
Steuereinnahmen total von natürlichen Personen
Überschuss Gesamtsystem (neg. Vorz. = Nettomehrbelastung):
-4
-157
Vergleich Abgabenbelastung und Kompensation
154
Überschuss (negatives Vorzeichen = Nettom ehrbelastung)
323
Total einnahmenseitige Kompensation, Haushaltsseite
Vergleich Abgabenbelastung und Kompensation
30'223
0.4%
121
Überschuss (negatives Vorzeichen = Nettom ehrbelastung)
AHV-pflichtige Lohnsumme im Kanton Bern
Lohnsummenbonus in %
Lohnsummenbonus total
138
786'364
179'685
145
75
127
Lohnsummenbonus
8
17
114
10
41
5
24
194
295
Total einnahmenseitige Kompensation, Unternehmensseite
Bevölkerung, Erwachsene (1993)
Bevölkerung, Kinder (1993)
Pauschale pro erwachsene Person in Fr.
Pauschale pro Kind in Fr.
Pauschale total in Mio. Fr.
Pauschale pro Kopf
ein Steuerzehntel
Steuerausfall bei einer Red. der Anlage um 2 Steuerzehntel
2'030
154
60
98
195
Massgebende Steuern (1993):
Ertragssteuer der AG und GmbH
Ertragssteuer der Genossenschaften
Kapitalsteuer der AG und GmbH
Kapitalsteuer der Genossenschaften
Anteil an der Vermögensgewinns teuer
Steuereinnahmen total von juristischen Personen
Massgebende Steuern (1993):
Einkommenssteuern der natürlichen Personen
Vermögenssteuer na türlicher Personen
Anteil an der Vermögensgewinns teuer
ein Steuerzehntel
Steuerausfall bei einer Red. der Anlage um 2 Steuerzehntel
Senkung der Steueranlage
Senkung der Steueranlage
Einnahmen aus der Unternehmensseite
Einnahmen aus der Haushaltsseite
169
Unternehmensseite
476
12
Haushaltsseite
Ausgangslage: Einnahmen aus Umweltabgaben, Variante B
Total Einnahmen (ohne road pricing)
Einnahmenreduktion Rabattsystem
Übersicht 4-1: Einnahmen aus Umweltabgaben und einnahmenseitige Kompensationen, Verwendungsvariante 1 (VV1)
(Angaben in Mio. Fr.)
4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
35
36
4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Im konkreten Fall von Tabelle 4-1 übersteigt die Entlastung der Haushalte durch die
Rückerstattung deren direkte Belastung durch die Abgaben um 154 Mio. Fr. Auf der
Unternehmensseite ist das Gegenteil der Fall: Es resultiert eine Nettomehrbelastung
von 157 Mio. Fr. Die letzte Zeile zeigt, ob mit den Einnahmen aus den Umweltabgaben
die Rückerstattungen insgesamt "finanziert" werden können. Bei VV1 ist dies praktisch
der Fall (die rechnerische Mehrbelastung beträgt 4 Mio. Fr.).
Nicht berücksichtigt wird in dieser Berechnung, dass die Umweltabgaben zu einer Abnahme der Umweltbelastung führen werden. Dies wiederum resultiert in Kosteneinsparungen bei Privaten und bei der öffentlichen Hand (Abnahme der externen Kosten der Umweltbelastung).
Die gleiche Berechnung wie in Tabelle 4-1 wurde auch für weitere mögliche Verwendungsvarianten durchgeführt. Tabelle 4-2 fasst die Ergebnisse für die Verwendungsvarianten VV1 bis VV4 zusammen.
Tabelle 4-2:
Ausgestaltung und Auswirkungen verschiedener Verwendungsvarianten (VV)
Verwendungsvarianten:
VV1
VV2
VV3
VV4
2
2
3
4
– Pauschale pro erwachsene Person in Fr.
145
0
145
0
– Pauschale pro Kind in Fr.
75
0
75
0
0.4%
0.8%
0
0
– Steuerreduktion in Mio. Fr.
195
195
293
390
– Pauschale total in Mio. Fr.
127
0
127
0
– Überschuss in Mio. Fr.(5)
154
26
251
221
– Steuerreduktion in Mio. Fr.
17
17
25
34
– Lohnsummenbonus in Mio. Fr.
121
242
0
0
– Überschuss in Mio. Fr.(6)
-157
-36
-270
-261
-4
-10
-19
-40
Ausgestaltung der einzelnen Verwendungsmodelle
– Senkung der Anlage in Steuerzehnteln
– Lohnsummenbonus in % der AHV-Lohnsumme
Auswirkungen auf der Haushaltsseite
Auswirkungen auf der Unternehmensseite
Überschuss Gesamtsystem(7)
5
Negatives Vorzeichen = Nettomehrbelastung der Haushaltsseite: Die direkte Belastung mit den Umweltabgaben übersteigt die einnahmenseitige Kompensation.
6
Negatives Vorzeichen = Nettomehrbelastung der Unternehmensseite: Die direkte Belastung mit den
Umweltabgaben übersteigt die einnahmenseitige Kompensation.
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4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
37
Tabelle 4-2 widerspiegelt das grundsätzlich hohe Einnahmenpotential der in Kapitel 3 beschriebenen Umweltabgaben: Wenn bei den Umweltabgaben von Variante B (vgl. Kapitel
3) ausgegangen wird, lassen sich Einnahmen in der Grössenordnung von bis maximal vier
Steuerzehnteln realisieren. Mit den weniger hohen Abgabesätzen gemäss Variante A
werden Einnahmen erzielt, die annähernd ausreichen sollten, um eine Steuersenkungen
um zwei Steuerzehnteln zu "finanzieren". Werden einzelne Abgaben weggelassen oder
grössere Änderungen in der Abgabenhöhe vorgenommen, resultieren natürlich andere
Einnahmen und damit auch andere Kompensationsmöglichkeiten.
Wie oben bereits erwähnt, ist es nicht möglich, aus wissenschaftlicher Sicht die
"richtige" Verwendungsvariante auszuwählen. Die in Tabelle 4-3 vorgenommene
Grobevaluation der vier Verwendungsvarianten macht deutlich, wie unterschiedlich die
Beurteilungskriterien
– Wirkung auf die Standortgunst des Kantons Bern
– Sozialverträglichkeit und Verteilungsneutralität
– Administrativer Aufwand für die Verwendung der Einnahmen
– Flexibilität (Auffangen von Schwankungen bei den Einnahmen aus den Abgaben)
durch die verschiedenen Verwendungsvarianten erfüllt werden.
Tabelle 4-3:
Grobbeurteilung der Verwendungsvarianten VV1 bis VV4
Verwendungsvarianten:
VV1
VV2
VV3
VV4
2
2
3
4
– Pauschale pro erwachsene Person in Fr.
145
0
145
0
– Pauschale pro Kind in Fr.
75
0
75
0
0.4%
0.8%
0
0
– Verbesserung Standortgunst
+
++
+
+
– Sozialverträglichkeit
+
-
+
-
– Verteilungsneutralität
-
+
--
--
– Einfachheit (administrativer Aufwand)
--
-
+
++
– Flexibilität
++
+
++
--
Ausgestaltung der einzelnen Verwendungsmodelle
– Senkung der Anlage in Steuerzehnteln
– Lohnsummenbonus in % der AHV-Lohnsumme
Beurteilungskriterien
Legende:
++
=
+
=
=
-=
7
positive Wirkung/Beurteilung
eher positive Wirkung/Beurteilung
eher negative Wirkung/Beurteilung
negative Wirkung/Beurteilung
Negatives Vorzeichen = Die Einnahmen aus den Umweltabgaben übersteigen die gesamte einnahmenseitige Kompensation.
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38
4 Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Im folgenden soll aufgezeigt werden, wie z.B. für die Verwendungsvariante 3 argumentiert werden kann.
❏ Das System MUEK sollte insbesondere einfach zu vollziehen sein. Damit rücken Vari-
anten mit Senkungen der Steueranlage in den Vordergrund. Diese Varianten haben zudem den Vorteil, dass sie den Steuerindex beeinflussen und die Bemühungen des
Kantons Bern im interkantonalen Vergleich wahrgenommen werden.
❏ Die Bedeutung der Verteilungsneutralität zwischen Haushalts- und Unternehmensseite
ist zu relativieren. Die Wirtschaft profitiert auch, wenn anstelle eines Lohnsummenbonus die steuerliche Belastung der hochqualifizierten Arbeitskräfte abnimmt. Aus
der Sicht der Wirtschaft stellt beides eine Entlastung des Faktors Arbeit dar. Natürlich
fällt sie beim Lohnsummenbonus unmittelbarer aus als bei der Steueranlagesenkung.
Lohnrigiditäten (v.a. bei Staatsangestellten und in gewerkschaftlich stark organisierte
Branchen) werden im zweiten Fall bewirken, dass die Unternehmen nur beschränkt
von der steuerlichen Entlastung des Faktors Arbeit profitieren können.
Zudem führt der Lohnsummenbonus tendenziell zu einer Umverteilung vom zweiten
zum dritten Sektor. Auch wenn die Verteilungsneutralität zwischen Haushalts- und Unternehmensseite gegeben ist (z.B. bei VV2), ergeben sich also innerhalb der Unternehmensseite Umverteilungen.
❏ In Tabelle 4-2 wurde nur Variante B (hohe Sätze bei den Umweltabgaben) betrachtet.
Bereits im ersten Zwischenbericht wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, dass
die Abgaben schrittweise erhöht werden sollten und die Abgabensätze von Variante B
nicht als Anfangssätze zu betrachten sind. In einer Anfangsphase könnte deshalb nur
das einfache Verwendungsmodell "Senkung der Anlage" realisiert, und erst wenn die
Abgabenbelastung steigt, zusätzliche Rückerstattungskanäle eingeführt werden.
❏ Diese zusätzlichen Kanäle sollten sich auf die Haushaltsseite konzentrieren. Zum einen
aus dem weiter oben genannten Grund und weil auf der Unternehmensseite ein Ermässigungsmodell (vgl. Abschnitt 6.2.2) vorgesehen ist, welches bewirkt, dass die
Belastung eines Unternehmens eine bestimmte Höhe nicht übersteigt. Bei der Festlegung dieses Plafonds können wirtschaftspolitische und strukturpolitische Anliegen
berücksichtigt werden. Zudem ist die pauschale Rückerstattung pro Kopf bedeutend
einfacher zu vollziehen als die Realisierung des Lohnsummenbonus.
Auch für andere Verwendungsvarianten liessen sich gute Argumente finden. Immerhin
scheint uns klar, dass eine Senkung der Steueranlage in jedem Fall im Zentrum der
Verwendungsseite stehen sollte. Dafür sprechen einerseits die sehr geringen Vollzugskosten, andererseits die Tatsache, dass diese Form von Steuersenkung sowohl auf der
Seite "Bevölkerung / Haushalte" als auch auf der Seite "Wirtschaft / Unternehmen" wirkt.
ECOPLAN
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Zwischenfazit
Bevor im nächsten Kapitel vertieft auf die Auswirkungen eines allfälligen Umweltabgaben-Systems mit einnahmenseitiger Kompensation ("System MUEK") auf die Berner
Wirtschaft und die Bevölkerung eingegangen wird, kann eine erste Zwischenbilanz gezogen werden
❏ Das System MUEK liegt im nationalen und internationalen Trend
Auch ausserhalb des Kantons Bern findet der Grundgedanke des Systems MUEK zunehmend Beachtung. In verschiedenen Ländern Europas, aber auch in der EU setzt
sich die Einsicht immer stärker durch, dass
– in den verschiedenen Bereichen der Umweltpolitik aus Gründen der längerfristigen
Wirksamkeit und eines effizienteren Einsatzes von knappen Mitteln vermehrt
marktwirtschaftliche Instrumente eingesetzt werden sollten.
– die Einnahmen aus den marktwirtschaftlichen Umweltinstrumenten nicht kompensationslos in die Staatskasse fliessen dürfen.
– mit einer sinnvollen einnahmenseitigen Kompensation bestehende Verzerrungen
durch andere Steuern und Abgaben abgebaut werden können, so dass eine
"doppelte Dividende" resultiert: Einerseits ergeben sich positive Wohlfahrtseffekte
aus der reduzierten Umweltbelastung, andererseits aus dem Abbau verzerrender
Steuern.
Einzelne Länder haben erste Schritte unternommen, die in die gleiche Richtung wie
das Konzept MUEK zielen, andere werden im nächsten Jahr konkrete Umsetzungsschritte einleiten oder vertiefte Abklärungen vornehmen. Auf nationaler Ebene
schliesslich, wird die Revision des Umweltschutzgesetzes die Bedeutung von marktwirtschaftlichen Elementen in der Umweltpolitik erhöhen.
Bei einer allfälligen Weiterverfolgung des Konzeptes MUEK durch den Kanton Bern
würde somit nicht völliges Neuland betreten, vielmehr würde der Kanton Bern in der
Umwelt- und Wirtschaftspolitik einen Weg einschlagen, der auch inner- und ausserhalb der Schweiz an Bedeutung gewinnt.
❏ Genügend praktikable Abgaben mit hohem Einnahmenpotential
Die Detailevaluation hat gezeigt, dass Abgaben auf Abfall, Abwasser, Wasser, Kies
und Motorfahrzeugen sowie - mit einer rechtlichen Unsicherheit - auf Elektrizität
machbar sind und mit geringem bis vertretbarem Vollzugsaufwand rund 100 bis - längerfristig - 250 Mio. Fr. einbringen könnten.
Zusätzliche rund 100 bis - längerfristig - über 220 Mio. Fr. Einnahmen könnten durch
die ebenfalls machbaren, aber mit grösserem Vollzugsaufwand verbundenen Abgaben
auf öffentlichen sowie auf Unternehmensparkplätzen, auf der Bodenversiegelung sowie auf NOx-Emissionen von Grossfeuerungen realisiert werden.
Bei diesen Zahlen handelt es sich um Grössenordnungen, da bei verschiedenen Abgaben die genaue Ausgestaltung noch konkretisiert werden muss. Dennoch kann aufgrund der bisherigen Abklärungen davon ausgegangen werden, dass das machbare
Einnahmenpotential ausreicht, um spürbare einnahmenseitige Kompensationen vorzunehmen. Eines der am Workshop vom August 1994 formulierten Ziele, mit den Um-
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weltabgaben Einnahmen in der Höhe von mindestens zwei Steuerzehnteln zu erzielen,
kann aufgrund des Einnahmenpotentials erreicht werden.
❏ Verschiedene Kompensationsmöglichkeiten mit unterschiedlicher Wirkung
Die Abklärung der technisch-administrativen Machbarkeit des Konzeptes MUEK hat
weiter gezeigt, dass auf kantonaler Ebene gangbare Wege gefunden werden können,
um die Einnahmen aus den Umweltabgaben an die bernische Wirtschaft und an die
Bevölkerung zurückzuerstatten. Als machbar haben sich erwiesen:
Seite Bevölkerung / Haushalte
Seite Wirtschaft / Unternehmen
– Senkung der Steueranlage (reduziert u.a.
– Senkung der Steueranlage (reduziert die
die Einkommens- und Vermögenssteuer)
– Pauschale pro Kopf: Verrechnung mit der
Steuerrechnung bzw. direkte Auszahlung
Gewinn- und Kapitalsteuer)
– Lohnsummenbonus: Rückerstattung von
X% der AHV-Lohnsumme
Die untersuchten Verwendungsmodelle weisen sehr unterschiedliche Auswirkungen
auf die beiden wichtigsten Beurteilungskriterien "Verbesserung der Standortgunst" und
"Sozialverträglichkeit" auf. So profitieren z.B. von einer Senkung der Steueranlage nur
Personen und Unternehmen, die auch tatsächlich Steuern bezahlen. Bei den natürlichen Personen ist dies bei über 10% aller Steuerpflichtigen nicht der Fall. Falls beide
Kriterien erfüllt werden sollen, drängt sich ein Mix aus den in Tabelle 5-1 zusammengefassten Varianten von einnahmenseitigen Kompensationen auf.
Tabelle 5-1: Kombination von Verwendungsmodellen
Variante
Wichtigste Vorteile
Wichtigste Probleme
Senkung der Steueranlage:
spürbare Wirkung bei hohen
Einkommen, einfach zu vollziehen
für sich allein nicht sozialverträglich
Pauschale pro Kopf:
als Sockelkompensation für
alle natürlichen Personen
(Erwachsene und Kinder), für
sich allein sozialverträglich
Auszahlungsadministration
lässt sich lösen
Senkung der Steueranlage:
mit relativ geringen Einnahmenausfällen wird Bern zu
einem der steuergünstigsten
Kantone
nur juristische Personen profitieren, Personengesellschaften und Selbständigerwerbende gehen leer aus
Lohnsummenbonus:
breite Bemessungsgrundlage
inkl. Selbständigerwerbende /
Personengesellschaften
Erhebung verursacht einigen
Aufwand (u.a. Abgrenzung
bernischer Löhne)
hohe Wirkung bei Unternehmungen mit hohen Löhnen
Integration öffentliche Verwaltung schmälert Mittel für
die Unternehmen
Bevölkerung / Haushalte
Verrechnung mit Steuerrechnung oder ggf. Direktauszahlung
für sich allein kaum Wirkung
auf Standortgunst
Wirtschaft /
Unternehmen
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Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass der Vollzugsaufwand steigt, wenn mehrere Verwendungsmodelle realisiert werden sollen. Der geringe Vollzugsaufwand einer
Senkung der Steueranlage macht dieses Verwendungsmodell besonders attraktiv,
umsomehr als es sowohl auf der Seite "Bevölkerung / Haushalte" als auch auf der
Seite "Wirtschaft / Unternehmen" wirkt. Aus diesem Grund sollte u.E. eine Senkung
der Steueranlage im Zentrum der Kompensationsseite stehen.
Es muss politisch entschieden werden, ob und mit welchem Verwendungsmodell die
Steueranlagensenkung kombiniert werden soll. Es ist abzusehen, dass sich das politische Seilziehen vor allem um diesen Mix drehen wird. Dabei wird zu bedenken sein,
dass eine voll sozialverträgliche Ausgestaltung die Kompensationsmöglichkeiten für
eine markante Standortgunstverbesserung schmälert (und umgekehrt).
Ebenfalls zu beachten ist allerdings, dass aus vollzugstechnischer Sicht die Kombination Steueranlagensenkung und pauschale Rückerstattung pro Kopf besser abschneidet, als die Kombination Steueranlagensenkung und Lohnsummenbonus.
❏ Umweltpolitisch ein Schritt in die richtige Richtung
Ein erster Vorteil des beschriebenen Konzeptes MUEK ist, dass für praktisch alle belasteten Umweltbereiche (v.a. Luft, Boden, Wasser) machbare marktwirtschaftliche
Umweltinstrumente bzw. Umweltabgaben gefunden werden konnten. Eine Realisierung des Konzeptes würde dem marktwirtschaftlichen Umweltschutz auf kantonaler
Ebene auf breiter Front zum Durchbruch verhelfen.
Die Beurteilung der ökologischen Wirkung der Abgaben zeigt, dass die Lenkungswirkungen kurzfristig nicht überschätzt werden dürfen. Dies hängt damit zusammen, dass
in vielen Umweltbereichen bedeutende Potentiale schon durch andere Massnahmen
realisiert wurden und die Höhe der Abgabe mit Rücksicht auf den interkantonalen
Wettbewerb und die Verteilungsproblematik realistischerweise nicht derart hoch
angesetzt werden können, dass eine sehr hohe Lenkungswirkung resultiert. Mittel- bis
längerfristig, und dies ist für Umweltabgaben eigentlich die richtige Optik, kann in allen
Bereichen, insbesondere aber in den Bereichen Verkehr/Parkplatzpolitik, Abwasser,
Versiegelung und Kiesabbau, mit einem spürbaren und erwünschten Beitrag zur
Verbesserung der Umweltqualität gerechnet werden.
Insgesamt kann vor der Beurteilung der wirtschaftlichen und verteilungspolitischen
Auswirkungen des Konzeptes MUEK eine positive Zwischenbilanz gezogen werden.
Ausgehend von der Detailevaluation der Abgaben- und der Verwendungsseite kann die
technisch-administrative und die rechtliche Machbarkeit des Konzeptes auf kantonaler
Ebene bejaht werden. Die Ausführungen im nächsten Kapitel müssen nun aufzeigen, ob
die allfällige Realisierung eines Systems MUEK auch tatsächlich einen Beitrag an das
wirtschaftspolitische Ziel leistet, die Standortgunst des Kantons Bern bzw. die bernische
Wirtschaftskraft zu erhöhen.
ECOPLAN
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ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
6
Wirtschaftliche Auswirkungen
6.1
Einleitung und Methodik
43
Wie wirkt sich ein Umweltabgaben-System mit einnahmenseitiger Kompensation "MUEK"
auf die Wirtschaft und die Haushalte aus? Wir sind diese Frage auf vier verschiedenen
Ebenen angegangen:
– Auswirkungen auf die Branchen (Kapitel 6.2)
– Soziale Verteilungseffekte (Kapitel 6.3)
– Regionalwirtschaftliche Aspekte (Kapitel 6.4)
– Gesamtwirtschaftliche Effekte (Kapitel 6.5)
Die Schwierigkeiten bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Auswirkungen liegen in der
sehr dünnen Datenbasis. Um einen ersten Überblick zu erhalten, ist es nötig, die Abgabebelastungen einzelner Branchen zu eruieren. Wir haben dies für jede einzelne Abgabe und
für rund 30 Branchen versucht. Für die meisten Abgaben lagen uns keine gesamtschweizerischen Vergleichszahlen vor, so dass wir uns auf eigene Überlegungen und Annahmen stützen mussten. Die wichtigsten Annahmen und Resultate haben wir in Kapitel
6.2 zusammengestellt. Es ist dies die erste umfassende Branchenanalyse, die im Zusammenhang mit mehreren Abgaben und verschiedenen Verwendungsmodellen durchgeführt wurde.
Nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Haushalte sind von den Umweltabgaben und
der einnahmenseitigen Kompensation betroffen. Bei den Auswirkungen auf die Haushalte
in Abschnitt 6.3 haben wir untersucht, wie stark "arme" und "reiche" Haushalte durch die
Abgabe belastet werden und wie stark sie von der einnahmenseitigen Kompensation
profitieren.
Ob sich regionalwirtschaftliche Probleme bzw. Ungleichbehandlungen ergeben, haben
wir in Abschnitt 6.4 aufgrund von Auswirkungsanalysen auf der Ebene von sogenannten
MS-Regionen untersucht.
Am Schluss versuchen wir die Effekt auf die Gesamtwirtschaft abzuschätzen. Dabei sind
praktisch nur qualitative Aussagen möglich.
ECOPLAN
44
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
6.2
Auswirkungen auf die Branchen
Die Bedeutung der einzelnen Branchen
Die Grafik 6-1 zeigt die Bedeutung der einzelnen Branchen im Kanton Bern und in der
Schweiz. Dargestellt ist die prozentuale Verteilung der Voll- und Teilzeitbeschäftigten in
den Branchen. Kurz zusammengefasst können wir folgendes festhalten:
❏ Der Kanton Bern weist einen überdurchschnittlichen Anteil in Branchen auf, in denen
die Preise (und damit direkt oder indirekt auch die Löhne) administriert sind, also
(noch) kein oder nur ein eingeschränkter Wettbewerb herrscht:
– Die Branchen Landwirtschaft und Öffentliche Verwaltung (Bund, Kanton und Gemeinden) sind im Vergleich zur Schweiz stark übervertreten.
– Im Dienstleistungsbereich sind vor allem die ebenfalls "administrierten" Branchen
Eisenbahnen (vor allem SBB und BLS) und Telekommunikation (vor allem PTT) stärker vertreten.
❏ Im Industriebereich weisen vor allem die Maschinen- und Fahrzeugindustrie eine
leichte "Übervertretung" auf. Diese Branchen sind sowohl import- wie auch exportsensibel. Dies bedeutet, dass die Möglichkeit von Produktepreiserhöhung (z.B. bei der
Überwälzung von Umweltabgaben) schnell an Grenzen stösst: Einerseits ist bei Produktepreiserhöhung der Absatz im Binnenmarkt durch Importe stark konkurriert, anderseits reagieren die Exporte sehr preissensibel.(1)
❏ Eine leichte "Übervertretung" ist auch in der Nahrungsmittelindustrie zu verzeichnen.
Für diese gilt, dass sie relativ importsensibel ist.
❏ Untervertreten ist der Kanton Bern vor allem in den Branchen Banken/Versicherungen
und den übrigen Dienstleistungen (Beratung, Planung, Informatik, persönliche Dienstleistungen).
6.2.1 Abgabebelastung in den Branchen (ohne Ermässigungsmodell)
Nachfolgend teilen wir die Abgabebelastung auf die verschiedenen Branchen und die
Haushalte auf. Als Bezugsgrösse haben wir die Anzahl Beschäftigte gewählt - auch wenn
es bei einigen Abgaben sinnvollere Bezugsgrössen geben würde. Diese einheitliche Darstellung erlaubt einen besseren Vergleich zwischen den einzelnen Abgaben. Bei der Betrachtung der Grafiken ist zu beachten, dass die Achsenskalierung unterschiedlich ist!
Bei einigen Umweltabgaben haben wir konkrete "Firmenbeispiele"(2) dargestellt, die auf
dem Zahlenmaterial einer früheren Studie(3) basieren. Diese Studie wurde im Vorfeld zur
Einführung der Wasser-, Abwasser- und Abfallabgabe erarbeitet. Die "Firmenbeispiele"
beschränken sich denn auch auf diese drei Abgaben und die Elektrizitätsabgabe.
1
Vgl. Graf (1994), Alleingang versus EU-Beitritt - Branchenszenarien für die Schweiz, S. 98.
2
Das Zahlenmaterial zu den 17 Firmenbeispielen findet sich in der Tabelle A-1 der Studie ECOPLAN (1992),
Belastung von Haushalten und Wirtschaft durch verursacherfinanzierte Abgaben.
3
ECOPLAN (1992), Belastung von Haushalten und Wirtschaft durch verursacherfinanzierte Abgaben.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-1:
45
Arbeitsplätze im Kanton Bern im Vergleich mit der Schweiz
Verteilung der Arbeitsplätze auf die einzelnen Branchen
0%
2%
4%
6%
8%
10%
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Kanton Bern
ECOPLAN
CH
12%
14%
46
a)
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Wasserabgabe
Berechnungsverfahren und wichtigste Annahmen
Statistische Erhebungen zum Wasserverbrauch in den Wirtschaftsbranchen gibt es in der
Schweiz nicht. Auch die offizielle SVGW-Statistik(4) bietet hier keine Hilfe. Die Aufteilung
des Wasserverbrauchs haben wir unter den folgenden Annahmen vorgenommen:
– Wasserverbrauch der Haushaltungen: 180 l/Tag und Einwohner(5), gesamter Wasserverbrauch: 468 l/Tag und Einwohner(6), der Wasserverbrauch von Industrie und Dienstleistungen beträgt demnach 288 l/Tag und Einwohner.
– In den Branchen Nahrung, Textil, Karton- und Papierproduktion, Papierverarbeitung,
Druck/Grafik haben wir bestehende Umfragen und eigene Erhebungen herbeigezogen,
die wir im Zusammenhang mit anderen Studien gemacht haben.(7)
– Für die verschiedenen Branchen haben wir aufgrund von Literaturwerten(8) folgende
Annahmen getroffen:
– Landwirtschaft: 50 l/DGVE(9) und 1.5 l/Liter Milch, wobei wir annehmen, dass die
Hälfte des Wasserverbrauchs der Landwirtschaft aus eigenen Quellen stammt.
– Gastgewerbe/Hotellerie: 300 l/Logiernacht und 400 l/Arbeitsplatz (AP)
– Chemie: 1000 l/AP, Schulen/Kultur/Sport: 500 l/AP, Gesundheitswesen 600 l/AP
– Für die restlichen Branchen haben wir je nach Wasserintensität zwischen 250 l/AP
(z.B. für Kunststoff und Druck/Grafik) und 70 l/AP (z.B. Banken) gewählt.
– Für die Unterscheidung zwischen Trinkwasser, Industrie-/Gewerbebedarf und Kühlwasser (insbesondere Mühleberg) dienten uns diverse Unterlagen vom WEA, die im
Zusammenhang mit der Einführung der Wasserabgabe erarbeitet wurden.
– Der heutige Wasserverbrauch wird vor allem aufgrund der steigenden Abwassergebühren um rund 10% sinken. Die Lenkungswirkung der Wasserabgabe ist beim
Trinkwasser kaum vorhanden. Für Industrie- und Gewerbewasser und für den Kühlwasserbedarf kann aber sicher eine geringe Lenkungswirkung erzielt werden.
Kommentar zu den Resultaten
Am stärksten betroffen ist die Elektrizitätswirtschaft (vgl. Grafik 6-2). Dies aufgrund des
Kühlwasserbedarfs des Kernkraftwerks Mühleberg. Weiter sind vor allem die Papierproduktion und -verarbeitung als ganze Branchen betroffen. Die Grafik 6-3 zeigt
"Firmenbeispiele", die im Rahmen einer früheren Umfrage erhoben wurden. Sie zeigt,
dass auch einzelne Betriebe in anderen Branchen stark betroffen sein können.
Wo liegen die Unsicherheiten?
Es ist unklar, wieviele stark betroffenen Betriebe es gibt. Mit einer Auswertung der
Rückerstattungsanträge der heutigen Wasser- und Abwasserabgabe (Anfang 1996) können die betroffenen Betriebe erfasst und die Unsicherheiten ausgeräumt werden.
4
SVGW = Schweizerischer Verein des Gas- und Wasserfaches
5
Gemäss Spezialauswertung des SVGW in verschiedenen Orten der Schweiz.
6
Statistisches Jahrbuch der Schweiz (1993).
7
ECOPLAN (1992), Belastung von Haushalten und Wirtschaft durch verursacherfinanzierte Abgaben.
ECOPLAN (1994), Abwasserfonds Kanton Solothurn.
ECOPLAN (1994), Trinkwasser- und Abwasserabgabe im Kanton St. Gallen.
8
Vgl. insbesondere Mutschmann J., Stimmelmayr F. (1991), Taschenbuch der Wasserversorgung.
9
DGVE = Dünge-Grossvieheinheit.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-2:
47
Wasserabgabe - Branchenaufteilung
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
100
200
300
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
400
500
0
500
1000
1500
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
Grafik 6-3:
Wasserabgabe - Firmenbeispiele
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz
Fr./Arbeitsplatz
0
100
200
300
400
500
600
700
Papier
Papier
Fettverarbeitung
Extraktion
Milchprodukte
Nahrungsmittel
Kieswerk
Baugrundstoffe
Nahrungsmittel
Nahrungsmittel
Verpackungen
Textil
Beschichtungen
Gerberei
Grafik
Labor
Druckerei
Forschung
ECOPLAN
0
500
1'000
1'500
2'000
48
b)
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Abwasserabgabe
Berechnungsverfahren und wichtigste Annahmen
Die Bestimmung des Abgabeaufkommens konnte aufgrund von Unterlagen des Amtes
für Gewässerschutz und Abfallwirtschaft (GSA) relativ genau bestimmt werden.(10) In diesen Berechnungen ist die Abnahme der künftigen Schmutzstofffracht bereits berücksichtigt. Diese Abnahme ist vor allem aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen vorgezeichnet. Der Abwasserabgabe kommt allenfalls eine beschleunigende Wirkung zu. Zusätzlich
zu den vorhersehbaren Schmutzstofffrachtreduktionen aufgrund von ARA-Ausbauten
rechnen wir mit einer 10%igen Reduktion der Schmutzstofffracht aufgrund von Optimierungsmassnahmen in den Kläranlagen und Anstrengungen in den Betrieben.
Es fehlen jegliche statistischen Angaben zu den Schmutzfrachten in den Industriebetrieben. Wir haben die Belastung der Branchen und der Haushalte aufgrund des Wasserkonsums hergeleitet. Wir sind dabei davon ausgegangen, dass im Haushalts- und Dienstleistungsbereich das konsumierte Wasser auch tatsächlich als Abwasser in die Kanalisation
gelangt und die Abgabe über den Trinkwasserkonsum überwälzt wird. In den Industriebranchen sind wir davon ausgegangen, dass die Abgabe pro bezogene Wassermenge
geringer ist. Wir gehen davon aus, dass die Reduktion etwa 50% beträgt. Die Gründe
dafür sind:
– ein Teil des Wassers wird als Kühlwasser gebraucht (nicht verschmutzt)
– eigene Vorreinigung
– relativ geringer Phosphor- und Stickstoffanteil im Rohabwasser.(11)
Kommentar zu den Resultaten
Wie schon bei der Wasserabgabe sind die Branchen Papierproduktion und -verarbeitung
am meisten von der Abwasserabgabe betroffen (vgl. Grafik 6-4). Dies wird auch durch die
"Firmenbeispiele" (Grafik 6-5) bestätigt. In Variante B hätte eine Papierfabrik eine Abwasserabgabe von über 2500 Fr. pro Arbeitsplatz (bzw. Beschäftigten) zu leisten.
Wo liegen die Unsicherheiten?
Im allgemeinen sind die Belastungen durch die Abwasserabgabe relativ gering. In einigen
Betrieben wird die Abwasserabgabe in der vorgeschlagenen Höhe zu massiven Belastungen führen. Mit einer Auswertung der Rückerstattungsanträge der heutigen Wasserund Abwasserabgabe (Anfang 1996) können die betroffenen Betriebe erfasst und die Unsicherheiten ausgeräumt werden.
10 Unterlagen und Berechnungen von Bruno Bangerter, GSA.
11 Das Abgabeaufkommen aus den Abgabeparametern Stickstoff und Phosphor beträgt rund 1/3 des ge-
samten Abgabeaufkommens. Hauptverusacher sind die Haushalte.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-4:
49
Abwasserabgabe - Branchenaufteilung
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
100
200
300
400
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
500
600
0
500
1000
1500
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
Grafik 6-5:
Abwasserabgabe - Firmenbeispiele
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz
0
200
400
600
800
Fr./Arbeitsplatz
1'000
1'200
1'400
Papier
Papier
Fettverarbeitung
Extraktion
Milchprodukte
Nahrungsmittel
Kieswerk
Baugrundstoffe
Nahrungsmittel
Nahrungsmittel
Verpackungen
Textil
Beschichtungen
Gerberei
Grafik
Labor
Druckerei
ECOPLAN
0
500
1'000
1'500
2'000
2'500
3'000
50
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
c)
Abfallabgabe
Berechnungsverfahren und wichtigste Annahmen
Auch im Abfallbereich gibt es fast keine branchenspezifischen Abfalldaten. Wie schon im
Wasser- und Abwasserbereich haben wir mit verschiedenen Annahmen die Aufteilung
der Abfallmengen auf die verschiedenen Branchen und die Haushalte vorgenommen. Die
wichtigsten Annahmen, die wir in diesem Zusammenhang getroffen haben, sind in den
nachfolgenden Punkten und in Tabelle 6-6 zusammengefasst:
– Rund die Hälfte der 328'000 Tonnen Siedlungsabfälle stammt aus den Haushalten - also rund 164'000 Tonnen.(12)
– 20% der KVA-Lieferungen des kommunalen Sammeldienstes und 20% der Siedlungsabfälle in Deponien stammen aus Industrie und Gewerbe
– 60% der KVA-Direktanlieferungen stammen aus Industrie und Gewerbe.
Tabelle 6-6:
KVAs
Abgabepflichtige Abfallmengen aus dem Kt. Bern für das Jahr 1994(13)
Siedlungsabfälle
Bauabfälle
Deponien
Siedlungsabfälle
Bemerkungen zur Branchenaufteilung
173'498
Aufteilung gemäss deutscher Studie(14)
14'479
Bau- (66%) und Ausbaugewerbe (33%)
154'502
dito Siedlungsabfälle KVA
Bauabfälle
46'175
Bau- (66%) und Ausbaugewerbe (33%)
Sonderabfälle
38'473
Aufteilung gemäss Schwank, Koch, Mauch (1992)
Klärschlamm
6'555
übrige Dienstleistungen
Reststoffe
7'045
übrige Dienstleistungen
Andere
Total
Tonnen
44'143
60% Abfälle Industrie/Gewerbe, 40% HH und DL
484'870
Dazu kommen noch rund 120'000 Tonnen aus ausserkantonalen Lieferungen. Diese unterstehen ebenfalls der Abfallabgabe. Als Lenkungswirkung der Abgabe unterstellen wir
einen 5%igen (Variante A) bzw. 10%igen (Variante B) Rückgang der Abfallmengen. Die
doch recht hohe Lenkungswirkung erklärt sich dadurch, dass der Anteil der ausserkantonalen Lieferungen relativ preissensibel auf die Berner Abgabe reagieren dürfte.
Kommentar zu den Resultaten
Wie schon bei der Wasser- und Abwasserabgabe trifft es die Karton- und Papierfabrikation mit Abstand am härtesten. Aber auch die Branchen Chemie, Steine und Erden, Metallurgie und die Nahrungsmittelindustrie müssen in der Variante B mit einer Belastung
von rund 200 bis 400 Fr./Arbeitsplatz rechnen.
Wo liegen die Unsicherheiten?
Auch hier wird eine Auwertung der Rückerstattungsanträge aus der Abfallabgabe wichtige Hinweise und detailliertere Daten von stark betroffenen Betrieben liefern.
12 Vgl. z.B. KEZO-Untersuchung (1988). Aber auch die GSA-Statistik der Abfallmengen nach Gemeindegrös-
senklasse gibt wichtige Hinweise. In kleineren Gemeinden - mit relativ wenig Siedlungsabfällen aus Gewerbe und Dienstleistungen - beträgt die Abfallmenge der Haushalte rund 160 kg pro Einwohner und Jahr.
Wir gehen davon aus, dass die Haushalte im Durchschnitt rund 170 kg Abfall pro Einwohner und Jahr in
die KVA bzw. auf Deponien liefern.
13 Hergeleitet aus TBF - Toscano-Bernardi-Frey AG (Entwurf 1. Juni 1995), Erhebung der Betriebsdaten 1994
von Kehrichtverbrennungsanlagen und Deponien.
14 Michaelis P. (1992), Zur sektoralen Belastungswirkung der geplanten Abfallabgabe.
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6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-7:
51
Abfallabgabe - Branchenaufteilung
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
100
200
300
400
500
600
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
700
800
900
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
Grafik 6-8:
Abfallabgabe - Firmenbeispiele
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz
0
500
1'000
1'500
Fr./Arbeitsplatz
2'000
2'500
Papier
Papier
Fettverarbeitung
Extraktion
Milchprodukte
Nahrungsmittel
Kieswerk
Baugrundstoffe
Nahrungsmittel
Nahrungsmittel
Verpackungen
Textil
Beschichtungen
Gerberei
Grafik
Labor
Druckerei
Forschung
ECOPLAN
0
2'000
4'000
6'000
8'000
10'000
52
d)
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Elektrizitätsabgabe
Berechnungsverfahren und wichtigste Annahmen
Im Vergleich zu den branchenspezifischen Wasser-, Abwasser- und Abfalldaten ist die
Datenlage im Elektrizitätsbereich geradezu luxuriös. In den Energieperspektiven(15) wurden die Elektrizitätsverbräuche in den einzelnen Branchen für die Schweiz hergeleitet wenn auch die Brancheneinteilung im Dienstleistungsbereich mit der offiziellen Statistik
überhaupt nicht kompatibel ist. Die schweizerischen Werte der Energieperspektiven
wurden aufgrund der Anzahl Arbeitsplätze und einigen zusätzlichen Angaben und Erhebungen von früheren Untersuchungen auf den Kanton Bern umgerechnet.(16) Für den
Dienstleistungsbereich haben wir neben den Energieperspektiven zusätzliche Quellen
herangezogen.(17)
Kommentar zu den Resultaten
Wieder trifft es in erster Linie die Karton- und Papierproduktion. Aber auch Giessereien,
Textilindustrie, Eisenbahnen(18), Chemie, Kunstoffe, Steine und Erden weisen spürbare
Belastungen auf.(19) Demgegenüber weist der Dienstleistungsbereich (ausser Eisenbahnen) eine relativ geringe Belastung auf.
Die "Firmenbeispiele" bestätigen die Branchenresultate. Aber auch hier muss festgehalten werden, dass einzelne Firmen weit über oder unter dem Branchendurchschnitt liegen
können.
Wo liegen die Unsicherheiten?
Die Unsicherheiten sind kleiner als bei der Wasser-, Abwasser- und Abfallabgabe. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Betriebe in weniger stromintensiven Branchen trotzdem hohe Stromverbräuche und damit eine massive Abgabebelastung
zu gewärtigen hätten.
15 Vgl. insbesondere IBFG (1994), Perspektiven des Energieverbrauchs in der Industrie, Arbeitsbericht zu
Handen der Arbeistgruppe "Energieperspektiven".
Aebischer B., Spreng D., Schwarz J. (1994), Perspektiven des Energieverbrauchs im primären und tertiären Sektor, Modellierung und Resultate Szenario I (beschlossene Politik) und Szenario II (beabsichtigte
Politik).
16 ECOPLAN (1992), Belastung von Haushalten und Wirtschaft durch verursacherfinanzierte Abgaben.
ECOPLAN (1995), Wirtschaftliche
/Energieabgabe-Szenarien.
Auswirkungen
und
Verteilungseffekte
verschiedener
CO2-
VEWD/Meier R. (1992), Energieabgaben auf kantonaler Ebene.
17 V.a. diverse RAVEL-Berichte und -Materialien.
18 Inwieweit die Elektrizitätsabgabe auch für den "Eisenbahnstrom" angewendet würde, ist noch nicht ab-
schliessend geklärt.
19 Die relative hohe Belastung pro Arbeitsplatz in der Branche Gas/Wasser ist im Wesentlichen auf den
Stromverbrauch der Wasser-Förderpumpen und die geringe Personalintensität zurückzuführen.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-9:
53
Elektrizitätsabgabe
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
100
200
300
400
500
600
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
700
800
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
Grafik 6-10:
Elektrizitätsabgabe - Firmenbeispiele
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz
0
200
400
600
800
Fr./Arbeitsplatz
1'000 1'200 1'400 1'600 1'800
Papier
Papier
Fettverarbeitung
Extraktion
Milchprodukte
Nahrungsmittel
Kieswerk
Baugrundstoffe
Nahrungsmittel
Nahrungsmittel
Verpackungen
Textil
Beschichtungen
Gerberei
Grafik
Labor
Druckerei
Forschung
ECOPLAN
0
1'000
2'000
3'000
4'000
5'000
6'000
54
e)
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
NOx-Abgabe auf Grossfeuerungen
Berechnungsverfahren und wichtigste Annahmen
Die Grossfeuerungen über 1 MW sind vom KIGA erfasst. Allerdings wäre eine Auswertung aller im Kanton Bern vorhandenen (Feuerungs-)Zentralenstandorte nur mit grossem
Aufwand machbar. Für eine erste Abschätzung der Branchenaufteilung haben wir uns auf
bestehende Auswertungen und auf die Literatur gestützt:
– Für die Grossfeuerungen im Dienstleistungs- und Wohnbereich haben wir auf eine
Studie zurückgegriffen, die im Rahmen des Zweiten Energieberichts des Kantons Bern
erarbeitet wurde.(20) Wir haben rund 220 Zentralenstandorte ausgewertet und dem
Wohnbereich bzw. den Dienstleistungsbranchen zugeordnet. Für die Berechnung des
Oel- bzw. Gasbedarfs dienten uns verschiedene Angaben, wie z.B. die beheizte Bruttogeschossfläche und die gemessenen Gasverbräuche. Die Umrechnung vom Energieverbrauch auf NOx haben wir vorsichtig mit einem Faktor von 60 kg/TJ vorgenommen.
– Die grosse Unbekannte ist aber der Industriebereich. Unsere Schätzungen zu den
NOx-Emissionen von Grossfeuerungen im Industriebereich sind mit einiger Vorsicht zu
geniessen. Aus verschiedenen Massnahmenpläne zur Luftreinhaltung(21) und aus einigen Eckdaten aus gemessenen NOx-Emissionen von industriellen Grossfeuerungen
(z.B. 70 t NOx in einer Papierfabrik) haben wir versucht, die Belastung der Branchen
aus der NOx-Abgabe aufzuzeigen.
Die Lenkungswirkung haben wir mit -10% (Variante A) bzw. -20% (Variante B) angenommen. Aber auch diese Annahme steht auf sehr wackligen Füssen, dies vor allem aus
folgendem Grund: Viele Grossfeuerungen liegen in ihrem Leistungsbereich nur knapp
über 1 MW. Wenn man weiss, dass in Vergangenheit die Feuerungen um mehr als den
Faktor 2 überdimensioniert wurden, kann man sich vorstellen, dass bei einer Gesamtsanierung viele der heutigen "Grossfeuerungen" zu "Kleinfeuerungen" mutieren und damit
von der NOx-Abgabe befreit würden.
Kommentar zu den Resultaten
Wir vermuten, dass nur gerade die "abgabengeplagte" Karton- und Papierproduktion und
die Branche Steine und Erde relativ stark von einer Grossfeuerungs-NOx-Abgabe betroffen wäre.
Wo liegen die Unsicherheiten?
Sollte eine Grossfeuerungs-NOx-Abgabe ins Auge gefasst werden, so müssten auf jeden
Fall weitere detaillierte Abklärungen vorgenommen werden. Wir denken hier in erster Linie an eine Auswertung der beim KIGA vorhandenen Grossfeuerungsstatistik.
20 Infraconsult, Müller A. (1989), Potentiale der Wärme-Kraft-Kopplung im Wohn- und Dienstleistungsbereich.
21 Insbesondere KIGA (1990), Massnahmenplan zur Luftreinhaltung in der Region Bern - Teilmassnahmen-
plan Feuerungen und Teilmassnahmenplan Industrie und Gewerbe.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-11:
55
NOx-Abgabe auf Grossfeuerungen
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
200
400
600
800
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
1000
1200
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
ECOPLAN
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
56
f)
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Abgabe auf Beschäftigten- und Besucher-Parkplätzen
Berechnungsverfahren und wichtigste Annahmen
Die Abgabe auf Beschäftigten-Parkplätzen ist nicht stark branchenabhängig. Wichtiger ist
die Erschliessung des Betriebes mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir schätzen die Zahl
der bewirtschaftbaren Beschäftigten-Parkplätze im Kanton Bern auf ca. 200'000. Die Aufteilung auf die Branchen haben wir aufgrund der Anzahl Arbeitsplätze vorgenommen.(22)
Bei den bewirtschaftbaren Besucherparkplätzen - wir schätzen ihre Anzahl auf 60'000 haben wir für die Branchen mit regem Publikumsverkehr aufgrund von kantonalen Richtlinien zur Ermittlung des Parkplatz-Normbedarfs eigene Schätzungen vorgenommen.
Wir rechnen damit, dass die Zahl der Parkplätze aufgrund der Lenkungswirkung um 2%
(Variante A) bzw. 5% (Variante B) reduziert werden.
Kommentar zu den Resultaten
Die Belastung fällt in der Variante A in fast allen Branchen relativ moderat aus. In der Variante B ist vor allem im Gastgewerbe mit einer doch erheblichen Belastung (über 300 Fr.
pro Arbeitsplatz) zu rechnen.
Wo liegen die Unsicherheiten?
Die vorliegenden Daten sind grobe Schätzungen. Es kann aber vermutet werden, dass
nur wenige Betriebe mit grossem Publikumsverkehr grössere Abgabebelastungen zu
verzeichnen hätten. Wir denken hier in erster Linie an Einkaufszentren.
22 Es ist anzunehmen, dass der PW-Pendlerverkehr im Industriebereich ausgeprägter ist als im Dienstlei-
stungsbereich (dezentralere Industriestandorte, schlechter Erschliessung der Industriebetriebe durch öffentliche Verkehrsmittel). Diesen Effekt haben wir bei der Berechnung der Abgabebelastung nicht berücksichtigt.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-12:
57
Abgabe auf Beschäftigten- und Besucher-Parkplätzen
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
20
40
60
80
100
120
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
ECOPLAN
0
100
200
300
400
58
g)
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Abgabe auf öffentlichen Parkplätzen
Berechnungsverfahren und wichtigste Annahmen
Für die Aufteilung der Abgabelast auf Branchen und Haushalte haben wir folgende Annahmen getroffen:
– Die öffentlichen Parkplätze werden zum grössten Teil durch PWs belegt. Der gesamte
PW-Verkehr (Fahrzeugkilometer) kann in etwa wie folgt eingeteilt werden:(23)
– 80% Haushalte (Privatverkehr)
– 20% Geschäftsverkehr
Die mittlere Wegdistanz des Geschäftsverkehrs ist grösser als im Privatverkehr, d.h.
es sind weniger Parkierungsvorgänge pro gefahrenem Kilometer zu verzeichnen. Dazu
kommt, dass im Geschäftsverkehr häufiger nichtöffentliche Parkierungsmöglichkeiten
bestehen. Unter diesen Aspekten schätzen wir den Anteil des Geschäftsverkehrs (also
für Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen) auf rund 10% der totalen Abgabebelastung auf den öffentlichen Parkplätzen.
– Diese 10% haben wir aufgrund des geschätzten Benzinverbrauchs auf die verschiedenen Branchen verteilt.(24)
Wir rechnen damit, dass die Zahl der Parkplätze bzw. die Zahl der Fahrten auf einen
Parkplatz aufgrund der Lenkungswirkung um 2% (Variante A) bzw. 5% (Variante B) reduziert werden.
Kommentar zu den Resultaten
Die Abgabe schlägt pro Einwohner mit knapp 20 Fr. (Variante A) bzw. 35 Fr. (Variante B)
zu Buche. Weniger betroffen sind die Wirtschaftsbranchen. Die Abgabebelastung liegt bei
rund 5 Fr./Arbeitsplatz. Der Dienstleistungsbereich ist dabei leicht stärker betroffen als
der Industriebereich.
Wo liegen die Unsicherheiten?
Die Herleitung der Abgabebelastung beruht auf groben Schätzungen. Trotzdem drängt
sich eine Detaillierung hier nicht auf, da die Belastung pro Arbeitsplatz mit Sicherheit relativ gering ist. Im Hinblick auf eine zuverlässigere Schätzung des Einnahmenpotentials
wären genauere Angaben zu der Zahl der bewirtschaftbaren öffentlichen Parkplätze hingegen sehr erwünscht.
23 Vgl. ECOPLAN (1995), Wirtschaftliche Auswirkungen und Verteilungseffekte verschiedener CO2-
/Energieabgabe-Szenarien, S. B-42.
24 Vgl. eigene Auswertungen im Rahmen der ECOPLAN-Studie "Wirtschaftliche Auswirkungen und Vertei-
lungseffekte verschiedener CO2-/Energieabgabe-Szenarien" (nicht veröffentlichte Datengrundlagen).
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-13:
59
Abgabe auf öffentlichen Parkplätzen
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
5
10
15
20
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
ECOPLAN
0
10
20
30
40
60
h)
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Erhöhung der Motorfahrzeugsteuern
Berechnungsverfahren und wichtigste Annahmen
Eine 10%tige (Variante A) Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer und ein weiterer Abbau
noch bestehender Steuerprivilegien bringt zusätzliche Einnahmen in der Grössenordnung
von ca. 25 Mio. Fr. pro Jahr. In Variante B wird zusätzlich der Degressionssatz um 4%Punkte erhöht, was insgesamt zu Einnahmen von rund 35 Mio. Fr. führt. Wie teilen sich
die Einnahmen auf die Haushaltungen und den Wirtschaftsbereich auf? Wir gehen von
folgenden Annahmen aus:
– Den gesamten Fahrzeugbestand mit einem Gewicht von über 3500 kg haben wir dem
Wirtschaftsbereich zugeordnet. Dies sind rund 11% der gesamten Einnahmen. Zusätzlich sind wir davon ausgegangen, dass rund 20% der PWs als Geschäftswagen (z.B.
PWs aller Selbständigerwerbenden) angemeldet sind - dies entspricht 18% der gesamten Einnahmen. Der Wirtschaftsbereich steuert so etwa 29% zu den Einnahmen
bei.
– Den Rest, rund 71% der gesamten Einnahmen haben wir den Haushalten zugeschrieben.
– Für die Branchenaufteilung haben wir folgendes Vorgehen gewählt:(25)
– Die 11% aus dem Fahrzeugbestand über 3500 kg haben wir aufgrund des geschätzten Dieselverbrauchs auf die Branchen verteilt.
– Die 20% aus dem Fahrzeugbestand unter 3500 kg haben wir aufgrund des geschätzten Benzinverbrauchs auf die Branchen verteilt.
Kommentar zu den Resultaten
Stark betroffen sind die Branche Transporte (rund 250 Fr./Arbeitsplatz in Variante B) und
die Branchen, welche ihre Transporte mit eigenen Fahrzeugen durchführen; dies sind in
erster Linie der Gross- und Detailhandel sowie das Baugewerbe. Die Belastung in letzteren Branchen liegt aber selbst in der Variante B kaum über 50 Fr./Arbeitsplatz.
Wo liegen die Unsicherheiten?
Was die Branchenzuteilung betrifft, sind die Unsicherheiten relativ gross. Allerdings
drängt sich eine Detaillierung kaum auf. Diese könnte auch nur mit einem relativ grossen
Aufwand erhoben werden (Primärerhebung) - was u.E. in keinem Verhältnis zum Nutzen
von noch detaillierteren Resultaten steht.
25 Die Diesel- und Benzinverbräuche in den Branchen haben wir aufgrund von eigenen Auswertungen, die
wir im Rahmen der ECOPLAN-Studie "Wirtschaftliche Auswirkungen und Verteilungseffekte verschiedener CO2-/Energieabgabe-Szenarien" (nicht veröffentlichte Datengrundlagen) durchgeführt haben, auf den
Kanton Bern umgerechnet.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-14:
61
Erhöhung der Motorfahrzeugsteuern
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
20
40
60
80
100
120
140
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
160
180
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
ECOPLAN
0
50
100
150
200
250
300
62
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
i)
Kiesabgabe
Berechnungsverfahren und wichtigste Annahmen
Die Aufteilung des Kiesbedarfs im Kanton Bern haben wir aufgrund von Erhebungen vorgenommen, die im Rahmen einer Studie(26) für den Kanton Solothurn durchgeführt wurden. Wir haben dabei den nach 6 Sektoren aufgeteilten Kiesbedarf des Kantons Solothurn
aufgrund der Bauinvestitionsstatistik auf den Kanton Bern umgerechnet. Die Tabelle 6-15
zeigt den so hergeleiteten Kiesbedarf im Kanton Bern.
Tabelle -15:
Kiesbedarf im Kanton Bern (für das Jahr 1990)
Variante A
Variante B
Mio. m3
in%
Mio. m3
in%
Industrie- und Gewerbebauten
0.57
13%
0.48
13%
Landwirtschaft
0.10
2%
0.09
2%
Wohnungsbau
1.40
31%
1.19
31%
Private
0.25
6%
0.22
6%
Öffentlicher Tiefbau
1.69
38%
1.44
38%
Öffentlicher Hochbau
0.49
11%
0.41
11%
Total
4.50
100%
3.83
100%
Für die Aufteilung auf die Branchen haben wir folgende Annahmen getroffen:
– Der Kiesbedarf für den öffentlichen Tief- und Hochbau haben wir direkt dem Staat zugewiesen.
– Den Kiesbedarf für "Private" sowie für Industrie- und Gewerbebauten haben wir anhand der durchschnittlichen jährlichen Bauinvestitionen pro Beschäftigten(27) auf die
verschiedenen Branchen aufgeteilt.
Kommentar zu den Resultaten
Wie die Grafik zeigt, ist insbesondere der öffentliche Sektor (Bund, Kanton und Gemeinden) stark mit der Kiesabgabe belastet.(28)
Wo liegen die Unsicherheiten?
Unklar ist vor allem die Aufteilung des Kiesbedarfs auf Bund, Kanton und Gemeinden.
Hier wären allenfalls detailliertere Untersuchungen nötig, damit der Kantonsanteil separat
ausgewiesen werden könnte. Im weiteren müsste der Effekt auf die Kiesbranche noch
detaillierter abgeklärt werden (Distanzschutz).
26 Binswanger Ch., Siegenthaler C. (1993), Lenkung des kantonalen Kies- (und Kiesersatz-) Abbaus durch
planerische Massnahmen oder Abgaben aus der Sicht einer ökologisch-ökonomischen Gesamtbilanz.
27 Vgl. Sohre P. (1995), KOF/ETH Investitionstest: Hochrechnungen für die Schweizer Bau- und Ausrü-
stungsinvestitionen auf Branchenebene.
Wir haben das Mittel aus den jährlichen Werten für 1989 bis 1992 genommen.
28 Die Branchen Transport, Schulen/Kultur/Sport und Gesundheitswesen weisen keine Belastung mit der
Kiesabgabe auf. Wir gehen davon aus, dass der überwiegende Anteil des Kiesbedarfs für diese Branchen
durch den öffentlichen Tief- und Hochbau abgedeckt ist (z.B.: Strassenbau, Bau von Schulhäusern, Spitäler, usw.).
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-16:
63
Kiesabgabe
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
ECOPLAN
0
200
400
600
800
1000
64
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
j)
Bodenversiegelungsabgabe
Berechnungsverfahren und wichtigste Annahmen
Die Neuversiegelungsfläche konnte nur sehr grob abgeschätzt werden. Aufgrund von
jährlichen Veränderungen in den Siedlungsflächen und Erschliessungen haben wir versucht, die Neuversiegelungsfläche abzuschätzen. Wir sind dabei davon ausgegangen,
dass die Neuversiegelungsfläche ab 1995 im Vergleich zu der Periode 1978 bis 1989 um
20% zurückgeht. Die konkreten Annahmen sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:
Tabelle 6-17: Neuversiegelungsfläche im Kanton Bern
Jährliche Veränderungen
Versiegelungsanteil
1978 bis 89
Siedlungsflächen
1460
Gebäude ausserhalb Siedlung
2500
ha
Plätze / Sportanlagen
210
ha
Überörtliche Erschliessung
160
Örtliche Erschliessung
800
50%
Versiegelungsfläche
1978 bis 89
Versiegelungsfläche
ab 1995
CH
Kt. Bern
Kt. Bern
Mio. m2
Mio. m2
Mio. m2
7.30
1.04
0.82
0.25
0.04
0.03
30%
0.63
0.09
0.07
km
8 m
1.28
0.18
0.14
km
6 m
4.80
0.69
0.54
14.26
2.04
1.60
100 m2/ Geb.
Total
Die Neuversiegelungsflächen im Bereich der Siedlungsflächen haben wir aufgrund des
prognostizierten Neubauflächenzuwachses zwischen 1996 und 2005(29) auf die Haushalte, Industrie und Dienstleistungen aufgeteilt. Wir haben dabei die Industrieflächen
doppelt gewichtet, da der Versiegelungsanteil pro neu gebauter Bruttogeschossfläche
grösser ist als im Wohn- und Dienstleistungsbereich. Es ergab sich folgende Aufteilung
der 0.82 Mio. m2 Neuversiegelungsfläche im Siedlungsbereich:
– Haushalte
76%
– Industrie
18%
– Dienstleistungen
7%
Die Aufteilung auf die Branchen haben wir wie schon bei der Kiesabgabe aufgrund der
mittleren jährlichen Bauinvestitionen vorgenommen.
Kommentar zu den Resultaten
Wie schon bei der Kiesabgabe ist bei der Bodenversiegelungsabgabe der öffentliche Sektor der Hauptbetroffene. Die Branchen Transport, Schulen/Kultur/Sport und Gesundheitswesen weisen keine Abgabebelastung auf, da sie in diesem Falle dem öffentlichen
Sektor zugewiesen werden.
Wo liegen die Unsicherheiten?
Die Unsicherheiten bezüglich der Gesamteinnahmen sowie der Branchenaufteilung sind
relativ gross. Eine detailliertere Analyse wäre vor Einführung einer solchen Abgabe noch
zu leisten.
29 Gemäss Wüest & Partner (1994), Basisdaten und Perspektiven zur Entwicklung des Gebäudeparks 1990 -
2030.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-18:
65
Bodenversiegelungsabgabe
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
100
200
300
400
500
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
600
700
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
ECOPLAN
0
500
1000
1500
66
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Die kumulierte Abgabenbelastung der Branchen
Die Grafiken 6-19 und 6-21 zeigen die kumulierte Abgabenbelastung in den Branchen pro Arbeitsplatz bzw. in % des Umsatzes. Die Grafiken 6-20 und 6-22 zeigen die kumulierte Abgabebelastung der "Firmenbeispiele".(30) Die Ergebnisse auf einen Blick:
❏ Die Karton-, Papierproduktion ist von den Abgaben sehr stark betroffen (insbesondere
von den Wasser-, Abwasser-, Abfall-, Strom- und NOx-Grossfeuerungsabgabe).
❏ Stark betroffen sind die Branchen Elektrizität (dies vor allem aufgrund der Kühlwas-
serabgabe beim Kernkraftwerk Mühleberg), Papierverarbeitung sowie Steine und Erden. Ebenfalls stark betroffen ist der öffentliche Sektor (vor allem durch die Kies- und
Bodenversiegelungsabgabe).
❏ Überdurchschnittlich betroffen sind die Branchen Gas/Wasser (dies vor allem auf-
grund der Wasserpumpwerke), Nahrung/Getränke, Textil, Chemie, Giessereien und
Eisenbahnen.
❏ Die Firmenbeispiele zeigen, dass innerhalb einer Branche grosse Unterschiede beste-
hen. Das bedeutet, dass die Branchenresultate als Durchschnittswerte angesehen
werden müssen. Die einzelnen Betriebe in den Branchen können von diesem Durchschnittswert mehr als 100% abweichen.
❏ Die durchschnittliche Belastung pro Arbeitsplatz im gesamten Wirtschaftsbereich
(inkl. öffentlichen Sektor) beträgt 260 Fr. (Variante A) bzw. 660 Fr./Arbeitsplatz
(Variante B). Die Belastungen in den einzelnen Wirtschaftssektoren zeigt folgendes
Bild:
Variante A
Variante B
– Landwirtschaft
50 Fr./AP
135 Fr./AP
– Industrie/Gewerbe
250 Fr./AP
690 Fr./AP
– Dienstleistungen
180 Fr./AP
470 Fr./AP
1'250 Fr./AP
2'700 Fr./AP
– Öffentl. Sektor
Der Industriesektor wird pro Arbeitsplatz erwartungsgemäss - nämlich mit etwa 40%
bis 50% - mehr belastet als der Dienstleistungssektor. Der öffentliche Sektor ist vor
allem durch die Kies- und Bodenversiegelungsabgabe betroffen.
❏ Die durchschnittliche Belastung in Prozent des Umsatzes im gesamten Wirt-
schaftsbereich (inkl. öffentlichen Sektor) beträgt 0.15% (Variante A) bzw. 0.38%
(Variante B). Die Belastungen in den einzelnen Wirtschafssektoren zeigt folgendes
Bild:
Variante A
Variante B
– Landwirtschaft
0.04 %
0.10 %
– Industrie/Gewerbe
0.11 %
0.31 %
– Dienstleistungen
0.11 %
0.30 %
– Öffentl. Sektor
1.01 %
2.19 %
Die Belastung in Prozent des Umsatzes zeigt, dass der Industrie- und Dienstleistungssektor in etwa gleich stark betroffen sind.
30 In den Firmenbeispielen sind nur die Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Stromabgabe enthalten.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-19:
67
Totale Abgabenbelastung pro Arbeitsplatz bzw. Einwohner
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
Fr./Arbeitsplatz bzw. Fr./Einwohner
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
0
2000
4000
6000
8000
10000
12000
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Durchschnitt "Wirtschaftsbereich"
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Haushaltungen
Grafik 6-20:
Wasser-, Abwasser-, Abfall-, Stromabgabe - Firmenbeispiele
Variante A
Variante B
Wasser-, Abwasser-, Abfall-, Stromabgabe in Fr./AP
Wasser-, Abwasser-, Abfall-, Stromabgabe in Fr./Arbeitsplatz
0
500
1'000 1'500 2'000 2'500 3'000 3'500 4'000 4'500
Papier
Papier
Fettverarbeitung
Extraktion
Milchprodukte
Nahrungsmittel
Kieswerk
Baugrundstoffe
Nahrungsmittel
Nahrungsmittel
Verpackungen
Textil
Beschichtungen
Gerberei
Grafik
Labor
Druckerei
Forschung
ECOPLAN
0
5'000
10'000
15'000
68
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-21:
Totale Abgabenbelastung in % des Umsatzes
Variante A
Variante B
in % des Bruttoproduktionswertes (Umsatz)
0.0%
0.2%
0.4%
0.6%
0.8%
1.0%
in % des Bruttoproduktionswertes (Umsatz)
1.2%
0.0%
1.0%
2.0%
3.0%
4.0%
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Durchschnitt "Wirtschaftsbereich"
Durchschnitt "Wirtschaft"
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Grafik 6-22:
Wasser-, Abwasser-, Abfall-, Stromabgabe - Firmenbeispiele
Variante A
Variante B
Wasser-, Abwasser-, Abfall-, Stromabgabe in % des Umsatzes
0.00%
0.20%
0.40%
0.60%
0.80%
Wasser-, Abwasser-, Abfall-, Stromabgabe in % des Umsatzes
1.00%
Papier
Papier
Fettverarbeitung
Extraktion
Milchprodukte
Nahrungsmittel
Kieswerk
Baugrundstoffe
Nahrungsmittel
Nahrungsmittel
Verpackungen
Textil
Beschichtungen
Gerberei
Grafik
Labor
Druckerei
Forschung
ECOPLAN
0.00%
1.00%
2.00%
3.00%
4.00%
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
69
Beurteilung der Resultate
Folgende Punkte erscheinen uns besonders wichtig:
❏ Die starke Belastung der Karton- und Papierproduktion zeigt, dass ein Ermässi-
gungsmodell unbedingt nötig ist. Eine Belastung von über 10'000 Fr. pro Arbeitsplatz (in Variante B) wäre für jeden Industriebetrieb das "Aus".
❏ Die Überwälzung der Abgabe auf die Güterpreise dürfte insbesondere im Dienstlei-
stungssektor kaum Probleme bereiten. Eine damit induzierte Preiserhöhung von
0.2% bis 0.3% (Variante B) fällt relativ moderat aus.
❏ Eine Überwälzung der Abgabe auf die Güterpreise stösst vor allem in den import- und
exportsensiblen Industriebranchen schnell an Grenzen. In diesen Branchen wird sich
der Kostendruck auf dem Faktoreinsatz (insbesondere Arbeit) stark erhöhen. Dies betrifft die Branchen:
– Nahrung/Getränke
– Textil
– Teile der Chemieindustrie
– Kunststoff
– Steine und Erden
– Metallurgie
– Giessereien
– Maschinen- und Fahrzeugindustrie
– Elektrotechnik
Zur Güte der Resultate
Mit einer solch detaillierten Branchendarstellung von verschiedensten Umweltabgabebelastungen haben wir Neuland betreten. Wie die Erläuterungen zu den einzelnen Abgaben
zeigen, mussten wir häufig Annahmen treffen. Wie realitätsnah dieses Branchenbild ist,
hängt selbstverständlich von der Güte dieser Annahmen ab. Wenn auch bei einzelnen
Abgaben relativ grosse Unsicherheiten - vor allem bei der Aufteilung auf die verschiedenen Branchen - bestehen(31), vermag die Gesamtschau u.E. ein sehr gutes und umfassendes Bild zu geben. Es ist allerdings erneut festzuhalten: Die wiedergegebenen Belastungen sind durchschnittliche Branchenbelastungen - einzelne Betriebe können stark
über oder unter dem Branchendurchschnitt liegen.
31 Auf diese Unsicherheiten haben wir bei den jeweiligen Abgabe-Erläuterungen hingewiesen.
ECOPLAN
70
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
6.2.2 Ermässigungsmodell für stark betroffene Branchen
Wie das vorhergehende Kapitel gezeigt hat, ist ein Ermässigungsmodell nötig. Die verschiedenen Möglichkeiten für Ermässigungsmodelle wurden schon in anderem Zusammenhang detailliert beschrieben.(32) Wir erachten es als sinnvoll, das schon bestehende
Ermässigungsmodell zu verwenden. Wir sind von folgenden Annahmen ausgegangen:
❏ Wenn die Belastung einen Schwellenwert von 1000 Fr. (Variante A) bzw. 2000 Fr. pro
Arbeitsplatz (Variante B) übersteigt, ermässigt sich der darüber liegende Abgabenanteil
um 90%. Bei der Festlegung dieses Schwellenwertes haben wir darauf geachtet, dass
nur die sehr stark betroffenen Betriebe vom Ermässigungsmodell profitieren können.
Damit kann der Vollzugsaufwand gering gehalten werden.
Die Ermässigung für sehr stark betroffene Betriebe führt zu Mindereinnahmen. Wir
schätzen diese Mindereinnahmen auf 3% der Einnahmen aus dem Wirtschaftsbereich.
Der Schwellenwert kann auch niedriger angesetzt werden, wenn auch die weniger
stark betroffenen Betriebe vom Ermässigungsmodell profitieren sollen. Allerdings
steigt dann der Vollzugsaufwand und auch die rückverteilbaren Einnahmen aus den
Abgaben gehen massiv zurück.
❏ Welche Abgaben sollen für die Berechnung des Schwellenwertes berücksichtigt wer-
den? Die Kies- und Bodenversiegelungsabgaben können bei der Berechnung eines
solchen Schwellenwertes nicht berücksichtigt werden. Diese fallen in der Regel in
sehr unregelmässigen Abständen und einzelfallweise (z.B. beim Bau einer neuen Fabrikhalle), dann aber in beträchtlicher Höhe an. Würden diese Abgaben ins Ermässigungsmodell miteinbezogen, so würde dies die Grundidee der Kies- und Bodenversiegelungsabgabe unterlaufen.
Wir schlagen vor, diejenigen Abgaben, welche insbesondere die industrielle Produktion ganz direkt betreffen, zur Berechnung des Schwellenwertes heranzuziehen. Dies
sind:
– Wasser
– Abwasser
– Abfall
– Elektrizität
– NOx bei Grossfeuerungen
Die Grafik 6-23 zeigt die Belastung in den Branchen, wenn ein Ermässigungsmodell gemäss obigen Annahmen eingeführt würde. Es zeigt sich, dass ein solches Modell die
"Spitzenbelastungen" brechen kann.
32 ECOPLAN (1992), Belastung von Haushalten und Wirtschaft durch verursacherfinanzierte Abgaben.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-23:
71
Totale Abgabebelastung in den Branchen mit Ermässigungsmodelle
Variante A
Variante B
Fr./Arbeitsplatz
Fr./Arbeitsplatz
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
0
500
1000
1500
2000
2500
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Durchschnitt "Wirtschaftsbereich"
Durchschnitt "Wirtschaft"
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
ECOPLAN
3000
72
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
6.2.3 "Gewinner"- und "Verlierer"-Branchen (mit Ermässigungsmodell)
Für die Darstellung von "Gewinner"- und "Verlierer"-Branchen in der Grafik 6-24 haben wir
folgende Annahmen getroffen:
– Die Einnahmen aus dem Wirtschaftsbereich werden den Unternehmungen vollständig
zurückerstattet.
– Die Rückerstattung erfolgt nach Massgabe der Lohnsumme ("Lohnsummenbonus").
Grafik 6-24:
"Gewinner-" und "Verlierer"-Branchen - Nettoabgabebelastung
Variante A
"Gewinner"
-200
0
Variante B
"Verlierer"
Fr./Arbeitsplatz
200
400
600
800
1000
"Gewinner"
-500
0
Fr./Arbeitsplatz
500
1000
"Verlierer"
1500
2000
Landwirtschaft
Elektrizität
Gas/Wasser
Nahrung/Getränke
Textil
Bekleidung
Holz/Sägereien
Karton-, Papierprod.
Papierverarbeitung
Druck/Grafik
Chemie
Kunststoff
Steine und Erden
Metallurgie
Giesserein/Alu
Maschinen
Elektrotechnik
Bijouterie
Baugewerbe
Grosshandel
Detailhandel
Gastgewerbe
Eisenbahnen
Transport
Telekommunikation
Banken/Versich.
Übrige Dienstleistung
Schulen/Kultur/Sport
Gesundheitswesen
Bund/Kanton/G'den
Unter der Prämisse, dass der Wirtschaft die von ihr bezahlten Abgaben nach Massgabe
der Lohnsumme rückerstattet werden, lässt sich folgendes festhalten:
– Zu den "Gewinnern" zählen die meisten Branchen des Dienstleistungssektors (ausser
dem Gastgewerbe, den Eisenbahnen und dem Transportgewerbe). Im Industriesektor
gibt es gleichviele "Gewinner" wie "Verlierer".
– Das Ausmass der Nettobelastung pro Arbeitsplatz ist bei den "Verlierern" grösser als
der positive Nettoeffekt bei den "Gewinnern". Dies rührt daher, dass in den
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
73
"Verliererbranchen" rund 20% aller Beschäftigten tätig sind, währenddem die
"Gewinnerbranchen" 80% der Beschäftigten umfassen.
– Die Wettbewerbsposition wird durch dieses Abgabe- und Rückerstattungssystem vor
allem in denjenigen Branchen tangiert, die import- und exportsensibel reagieren - also
in erster Linie in Branchen des Industriesektors. Die nachfolgende Zusammenstellung
zeigt die heutige Einschätzung der Wettbewerbsposition gegenüber der EU und die
Veränderungen von MUEK.
Tabelle 6-25: Veränderung der Wettbewerbsposition import- und exportsensibler
Branchen.
Import- oder exportsensible
Branchen
Nahrung/Getränke
Heutige Wettbewerbsposi- Veränderung der Wettbetion(33)
werbsposition durch MUEK
mittel
Chemie
stark
Kunststoff
0
0
+
+
schwach
Textil
mittel
Steine und Erden
schwach
Metallurgie
schwach
Giessereien/Alu
schwach
Maschinen
mittel
Elektrotechnik
stark
Legende:
- Wettbewerbsposition wird durch MUEK negativ beeinflusst
0 Wettbewerbsposition wird durch MUEK weder positiv noch negativ beeinflusst
+ Wettbewerbsposition wird durch MUEK positiv beeinflusst
Die Maschinen- und Elektrotechnikbranche (rund 51'000 Beschäftigte) kann mit einer
Stärkung rechnen; hingegen verschlechtert sich die Wettbewerbsposition in den Branchen Nahrung/Getränke, Textil, Chemie, Steine und Erden sowie Giessereien (rund
20'000 Beschäftigte). Drei dieser fünf "Verlierer"-Branchen weisen schon heute eine
schwache Wettbewerbsposition auf.
Fazit: "Gewinner" eines solchen MUEK-Systems wäre der tertiäre Sektor. Rund 20% der
Beschäftigten (bzw. deren Firmen) werden schlechter gestellt, während 80% davon profitieren. Kritisch wird es für die import- bzw. exportsensiblen Branchen Nahrung/Getränke, Steine und Erden und Giessereien (zusammen rund 15'000 Beschäftigte),
die heute schon eine schwache Wettbewerbsposition aufweisen.
33 Gemäss Graf H.G. (1994): Alleingang versus EU-Beitritt, Branchenszenarien für die Schweiz. Die Ein-
schätzung der Wettbewerbsposition ist immer gegenüber der EU gemeint.
ECOPLAN
74
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
6.3
Soziale Verteilungseffekte
Wie wirken sich diese Abgaben auf die Haushalte aus? Wie stark werden "ärmere" und
"reichere" Haushalte belastet? Die Grafik 6-26 zeigt die Abgabenbelastung in den
"ärmeren" und "reicheren" Haushalten.(34)
Tabelle 6-26: Belastung von "armen" und "reichen" Haushalten
"armer"
Durchschnitts-
"reicher"
Bemerkungen und Annahmen zur unterschiedlichen
Haushalt
haushalt
Haushalt
Belastung in "armen" und "reichen" Haushalten
(10% Ärmste)
(10% Reichste)
Var. A
Var. B
Var. A
Var. B
Var. A
Var. B
Fr./Kopf
Fr./Kopf
Fr./Kopf
Fr./Kopf
Fr./Kopf
Fr./Kopf
Wasser
1.9
5.2
2.1
5.7
2.3
6.3
"armer" Haushalt: -10% vom Durchschnittshaushalt
Abwasser
8.8
19.7
9.8
21.9
10.8
24.1
"reicher" Haushalt: +10% vom Durchschnittshaushalt
Abfall
2.9
10.2
3.2
11.3
3.5
12.5
Strom
5.1
17.1
5.8
19.2
6.9
23.1
gemäss Ausgaben für Strom aus der VE90
Feuerungen
0.5
1.2
0.7
1.9
0.9
2.4
gemäss Ausgaben für Oel/Gas aus der VE90
Besch.-PP
Wird von den Firmen bezahlt und entweder über den
Lohn oder direkt den Beschäftigten weiterverrechnet.
Wir haben daher die Abgabebelastung bei den Firmen
angesetzt.
Öffentliche PP
8.5
16.4
18.4
35.7
22.0
42.7
Belastung gemäss den Fahrzeugkilometern. Diese haben
wir indirekt aus den Ausgaben für Benzin aus der VE90
berechnet; wobei wir annehmen, dass die PWs der
"reichen" Haushalte einen doppelt so hohen spezifischen Benzinverbrauch ausweisen.
MFZ-Steuer
13.4
18.7
18.6
26
23.8
33.3
"armer" Haushalt: MFZ-Steuer-Erhöhung für einen
Kleinwagen
"reicher" Haushalt: MFZ-Steuer-Erhöhung für grossen
PW
Kies
6.2
13.9
8.3
18.7
11.0
24.5
gemäss der Nettowohnfläche aus der VE90.
Versiegelung
12.3
24.6
16.4
32.9
21.6
43.2
gemäss der Nettowohnfläche aus der VE90.
Total pro Kopf
59.5
127.1
83.3
173.3
102.8
212.1
Pro Erwachsener
68
145
95
198
117
242
Wir gehen davon aus, dass die Abgabenbelastung für
Kinder rund
Pro Kind
34
73
48
99
59
121
50% der Erwachsenen-Belastung beträgt.
Die obige Tabelle zeigt, dass für die Haushalte die Abgabe auf öffentlichen Parkplätzen
die bedeutendste Abgabe ist, gefolgt von der Versiegelungsabgabe.(35) Einen relativ geringen Anteil machen die Wasser- und Feuerungsabgabe aus.
34 Die Auswertung stützt sich auf die Verbrauchserhebung 1990 (VE90). Es wird also mit gesamtschweize-
rischen Durchschnittswerten gerechnet.
35 Die Versiegelungs- und auch die Kiesabgabe betreffen die Haushalte entweder durch höhere Mieten oder
durch höhere Baukosten bei Neuwohnungen und neuen Eigenheimen. Oben ist die Versiegelungsabgabe
aus Vergleichsgründen über alle Haushalte verteilt worden.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
75
In welchem Verhältnis steht diese Abgabenbelastung zum Einkommen der Haushalte?
Wir untersuchen dies an verschiedenen "Modellhaushalten" (vgl. Tabelle 6-27):
Tabelle 6-27: "Modellhaushalte": Einkommen und Abgabebelastung (Variante B)
Verheiratetes Ehepaar mit 2 Kindern
"armer" Haushalt
Durchschnittshaushalt
"reicher" Haushalt
35'000(36)
66'000(37)
120'000
Abgabebelastung Fr./Jahr
435
595
725
Abgabebelastung in %
des Einkommens
1.2%
0.9%
0.6%
Einpersonen-haushalt
"armer" Haushalt
Einkommen
Einkommen
Fr./Jahr
Fr./Jahr
15'000(38)
Abgabebelastung Fr./Jahr
145
Abgabebelastung in %
des Einkommens
0.9%
Die obigen Modellhaushalte zeigen, dass bei den "ärmeren" Haushalten die Abgabenbelastung über 1% vom Einkommen in Anspruch nimmt, währenddem sie bei den "reicheren"
Haushalten viel weniger ins Gewicht fällt.
Will man die "ärmeren" Haushalte zumindest nicht schlechter stellen als heute, so ist
ihnen mindestens 145 Fr./erwachsene Person und 75 Fr./Kind zurückzuerstatten.
36 Ein Vollzeiterwerbstätiger mit Minimallohn.
37 Entspricht ungefähr dem durchschnittlichen Erwerbseinkommen eines Vollzeitbeschäftigten im Kanton
Bern.
38 Z.B. Rentner oder Rentnerin mit Ergänzungsleistung.
ECOPLAN
76
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
6.4
Regionale Verteilungseffekte
Wie werden die Teilräume und Regionen im Kanton Bern durch MUEK tangiert? Ergeben
sich durch MUEK massive Umverteilungen zwischen den Regionen? Auf diese Fragen
können wir trotz des relativ guten Datenmaterials auf der Belastungsseite nur grobe
Antworten geben:
– Einerseits fehlt die nötige Datenbasis für eine detaillierte Abschätzung des Einflusses
der Verwendungsseite von MUEK,
– andererseits sind die Abgaben von Region zu Region verschieden. Auch hier fehlen
genaue Angaben.
In einem ersten Schritt haben wir die Abgabebelastung auf der Haushalts- und Unternehmensseite abgeschätzt. Dabei haben wir folgende regionale Unterschiede berücksichtigt:
– Die Abwasserabgabe wurde regional differenziert. Die regionale Differenzierung
wurde nach Massgabe der unterschiedlichen Reinigungsleistung der ARAs vorgenommen. So wurde z.B. für die Region Bern angenommen, dass die Abgabebelastung
20% unter dem Mittelwert liegt. Für die Regionen Saanenland, Kandertal und Oberland-Ost sind wir von einer um 50% über dem Mittelwert liegenden Abwasser-Abgabebelastung ausgegangen. Für die restlichen Regionen wurden Werte dazwischen
gewählt, wobei für urbanere Regionen (z.B. Biel und Thun) eine tiefere Abgabebelastung angenommen wurde als z.B. für die Voralpengebiete und den Jura.
– Im Verkehrsbereich haben wir die Auswirkungen der Abgaben regional differenziert, namentlich: Abgabe auf Besucher- und Beschäftigtenparkplätzen, Abgabe auf
öffentlichen Parkplätzen sowie die Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer. Für die Region
Bern wurde angenommen, dass der relativ hohe Anteil des öffentlichen Verkehrs und
der geringere Anteil des Privatverkehrs dazu führen wird, dass die Belastung pro Beschäftigten bzw. pro Einwohner 20% unter dem Mittelwert liegt. Für die Regionen
Saanenland, Kandertal und Oberland-Ost und den Jura sind wir von um 25% über dem
Mittelwert liegenden Einnahmen ausgegangen. Für die restlichen Regionen wurden
Werte dazwischen gewählt.
– Berücksichtigt wurde im weiteren die unterschiedliche Branchenstruktur in den
Regionen. Eine spezielle Auswertung hat uns erlaubt, die Anzahl der Beschäftigten in
den jeweiligen Branchen differenziert nach 13 Regionen zu bestimmen. Damit wurde
es möglich, die unterschiedliche Branchenstruktur in den Regionen abzubilden und die
Abgabebelastung zu berechnen.
Hat z.B. eine Region einen relativ hohen Anteil von Branchen, die relativ stark durch
die Umweltabgaben belastet werden, so liegt die Abgabebelastung pro Beschäftigten
in dieser Region über dem Mittelwert.
Für die restlichen Abgaben (Abfall-, Wasser-, Kies-, Versiegelungs-, NOx- und Elektrizitätsabgabe) konnte mangels Datengrundlage keine regionale Differenzierung vorgenommen werden. Die meisten dieser Abgaben werden sich zwischen den Regionen nicht
sehr stark unterscheiden.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
77
Die nachfolgende Tabelle 6-28 stellt die Abgabebelastung im Unternehmensbereich (in
Fr./Beschäftigter) und im Haushaltsbereich (in Fr./Kopf) dar. Die Abweichungen vom Mittelwert geben erste Hinweise auf regionale Verteilungseffekte.
Tabelle 6-28: Abgabebelastung pro Beschäftigtem und pro Kopf in den Regionen
Regionen
im Kanton Bern
Beschäftigte
Bevölkerung
1990(1)
1993(2)
Abgabebelastung (Variante B)
im Arbeitsbereich
in
Fr./Besch.
Region Bern + Laupen
im Haushaltbereich
Abweichung in Fr./Kopf
vom Mittelwert
Abweichung
vom Mittelwert
188'976
41.3%
324'698
33.6%
660
3.1%
160
-5.9%
Erlach/östliches Seeland
18'913
4.1%
44'423
4.6%
630
-1.6%
180
5.9%
Biel/Seeland/Büren
52'888
11.6%
109'888
11.4%
550
-14.1%
170
0.0%
Jura
22'490
4.9%
52'528
5.4%
650
1.6%
190
11.8%
Oberaargau
33'588
7.3%
76'436
7.9%
650
1.6%
190
11.8%
Burgdorf
28'978
6.3%
70'505
7.3%
670
4.7%
190
11.8%
Oberes Emmental
10'416
2.3%
26'312
2.7%
540
-15.6%
190
11.8%
Gürbe-, Aare-, Kiesental
18'368
4.0%
56'638
5.9%
560
-12.5%
190
11.8%
Schwarzwasser
6'067
1.3%
17'105
1.8%
510
-20.3%
190
11.8%
Thun-Innertport
43'522
9.5%
111407
11.5%
650
1.6%
180
5.9%
Saanenland/Simmental
7'328
1.6%
16'139
1.7%
640
0.0%
200
17.6%
Kandertal
5'529
1.2%
14'951
1.5%
630
-1.6%
200
17.6%
20'022
4.4%
45'019
4.7%
780
21.9%
200
17.6%
457'085
100%
966'049
100%
640
Oberland-Ost
Total
170
Die obige Zusammenstellung der regionalen Abgabebelastung lässt sich folgendermassen kurz kommentieren:
Arbeitsbereich:
– Die Abgabebelastung pro Beschäftigtem liegt in den Voralpenregionen Oberes Emmental, Gürbe-, Aare- und Kiesental sowie im Scharzwasser aufgrund des relativ hohen Anteils an Landwirtschaft (gehört zu den "Gewinner"-Branchen) unter dem kantonalen Mittelwert.
– Nur gerade das Oberland-Ost liegt deutlich (rund 22%) über dem kantonalen Mittelwert; dies in erster Linie aufgrund der stark vertretenen Tourismusbranche.
– Die restlichen Regionen liegen in etwa im kantonalen Mittel.
Haushaltsbereich:
– Die pro-Kopf-Abgabebelastung liegt nur in der Region Bern unter dem kantonalen Mittel.
– Die restlichen Regionen liegen bis zu rund 18% über dem kantonalen Mittelwert.
1
Gemäss Volkszählung 1990 und einer Spezialauswertung der MS-Regionen.
2
Gemäss eigenen Berechnungen und Hochrechnungen.
ECOPLAN
78
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grosse Unterschiede in der regionalen Abgabebelastung bestehen nicht. Allenfalls ist für
das Oberland-Ost eine gewisse Benachteiligung festzustellen, da die Abgabebelastung
sowohl im Arbeitsbereich wie auch im Haushaltsbereich über dem kantonalen Mittel
liegt.
Damit die Verteilungseffekte zwischen den Regionen vollständig erfasst werden, muss
die Verwendungsseite von MUEK, also die Rückerstattung an Haushalte bzw. Unternehmen, berücksichtigt werden. In der nachfolgenden Tabelle sind die regionalen Verteilungswirkungen dargestellt. Wir haben auf der Verwendungsseite zum einen mit einer
Pauschale pro Kopf gerechnet, d.h. die gesamten Einnahmen werden pro Kopf der Bevölkerung zurückerstattet (vgl. dazu Kapitel 5). Zum andern haben wir versucht die Verteilungseffekte eines Lohnsummenbonus und einer Steuerreduktion darzustellen. Da weder
die Lohnsumme noch die Steuereinnahmen in den Regionen greifbar war, haben wir das
"Volkseinkommen" als Hilfsgrösse beigezogen. Die Einnahmen aus den Abgaben wurden
für das Modell "Steuerreduktion" und "Lohnsummenbonus" anhand des geschätzten
Volkseinkommens auf die unterschiedlichen Regionen rückverteilt.
Tabelle 6-29: Regionale Verteilungseffekte
Regionen
im Kanton Bern
Abgabe
Rückerstattung
Saldo
Mio. Fr.
Mio. Fr.
Mio. Fr.
175
158
Erlach/östliches Seeland
20
Biel/Seeland/Büren
Steuerreduktion/Lohnsummenbonus
Saldo
Saldo
pro Kopf
Rück-erstattung
Fr./Kopf
für 1990
Mio. Fr.
Mio. Fr.
Fr./Kopf
-17
-53
46'500
201
26
81
22
2
41
30'200
18
-2
-43
48
53
5
49
37'900
56
8
68
Jura
25
26
1
17
28'300
20
-5
-92
Oberaargau
36
37
1
14
31'500
32
-4
-52
Burgdorf
33
34
2
24
30'600
29
-4
-53
Oberes Emmental
11
13
2
84
22'000
8
-3
-108
Gürbe-, Aare-, Kiesental
21
28
7
118
28'700
22
1
15
Schwarzwasser
6
8
2
117
22'000
5
-1
-76
Thun-Innertport
48
54
6
55
32'400
48
0
1
Saanenland/Simmental
8
8
0
-5
36'700
8
0
-2
Kandertal
6
7
1
53
24'900
5
-1
-100
25
22
-3
-60
31'100
19
-6
-132
36'400
470
Region Bern + Laupen
Oberland-Ost
Ausserkantonal
Total
(Var. B)
pro-Kopf-Rückerstattung
Saldo
Volkseink.
9
470
470
Die obige Tabelle zeigt in der 2. Spalte die Abgabebelastung in den einzelnen Regionen in
Mio. Fr. Für das Modell "Pauschale pro Kopf" und "Steuerreduktion / Lohnsummen-bonus"
wurden jeweils die Rückerstattungen regionsweise berechnet. Die Differenz zwischen
den Rückerstattungs-Einnahmen und den Abgabebelastung resultiert der Saldo - dargestellt in Mio. Fr. und in Fr./Kopf. Ein positiver Saldo, bedeutet dass die Region zu den
"Gewinnern" gehört; "Verlierer" haben einen negativen Saldo.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
79
Schlussfolgerungen:
Zusammenfassend lässt sich die Tabelle 6-29 wie folgt interpretieren:
– Es gibt regionale Umverteilungen im Rahmen eines Systems MUEK. Die Umverteilungen halten sich aber im Rahmen. Die maximalen "Gewinner"- oder "Verlierer"-Regionen
werden nie mehr als rund 130 Fr. pro Kopf besser bzw. schlechter gestellt.
– Die Umverteilung ist stark vom gewählten Verwendungsmodell abhängig. Während im
Modell "Pauschale pro Kopf" die "ärmeren" Regionen (Schwarzwasser, Oberes Emmental, Gürbe-, Aare-, Kiesental) profitieren, sind es im MUEK-System mit Steuerreduktion oder Lohnsummenbonus die urbanen "reicheren" Regionen (insbesondere
Bern, aber auch Biel).
– Sollen die regionalen Umverteilungswirkungen minimiert werden, so wäre eine Kombination zwischen pro-Kopf-Modell und dem Lohnsummenbonus bzw. der Steuerreduktion zu wählen.
ECOPLAN
80
6.5
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen
Wie wirkt sich das System MUEK auf die Gesamtwirtschaft aus? Eine "genaue", quantitativ abgestützte Antwort ist nicht möglich - ein pragmatisches und qualitatives Vorgehen
ist gefragt. Wir versuchen im folgenden, die zentralen Fragestellungen herauszuschälen
und möglichst transparent unsere Antwort darauf zu geben.
Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen wollen wir aus 4 verschiedenen Blickwinkeln
analysieren. Die nachfolgende Grafik zeigt unseren Ansatz:
Grafik 6-30:
MUEK: Wirkung auf Effizienz/Wohlfahrt, Branchenstrukturwandel,
Standortgunst sowie Innovation
Ohne MUEK
Mit MUEK
Effizienz/Wohlfahrt
Branchenstrukturwandel
Standortgunst
Prozess
Prozess
Produkt
Produkt
Innovation
Chancen und Risiken von MUEK
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
81
Die 4 zentralen Themen lassen sich wie folgt formulieren:
❏ Steigert MUEK die Effizienz und Wohlfahrt? (Kapitel 6.5.1)
Wir stellen uns die Frage, welche wirtschaftlichen Effekte MUEK auf die wirtschaftliche Effizienz und die Wohlfahrt der gesamten bernischen Wirtschaft hat. Im Vordergrund steht eine komparativ statische Totalanalyse, d.h. die positiven oder negativen
dynamischen Effekte (z.B. Wirkung auf technologischen Fortschritt) eines Systems
MUEK werden hier vernachlässigt.
❏ Beschleunigt MUEK den Strukturwandel? (Kapitel 6.5.2)
Ist MUEK strukturerhaltend oder fördert es den Strukturwandel. Mit welchen positiven
oder negativen Effekte ist aus dynamischer Sicht zu rechnen?
❏ Steigert MUEK die bernische Standortattraktivität? (Kapitel 6.5.3)
Ein zentraler Punkt, der gegen oder für ein System MUEK spricht, ist die Wirkung auf
die Standortattraktivität. Welche Standortfaktoren werden durch MUEK beeinflusst
und in welche Richtung?
❏ Fördert MUEK Innovationen? (Kapitel 6.5.4)
Wird das Innovationsklima im Prozess- oder Produktebereich durch MUEK beeinflusst?
Mit welchen Wirkungen auf die Innovationstätigkeit ist zu rechnen?
Am Schluss versuchen wir, aus diesen 4 Ansätzen eine Gesamtschau zu geben. Diese
soll es uns erlauben, die Chancen und Risiken (Kapitel 6.5.5) hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von MUEK darzulegen.
6.5.1 Steigert MUEK die Effizienz und Wohlfahrt?
Eine zentrale Frage ist, ob MUEK die Effizienz und Wohlfahrt einer Volkswirtschaft positiv
oder negativ beeinflusst? Wie Effizienz und Wohlfahrt "gemessen" werden, legen wir
weiter unten (im Kommentar zu den Grafiken 6-31 und 6-32) detaillierter dar. Für die folgenden Ausführungen lassen sich die Begriffe "Effizienz" und "Wohlfahrt" wie folgt kurz
erklären: Ein Effizienz- bzw. Wohlfahrtsgewinn bedeutet, dass die Volkswirtschaft als
ganzes besser gestellt wird.
Das System MUEK beeinflusst über drei Effekte die Effizienz der Berner Volkswirtschaft
(siehe auch nachfolgende Grafik):
1. Erhebt man eine Abgabe auf irgendeinem Gut (sei dies Abfall oder Parkplätze), so ist
dies im klassischen ökonomischen Sinne - unter Vernachlässigung der externen Effekte - mit Effizienzverlusten verbunden. Vereinfachend kann gesagt werden, dass die
meisten Steuern und Abgaben die bernische Ökonomie "stören" und zu Effizienzverlusten führen.
2. Eine Abgabe führt dann zu Effizienzgewinnen, wenn die Abgabe verzerrte Marktpreise korrigiert - das heisst, wenn die Abgabe einen Beitrag zur Verminderung der
externen Kosten der Umweltbelastung leistet. Die Umweltabgaben von MUEK
werden zu einer Reduktion der externen Kosten führen, also ist zumindest neben den
Effizienzverlusten der Abgabe (siehe Punkt 1) auch mit Effizienzgewinnen zu rechnen.
ECOPLAN
82
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
3. Die Einnahmen aus den Abgaben werden bei MUEK an Haushalte und Unternehmen
rückverteilt. Im Vordergrund stehen eine Steuerreduktion, die Pro-Kopf-Rückerstattung
und der Lohnsummenbonus. Effizienzgewinne im klassischen ökonomischen Sinne
sind dann zu erwarten, wenn bestehende Steuerbelastungen und damit Verzerrungen reduziert werden. Somit dürfte in erster Linie die Steuerreduktion zu Effizienzgewinnen führen. Der Lohnsummenbonus reduziert indirekt die Sozialabgaben (AHVBeiträge, usw.) und dürfte ebenfalls mit Effizienzgewinnen verbunden sein - allerdings
deutlich schwächeren.
Werden sowohl über die Reduktion der externen Kosten als auch über die Reduktion der
Steuerbelastung volkswirtschaftliche Effizienzgewinne erzielt, spricht man von der sog.
"doppelten Dividende" (double dividend, vgl. dazu auch Abschnitt 2.1) .
Grafik 6-31:
Effekte auf
Effizienz bzw.
Wohlfahrt
Effizienzgewinne und -verluste: Erwartete Wirkungen von MUEK
1)
2)
3)
Saldo
Abgaben
führen zu
ökonomischen
Verzerrungen
-> Verluste
Abgaben
reduzieren
externe
Kosten
-> Gewinne
Reduktion von
bestehenden
Steuern
-> Gewinne
abhängig von
Kompensationsmodell
positiv
oder
negativ?
Welchen Saldo diese drei Effekte haben, lässt sich nur im Rahmen einer Totalanalyse
erfassen. Totalanalyse heisst, dass simultan alle Reaktionen auf ein System MUEK von
Unternehmen und Haushalten erfasst und bewertet werden. Eine Totalanalyse ist ein
sehr aufwendiges Untersuchung und benötigt viele Basisdaten, um gesicherte Aussagen
zu machen.
Die Durchführung einer Totalanalyse für den Kanton Bern hätte den Rahmen dieser
Machbarkeitsstudie bei weitem gesprengt. Dazu müsste ein spezielles Wirtschaftsmodell
für den Kanton Bern erstellt werden, welches die erwünschten Analysen zulässt. Wir haben daher versucht, über das gesamtschweizerische ECOPLAN-Modell, das Totalanalysen auf der nationalen Ebene erlaubt, Trendaussagen zu machen, die wir auf den Kanton Bern übertragen. Es muss schon hier vorweggenommen werden, dass für die MoECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
83
dellierung der Abgabenseite starke Vereinfachungen nötig waren und die Resultate nur
als grobe Schätzungen zu verstehen sind.
Für speziell Interessierte haben wir im nachfolgenden Exkurs die wichtigsten Modellannahmen zusammengestellt.
Exkurs
In diesem Exkurs wird das gesamtschweizerische ECOPLAN-Modell und die zugrunde gelegten Annahmen
kurz erklärt.(3) Danach werden die Modellierung des Systems MUEK im Rahmen des ECOPLAN-Modells und
die nötigen Anpassungen an den Kanton Bern dargelegt. Die Resultate und Ihre Interpretation werden wir am
Schluss dieses Kapitels darlegen.
Das ECOPLAN-Modell im Überblick
Das ECOPLAN-Modell ist ein sogenanntes "Berechenbares Gleichgewichtsmodell" (BG-Modell) für die
Schweiz. BG-Modelle dienen dazu, die wirtschaftlichen Auswirkungen von Massnahmen vorherzusagen,
welche die Preis-, Nachfrage- und/oder Angebotsverhältnisse einer Volkswirtschaft verändern (z.B. Abgaben
und Steuerreduktionen). Für die Abschätzung von wirtschaftlichen Auswirkungen eines so komplexen Systems wie MUEK, ist das BG-Modell ein wissenschaftlich fundiertes und praxisorientiertes Instrument. Das
ECOPLAN-Modell für die Schweiz zeichnet sich durch folgende Eigenschaften aus:
– 41 verschiedene Wirtschaftsbranchen werden mit all ihren Verflechtungen und Produktionseigenschaften
abgebildet.(4) Es wird z.B. für jede dieser 41 Branchen bestimmt, wieviel Arbeit und Kapital in der Produktion eingesetzt werden. Dies erlaubt uns, den Lohnsummenbonus für jede einzelne Branche zu berechnen. Im weiteren werden die Vorleistungen, also die "Einkäufe" von Güter anderer Branchen, für jede einzelne Branche ausgewiesen. Wenn also in Branchen mit einer hoher Abgabenlast die Preise steigen, dann
wird dies auch andere Branchen treffen. Da die Vorleistungen bekannt sind, ist es nicht möglich, diesen
Effekt zu quantifizieren.
– Für die 41 Wirtschaftsbranchen wird in einer sogenannten Produktionsfunktion festgehalten, wie diese auf
Preisänderungen aller Art (z.B. von höheren Strompreisen) reagieren. Damit kann berechnet werden, ob
z.B. bei höheren Strompreisen mehr Kapital eingesetzt oder ob weniger produziert wird.
– Weiter wird im Modell auch berücksichtigt, dass z.B. eine Stromabgabe nicht einfach auf die Güterpreise
überwälzt wird, da sonst die Güter preislich mit den importieren Güter oder im Export nicht mehr konkurrenzfähig sind. Diese "Überwälzungsmöglichkeit" ist natürlich in stark exportorientierten oder importsensiblen Branchen viel grösser als in standortgebundenen Branchen (wie z.B. das Gesundheitswesen).
– Das Modell bildet aber nicht nur den Produktionsbereich sondern auch die Endnachfrager ab. Speziell interessant in diesem Zusammenhang sind die Haushalte. Die von den Haushalte zu bezahlenden Steuern
sind im Rahmen einer explizit formulierten Steuerfunktion modelliert. Damit lässt sich der Effekt einer
Steuerreduktion durch ein System MUEK berücksichtigen.
3
4
Einen genauen Beschrieb des ECOPLAN-Modelles enthalten:
-
ECOPLAN (1995), Wirtschaftliche Auswirkungen und Verteilungseffekte verschiedener CO2/Energieabgabe-Szenarien,
-
ECOPLAN (1994), Auswirkungen der demografischen Alterung auf Branchen und Gesamtwirtschaft.
Diese Verflechtungen werden in einer sogenannten Input/Output-Tabelle festgehalten.
ECOPLAN
84
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
– Das Modell ist statischer Natur, d.h. es ist nicht möglich, Anpassungsprozesse zu analysieren. Das statische Modell erlaubt aber die Darstellung einer Volkswirtschaft mit und ohne MUEK (ähnlich wie dies die
Grafik 6-30 zeigt).
MUEK im ECOPLAN-Modell und Anpassungen an Kanton Bern
Die verschiedenen Abgaben von MUEK können nur mit sehr hohem Aufwand einzeln in das Modell integriert
werden. Auch die Erstellung eines speziellen Datengerüstes für den Kanton Bern wäre unverhältnismässig
und für die uns interessierende Fragestellung auch gar nicht nötig. Wir müssen uns mit "Vereinfachungen"
behelfen. Nachfolgend haben wir die wichtigsten "vereinfachenden" Annahmen und die Implikationen für die
Interpretation der Resultate dargelegt:
❏ Modellierung der Abgaben: Die verschiedenen Abgaben von MUEK sind nicht einzeln sondern als ganzes modelliert. Wir haben für jede Branche die individuelle "Abgabenlast" berechnet (vgl. Kapitel 6.2). Die
"MUEK-Abgabe" wird dann in Prozent des Umsatzes festgelegt.
Vorteil dieser Lösung ist, dass die gesamte Belastung mit allen Abgaben modelliert wird. Nachteil ist, dass
die Unternehmen im Modell nicht auf Preisänderungen durch die verschiedenen Abgaben gezielt
reagieren. Es wird unterstellt, dass die Unternehmen kaum Reaktionsmöglichkeiten haben, um die Abgabenlast durch gezielte Massnahmen in der Produktion (z.B. Stromsparmassnahmen, usw.) zu reduzieren.
Sie müssen also die Abgabenlast voll auf ihre Güterpreise überwälzen.
Welchen
Einfluss
hat
diese
Annahme
auf
die
nachfolgenden
Resultate?
Mit
der
obigen
"Abgabenmodellierung" werden die wirtschaftlichen Auswirkungen negativer ausfallen, als sie tatsächlich
sein dürften.
❏ Modellierung der einnahmenseitigen Verwendung: Im Rahmen des ECOPLAN-Modells konnten wir
die drei Verwendungsmodelle "Pauschale pro Kopf", "Lohnsummenbonus" und "Steuerreduktion" genauer
untersuchen. Damit die Wirkung der verschiedenen Verwendungsmodelle klar hervorgeht, haben wir die
drei Verwendungsmodelle getrennt untersucht:
– "Pauschale pro Kopf": Die gesamten Einnahmen werden pro Kopf gleichmässig auf die Berner Bevölkerung rückerstattet (Kinder erhalten die Hälfte der Erwachsenen). Diese Verwendung ist ökonomisch
gesprochen "neutral", d.h. es ist nicht mit Effizienzgewinnen zu rechnen.
– "Lohnsummenbonus": Die Einnahmen werden nach Massgabe der Lohnsumme an die Unternehmen
zurückerstattet. Dieses Verwendungsmodell verspricht Effizienzgewinne, da damit (indirekt) die Sozialbeiträge der Unternehmen reduziert werden.
– "Steuerreduktion": Werden die Einnahmen voll über eine Steuerreduktion kompensiert, so wird die
Steueranlage in der Variante B um 4/10 reduziert. Wir bleiben auf der sicheren Seite und rechnen lediglich mit einer Reduktion um 3/10. Wichtig ist, welchen Einfluss die Senkung der Steueranlage auf
den sogenannten Grenzsteuersatz hat. Im Kanton Bern führt eine Steueranlagesenkung um 3/10 zu
einer Reduktion des Grenzsteuersatzes um 5%.(5) Auch hier ist mit Effizienzgewinnen zu rechnen.
– Anpassungen an Kanton Bern: Die Branchenstruktur der Schweiz und des Kantons Bern sind nicht
identisch (siehe Grafik 6-1). Trotzdem drängt sich eine aufwendige Anpassung der Branchenstruktur nicht
auf, da die Abgabenlast in Prozent des Umsatzes (also relativ) festgelegt wird. Eine Anpassung drängt sich
aber im Bereich der Ex- und Importe auf. Hier ist die Struktur völlig verschieden, da z.B. für den Kanton
Bern Lieferungen in andere Kantone als "Exporte" zu verstehen sind. Wir gehen davon aus, dass die wirt-
5
Je nach Einkommen führt die Steueranlagesenkung zu unterschiedlichen Grenzsteuerreduktionen. Die 5%
entsprechen einer durchschnittlichen Reduktion über alle Einkommensklassen.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
85
schaftliche Verflechtung zwischen den Kantonen bis zu 5 mal grösser ist als zwischen der gesamten
Schweiz und dem Ausland. Wir haben daher die Export- und Importverflechtungen stark erhöht, insbesondere in den nicht standortgebundenen Industriebranchen.
Die Resultate sind aufgrund der obigen Modellierung nicht "bernspezifisch". Sie erlauben aber Trendaussagen, die auch für den Kanton Bern Gültigkeit haben. Grössere Unsicherheiten bestehen bei den Verflechtungen mit den anderen Kantonen. Aufgrund von fehlenden statistischen Daten kann auch nicht abgeschätzt werden, ob die Resultate eher negativer oder positiver ausfallen, als in Wirklichkeit zu erwarten
wäre.
Die Resultate und ihre Interpretation
Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass bei der Modellierung verschiedene
"Vereinfachungen" und "Kompromisse" gemacht wurden. Trotzdem ist es möglich Trendaussagen zu machen und wichtige Erkenntnisse in zweierlei Hinsicht zu gewinnen:
– Wirkungsrichtung: Es ist trotz der Modell-Beschränkung möglich die Wirkungsrichtung des Systems MUEK darzulegen. Insbesondere interessiert in diesem Zusammenhang die Verwendungsseite - Welches Verwendungsmodell ist aus wirtschaftlicher Sicht am besten?
– Grössenordnung: Neben der Wirkungsrichtung lässt sich auch die Grössenordnung
bestimmen - Bewegen sich die Effizienzgewinne/-verluste im Promille- oder Prozentbereich des Bruttosozialprodukts?
Für die Interpretation der Resultate ist es wichtig, sich die folgenden Punkte vor Augen zu
halten:
– Die Resultate zeigen die Situation, die sich bei einem System MUEK längerfristig einstellen wird. Über die Anpassungsprozesse, insbesondere die "Kurzfristeffekte" erlaubt
das Modell keine Aussagen. Aufgrund der vernachlässigten Anpassungskosten ist anzunehmen, dass sich die kurzfristige Situation nicht so günstig darstellt wie die langfristige.
– Eine Quantifizierung der Effizienzgewinne aufgrund der Verminderung der externen
Kosten (Punkt 2 in der Grafik 6-31) ist nicht möglich. Die Resultate berücksichtigen
somit nur die Effizienzverluste der Abgabe und allfällige Effizienzgewinne auf der Verwendungsseite. Die Wirkungsrichtung des Effizienzgewinns aufgrund der Reduktion
der externen Kosten wird in den folgenden Grafik symbolisch mit einem Pfeil dargestellt. Über die Grössenordnung dieses Effizienzgewinnes liegen keine Angaben vor.
– Das Modell ist statischer Natur und rechnet mit den heute verfügbaren Produktionstechnologien. Der technische Fortschritt wird daher vernachlässigt. Es ist anzunehmen, dass wenn der technische Fortschritt berücksichtigt würde, höhere Effizienzgewinne ausgewiesen würden.
Ist das System MUEK effizienzsteigernd? Steigert es die Wohlfahrt des Kantons Bern?
Häufig wird das Bruttosozialprodukt als Effizienz- und Wohlfahrtsmass herangezogen. Die
Grafik 6-30 zeigt die Wirkung des Systems MUEK auf das Bruttosozialprodukt bei den
drei untersuchten Verwendungsmodellen. Die Grafik zeigt den Unterschied zwischen
einer Situation ohne und mit MUEK.
ECOPLAN
86
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-30:
Die verschiedenen Verwendungsmodelle und ihre Wirkung auf das
Bruttosozialprodukt (BSP)
Pro-Kopf
Steuerreduktion
Lohnsummenbonus
0.05%
Abweichungen in % des totalen BSP
0.00%
-0.05%
-0.10%
-0.15%
-0.20%
-0.25%
Reduktion der externen Kosten
(kann nicht quantifiziert werden)
-0.30%
-0.35%
Die Resultate lassen sich wie folgt kommentieren:
– Die drei Verwendungsmodelle unterscheiden sich in ihrer Wirkungsrichtung. Beim
MUEK-System mit "Lohnsummenbonus" und "Steuerreduktion" sind die Effizienzgewinne bzw. -verluste vernachlässigbar klein. Berücksichtigt man die Reduktion der externen Kosten aus der verringerten Umweltbelastung, so dürften aber diese beiden
Ansätze zu Effizienzgewinnen führen.
Das Pro-Kopf-Verwendungsmodell kommt im direkten Vergleich am schlechtesten
weg. Dies ist nicht erstaunlich, da von der Pro-Kopf-Rückerstattung keine Effizienzgewinne zu erwarten sind, d.h. die Effizienzverluste der Abgabe werden nicht wett gemacht. Ob sich bei der Berücksichtigung der externen Kosten ein Effizienzgewinn ergeben wird, lässt sich nicht abschätzen.
– Die BSP-Reduktion beträgt im Pro-Kopf-Verwendungsmodell rund 0.3%, ist also angesichts der jährlichen Wachstumsraten von über 1% relativ gering.
Das Bruttosozialprodukt ist in unserem Modell-Ansatz aber nur bedingt als Effizienz- und
Wohlfahrtsmass geeignet. Ein korrekter Ansatz zur Messung der Wohlfahrt ist die sogenannte "äquivalente Variation". Mit diesem Mass misst man die Einkommensunterschiede
zwischen einer Situation mit und ohne MUEK.(6) Die "äquivalente Variation" in der Grafik
6
Eine präzisere Beschreibung könnte wie folgt lauten: Die äquivalente Variation geht von der Nutzenfunktion der Haushalte aus und fragt, wieviel Einkommen gemessen zu Preisen in der Situation ohne MUEK
den Haushalten gegeben werden müsste, damit sie das Nutzenniveau im System mit MUEK erreichen
könnten.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
87
6-31 zeigt uns also, wieviel besser oder schlechter die Berner Bevölkerung mit MUEK
gestellt würde.
Grafik 6-31:
Die verschiedenen Verwendungsmodelle und ihre Wirkung auf die
Wohlfahrt (äquivalente Variationen)
Pro-Kopf
Steuerreduktion
Lohnsummenbonus
40
30
Mio. Franken
20
10
0
-10
-20
-30
Reduktion der externen Kosten
(kann nicht quantifiziert werden)
-40
Die Grafik 6-31 kann wie folgt kommentiert werden:
– Wohlfahrtsgewinne lassen sich im MUEK-Verwendungsmodell "Steuerreduktion" erzielen. Diese werden noch verstärkt durch die Abnahme der externen Kosten aus der reduzierten Umweltbelastung. Der "Lohnsummenbonus" schneidet schlechter ab, könnte aber bei Berücksichtigung der externen Kosten zu leichten Wohlfahrtsgewinnen
führen. Die Pauschale pro Kopf führt kaum zu Wohlfahrtsgewinnen.
– Die Grössenordnungen der Wohlfahrtsgewinne ohne Berücksichtigung der externen
Kosten bewegen sich zwischen - 40 bis + 30 Mio. Fr., sind also relativ bescheiden.
Schlussfolgerungen
– Die ausgewiesenen Wohlfahrtsverluste werden aufgrund der "rigiden" Modellierung
überschätzt. Die Berechnungen basieren auf einem gesamtschweizerischen Modell,
d.h. die für den Kanton Bern sind nur Trendaussagen möglich.
– Ein System MUEK führt längerfristig weder zu grossen Wohlfahrtsverlusten noch zu
enormen Wohlfahrtsgewinnen. Berücksichtigt man die zu erwartenden Reduktionen
Da wir in unserem Modell die Freizeit als Konsumgut modellieren, ergeben sich Unterschiede zwischen
den beiden Wohlfahrtsmassen "BSP" und "äquivalente Variation".
ECOPLAN
88
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
der externen Kosten und den technischen Fortschritt, so dürften in den meisten Fällen
Wohlfahrtsgewinne zu erzielen sein. Auf nationaler und internationaler Ebene ablaufende Entwicklungen und Veränderungen (z.B. die Globalisierung und Liberalisierung
der Märkte) haben in jedem Fall einen grösseren Einfluss auf die Wohlfahrt im Kanton
Bern als eine allfällige Einführung von MUEK.
– Aus wohlfahrtsoptimierender Sicht schneidet auf der Verwendungsseite die
"Steuerreduktion" besser ab als der "Lohnsummenbonus". Die "Pauschale pro Kopf"
kommt am schlechtesten weg.(7)
6.5.2 Beschleunigt MUEK den Branchenstrukturwandel?
Der Begriff Strukturwandel wird für verschiedene Strukuturbegriffe verwendet. Strukturwandel bezieht sich immer auf die Veränderungen von Proportionen zwischen Teilbereichen der Wirtschaft. Er bezieht sich in einer gesamtwirtschaftlichen Sicht auf Bereiche
wie: demografische Struktur, Produktionsstruktur, Beschäftigungsstruktur, Nachfragestruktur, Betriebs- und Unternehmensgrössenstruktur, regionale Wirtschaftsstruktur,
Branchenstruktur und Einkommensstruktur.(8)
Im Rahmen unserer Analyse beschränken wir uns auf die Branchenstruktur und versuchen, aus dieser Analyse Rückschlüsse auf andere Strukturanpassungen abzuleiten. Die
Beeinflussung der regionalen Wirtschaftsstruktur haben wir im Rahmen des Kapitels 6.4
bereits behandelt.
Beschleunigt MUEK den Branchenstrukturwandel?
Diese Frage wollen wir durch eine Gegenüberstellung der Wachstumsbranchen und den
branchenspezifischen Abgabebelastungen durch MUEK untersuchen. Die branchenspezifischen Abgabebelastungen haben wir im Kapitel 6.2 detailliert hergeleitet. Welches sind
nun die Wachstumsbranchen im Kanton Bern? Eine "bernspezifische" Antwort können wir
nicht geben. Branchenszenarien zur künftigen Entwicklung liegen nur auf gesamtschweizerischer Ebene vor. Wir gehen im folgenden von den SGZZ-Szenarien aus, die im Rahmen der Perspektivarbeiten für die Bundesverwaltung erarbeitet wurden.(9) Wir unterstellen, dass die ausgewiesenen Wachstumspotentiale der einzelnen Branchen auch für den
Kanton Bern Gültigkeit haben.(10)
7
Bei der Modellierung der verschiedenen Varianten wurde die "Verteilungsgerechtigkeit" bzw. die Sozialverträglichkeit nicht beurteilt.
8
Vgl. Dyllick T. et al (1995), Ökologischer Wandel in Schweizer Branchen.
9
SGZZ - St. Galler Zentrum für Zukunftsforschung (1994), Ökonomische Rahmendaten für die Bundesverwaltung (10. Revision vom 15.11.94). Wir gehen vom sogenannten Grundszenario aus. Dieses ist durch
eine "opportunistische Grundhaltung", eine bilaterale Annäherung an die EU, eine schwache Umweltpolitik
und einem Bevölkerungsszenario "Trend" definiert. Für die detaillierte Beschreibung dieses Grundszenarios
verweisen wir auf die obige Quelle (Teil X, Seite 11 ff).
10 Für die Branche "Chemie" dürfte allerdings die gesamtschweizerische Einschätzung des Wachstums-
potentials nicht direkt auf die Situation im Kanton Bern umlegbar sein (z.B. wegen kleinerer Unternehmensgrösse). Inwieweit das Wachstumspotential der Chemiebranche im Kanton Bern vom gesamt-
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
89
Die nachfolgende Grafik 6-34 zeigt auf der linken Seite die durchschnittlichen jährlichen
Wachstumsraten der Wertschöpfung von 1993 bis 2005 im Grundszenario des SGZZ und
stellt diese den Abgabebelastungen gemäss MUEK (Variante B inkl. Ermässigungsmodell)
gegenüber.(11) Auffallend ist, dass für die überdurchschnittlich belasteten Branchen
Textil, Papier, Gastgewerbe sowie Steine und Erden ein geringes Wachstumspotential
prognostiziert wird.
Grafik 6-34:
Wachstumsbranchen
"Verlierer"-Branchen
und
Abgabebelastung
Wachstumsrate 1993 bis 2005 / Abgabebelastung in % BPW
-1.0% -0.5%
0.0%
0.5%
1.0%
1.5%
2.0%
2.5%
3.0%
/
"Gewinner"-
"Gewinner"
3.5%
4.0%
-500
0
Fr./Arbeitsplatz
500
und
"Verlierer"
1'000
1'500
Chemie
Maschinen/Fahrzeuge
Gesundheitswesen
Elektrotechnik
Graphisches Gewerbe
Kunststoff
Baugewerbe
Übrige DL (ohne öff. Hand)
Banken/Versicherung
Verkehr und Nachrichten
Bijouterie
Holz/Möbel
Elektrizität/Gas/Wasser
Handel
Metallindustrie
Textil
Papierindustrie
Gastgewerbe
Steine und Erden
Nahrung/Getränke
Landwirtschaft
Bekleidung
Wachstumsrate von 1993 bis 2005
Abgabebelastung in % BPW
Fr./Arbeitsplatz
Auf der rechten Seite der Grafik werden die "Gewinner"- und "Verlierer"-Branchen (unter
Berücksichtigung des Ermässigungsmodells und einer einnahmeseitigen Kompensation
über die Lohnsumme) dargestellt, wie wir sie im Kapitel 6.2.4 hergeleitet haben. Die Grafik zeigt, dass mit Ausnahme der Chemiebranche ("Verliererbranche" mit hohem Wachstumspotential) und der Landwirtschaft sowie der Bekleidungsindustrie ("Gewinner-
schweizerischen Mittel abweicht, müsste detailliert analysiert werden und kann im Rahmen dieser Studie
nicht abgeschätzt werden. Wir übernehmen daher im Rahmen der folgenden Ausführungen auch für die
Chemiebranche die Wachstumspotentiale, welche vom SGZZ für die Gesamtschweiz hergeleitet wurden.
11 Achtung! Die Prozentzahlen sind nicht direkt vergleichbar: Die Wachstumsrate wird in Prozent der Wert-
schöpfung gemessen, die Abgabebelastung in Prozent des Umsatzes.
ECOPLAN
90
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
branche" ohne Wachstumspotential) die "Gewinnerbranchen" zu denjenigen Branchen mit
den besten bzw. die "Verliererbranchen" zu denjenigen Branchen mit den schlechtesten
Wachstumsaussichten gehören.
Aus der Grafik wie den obenstehenden Erläuterungen kann gefolgert werden, dass
MUEK tendenziell den prognostizierten Branchenstrukturwandel unterstützt. MUEK
stärkt die Branchen mit überdurchschnittlichem Wachstumspotential. Ausnahmen sind
die Branchen Chemie, Landwirtschaft und Bekleidung.
Auswirkungen auf die Beschäftigungsstruktur
Der Branchenstrukturwandel zieht auch einen Wandel der Beschäftigungsstruktur nach
sich. Von besonderem Interesse ist eine allfällige Verlagerung der Arbeitsnachfrage von
nieder- zu hochqualifizierter Arbeit. Allgemein wird damit gerechnet, dass die Nachfrage
nach hochqualifzierter Arbeit innerhalb aller Branchen zunehmen wird. Dieser Trend
würde dann noch verstärkt, wenn die Wachstumsbranchen überdurchschnittlich viel
hochqualifizierte Arbeit nachfragen würden.
Die Grafik 6-35 zeigt den Anteil der hochqualifizierten Arbeitskräften in den verschiedenen
Branchen.(12) Es ist offensichtlich, dass die meisten Wachstumsbranchen überdurchschnittlich hochqualifizierte Arbeit nachfragen. MUEK verstärkt diesen Effekt noch: Hohe
Abgabebelastungen haben insbesondere diejenigen Branchen zu tragen, deren Anteil
hochqualifizierter Arbeit relativ klein ist. Dies betrifft insbesondere die Branchen Textil,
Papier, Gastgewerbe sowie Steine und Erden.
Schlussfolgerungen:
❏ MUEK unterstützt den prognostizierten Branchenstrukturwandel. Ausnahmen
sind:
– Wachstumsbranche Chemie, die bei einem System MUEK eher auf der
"Verliererseite" steht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Chemiebranche mit
0.6% (knapp 3'000 Beschäftigte) im Kanton Bern untervertreten ist und eine Übernahme des Wachstumspotentials der gesamtschweizerischen Chemiebranche für
den Kanton Bern zumindest mit Vorsicht zu geniessen ist.
– Landwirtschaft und Bekleidungsindustrie: Diese Branchen zählen zu den
"Gewinnern" eines Systems MUEK, gehören aber zu den wachstumsschwachen
Branchen. In diesen Branchen dürfte daher MUEK strukturerhaltend wirken.
❏ MUEK verstärkt die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften. Nicht nur
innerhalb der Branchen wird sich die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften
erhöhen. Die meisten Wachstumsbranchen weisen schon heute eine überdurchschnittliche Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften aus, das bedeutet, dass
sich aufgrund des Branchenstrukturwandels diese Nachfrage noch erhöhen wird. Da
MUEK den Branchenstrukturwandel unterstützt, verstärkt MUEK die Nachfrage nach
hochqualifizierten Arbeitskräften.
12 Quelle: Gaillard S., Salzgeber R., Schütz J. (1991), Europäische Integration: Arbeitsmarktliberalisierung und
Strukturwandel in der Schweiz.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Grafik 6-35:
91
Wachstumsbranchen und Abgabebelastung / Anteil hochqualifizierte
Arbeitskräfte
Wachstumsrate 1993 bis 2005 / Abgabebelastung in % BPW
-1.0% -0.5%
0.0%
0.5%
1.0%
1.5%
2.0%
2.5%
3.0%
Anteil hochqual. Arbeitskräfte
3.5%
4.0%
0%
20%
40%
60%
80%
Chemie
Maschinen/Fahrzeuge
Gesundheitswesen
Elektrotechnik
Graphisches Gewerbe
Durchschnitt
Kunststoff
Baugewerbe
Übrige DL (ohne öff. Hand)
Banken/Versicherung
Verkehr und Nachrichten
Bijouterie
Holz/Möbel
Elektrizität/Gas/Wasser
Handel
Metallindustrie
Textil
Papierindustrie
Gastgewerbe
Steine und Erden
Nahrung/Getränke
Landwirtschaft
Bekleidung
Wachstumsrate von 1993 bis 2005
Abgabebelastung in % BPW
Anteil hochqual. Arbeitskräfte
6.5.3 Steigert MUEK die bernische Standortattraktivität?
Die Standortdynamik von Unternehmen ist in den letzten Jahren beachtlich gewachsen.
Eine aktuelle Untersuchung in Deutschland hat gezeigt, dass mehr als ein Drittel aller Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten in den letzten fünf Jahren standortrelevante Entscheidungen getroffen hat.(13) Betroffen davon waren etwa ein Drittel der Beschäftigten
in Deutschland. Wie teilen sich die standortrelevanten Entscheide auf? Auch hier liefert
die Deutsche Studie wichtige Hinweise:
– Zwei Drittel aller Standortentscheidungen sind auf den engeren regionalen Umkreis
bezogen. Es handelt sich somit um "Bleibeentscheidungen", Standorterweiterungen
oder -schrumpfungen und Verlagerungen innerhalb des Ortes/Region. Daraus leiten
die UntersucherInnen die Notwendigkeit und Bedeutung von Aktivitäten im Rahmen
der Bestandespflege und Verbesserung der bestehenden Standortvorteile ab.
13 Grabow B., Henckel D., Hollbach-Grömig B. (1995), Weiche Standortfaktoren.
ECOPLAN
92
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
– Der restliche Drittel aller Standortentscheidungen betreffen Stillegungen bzw. Verlagerungen aus der Region hinaus. Hier wird insbesondere die wachsende Bedeutung ausländischer Standorte (insbesondere Ostländer) erwähnt.
Es ist anzunehmen, dass die Standortdynamik künftig noch wachsen wird. Eine aktive
Pflege und Verbesserung von Standortvorteilen bzw. Beseitigung von Standortnachteilen
wird somit immer bedeutender - und aufgrund der steigenden Dynamik ist ein schnelles
Handeln angesagt.
Eine aktuelle Studie der BAK(14) (Konjunkturforschung Basel AG) hat für 38 verschiedene
Standortfaktoren deren Qualität und Bedeutung im Rahmen einer gesamtschweizerischen Unternehmensbefragung erfragt. Daraus wurde für die einzelnen Faktoren der
Handlungsbedarf abgeleitet und eine Reihenfolge erstellt. In der Tabelle 6-36 haben wir
die 15 "BAK-Faktoren" dargestellt, die durch ein System MUEK positiv oder negativ beeinflusst werden. Im folgenden wollen wir die einzelnen Faktoren diskutieren und die Beeinflussung durch MUEK darstellen. Eine wertvolle Präzisierung der recht "globalen" Standortfaktoren gibt uns eine aktuelle Umfrage bei rund 200 Berner Unternehmen zu ausgewählten Standortfaktoren.(15)
a) Durch MUEK positiv beeinflusste Standortfaktoren
Der Standortfaktor mit dem höchsten Handlungsbedarf ist gemäss aktueller Einschätzungen der Unternehmen die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften. Die
Ausführungen im vorhergehenden Kapitel (Branchenstrukturwandel) haben gezeigt, dass
sich dieser heute schon bedeutende Handlungsbedarf aufgrund des Branchenstrukturwandels in Zukunft noch verschärfen wird. Wo aber liegen die Gründe für die mangelnde
Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften? Die Umfrage bei den Berner Unternehmen zeigt, dass der gesamtschweizerische Mangel an qualifzierten Arbeitskräften
nach ihrer Meinung in erster Linie auf die mangelnde Nachfrage nach solchen Berufen,
dann aber auch wegen Mängel in der Aus- und Weiterbildung selbst (hier wird vor allem
der mangelnde Praxisbezug der allgemein bildenden Schulen und Universitäten genannt)
und eine zu geringe Zahl von Arbeitsbewilligungen für ausländische Arbeitskräfte zurückzuführen ist.
Wie ist die Einschätzung der Berner Unternehmen für den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften am eigenen Standort? Hier kristallisiert sich ein klareres Bild heraus: Über
82% aller befragten 200 Berner Unternehmen meinen, dass die Steuerbelastung für natürliche Personen sehr wichtig (48%) oder eher wichtig (34%) für den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften an ihrem Standort sei. Als weitere wichtige Gründe werden die
generell geringe Mobilität der Arbeitskräfte und das Lohngefälle zur öffentlichen Verwaltung erwähnt.
14 BAK (1995), Standortattraktivität von Regionen in der Schweiz, Grundlagenbericht.
15 Umfrage bei bernischen Unternehmen im Rahmen des Projekts "Vertiefungsarbeiten Standortgunst Kan-
ton Bern", durchgeführt von ECOPLAN im Auftrag des kantonalen Amtes für wirtschaftliche Entwicklung.
ECOPLAN
2.
5.
16.
4.
6.
25.
23.
9.
30.
24.
29.
37.
20.
15.
21.
11.
1.
7.
Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften
Preis/Leistung von hochqualifizierten Arbeitskräften
Preis/Leistung von Arbeitskräften mit guter Ausbildung
Steuerbelastung für hochqualifizierte Arbeitnehmer
Steuerbelastung für Unternehmen
Verfügbarkeit von Arbeitskräften mit guter Ausbildung
Preis/Leistung von Arbeitskräften ohne spezielle Ausbildung
Verfügbark eit von Arbeitsflächen
Lebensqualität in der Region
Qualität des regionalen öffentlichen Verkehrs
ECOPLAN
28.
26.
- politischen Umfeldes
Vorausseh-/Berechenbarkeit des rechtlich
Situation des privaten Verkehrs in der Region
17.
12.
20.
11.
9.
37.
23.
25.
20.
13.
8.
5.
3.
3.
HB
2.
HB : Handlungsbedarf
24.
27.
Energiekosten
Quelle: BAK
QUA: Qualität der Standortfaktoren; BED: Bedeutung der Standortfaktoren;
19.
32.
Kosten von Arbeitsflächen
Durch MUEK negativ beeinflusst
12.
34.
22.
Aufwand für die Einhaltung von Umweltvorschriften
Durch MUEK positiv oder negativ beeinflusst:
18.
Rang
BED
1.
Durch MUEK positiv beeinflusst
QUA
25.
- durch System MUEK
Tabelle 6 -36: Beeinflussung der Standortfaktoren (gemäss BAKStudie)
--
+/+/+/-
+
+
+
+++
+
+
++
+
--
+/+/+/-
++
+
+
+
++
++
Einnahmenverwendung
Steuersenkung
Lohnsummenbonus
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
93
94
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Gemäss der Einschätzung der Berner Unternehmen gibt es einen klaren Zusammenhang
zwischen der Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften und der Steuerbelastung
natürlicher Personen. So wird u.a. von den Unternehmern festgestellt, dass es fast
unmöglich sei, Kader aus anderen Kantonen (vor allem aus dem Kanton Zürich) zu rekrutieren. In diesem Zusammenhang wird der als hoch eingeschätzte Handlungsbedarf bei
der Steuerbelastung von hochqualifizierten Arbeitnehmern verständlich.
Soll mit MUEK die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften verbessert werden,
so wird dies in erster Linie durch eine Steuerreduktion (Reduktion des Steueranlagesatzes) erreicht. Allerdings liegt auch bei einer Reduktion um drei Steuerzehntel das Steuerniveau noch 40% über dem Zürcher Niveau (Staats- und Gemeindesteuern berechnet für
eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von 100'000 Fr.). MUEK mit
einer Steuerreduktion wäre somit ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Allerdings
würde dieser Schritt den Kanton Bern im interkantonalen Vergleich von den letzten Plätzen lediglich ins hintere Mittelfeld (etwa in die nähe der Kantone St. Gallen und Luzern,
vgl. Anhang B Grafik B-5) bringen. Ausschlaggebend für den individuellen Entscheid, die
Arbeitsstelle von einem steuergünstigen Kanton in den Kanton Bern zu verlagern, ist aber
nicht die relative Position des Kantons Bern im Vergleich zu anderen Kantonen, sondern
der absolute Unterschied im Steuerniveau. Somit dürfte eine Reduktion um drei Steuerzehntel zumindest einen Teilbeitrag zur Entschärfung des akuten und in Zukunft zunehmenden Problems des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften sein.
Die obigen Ausführungen zur Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften dürfte in
abgeschwächter Form auch für die Verfügbarkeit von Arbeitskräften mit guter Ausbildung sein. Wir nehmen auch hier an, dass MUEK mit einer Steuerreduktion die Situation auf diesem Arbeitsmarkt entschärft, wenn auch nicht im selben Ausmass wie bei
den hochqualifizierten Arbeitskräften.(16)
Der Steuerbelastung von Unternehmen wird ebenfalls hohe Priorität beigemessen. Die
Berner Umfrage zeigt aber, dass die oben erwähnten Steuerbelastungen von natürlichen
Personen aller erste Priorität geniessen. Die Gewinn- und Kapitalbesteuerung wird als
geringeres Problem empfunden. Dies ist nicht weiter erstaunlich, steht doch der Kanton
Bern im Vergleich mit anderen Kantonen und dem Ausland bezüglich der Unternehmensbesteuerung an vorderster Stelle. Trotz dieser komfortablen Ausgangslage sind über 2/3
der Unternehmen der Meinung, dass die Gewinn- und Kapitalsteuern für juristische Personen eher ungünstig sind.
Bei einem System MUEK mit Senkung der Steueranlage profitieren auch die Unternehmen durch eine geringere Kapital- und Gewinnsteuer. Bei einer Reduktion von 3 Steuerzehnteln würde z.B. die Gewinnsteuer um rund 12% zurückgehen (nur Anteil Staatssteuer). MUEK verbessert somit die Steuerbelastung für Unternehmen. Wir schätzen allerdings den positiven Effekt nicht so hoch ein wie bei der Steuerreduktion bei hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Dies vorab aufgrund der heute schon
sehr guten Ausgangslage - sprich geringen Gewinn- und Kapitalsteuerbelastung von juristischen Personen - im Kanton Bern.
16 Wir schätzen, dass bei gut qualifizierten Arbeitskräften neben der Steuerbelastung andere Gründe (wie
z.B. geringere Mobilität) für den Mangel an solchen Arbeitskräften wichtiger sind als auf dem Arbeitsmarkt
für Hochqualifizierte. Dementsprechend dürfte die Steuerreduktion auf dem Markt für gut Ausgebildete
nicht dieselbe Wirkung erzielen wie auf dem Markt für Hochqualifizierte.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
95
Der Standortfaktor Preis/Leistungsverhältnis von hochqualifizierten Arbeitskräften und
Arbeitskräften mit guter Ausbildung wird gemäss BAK für den Kanton Bern ebenfalls kritisch beurteilt. In abgeschwächter Form trifft dies auch für das Preis/Leistungsverhältnis
von Arbeitskräften ohne spezielle Ausbildung zu. Wir gehen von der Annahme aus, dass
diese Einschätzungen vor allem auf folgende Tatsachen zurückzuführen sind:
– Das im Vergleich zum Ausland als hoch empfundene Lohnkostenniveau führt bei den
Unternehmen zur Einschätzung, dass allgemein das Preis/Leistungsverhältnis im gesamten Arbeitsmarkt (also für hoch- und niederqualifizierte Arbeitskräfte) einen Standortnachteil darstellt. Es kann angenommen werden, dass das Preis/Leistungsverhältnis
der Arbeit als Standortnachteil im Wettbewerb mit dem Ausland und weniger im interkantonalen Wettbewerb eine Rolle spielt.
– Die Tatsache, dass das Preis/Leistungsverhältnis von hochqualifizierten Arbeitskräften
kritischer eingestuft wird als dasjenige von wenig spezialisierten Arbeitskräften, führen
wir auf die relative Knappheit von hochqualifizierte Arbeitskräften zurück. Gemäss den
Einschätzungen der Berner Unternehmen ist der Markt für hochqualifizierte Arbeitskräfte im Kanton Bern besonders knapp. Das bedeutet, dass das als kritisch eingestufte Preis/Leistungsverhältnis bei Hochqualifizierten nicht nur als Standortnachteil im
Wettbewerb mit dem Ausland sonder auch im interkantonalen Wettbewerb eingeschätzt wird.
Ein System MUEK mit einem Lohnsummenbonus auf der Verwendungsseite greift direkt
bei den Lohnkosten an. Das Preis/Leistungsverhältnis wird somit direkt beeinflusst und
verbessert. Würden die gesamten MUEK-Einnahmen (in Variante B) über einen Lohnsummenbonus zurückerstattet, so ergäbe dies eine Lohnkosten-Reduktion von 1.5%.
Dies betrifft die Lohnkosten von nieder- wie hochqualifizierten Arbeitskräften im selben
Ausmass. Die Wirkung des Lohnsummenbonus dürfte in erster Linie die Wettbewerbsposition mit dem Ausland - wenn auch in bescheidenem Ausmass - verbessern.
Aber auch eine Steuerreduktion verbessert das Preis/Leistungsverhältnis von hochqualifizierten Arbeitskräften: Bei der Rekrutierung von hochqualifizierten Arbeitskräften aus anderen Kantonen sind nicht mehr im selben Ausmass "überhöhte" Löhne zur Kompensation des hohen Einkommenssteuerniveaus zu bezahlen.
Die letzten drei, als weniger prioritär eingestufte, Standortfaktoren werden von MUEK
leicht positiv beeinflusst - unabhängig vom gewählten Verwendungsmodell (Steueranlagesenkung oder Lohnsummenbonus).
Die Verfügbarkeit von Arbeitsflächen dürfte vor allem aus folgendem Grund positiv
beeinflusst werden: Die Bodenversiegelungs- und Kiesabgabe dürfte die Tendenz zur
verdichteten Bauweise, d.h. besserer Bodennutzung, verstärken. Die ausgeschiedenen
Flächen werden somit besser ausgenutzt und die Verfügbarkeit wird steigen. Einschränkungen ergeben sich allenfalls durch die gestiegenen Baukosten (aufgrund derselben Bodenversiegelungs- und Kiesabgabe). Dieser Punkt wird weiter unten noch kurz kommentiert.
Die verschiedenen Umweltabgaben werden auch zu einer Steigerung der Lebensqualität
führen. Insbesondere die Bereiche Luft- und Wasserqualität, Umweltimage und die
ECOPLAN
96
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
umweltmässige Verbesserung von Erholungsgebiete dürften hier positiv verbucht werden. Es sei an dieser Stelle auf den Anhang B, der die ökologischen Wirkungen der einzelnen Abgaben kurz darlegt, und auf das nachfolgende Kapitel 6.5.4 verwiesen.
Die Abgaben auf Besucher-, Beschäftigten und auf öffentlichen Parkplätzen dürfte die
Qualität des regionalen öffentlichen Verkehrs (ÖV) erhöhen. Die Verteuerung der PWBenützung führt zu einer gesteigerten Nachfrage nach Transportleistungen des ÖV, was
seinerseits Grund für Attraktivitätssteigerungen (z.B. Verdichtungen im Fahrplan) sein
kann. Als positiven Nebeneffekt darf auch mit einem tendenziell sinkenden Defizit des
regionalen öffentlichen Verkehrs gerechnet werden, was die Akzeptanz für Angebotserweiterungen erhöht.
b) Durch MUEK positiv oder negativ beeinflusste Standortfaktoren
Die Aufwand für die Einhaltung von Umweltvorschriften ist durch ein System MUEK
zumindest kurzfristig nicht tangiert, da MUEK an den bestehenden Umweltvorschriften,
die zum grössten Teil auf Bundesgesetz basieren, nichts ändert. Das bedeutet, der Aufwand für die Einhaltung von Umweltvorschriften bleibt derselbe. Wir haben diesen Punkt
aber trotzdem aufgenommen, dies aus folgenden Gründen:
❏ Die Einführung eines System MUEK wird in einigen Betrieben dazu führen, dass Um-
weltschutzmassnahmen ergriffen werden, die über die Normen von Umweltvorschriften hinausgehen. Solche Massnahmen werden dann getroffen, wenn die dadurch erzielte Abgabeersparnis grösser ist als die Investition in die Umweltschutzmassnahme.
Gehen wir davon aus, dass ohne MUEK die Unternehmen nur gerade die Umweltvorschriften einhalten werden, so resultieren erhöhte Aufwendungen für Umweltschutzmassnahmen mit MUEK. Interpretiert man diesen Standortfaktor allgemein als Aufwand für Umweltmassnahmen, so beeinflusst MUEK diesen Standortfaktor tendenziell
negativ.
❏ Längerfristig wird dieser Standortfaktor durch ein System MUEK hingegen positiv
beeinflusst:
– MUEK löst Umweltschutzmassnahmen aus, welche über die geltenden Umweltvorschriften hinausgehen. Damit können sich künftige Verschärfungen von Umweltvorschriften (v.a. im Gewässerschutz- und Luftreinhaltebereich) zumindest
teilweise erübrigen. Die Konsequenz davon: Geringere Aufwendungen für die Einhaltung von Umweltvorschriften. Dieser Effekt verstärkt sich noch deutlich, wenn
andere Kantone ebenfalls vermehrt auf Umweltabgaben oder sogar auf ein ähnliches System wie MUEK setzen würden. In diesem Fall wäre bei einem koordinierten Vorgehen zumindest in Teilbereichen eine Lockerung der heutigen Umweltvorschriften zu prüfen. Die Schwierigkeit besteht hier vor allem darin, dass die Umweltschutzgesetzgebung und die Umweltvorschriften auf Bundesebene verankert
bzw. festgelegt wurden und den Kantonen nur ein beschränkter Handlungsspielraum zusteht.
– Aufgrund der anhaltenden Anreizwirkung der Umweltabgaben werden mittel- bis
längerfristig möglicherweise Umweltschutzmassnahmen ausgelöst, die zu deutlich
höheren Effizienzgewinnen führen, als heute absehbar ist. Konkret kann dies be-
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
97
deuten, dass der Rückgang der Emissionen die Verteuerung der Emissionen durch
die Umweltabgaben weitgehend kompensiert.
– Mit MUEK nimmt der Ressourcenverschleiss ab, bzw. es wird z.B. weniger Abfall
und Abwasser produziert. Dies wiederum wird dazu führen, dass bei den Kapazitäten von teuren "End-of-pipe"-Entsorgungsanlagen (z.B. Kehrichtverbrennungs-anlagen oder Abwasserreinigungsanlagen) gespart wird. Wenn z.B. auf eine einzige
Kehrichtverbrennungsanlage verzichtet werden könnte, so müssten für die Abfallentsorgung rund 200 Mio. Fr. weniger bezahlt werden. MUEK kann somit mittel- bis
längerfristig dazu beitragen, dass z.B. Entsorgungsaufgaben mit einer schlankeren
und damit billigeren Infrastruktur ausgeführt werden können.
Unklar ist die Wirkung von MUEK auf den Standortfaktor Vorausseh- und Berechenbarkeit des rechtlich-politischen Umfeldes. Die Wirkung von MUEK auf diesen Standortfaktor ist in erster Linie von der Einführungs- und "Verkaufsstrategie" abhängig. Gelingt
es, die Ziele und Massnahmen von MUEK vor allem den Unternehmen darzulegen und
die verschiedenen Zwischenschritte bis zum Endzustand rechtlich schon in einem frühen
Stadium zu verankern, so dürften zumindest keine negativen Einflüsse auf diesen Standortfaktor erwartet werden.
c) Durch MUEK negativ beeinflusste Standortfaktoren
Die Kosten von Arbeitsflächen werden durch die Kies- und insbesondere durch die Bodenversiegelungsabgabe negativ beeinflusst. Für ein neues mittelgrosses Industriegebäude (100*30 m), das auf der "grünen Wiese" gebaut werden soll, müsste allein für die
Bodenversiegelungsabgabe 150'000 berechnet werden (Variante B rechnet mit 50 Fr./m2
versiegelte Fläche). Dieser Standortfaktor wird durch MUEK gerade für expandierende
Unternehmen oder "Neuansiedler" verschlechtert.
Neben den Kosten von Arbeitsflächen werden mit MUEK auch die Energiekosten
(aufgrund der Elektrizitäts- und NOx-Abgabe) steigen.
Schlussfolgerungen:
❏ MUEK verbessert Standortfaktoren, die einen hohen Handlungsbedarf aufweisen.
❏ Je nach Ausgestaltung der Verwendungsseite von MUEK werden unterschiedliche
Standortfaktoren positiv beeinflusst:
– MUEK mit Steuerreduktion: Die Steuerbelastung für hochqualifizierte Arbeitnehmer
wird sinken. Die Folge davon: Die Verfügbarkeit dieser Arbeitskräfte steigt. Dies ist
eine der wichtigsten positiven Auswirkungen eines System MUEK mit Steuerreduktion. Dies vor allem darum, weil der künftige Branchenstrukturwandel zu einer
vermehrten Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften führen wird.
Als zusätzlicher Nebeneffekt wird die schon heute tiefe Unternehmensbesteuerung
weiter abnehmen.
– MUEK mit Lohnsummenbonus: Bei diesem Verwendungsmodell wird in erster
Linie das Preis/Leistungsverhältnis der Arbeit verbessert.
ECOPLAN
98
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
❏ Wir schätzen, dass die Verfügbarkeit von Arbeitsflächen, die Lebensqualität im Kanton
und die Qualität des regionalen öffentlichen Verkehrs durch MUEK positiv beeinflusst
werden.
❏ Es ist weiter denkbar, dass MUEK mittel- bis längerfristig zu einer schlankeren und
damit billigeren Infrastruktur v.a. im Bereich von Entsorgungsaufgaben führt, was seinerseits den Wirtschaftsstandort Kanton Bern attraktiver macht.
❏ Eine Standortverschlechterung wird insbesondere bei den Kosten von Arbeitsflächen
und den Energiekosten eintreten.
Die Änderungen in der Standortgunst wird die Situation der meisten Dienstleistungsbetriebe verbessern, diejenige der ressourcenintensiven Industriebetriebe allerdings verschlechtern. Ob der Gesamteffekt positiv oder negativ ist, lässt sich kaum abschätzen.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
99
6.5.4 Fördert MUEK Innovationen?
In diesem Kapitel wollen wir qualitativ den Einfluss von MUEK auf die Innovationsfähigkeit der Berner Wirtschaft untersuchen. Wir stützen uns dabei auf das u.E. beste und aktuellste Erklärungsmodell für die Innovationstätigkeit in der schweizerischen Wirtschaft.(17) Die Beeinflussung der Innovationsfähigkeit der Berner Wirtschaft durch MUEK
kann dabei nur subjektiv und qualitativ abgeschätzt werden. Im wesentlichen werden wir
uns auf Tendenzaussagen beschränken. Aussagen zum Innovationsverhalten sind sehr
wichtig, da sie für die Dynamik einer Volkswirtschaft von hervorragender Bedeutung sind.
Das Erkärungsmodell für die Innovationsfähigkeit und das Innovationsverhalten der KOF
(Konjunkturforschungsstelle der ETH) unterscheidet folgende Innovationsdeterminanten:(18)
1 Nachfrage
– Mittelfristige Nachfrageperspektiven
2 Marktbedingungen
– Intensität der Preiskonkurrenz auf dem Absatzmarkt
– Intensität der nichtpreislichen Konkurrenz auf dem Absatzmarkt
3 Imitationsschutz
– Patente, Gebrauchsmuster
– Geheimhaltung, Komplexität des Produktes, Zeitvorsprung bei der Einführung einer
Neuerung
– überragende Verkaufs- und Serviceanstrengungen, Bindung innovationsrelevanten
Personals an die Firma
4 Ausschöpfung technologischer Chancen
– weltweit verfügbares technologisches Potential
– Spezifischer Beitrag des firmenexternen Wissens zur firmeneigenen Innovationstätigkeit
– Spezifischer Beitrag von Firmenkooperationen im Technologiebereich zur firmeneigenen Innovationstätigkeit
Im folgenden werden die einzelnen Innovationsdeterminanten kurz beschrieben(19) und
der Einfluss von MUEK diskutiert (die Tabelle 6-39 gibt einen zusammenfassenden Überblick zur nachfolgenden Diskussion):
17 Arvanitis S. et al (1992), Innovationsfähigkeit und Innvovationsverhalten der Schweizer Wirtschaft.
Mit demselben Modellansatz wurde auch die Innovationsfähigkeit der Zürcher Wirtschaft genauer untersucht: Hollenstein H., Lenz S. (1995), Die Innovationsfähigkeit der Zürcher Wirtschaft. Der Modellansatz
ist in erster Linie auf die Innovationstätigkeit im Industriebereich ausgerichtet. Mangels besserer Erklärungsmodelle für das Innovationsverhalten im Dienstleistungsbereich werden wir diesen Modellansatz für
die weitere Diskussion sowohl für Industrie- wie auch Dienstleistungsbereich benutzen.
18 Vgl. Hollenstein H., Lenz S. (1995), Die Innovationsfähigkeit der Zürcher Wirtschaft, S. 39.
19 Die Beschreibung der Innovationsdeterminanten konnten wir übernehmen aus:
Hollenstein H., Lenz S. (1995), Die Innovationsfähigkeit der Zürcher Wirtschaft, S. 38 ff
ECOPLAN
100
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
1 Nachfrage
Günstige mittelfristige Nachfrageperspektiven bilden einen wesentlichen Anreiz für die
Durchführung von Innovationsprojekten, weil sich unter diesen Umständen gute Gewinnchancen bieten. Günstige Nachfrageperspektiven sind gemäss den Resultaten
der KOF-Studie eine starke Triebfeder für Produkt- und Prozessinnovationen in der
schweizerischen Wirtschaft (exkl. Wirtschaftsraum Zürich).(20)
Die Frage ist also, ob MUEK die mittelfristigen Nachfrageperspektiven der Berner Unternehmen positiv beeinflusst? Wenn für MUEK das Verwendungsmodell "Steuer-reduktion" gewählt wird, so kann angenommen werden, dass zumindest für den Berner
Binnenwirtschaftsbereich die Nachfrageperspektiven positiv beeinflusst werden.
Denn: Eine geringere Steuerbelastung bedeutet mehr verfügbares Einkommen und
steigende Konsumausgaben. Davon profitieren und zu Innovationen angereizt würde
damit in erster Linie der binnenwirtschaftlich ausgerichetete Dienstleistungsbereich.
Für den grössten Teil des Industriebereichs dürften durch MUEK die Nachfrageperspektiven kaum positiv beeinflusst werden, da nur ein beschränkter Teil der industriellen Produktionsgüter direkt im Kanton Bern abgesetzt wird.
2 Marktbedingungen
Bei den Konkurrenzverhältnissen auf dem Absatzmarkt ist zwischen preislicher und
nicht preislicher Konkurrenz zu unterscheiden.
Die Wirkungsrichtung der Preiskonkurrenz auf die Innovationstätigkeit ist nicht eindeutig: Einerseits bremst eine hohe Konkurrenzsituation wegen zu grosser Risiken die
Innovationstätigkeit, anderereits versuchen Unternehmen, dem Preisdruck durch
Neuerungen auszuweichen. Gemäss den KOF-Resultaten dominiert die zweite Möglichkeit, d.h. Preiskonkurrenz führt zu vermehrter Innovationstätigkeit. Allerdings ist
diese Innovationsdeterminante für die Schweizer Wirtschaft (exkl. Wirtschaftsraum
Zürich) nicht so stark ausgeprägt wie die oben erwähnte Nachfrageperspektive.
Die Umweltabgaben in einem System MUEK erhöhen den Preisdruck bei den Berner
Unternehmen; insbesondere die Preiskonkurrenz zwischen Berner und ausserkantonalen Firmen wird verschärft. Davon betroffen ist in erster Linie der Industriebereich.
Insgesamt dürfte aber der Anreiz zu Innovationsaktivitäten nicht sehr ausgeprägt sein,
dies zeigt auch die KOF-Untersuchung.
Der nichtpreisliche Konkurrenzdruck zielt in erster Linie auf den Innovationswettbewerb in den Absatzmärkten ab. Der nichtpreisliche Konkurrenzdruck definiert sich
aus den Grössen Sortimentsvielfalt, Produktequalität, technische Vorsprünge, Flexibilität, Design und Serviceleistungen. Die Bedeutung der nichtpreislichen Konkurrenz für
die Innovationsintensität ist gemäss KOF-Untersuchung im Schweizer Wirtschaftsraum (exkl. Zürich) nicht sehr ausgeprägt. Der Einfluss von MUEK kann hier vernachlässigt werden.
20 Im Wirtschaftsraum Zürich ist die dominierende Kraft für Innvoationen eher bei der Intensität der Preis-
konkurrenz zu suchen.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
101
3 Imitationsschutz
Je besser der Imitationsschutz, d.h. je besser das innovationsrelevante Wissen vor der
Konkurrenz geschützt werden kann, desto grösser der Anreiz zu Innovationstätigkeiten. MUEK ändert nichts am Imitationsschutz. Allenfalls wird die Bindung von innovationsrelevantem Personal an die Firma aufgrund der verbesserten steuerlichen Situation erleichtert. Gerade dieser Punkt wird aber von der KOF-Untersuchung als weniger
wichtig für Innovationstätigkeiten eingestuft.
4 Ausschöpfung technologischer Chancen
Je grösser das weltweit verfügbare technologische Potential ist, mit umso stärkeren Innovationsimpulsen ist zu rechnen. Mit MUEK wird das weltweit verfügbare
technologische Potential nicht vergrössert, d.h. MUEK hat hier keine positiven Impulse
auf das Innovationsverhalten.
Zwei wichtige Faktoren zur Nutzung des weltweit verfügbaren technologischen Potentials sind der Beizug von firmenexternem Wissen und von Kooperationen (z.B.
Technologie-Kooperationen). Mit MUEK wird insbesondere die Suche nach alternativen Produktionsmethoden intensiviert. Dabei dürfte auch der Rückgriff auf firmenexternes Wissen und die Möglichkeit von Technologie-Kooperationen vermehrt verwirklicht werden. MUEK dürfte somit bei diesen beiden Innovationsdeterminanten positive
Wirkung zeigen.
Die nachfolgende zusammenfassende Tabelle 6-39 zeigt, dass durch MUEK einen
schwach positiven Einfluss auf das Innovationsverhalten erwartet werden kann.
ECOPLAN
102
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Tabelle 6-39: Innovationsdeterminanten und Ihre Bedeutung für die Innovationstätigkeit / Einfluss von MUEK
Innovationsdeterminanten
Wichtigkeit der Innova-
Einfluss von MUEK
Einfluss von MUEK
tionsdeterminanten
unter Berück-
im Wirtschaftsraum
sichtigung der
Schweiz (exkl.
Wichtigkeit der
Zürich)(21)
Innovationsdeterminanten
1
Nachfrage
++
(+)
(+)
– Preiskonkurrenz auf dem Absatzmarkt
0
(+)
0
– nichtpreislichen Konkurrenz
0
0
0
– Patente
++
0
0
– Geheimhaltung, Komplexität, Zeitvorsprung
++
0
0
0
(+)
0
– Verfügbares technologisches Potential
++
0
0
– firmenexternes Wissen
(+)
(+)
(+)
– Firmenkooperationen
Legende:
++ sehr wichtig bzw. grosser Einfluss
+
wichtig bzw. bedeutender Einfluss
(+) weniger wichtig bzw. schwacher Einfluss
0
kaum wichtig bzw. kein Einfluss
++
(+)
(+)
– Mittelfristige Nachfrageperspektiven
2
3
Marktbedingungen
Imitationsschutz
– Verkaufs- und Serviceanstrengungen, Bindung
innovationsrelevanten Personals an die Firma
4
Ausschöpfung technolog. Chancen
In den obigen Ausführungen haben wir uns mit den innovationsauslösenden Determinanten auseinandergesetzt. Selbstverständlich gibt es auch Innovationshemmnisse, die die
Innovationstätigkeit wesentlich beeinflussen. Hier steht die Frage im Vordergrund, ob
MUEK diese Innovationshemmnisse noch verstärkt oder evtl. vermindert. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Innovationshemmnisse gemäss einer Einschätzung von Schweizer Unternehmer im Jahre 1993.(22)
21 Vgl. Hollenstein H., Lenz S. (1995), Die Innovationsfähigkeit der Zürcher Wirtschaft, S. 46.
22 Die Prozente geben den Anteil von Firmen mit einer Hemmnis-Intensität von 4 oder 5 auf einer 5-stufigen
Skala an.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
103
Tabelle 6-40: Innovationshemmnisse und der Einfluss von MUEK
Einschätzung der wichtigsten Innovationshemmnisse
(gesamte Schweiz für das Jahr 1993)(23)
0%
5%
Einfluss von MUEK
10% 15% 20% 25% 30% 35%
Mangel an
Eigenmittel
+/-
Beschaffung
Fremdkapital
0
Steuerbelastung
+
Mangel an F&EPersonal
+
Mangel an qualif.
Personal
+
Zugang zu
Technologieinfos
0
Zugang zu
Marketinginfos
0
Umweltgesetzgebung
+/-
Raumplanung
0
Ausländerpolitik
0
Legende:
+
Innovationshemmnis wird vermindert
+/- Innovationshemmis wird verstärkt oder vermindert
0
kein Einfluss
Einen Abbau von Innovationshemmnissen ist in den Bereichen "Personal" und
"Steuerbelastung" zu erwarten. Wie in Kapitel 6.5.3 gezeigt, dürfte bei einer Steuerreduktion die Rekrutierung von qualifiziertem Personal (dazu zählen auch die Arbeitskräfte in
Forschung und Entwicklung - F&E-Personal) vereinfacht werden, d.h. dieses Innovationshemmnis wird abgebaut.
23 Vgl. Hollenstein H., Lenz S. (1995), Die Innovationsfähigkeit der Zürcher Wirtschaft, S. 57 und 68.
ECOPLAN
104
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Die konkrete Wirkungsrichtung bezüglich der Umweltgesetzgebung ist nicht bekannt.
Geht man davon aus, dass andere Kantone oder der Bund vermehrt auf Umweltabgaben
setzen, so können evtl. bestehende Vorschriften gelockert oder auf künftige Regelungen
verzichtet werden. In diesem Falle würde MUEK dazu beitragen, dass das Innovationshemmnis Umweltgesetzgebung abgebaut würde. Ziehen die anderen Kantone oder der
Bund auch mittelfristig keine auf Abgaben gestützte Umweltpolitik in Betracht, so könnten sich negative Auswirkungen einstellen (auf Umweltvorschriften wird in diesem Falle
auch längerfristig nicht verzichtet und zusätzlich fallen durch die Umweltabgaben ausgelöste Investitionen an, die u.U. Mittel für nötige Innovationen binden).
Für Betriebe mit relativ hoher Abgabebelastung besteht die Gefahr, dass durch MUEK
nötige Eigenmittel zur Finanzierung von Innovationsvorhaben entzogen werden. Dieses
Innovationshemmnis würde somit durch MUEK verstärkt. Bei Betrieben mit geringer Abgabebelastung werden sogar zusätzliche finanzielle Mittel freigesetzt, so dass der Mangel
an Eigenmittel abgebaut wird.
Die restlichen Innovationshemmnisse werden durch MUEK nur marginal berührt.
Schlussfolgerungen
– MUEK löst Innovationsimpulse aus. Eine günstigere Nachfrageperspektive sowie Anreize zur Nutzung von firmenexternem Wissen und zu vermehrten Kooperationen sind
verantwortlich dafür. Der Beitrag von MUEK darf aber nicht überschätzt werden.
Positiv zu vermerken ist, dass umweltschonende Produktion und ökologische Verhaltensweisen gefördert werden. MUEK leistet somit einen Beitrag zu einem ökologischen Strukturwandel.
– MUEK baut wichtige Innovationshemmnisse ab. Dies betrifft insbesondere die sinkende Steuerbelastung und die vereinfachte Rekrutierung von qualifiziertem Personal.
Mit zusätzlichen Innovationshemmnissen oder mit einer Verstärkung bisheriger Innovationshemmnisse ist allenfalls bei Betrieben zu rechnen, die durch die Abgaben stark
betroffen sind. Bei diesen Betrieben verknappen die Umweltabgaben u.U. die nötigen
finanziellen Mittel zur Finanzierung von Innovationsvorhaben.
6.5.5 Chancen / Risiken von MUEK und flankierende Massnahmen
Wo liegen Chancen und Risiken von MUEK? Die Chancen von MUEK lassen sich wie
folgt zusammenfassen:
❏ Effizienz/Wohlfahrt
MUEK ist eine effiziente und wohlfahrtssteigernde Massnahme, insbesondere dann,
wenn die Einnahmen aus den Umweltabgaben über eine Senkung der kantonalen
Steueranlage zur Reduktion der Steuerbelastung eingesetzt werden.
❏ Branchenstrukturwandel
MUEK unterstützt den prognostizierten Branchenstrukturwandel. Dies verspricht höheres Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Produktion und der Arbeitsproduktivität.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
105
❏ Standortgunst
MUEK verbessert die Standortattraktivität insbesondere in den Bereichen Steuerbelastung und Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitnehmern. Insgesamt bezieht sich der
positive Einfluss auf Standortfaktoren mit einem grossen Handlungsbedarf.
❏ Innovation
MUEK löst - wenn auch schwache - Innovationsimpulse aus und baut verschiedene
Innovationshemmnisse ab. Die durch MUEK ausgelösten Innovationen werden den
ökologischen Strukturwandel beschleunigen.
Diese Chancen werden unseres Erachtens dann am besten wahrgenommen, wenn
MUEK in erster Linie die Steuerbelastung senkt. Dies spricht klar für das Verwendungsmodell "Steuerreduktion". Allerdings darf auch unter der Annahmen, dass die Chancen
genutzt und die nachfolgenden Risiken vermieden werden, nicht mit grossen gesamtwirtschaftlichen Gewinnen gerechnet werden. MUEK ist kein "Wirtschaftsförderungsprogramm". Unter Einbezug der durch MUEK vermiedenen Umweltkosten (sogenannte
externe Kosten) kann aber ein gesamtwirtschaftlich positives Resultat erwartet
werden.
In jedem Fall werden andere laufende Entwicklungen und Veränderungen auf internationaler und nationaler Ebene (z.B. Umsetzung GATT, Wechselkursschwankungen, weitere
Globalisierung der Märkte usw.) grössere Auswirkungen auf die Berner Wirtschaft haben
als eine allfällige Umsetzung des Konzeptes MUEK.
MUEK bietet nicht nur Chancen sondern weist auch Risiken auf:
❏ Effizienz/Wohlfahrt
Werden die Einnahmen aus den Umweltabgaben nicht zielgerichtet für Steuerreduktionen eingesetzt oder als Lohnsummenbonus den Unternehmen rückerstattet, sondern zum Ausgleich in sozialer oder regionaler Hinsicht verwendet, leidet die wirtschaftliche Effizienz von MUEK. Wohlfahrtsverluste sind nicht auszuschliessen.
❏ Branchenstrukturwandel
Der durch MUEK beschleunigte Strukturwandel hat positive Auswirkungen. Andererseits entstehen aber auch soziale und wirtschaftliche Anpassungskosten: Die Reallokation von Arbeitskräften und Kapital zwischen Unternehmen und Branchen wird nicht
friktionslos verlaufen. Hohe Anpassungskosten schmälern die unter den Chancen erwähnten positiven wirtschaftlichen Auswirkungen bei einem "zu schnellen" Strukturwandel empfindlich.
❏ Standortgunst
Eine Standortverschlechterung wird insbesondere bei den Kosten von Arbeitsflächen
und den Energiekosten eintreten. Die Standortgunst wird allgemein für alle ressourcenintensive Unternehmen geschmälert.
❏ Innovation
Es besteht das Risiko, dass bei Betrieben, die durch die Abgaben stark betroffen sind,
MUEK die nötigen finanziellen Mittel zur Finanzierung von Innovationsvorhaben entzieht.
ECOPLAN
106
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
Werden die Chancen, die MUEK bietet, nicht genutzt, so muss aus gesamtwirtschaftlicher, dynamischer Sicht mit Nachteilen gerechnet werden. Aus unserer Sicht nimmt die
Verbesserung der Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften eine zentrale
Rolle ein. Unsicher ist hier vor allem, ob die Steuerreduktionen ausreichend sind, um die
Rekrutierung von hochqualifizierten Arbeitskräften zu erleichtern. Hier muss man sich vor
Augen halten, dass der Kanton Zürich auch nach der Senkung der bernischen Steueranlage um 3 bis 4 Steuerzehntel noch immer deutlich günstiger ist. Wenn die erleichterte
Rekrutierung von qualifizierten Arbeitskräten nicht gelingt, dann birgt MUEK ein doppeltes
Risiko:
– Einerseits werden die Umweltabgaben von MUEK insbesondere die strukturschwachen Branchen belasten, andererseits können die strukturstarken Branchen ihr
Wachstumspotential aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften nicht ausschöpfen. Die Einbussen in den schrumpfenden strukturschwachen Branchen werden somit nicht durch wachsende strukturstarke Branchen
wett gemacht.
– Der durch MUEK beschleunigte Strukturwandel verstärkt die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften. Der Mangel an qualifiziertem Personal - ein wichtiges Innovationshemmnis - wird sich durch MUEK noch verschärfen, wenn nur die Nachfrage
steigt, aber wegen der immer noch hohen Steuerbelastung nicht mehr hochqualifizierte Arbeitskräfte in den Kanton Bern gezogen werden können. Die Innovationstätigkeit wird abnehmen. Darunter leidet die Dynamik der Volkswirtschaft, was sich
längerfristig negativ auswirken wird.
Unseres Erachtens können diese Risiken von MUEK nicht vernachlässigt werden. Bei
einer Realisierung von MUEK sollte deshalb angestrebt werden, mit "flankierenden Unterstützungsmassnahmen" die Risiken zu mindern. Ein mögliches Massnahmenpaket
wäre in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft auszuarbeiten, bevor das Konzept
MUEK umgesetzt wird. Dabei sollen einerseits die negativen Auswirkungen abgefedert
(Risiko vermindern), andererseits die positiven Aspekte verstärkt werden (Chancen vergrössern).
Wir wollen nachfolgend einige Stichworte zu Möglichkeiten von Massnahmen bzw. Strategien geben, die unserer Ansicht nach die Risiken von MUEK vermindern und die
Chancen erhöhen:
❏ Die Umsetzung von MUEK muss schrittweise erfolgen (vgl. Kapitel 7), damit eine An-
passung der Unternehmen möglich wird.
❏ MUEK muss durch weitere Massnahmen zur Stärkung der Wirtschaftskraft aktiv un-
terstützt werden.(24) MUEK sollte also Teil einer umfassenden wirtschaftspolitischen, marktwirtschaftlich ausgerichteten Strategie sein.
24 Vgl. dazu
-
Regierungsrat des Kantons Bern (1993), Bernische Wirtschaftskraft - Strategien und Massnahmen zur
Stärkung der bernischen Wirtschaftskraft, Bericht des Regierungsrates des Kantons Bern vom 10.
Februar 1993.
-
ECOPLAN (1992), Wirtschaftskraft des Kantons Bern - Bestandesaufnahme, Bestimmungsfaktoren,
Massnahmen.
ECOPLAN
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
107
❏ Die künftige Strategie muss daher lauten: Umweltabgaben anstelle von Geboten
und Verboten. Ein Abbau von heute schon bestehenden Geboten und Verboten muss
geprüft werden; zusätzliche Gebote und Verbote sind nur noch einzusetzen, wenn andere Massnahmen nicht greifen. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch der Bund
und andere Kantone noch stärker auf marktwirtschaftliche Instrumente im Umweltschutz setzen.
❏ Damit die Chancen eines beschleunigten Strukturwandels genutzt werden, ist es zen-
tral, die aktuellen Forschungsergebnis möglichst schnell in Produkte oder verbesserte
Produktionsprozesse umzusetzen. Die Wege zwischen Forschung, Entwicklung und
Produktion/Prozess müssen verkürzt werden. Ansatzpunkte dazu sind:
– Schaffung einer Anlaufstelle für Informationen zu neuesten Forschungs- und Entwicklungstrends und -resultaten (Stichwort Technologietransfer)
– Förderung/Ausdehnung der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft,
Forschungskooperationen
– aktive Innovationsberatung.
❏ In die gleiche Richtung zielt eine weitere flankierende Massnahme. Insbesondere für
die stark betroffenen Branchen und Unternehmen könnte mit einem integralen Umweltberatungs-Angebot angestrebt werden, die negativen Auswirkungen von MUEK
zu lindern. Teile eines solchen Angebots könnten sein
– Weiterbildung: Aufbau eines Angebotes von Kursen, in welchen Massnahmen zur
Ausschöpfung von Effizienzpotentialen in verschiedenen Produktionsprozessen und
Umweltbereichen aufgezeigt werden.
– Hilfsmittel-Angebot: Ein solches Hilfsmittel stellt z.B. das Handbuch
"Parkraumoptimierung" des KIGA dar. Das Handbuch enthält einen umfassenden
Vorgehensvorschlag für die Einführung von Parkplatzabgaben auf Beschäftigtenund Kundenparkplätzen sowie eine grosse Anzahl von hilfreichen Informationen. Es
wäre zu prüfen, ob ähnliche Hilfsmittel auch für andere in MUEK vorgesehene
Massnahmen ausgearbeitet werden sollten.
❏ Contracting: Im Energiebereich gewinnen Contracting-Lösungen zunehmend an Be-
deutung. Für Unternehmen kann es aus verschiedenen Gründen interessant sein, eine
Investition in Energieprojekte an einen Contractor auszulagern, statt sie selber vorzunehmen:(25)
– Das Unternehmen konzentriert sich aus strategischen Gründen auf sein Kerngeschäft. Aktivitäten ausserhalb dieses Kerngeschäfts sollen ausgelagert werden.
– Das Know-how für die Abwicklung und das Management von Energieinvestitionen
ist nicht vorhanden und soll nicht aufgebaut werden.
– Die Investitionssumme für Projekte zur Erhöhung der Energieeffizienz kann nicht
aufgebracht werden.
Bei einer allfälligen Einführung von MUEK wäre zu prüfen, ob und mit welchen Massnahmen Contracting-Lösungen auch auf andere Bereiche (z.B. Abwasser) ausgedehnt
werden könnten. So könnte z.B. eine kantonale Stelle als Vermittlungsstelle für Contracting-Nehmer (z.B. ein Industrieunternehmen) und Contractor (z.B. ein Ingenieurunternehmen) dienen.
25 Vgl. Basler Handelskammer und VBU (1995), Mehr Markt mit Energie, S. 18.
ECOPLAN
108
6 Wirtschaftliche Auswirkungen
❏ Umwelt-Management-System und Umwelt-Auditing: Auf internationaler aber auch
nationaler Ebene sind Bestrebungen im Gang, bei Unternehmen gewisser Branchen
periodisch Umwelt-Audits durchzuführen.(26) Externe Prüfer analysieren, wie wirksam
das Umwelt-Management-System (UMS) eines Unternehmens ist und wie umweltgerecht sich das Unternehmen verhält. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt,
dass die Implementierung eines UMS für Unternehmen verschiedene Vorteile hat:(27)
– Nutzung unternehmerischer Eigeninteressen dank Freiwilligkeit
– Wettbewerbsvorteile durch verbessertes Unternehmensimage
– Kostensparpotentiale durch kontinuierliche Verbesserung des betrieblichen Umweltschutzes (z.B. durch Abfallvermeidung)
– Mitarbeitermotivation
– Besseres Verhältnis zu externen Anspruchgruppen.
Die abzusehende Ausdehnung dieses marktorientierten Instruments des Umweltschutzes auch im Kanton Bern würde es den von den MUEK-Umweltabgaben besonders betroffenen Unternehmen leichter fallen, wirkungsvolle Massnahmen zur Reduktion der Belastung durch die Abgaben zu ergreifen.
26 Auf EU-Ebene trat am 13. Juli 1994 die Verordnung "über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unter-
nehmen an einem gemeinschaftlichen Umwelt-Management- und Öko-Audit-System" in Kraft (EMASVerordnung). Die EU-Staaten wurden verpflichtet, bis zum April 1995 die notwendigen Rahmenbedingungen für die Umsetzung von EMAS zu schaffen. In einzelnen Ländern sind bereits erste Unternehmen registriert worden, welche die Anforderungen gemäss EMAS erfüllen. Da die Schweiz weder im EWR noch
in der EU ist und in diesem Bereich bisher auch kein bilaterales Abkommen geschlossen werden konnte,
können Schweizer Unternehmen an EMAS nicht teilnehmen. Die inländischen Unternehmen werden sich
aber der laufenden Entwicklung nicht entziehen können, sondern über die ISO-Norm 14 001 bzw. die
Norm BS 7750 mit EMAS vergleichbare Anforderungen umsetzen.
27 Vgl. Dubach B. (1995), Umweltmanagementsysteme - ein neues marktorientiertes Instrument des Um-
weltschutzes, s. 22 f. und Gudet Ch. (1995), Umwelt-Auditing, S. 32.
ECOPLAN
7 Mögliche Aspekte einer Einführungsstrategie
7
109
Aspekte einer Einführungsstrategie
Es würde zu weit führen, an dieser Stelle bereits aufzeigen zu wollen, wie im Kanton
Bern ein System MUEK realisiert werden könnte. Zuviele politische Diskussionen, Beurteilungen und Weichenstellungen müssen erst noch erfolgen, bevor eine allfällige Umsetzung von MUEK eingeleitet werden kann. An dieser Stelle können deshalb nur ein paar
wenige Aspekte beschrieben werden, die es im Hinblick auf eine mögliche Umsetzung in
jedem Fall zu beachten gilt:
❏ Beurteilung aus einer politischen Gesamtsicht
Die Umsetzung eines Projekts mit der Tragweite von MUEK erfordert einen intensiven
und langen politischen Dialog. Die Durchführung des zweiten Workshops im Rahmen
des Projekts stellt einen ersten Einstieg in diesen Dialog dar. Für den politischen Meinungsfindungsprozess werden zusätzliche Plattformen für Diskussionen und Beurteilungen zu schaffen sein, wenn das Konzept MUEK weiterverfolgt werden soll.
❏ Einbettung in die kantonale Politik
MUEK wird in die übrigen Aktionsfelder der kantonalen Politik einzubetten sein. Über
eine enge Koordination wird sicherzustellen sein, dass von MUEK keine negativen
Wirkungen auf andere politische Strategien und Massnahmen ausgehen.
❏ Prioritäre Haushaltsanierung
Der zuletzt erwähnte Punkt gilt insbesondere für die prioritäre Haushaltsanierung.
MUEK wird in jedem Fall erst nach erfolgter Haushaltsanierung umgesetzt werden
können.
❏ Schrittweise Einführung
Falls MUEK im Kanton Bern dereinst realisiert werden soll, wäre eine schrittweise
Einführung anzustreben. Denkbar wäre z.B., zuerst die Abgaben der Gruppe 1 aus Abschnitt 3.3 mit tiefen Abgabensätzen zu realisieren, dann etappenweise die Abgabensätze zu erhöhen und zusätzliche Abgaben aus Gruppe 2 einzuführen. In diesem Fall
würde auch die Rückerstattung schrittweise ausgebaut.
Das schrittweise Vorgehen ist vor allem aus zwei Gründen anzustreben:
– Zum einen ist ein solches Vorgehen "fehlerfreundlich": Anpassungen, die sich aufgrund von neuen Erkenntnissen aus der Umsetzungsphase aufdrängen. fallen bei
einer schrittweisen Einführung generell leichter. Sollte sich z.B. erweisen, dass die
Einnahmen aus den Umweltabgaben weniger hoch als geschätzt ausfallen, kann
auf einen zusätzlichen Ausbauschritt auf der Verwendungsseite verzichtet werden.
– Zum andern ermöglicht dieses Vorgehen den Unternehmen eine frühe Antizipation
der in Aussicht gestellten Einführung weiterer Abgaben bzw. Erhöhung von Abgabensätzen, was tendenziell zu einer Abnahme der Anpassungskosten führt.
ECOPLAN
110
8
8 Schlussfolgerungen
Schlussfolgerungen
Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der vorliegenden Machbarkeitsstudie?
Für die Beantwortung dieser Frage nehmen wir Bezug auf die zwei Hauptfragestellungen,
welche im Vordergrund dieser Untersuchung standen:(1)
❏ Ist ein System von marktwirtschaftlichen Umweltinstrumenten mit einnahmenseitiger
Kompensation auf kantonaler Ebene überhaupt machbar?
❏ Kann mit einem solchen System ein Beitrag zur Verbesserung der Standortgunst des
Wirtschaftsraumes Kanton Bern bzw. seiner Wirtschaftskraft erreicht werden, ohne
dass schwerwiegende Umverteilungen resultieren?
Die Beantwortung der ersten Frage fällt uns vergleichsweise leicht, sie konnte bereits im
Zwischenfazit (Kapitel 5) beantwortet werden: Die technisch-praktische, administrative
und rechtliche Machbarkeit eines Systems MUEK auf kantonaler Ebene kann bejaht
werden. Zudem würde MUEK aus umweltpolitischer Sicht einen Schritt in die richtige
Richtung darstellen, indem es dem marktwirtschaftlichen Umweltschutz auf breiter Front
zum Durchbruch verhelfen würde.
Die Ausführungen in Kapitel 6, insbesondere die Auflistung der Chancen und Risiken
einer allfälligen Einführung des Systems MUEK in Abschnitt 6.5.5, haben deutlich gemacht, dass die zweite Frage nicht mit einem klaren "Ja" oder "Nein" beantwortet werden
kann. Die Auswirkungsanalyse ist zu grundsätzlich positiven Ergebnissen gekommen:
– Effizienz- bzw. Wohlfahrtsgewinne, wenn die Einnahmen aus den Umweltabgaben für
Steuerreduktionen verwendet werden
– positive Wirkungen auf wichtige Standortfaktoren, negative auf weniger bedeutende
– Schaffung von gewissen Anreizen für Innovationen.
Trotz dieser positiven Einschätzung ist zu beachten, dass die Einführung von MUEK auch
Risiken in sich birgt. Folgende Gründe sind dafür verantwortlich:
❏ Kantonale Ebene: Nicht zufällig steht bei allen Vorschlägen zu einer ökologischen
Steuerreform (vgl. Abschnitt 2.1) eine Energieabgabe als wichtigstes Globalsteuerungsinstrument im Vordergrund. Die Energieabgabe ist vergleichsweise einfach zu
vollziehen, weist ein sehr breites Steuersubstrat auf und wirkt auf verschiedene zentrale Umweltbelastungen. Bei keiner anderen Abgabe ist derart unbestritten, dass eine
Preissteuerung der richtige, effiziente Ansatz ist. Genau diese Abgabe fehlt, wenn
über ein System MUEK auf kantonaler Ebene diskutiert wird. Aus dieser Optik eignet
sich die nationale Ebene für das System MUEK besser. Am erfolgversprechendsten
überhaupt wäre ein koordiniertes Vorgehen auf Bundes- und auf kantonaler Ebene.
❏ Spezifische Ausgangslage des Kantons Bern: Die Ausgangslage für den Kanton
Bern zur Realisierung von MUEK könnte besser sein. Mit spürbaren Umweltabgaben
(Abgabesätze gemäss Variante B) kann maximal eine Steuerreduktion "finanziert" werden, die den Kanton Bern bezüglich Steuerbelastung von natürlichen Personen ins Mit1
Nicht zu beantworten war die Frage der politischen Realisierbarkeit des Konzeptes MUEK.
ECOPLAN
8 Schlussfolgerungen
111
telfeld der schweizerischen Kantone aufrücken lässt. Oder anders gesagt: Das Einnahmenpotential der Umweltabgaben reicht nicht aus, um aus dem Kanton Bern einen
der steuergünstigsten Kantone der Schweiz zu machen. Auf der anderen Seite wird
der Kanton Bern die höchste Umweltabgabenbelastung aufweisen.
❏ Strukturwandel: Das Risiko der im letzten Punkt erwähnten Situation ist klar: MUEK
bringt eine weitere Belastung der strukturschwachen Unternehmen, weshalb Produktionsauslagerungen nicht ausgeschlossen werden können. Aus gesamtwirtschaftlicher
Sicht ist dies nicht negativ zu beurteilen, wenn im Gegenzug strukturstarke Unternehmen in den Kanton Bern ziehen oder wenn sich den ansässigen strukturstarken
Unternehmen neue Entwicklungschancen offenbaren. Da der Kanton Bern auch mit
MUEK kein besonders steuergünstiger Kanton sein würde, kann aufgrund einer Einführung von MUEK kaum eine substantielle Zuwanderung von strukturstarken Unternehmen erwartet werden. Ob die zweifellos verbesserten Entwicklungsmöglichkeiten
der ansässigen strukturstarken Unternehmen ausreichen, um die zusätzliche Belastung der strukturschwachen Unternehmen wettzumachen, kann nicht mit Sicherheit
vorausgesagt werden, obwohl einiges darauf hin deutet.
❏ Einbettung in eine umfassende wirtschaftspolitische Strategie mit flankierenden
Umsetzungsmassnahmen: MUEK kann erfolgreich sein, wenn die Umsetzung als
Einstieg in einen langfristigen Prozess und Wandel verstanden wird. Die Idee hinter
MUEK ist grundsätzlicher Natur, indem ein neues Verhältnis zwischen Umwelt-, Finanz- und Wirtschaftspolitik definiert wird. Damit ist MUEK auch kein "kleines" Projekt.
Vielmehr müsste es ein zentraler Teil einer umfassenden marktwirtschaftlichen Erneuerungsstrategie sein, wie sie im regierungsrätlichen Bericht "Bernische Wirtschaftskraft" skizziert ist. Teil dieser umfassenden Strategie müssten auch flankierende Umsetzungsmassnahmen sein, welche zu einer Reduktion der Anpassungskosten bei den von den Umweltabgaben am meisten betroffenen Unternehmen führen.
❏ Verwaltungsinterne Anstrengungen: Die oben beschriebene Umsetzung dieses
umfassenden Projekts kann nur gelingen, wenn innerhalb der Verwaltung viel Energie
und die notwendigen Ressourcen freigesetzt werden können. Die gegenwärtige starke
Belastung zahlreicher Verwaltungsstellen im Zusammenhang mit der Sanierung des
Staatshaushaltes stellt vor diesem Hintergrund keine sehr günstige Ausgangslage dar.
❏ Breite Abstützung: Beim Vollzug verschiedener Umweltabgaben ist der Kanton auf
eine funktionierende Zusammenarbeit mit den Gemeinden und mit Privaten angewiesen. Ansonsten steigt der Vollzugsaufwand für den Kanton stark an (Behandlung von
Einsprachen, Kontrollen etc.). Es ist daher unerlässlich, dass MUEK breit abgestützt
und von einer klaren Mehrheit der Betroffenen bejaht wird.
Bei der Einstufung der Risiken ist allerdings zu beachten, dass andere auf internationaler
und nationaler Ebene ablaufende Entwicklungen und Veränderungen (z.B. weitergehende
Globalisierung und Liberalisierung der Märkte) die bernische Wirtschaft weit stärker herausfordern werden, als es eine Umsetzung des Konzeptes MUEK tun würde. Angesichts
dieser Tatsache stellt MUEK u.E. trotz der Risiken ein zukunftsträchtiges Konzept dar.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A-1
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Inhaltsverzeichnis:
Vorbemerkung ........................................................................................................ 2
A1
Abfallabgabe ................................................................................................ 4
A2
Abwasserabgabe ......................................................................................... 9
A3
Wasserabgabe ........................................................................................... 15
A4
Kiesabgabe................................................................................................. 20
A5
Bodenversiegelungsabgabe ....................................................................... 28
A6
Kantonale Abgabe auf öffentlichen Parkplätzen ......................................... 36
A7
Kantonale Abgabe auf Beschäftigten- und Besucherparkplätzen ............... 44
A8
Motorfahrzeugsteuern ............................................................................... 50
A9
Vignetten/Road-Pricing............................................................................... 56
A10
Emissionsabgabe bei Feuerungen ............................................................. 62
A11
Elektrizitätsabgabe ..................................................................................... 68
ECOPLAN
A-2
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Vorbemerkung
Die Beurteilung der verschiedenen Umweltabgaben erfolgt nach einem vorgegebenen
Kriterienraster. Wir gehen auf folgende Punkte ein:
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Unter diesem Punkt werden das Abgabeobjekt und -subjekt und die Abgabensätze diskutiert. Bei der Diskussion war zu berücksichtigen, dass einzelne Abgaben bereits in anderem Zusammenhang detailliert analysiert wurden (z.B. Abwasser- und Abfallabgabe), bei
anderen aber erst noch Grundlagenmaterial zusammengetragen werden musste (z.B.
Kiesabgabe). Entsprechend war es nicht möglich, bei allen Abgaben den gleichen Konkretisierungsgrad bezüglich der Ausgestaltung zu erreichen.
Um die Diskussion zu erleichtern, haben wir bei allen Abgaben zwei Eckvarianten gewählt, die sich in der Abgabenhöhe und u.U. auch in der Ausgestaltung unterscheiden:
– eine untere Variante A, die sich an frühere im Grossen Rat oder der Verwaltung diskutierte Vorschläge oder an Abgaben in anderen Kantonen oder Staaten anlehnt
– eine obere Variante B, mit der bedeutend höhere Einnahmen und/oder Lenkungseffekte angestrebt werden, die aber dennoch aufgrund unserer Einschätzung langfristig nicht als zum vornherein unrealistisch eingestuft werden kann.
Diese Varianten dienen wie gesagt dazu, Eckwerte für die Diskussion zu erhalten, insbesondere auch, um die Notwendigkeit von flankierenden Massnahmen zugunsten stark
betroffener Unternehmungen und Haushalte zu diskutieren.
Selbstverständlich sind auch weitere Varianten möglich. Zudem ist davon auszugehen,
dass alle Abgaben mit schrittweise ansteigenden Abgabesätzen eingeführt würden, um
die Anpassungsprobleme zu mildern.
b) Mögliche Einnahmen
Unter diesem Punkt wurde versucht, das Einnahmenpotential für die Varianten A und B
abzuschätzen. Die ausgewiesenen Potentiale sind aus verschiedenen Gründen ausdrücklich als Grössenordnungen und nicht als genaue Grössen zu verstehen:
– Bei verschiedenen Abgaben war es nur sehr beschränkt möglich, einigermassen zuverlässig die kurz- bis mittelfristige Reaktion der Nachfrage auf die durch die Abgaben
hervorgerufenen Preiserhöhungen abzuschätzen. Diese Schwierigkeit bestand in besonderem Masse bei Abgaben, bei welchen auch ausserhalb des Kantons Bern noch
wenig Erfahrungen bestehen und bei welchen die genaue Ausgestaltung noch nicht
festgelegt werden konnte.
– Noch schwieriger gestaltete sich die Abschätzung der längerfristigen, dynamischen Effekte der Abgaben: Die Abgaben setzen Anreize zur Entwicklung neuer Technologien
und Verfahren sowie zu grundlegenden Verhaltensänderungen (z.B. bei der Mobilität).
Die resultierenden Auswirkungen auf das Einnahmenpotential liessen sich nicht beziffern.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A-3
c) Bestehende Erfahrungen
Die kurze Darstellung bestehender Erfahrungen im In- und Ausland sollte Anhaltspunkte
für die Ausgestaltung der Vorschläge für den Kanton Bern liefern.
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Die in der ökonomische Theorie hervorgehobene Kosteneffizienz von Umweltabgaben
wird spürbar reduziert, wenn die Umsetzung der vorgeschlagenen Abgabenlösung einen
erheblichen Vollzugsaufwand verursachen. Bei der Diskussion des Vollzugsaufwandes
waren sowohl die betroffenen Abgabesubjekte als auch die involvierten Verwaltungsstellen zu berücksichtigen. Die Abschätzung des Vollzugsaufwand musste sich bei Abgaben,
bei welchen die Ausgestaltung noch nicht im Detail festgelegt werden konnte, auf qualitative Aussagen beschränken.
e) Rechtliche Anforderungen
Im Vordergrund der Abklärungen aus rechtliche Sicht stand der kantonale Handlungsspielraum. Sehr kritisch beurteilt wurden Abgabelösungen, die eine Anpassung des Bundesrecht bedingen würden. Hingegen wurde ein Anpassungsbedarf in der kantonalen
Gesetzgebung nicht als Hindernis betrachtet.
Die Abklärung der rechtlichen Fragestellungen erfolgte einerseits durch ECOPLAN (grobe
Beurteilung) und andererseits durch P. Flury und R. Schneider von der Rechtsabteilung
der Volkswirtschaftsdirektion. In diesem Anhang werden sowohl die Ausführungen von
ECOPLAN und als auch diejenigen von den Vertretern der Rechtsabteilung ausgewiesen.
f) Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte (erste Hinweise)
Die Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte werden die zwei Schwerpunkte in
den weiteren Projektarbeiten darstellen. Im Rahmen der Detailevaluation ging es denn in
erster Linie auch darum, erste Hinweise für den Abklärungsbedarf bereitzustellen.
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Unter diesem Punkt war zu diskutieren, ob und in welchem Ausmass im betroffenen
Umweltbereich überhaupt ein umweltpolitischer Handlungsbedarf besteht und inwiefern
die vorgeschlagene Abgabenlösung diesem Handlungsbedarf gerecht wird. Weiter wurde
aufgezeigt, ob sich aufgrund von Bestrebungen in anderen Kantonen und/oder auf nationaler bzw. internationaler Ebene ein Koordinationsbedarf ergibt.
i) Schlussfolgerung und Empfehlung
Ergebnis der Diskussion ist unsere Einschätzung, ob eine bestimmte Abgabe in einem
Umweltabgaben-System mit einnahmenseitiger Kompensation berücksichtigt werden
könnte oder nicht.
ECOPLAN
A-4
A1
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Abfallabgabe
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Die kantonale Abfallabgabe, die 1993 vom Grossen Rat beschlossen und seit 1995 in
Kraft ist, könnte erhöht werden, wobei die zusätzlichen Erträge nicht mehr zweckgebunden in den Abfallfonds fliessen würden, sondern im Rahmen des Konzepts MUEK
einnahmenseitig kompensiert würden. Die Abgabe beträgt heute 15 Fr./Tonne Abfall für
Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) und 25 Fr./Tonne für die Ablagerung in Deponien.
Abgabeobjekte und -subjekte sowie die Bemessungsgrundlage wurden für die Revision
des Abfallgesetzes einlässlich geprüft(1), und es besteht keine Veranlassung, diese Regelungen zu ändern: Abgabeobjekt ist das Gewicht des angelieferten Kehrichts (wobei die
Deponie von Rückständen aus KVAs abgabenfrei ist), Abgabesubjekt sind die Abfallentsorgungsunternehmungen (resp. im Falle von Exporten in andere Kantone: die Gemeinden).
Zur Diskussion steht hingegen eine Erhöhung, wobei auch eine stärkere Differenzierung
zwischen Deponien und KVAs denkbar wäre, vor allem um Anreize zu einer raschen Umstellung auf die Verbrennungsentsorgung auszulösen und eine (wenn auch bescheidene)
Tarifharmonisierung zwischen KVA- und Deponietarifen zu erreichen. Die Ausschöpfung
des heutigen gesetzlichen Abgabemaximums von 30/45 Franken würde bereits eine
deutliche Erhöhung bedeuten. Wir werden im folgenden die zwei in Tabelle A-1 wiedergegebenen Varianten diskutieren.
Tabelle A-1: Varianten A und B der Abfallabgabe
heute
Variante A
Variante B
Zuschlag
total
Zuschlag
total
KVA: Fr./t
15
15
30
50
65
Deponien: Fr./t
25
25
50
100
125
13 Mio.
13 Mio.
26 Mio.
ca. 50 Mio.
ca. 63 Mio.
13 Mio.
12 Mio.
25 Mio.
ca. 44 Mio.
ca. 57 Mio.
Einn.
Lenkungseff.)
(ohne
Einn. (mit Lenkungseff.)
b) Mögliche Einnahmen
Die Einnahmen sind aus der obenstehenden Tabelle ersichtlich. Mit den heutigen Sätzen
betragen die Einnahmen rund 13 Mio. Franken pro Jahr. Die Varianten A resp. B ergäben
Zusatzerträge von 12 resp. 44 Mio. Fr. (zusätzliche Einnahmen, welche nicht in den Abfallfonds fliessen würden, sondern für die einnahmenseitige Kompensation zur Verfügung
stünden). Die maximale Höhe des Fonds ist im heutigen Dekret auf 20 Mio. fixiert ist.
Diese rechtlichen Grundlagen müssten aber bei einem System MUEK ohnehin angepasst
werden. Es ist zu beachten, dass die Abfallmengen schwierig zu prognostizieren sind und
insbesondere der Mix von KVA- und Deponie-Entsorgung auch davon abhängt, wie konsequent der Verzicht auf die Siedlungsabfalldeponierung (gemäss TVA und Regierungs1
Vgl. ECOPLAN (1992), Abfallfonds im Kanton Bern sowie Vortrag zur Revision des Abfallgesetzes von
1992/93.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A-5
ratsbeschluss ab 2000) vollzogen wird. Eine hohe Abgabe auf Deponien bringt somit voraussichtlich nach dem Jahr 2000 einnahmenseitig nicht mehr viel. Bei einer weiteren
Vertiefung wären anhand aktualisierter Mengenprognosen entsprechende Hochrechnungen anzustellen.
c) Bestehende Erfahrungen
❏ Beim Vollzug der Abfallabgabe im Kanton Bern haben sich in den ersten Monaten
keine Probleme ergeben.
❏ Im Kanton Solothurn wurde eine Abfallabgabe nach dem bernischen Muster entwik-
kelt, die im Sommer vom Kantonsrat behandelt werden soll.
❏ Im Rahmen der Revision des Umweltschutzgesetzes, die derzeit im Parlament beraten
wird, steht eine Deponieabgabe zur Finanzierung der Altlastensanierung zur Diskussion (mögliche Grössenordnung 10 Fr./t resp. maximal 20% der durchschnittlichen
Deponiepreise, Einnahmen maximal 30-40 Mio. Fr./a). Das BUWAL hat in einer
Studie(2) Abfallabgaben mit Lenkungs- und/oder Finanzierungszwecken untersuchen
lassen. Weitere Beschlüsse sind aber bisher nicht gefasst worden und auch nicht in
die USG-Revision eingeflossen.
❏ International bestehen verschiedene Abfallabgaben, so in Österreich, Belgien, Däne-
mark, Frankreich und Pläne in Schweden, Finnland und den Niederlanden. (3)
Bezüglich der Lenkungswirkung gibt es einige Hinweise auf einen spürbaren Effekt in
Dänemark. Die übrigen Abgaben sind aber zu gering resp. zu wenig evaluiert worden, um
einen klaren Effekt feststellen zu können.
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Durch die Erhebung bei den relativ wenigen Abfallentsorgungsunternehmen, die ohnehin
die angelieferten Abfallmengen erheben, ist der Vollzugsaufwand sehr gering. Die Abgabe wird von den Entsorgern auf die Anliefertarife überwälzt und fliesst letztlich via
Kehrichtrechnungen der Gemeinden in die Abfallgebühren (Sackgebühren/Gewichtsgebühren, Grundgebühren) ein.
Eine Erhöhung ist vom Vollzug her grundsätzlich ebenfalls problemlos vollziehbar.
Problematisch sind allerdings zwei Aspekte:
❏ Importe/Exporte:(4) Bei Exporten von Abfällen in andere Kantone sind die Gemeinden
Abgabesubjekt, da der Kanton kein Recht zur Erhebung einer Abgabe bei ausserkantonalen Anlagen hat. Diese Erhebung kann relativ aufwendig werden, da z.B. bei der
KEBAG sehr viele Gemeinden betroffen sind. Sie sollte sich aber trotz anfänglicher
Schwierigkeiten letztlich mit einem Abkommen lösen lassen: Die ausserkantonale
Anlage (hier z.B. KEBAG) verpflichtet sich, die Abgabe für den Kanton Bern zu erheben. Der Kanton Bern entschädigt den Anlagenbetreiber für seinen Aufwendungen.
2
ECOPLAN/ökoscience/Uni Bern (1994), Abfallabgabe Schweiz.
3
Vgl. ECOPLAN (1993), Umweltabgaben in Europa.
4
Vgl. hierzu auch: ECOPLAN (1994), Vollzug Abfallfonds im Kanton Bern: Importe/Exporte, Arbeitspapier.
ECOPLAN
A-6
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Weitere Probleme könnten sich stellen, wenn Nachbarkantone beginnen, ebenfalls
Abfallabgaben zu erheben. Entsprechende Lösungsvorschläge wurden aber mit den
zuständigen Stellen bereits vorbereitet.
❏ Illegale Entsorgung: Die Erhöhung von Abfallentsorgungstarifen erhöht den Anreiz
zur illegalen Entsorgung, z.B. via Cheminée oder Toilette, in Wäldern, auf Autobahnraststätten etc. Allerdings machen die hier diskutierten Abfallabgaben einen sehr kleinen Teil der Entsorgungskosten aus (z.B. Variante A zusätzlich rund 10 Rappen pro 35Liter-Sack), so dass das Problem der Schwarzentsorgung und der entsprechenden
flankierenden Massnahmen nicht der Abgabe "angelastet" werden darf und ohnehin
anzugehen ist.
e) Rechtliche Anforderungen
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung einer zweckgebundenen Abfall(fonds)abgabe wurden mit der Revision des Abfallgesetzes geschaffen. Die Höchstsätze sind auf Gesetzesstufe festgelegt, während die tatsächlichen (derzeit tieferen)
Sätze im Dekret festgehalten sind und vom Regierungsrat gemäss Finanzierungsbedarf
angehoben werden können, solange die Höhe des Fonds 20 Mio. Franken nicht übersteigt.
Eine Erhöhung der Abgabe mit Einbezug ins System MUEK würde eine Anpassung bezüglich Abgabenhöhe und Mittelverwendung im Abfallgesetz bedingen.
Die Abgabe ist mit dem Bundesrecht und dem internationalen Recht vereinbar. Mit dem
ausschliesslichen Recht des Bundes, eine Mehrwert- resp. Umsatzsteuer oder gleichgeartete Steuern zu erheben, kollidiert die Abgabe nicht, da sie aufgrund ihrer Bemessungsgrundlage (Gewicht, nicht Umsatz) und auch ihres Ziels nicht als "gleichgeartet wie
die Mehrwert- resp. Umsatzsteuer " bezeichnet werden kann. (5)
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
Auf Grund von Art. 2 USG (Verursacherprinzip) sind die Aufwendungen des
Gemeinwesens für die Abfallbeseitigung grundsätzlich (mittels Kausalabgaben oder
mittels kostenabhängiger fiskalischer Abgaben) zu überwälzen. Welches System der
Kanton wählt (Gebühren, ev. auch Beiträge), ist ihm freigestellt. Die Abgaben müssen
sich auf ein Gesetz im formellen Sinn stützen (Art. 48 USG reicht hiefür nicht aus). Um
die Gefahr von Umgehungen (Abfalltourismus, wildes Deponieren) zu reduzieren,
sollten einheitliche Abgabesysteme für möglichst grosse zusammenhängende Gebiete
eingeführt werden.
Nach bernischem Abfallgesetz ist die Beseitigung von Siedlungsabfällen Aufgabe der
Gemeinden (oder Gemeindeverbände), welche dafür Gebühren erheben. Diese sollen
auch "die Reduktion der Abfallmengen und die umweltschonende Verwertung der
Abfälle unterstützen" (Art. 38 Abs. 3), also eine gewissen Lenkungsfunktion erfüllen.
Ev. könnten die Gemeinden verpflichtet werden, auf ihren Gebühren einen gewissen
Zuschlag zu erheben, welcher dem Kanton abzuliefern wäre. Die Machbarkeitsstudie
schlägt stattdessen eine Erhöhung der (kantonalen) Abfallfondsabgabe, verbunden mit
einer Lockerung bzw. Aufhebung der Zweckbindung (für den Zuschlag) vor. Die
Abgabe wird von den Betreibern der Kehrichtentsorgungsanlagen erhoben, denen es
5
Siehe zum Begriff "gleichgeartet" auch Leimbacher J. (1992), Gutachten Energieabgabe.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A-7
überlassen bliebe, den Lenkungszuschlag auf die Anlieferer (und von diesen auf die
Verursacher) zu überwälzen. Eine entsprechende Aenderung des Abfallgesetzes wäre
m.E. möglich. Angesichts des Lenkungszwecks des Zuschlags kann man sich
allerdings fragen, ob es noch sachgerecht wäre, ihn über die Anlagenbetreiber zu
erheben.
f) Auswirkungen auf Unternehmungen und Haushalte (erste Hinweise)
Vorab ist zu betonen, dass die Abgabe auch in Variante B nur einen relativ kleinen Teil der
Entsorgungskosten ausmacht. Diese betragen heute rund 150 bis 400 Fr. für die Deponierung/Verbrennung und rund 100 - 300 Fr. für Transport sowie Beiträge an Separatsammlungen. Die Gesamtkosten liegen somit bei 250 bis 700 Fr. womit die gesamte Abgabe ("Fonds plus MUEK") in Variante A 4% bis 20% und in Variante B 9% bis 50% ausmacht.
Gesamtwirtschaftlich und für die weitaus meisten Betriebe ist eine Abgabe in der diskutierten Variante A praktisch bedeutungslos, während die Auswirkungen bei Betrieben, deren Abfall-Entsorgungskosten überdurchschnittlich hoch sind, insbesondere in Variante B
problematisch werden können. (6) Dies sind vor allem folgende Branchen:
– Papierindustrie
– Giessereien
– verschiedene Spezial-/Einzelfälle
Auch im Baugewerbe könnte die heutige Abfallabgabe eine Belastung in der Höhe von
rund 0.2% des Jahresumsatzes erreichen.
Entscheidend ist, dass die bereits heute eingeführten Ermässigungsmodelle, welche
bei einer Abgabebelastung von 600 Fr. pro Beschäftigten pro Jahr einsetzen (90% der
diese Grenze übersteigenden Abgabe wird zurückerstattet) auch im Rahmen eines Konzeptes MUEK angewandt werden.
Bei den Haushalten führen zusätzliche Erhöhungen in der Grössenordnung von 10 Rp. (A)
resp. gegen 30 Rp. (B) auch in unteren Einkommensschichten nur zu geringen Problemen.
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Generell sind verursachergerechte Abfallabgaben ein Paradebeispiel für die Wirksamkeit
finanzieller Anreize: Die unsortierten Abfallmengen haben sich mit der Einführung von
Sackgebühren i.d.R. um 15 - 30% reduziert, während allerdings die separat gesammelten
Abfallmengen etwa in der gleichen Grössenordnung angestiegen sind. Die Sackgebühren
haben eine zentrale Rolle beim Trendbruch in der stark ansteigenden Entwicklung der Abfallmengen gespielt.
Grundsätzlich ist eine Verstärkung dieser Wirkung nach wie vor erwünscht.(7) Insbesondere ist zu erwarten, dass eine Erhöhung der Gebühren die Abfallverminderung stärker
fördert, nicht "nur" die Wiederverwertung. Eine Erhöhung würde es auch erlauben, für
6
Vgl. ECOPLAN (1992), Belastung von Haushalten und Wirtschaft durch verursacherfinanzierte Abgaben.
7
Die heutigen Ueberkapazitäten in einigen Verbrennungsanlagen sind erstens regional beschränkt und
zweitens stark mit der noch bis ca. 2000 weitergeführten Deponierung von Siedlungsabfällen gekoppelt.
ECOPLAN
A-8
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
einige Separatsammlungen (z.B. Grünabfuhr) Gebühren zu verlangen, ohne den Anreiz zu
solchen Separatsammlungen zu stark zu schmälern.
Allerdings ist die Wirkung der diskutierten Varianten auf die Preise sehr gering, so dass
auch kein ausgeprägter Lenkungseffekt erwartet werden kann.
Ein weiterer möglicher Beitrag besteht in der Verminderung der Tarifdifferenzen zwischen (derzeit noch billigeren) Deponien und den (häufig teureren) KVA. Eine stärkere Differenzierung würde den Übergang zur Verbrennungsentsorgung tendenziell erleichtern.
Ein Koordinationsbedarf besteht primär mit den anderen Kantonen: Wie unter
"Praktikabilität" erwähnt, bedürfen die Regelungen betreffend Importe/Exporte einer Absprache. Im Fall des Kantons Solothurn hat sich aber bereits gezeigt, dass diese Koordination spielen kann (der Solothurner Kantonsrat wird im Sommer über die Einführung
einer Abgabe nach bernischem Vorbild entscheiden).
Beim Bund sind bezüglich einer bundesweiten Abfallabgabe keine weiteren Schritte eingeleitet worden, so dass hier derzeit kein Abstimmungsbedarf besteht. Sollte der Bund
eine Abgabe erheben, ist ohnehin zu erwarten, dass die Kantone zumindest einen Teil der
Einnahmen erhalten: Eine Bundesabgabe könnte deshalb z.B. durch eine Senkung der
kantonalen Abgabe kompensiert werden, ohne dass sich unüberwindbare Schwierigkeiten stellen würden.
h) Schlussfolgerung und Empfehlung
Eine Erhöhung der Abfallabgabe ist praktikabel und verspricht einen bedeutenden Ertrag.
Eine Einbindung ins System MUEK würde bedeuten, dass nur noch ein Teil der Erträge
(z.B. im Umfang der heutigen Einnahmen) in den Abfallfonds fliessen, der zusätzliche
Ertrag aber für das System MUEK zur Verfügung stehen würde.
Dabei empfehlen wir, die Bemessungsgrundlagen unverändert zu belassen und die Abgabesätze deutlich zu erhöhen, wobei die Differenzierung zulasten der Deponien eher
noch verstärkt werden sollte. Konkret könnte dies bedeuten, bei Variante A einzusteigen
und nach und nach zu Variante B überzugehen.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A2
A-9
Abwasserabgabe
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Die kantonale Abwasserabgabe, die 1993 vom Grossen Rat beschlossen und seit 1995 in
Kraft ist, könnte verursachergerechter ausgestaltet und erhöht werden, wobei die zusätzlichen Erträge nicht mehr zweckgebunden in den Abwasserfonds fliessen würden,
sondern im Rahmen des Konzepts MUEK einnahmenseitig kompensiert würden.
Die heutige Abwasserabgabe wurde im Rahmen des Massnahmenplanes Haushaltgleichgewicht 1993 - 1996 evaluiert.(8) Als Abgabeobjekt der heutigen Abwasserabgabe
dient die Anzahl an der Abwasserkläranlage (ARA) angeschlossenen EinwohnerInnen,
Abgabesubjekt sind die ARA-Betreiber (resp. im Falle von Exporten in andere Kantone: die
Gemeinden).
Bei der Einführung der Abwasserabgabe wurde klar festgehalten, dass es sich "bei der
gewählten Lösung des Abgabeobjekts um eine provisorische und nicht vollständig befriedigende Abgabelösung handelt." Im Rahmen der laufenden Gesetzesrevision im Gewässerschutzbereich soll denn auch eine verursachergerechtere Ausgestaltung der Abwasserabgabe Eingang finden. Die Abwasserabgabe soll gemäss der in die Gewässer
eingeleiteten Schmutzfracht erhoben werden. Die Tabelle zeigt eine mögliche schmutzfrachtabhängige Abgabevariante, welche die heutige Lösung ab ca. 1998 ersetzen könnte.
Zur Diskussion steht eine Erhöhung der geplanten schmutzfrachtabhängigen Abwasserabgabe. Im Vergleich zu den Vorschlägen in anderen Kantonen ist vor allem die Abgabe
auf dem chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) und die Stickstoffabgabe relativ tief. In Variante A wurden vor allem diese Parameter erhöht und auf das Niveau in anderen Kantonen (z.B. St. Gallen) angehoben.
Bei der Ausgestaltung der Variante B ist zu berücksichtigen, dass bei einer zu hoch angesetzten Abwasserabgabe eine "Übersteuerung" möglich ist, d.h. es werden Investitionen (Vermeidungsmassnahmen) ausgelöst, die sich aus Kosten-Nutzen-Überlegungen
nicht rechtfertigen lassen. Die Obergrenze einzelner Parameter sollen im einzelnen kurz
diskutiert werden:(9)
– Beim Phosphor dürften die 30 Fr./kg schon relativ hoch sein. Bei einer Obergrenze
von 45 Fr./kg werden noch keine unnötigen Investitionen ausgelöst, allerdings könnte
unter Umständen ein unnötig hoher Fällmitteleinsatz die Folge sein.
– Die Nitrifikation, ein Verfahren zur Umwandlung von Ammonium in Nitrat, soll im Kanton Bern gezielt eingesetzt werden. Wir schätzen die obere Grenze bei rund 6 Fr./kg.
Damit sollten noch keine unnötigen Nitrifikationsvorhaben ausgelöst werden.
– Die Denitrifikation, ein Verfahren zur Elimination von Gesamtstickstoff, soll im Kanton
Bern allenfalls bei sehr günstigem Kosten-Nutzen-Verhältnis; aber nicht flächendeckend eingeführt werden. Vielmehr steht eine Optimierung hinsichtlich der Ge-
8
Vgl. ECOPLAN (1992), Abwasserfonds im Kanton Bern sowie Vortrag zur Revision des Gesetzes über die
Nutzung des Wassers (WNG) von 1992/93.
9
Bei der Schätzung der Obergrenze wurde davon ausgegangen, dass weiterhin Beiträge aus dem Fonds
gesprochen werden. Einerseits muss die Obergrenze der Abgabesätze aufgrund der Beiträge tiefer angesetzt werden, andererseits kann mit gezielten Beiträgen auch eine Übersteuerung vermieden werden.
ECOPLAN
A - 10
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
samtstickstoffeinleitung im Vordergrund. Bei einer Obergrenze von 4 Fr./kg dürfte
noch keine flächendeckende Denitrifikation ausgelöst werden.
– Beim CSB können kaum Fehlinvestitionen ausgelöst werden. Allerdings ist CSB ein
relativ undifferenzierter Summenparameter mit gewässerschädigenden und relativ
harmlosen Stoffen. Eine zu hohe CSB-Abgabe wäre somit vor allem dann problematisch, wenn bei einzelnen ARAs der Anteil der relativ harmlosen Schmutzstoffe sehr
hoch wäre. Wir haben die Obergrenze - in Anlehnung an andere Kantone wie z.B. Solothurn oder St. Gallen - bei 3 Fr./kg angesetzt.
– Mit einer Abgabe auf der Abwassermenge soll ein Anreiz für die Elimination von sogenanntem Fremdwasser (sauberes Wasser, das in die ARA eingeleitet wird). Eine
Erhöhung erachten wir als wenig sinnvoll.
Die in der nachfolgenden Tabelle A-2 diskutierten Varianten müssten vor einer Erhöhung
der Abwasserabgabe im Rahmen des Konzeptes MUEK noch im Detail diskutiert werden.
Insbesondere könnten die Resultate aus dem Vollzugskonzept Siedlungsentwässerung
(VOKOS) die Gewichte zwischen den einzelnen Parametern noch leicht verschieben. Die
Einnahmen werden sich aber in der angegebenen Grössenordnung bewegen.
Tabelle A-2: Varianten A und B der Abwasserabgabe
Abgabevarianten
Abgabeobjekt
bis ca.
ab ca.
1998
1998
Zuschlag
total
Zuschlag
total
Phosphor Fr./kg
30
0
30
15
45
Ammonium Fr./kg
4
0
4
2
6
Gesamtstickstoff Fr./kg
0.5
1.5
2
3.5
4
CSB Fr./kg
0.7
1.3
2
2.3
3
Abwassermenge Fr./m3
0.05
0
0.05
0
0.05
27
17
44
38
65
18
12
30
27
45
Fr./Einw.
Variante A
Variante B
25
Einnahmen in Mio. Fr.
- durchschn. bis 2005
- ab 2005 (längerfristig)
22
b) Mögliche Einnahmen
Die Einnahmen sind aus der obenstehenden Tabelle ersichtlich. Mit dem heutigen Abgabesatz von 25 Fr./Einw. betragen die Einnahmen rund 22 Mio. Franken pro Jahr. Die ab
ca. 1998 wirksame schmutzfrachtabhängige Abwasserabgabe wird in den ersten Jahren
rund 27 Mio. Fr. einbringen. Die Varianten A und B ergäben in den nächsten 10 Jahren
durchschnittliche Zusatzerträge von 17 resp. 38 Mio. Fr. (zusätzliche Einnahmen, welche
nicht in den Abwasserfonds fliessen würden, sondern für die einnahmenseitige Kompensation zur Verfügung stünden).
Aufgrund der Lenkungswirkung werden sich aber die Einnahmen längerfristig auf einem
tieferen Niveau einpendeln, nämlich bei 12 resp. 27 Mio. Fr. pro Jahr.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 11
Die relativ genauen Angaben über die Höhe der Einnahmen konnten aufgrund von Resultaten aus dem Vollzugskonzept Siedlungsentwässerung (VOKOS) und den vom GSA gemachten Hochrechnungen der künftigen Schmutzstofffrachten(10) gemacht werden
Die gesamten Einnahmen übersteigen die maximale Höhe des Fonds (gemäss Dekret 30
Mio. Fr.). Diese rechtlichen Grundlagen müssten aber bei einem System MUEK ohnehin
angepasst werden.
c) Bestehende Erfahrungen
❏ Beim Vollzug der Abwasserabgabe im Kanton Bern haben sich in den ersten Monaten
keine Probleme ergeben. Allerdings liegen im Kanton Bern noch keine Erfahrungen mit
dem Vollzug der schmutzfrachtabhängigen Abwasserabgabe vor.
❏ Im Auftrag der Kantone BE, SG, SO und ZH wurden die Grundlagen zur Erfassung von
Schmutzfrachten für eine verursachergerechte Abwasserabgabe erarbeitet.(11) In einem Leitfaden wird ein einfach vollziehbares und genügend genaues Vorgehen zur
Bestimmung der Schmutzfrachten vorgeschlagen. Aus (mess)technischer Sicht gibt es
keine Vorbehalte.
❏ Im Kanton Appenzell A.Rh. wurde auf 1.1.1995 eine schmutzfrachtabhängige Abwas-
serabgabe eingeführt. Nennenswerte Vollzugsprobleme haben sich keine ergeben.
❏ In drei Kantonen (SG, SH, SO) liegt ein ausformulierter Gesetzesentwurf für eine
schmutzfrachtabhängige Abwasserabgabe auf dem Tisch, diverse Kantone überlegen
sich die Einführung einer Abwasserabgabe im Rahmen der Revision ihrer Einführungsgesetze.
❏ Zur Zeit prüft das BUWAL im Auftrag des Bundesrates (drittes Sparmassnahmenpaket
des Bundes) ein Abwasserabgabemodell.(12) Dieses soll aber insbesondere
«differenzierte vorgezogene Lösungen der Kantone nicht präjudizieren». Die Bundesabwasserabgabe wird sehr wahrscheinlich auf einem (Stickstoff) oder mehreren der
oben aufgeführten Parametern erhoben. Ob und wenn ja wann konkret eine Abwasserabgabe auf Bundesebene in Kraft treten könnte, ist noch völlig offen.
❏ International bestehen verschiedene Abwasserabgaben, so in Deutschland, Frank-
reich, Belgien, Spanien und den Niederlanden. (13)
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Die Abgabe wird bei den ARA-Betreibern erhoben und von diesen via Kostenverteiler der
Abwasserrechnung der Gemeinden und von da via Abwassergebühren den Abwasserverursachern (Haushalte, Industrie, Gewerbe) weiterverrechnet.
Die schmutzfrachtabhängige Abwasserabgabe soll unabhängig vom System MUEK eingeführt werden. Eine Erhöhung der Abgabesätze sollte mit keinem nennenswerten
Mehraufwand verbunden sein.
10 Berechnungen von B. Bangerter, GSA.
11 Künzler&Partner AG/ECOPLAN (1995), Grundlagen zur Erfassung von Schmutzfrachten aus Kläranlagen
hinsichtlich der Abwasserabgabe nach dem Frachtmodell.
12 Ein erster Vorschlag für eine Abwasserabgabe auf Bundesebene findet sich in: ECOPLAN (1993), Abwasserabgabe für die Schweiz.
13 Vgl. ECOPLAN (1993), Umweltabgaben in Europa.
ECOPLAN
A - 12
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
e) Rechtliche Anforderungen
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung einer zweckgebundenen Abwasser(fonds)abgabe wurden mit der Revision des Wassernutzungsgesetzes (WNG) geschaffen. Im Rahmen der Revision der Gesetze im Gewässerschutzbereich sollen auch
die rechtlichen Grundlagen für eine schmutzfrachtabhängige (und weiter zweckgebundene) Abwasser(fonds)abgabe geschaffen werden.
Unter der Annahme, dass die rechtlichen Grundlagen für eine schmutzfrachtabhängige
Abwasserabgabe mit der kommenden Revision geschaffen werden, würde eine Erhöhung der Abgabe mit Einbezug ins System MUEK somit eine Anpassung bezüglich Abgabenhöhe und Mittelverwendung im künftigen Gewässerschutzgesetz bedingen.
Die Abgabe ist mit dem Bundesrecht und dem internationalen Recht vereinbar. Mit dem
ausschliesslichen Recht des Bundes, eine Mehrwert- resp. Umsatzsteuer oder gleichgeartete Steuern zu erheben, kollidiert die Abgabe nicht, da sie aufgrund ihrer Bemessungsgrundlage (Schmutzfracht, nicht Umsatz) und auch ihres Ziels nicht als
"gleichgeartet wie die Mehrwert- resp. Umsatzsteuer " bezeichnet werden kann. (14)
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
Die Abwasserreinigung ist Sache der Gemeinden (oder Gemeindeverbände), welche
hiefür neben Anschluss- auch jährliche Benützungsgebühren (u.a. nach Massgabe des
Frischwasserverbrauchs) erheben. Ev. könnten die Gemeinden verpflichtet werden,
einen Lenkungszuschlag zu erheben, welcher dem Kanton abzuliefern wäre. Die
Machbarkeitsstudie schlägt stattdessen eine Erhöhung der (kantonalen) Abwasserfondsabgabe vor, welche von den Betreibern von Abwasserreinigungsanlagen erhoben
würde. Bis zum Inkrafttreten einer in Diskussion stehenden Bundesregelung wäre
m.E. eine Aenderung des Wassernutzungsgesetzes möglich, vgl. aber Bemerkungen
zur Abfallabgabe.
f) Auswirkungen auf Unternehmungen und Haushalte (erste Hinweise)
Die Abgabe führt zu einer Erhöhung der Abwassergebühren. Die Abwassergebühren
werden in der Regel auf dem Trinkwasserkonsum erhoben. Die heutigen Gebühren
schwanken grösstenteils zwischen 1 bis 2 Fr./m3 Trinkwasser. Diese Gebührenhöhe ist
aber in keiner Weise langfristig kostendeckend. Im Durchschnitt beträgt eine kostendeckende Abwassergebühr im Kanton Bern rund 3.2 Fr./m3 (ohne heutige Abwasserabgabe). Die Abwassergebühren werden somit auch ohne Abgabe in den nächsten Jahren
um mehr als das Doppelte ansteigen.
Tabelle A-3 zeigt, dass die durchschnittliche maximale Abgabebelastung (für Fonds und
MUEK) deutlich unter 1 Fr./m3 (Variante B) liegt. Der "MUEK-Zuschlag" beträgt für Variante B durchschnittlich 39 Rp./m3.
14 Siehe zum Begriff "gleichgeartet" auch Leimbacher J. (1992), Gutachten Energieabgabe.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 13
Tabelle A-3: Abgabebelastung bei den Varianten A und B (in Rp./m3)
Durchschn. Erhöhung der
Abwassergebühren in
bis ca.
ab ca.
1998
1998
Zuschlag
total
Zuschlag
total
25
27
17
44
39
66
19
14
33
29
48
Rp./m3
- durchschn. bis 2005
- ab 2005 (längerfristig)
Variante A
Variante B
Bei ARAs mit relativ schlechtem Reinigungsgrad kann die Abgabebelastung mehr als
doppelt so hoch sein. In Variante B kann somit für einzelne ARAs die totale Abgabe bis
knapp 2 Fr./m3 betragen. Dies betrifft vor allem kleinere ARAs, welche oft in den Randregionen zu finden sind. In den finanzschwachen Randregionen wurden aufgrund der
akuten Finanzknappheit immer mehr Kreditbegehren für Gewässerschutzinvestitionen
von der Gemeindeversammlung abgelehnt. Eine zusätzliche Abgabebelastung könnte
diese Situation noch verschärfen.
Diese Randregionen-Problematik müsste vor einer Erhöhung der Abwasserabgabe im
Rahmen eines Systems MUEK noch vertieft abgeklärt werden, allenfalls wären Modelle
zur Entschärfung dieser Situation zu suchen (evtl. spezielle "Härtefall"-Beiträge aus dem
Abwasserfonds).(15) Allenfalls müssten von den zusätzlichen Einnahmen einige Millionen
als spezifische Beiträge für die Randregionen reserviert werden.
Bei den Haushalten führt die Erhöhung der Abwassergebühren längerfristig zu einer Belastung von durchschnittlich 22 Fr./Jahr und Person (Variante A "Fonds + MUEK") resp.
gegen 32 Fr./Jahr und Person (Variante B "Fonds + MUEK"). In Randregionen kann die
Abgabebelastung bis 100 Fr./Jahr und Person betragen.
Die Abwassergebühren für abwasserintensive Industrien und Gewerbebetriebe mit stark
verschmutztem Abwasser werden in der Regeln nach Massgabe ihrer eingeleiteten
Schmutzfrachten festgelegt. Für die weitaus meisten Betriebe ist eine Abgabe in den
diskutierten Varianten A oder B praktisch bedeutungslos. Einige Branchen werden aber
von der Abwasserabgabe stark betroffen. Dies sind vor allem folgende Branchen:
– Karton- und Papierindustrie
– Lebensmittelindustrie
– Textilindustrie
– Grossmetzgereien
– verschiedene Spezial-/Einzelfälle (Teile der chem. Industrie, Gerbereien, usw.)
Entscheidend ist, dass die bereits heute eingeführten Ermässigungsmodelle, welche
bei einer Abgabebelastung von 600 Fr. pro Beschäftigten pro Jahr einsetzen (90% der
diese Grenze übersteigenden Abgabe wird zurückerstattet) auf ihre Tauglichkeit bei deutlichen Abgabeerhöhungen geprüft werden.
15 Vgl. Böhringer AG/ECOPLAN/Bonnard&Gardel AG (1995): Mehr Effizienz in der Siedlungsentwässerung
dank organisatorischen Reformen?, Hauptbericht, Anhang B.
ECOPLAN
A - 14
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Die Umstellung von der "Einwohner-Abgabe" auf eine schmutzfrachtabhängige Abwasserabgabe (ca. 1998) wird bezüglich positiven Umweltwirkungen am meisten bringen. Im
Vordergrund steht die Anreizwirkung für einen optimierten Betrieb der ARAs. Wie gross
der Effekt sein wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Die Ammoniumabgabe wird
- zusammen mit den Fondsbeiträgen - die Verwirklichung der Nitrifikation erleichtern.
Eine Erhöhung dieser schmutzfrachtabhängigen Abgabe im Rahmen des Systems MUEK
wird sicher diese Effekte noch verstärken. Allerdings dürfen die zusätzlichen positiven
Umweltwirkungen nicht überschätzt werden:
– Auf der ARA selbst werden wohl nur noch kleine "Optimierungsgewinne" realisiert
werden können.
– Wird die Abgabe möglichst verursachergerecht auf die Angeschlossenen weiterverrechnet, so ist insbesondere bei den abwasserintensiven Betrieben längerfristig mit
einer Abnahme der Schmutzfrachten zu rechnen. Im Vordergrund stehen hier nicht
nachträgliche Installationen von neuen Vorklärstufen im Industriebetrieb (die werden
auch bei dieser Abgabehöhe kaum rentieren), sondern die Schmutzfrachtreduktion im
Rahmen von Neuinstallationen, Gesamtsanierungen, Umstellungen von industriellen
Prozessen.
Kurzfristig wird somit die ohnehin geplante Umstellung auf eine schmutzfrachtabhängige
Abwasserabgabe viel bringen. Die positiven Umweltwirkungen der Abgabeerhöhungen
im Rahmen des Systems MUEK dürften sich erst längerfristig zeigen.
Ein Koordinationsbedarf besteht mit den anderen Kantonen und mit dem Bund.
Bei der Festlegung der Abgabehöhen und allfälliger Ermässigungsmodelle für abwasserintensive Industrien im Rahmen einer allfälligen Realisierung des Konzeptes MUEK
sind die Entwicklungen in den anderen Kantonen miteinzubeziehen.
Im Mai 1995 werden die Kantone über die "Abwasserabgabepläne" des Bundes orientiert.
Es ist anzunehmen, dass der Bund zumindest auf Stickstoff eine Abgabe erheben möchte. Dies würde bedeuten, dass evtl. die kantonale Stickstoffabgabe reduziert werden
müsste. Wenn gänzlich auf die kantonale Stickstoffabgabe verzichtet werden müsste, so
wäre mit Mindereinnahmen von 10 Mio. Fr. pro Jahr (Variante B) zu rechnen. Welche
konkreten Anpassungen an den oben ausgeführten Abgabevarianten nötig sein werden,
lässt sich aber noch nicht abschliessend beurteilen.
h) Schlussfolgerung und Empfehlung
Eine Erhöhung der Abwasserabgabe ist aus Vollzugsoptik problemlos durchführbar, und
es können beachtliche Einnahmen erzielt werden. Eine Einbindung ins System MUEK
würde bedeuten, dass nur noch ein Teil der Erträge (z.B. im Umfang der heutigen Einnahmen) in den Abwasserfonds fliessen, der zusätzliche Ertrag aber für das System
MUEK zur Verfügung stehen würde.
Eine Erhöhung der Abwasserabgabe macht nur dann Sinn, wenn die Abgabe schmutzfrachtabhängig ist. Dieser Systemwechsel ist auf etwa 1998 geplant. Wir könnten uns
vorstellen, dass in einem ersten Schritt dieser Systemwechsel vollzogen und dann eine
stufenweise Erhöhung über die Variante A bis zur Variante B vorgenommen wird.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A3
A - 15
Wasserabgabe
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
1992 hat der Grosse Rat im Rahmen des Massnahmenplanes Haushaltgleichgewicht
1993-1996 eine Erhöhung der Wasserzinsen (ungefähr eine Verdoppelung) beschlossen.
Die Erhöhung der Wasserzinsen beschränkte sich auf die Grundwasserentnahme.
Die Einnahmen aus den Wasserzinsen fliessen der Staatskasse bzw. dem Wasserfonds
(heute rund 6 Mio. Fr.)(16) zu, aus dem finanzielle Beiträge für Investitionen im Wasserversorgungsbereich ausbezahlt werden. Die gesamten Einnahmen 1994 betrugen rund 12.5
Mio. Fr.
Soll im Rahmen des Konzepts MUEK eine Wasserabgabe ins Auge gefasst werden, so
steht aus vollzugstechnischer Sicht eine Erhöhung der Wasserzinsen im Vordergrund. Bei
der Variante A wurde noch einmal eine Erhöhung (nur Grundwasserentnahme), wie sie
schon für den Wasserfonds auf 1.1.1994 rechtskräftig wurde, vorgesehen. Eine Verdopplung(17) des Wasserrechtszinses wird in Variante B vorgestellt, wobei zugleich die
Zinsen für die Verbrauchskategorien Trinkwasser und Industrie/Gewerbe angeglichen
werden.(18)
Tabelle A-4: Varianten A und B der Wasserabgabe
Abgabevarianten
Abgabeobjekt
A Trinkwasser
heute
pro konz. l/Min.
pro
m3
B Industrie/Gewerbe pro konz. l/Min.
C Kühlwasser
Variante B
Zuschlag
total
Zuschlag
total
7 Fr.
4 Fr.
11 Fr.
13
20
4 Rp.
2.5 Rp.
6.5 Rp.
6
10
10 Fr.
4 Fr.
14 Fr.
10
20
pro m3
5 Rp.
2 Rp.
7 Rp.
5
10
pro konz. MJ/h
2 Fr.
0.75 Fr.
2.75 Fr.
2 Fr.
4 Fr.
40 Rp.
15 Rp.
55 Rp.
40 Rp.
80 Rp.
pro GJ
D Wärmepumpen
Variante A
pro konz. l/Min.
1 Fr.
0
1 Fr.
0
1 Fr.
m3
0.5 Rp.
0
0.5 Rp.
0
0.5 Rp.
pro Hektare
80 Fr.
0
80 Fr.
80 Fr.
160 Fr.
F Schwimmbäder,.... pro konz. l/Min.
6 Fr.
3 Fr.
9 Fr.
6 Fr.
12 Fr.
Einn., Mio. Fr. (ohne Lenkungseff.)
12.6
6.0
18.6
16.4
29.0
Einn., Mio. Fr. (mit Lenkungseff.)
12.6
5.5
18.1
14.8
27.4
pro
E Bewässerung
16 Die Höhe des Wasserfonds darf höchstens 20 Mio. Fr. betragen. Vgl. dazu Dekret über die Fondsbeiträge
an die Abwasser- und Abfallentsorgung sowie die Wasserversorgung (AWD).
17 Von einer Verdoppelung ausgenommen werden die Kategorien Wärmepumpen und Fischzucht (ist Teil der
Kategorie F).
18 Aus ökonomischer Sicht kann ein unterschiedlicher Ansatz nicht gerechtfertigt werden.
ECOPLAN
A - 16
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
b) Mögliche Einnahmen
Die Einnahmen sind aus der obenstehenden Tabelle ersichtlich.(19) Mit den heutigen Abgabesätze betragen die Einnahmen rund 12.6 Mio. Franken pro Jahr. Die Varianten A und
B ergeben Zusatzerträge von 6 resp. rund 16 Mio. Fr. (zusätzliche Einnahmen, welche
nicht in den Wasserfonds bzw. in die Staatskasse fliessen würden, sondern für die einnahmenseitige Kompensation zur Verfügung stünden).
Die Erhöhung der Wasserzinsen für Kühlwasser hätte zur Folge, dass die vom KKW
Mühleberg zu leistenden Abgaben von heute 3.2 Mio. Fr. auf max. 6.4 Mio. Fr. steigen
würden.
Die Abschätzung der Lenkungswirkung gestaltet sich schwierig. Die Erhöhung der Wasserzinse alleine wird kaum zu merklichen Lenkungseffekten führen, hingegen dürfte die
Erhöhung der Abwassergebühr evtl. zu einem Rückgang des Trinkwasserkonsums führen. Unabhängig vom System MUEK werden sich die Kosten für das Trinkwasser
(Wasser- und Abwassergebühren) mehr als verdoppeln (siehe auch Ausführungen zum
Thema "Abwasserabgaben"). Wir schätzen, dass die indirekte Lenkungswirkung zu einer
Reduktion der Einnahmen um rund 10% führt.
c) Bestehende Erfahrungen
❏ Beim Vollzug des Wasserfonds haben sich im Kanton Bern keine grösseren Probleme
ergeben.(20) In Härtefällen (v.a. bei den Papierfabriken) werden Reduktionen gewährt.
❏ In der Stadt Zürich konnte seit der Einführung (1975) eines "progressiven Wassertarifs"
(mittels einer Zuschlagstaxe auf Überwasserkonsum) eine klare Trendstabilisierung im
Wasserverbrauch festgestellt werden. Für wasserintensive Betriebe konnte sogar ein
Rückgang von über 10% festgestellt werden.(21) Zu welchem Anteil diese Trendstabilisierung auf die Einführung dieses "progressiven Wassertarifs" zurückzuführen ist, ist
hingegen unklar. Es gilt aber als sicher, dass der progressive Wassertarif eine grosse
Sparwelle ausgelöst hat.(22) Der Wassertarif der Wasserversorgung Zürich beträgt 1.45
Fr./m3. Die Zuschlagstaxe bei Überwasserkonsum beträgt ebenfalls 1.45 Fr./m 3.
❏ In den USA werden Wasserrechte teilweise auf dem freien Markt gehandelt. Im Ge-
biet um San Francisco werden für die landwirtschaftliche Nutzung Preise von 0.8 $/m3
erzielt.(23)
❏ Verschiedene Beispiele aus dem Ausland zeigen, dass ein erhebliches Einsparpotential
besteht:(24) In Waterloo (Ontario, Canada), San Jose (California), Mexiko City und Bo-
19 Es handelt sich hier um Schätzungen, die wir aufgrund des Vortrages zur Änderung des AWD vom Mai
1992 gemacht haben. Die aktuellen Zahlen sind momentan unter Verschluss.
20 Im Rahmen der Erhöhung der Wasserzinsen wurde von verschiedener Seite der Preisüberwacher eingeschaltet. Bei einer nächsten Erhöhung soll im Vorfeld der Preisüberwacher informiert und die Erhöhung
begründet werden.
21 vgl. OECD (1987), Pricing of Water Services.
22 vgl. Schalekamp M. (1989), Bau und Betrieb der Wasserversorgung Zürich finanziell gesichert bis zum Jahr
2005.
23 vgl. Wiesch G. (1991), Ein marktwirtschaftlicher Ansatz zur Allokation von Wasserressourcen in den USA,
in: Zeitschrift für angewandte Umweltforschung, Jg. 4 (1991), H. 4, S. 358-372.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 17
ston konnten durch Wasserpreiserhöhungen und Aktionsprogrammen zur Begrenzung
der Wassermengen in Toilettenspülungen, Duschbrausen, usw. Einsparungen im ProKopf-Verbrauch von 10 bis über 15% erzielt werden.
❏ Im internationalen Vergleich hat die Schweiz relativ günstige Wasserpreise. Die Folge
davon: Die Schweiz weist im EU-Vergleich die mit Abstand höchsten Pro-Kopf-Verbräuche auf (ca. 30% bis über 100% mehr als andere EU-Länder).
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Eine Erhöhung der Wasserzinsen ist mit keinem nennenswerten Mehraufwand verbunden (Anpassungen im bestehenden Vollzug).
e) Rechtliche Anforderungen
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung eines Wasserzinses sind vorhanden
(Wassernutzungsgesetz). Eine Erhöhung der Wasserzinsen mit Einbezug ins System
MUEK bedingt somit eine Anpassung bezüglich Höhe des Wasserzinses und der Mittelverwendung.
Die Erhöhung des Wasserzinses ist mit dem Bundesrecht und dem internationalen Recht
vereinbar. Mit dem ausschliesslichen Recht des Bundes, eine Mehrwert- resp. Umsatzsteuer oder gleichgeartete Steuern zu erheben, kollidiert der Wassernzins nicht, da er
aufgrund seiner Bemessungsgrundlage (Wassermenge bzw. konzidierte Wasserentnahme, nicht Umsatz) und auch ihres Ziels nicht als "gleichgeartet wie die Mehrwert- resp.
Umsatzsteuer " bezeichnet werden kann. (25)
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
Für die Ausübung des Gebrauchswasserrechts an öffentlichen Gewässern ist ein jährlicher Wasserzins zu entrichten. Aus den Konzessionsabgaben für die Trinkwasserversorgung wird der Wasserfonds gespiesen. Die Wasserversorgung ist Aufgabe der
Gemeinden (oder Gemeindeverbände). Hiefür werden neben einmaligen Anschlussauch jährliche Benützungsgebühren erhoben. Eine Erhöhung der Konzessionsabgaben
(Wasserzins) mit Lockerung der Zweckbindung wäre m.E. möglich. (Hier entfällt der
Weg über einen Zuschlag auf den Gemeindegebühren).
f) Auswirkungen auf Unternehmungen und Haushalte (erste Hinweise)
Die reinen Betriebskosten der Wasserversorgung betragen im schweizerischen Mittel 74
Rp./m3.(26) Die heutigen Wassergebühren (inkl. Amortisation und Zins) betragen 0.5 bis
2.0 Fr./m3, dazu kommt in den meisten Fällen eine fixe Grundgebühr.
Die Abgabe führt zu einer Erhöhung dieser Wassergebühren. Tabelle A-5(27) zeigt, dass
die maximale Belastung (für Fonds und MUEK) bei knapp 13 Rp./m3 (Variante B) liegt. Der
"MUEK-Zuschlag" beträgt für Variante B 8 Rp./m3.
24 Vgl. Postel S. (1993), Water Tight, in: World Watch, Jan/Feb 1993, S. 19-25.
25 Siehe zum Begriff "gleichgeartet" auch Leimbacher J. (1992), Gutachten Energieabgabe.
26 SVGW (1991), Statistische Erhebungen der Wasserversorgungen in der Schweiz, S. 15.
ECOPLAN
A - 18
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Tabelle A-5: Abgabebelastung bei den Varianten A und B (in Rp./m3)
Durchschn. Erhöhung der
heute
Wassergebühren in Rp./m3
- Trinkwasser
5
Variante A
Variante B
Zuschlag
total
Zuschlag
total
3
8
8
13
Bei den Haushalten führt die Erhöhung der Wassergebühren zu einer Belastung von 5
Fr./Jahr und Person (Variante A "Fonds + MUEK") resp. gegen 9 Fr./Jahr und Person
(Variante B "Fonds + MUEK").
Für die weitaus meisten Betriebe ist eine Erhöhung der Wasserzinsen in den diskutierten
Varianten A oder B praktisch bedeutungslos. Nur gerade in speziell "wasserintensiven"
Betrieben (z.B. Papierfabriken) führt die Erhöhung der Wasserzinsen zu einer spürbaren
Mehrbelastung. In jedem Falle ist die Problematik der Kumulation mit der Abwasserabgabe zu beachten.
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Gefahr droht unserem Grundwasseraufkommen primär durch die zunehmend schwieriger
werdende Neubildung (Bodenversiegelung), durch die Belastung mit verschiedenen
Schadstoffen aber auch durch den sehr hohen Wasserverbrauch. Beim letzteren kann die
Erhöhung des Wasserzinses zumindest ein klares Zeichen setzen. Eine Reduktion des
Wasserverbrauchs ist auch im Hinblick auf den Vergleich mit den EU-Ländern angezeigt ganz abgesehen davon, dass eine glaubwürdige Umweltpolitik im internationalen Kontext
die Wasserressourcen-Bewirtschaftung (auch wenn diese in der Schweiz zumindest
quantitätsmässig nicht problematisch ist) miteinbeziehen muss.
Ein geringerer Wasserverbrauch kann unter Umständen auch die Kosten für die Wasserbereitstellung positiv beeinflussen:
– Je weniger Wasser verbraucht wird, desto kleiner die Pumpenergie.
– "Jeder zusätzliche Liter pro Kopf und Tag, den wir der Dimensionierung zugrunde legen, erhöht den Wasserpreis um 0.1 bis 0.3 Rappen pro m 3."(28)
Zum letzten Punkt muss allerdings angemerkt werden, dass in erster Linie die Verbrauchsspitzen gesenkt werden müssen, um Investitionskosten einzusparen. Die primäre
"preisliche" Massnahme, welche die Verbrauchsspitzen beeinflussen kann ist eine entsprechende Ausgestaltung des Wassertarifs (vgl. "progressiver Wassertarif" in der Wasserversorgung Zürich). Die Erhöhung der Wasserzinsen wird zumindest dazu führen, dass
die Handlungsmöglichkeiten für eine "verbrauchsspitzensenkende" Ausgestaltung des
Wassertarifs erweitert werden.
Kurzfristig wird die Erhöhung der Wasserzinsen zu keinen wesentlichen Verbrauchsreduktionen führen. Insbesondere wird die Erhöhung der Abwassergebühren, die zumin-
27 Es handelt sich hier um grobe Schätzungen.
28 Vgl. Berdat F. (1993), Die Wasserversorgung der Zukunft - gemeinsam oder allein?, in: gwa 12/93.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 19
dest im Haushalt- und Kleingewerbebereich über den Trinkwasserkonsum verrechnet
werden, eine höhere Wirkung erzielen, als die Erhöhung der Wasserzinsen.
Längerfristig kann aber mit einem - wenn auch eher bescheidenen - Effekt gerechnet
werden. Nicht zu unterschätzen ist der positive psychologische Effekt, der auch dazu
führen kann, dass die Sensibilisierung für andere Umweltbereiche erleichtert wird.
h) Schlussfolgerung und Empfehlung
Eine Erhöhung der Wasserabgabe ist aus Vollzugsoptik problemlos umsetzbar. Bei einer
Einbindung ins System MUEK würde nur noch ein Teil der Erträge (z.B. im Umfang der
heutigen Einnahmen) in die Staatskasse bzw. in den Wasserfonds fliessen, der zusätzliche Ertrag würde für das System MUEK zur Verfügung stehen. Somit eignet sich die
Wasserabgabe sehr gut für eine Integration in das System MUEK.
Bei den zuständigen Stellen des Kantons wird allerdings der ökologische Handlungsbedarf als nicht sehr hoch eingestuft: "Aus der Sicht der sparsamen Ressourcenbewirtschaftung besteht kein zwingender Anlass zum Sparen"(29).
29 Vgl. Berdat F. (1993), Die Wasserversorgung der Zukunft - gemeinsam oder allein?, in: gwa 12/93.
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A4
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Kiesabgabe
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten (30)
Der Kanton Bern ist in der Kiesversorgung weitgehend autark. Er weist einen Produktionsüberschuss von 0.35 Mio. m3 pro Jahr aus. Rund 0.5 Mio. m3 werden pro Jahr in die
benachbarten Kantone exportiert (insbesondere aus dem Oberaargau in Richtung Kanton
Solothurn). Die geologischen Reserven werden auf 600 Mio. m3 geschätzt. Planungsrechtlich gesichert ist der zukünftige Abbau von ca. 30 Mio. m3, was ungefähr bis Ende
90er Jahre ausreicht. Im Rahmen der laufenden Sachplanung "Abbau, Deponie, Transporte" (ADT, ausgelöst durch die Motion Widmer) soll ausgehend von ökologischen Kriterien die richtplanerische Sicherung der Kiesreserven für die nächsten rund 40 Jahre erfolgen.
Um die denkbaren Formen einer Kiesabgabe herleiten und die möglichen Auswirkungen
einer solchen Abgabe abschätzen zu können, ist vorgängig eine Grobanalyse des Kiesmarktes notwendig.(31)
Kiesmarkt: Das Angebot
Bei der Produktion von Kies- und Kiesersatzprodukten können drei Hauptfunktionen unterschieden werden:
❏ Grubenbetrieb:
– Die Kiesgrubenbetreiber haben den Kiesmarkt in Regionalkartelle aufgeteilt. Innerhalb einer Versorgerregion sind die Kiespreise weitgehend abgesprochen. Die rund
200 Kiesabbaustellen im Kanton Bern sind im wesentlichen in drei Besitzergruppen
sowie einzelnen Familienunternehmen aufgeteilt.(32) Zwischen den einzelnen Besitzergruppen herrscht zwar ein (Verdrängungs-)Wettbewerb. Dieser hat aber kaum
zur Folge, dass die offiziellen Preisabsprachen innerhalb einer Versorgerregion aufgebrochen werden. Allerdings entsprechen die offiziellen Preislisten häufig nicht
den tatsächlich verlangten Preisen. In welchem Ausmass via Rabatte (insbesondere
an Grossabnehmer) dennoch die interregionale Konkurrenz spielt, müsste vertieft
untersucht werden.
– 1990 wurden im Kanton Bern 4.83 Mio. m3 Baurohstoffe produziert (Kies 3.89 Mio.
m3, 0.48 Mio. m3 Felsabbau, 0.46 Mio. m3 Recycling). Der damit erzielte Umsatz
30 Die folgenden Ausführungen basieren auf Gesprächen mit M. Hostettler (Projektingenieur Sachplan ADT),
R. Walti (GSA) und J. Wetzel (AGR) sowie Herrn Dr. Teutsch (Schweiz. Fachverband für Sand und Kies).
Wichtigste Literaturquellen sind:
Binswanger H.C. und Siegenthaler C. (1993), Lenkung des kantonalen Kies- (und Kiesersatz-)Abbaus durch
planerische Massnahmen oder Abgaben aus der Sicht einer ökologisch-ökonomischen Gesamtbilanz
sowie
Colombi Schmutz Dorthe AG (1991), Abbau- und Deponieplanung Kanton Bern: Situationsanalyse und
weiteres Vorgehen - Zusammenfassung.
31 Allerdings kann die im Rahmen dieses Projekts vorgeschlagene Kiesabgabe nur auf einer rudimentären
Analyse des bernischen Kiesmarkts beruhen. Es ist daher klar, dass im Anschluss an die Machbarkeitsstudie ein Vertiefungsbedarf bezüglich der konkreten Ausgestaltung einer Kiesabgabe besteht.
32 Eine sehr grobe Schätzung der Anteile einzelner Gruppen ergibt folgendes Bild: Vigier SA (ca. 50%), Jura
Zementfabriken (ca. 20%), Holderbank (ca. 10%), Familien- und Einzelunternehmen, welche sich insbesondere in der Kies AG Aaretal organisiert haben (ca. 20%).
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 21
kann auf rund 200 Mio. Fr. geschätzt werden (ohne Erträge für Transporte und die
Verarbeitung zu höherwertigen Fertigprodukten), was einem Durchschnittspreis von
gut 40 Fr. pro m3 entspricht.
– Der Betrieb von Kiesgruben ist sehr kapitalintensiv und zeichnet sich durch einen
hohen Anteil der fixen Kosten aus (im Durchschnitt schätzungsweise rund 40% aller Kosten). Kieswerke mit einem hohen Materialdurchsatz können erheblich kostengünstiger produzieren, da sie eine hohe Auslastung der Aufbereitungsanlagen
aufweisen. Ebenso sinken die Kosten pro m3 erheblich mit der Mächtigkeit des
Vorkommens. Dieses wird wesentlich durch die mögliche Abbautiefe bestimmt.
Die durchschnittlichen Selbstkosten pro m3 Wandkies können auf ca. 20 Fr. geschätzt werden.(33)
– Im Kanton Bern waren in der Branche "Abbau von Kies, Sand und sonstigen Erden"
im Jahr 1990 rund 550 Personen beschäftigt. Der Hauptteil davon fällt auf Kiesgruben. In der Gewinnung von Felsmaterial waren knapp 100 Personen beschäftigt.
❏ Grundbesitzer: Die Grundbesitzer verlangen für die Ausbeutung der Kiesgruben einen
Pachtzins sowie eine Entschädigung für den Ertragsausfall (Landwirtschaft) oder entsprechenden Realersatz. Der Pachtzins bemisst sich meist pro m3 Kies und schwankt
je nach Kiesgrube erheblich.(34) Im Durchschnitt schätzen wir den Pachtpreis auf 5 bis
6 Fr. pro m3 Kies (Bandbreite zwischen 2 bis 10 Fr. pro m3). Wichtigste Typen von
Grundbesitzern sind Burgergemeinden und Landwirte.
❏ Kiestransport: Der Transportkostenanteil am Endabnehmerpreis ist bei Kiesprodukten
überdurchschnittlich hoch. Dies ist denn auch der Hauptgrund für die Bildung regionaler Kartelle. Bei einer Transportdistanz von 10 km kann beispielsweise der Transportkostenanteil bei Wandkies auf 30 - 50% des Endabnehmerpreises geschätzt werden,
bei aufbereitetem Betonkies beträgt dieser Anteil ca. 20 - 40%.
Kiesmarkt: Die Nachfrage
❏ Experten schätzen den zukünftigen Bedarf an Kies, Kiesersatzmaterial und Recycling-
Produkte auf gegen 5 m3 pro Kopf und Jahr. Es wird daher im Kanton Bern weiterhin
mit einer jährlich nachgefragten Menge von gegen 5 Mio. m3 pro Jahr gerechnet. Davon deckt der Kiesabbau rund 80%, sofern Recycling- und Kiesersatzprodukte nicht
mehr Marktanteile gewinnen.
❏ Im schweizerischen Durchschnitt fallen nach Angaben des schweizerischen Fachver-
bands für Sand und Kies (FSK) rund 40% des Kiesverbrauchs auf die öffentliche Hand,
davon ein Grossteil im Tiefbau. Der Wohnungsbau beansprucht 35%, Industrie- und
Gewerbebauten 25%. Im Kanton Bern ist gemäss Auskunft von Experten der Anteil
der öffentlichen Hand eher höher und dürfte sogar leicht über 50% betragen.
❏ Auch auf der Nachfragerseite ist somit einiges an Marktmacht in wenigen Händen
konzentriert. Dies gilt insbesondere für die öffentliche Hand, welche durch ihr Nach-
33 Binswanger H.C. und Siegenthaler C. (1993), Lenkung des kantonalen Kies- (und Kiesersatz-)Abbaus durch
planerische Massnahmen oder Abgaben aus der Sicht einer ökologisch-ökonomischen Gesamtbilanz, S.
52, schätzen durchschnittliche Selbstkosten von 17.35 Fr. pro m3 Wandkies.
34 Der Wettbewerb zwischen den erwähnten Besitzergruppen äussert sich teilweise in überhöhten Pachtpreisen für den Landbesitzer von Kiesgruben.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
frageverhalten grossen Einfluss auf den Kiesmarkt ausüben könnte. Die Nachfrage
nach Recycling- und Kiesersatzprodukten kann beispielsweise wesentlich durch die öffentliche Hand (inbesondere den Tiefbau) beeinflusst werden.
Ausgestaltung der Kiesabgabe
Die Kiesabgabe kann entweder auf dem Einsatz von Kies und Kiesersatzmaterial (also
beim Endabnehmer) oder auf dem Abbau erhoben werden. Beide Formen haben unterschiedliche Vor- und Nachteile.
Eine Abgabe auf dem Einsatz von Kies und Kiesersatzmaterial hat den Vorteil, dass damit
unabhängig von der Produktionsstätte der gesamte Verbrauch im Kanton Bern erfasst
würde. Entsprechend würde kein Ausweicheffekt auf Kiesimporte eintreten. Hingegen
dürfte der Vollzug sehr aufwendig sein, weil sämtliche Endabnehmer ihren Kiesverbrauch
deklarieren müssten.
Aus diesem Grund wird an dieser Stelle eine Kiesabgabe auf dem Abbau vorgeschlagen.
Dies ist insbesondere rechtlich (wie später noch zu diskutieren sein wird) grundsätzlich
möglich, indem der Kies dem Bergregal unterstellt wird. Dadurch würde dem Kanton das
Hoheitsrecht zur Ausbeutung der Kiesvorkommen übertragen. Wer Kies fördern will,
muss dafür beim Kanton neu eine Konzession einholen, welche an eine (wenn möglich
qualitätsdifferenzierte) Abgabe pro geförderte Menge in m3 gebunden wird. Grundsätzlich
hätte dies auch zur Folge, dass die Entschädigungen an die Grundbesitzer wegfallen
würden. Jedoch kann natürlich der Kanton von sich aus eine solche (Norm-)Entschädigung vorsehen.
Wir beschränken uns im folgenden auf die durchschnittlichen Abgabenhöhen. Es werden
zwei Abgabensätze zur Diskussion gestellt:
❏ Variante A:
6 Fr. pro m3
❏ Variante B:
15 Fr. pro m3
Wenn Variante B angestrebt würde, wäre die Abgabe gestaffelt einzuführen, müsste also
ausgehend von Variante A schrittweise erhöht werden.
Differenzierungsmöglichkeiten:
❏ Die Abgabensätze sollten nach dem Marktwert des geförderten Kieses bzw. der Kie-
sersatzmaterialien differenziert werden. Auch aus ökologischen Gründen ist insbesondere eine Differenzierung zwischen Kies und Fels gerechtfertigt.
❏ Sofern mit der vorgeschlagenen Abgabe auch das Ziel eines möglichst geringen Flä-
chenverbrauchs verfolgt werden soll, müsste die Abgabe nicht nur aufgrund der geförderten Menge berechnet werden. Zusätzlich wäre eine Flächenkomponente einzuführen. Damit würde ein Anreiz zu Gunsten des Abbaus der mächtigen Kiesvorkommen gesetzt. Im untenstehenden Beispiel würde sich bei Kiesgruben mit einer Abbautiefe von 20 m gegenüber der nur auf die Menge bezogenen Abgabe nichts verändern. Kiesgruben mit geringeren Abbautiefen würden dagegen zusätzlich belastet, solche mit grösseren Abbautiefen entlastet.
– Variante A: 60 Fr. pro m2 Abbaufläche + 3
Fr. pro m 3
– Variante B: 150 Fr. pro m2 Abbaufläche + 7.5 Fr. pro m 3
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 23
b) Mögliche Einnahmen
Bei einer geschätzten durchschnittlichen Fördermenge von 4 Mio. m3 Kies und 0.5 Mio.
m3 Kiesersatzmaterialien pro Jahr ergeben sich zusätzliche Einnahmen von 27 Mio. Fr.
(Variante A) bis 67.5 Mio. Fr. (Variante B) pro Jahr. Diese Schätzung ist als Obergrenze zu
verstehen und würde dann zutreffen, wenn keine abgabenbedingte Abnahme der geförderten Kiesmenge auftritt.
Das Marktpotential von Recycling-Produkten liegt zwischen 15 und 20%. Heute beträgt
der Marktanteil von Recycling-Produkten rund 10%. Im Hochbau besteht ein Substitutionspotential im Sinne eines vermehrten Einsatzes von anderen Baugrundstoffen wie
Holz, Ziegel, Stahl oder Glas. Insgesamt schätzen wir, dass der Verbrauch von Kies- und
Kiesersatzprodukten bei Variante B um rund 15% abnehmen würde. Die längerfristig zu
erwartenden Einnahmen aus der Kiesabgabe betragen somit zwischen 27 Mio. Fr.
(Variante A) bis 57 Mio. Fr. (Variante B) pro Jahr.
c) Bestehende Erfahrungen
❏ Am 16. September 1993 wurde vom bernischen Grossen Rat ein erster Vorschlag für
die Einführung einer Kiesabgabe knapp abgelehnt. Dieser sah ebenfalls vor, den Kiesabbau dem Bergregal zu unterstellen und für den Kiesabbau eine Konzessionspflicht
einzuführen. Die Kieskonzession wäre an eine Abgabe von 6 Fr. pro m3 gebunden
worden.
❏ In anderen Kantonen bestehen gemäss Auskunft diverser Experten keine Kiesabga-
ben, entsprechende Diskussionen sind aber im Gang.
❏ Auch im angrenzenden Ausland sind keine Kiesabgaben bekannt. Es ist aber darauf
hinzuweisen werden, dass die Kosten der Kiesgewinnung aus verschiedenen Gründen(35) im angrenzenden Ausland (Elsass, Süddeutschland) unter denjenigen in der
Schweiz liegen.
❏ In Dänemark wird auf dem Abbau und Export von Sand und Kies eine Abgabe von ca.
1.2 Fr. pro Tonne verlangt.(36) Aufgrund dieser niedrigen Abgabenhöhe dürfte sich
kaum ein Lenkungseffekt in Richtung einer Mehrverwendung von Recycling-Produkten
oder anderen Baurohstoffen ergeben
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
❏ Da die Anzahl Marktteilnehmer beschränkt ist (rund 200 Kiesgruben im Kanton
Bern) und das Abgabesubjekt klar definiert ist (abgebaute Menge in m3), ist die Einführung einer Abgabe auf dem Abbau von Kies und Kiesersatzmaterialien mit keinen
grundlegenden Vollzugsproblemen verbunden. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass die
Abgabe nur einen sehr geringen Vollzugsaufwand auslösen würde.
❏ Jede Abbaustelle benötigt eine mengenmässige Abbaubewilligung. Die Abbaukon-
zession würde einerseits die bewilligten Abbaumengen enthalten, andererseits liesse
sich die daraus ergebende Kiesabgabe berechnen.
35 Der wichtigste Grund liegt darin, dass im Ausland tiefere Kiesgruben zulässig sind, was zu einer produktiveren Ausschöpfung der Kiesvorkommen führt.
36 Vgl. ECOPLAN (1993), Umweltabgaben in Europa, S. A8-1.
ECOPLAN
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
❏ Das Hauptproblem stellt die Entschädigung der Grundeigentümer dar: Das Interes-
se der Grundeigentümer, dass auf ihrem Boden Kies abgebaut wird, liegt in den
Pachtzinsen. Dieser Anspruch erlischt, wenn der Kiesabbau dem Bergregal unterstellt
wird, wobei der Anspruch auf Entschädigungen für Ertragsausfall und/oder Realersatz
natürlich weiterhin bestehen bleibt.
Die Frage ist, wie für den Grundbesitzer ein genügender Anreiz geschafft werden
kann, damit er seinen Boden für den Kiesabbau zur Verfügung stellt (soweit dieser
Boden zu den planungsrechtlich definierten Abbauzonen gehört). Rechtlich denkbar
wäre das Mittel der Enteignung mit den damit verbundenen Entschädigungen. Aus
Akzeptanzgründen schlagen wir dieses Vorgehen aber nicht vor. Sinnvoller scheint es,
wenn der Kanton einen entsprechenden monetären Anreiz vorsieht im Sinne einer vorgegebenen Entschädigung. Eine solche Entschädigung könnte sich auf die abgebaute
Menge (z.B. 1 bis 2 Fr. pro m3) oder einmalig auf die zur Verfügung gestellte Fläche
beziehen. Je nach vorgesehener Entschädigung würde sich die für die Einnahmenverwendung zur Verfügung stehende Summe um ca. 3 - 6 Mio. Fr. vermindern.
❏ Jährlich werden rund 250'000 m3 Kies direkt beim Aushub an Baustellen gewonnen,
was rund 5% der Gesamtproduktion entspricht. Soweit dieses Kies nicht direkt an der
Baustelle wiederverwendet wird, wäre es auch der Kiesabgabe zu unterstellen. Vollzugstechnisch wäre dieser Aushubkies mit Selbstdeklarationen zu erfassen, welche
beispielsweise dem Baugesuch beizulegen wären.
❏ Die Einführung einer Abgabe auf dem Abbau von Kies und Kiesersatzmaterialien ist
mit der im Kanton Bern zur Zeit laufenden Erarbeitung des Sachplanung "Abbau,
Deponie, Transporte" zu koordinieren.
e) Rechtliche Anforderungen
In einem Gutachten (Gutachten Leimbacher) zuhanden der damaligen Direktion für Verkehr, Energie und Wasser des Kantons Bern wird nachgewiesen, dass der Kanton grundsätzlich das Recht hat, den Abbau von Kies und Kiesersatzmaterialien dem Bergregal zu
unterstellen.(37)
Die wesentlichen Erkenntnisse des Gutachtens Leimbacher lassen sich wie folgt zusammenfassen:
❏ Der Begriff des Bergregals wird in Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BV zur bundesrechtlichen
Norm, wobei dieses bundesrechtliche Bergregal den Rahmen für die kantonalen Bergregale bildet.
❏ Innerhalb des vom bundesrechtlichen Bergregal vorgegebenen Rahmens dürfen die
Kantone frei bestimmen, welche Bodenbestandteile sie ihrem kantonalen Regal unterstellen wollen. Kies wird vom bundesrechtlichen Bergregal erfasst. Die Kantone dürfen
daher Kies ihrem Regal unterstellen.
❏ Da das bundesrechtliche Bergregal grundsätzlich jeden Bodenbestandteil umfasst,
dürfen Kantone jeden Bodenbestandteil ihrem Bergregal unterstellen.
❏ Die praktische "Ausdehnung" des kantonalen Bergregales auf Kies ist mit der Eigen-
tumsgarantie bzw. dem Bundeszivilrecht vereinbar.
37 Vgl. Leimbacher J. (1991), Kiesabbau und Bergregal - Rechtsgutachten.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
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❏ Es empfiehlt sich, eine explizite gesetzliche Grundlage für die kantonale Ausdehnung
des Bergregals auf Kies zu schaffen. Die gesetzliche Grundlage wäre durch eine Revision des kantonalen Bergwerksgesetzes zu schaffen.
Eine rechtliche Spezialfrage stellt die Behandlung von Aushubkies dar. Ob dieses auch
dem Bergregal unterstellt werden kann, muss bezweifelt werden. Für die Erhebung einer
Abgabe auf Aushubkies müsste deshalb wahrscheinlich eine spezielle Rechtsgrundlage
geschaffen werden. Offen ist, ob dies überhaupt möglich wäre (Kollision mit der Eigentumsfreiheit).
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
Art. 31 Abs. 2 BV enthält einen generellen Vorbehalt der kantonalen Regalrechte.
Diese unterstehen nicht der Handels- und Gewerbefreiheit und dürfen auch zu rein
fiskalischen Zwecken genutzt werden. Bundesrechtlich darf Kies dem Regal unterstellt
werden. Art. 52 Abs. 1 der neuen Kantonsverfassung zählt nur die "historischen" Regalrechte des Kantons auf, darunter das Bergregal, welches die Ausbeutung mineralischer Stoffe zum Gegenstand hat. Die Gesetzgebung hat den Gegenstand und den
Umfang der Regalrechte näher zu umschreiben. Gemäss heutiger Gesetzgebung sind
die Ausbeutung von Erzen, Kohle, Erdöl und Erdgas konzessionspflichtig, andere mineralische Rohstoffe unterstehen nicht dem Regal. Keinen Entscheid fällte der Verfassungsgeber in der Frage, ob auch die Kiesausbeutung dem Bergregal zu unterstellen
sei, was gemäss geltendem Recht nicht der Fall ist. Zum Teil wurde die Auffassung
vertreten, der Kiesabbau unterstehe auch ohne ausdrückliche Erwähnung dem Bergregal, zum Teil wurde das Bedürfnis nach einem kantonalen Kiesregal verneint. Die
verfassungsrechtliche Lage ist deshalb etwas unklar. Zumindest aber müsste für die
Einführung einer Kiesabgabe eine formelle gesetzliche Grundlage (im Bergwerkgesetz)
geschaffen werden.
f) Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte (erste Hinweise)
Folgende Aspekte müssten vor einer Einführung einer Kiesabgabe noch vertieft untersucht werden:
❏ In welchem Umfang erfahren die im Kanton Bern ansässigen Kiesabbauunternehmen
im Vergleich zu den Unternehmen angrenzender Kantone einen Wettbewerbsnachteil?
Erste Hinweise:
– Die in Variante A vorgeschlagene Abgabenhöhe führt (wenn überhaupt) zu einer
sehr beschränkten Erhöhung der Endabnehmerpreise für Kiesprodukte, da - im
Durchschnitt - die verlangte Abgabe den heutigen Pachtzinsen für Grundeigentümer
entspricht. Es ist daher nicht mit einem interkantonalen Wettbewerbsnachteil zu
rechnen.
– Variante B hat dagegen eine Erhöhung der Kiespreise kantonaler Kiesproduzenten
von ca. 30% zur Folge. Dies würde den bestehenden Distanzschutz vermindern
(herrührend vom hohen Transportkostenanteil am Endabnehmerpreis). Betroffen
wären vorwiegend Kiesproduzenten an den Kantonsgrenzen. Zu erwähnen ist insbesondere die Kantonsgrenze zu Freiburg nördlich von Bern sowie der Oberaargau.
ECOPLAN
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
❏ Welche Substitutionseffekte könnten konkret in welchem Ausmass eintreten? Erste
Hinweise:
– Besonders in Variante B ist mit einem Mehrverbrauch von recycliertem Bauschutt
zu rechnen. Allerdings ist das Potential beschränkt und wird (z.B. im Rahmen der
bernischen Sachplanung "Abbau, Deponie, Transporte") auf ca. 20% des Gesamtverbrauchs geschätzt.
– Eine Verteuerung des Kieses kann aber auch zu einer Verlagerung der Nachfrage
auf nicht kiesintensive Bauformen bzw. Baugrundstoffe (Holz, Ziegel, Stahl, Glas)
führen.
❏ Wie werden die Baukosten beeinflusst? Ist eine Rückkoppelung auf die Haushalte im
Sinne langfristig höherer Mietpreise zu erwarten? Erste Hinweise:
– Variante A führt kaum zu einer spürbaren Veränderung der Baukosten
– Für Variante B wäre dagegen vertieft abzuklären, in welchem Ausmass die Baukosten beeinflusst werden. Folgendes grobes Beispiel soll eine erste Grössenordnung
aufzeigen.
-
Anteil Kieskosten an den durchschnittlichen Materialkosten:
10 - 20%
-
Anteil der Materialkosten an Gesamtbaukosten:
30%
Wenn unter diesen Annahmen der Kiespreis um 30% steigen würde (was etwa der
Variante B entspricht), steigen die gesamten Baukosten um knapp 1% bis 2%.
❏ Ergeben sich Auswirkungen auf die zum Abbau verfügbaren Reserven? Erste Hinwei-
se: Die Einnahmen der Grundeigentümer aus dem Kiesabbau würden mit der vorgeschlagenen Lösung stark reduziert. Sie sind aber immer noch erheblich, sofern die
vorgeschlagene Normentschädigung eingeführt würde. Es erscheint deshalb plausibel,
dass die Grundeigentümer immer noch einen genügenden Anreiz haben, ihr Land für
den Kiesabbau zur Verfügung zu stellen.
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Der Abbau von Kies ist sehr flächenintensiv, kann die hydrologischen Verhältnisse beeinträchtigen (Gefährdung des Grundwassers) und verändert das Bodengefüge (meist)
hochwertiger Böden. Der Abbau von Kies und insbesondere von Kiesersatzmaterialien
(Steinbrüche) kann auch zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führen. Entsprechend sind planungsrechtliche Vorgaben für einen möglichst umweltgerechten Kiesabbau notwendig. Die Kiesabgabe gemäss Variante A würde diesbezüglich kaum eine
Veränderung bewirken, da die Preise nicht wesentlich verändert werden. Variante B hingegen fördert die Reziklierung von Bauschutt und reduziert den kantonalen Kiesabbau
und hat entsprechend positive ökologische Auswirkungen.
Ebenfalls mit dem Kiesabbau verbunden sind erhebliche punktuelle Belastungen durch
die Schwerverkehrstransporte (Lärm, Luftverschmutzung). Die Minimierung der Transporte - wie in der kantonalen Sachplanung "Abbau, Deponie, Transporte" vorgesehen - ist
deshalb ein wichtiges Anliegen. Die Kiesabgabe sollte deshalb nicht dazu führen, dass
aufgrund vermehrter Kiesimporte zusätzliches Transportaufkommen geschaffen wird,
was bei Variante B der Fall sein könnte. Entsprechend besteht bei einer allfälligen Einführung einer Kiesabgabe ein Koordinationsbedarf mit den angrenzenden Kantonen.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
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Kies ist eine nicht erneuerbare Ressource, deren Knappheit in Zukunft zunehmen wird.
Wohl besitzt der Kanton Bern geologische Reserven von rund 600 Mio. m3. Ein grosser
Teil dieser Reserven ist aber aufgrund anderweitiger Bodennutzungen kaum mehr abbaubar. Die in der kantonalen Sachplanung "Abbau, Deponie, Transporte" vorgesehene
planungsrechtliche Sicherung der Kiesreserven ist deshalb ein wichtiges Anliegen. Ebenso zentral ist der sparsame Umgang mit dieser knappen Ressource. Dazu würde insbesondere eine Kiesabgabe gemäss Variante B beitragen. In jedem Fall müsste die Einführung einer Kiesabgabe mit der kantonalen Sachplanung "Abbau, Deponie, Transporte"
koordiniert werden.
h) Schlussfolgerung und Empfehlung
Grundsätzlich ist die Einführung einer Abgabe auf dem Abbau von Kies und Kiesersatzmaterialien praktikabel. Notwendig ist die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage. Im
kantonalen Bergwerksgesetz ist der Kiesabbau explizit dem Bergregal zu unterstellen. Wir
empfehlen daher die Kiesabgabe als Element von MUEK aufzunehmen. Dabei schlagen
wir zwei verschiedene denkbare Abgabenvarianten vor:
❏ In Variante A beträgt die durchschnittliche Abgabe 6 Fr. pro m3. Eine solche Abgabe
führt kaum zu einer Veränderung der heutigen Endabnehmerpreise für Kies, da sie den
bisherigen, nun wegfallenden Pachtzinsen an Grundeigentümer entspricht.
❏ In Variante B beträgt die durchschnittliche Abgabe 15 Fr. pro m3, was eine Verteue-
rung von Kies um durchschnittlich ca. 30% zur Folge hätte. Entsprechende Auswirkungen auf die interkantonalen Wettbewerbsverhältnisse müssten noch vertieft abgeklärt werden, bevor eine Realisierung dieser Variante einer Kiesabgabe in die Wege
geleitet wird. Dies gilt ebenfalls für die Frage, in welchem Ausmass durch eine Abgabe gemäss Variante B zusätzliche Transportströme ausgelöst würden.
Denkbar wäre, mit einer Abgabenhöhe gemäss Variante A zu beginnen und anschliessend sukzessive die Abgabe in Richtung Variante B zu erhöhen. Das Ausmass dieser
Erhöhungen würde wesentlich durch deren Wirtschafts- und Sozialverträglichkeit bestimmt. Die vorgeschlagene Abgabe verspricht einen Ertrag von mindestens 25 Mio. Fr.
pro Jahr (unter Berücksichtigung einer Normentschädigung an die Grundeigentümer).
Mit der Einführung des Bergregals auf dem Kiesabbau und einer entsprechenden Kiesabgabe fällt das bisher bei den Grundeigentümern liegende Recht auf einen Pachtzins an
den Kanton. Um dennoch genügend Anreize zu schaffen, damit die Grundeigentümer ihr
Land für den Kiesabbau zur Verfügung stellen, könnte eine Normentschädigung der
Grundeigentümer vorgesehen werden. Wie hoch diese sein sollte und wie sie rechtlich
zu verankern wäre, müsste vertieft abgeklärt werden.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Bodenversiegelungsabgabe
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Ausgangslage
Jährlich wird in der Schweiz Kulturland in der Grösse des Brienzersees überbaut oder
versiegelt. Im Kanton Bern allein geht alle acht Jahre landwirtschaftliches Kulturland im
Umfang der Fläche des Thunersees verloren.(38) Das sind über 15'000 m2 pro Tag. Davon
fallen rund 12'000 m2 auf den Siedlungsbau. Unversiegelter, landwirtschaftlich nutzbarer
Boden wird zunehmend zu einer knappen Ressource.
Die Versiegelung bisher unbebauter Flächen verursacht direkte Kosten in den Bereichen
Abwasser, Kanalisation, Hochwasserschutz und Trinkwassergewinnung. Indirekt entstehen Kosten durch die Landschaftszerstörung sowie durch den Verlust von natürlichen
Ausgleichsflächen und Biotopen. Es ist deshalb weitgehend unbestritten, dass ein starkes öffentliches Interesse an der Erhaltung bestehenden Naturlandes besteht. Dieses
Interesse wurde bisher weitgehend durch das ordnungspolitische Instrumentarium der
Raumplanung wahrgenommen.
Bei der Bodennutzung besteht eine starke Nutzungskonkurrenz. Auch für die Wirtschaft
und zum Wohnen sollte genügend Boden zur Verfügung stehen. Die Vermutung liegt
nahe, dass eine effiziente Lösung dieser Nutzungskonkurrenz nicht alleine mit Geboten
und Verboten im Sinne der heutigen Raumplanung möglich ist. Vielmehr sollte zusätzlich
eine Steuerung über den Markt angestrebt werden. Ein möglicher Ansatz hierzu ist die
Versiegelungsabgabe. (39)
Ausgestaltung
Es sind verschiedene Formen einer Bodenversiegelungsabgabe denkbar. Wir schlagen
vor, eine kantonale Bodenversiegelungsabgabe auf die Neuversiegelungen zu beschränken und darauf eine einmalige Abgabe zu erheben. Die Abgabe wird sowohl bei privater
wie bei öffentlicher Flächennutzung erhoben.
Bezüglich der Abgabenhöhe werden zwei Varianten unterschieden:
❏ Variante A:
25 Fr. pro m2 Neuversiegelung
❏ Variante B:
50 Fr. pro m2 Neuversiegelung
Folgende Überlegungen sprechen für die obige Ausgestaltung einer kantonalen Versiegelungsabgabe:
❏ Abgabe nur auf Neuversiegelungen? Als Alternative zu obigem Vorschlag könnte
auch eine Abgabe auf sämtlichen (auch den bisherigen) versiegelten Flächen vorgese-
38 Raumplanungsamt des Kantons Bern (1990), Der (un)heimliche Umbruch - Entwicklung von Kulturland und
Siedlung im Kanton Bern zwischen 1963 und 1988.
39 An dieser Stelle kann aber keine umfassende Diskussion der verschiedenen denkbaren marktwirtschaftlichen Instrumente zur Steuerung der Bodennutzung geführt werden. Vgl. hierzu EJPD (1991), Bausteine
zur Bodenrechtspolitik.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 29
hen werden. Eine solche Lösung hätte grosse Vollzugsprobleme zur Folge. Zudem
wäre eine anreizgerechte Ausgestaltung relativ schwer zu finden. (40)
❏ Einmalige oder jährliche Abgabe? Anstatt einer einmaligen Abgabe auf Neuversie-
gelungen könnte die Abgabe auch als jährlich wiederkehrend Abgabe erhoben werden.
Eine solche Ausgestaltung würde aber wesentlich mehr Vollzugsaufwand verursachen
und dürfte einen geringeren Lenkungseffekt entfalten.
❏ Abstufung nach Versiegelungsgrad? Grundsätzlich wäre es sinnvoll, die Abgabe auf
Neuversiegelungen nach dem Grad der Versiegelung abzustufen. Dazu wären nach
ökologischen Kriterien zwei bis drei Versiegelungsstufen zu bilden.(41) Eine solche Differenzierung sollte vorgenommen werden, wenn sie keinen bedeutenden zusätzlichen
Vollzugsaufwand verursacht.
b) Mögliche Einnahmen
Wenn der Landverbrauch des Siedlungs- und Strassenbaus auf demselben Niveau verharrt wie in den letzten Jahrzehnten und und wenn vorsichtig angenommen wird, dass
50% der überbauten Fläche auch versiegelt wird, führen die vorgeschlagenen Abgaben
zu jährlichen Einnahmen zwischen 70 Mio. Fr. (Variante A) und 140 Mio. Fr. (Variante B).
Obige Schätzung betrachten wir als Obergrenze der möglichen längerfristigen Einnahmen
und zwar aus folgenden Gründen:
❏ Die Abgabe setzt einen Anreiz, weniger versiegelungsintensiv zu bauen (beispiels-
weise wird durch die Abgabe das verdichtete Bauen gefördert)
❏ Längerfristig ist tendenziell mit einer Abnahme des Verbrauchs an Kulturland zu rech-
nen. Neu- bzw. Umbauten auf schon versiegeltem Gebiet werden an Gewicht gewinnen. Solche Bauten sind aber nicht der Versiegelungsabgabe unterstellt, da es sich
nicht um Neuversiegelungen handelt.
Vorsichtig geschätzt rechnen wir aus obigen Gründen mit Einnahmen in der Grössenordnung zwischen 40 Mio. Fr. (Variante A) und 80 Mio. Fr. (Variante B) pro Jahr.
c) Bestehende Erfahrungen
❏ Weder auf kantonaler noch auf nationaler Ebene bestehen Erfahrungen mit einer Ab-
gabe auf Neuversiegelungen.
❏ Im neuen Gewässerschutzgesetz wird vorgeschrieben, dass nicht verschmutztes
Wasser nach Anordnung der kantonalen Behörde versickern zu lassen ist, sofern dies
40 Die Abgabe müsste unverhältnismässig hoch sein, wenn durch die Abgabe Entsiegelungsmassnahmen
ausgelöst werden sollen. Zu überprüfen wären andere mögliche Massnahmen zur Förderung von Entsiegelungen (Aktionsprogramme, evtl. Subventionen).
41 Diese könnten auf den sogenannten Bodenkennwerten (BKW) basieren. Beispielsweise beträgt der BKW
von Asphalt- und Betonbelägen 0.0, derjenige von befahrbaren Schotterbelägen auf Kieskoffer, von Rasengittersteinen und grossfugig verlegten Pflästerungen für Parkplätze beträgt dagegen 0.4. Natürlich anstehender Boden hat einen BKW von 1.0. Vgl. Gartenbauamt der Stadt Zürich (1992), Durchgrünte Arbeitswelt, S. 17.
Die Versiegelungsabgabe könnte also abgestuft werden, indem die vorgeschlagene Abgabenhöhe mit
dem Wert (1-BKW) multipliziert würde.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
die örtlichen Verhältnisse erlauben.(42) Davon ausgehend sehen die neuen VSA/FES Richtlinien zur Finanzierung der Abwasserentsorgung einen Zuschlag auf den Abwassergebühren nach zonengewichteten Grundstücksflächen vor. Wer nachweisen kann,
dass auf seinem Grundstück das Wasser direkt versickert, wird von diesem Zuschlag
befreit.(43) Längerfristig könnte dadurch ein bescheidener Lenkungseffekt in Richtung
Entsiegelung ausgelöst werden. Bis heute bestehen aber keine Erfahrungen mit diesem Modell.
❏ In Deutschland sieht das Bundesnaturschutzgesetz von 1976 eine Naturschutzabgabe
vor, wobei deren Einführung den Bundesländern überlassen wurde.(44) Einige Bundesländer haben eine solche Abgabe eingeführt. Baden-Württemberg erhebt beispielsweise zwischen 2 und 10 DM pro m2. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine
Versiegelungsabgabe, sondern um eine Abgabe, welche die Verursacher von genehmigungspflichtigen Landschaftseingriffen bezahlen müssen, wenn sie keine Ausgleichsmassnahmen leisten (können).
❏ Ebenfalls in Deutschland wurde verschiedentlich die Einführung einer Versiegelungs-
abgabe vorgeschlagen. Dabei handelt es sich meistens um eine Abgabe auf Neuversiegelungen. Die vorgeschlagenen Abgabenhöhen variieren zwischen 50 und 200 DM
pro m2.(45) Diese Vorschläge wurden bisher nicht in die Praxis umgesetzt.
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Der Vollzug der vorgeschlagenen Abgabe auf Neuversiegelungen liesse sich relativ einfach in das bestehende Baubewilligungsverfahren integrieren. Die entsprechenden Unterlagen müssten zusätzlich Angaben über die neuversiegelte Fläche enthalten. Ausgehend von den im Baubewilligungsverfahren gemachten Angaben würde die Abgabe auf
dem neuversiegelten Boden berechnet und beim Bauherr in Rechnung gestellt. Der
grösste administrative Mehraufwand würde damit bei den Bauherren entstehen. Es ist
allerdings zu beachten, dass es für den zuständigen Architekten wenig Zusatzaufwand
bedeutet, ausgehend von den bestehenden Plänen die neu versiegelte Bodenfläche zu
berechnen.
Da Baubewilligungen vorwiegend von Gemeinden erteilt werden, müsste die Abgabe von
den Gemeinden erhoben werden und anschliessend an den Kanton überwiesen werden.
Dies würde sinnvollerweise zusammen mit der Abrechnung der übrigen Beiträgen (z.B.
Erschliessungsabgaben) erfolgen, die bauende Grundeigentümer an die Gemeinde zu
entrichten haben. In diesem Fall würde der administrative Zusatzaufwand für die Gemeinden sehr bescheiden bleiben. Die aus der Versiegelungsabgabe eingegangen Erträge wären anschliessend an den Kanton zu überweisen. Auch dieser Arbeitsschritt führt
nur zu einem geringfügigen Mehraufwand.
42 Vgl. Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Gewässerschutzgesetz GSchG) vom 24.1.1991, Art.
7.2.
43 Vgl. VSA/FES (1994), Finanzierung der Abwasserentsorgung, Richtlinie über die Finanzierung auf Gemeinde- und Verbandsebene - Anhang A.
44 Vgl. Benkert W., Bunde J. und Hansjürgens B. (1990), Umweltpolitik mit Öko-Steuern?, S. 194 ff.
45 Vgl. von Weizsäcker E.U. (1989), Erdpolitik, S. 164, Umwelt- und Prognose-Institut Heidelberg UPI (1988),
Ökosteuern als marktwirtschaftliches Instrument im Umweltschutz, S. 55, Jüttner H. (1992), Umweltpolitik mit Umweltabgaben - ein Gesamtkonzept, S. 200.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
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Bei einer differenzierten Abgabe müsste zwischen verschiedenen Versiegelungsgraden
unterschieden werden. Wir schätzen, dass auch eine solche Differenzierung wäre ohne
erheblichen Aufwand machbar wäre. Notwendig wäre eine zusätzliche, praxisorientierte
Richtlinie, welche für die unterschiedlichen Bodenoberflächen und Belagsarten einen
Bodenkennwert festlegt. Ausgehend von diesen Bodenkennwerten liesse sich die Abgabe anschliessend berechnen (vgl. dazu die Ausführungen unter Punkt a).
e) Rechtliche Anforderungen
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
a) Grundsätzliches
Die Bodenversiegelungsabgabe soll als (marktwirtschaftliches) Umweltinstrument
konzipiert werden und bezweckt nicht primär die Einnahmenbeschaffung (es soll eine
einnahmenseitige Kompensation erfolgen), sondern die Verhaltenslenkung. Sie ist
deshalb als Lenkungsabgabe zu qualifizieren.
Als Lenkungsabgaben kommen sowohl Kausalabgaben als auch Steuern in Frage.
Steuern sind grundsätzlich nicht von einer bestimmten staatlichen Gegenleistung oder
von einem dem Steuerpflichtigen zukommenden besonderen Vorteil abhängig und in
diesem Sinn voraussetzungslos geschuldet. Eine Steuerpflicht auslösen können auch
"staatsunabhängige" Ereignisse. Der Ertrag aus den Steuern dient in der Regel zur Dekkung des allgemeinen Finanzbedarfs des Gemeinwesens. Der Gesetzgeber kann aber
vorschreiben, dass der Ertrag einer Steuer für einen ganz bestimmten Zweck zu
verwenden ist (Zwecksteuer). Im Gegensatz zur voraussetzungslos geschuldeten
Steuer stellen Kausalabgaben das Entgelt für besondere, dem Individuum zurechenbare Leistungen oder Vorteile dar, welche das Gemeinwesen erbringt. Die Kausalabgaben werden unterteilt in Gebühren (Entgelt für eine bestimmte Tätigkeit des Gemeinwesens, die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung oder die Ausübung einer an
sich dem Gemeinwesen vorbehaltenen Tätigkeit), Vorzugslasten (Abgeltung für einen
wirtschaftlichen Sondervorteil), Ersatzabgaben (für die Befreiung von bestimmten öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen) und Mehrwertabgaben (Abschöpfung von Wertsteigerungen von Grundstücken zufolge raumplanerischer Massnahmen). Gemengsteuern entstehen aus einer Verbindung von Kausalabgaben (meist Gebühren oder
Vorzugslasten) mit einer Steuer, indem die Kausalabgabe bedeutend höher angesetzt
wird, als es die Grundsätze für deren Bemessung (Kostendeckungs- und Aequivalenzprinzip) zuliessen.
Da die Bodenversiegelungsabgabe nicht an eine dem Abgabepflichtigen zurechenbare
Leistung des Gemeinwesens anknüpft, aber auch nicht (nur) der Deckung des staatlichen Finanzbedarfs dient, handelt es sich um eine Lenkungssteuer. (Einzelne Autoren, so z.B. Locher, vertreten allerdings die Auffassung, Lenkungsabgaben liessen sich
keiner der beiden herkömmlichen Kategorien zuordnen, sondern stellten eine eigenständige Abgabekategorie dar.)
Lenkungsabgaben sind in der Regel als Objektabgaben ausgestaltet, welche keine
Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nehmen.
Auch das geltende Steuerrecht und Abgabenormen in andern Erlassen können teilweise zur bewussten Verhaltensänderung modifiziert werden. (Die Möglichkeiten, di-
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
rekte Steuern als umweltpolitisches Lenkungsinstrument einzusetzen, werden allerdings durch das Bundesgesetz über die Steuerharmonisierung eingeschränkt.)
b) Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht, Zuständigkeit
Nach der Kompetenzverteilungsregel von Art. 3 BV stehen dem Bund (abgesehen von
gewissen stillschweigenden Bundeskompetenzen) ausschliesslich diejenigen Kompetenzen zu, die ihm die BV überträgt. Die Kantone sind somit zur Wahrnehmung einer
Aufgabe zuständig, wenn diese nicht auf dem Weg der Einzelermächtigung dem Bund
übertragen wurde. Die Finanzquellen des Bunds und damit seine Steuererhebungskompetenz werden in der BV ausdrücklich geregelt und zugleich begrenzt. Allerdings
kann sich eine Bundeskompetenz auch kraft Sachzusammenhangs ergeben, wenn
dies für die Wahrnehmung der Sachkompetenz des Bundes erforderlich (nach andern
Auffassungen: unerlässlich) ist. Ausschlaggebend ist dann der Abgabezweck
(Einnahmenbeschaffung oder Verhaltenslenkung). Da der Umweltschutz gemäss Artikel 24septies BV Aufgabe des Bunds ist, wird ihm in der Doktrin auch die Kompetenz
zugestanden, Lenkungsabgaben einzuführen, sofern diese ein taugliches und wirksames Mittel zur Verhaltenslenkung darstellen. Das Umweltschutzgesetz sieht in der
geltenden Fassung (noch) keine Lenkungsabgaben vor. (Der Verzicht wurde seinerzeit
mit der beschränkten Bundeskompetenz zur Einführung solcher Abgaben, den
Schwierigkeiten bei der rechtlichen und praktischen Ausgestaltung sowie der ungewissen Wirkungsweise begründet.) Der Revisionsentwurf vom Juni 1993 sieht nun
zwar gewisse Lenkungsabgaben vor, jedoch nicht für Bodenversiegelungen, deren
nachteilige Auswirkungen vom Bundesrecht überhaupt erst ansatzweise (im Gewässerschutzgesetz und im Raumplanungsgesetz) erfasst werden.
Solange der Bund von einer ihm an sich zustehenden Kompetenz (noch) keinen Gebrauch gemacht hat, ermächtigt die (negative) Kompetenzausscheidung der BV die
Kantone jedenfalls immer dann zur Erhebung von Lenkungsabgaben, wenn sie einerseits auf dem entsprechenden Gebiet zuständig sind, Verhaltensvorschriften zu erlassen und sich andererseits nicht einer Abgabeform bedienen, die kraft Bundesverfassung (Art. 41bis und 41ter) dem Bund vorbehalten ist oder die Anwendung von Bundesrecht vereitelt. Aus bundesrechtlicher Sicht kann deshalb die Kompetenz der Kantone zur Einführung einer Bodenversiegelungsabgabe bejaht werden, solange sie nicht
ein geradezu prohibitives Ausmass annimmt. (Beispiel einer kantonalen Lenkungssteuer ist die Spikes-Steuer des Kantons VD [BGE 99 Ia 236], lenkende Kausalabgaben
sind die Kanalisations- und Kehrichtgebühren).
Nicht belastet werden darf nach Artikel 10 des Garantiegesetzes der Bund, soweit
seine Liegenschaften unmittelbar öffentlichen Zwecken dienen.
c) Vereinbarkeit mit der Kantonsverfassung
Die Aufzählung in Artikel 103 KV ist nur für die direkten Steuern (Abs. 1) abschliessend. Direkte Steuern sind jene, welche die Berechnungsgrundlage (Einkommen,
Vermögen) unmittelbar belasten, indem diese auch Steuerobjekt ist. (E. Höhn, Steuerrecht, S. 26 und Handbuch des bernischen Verfassungsrechts,
S. 523, N. 7a). Die
Besteuerung erfolgt hier in der Regel nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Indirekte Steuern hingegen knüpfen an einen bestimmten (i.d.R. nicht-periodischen)
Vorgang rechtlicher oder tatsächlicher Natur, ein bestimmtes Verhalten oder einen be-
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
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stimmten Zustand an. Wirtschaftlich werden indirekte Steuern oft überwälzt (z.B. Beherbergungsabgabe). Weil mit der Bodenversiegelungsabgabe nicht das Grundeigentum als Vermögen, sondern eine bestimmte Nutzungsart bzw. Zustandsänderung
steuerlich belastet wird, handelt es sich nicht um eine direkte Steuer. Für indirekte
Steuern (Verkehrssteuern, Besitzessteuern, Aufwandsteuern) und andere Abgaben
genügt ein Gesetz (Art. 69 Abs. 4 Bst. b KV). Der Verfassungsgeber äusserte keinen
Willen, im Bereich der indirekten Steuern einen verfassungsrechtlichen numerus clausus zu statuieren. Die Handlungsfreiheit des kantonalen Gesetzgebers bleibt damit erhalten (Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, S. 522 N. 5a und S. 523 N. 7c).
Absatz 2 zählt zwar drei wichtige indirekte Steuern (Erbschaftssteuer, Schenkungssteuer, Motorfahrzeugsteuer) auf, lässt aber weitere "Aufwand- und Verkehrssteuern"
ausdrücklich zu. Diesen Begriff hat der Verfassungsgeber nicht näher definiert. Er wollte mit dieser Formulierung einen Auffangtatbestand für alle übrigen indirekten Steuern
schaffen.
Die Einführung einer Bodenversiegelungsabgabe erfordert somit m.E. keine Verfassungsänderung.
d) Gesetzliche Grundlage
Im Abgaberecht hat der Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung die Bedeutung eines verfassungsmässigen Rechts. Unter Vorbehalt reiner Kanzleigebühren erfordert es die Umschreibung des Kreises der Abgabepflichtigen, des Abgabegegenstandes, der Bemessungsgrundlage und des Abgabemasses in einem Gesetz im formellen Sinn, d.h. in einem dem Referendum unterstehenden Erlass. Die Delegationsmöglichkeiten sind demnach stark eingeschränkt. Die Anforderungen an die Regelung
im formellen Gesetz sind bei denjenigen Steuern am stengsten, bei denen hinsichtlich
der Auswahl von Tatbeständen und der Festlegung des Steuermasses Zweckgesichtspunkte fehlen, welche der Eingriffsintensität Grenzen setzen. Weniger strenge
Anforderungen an die gesetzliche Grundlage verlangt das Bundesgericht bei Abgaben,
deren Ueberprüfung dem Bürger anhand anderer verfassungsrechtlicher Prinzipien
offensteht, oder deren Festsetzung von technischen Einzelheiten abhängt, die sich
rasch ändern können. Hinsichtlich Lenkungsabgaben werden solche Lockerungen in
der Doktrin als zulässig erachtet (z.B. Regelung der Abgabebemessung durch eine gesetzesergänzende Verordnung). Die Grundzüge der Regelung müssen aber trotzdem in
einem formellen Gesetz (Baugesetz ?) festgelegt werden.
e) Ergänzende Bemerkungen
Mit der Eigentumsgarantie wäre die Abgabe nur dann unvereinbar, wenn sie konfiskatorischen Charakter hätte, bzw. die Nutzung des Grundeigentums praktisch verunmöglichen oder aushöhlen würde. Heikel ist unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgebots die Frage, ob die Lenkungsabgabe nur für Neuversiegelungen erhoben
werden soll. Die bereits versiegelte Bodenfläche dürfte erheblich grösser sein als die
in absehbarer Zeit noch hinzukommende Neuversiegelung, so dass insgesamt nur ein
kleiner Teil der Verursacher von der Abgabe getroffen würde. Andererseits stellt sich
die Frage, ob eine rückwirkende Erhebung der Abgabe rechtlich überhaupt zulässig
wäre. Die Zulässigkeit könnte m.E. damit begründet werden, dass die Versiegelung
keinen in der Vergangenheit eingetretenen und abgeschlossenen Sachverhalt darstellt,
sondern mit ihren nachteilige Auswirkungen bis in die Gegenwart hinein fortdauert, so
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
dass es sich nicht um eine echte, sondern eine unechte Rückwirkung handeln würde.
(So wird im Umweltschutzrecht generell die Sanierungspflicht für Altanlagen begründet.) Der Lenkungseffekt bestünde hier darin, dass (im Rahmen des technisch Möglichen) auf eine Entsiegelung hingewirkt würde, indem diese mit dem Verzicht bzw.
der Rückerstattung der Abgabe belohnt würde.
f) Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte (erste Hinweise)
Folgende Fragen müssten vor einer allfälligen Einführung einer Versiegelungsabgabe
vertieft untersucht werden:
❏ In welchem Umfang ergibt sich durch die Abgabe auf Neuversiegelungen ein Stand-
ortnachteil des Kantons Bern für Unternehmen (Neuansiedlungen, Erweiterungsbauten
etc)? Erste Hinweise:
Folgende qualitativen Argumente sprechen dafür, dass sich kein spürbarer Standortnachteil ergibt:
– Die vorgeschlagenen Abgaben sind im Verhältnis zu den gesamten Boden- und Gebäudekosten eines Neubaus relativ gering.
– Die Mehrkosten eines Verzichts auf stark versiegelte Flächen fallen häufig kaum ins
Gewicht (z.B. durchlässige Flächen für Parkplätze und Verkehrsflächen) und erhöhen zudem die visuelle Attraktivität des Gebäudes.
Verluste an Standortgunst könnten insbesondere auftreten, wenn der Vollzug zu Verzögerungen des Bewilligungsverfahren führen würde. Wie unter Punkt d) erläutert,
spricht aber vieles dafür, dass die Dauer der Bewilligungsverfahren durch die Abgabe
auf Neuversiegelungen nicht beeinflusst wird.
❏ Führt die Abgabe auf Neuversiegelungen zu einer Erhöhung der Baupreise, welche
sich schlussendlich in einer Erhöhung der Mietpreise niederschlagen würde? Erste
Hinweise:
– Für den Wohnungsbau gilt ähnliches wie bei den Unternehmen: Grundsätzlich ist
nicht damit zu rechnen, dass sich die durchschnittlichen Baukosten spürbar erhöhen.
– Allerdings ist sicherlich eine Differenzierung nach Art des Wohnungsbaus vorzunehmen. Für ein grosses Einfamilienhaus, bei welchem 300 m2 neu versiegelt werden,
entsteht bei Variante B eine Mehrbelastung von 15'000 Fr. bzw. ca. 2% der gesamten Baukosten. Bei einer verdichteten Bauweisen, bei Reihen- und Mehrfamilienhäusern wäre die Mehrbelastung deutlich geringer. Entsprechend ist nicht mit
spürbaren Auswirkungen auf die Mietpreise zu rechnen.
❏ Denkbar ist, dass vor der Einführung der Abgabe auf Neuversiegelungen ein gewisser
Bauboom ausgelöst wird, weil dann die Abgabe noch nicht bezahlt werden muss.
Durch eine gestaffelte Einführung der Abgabe könnte dies weitgehend verhindert
werden. Da die Abgabe im Vergleich zu den gesamten Baukosten sehr gering ist, beschränkt sich dieser Effekt allerdings in jedem Fall auf Einzelfälle.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
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g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Die Versiegelung des Bodens mit Asphalt und Beton führt
❏ zum Verlust lebender Bodendecke
❏ zur Beeinträchtigung der Grundwasserneubildung
❏ zur Zerstörung der Lebensräume von Pflanzen und Tieren
❏ zu einer verminderten Aufnahmefähigkeit des Bodens von Regenwasser und damit
verbunden zu temporären Überbelastungen von Abwasserreinigungsanlagen und erhöhter Überschwemmungsgefahr.
Durch die Abgabe auf Neuversiegelungen wird ein wirkungsvoller Anreiz gesetzt, obige
Umweltbelastungen zu reduzieren. Die Überbauung zentraler, teilweise bereits versiegelter Flächen würde attraktiviert. Beispielsweise würde die Umnutzung bzw. Renovierung
alter Industrie- und Gewerbeflächen und von Abrissgrundstücken gefördert. Ebenfalls
unterstützt würde das im Kanton Bern verfolgte Ziel, Entwicklungsschwerpunkte zu bilden.
Die einheitliche Abgabenhöhe wirkt zudem der Zersiedelung entgegen, da die prozentuale Mehrbelastung in peripheren, naturnahen Gebieten (mit niedrigeren Bodenpreisen)
höher wäre als in Agglomerationen. Tendenziell werden auch verdichtete Bauweisen und
generell flächensparendes Bauen unterstützt.
Aus ökologischer Sicht etwas unfriedigend gegenüber einer Ideallösung ist die Tatsache,
dass durch die vorgeschlagene Abgabe Neuversiegelungen und Entsiegelungsmassnahmen nicht gleich behandelt werden. Wie schon angetönt wäre deshalb zu überprüfen,
wie Entsiegelungsmassnahmen speziell gefördert werden können.
h) Schlussfolgerung und Empfehlung
Die vorgeschlagene Bodenversiegelungsabgabe sollte Element eines allfälligen Systems
MUEK sein. Aus ökologischer Sicht wäre eine nach Versiegelungsgrad differenzierte Abgabe anzustreben. Weiterführende Abklärungen sollten sich einerseits mit dieser Fragestellung befassen, andererseits die Möglichkeit einer Ausdehnung der Abgabe auf bereits
versiegelte Flächen detaillierte prüfen.
Als Arbeitshypothese schlagen wir vor, dass die Einstiegsabgabenhöhe der Variante A (25
Fr. pro m2 neu versiegelte Fläche) entspricht. Sofern sich keine gravierenden wirtschaftlichen Standortnachteile ergeben, wäre anschliessend die Abgabenhöhe z.B. innerhalb
von fünf Jahren auf Variante B (50 Fr. pro m 2 neu versiegelte Fläche) zu erhöhen.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Kantonale Abgabe auf öffentlichen Parkplätzen
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Der Kanton erhebt auf näher zu bestimmenden Parkplätzen auf öffentlichem Grund eine
Abgabe resp. einen Abgabezuschlag, wenn die Parkplätze bereits mit einer kommunalen
Parkplatzabgabe belegt sind.
Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 25 "Stadt und Verkehr" wurde ein
Vorschlag entwickelt, wie ein Parkplatzabgabensystem für öffentliche Parkplätze aussehen könnte. Kurz zusammengefasst sollten die Parkplatzabgaben folgende Bestandteile
umfassen:(46)
❏ Die Kosten für Bereitstellung und Unterhalt des Parkraums: Umsetzung in Form
eines zeitlich (Tag/Nacht) und räumlich (hochzentral, zentral und peripher gelegene
Parkplätze) differenzierten Zeittarifs (Fr./Std.)
❏ Knappheitspreise bei Nachfrageüberhang: Umsetzung in Form eines räumlich dif-
ferenzierten Zeittarifs.
❏ Lufthygienisch begründete Lenkungskomponente: Umsetzung in Form einer
Grundabgabe, die unabhängig von der Parkdauer erhoben wird. Sie sollte sich nach der
durchschnittlichen Fahrtlänge richten, die mit einem Parkvorgang auf einem bestimmten Parkplatztyp verbunden ist und damit die während der Fahrt verursachten Umweltbelastung in Betracht ziehen.
Bisher war es im Kanton Bern den Gemeinden überlassen, ob und wie sie die öffentlichen Parkplätze auf ihrem Gemeindegebiet bewirtschaften wollen. Es stellt sich deshalb
die Frage, wie eine kantonale Parkplatzabgabe implementiert werden könnte. U.E. bestehen grundsätzlich drei Versionen:
1. Der Kanton zieht einen Anteil an den kommunalen Einnahmen aus der Parkplatzbewirtschaftung (z.B. 10% der Einnahmen) ein, überlässt aber die Einführung und
Erhebung der Parkplatzgebühren den Gemeinden. Die Einnahmen des Kantons hängen
bei dieser Version vom Verhalten der Gemeinden ab. Angesichts dieser Ausgangslage
wäre es sinnvoll, wenn den Gemeinden über ein kantonales Gesetz der Auftrag erteilt
würde, ein kommunales Parkplatzreglement auszuarbeiten und auf öffentlichen
Parkplätzen, soweit sie dafür geeignet sind, Parkplatzabgaben zu erheben oder das
Parkkartenmodell (Blaue Zone mit Parkkarten für Berechtigte) einzuführen. In einem
Parkplatzkataster(47) müssten die Gemeinden aufzeigen, welche Parkplätze
bewirtschaftet werden sollen. Das Reglement und der Parkplatzkataster wären vom
Kanton zu genehmigen.(48)
46 Vgl. ECOPLAN (1992), Internalisierung externer Kosten im Agglomerationsverkehr, S. 98 ff.
47 Einen solchen Kataster hat z.B. die Gemeinde Muri ausgearbeitet. Er zeigt die Zahl der effektiven und geplanten Parkplätze und unterscheidet zwischen privaten und öffentlichen Parkplätzen sowie Parkplätzen
der öffentlichen Verwaltung.
48 Basierend auf Artikel 27 der kantonalen Strassenpolizeiverordnung vom 11.1.1978 genehmigt der Kanton
schon heute die kommunalen Parkplatzreglemente.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
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2. Der Kanton legt selbst fest, welche Parkplätze mit welchen kantonalen Gebühren(zuschlägen) belegt werden. Hierzu wären die Gebiete (und - soweit nicht klar
markiert - sogar die einzelnen Parkplätze) abzugrenzen. Weiter wären die Abgabesätze
(tagsüber, nachts, evtl. abgestuft nach Zentralität) festzulegen. Soweit die Gemeinden
nicht ihrerseits Gebühren erheben, wären kantonale Parkuhren resp. Ticketautomaten
aufzustellen und zu kontrollieren.
Diese Version fällt aus Praktikabilitätsgründen praktisch weg (vgl. Buchstabe d).
3. Der Kanton erhebt eine Jahrespauschale bei den Gemeinden, die sich nach der Zahl
der öffentlichen Parkplätzen bemisst (allenfalls abgestuft nach Zentralität). Es bleibt
den Gemeinden überlassen, wie sie diese Jahrespauschale auf Parkgebühren umlegt.
Der Kanton müsste aber von den Gemeinden verlangen, dass sie einen Parkplatzkataster ausarbeiten und dem Kanton zur Genehmigung unterbreiten. Aufgrund dieses Katasters müsste der Kanton festlegen, wieviele Parkplätze gebührenpflichtig sein sollen.
b) Mögliche Einnahmen
Die Höhe der möglichen Einnahmen hängen von verschiedenen Faktoren ab:
❏ Anzahl der bewirtschafteten Parkplätze: Diese Zahl ist für den Kanton Bern nicht
bekannt. Die Ausarbeitung der kommunalen Parkplatzkataster und die Ausscheidung
der zu bewirtschaftenden öffentlichen Parkplätze würden genaue Aussagen ermöglichen.
❏ "Betriebszeiten" des Gebührenregimes (z.B. nur tagsüber Abgabepflicht)
❏ Durchschnittlicher Belegungsgrad der Parkplätze: Der Belegungsgrad wird durch
die Lage des Parkplatzes, die Höhe der Abgabe und durch die vorhandenen Ausweichmöglichkeiten beeinflusst.
❏ Höhe der Parkplatzabgaben: Die gegenwärtig im Kanton Bern erhobenen Parkplatz-
gebühren decken nur den Aufwand ab, welcher mit der Kontrolle der Parkplätze verbunden ist. Würden alle oben erwähnten Kostenbestandteile berücksichtigt, müsste
z.B. in der Stadt Bern die Höhe der Parkplatzabgaben rund verdreifacht werden.
Bezüglich der Ausprägung aller vier Einflussfaktoren bestehen erhebliche Unsicherheiten,
bzw. sind zahlreiche verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten denkbar. Es ist deshalb
nicht möglich, eine zuverlässige Schätzung der möglichen Einnahmen abzugeben.
Anhand einer sehr groben Modellrechnung kann höchstens aufgezeigt werden, in welcher Grössenordnung sich das Einnahmenpotential bewegen könnte.
Im Sinne einer Illustration unterstellen wir z.B. die folgenden, konservativen Annahmen:
– Zahl der öffentlichen Parkplätze im Kanton Bern auf welchen eine Abgabe erhoben
wird: 35'000(49)
49 Zum Vergleich: Die Stadt Bern verfügte 1992 über fast 26'000 öffentliche oberirdische Parkplätze und über
3'755 Parkplätze in Einstellhallen (gemäss Angaben der Stadtpolizei). Fast 14'000 öffentliche Parkplätze
waren zwar markiert, aber nicht bewirtschaftet. Mit Parkuhren und Ticketautomaten bewirtschaftet waren
knapp 1'700, fast 3'600 gehört zu Blauen Zonen.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
– Betriebszeiten: Nur an Werktagen (inkl. Samstage), 12 Stunden pro Tag (z.B. 07.00 bis
19.00 Uhr)
– Durchschnittlicher Belegungsgrad der gebührenpflichtigen Parkplätze: 50%
– Abgabenhöhe pro Stunde: 1 - 2 Fr. (entspricht in etwa der Grössenordnung der heute
eingeführten Abgaben, für die Berechnung sind wir von einem mittleren Wert von 1.30
Fr. ausgegangen)
– Im Kanton Bern pro Jahr verkaufte Parkkarten (für Blaue Zonen): 50'000 (50)
– Preis der Jahres-Parkkarten: Fr. 360.- (entspricht der Grössenordnung der heute eingeführten Parkkartengebühren)
Unter diesen Annahmen ergeben sich Einnahmen von rund 100 Mio. Fr. Geht man nun
beispielsweise davon aus, dass der Kanton einen 20%igen Zuschlag resp. Anteil dieser
Abgaben erhielte, so ergäben sich kantonale Einnahmen von ca. 20 Mio. Fr. (Variante
A).
Je nach konkreter Ausgestaltung der kantonalen Parkplatzpolitik ändern die genannten
Einflussfaktoren und damit die resultierenden Einnahmen erheblich. Wenn in obiger Modellrechnung weniger konservative, aber noch immer realistische Annahmen(51) unterstellt werden, kann als Schätzung durchaus eine Verdoppelung des oben genannten
Einnahmenpotentials resultieren (Variante B).
Vertiefungsarbeiten im Hinblick auf eine allfällige Umsetzung des Systems MUEK sollten
sich insbesondere auf die Aufarbeitung von Grundlagendaten konzentrieren. Genauere
Schätzungen der Zahl der bewirtschaftbaren öffentlichen Parkplätze sind notwendig,
damit der Beitrag der Parkplatzabgaben innerhalb eines Systems MUEK genauer abgeschätzt werden kann als dies in der vorliegenden Machbarkeitsstudie möglich war.
c) Bestehende Erfahrungen
Parkplatzabgaben sind in zahlreichen in- und ausländischen Agglomerationen eingeführt
worden.(52) Aus den vielfältigen Erfahrungen sind etwa folgende Punkte hervorzuheben:
– Einzelne Städte haben sehr viel höhere Parkplatzabgaben eingeführt, als in obiger
Modellrechnung unterstellt wurden. So müssen z.B. in der Stadt Nürnberg pro Stunde
DM 5.- bezahlt werden.
– Ab einer gewissen Höhe gehen von Parkplatzabgaben spürbare Wirkungen auf die
Verkehrsmenge aus.
– In der Stadt Zürich haben die Stimmberechtigten im September 1994 eine deutliche
Erhöhung der Parkgebühren angenommen. Dies kann als Indiz dafür aufgefasst werden, dass zumindest in Städten die Akzeptanz von Parkplatzabgaben, deren Höhe über
eine reine Kontrollgebühr hinausgeht, gestiegen ist.
50 Zum Vergleich: In der Stadt Bern dürften nach Einführung der Blauen Zone in den dafür vorgesehenen
Quartieren pro Jahr rund 25'000 Parkkarten verkauft werden.
51 Annahmen: 40'000 öff. Parkplätze, Bewirtschaftung während 12 Std. an 365 Tagen, Belegungsgrad 0.5,
Parkplatzabgabe 2 Fr., 50'000 verkaufte Parkkarten zum Preis von 480 Fr./Jahr.
52 Vgl. dazu z.B. World Road Association (1995), Urban Mobility - An International Perspective, Parking Policies oder ECOPLAN (1994), Parkplatzpolitik.
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– Die Zentrumsgemeinden der Region Bern haben gezeigt, wie ein räumlich und zeitlich
koordiniertes Vorgehen zur Einführung parkplatzpolitischer Massnahmen in einer Agglomeration aussehen könnte. (53)
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Die bisherigen Erfahrungen, vorab in den Zentrumsgemeinden der Agglomeration Bern,
haben gezeigt, dass Parkplatzabgaben als Teil eines Gesamtkonzeptes (u.a. mit Anwohnerprivilegierung durch Parkkarten sowie einer Reduktion der Anzahl Parkplätze) ein praktikables Massnahmenpaket darstellen. Der Aufwand für Erstellen und Warten der Parkuhren resp. Ticketautomaten ist nicht zu unterschätzen, kann aber durch die Gebühren
mehr als gedeckt werden. Von Bedeutung ist eine sorgfältige Planung der Tarifstruktur
(zeitliche und örtliche Abstufung). Bei der Beurteilung des Vollzugsaufwandes, welcher
durch diese Abgabe verursacht wird, ist zu beachten, dass zahlreiche Gemeinden unabhängig von einer allfälligen Realisierung eines Systems MUEK Parkplatzabgaben eingeführt haben oder einführen werden. Der dabei anfallende Vollzugsaufwand kann natürlich
nicht dem System MUEK angelastet werden.
Grosse Unterschiede bezüglich der Praktikabilität und des Vollzugsaufwandes ergeben
sich zwischen den verschiedenen Versionen zur Erhebung der kantonalen Parkplatzabgabe:
❏ Bei Version 1 ist der Aufwand für den Kanton relativ gering: Der Kanton muss die
kommunalen Reglemente und Kataster prüfen und genehmigen. Der Betrag zu Gunsten des Kantons wäre anschliessend sehr einfach zu ermitteln, da die Gemeinderechnungen über die Einnahmen Aufschluss geben.
❏ Version 2 schneidet bei diesem Kriterium aus der Sicht des Kantons sehr ungünstig
ab, da nicht auf die Vorleistungen der Gemeinden abgestellt werden kann. Diese Version ist auch kaum praktikabel, weil zwei verschiedene Formen, d.h. kantonale und
kommunale Parkplatzabgaben erhoben werden.
❏ Bei Version 3 fällt "nur" die periodische Prüfung der kommunalen Parkplatzkataster an.
Dafür muss der Kanton selber ein sinnvolles Gebührensystem aufbauen.
Aus der Sicht des Vollzugsaufwandes lassen sich nur Version 1 und 3 vertreten. Version 3
hat den Vorteil, dass sie alle Gemeinden unabhängig von ihrer Gebührenpolitik gleich
behandelt und zudem für die Gemeinden einen Anreiz setzt, zur Finanzierung der Abgabe
ihrerseits Parkgebühren zu erheben. Die Version 3 verursacht aber auch einen höheren
Vollzugsaufwand bei dem Kanton (Festlegung und periodische Überprüfung der Anzahl
abgabepflichtiger Parkplätze jeder Gemeinde) als Version 1.
Aus diesem Grund schlagen wir eine Kombination der Versionen 1 und 3 vor: Grundsätzlich gilt Version 1. Wenn aber eine Gemeinde nach Ablauf einer gewissen Frist die
Unterlagen beim Kanton noch nicht eingereicht bzw. noch keine Parkplatzbewirtschaftung
eingeführt hat, erhebt der Kanton eine Jahrespauschale, welche aufgrund von Kennziffern
aus vergleichbaren Gemeinden (z.B. Anzahl bewirtschaftbarer Parkplätze pro Einwohner)
festgelegt wird.
53 Vgl. dazu ECOPLAN (1993), Parkplatzmassnahmen Zentrumsgemeinden Rahmenkonzept.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
e) Rechtliche Anforderungen
Die Erhebung von Parkgebühren wird in Lehre und Praxis kontrovers beurteilt(54). Haupthindernis ist Art. 37 Abs. 2 der Bundesverfassung, der die Erhebung von Strassenbenützungsgebühren verbietet und vom Bundesgericht grundsätzlich auch für Parkplätze angewendet wurde. Ausnahmen werden allerdings ermöglicht, wenn
– die Parkfläche als solche klar von der Fahrbahn getrennt ist,
– in der Nähe noch gebührenfreie Parkplätze bestehen,
– wenn ausschliesslich Kontrollgebühren (in der Höhe der Kosten für Parkuhren und
Kontrolle) erhoben werden,
und/oder (je nach Autor resp. Entscheid)
– wenn es sich um längerfristiges Parkieren (d.h. gesteigerten Gemeingebrauch) handelt.
Das Bundesgericht wird wohl aufgrund der vom Stadtzürcher Volk im September 1994
angenommenen Gebührenordnung einen neuen Leitentscheid fällen und evtl. seine (z.T.
als konfus bezeichnete Praxis) grundlegend überdenken.
Als unbestritten kann jedenfalls gelten,
– dass die Gemeinden Kontrollgebühren in der Höhe der Kontrollkosten erheben können
– dass zudem für Dauerparkieren über zwei Stunden (gesteigerter Gemeingebrauch)
gestützt auf ein Gemeindereglement auch Benutzungsgebühren erhoben werden können, welche die Landkosten und auch eine Lenkungskomponente enthalten.
Die bislang im Kanton Bern erhobenen (niedrigen) Parkgebühren sind somit allesamt als
mit der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtssprechung konform zu bezeichnen. Für
eine konkrete Ausgestaltung eines kantonalen Parkplatzgesetzes wäre aber mit Vorteil
der Bundesgerichtsentscheid zur Zürcher Gebührenordnung abzuwarten.
Bislang haben ausschliesslich die Gemeinden Parkplatzabgaben erhoben. Eine kantonale
Abgabe würde also einen Eingriff in die Gemeindeautonomie darstellen. Dazu ist der
Kanton aufgrund seiner Steuerhoheit befugt. In jedem Fall wäre im kantonalen Recht eine
Regelung auf gesetzlicher Ebene notwendig. Eine Anpassung von Art. 101-106 der Kantonsverfassung ist u.E. nicht notwendig, da die "übrigen Abgaben" und die "Aufwandsund Verkehrssteuern", die der Kanton erheben kann, in der Verfassung nicht abschliessend aufgezählt sind. Aufgrund der "Eingriffsintensität" schätzen wir die Versionen 1 und
3 noch als die konfliktärmeren ein. Bei Version 1 bleibt die Parkplatzpolitik an sich Sache
der Gemeinden, bei Version 3 ist es der Gemeinde überlassen, ob sie die Mittel für die
Entrichtung der Jahrespauschale überhaupt mittels Parkplatzgebühren erheben will. Aus
der Sicht der Gemeinden besteht der Nachteil von Version 3 allerdings darin, dass die
Höhe der Jahrespauschale nicht automatisch sinkt, wenn z.B. aufgrund des Lenkungseffekts
die
Einnahmen
aus
den
Parkplatzabgaben
zurückgehen.
54 Vgl. u.a. Haas A. (1994), Staats- und verwaltungsrechtliche Probleme bei der Regelung des Parkierens von
Motorfahrzeugen auf öffentlichem und privatem Grund, insbesondere im Kanton Bern, Jaag T. (1994),
Gebührenpflichtiges Parkieren auf öffentlichem Grund, Aarplan/Michael M. (1990), Parkierungsabgaben.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 41
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
Planung, Bau, Unterhalt und Betrieb der Strassen gehören zum originären Wirkungskreis der Kantone (Strassenbauhoheit). Dem Bund steht einerseits gestützt auf Art. 37
Abs. 1 BV die Oberaufsicht ("Verhinderung von Handlungen wider die eidgenössischen
Interessen", z.B. mangelhafter Unterhalt) und andererseits gestützt auf Art. 37bis Abs.
1 BV die Strassenverkehrshoheit (Normierung des Strassenverkehrs) zu. (Er kann auch
bestimmte, für den allgemeinen Durchgangsverkehr notwendige Strassen in vollem
oder beschränktem Umfang offen erklären.) Art. 37 Abs. 2 BV garantiert die gebührenfreie Benutzung jener Strassen, welche im Rahmen ihrer Zweckbestimmung der Oeffentlichkeit zugänglich (gewidmet) sind (Verbot von Strassenbenutzungsgebühren und
jeder andern fiskalischen Behinderung des freien Verkehrs auf den im Gemeingebrauch stehenden öffentlichen Strassen.) Dieses Verbot richtet sich sowohl an den
Bund wie auch an die Kantone. Ausnahmen von der Gebührenfreiheit kann nur die
Bundesversammlung bewilligen. (Die Gebührenfreiheit erstreckt sich aber nicht auf
Fahrzeugsteuern, da diese nicht als Entgelt für die Strassenbenutzung verstanden
werden.) Auch für den ruhenden Verkehr dürfen insoweit keine Gebühren erhoben
werden, als er zum Gemeingebrauch gehört ("kurzfristiges Abstellen von Fahrzeugen").
Keine Gebührenfreiheit besteht für jenen ruhenden Verkehr, der zum gesteigerten
Gemeingebrauch ("Abstellen von Fahrzeugen über längere Zeit, beispielsweise während eines halben oder ganzen Tags") gehört. Im Bereich des gesteigerten Gemeingebrauchs dürfen Parkgebühren nicht nur Kontrollgebühren sein, sondern auch Lenkungscharakter haben (ZBl 93/1992 S. 162, 1988/89 S. 217; geringfügige Parkgebühren für kurzfristiges Parkieren werden als reine Kontrollgebühren [zur Deckung des
Kontrollaufwands] und nicht als Benutzungsgebühren gewertet.) Neuere Auffassungen
erachten in Stadtzentren bereits das Parkieren von mehr als einer Viertelstunde als
gesteigerten Gemeingebrauch (vgl. ZBl 1992/93 S. 153). Zulässig ist, gewisse Teile der
bestehenden Verkehrsfläche, die bisher dem rollenden Verkehr und dem gebührenfreien Parkieren offenstand, auszuscheiden und in gebührenpflichtige Parkplätze
umzuwandeln (Aenderung der Zweckbestimmung). Eine solche Umwidmung darf aber
nicht die gesamte Strassenfläche einer Ortschaft oder eines Quartiers umfassen. Das
Bundesgericht verlangte in seiner bisherigen Praxis für die Erhebung von Parkgebühren zusätzlich, dass in der Nähe (bzw. in angemessener Entfernung) gebührenfreie
Parkplätze bestehen. Diese Praxis wurde jedoch kritisiert und wird möglicherweise in
künftigen Entscheiden aufgegeben. Schwierig ist die Abgrenzung, bei welchen Strassen der ruhende Verkehr im Rahmen der Zweckbestimmung zum Gemeingebrauch
gehört und bei welchen nicht. Bei verkehrsüberlasteten Strassen mit einem verhältnismässig hohen Anteil an ruhendem Verkehr wird die Auffassung vertreten, dass dieser zum gesteigerten Gemeingebrauch zähle.
Aus der Kantonsverfassung ergeben sich keine Probleme, da indirekte Steuern und
andere Abgaben in Art. 103 KV nicht abschliessend aufgezählt sind. Die Gemeindeautonomie gilt nach wie vor nicht umfassend, sondern nur in dem vom kantonalen
Recht abgesteckten Rahmen (Art. 109 KV).
ECOPLAN
A - 42
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
f) Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte (erste Hinweise)
Ausführliche Untersuchungen(55) zeigen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen primär
davon abhängen, ob zusammen mit und dank den Parkgebühren bzw. der Aufhebung von
Parkplätzen auch eine Attraktivierung der Orts-Zentren realisiert wird.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen hängen aber auch davon ab, in welchem Ausmass für
die Autofahrerinnen und -fahrer alternative Transportmöglichkeiten bereitgestellt werden,
um die kurzfristig wenig veränderbaren Mobilitätsbedürfnisse zu befriedigen.
Weiter hat sich gezeigt, dass Unternehmen aus verschiedenen Branchen sehr unterschiedlich auf das Vorhandensein von Parkplätzen bzw. auf die Höhe von Parkplatzabgaben angewiesen sind. Parkplatzabgaben auf öffentlichen Parkplätzen haben daher gewisse Auswirkungen auf den Branchenmix und auf des Angebot der Geschäft innerhalb
der von der restriktiveren Parkplatzpolitik betroffenen Zone.
Auf der Seite der Haushalte werden natürlich in erster Linie jene Haushalte betroffen, die
aufgrund ihrer Wohnlage auf die Benützung des Autos angewiesen sind.
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Der motorisierte Individualverkehr (MIV) stellt - neben dem Schwerverkehr - das Hauptproblem bei der Bekämpfung der Luftbelastung insbesondere in Ballungsräumen dar. In
praktisch allen Massnahmenplänen zur Luftreinhaltung sind Parkplatzmassnahmen das
zentrale Instrument zur Senkung der Emissionen des MIV. Mit Parkplatzmassnahmen
können aber auch die Stausituation entschärft und die Lärmemissionen eingedämmt
werden.
Im Gegensatz zu vielen anderen Massnahmen zur Reduktion der Umweltbelastung durch
den MIV ist der Kanton bzw. sind die Gemeinden die "richtigen" Akteure. Mit Parkplatzabgaben sollen nicht in erster Linie grenzüberschreitende, sondern lokale Umweltbelastungen reduziert werden.
Da jede Autofahrt auf einem Parkplatz beginnt und endet, sind Massnahmen bei den
Zielparkplätzen geeignet, um den Gebrauch des Autos zu verteuern. Aufgrund der kurzfristig relativ geringen Preiselastizität der Nachfrage bedarf es allerdings einer deutlichen
Erhöhung der Parkplatzabgaben, wenn rasch eine spürbare Abnahme des Verkehrs erzielt
werden soll. Mittel- bis längerfristig kann aber auch von geringfügigeren Parkplatzabgaben eine Änderung des Mobilitätsverhaltens erwartet werden. Kurz- bis mittelfristig gibt
es insbesondere für Agglomerationen kein wirksameres Instrument, um die negativen
Auswirkungen des MIV effizient zu reduzieren.
h) Schlussfolgerungen
Eine Abgabe in Form einer Jahrespauschale pro Parkplatz oder in Form eines prozentualen Anteils an den kommunalen Einnahmen aus Parkplatzabgaben wäre rechtlich und
55 Vgl. insbesondere ECOPLAN (1993), Strukturelle Auswirkungen der Parkplatzmassnahmen, und Isenmann
Th. (1993), Marktwirtschaftliche Massnahmen im Agglomerationsverkehr: Auswirkungen auf Wirtschaft
und Siedlungsstruktur.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 43
vollzugstechnisch zwar nicht einfach zu realisieren aber insgesamt machbar. Aus ökologischer Sicht würde bei einem wichtigen Verursacher von Umweltbelastungen angesetzt.
Eine derart ausgestaltet kantonale Parkplatzabgabe weist durchaus ein gewisses Einnahmenpotential aus. Aus dieser Sicht sind kantonale Parkplatzabgaben als sinnvoller
Bestandteil eines Systems MUEK zu betrachten.
Eine entscheidende Frage ist, ob der Kanton in eine bisher den Gemeinden vorbehaltene
Domäne eingreifen und ihr "Gebührensubstrat" antasten soll. Dies ist eine politische
Frage. Immerhin kann argumentiert werden, dass auch die Gemeinden von der einnahmenseitigen Kompensation profitieren, da deren Ziel ist, die Standortgunst des gesamten
Kantons zu verbessern.
Bezüglich der Erhebungsform der kantonalen Parkplatzabgabe schlagen wir eine Kombination einer Jahrespauschale und eines prozentualen Anteils vor. Die Jahrespauschale
wäre bei Gemeinden anzuwenden, welche die eingeräumte Frist zur Einführung einer
Parkplatzbewirtschaftung nicht einhalten.
ECOPLAN
A - 44
A7
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Kantonale Abgabe auf Beschäftigten- und Besucherparkplätzen
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Der Kanton erhebt auf den Beschäftigten- und Besucherparkplätzen von privaten Firmen
und von Institutionen der öffentlichen Hand eine jährliche Abgabe. Evtl. verlangt er zusätzlich eine verursachergerechte Überwälzung auf Parkgebühren.
Bei der konkreten Ausgestaltung könnten folgende Punkte berücksichtigt werden:
❏ Bei den Besucherparkplätzen könnte eine Freigrenze (z.B. 20 Parkplätze) eingeführt
werden. Für die Einführung einer Freigrenze sprechen vor allem vollzugstechnische
Gründe: Parkplatzabgaben müssen nur auf grösseren Kundenparkplätzen eingeführt
werden.
❏ Die Höhe der Abgabe könnte nach der Qualität des ÖV-Erschliessungsgrades diffe-
renziert werden. Bei der Ermittlung der Qualität der ÖV-Erschliessung wäre auf die Kriterien der Parkplatzverordnung abzustellen.
❏ Weiter könnten gewisse Ausnahmen von der Abgabenerhebungspflicht vorgesehen
werden (z.B. für Personen, die aus gesundheitlichen Gründen auf die Benützung des
Autos angewiesen sind, oder für Solarmobile).
Es ist zu beachten, dass aus ökonomischer Sicht im Gegensatz zu Parkplätzen auf öffentlichem Grund die Land- und die Unterhaltskosten schon heute von den Firmen bezahlt werden, und die Abgabe somit nur eine ökologisch/verkehrspolitisch zu begründende Lenkungskomponente umfassen sollte. Die Abgabenhöhe sollte somit nicht mit
den Vorschlägen für die öffentlichen Parkplätzen verglichen werden.
Aus verkehrspolitischer Sicht wäre es hingegen sinnvoll, wenn zwischen den Abgaben
auf öffentlichen und privaten Parkplätzen, die von den gleichen Verkehrssegmenten (z.B.
Pendlerinnen und Pendler) benutzt werden, keine allzu grossen Differenzen bestehen.
Ansonsten sind unerwünschte Verzerrungen zu erwarten (z.B. Verlagerung der Parkplatznachfrage von den privaten auf die öffentlichen Parkplätze).
b) Mögliche Einnahmen
Wie bei den öffentlichen Parkplätzen fehlen auch bei den privaten Parkplätzen von Unternehmen die notwendigen Grundlagendaten, um eine zuverlässige Schätzung des Einnahmenpotentials abzugeben.
Die Zahl der Beschäftigtenparkplätze kann nur sehr grob angenähert werden: Gemäss
Mikrozensus verfügten 1989 in Stadt und Region Bern knapp 60% aller Vollzeiterwerbstätigen über einen reservierten Parkplatz am Arbeitsort.(56) Dieser Anteil dürfte im ländlichen Raum eher höher ausfallen. Wenn wir im Sinne einer konservativen Annahme von
diesen 60% und von rund 300'000 Vollzeitbeschäftigten(57) ausgehen, dürften im Kanton
56 Vgl. Stadtplanungsamt (1990), "Verkehrsverhalten" in Stadt und Region Bern - Mikrozensus 1989, S. 28.
Zum Vergleich: In der Stadt Bern gab es 1992 total mehr als 70'000 private Abstellplätze.
57 Vgl. BfS (1994), Statistisches Jahrbuch der Schweiz, S. 103.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 45
Bern mindestens gegen 200'000 private Parkplätze für Beschäftigte bereitstehen. Damit
ist auch das Einnahmenpotential abschätzbar: Wenn z.B. eine sehr bescheidene Abgabe
von Fr. 10.- pro Monat erhoben würde, ergäben sich Einnahmen von rund 24 Mio. Fr. pro
Jahr (Variante A). Bei dieser Abgabehöhe (50 Rp. / Tag) besteht für die Unternehmen
durchaus noch ein Spielraum für eine Erhöhung der Abgabe zwecks verursachergerechter
Finanzierung des den Beschäftigten zur Verfügung gestellten Bodens.
Würde eine Abgabe von z.B. Fr. 360 pro Jahr erhoben - in Massnahmenplänen zur Luftreinhaltung (vgl. unten unter c) waren noch deutlich höhere Abgaben vorgesehen -,
würden die Einnahmen auf 72 Mio. Fr. steigen (Variante B). Auch bei dieser Variante
besteht noch ein Spielraum für eine "unternehmensinterne" Abgabe, gibt es doch Unternehmen, die für ihre Parkplätze deutlich mehr als 30 Fr./Monat verlangen (vgl. c).
Die Abschätzung des Einnahmenpotentials einer Abgabe auf Besucherparkplätzen gestaltet sich schwierig, da überhaupt keine Grundlagendaten verfügbar sind. Vorsichtig
schätzen wir die Zahl der bewirtschaftbaren Kundenparkplätze auf 50'000. Unterstellen
wir die gleichen Abgabenhöhen wie oben, ergeben sich Einnahmen von 6 bzw. 15 Mio.
Fr.
Im Hinblick auf weitere Vorarbeiten für eine allfällige Realisierung des Konzeptes MUEK
wären - wie bei den öffentlichen Parkplätzen - bessere Grundlagendaten bereitzustellen
(v.a. Anzahl bewirtschaftbarer Parkplätze), um den möglichen Beitrag einer Abgabe auf
Beschäftigten- und Besucherparkplätzen an das System MUEK genauer einstufen zu
können.
c) Bestehende Erfahrungen
❏ In den Entwürfen zu den Umweltschutzgesetzen der Kantone BL und BS waren Ab-
gaben von 1'200 Fr. pro Jahr für Beschäftigtenparkplätze und für Kundenparkplätze
(bei letzteren nur ab 20 PP) vorgesehen. Die Abgaben scheiterten in den kantonalen
Parlamenten.
❏ Im Luftprogramm für den Kanton Zürich ist die Einführung einer Abgabe auf den priva-
ten Beschäftigtenparkplätzen von z.B. Fr. 600.- pro Jahr mit Überwälzungspflicht vorgesehen.(58)
❏ Im
Kanton Bern wurden entsprechende Parkplatzabgaben im Bericht
"Marktwirtschaftliche Instrumente zur Luftreinhaltung" diskutiert, aber bislang in keinem offiziellen Massnahmenprogramm verankert.
❏ Energie 2000 und das KIGA lancieren derzeit eine grosse Kampagne zur Förderung der
freiwilligen Parkplatzbewirtschaftung durch Firmen im Kanton Bern. Dazu wurde ein
Handbuch entwickelt und ein Dienstleistungsangebot für interessierte Unternehmen
bereitgestellt. Auf der durch diese Kampagne in Gang gesetzten Diskussion um die
Bewirtschaftung von Beschäftigten- und Besucherparkplätzen könnte aufgebaut werden.
58 Vgl. Baudirektion des Kantons Zürich 1990), Luft-Programm für den Kanton Zürich, Massnahme Nr. P8. Im
Rahmen der Überarbeitung des Luft-Programms wird derzeit auch Massnahme P8 überprüft (Auskunft
ATAL).
ECOPLAN
A - 46
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
❏ Verschiedene Unternehmen haben aus Eigeninteresse eine Parkplatzbewirtschaftung
eingeführt (z.B. Maag Zahnräder AG, Emch+Berger AG, Zürcher Kantonalbank, Studer
AG).(59) Die Höhe der Gebühren variiert von Fr. 20.- bis Fr. 160.- pro Monat. Die Swissair sieht gebührenfreie Parkplätze für Personen vor, die aus gesundheitlichen Gründen auf das Auto angewiesen sind. Personen mit unregelmässiger Arbeitszeit und
Schichtarbeiter bezahlen eine reduzierte Gebühr.
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Eine Vollerhebung der zu bewirtschaftenden Parkplätze durch den Kanton ist nicht empfehlenswert, zu gross wäre der Aufwand, die Parkplätze bei sämtlichen Betriebsstätten
zu inventarisieren.
Ein gangbarer Weg liegt u.E. nur in der Selbstdeklaration durch die Unternehmen. Die
Unternehmen müssten - wie bei den VOC-Emissionserklärungen - periodisch (z.B. zusammen mit der Steuererklärung) angeben, wieviele Parkplätze sie der Beleg- und Kundschaft zur Verfügung stellen. Der Kanton müsste in diesem Fall stichprobenweise die
Angaben der Unternehmen überprüfen.
Es ist abzusehen, dass bei der Bestimmung der Zahl der Parkplätze Abgrenzungsprobleme auftreten (z.B. bei einer gemischten Nutzung einer Parkgarage durch Anwohner,
Einkaufende und Angestellte mehrerer Firmen). Ebenfalls zu klären wäre, wie mit Parkplätzen von Vereinen (z.B. Tennisclubs usw.) und von öffentlichen Institutionen (Bahnen,
Kanton, Gemeinden, Bund, etc.) verfahren würde. Auch Parkplätze für den Schwerverkehr, Vorplätze mit gemischter Nutzung usw. würden eine genauere Abgrenzung erfordern. Vor diesem Hintergrund wäre unabdingbar, dass der Kanton - wie bei der Steuererklärung - eine Wegleitung ausarbeiten müsste, in welcher das Vorgehen in einfacher
Weise beschrieben wird.
Insgesamt ist die Massnahme nur in der Einführungsphase als aufwendig zu bezeichnen.
Dieser Aufwand fällt in erster Linie bei den Unternehmen an, welche eine Erhebung der
vorhandenen, unternehmenseigenen Parkplätze durchführen müssten.
Beim Kanton würden die folgenden Arbeiten anfallen:
– Ausarbeitung der Wegleitung
– Einlesen der eingegangenen Parkplatzerklärungen in die EDV (zum Zeitpunkt einer
allfälligen Realisierung des Konzeptes MUEK dürfte ein automatisches Einlesen problemlos möglich sein)
– Durchführen von Kontrollen
– Entwickeln der (einfachen) Software für die Ermittlung der geschuldeten Abgaben
– Rechnungstellung und Inkasso.
Der grösste Aufwand dürfte die Behandlung von allfälligen Einsprachen gegen die in
Rechnung gestellten Parkplatzabgaben verursachen.
59 Für einen Überblick über realisierte Lösungen vgl. Planungsbüro Jud AG (1992), Mobilitätsbeeinflussung in
öffentlichen und privaten Betrieben, S. 2.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 47
U.E. rechtfertig des hohe Einnahmenpotential den anfallenden Vollzugsaufwand. Wir
schätzen, dass der jährliche Aufwand beim Kanton bei Variante B eher weniger als 1%
der Einnahmen ausmachen würde.
e) Rechtliche Anforderungen
Aufgrund seiner Steuerhoheit und der umweltpolitischen Motivation der Abgabenerhebung könnte der Kanton entsprechende Abgaben einführen, wenn sie auf Gesetzesstufe
verankert werden. Artikel 37 Absatz 2 der Bundesverfassung verhindert eine Erhebung
von Parkplatzabgaben auf privaten Parkplätzen von Unternehmen nicht.(60) Ob auch eine
Überwälzungspflicht (analog zur verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung) vor dem
Bundesgericht standhalten würde, ist offen. (61)
Eine Anpassung von Art. 101-106 der Kantonsverfassung ist u.E. nicht notwendig, da die
"übrigen Abgaben" und die "Aufwands- und Verkehrssteuern", die der Kanton erheben
kann, in der Verfassung nicht abschliessend aufgezählt sind.
Ein Zielkonflikt ergibt sich zu der Parkplatzersatzabgabe, die gemäss Art. 18 Bst. c) des
Baugesetzes entrichtet werden muss, wenn ein Bauherr bei einem Neu- oder Umbau
nicht in ausreichendem Masse Parkplätze bereitstellen kann. Entsprechend wäre noch
abzuklären, ob die Ersatzabgabe abzuschaffen wäre. (62)
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
Bei dieser Abgabe würde es sich um eine Art Besitzes- oder Objektsteuer mit einer
gewissen Aehnlichkeit zur (kommunalen) Liegenschaftssteuer (allerdings mit anderer
Bemessungsgrundlage) handeln. Sie dürfte als indirekte Steuer wohl nicht unter die
abschliessende Aufzählung von Art. 103 Abs. 1 KV fallen.
Die Erhebung der Abgabe nur auf bestimmten Kategorien von Parkplätzen
(Beschäftigten- und Besucherparkplätze privater Firmen, nicht aber z.B. Parkplätze in
Wohngebieten) müsste allerdings mit triftigen sachlichen Unterscheidungsgründen gerechtfertigt werden können (z.B. Ziel-/Quellenparkplätze).
f) Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte (erste Hinweise)
Die Abgabe trifft in erster Linie Unternehmen mit vielen Beschäftigten- resp. Besucherparkplätzen. Die Massnahme verursacht damit vor allem bei Einkaufszentren und Industriebetriebe eine Verschlechterung der Standortgunst.
60 Vgl. Haas A. (1994), Staats- und verwaltungsrechtliche Probleme bei der Regelung des Parkierens von
Motorfahrzeugen auf öffentlichem und privatem Grund, insbesondere im Kanton Bern, S. 125 und 121.
61 In diesem Sinn äussert sich André Schrade in seinem Rechtsgutachten, zitiert nach Aarplan/Michael M.
(1990), Parkierungsabgaben, S. 22. Vgl. auch Haas A. (1994), Staats- und verwaltungsrechtliche Probleme
bei der Regelung des Parkierens von Motorfahrzeugen auf öffentlichem und privatem Grund, insbesondere im Kanton Bern, S. 124, Fussnote 739.
62 Vgl. zu dieser Problematik Haas A. (1994), Staats- und verwaltungsrechtliche Probleme bei der Regelung
des Parkierens von Motorfahrzeugen auf öffentlichem und privatem Grund, insbesondere im Kanton Bern,
S. 126 f.
ECOPLAN
A - 48
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Eher weniger betroffen sind Dienstleistungsunternehmen, welche insbesondere aus zwei
Gründen ein vergleichsweise geringes Angebot an Parkplätzen aufweisen:
❏ Die Standorte von Dienstleistungsunternehmen konzentrieren sich auf zentrale Lagen,
die sehr gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen sind. Aus diesem Grund
und wegen des fehlenden Platzes bzw. der hohen Erstellungskosten verzichten solche
Unternehmen häufig auf die Bereitstellung einer grossen Zahl von Beschäftigtenparkplätzen.
❏ Schicht- bzw. Nachtarbeit ist nur bei Industriebetrieben zulässig. Bei Dienstleistungs-
unternehmen gibt es entsprechend weniger Beschäftigte, die aufgrund ihrer Arbeitszeit für den Arbeitsweg nicht auf die öffentlichen Verkehrsmittel zurückgreifen können.
Zu den "Gewinnern" würde tendenziell der Detailhandel in den Stadt- und Dorfzentren
gehören. Dieser wird vor allem durch die Bewirtschaftung der öffentlichen Parkplätze betroffen. Durch die Einführung einer Parkplatzbewirtschaftung bei Einkaufszentren würde
dieser Nachteil ausgeglichen.
Auf der Seite der Haushalte stellen sich die gleichen Fragen wie bei den Parkplatzmassnahmen auf öffentlichen Parkplätzen.
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Bezüglich des grundsätzlichen Handlungsbedarfs verweisen wir auf die Ausführungen
unter g) im vorangehenden Abschnitt. Aus zwei Gründen stufen wir aber den Handlungsbedarf bei privaten Parkplätzen als besonders hoch ein:
– Die Zahl der privaten Parkplätze ist weitaus höher als die Zahl der öffentlichen. Entsprechend sind von Massnahmen bei den privaten Parkplätzen auch grössere Auswirkungen zu erwarten.
– Bisher bezogen sich alle staatlichen Massnahmen bei bestehenden Parkplätzen aus
rechtlichen Gründen ausschliesslich auf den öffentlichen Parkraum.
Grundsätzlich ist diese Massnahme als sehr wirksam zu bezeichnen, weil sie als Ergänzung zur Bewirtschaftung der öffentlichen Parkplätze die wichtigen Bereiche der Firmenparkplätze sowie Teile des Freizeit- und Einkaufsverkehrs erfassen würde und in diesen
Bereichen mögliche Wettbewerbsverzerrungen kompensieren könnte, die durch die
Belastung der öffentlichen Parkplätze entstehen.
Im Hinblick auf die Wirksamkeit ist anzustreben, dass die Abgaben auf die Benutzer
überwälzt werden, da sonst die Lenkungswirkung nur noch auf der Ebene der Firmen
(Parkplatzabbau!), nicht aber auf der Ebene der Besucher resp. Beschäftigten bestehen
würde.
Jahrespauschalen können hingegen nur als sehr grobes Steuerungsinstrument wirken
und sind - selbst bei einer freiwilligen oder obligatorischen Ueberwälzung in Form von
Tages-Abgaben - im Vergleich etwa zu denkbaren fahrleistungsabhängigen gesamtschweizerischen Massnahmen sicher nur zweite Wahl.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 49
i) Schlussfolgerung und Empfehlung
Diese Massnahme weist ein bedeutendes Einnahmepotential, aber auch einige noch zu
lösende Fragestellungen, insbesondere
– in der fehlenden Verfügbarkeit von genaueren Grundlagendaten (Zahl der bewirtschaftbaren Parkplätze)
– im Vollzug (Abgrenzungsfragen, bislang fehlende Erfahrungen in der Schweiz)
– bei den Auswirkungen auf die Umwelt (tendenziell sicher positive, aber auch recht
grobe Steuerung, selbst bei Einführung einer Überwälzungspflicht, da der Ansatzpunkt
der Abgabe relativ weit weg von den durch den Verkehr verursachten Emissionen ist).
Aufgrund des Einnahmenpotentials und der richtigen Wirkungsrichtung empfehlen wir
trotz der genannten Schwierigkeiten, Abgaben auf privaten Beschäftigten- und Besucherparkplätzen in ein allfälliges Umweltabgaben-System mit einnahmenseitiger Kompensation zu integrieren.
ECOPLAN
A - 50
A8
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Motorfahrzeugsteuern
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Die Motorfahrzeugsteuern werden erhöht. Diese Erhöhung kann linear (d.h. prozentual in
allen Kategorien gleich) oder differenziert erfolgen.
Denkbar ist auch, eine Erhöhung mit einer Anpassung der Bemessungsgrundlage(63)
(insbesondere nach ökologischen Gesichtspunkten) zu kombinieren:
– Reduktion des Degressionssatzes beim Gewichtstarif, damit die relative Bevorzugung
der schwereren Fahrzeuge aufgehoben wird.
– Abstufung nach typenspezifischen Emissionen
– Abstufung nach typenspezifischem Treibstoffverbrauch
– Abstufung nach der Fahrleistung
Gemäss der Empfehlung der IKST(64) ist (nebst dem Fahrzeuggewicht als Kriterium) einzig
eine sehr einfache Abstufung nach dem Emissionsverhalten denkbar, wobei eine fahrleistungsabhängige Bundeslösung (am ehesten via Treibstoffabgaben) vorzuziehen sei.
Der Grosse Rat des Kantons Bern eine verbrauchsabhängige Ausgestaltung der Motorfahrzeugsteuer im Herbst 1995 abgelehnt. Gleichzeitig sollen aber mit anderen Kantonen
Verhandlungen zur Koordination einer Neugestaltung der Motorfahrzeugsteuer aufgenommen und eine Expertenkommission eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund
verzichten wir darauf, konkrete Vorschläge für eine Neugestaltung bzw. für eine Änderung der Bemessungsgrundlage(65) zu skizzieren. Aus der Sicht der Zielsetzung des Konzeptes MUEK wäre es aber sehr erwünscht, wenn bei der Besteuerung ökologische Gesichtspunkte mitberücksichtigt werden könnten, und sei es "nur" durch einen Zuschlag für
Fahrzeuge mit einem besonders hohen Treibstoffverbrauch oder besonders schlechten
Emissionswerten.
Unter dieser Voraussetzung könnten z.B. folgende beiden Varianten unterschieden werden:
❏ Variante A: Die Motorfahrzeugsteuer wird für sämtliche Fahrzeugklassen linear um
10% erhöht. Konkret bedeutet dies, dass der Normalsteuersatz für die ersten 1'000 kg
um 10% erhöht wird, der Degressionssatz zur Berechnung der weiteren Kilogramm
aber nicht verändert wird. Zusätzlich werden gewisse, auch nach dem 1. Januar 1996
noch bestehende Steuerprivilegien (teilweise) abgebaut (z.B. bei landwirtschaftlichen
Fahrzeugen).
63 Gegenwärtig erfolgt die Berechnung der Motorfahrzeugsteuer nach dem Gesamtgewicht: Die Jahressteuer beträgt Fr. 324.- (ab 1.1.1996: 360 Fr.) für die ersten 1'000 kg, für je weitere 1'000 kg ermässigt
sich die Steuer um 14% des vorangehenden Steuersatzes.
64 IKST (Interkantonale Kommission für den Strassenverkehr) (1991), Empfehlungen Motorfahrzeugsteuern/Strassenverkehrssteuern - Bemessungskriterien.
65 Damit wird natürlich nicht gesagt, dass eine nach anderen Kriterien bemessene Motorfahrzeugsteuer
keinen Platz in einem Umweltabgaben-System mit einnahmenseitiger Kompensation hätte.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 51
❏ Variante B: Bei Variante B wird die Jahressteuer ebenfalls um 10% erhöht, zusätzlich
erfolgt eine Anpassung des Degressionssatzes z.B. um 4 Prozentpunkte. Bei diesem
Vorgehen werden schwerer Fahrzeuge überdurchschnittlich betroffen.
b) Mögliche Einnahmen
Die Einnahmen aus Motorfahrzeugsteuern betrugen 1993 218 Mio. CHF, im Budget 1994
sind 226.9 Mio. enthalten. Wenn die vom Regierungsrat im Massnahmenplan Haushaltgleichgewicht III aufgeführten Vorschläge (vgl. unten Ziffer c) realisiert werden, steigen
die jährlichen Einnahmen auf über 250 Mio. Fr.
Bei Variante A kann deshalb grob mit Mehreinnahmen in der Grössenordnung von 25
Mio. Fr. gerechnet werden.
Die Mehreinnahmen von Variante B sind sehr viel schwieriger abzuschätzen. Beim Strassenverkehrsamt sind die Grundlagendaten (Verteilung der erfassten Fahrzeuge auf die
verschiedenen Gewichtsklassen) nicht in geeigneter Form vorhanden, als dass berechnet
werden könnte, welche Mehreinnahmen bei Variationen des Degressionssatzes anfallen.
Als Faustregel gilt: Wird der Degressionssatz um einen Prozentpunkt reduziert, steigen
die jährlichen Einnahmen um 2 - 2.5 Mio. Fr.(66) Bei Variante B kann entsprechend mit
Mehreinnahmen in der Grössenordnung von 35 Mio. Fr. gerechnet werden.
Da beim Schwerverkehr mit einer vermehrten Immatrikulation der Fahrzeuge in steuergünstigeren Kantonen gerechnet werden muss, stellen die oben stehenden Schätzungen
Obergrenzen dar. Sie dürften nur erreicht werden, wenn wie erwähnt Steuerprivilegien
abgebaut werden und wenn aus der Berücksichtigung ökologischer Gesichtspunkte Zusatzeinnahmen resultieren.
c) Bestehende Erfahrungen
❏ Die Motorfahrzeugsteuern wurden vom Grossen Rat letztmals im Herbst 1992 (per
1.1.93) um 20% erhöht, eine zweite Erhöhung wurde im Sommer 1993 abgelehnt.
Eine Initiative der Autopartei zur Beschränkung der Steuern resp. Unterstellung unter
ein Referendum wurde vom Berner Volk abgelehnt.
Im Juni 1995 hat der Grosse Rat eine Erhöhung der Motorfahrzeugsteuern gutgeheissen. Die wichtigsten Punkte des Vorlage, welche rund 25 Mio. Fr. Mehreinnahmen zur
Folge haben soll, sind die folgenden:
– Erhöhung des Normalsteuersatzes von 324 Fr. auf 360 Fr.
– Teilweiser Abbau von Steuerpriviliegien für die Gemeinden (bisher bezahlten die
Gemeinden keine Steuern für ihre Fahrzeuge, neu müssen sie dafür die Hälfte der
normalen Steuer entrichten)
– Verteuerung der Händlerschilder.
❏ Auf interkantonaler oder Bundesebene sind derzeit ausser den Diskussionen um eine
Treibstoffzollerhöhung sowie die CO2-Abgabe (Vernehmlassung im Herbst 1994 abgeschlossen) keine Aktivitäten im Gang.
66 Direktauskunft Herrn Caccivo, SVSA.
ECOPLAN
A - 52
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
❏ Mit einer Differenzierung der Motorfahrzeugsteuern nach Emissionsverhalten beste-
hen Erfahrungen in St. Gallen und Basel: Der Vollzug hat sich zumindest in St. Gallen
als zu aufwendig erwiesen (Einsprachen), so dass die Differenzierung wieder aufgegeben wurde. Im Kanton St. Gallen soll aber abgeklärt werden, ob der Treibstoffverbrauch eines Fahrzeuges bei der Festlegung der Motorfahrzeugsteuer berücksichtigt
werden könnte.
❏ Der Kanton Luzern belohnt ab 1996 PW mit geringem Treibstoffverbrauch und LW, die
weniger Partikel als erlaubt emittieren bzw. deren Lärmemissionen deutlich unterdurchschnittlich sind.
Beispiel PW: Bei PW, die im Stadtzyklus weniger als 6.6 Liter Treibstoff verbrauchen,
wird die Motorfahrzeugsteuer um 50% reduziert. 1997 werden nur noch PW in den
Genuss des Bonus kommen, die weniger als 6.4 Liter konsumieren. Auf der anderen
Seite steigen die Steuern für ältere PW (1. Inverkehrssetzung vor dem 1.10.1986), die
neu eingelöst werden: Sie müssen einen 30%igen Zuschlag entrichten.
Die Klassierung der Fahrzeuge wurde in Zusammenarbeit mit dem TCS vorgenommen.
Die Anpassung der Software wird als aufwendig bezeichnet. Es ist aber nicht von
"Millionenbeträgen" auszugehen. (67)
❏ Am 1. Januar 1997 wird Deutschland als erstes europäisches Land für PW eine nach
dem Emissionsverhalten differenzierte Motorfahrzeugsteuer einführen. Die differenzierte Steuer für die Lastwagen wurde bereits 1994 realisiert. Sie wird bezüglich Anreizwirkung als grosser Erfolg gewertet (vermehrter Einsatz sauberer LW).
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Eine Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer ist praktisch ohne Verwaltungsaufwand realisierbar (einmalige Anpassung in der EDV-Veranlagung).
Hingegen würden Änderungen in der Bemessungsgrundlage einen bedeutenden
(einmaligen und wiederkehrenden) Mehraufwand verursachen. Wie hoch dieser Aufwand
ist, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden.
e) Rechtliche Anforderungen
Gemäss Gesetz über den Strassenverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge
kann der Grosse Rat die Höhe der Steuern per Dekret frei bestimmen. Die Abgabe unterliegt aber nach Art. 9 einer vollumfänglichen Zweckbindung für Strassenbau, -unterhalt
und -betrieb sowie Beiträge an Gemeindestrassen.
Aufgrund dieser Zweckbindung sind die gesetzlichen Grundlagen derzeit nicht gegeben,
um die Motorfahrzeugsteuern in ein Umweltabgaben-System mit einnahmenseitiger
Kompensation zu integrieren. Allenfalls möglich wäre eine sehr extensive Auslegung des
Begriffs "Betrieb von Strassen" im Sinne eines Einbezugs von externen Kosten. Die sinnvollere Lösung wäre aber eine entsprechende Anpassung des Gesetzes über den Strassenverkehr und die Besteuerung der Strassenfahrzeuge. In jedem Falle erfordert eine
Erhöhung der Motorfahrzeugsteuer eine Änderung des Dekretes über die Besteuerung
der Strassenfahrzeuge.
67 Direktauskunft Herrn Huber, Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern, 23. November 1995.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 53
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
Einer lenkungswirksamen Ausgestaltung steht rechtlich nichts entgegen. Gelockert
werden müsste die heutige Zweckbindung im Gesetz über den Strassenverkehr und
die Besteuerung der Strassenfahrzeuge.
f) Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte (erste Hinweise)
Von einer Erhöhung bei den Personenwagen sind keine relevanten wirtschaftlichen
Auswirkungen zu erwarten. Der Kanton Bern liegt allerdings bereits heute für viele PWTypen im oberen Bereich der Schweizer Kantone oder - im Falle von leichteren PW - sogar an der Spitze der "Besteuerungs-Rangliste". Bei Variante A würde diese "Spitzenposition" weiter ausgebaut. Bei Variante B würde sich in erster Linie die relativ günstige Ausgangslage bei den schwereren PW verschlechtern (vgl. Tabelle A-6).
Bei den Fahrzeugen des Schwerverkehrs wird je nach Umfang der Erhöhung die Standortgunst für das Transportgewerbe beinträchtigt resp. eine Immatrikulation in Nachbarkantonen (mit entsprechendem Steuerausfall) zunehmen. Wie der Vergleich mit den anderen Kantonen ergeben hat (vgl. Tabelle , erhebt der Kanton Bern bei den leichten LWs
vergleichsweise hohe Steuern, gehört aber bei den schwereren Fahrzeugen aufgrund des
degressiven Tarifs zu den mittleren bis unteren Kantonen der Rangliste. Daraus lässt sich
der Schluss ziehen, dass Variante A aus wirtschaftlicher Sicht problematischer ist, als
Variante B, welche gezielt die Steuerbelastung bei den schweren LW erhöht.
Erste Berechnungen haben gezeigt, dass bei einer Reduktion des Degressionssatzes um
4 Prozentpunkte die Besteuerung von Lastwagen mit einem Gesamtgewicht von 9.5 bis
16 t im Kanton Bern noch deutlich höher würde als sie es im Vergleich zu den anderen
Kantonen der Schweiz schon heute ist. Die Besteuerung der Lastwagen in den Gewichtsklassen über 22 t wäre in einzelnen Kantonen hingegen immer noch höher.
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Aus umweltpolitischer Sicht ist im motorisierten Strassenverkehr ein klarer Handlungsbedarf gegeben. Da die Motorfahrzeugsteuern in der heutigen Ausgestaltung fahrleistungsunabhängig sind, nehmen sie diesen Handlungsbedarf in keiner Weise wahr. Bei
den PW ist aufgrund des degressiven Steuertarifs sogar eher das Gegenteil der Fall.
Variante A würde an dieser Situation praktisch nichts ändern. Die hohen Steuern bei einzelnen Fahrzeugtypen dürften nur in Ausnahmefällen dazu führen, dass jemand überhaupt
auf sein Auto verzichtet. Auch im Falle des Schwerverkehrs sind nur geringe Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten, die Erhöhung der Motorfahrzeugsteuern zu einer
vernachlässigbaren Verteuerung von Strassentransporten führen würde.
Bei Variante B wird ein gewisser Anreiz zum Kauf leichterer und damit i.d.R. verbrauchsärmerer Fahrzeuge geschaffen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass leichtere Fahrzeuge nicht zwingend auch weniger Schadstoffe emittieren.
ECOPLAN
ECOPLAN
BE
JU
SG
FR
BL
GR
VD
AR
AI
NE
SZ
GL
ZH
SO
ZG
LU
UR
AG
NW
OW
GE
TG
BS
SH
VS
352
333
294
290
287
281
270
260
230
222
221
220
216
207
204
199
190
180
180
175
164
144
136
132
125
BE
JU
VD
GR
BL
SG
AR
AI
GL
FR
ZH
NE
SO
SZ
NW
BS
ZG
UR
AG
OW
TG
GE
LU
SH
VS
519
492
490
483
443
436
415
410
407
406
395
372
351
348
332
331
330
304
300
296
288
284
278
264
220
PW
PW
Renault R4 Ford Sierra
1080 kg
1675 kg
845
1993
4.3
10.15
VD
GR
BE
JU
AR
GL
BL
ZH
SG
FR
AI
NE
SO
SZ
NW
BS
ZG
UR
AG
OW
TG
GE
LU
SH
VS
570
564
547
518
493
475
469
460
460
450
440
432
411
408
387
382
376
352
348
340
336
332
317
312
250
PW
Volvo 740
1840 kg
2315
11.79
VD
GR
GL
AR
ZH
NE
BE
FR
JU
SZ
SO
BL
NW
AI
SG
BS
ZG
UR
GE
AG
OW
TG
SH
LU
VS
790
766
678
653
639
639
627
609
594
588
576
547
539
530
529
510
503
484
480
468
461
456
444
430
325
GR
VD
GL
NE
ZH
AR
SO
GE
SZ
FR
NW
BS
LU
AG
ZG
UR
TG
SH
OW
BE
JU
VS
BL
AI
SG
1'250
1'230
1'096
1'049
995
968
927
922
903
879
844
816
788
756
756
748
744
708
703
627
594
550
547
530
529
AI
BE
BL
JU
SG
VD
GR
AR
GL
ZH
FR
NE
SO
SZ
NW
BS
ZG
UR
AG
OW
TG
GE
LU
SH
VS
950
945
912
897
809
570
564
493
475
460
450
432
411
408
387
382
376
352
348
340
336
332
317
312
250
PW Lieferwagen
PW
BMW 735 Chevrolet C VW LT 35
3.5 t
2070 kg
2128 kg
5730
2382
3428
29.18
12.13
17.46
Quelle: Internationaler Nutzfahrzeugkatalog 1994; Automobilrevue, eigene Berechnungen
Fahrzeugart
Fahrzeugtyp
Gesamtgewicht
Hubraum ccm
Steuer-PS
Rang:
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
BE
SG
BL
NE
SO
FR
ZH
VD
JU
AR
AI
GL
ZG
TI
SZ
AG
GR
LU
BS
UR
OW
NW
SH
TG
GE
VS
1'760
1'581
1'463
1'440
1'419
1'410
1'320
1'300
1'262
1'260
1'230
1'220
1'200
1'164
1'144
1'104
1'103
1'056
1'054
1'047
1'032
960
900
792
765
600
2-Achser
Volvo
9.5 t
5 480
152
BE
NE
BL
SG
ZH
SO
FR
VD
GL
AR
AI
SZ
ZG
AG
JU
GR
BS
LU
TI
OW
NW
SH
UR
GE
TG
VS
2'107
1'880
1'848
1'765
1'680
1'595
1'590
1'560
1'560
1'560
1'530
1'480
1'450
1'440
1'387
1'365
1'362
1'344
1'339
1'172
1'152
1'140
1'132
969
792
600
2-Achser
IVECO
16 t
9500
318
BL
VD
ZH
NE
GL
SZ
AG
AR
AI
LU
ZG
BS
GR
TI
NW
UR
FR
OW
BE
SO
SH
SG
JU
GE
VS
TG
3'850
3'250
3'210
3'060
2'835
2'740
2'700
2'685
2'655
2'568
2'550
2'517
2'496
2'410
2'400
2'354
2'310
2'282
2'261
2'255
2'184
2'158
1'620
1'400
1'260
1'163
3-Achser
Volvo
25 t
12 000
330
BL
ZH
VD
NE
GL
SZ
AG
AR
AI
LU
BS
ZG
UR
GR
OW
NW
SH
FR
SO
TI
BE
SG
TG
JU
VS
GE
4'312
3'735
3'640
3'600
3'260
3'160
3'120
3'060
3'030
2'988
2'902
2'790
2'780
2'733
2'700
2'688
2'544
2'490
2'475
2'410
2'280
2'188
2'006
1'634
1'520
1'400
NE 1'164
BE
968
FR
937
SG
882
BL
768
SO
737
ZG
725
TI
720
BS
702
NW
665
GR
652
JU
642
GE
574
GL
520
UR
492
OW
490
ZH
483
LU
480
AR
450
SH
438
VD
420
AG
390
TG
350
SZ
240
4-Achser Anhänger
Mercedes Nutzlast 9 t
28 t
12 t
14620
330
A - 54
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Tabelle A-6: Interkantonaler Vergleich der Motorfahrzeugsteuern, 1994
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 55
Die positiven Auswirkungen auf die Umwelt würden natürlich verstärkt, wenn ökologische Gesichtspunkte bei der Besteuerung berücksichtigt werden könnten.
Wir haben es schon mehrfach angetönt: Ein Koordinationsbedarf mit anderen Kantonen
besteht vor allem bei einer allfälligen Neugestaltung der Bemessungsgrundlage der Motorfahrzeugsteuer.
i) Schlussfolgerung und Empfehlung
Aufgrund des Einnahmenpotentials, des kantonalen Handlungsspielraumes und der ökologisch "richtigen" Wirkungsrichtung wäre die Motorfahrzeugsteuer ein geeigneter Bestandteil eines Systems MUEK. Gewichtige Argumente die gegen eine Integration der
Motorfahrzeugsteuer sprechen, sind u.E. nicht auszumachen. Aus umwelt- und wirtschaftspolitischer Sicht wäre Variante B gegenüber einer linearen Erhöhung der Steuer
vorzuziehen. Unter Berücksichtigung der Bestrebungen in den übrigen Kantonen sollte
aus der Sicht des Konzeptes MUEK bei beiden Varianten die Integration ökologischer
Gesichtspunkte angestrebt werden.
ECOPLAN
A - 56
A9
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Vignetten/Road-Pricing
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Die Grundidee von Road-Pricing/Vignetten ist die Verteuerung des motorisierten Verkehrs
in bestimmten Gebieten und evtl. zu bestimmten Zeiten. Dabei können je nach Konzeption sowohl umwelt- und verkehrspolitische wie auch finanzpolitische Ziele angestrebt
werden.
Folgende Möglichkeiten für Vignetten/Road-Pricing können erwogen werden:
❏ Betroffenes Gebiet:
– Gesamter Kanton
– Agglomeration(en)
– Besondere Teilstrecken, z.B. Tunnel, Passstrassen
❏ Angewandte Technik:
– Vignetten
– Elektronisches Road-Pricing, z.B. mit elektronischer Abbuchung ab einer speziellen
Tax-Karte
– Zahlstellen wie z.B. an italienischen Autobahnen
❏ Differenzierungen
– nach Tageszeit und Saison (insbesondere zur Reduktion von Staus)
– nach Fahrzeugtyp
❏ Kompetenz- und Einnahmenverteilung
– kommunal, evtl. mit kantonalem Rahmengesetz
– kantonal, evtl. mit Beteiligung der Gemeinden an den Einnahmen
Verschiedene Ausgestaltungsformen für Agglomerationen wurden in anderen Studien
bereits ausführlich evaluiert.(68) Dabei haben sich grundsätzlich sowohl Vignetten- wie
auch elektronische Systeme als machbar erwiesen, wobei verschiedenste Bedenken u.a.
rechtlicher, vollzugstechnischer und wirtschaftspolitischer Natur bestehen.
Aufgrund der gesamtkantonalen Optik dieser Machbarkeitsstudie steht ein Road-Pricingbzw. Vignetten-System in Agglomerationen mit kantonaler Federführung und kantonaler
Beteiligung an den Einnahmen im Vordergrund. Die Erhebungstechnik, der genaue
Einnahmenverteilschlüssel und die zeitliche Differenzierungen können in einem zweiten
Schritt näher definiert werden.
Auf Road Pricing auf Teilstrecken des kantonalen Strassennetzes gehen wir nur am
Rande ein.
Ein Road-Pricing für das gesamte Kantonsgebiet ist u.E. aus folgenden Gründen nicht
weiterzuverfolgen:
– Derartige "globalsteuernde" Instrumente müssten auf Bundesebene oder europaweit
eingeführt werden, während eine Feinsteuerung für Agglomerationen aufgrund ihrer
68 Für einen guten Überblick Lewis N.C. (1993), Road Pricing.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 57
Zusatzbelastungen (v.a. Stau, Lärm, Luftverschmutzung) eine kantonale Initiative
durchaus sinnvoll erscheinen lässt
– Die Kontrollen resp. die Errichtung entsprechender elektronischer Vorrichtungen wären für ein Gebiet wie der Kanton Bern mit sehr vielen Einfallsachsen sehr aufwendig.
b) Mögliche Einnahmen
Im Sinne einer pragmatischen Lösung unterstellen wir bei Variante A, dass nur in der
Region Bern eine Form von Road Pricing eingeführt würde. Das Einnahmenpotential eines elektronischen Systems und einer Vignettenlösung wurde für die Agglomeration Bern
detailliert ermittelt:(69)
❏ Im Falle des elektronischen Road Pricings wurden die Einnahmen auf rund 130 Mio.
Fr. pro Jahr geschätzt. Die Abgabenhöhe orientierte sich an den durch den Verkehr
verursachten externen Kosten.
❏ Bei der Vignetten-Lösung belief sich die Einnahmenschätzung auf 70-110 Mio. Fr. Die
Kosten würden für diese Lösung geringer ausfallen als beim elektronischen Road
Pricing.
Allein in der Agglomeration Bern könnte also ein Einnahmenüberschuss von rund 100
Mio. Fr. erzielt werden.
Bei Variante B gehen wir davon aus, dass auch die Agglomerationen Biel und Thun in
das System einbezogen würden. Für die beiden Agglomerationen sind keine Grundlagendaten verfügbar, die eine zuverlässige Abschätzung des Einnahmenpotentials zuliessen. Im Sinne einer sehr groben Vereinfachung unterstellen wir, dass die Bevölkerungszahl und die Zahl der Arbeitsplätze zur Annäherung des Verkehrsvolumens und damit des
Einnahmenpotentials herbeigezogen werden können. Unter dieser Annahme würden bei
Variante B gegenüber Variante A Mehreinnahmen in der Grössenordnung von rund 50%
resultieren.
Entscheidend ist die Frage, wem diese Mittel zugeleitet werden. Wie bei den Parkplatzabgaben käme wohl in erster Linie eine Lösung in Frage, bei welcher die Gesamteinnahmen nach einem bestimmten Verteilschlüssel auf den Kanton und die Gemeinden verteilt
werden. Aus Sicht der Agglomerationen wäre es wohl nur denkbar, dem Kanton Mittel
aus dem Road-Pricing zu überlassen, wenn entsprechende Gegenleistungen seitens des
Kantons erfolgen würden (z.B. im Bereich des öffentlichen Verkehrs oder Mitarbeit bei
der Projektierung und Einführung eines Road Pricing-Systems). Im Sinne einer Arbeitshypothese unterstellen wir wie bei den Parkplatzabgaben, dass beispielsweise 20% der
Einnahmen an den Kanton fliessen würden. Unter diesen Annahmen ergäbe sich ein
Beitrag an das System MUEK in der Grössenordnung von 20 (Variante A) bzw. 30 Mio.
Fr. (Variante B).
Die Einnahmen aus einem Road Pricing auf bestimmten Strassenabschnitten (z.B. Passstrassen) sind weit geringer einzustufen als bei einem System für die drei grössten ber-
69 Vgl. Abay G. und Zehnder C. (1992), Road Pricing für die Agglomeration Bern, S. 52 und ECOPLAN (1991),
Marktwirtschaftliche Instrumente zur Lufreinhaltung, S. 93.
ECOPLAN
A - 58
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
nischen Agglomerationen. Die Einnahmen würden in diesem Fall aber zu 100% dem Kanton zufliessen.
c) Bestehende Erfahrungen
Im Ausland bestehen Erfahrungen mit Road-Pricing als Finanzierungsinstrument in Singapur, Oslo, Bergen und Trondheim. Versuche sind in London und Cambridge sowie auf
deutschen Autobahnversuchsstrecken angelaufen. Erfahrungen mit Autobahngebühren
bestehen in verschiedenen europäischen Ländern, u.a. auch beim (privaten) Tunnel durch
den Grossen St. Bernhard. Konkrete Pläne bestehen zudem in Stockholm.
In der Schweiz werden für die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe und die Umsetzung der Alpeninitiative auch elektronische Systeme diskutiert.
In der Stadt Bern besteht die Absicht, für die Finanzierung eines allfälligen Schanzentunnels auch ein Road-Pricing zu prüfen.
Die Möglichkeiten für die Stadt Bern wurden in verschiedenen Studien recht detailliert
erörtert.(70)
Die Erfahrungen und Vorabklärungen können vereinfacht wie folgt zusammengefasst
werden:
❏ Die technische Machbarkeit ist heute kein Problem mehr.
❏ Die politische Akzeptanz ist schwierig zu erreichen, es sei denn, die Mittel werden für
die Strassenfinanzierung zweckgebunden (mit entsprechend kontraproduktivem Umwelt-Effekt).
❏ Das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Einführung wird insbesondere aufgrund reduzierter
Staueffekte und Umweltbelastungen als günstig eingeschätzt.
❏ Die rechtliche Situation wird z.T. kontrovers beurteilt, jedoch ist unbestritten, dass eine
Einführung mit einem verfassungmässig vorgesehenen Ausnahmebeschluss der
Bundesversammlung möglich wäre.
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Aufgrund der beschränkten Erfahrungen ist mit einem relativ hohen Aufwand für die Einführung zu rechnen, die Praktikabilität ist aber aufgrund der erstellten Studien als gegeben zu betrachten. Die Kosten hängen stark von der verwendeten Technologie ab. In
Oslo betrugen die Investitionskosten z.B. 50 Mio. CHF, die Betriebskosten jährlich ca. 10
- 15 Mio. CHF (während die Einnahmen rund 130 Mio. CHF betragen).
Im oben erwähnten Vorschlag für ein elektronisches Road Pricing für die Agglomeration
Bern wurden die Kosten für das System wie folgt angegeben: ca. 10 - 15 Mio. Fr. Investitionskosten, ca. 4 Mio. Fr. jährliche Betriebskosten. (71)
Ein Vignettensystem hätte einen um Faktoren geringeren Aufwand zur Folge.
70 ECOPLAN (1991), Marktwirtschaftliche Instrumente zur Lufreinhaltung und ECOPLAN (1992), Strategien
zur Internalisierung externer Kosten im Agglomerationsverkehr.
Abay G. und Zehnder C. (1992), Road Pricing für die Agglomeration Bern.
Bähler C. (1991), Road Pricing Bern.
71 Abay G. und Zehnder C. (1992), Road Pricing für die Agglomeration Bern, S. 51.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 59
Vollzugstechnisch relativ einfach zu lösen wäre eine Besteuerung von Passstrassen (nur
eine Strasse, geringere Raumprobleme für die Einrichtung der Zahlstelle als in Agglomerationen).
Der vergleichsweise hohe Vollzugsaufwand darf natürlich nicht nur dem Konzept MUEK
angelastet werden. Mit einem Road Pricing werden in der vorgeschlagenen Form nicht
nur Einnahmen für das System MUEK erzielt, vielmehr ginge es auch darum, die Mittel
für die Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturanlagen (z.B. Schanzentunnel) hereinzuholen.
e) Rechtliche Anforderungen
Die Bundesverfassung untersagt in Art. 37 Abs. 2 die Erhebung von Strassenbenützungsgebühren, ermöglicht aber der Bundesversammlung, Ausnahmen festzusetzen, wie
dies für den Tunnel am Grossen St. Bernhard geschehen ist. Für eine Reihe von privaten
Bergstrassen werden zudem ebenfalls schon heute Gebühren erhoben. Ganz allgemein
ist davon auszugehen, dass europaweit einer fahrleistungsabhängigen elektronische
Gebührenerhebung die Zukunft gehört und schon in einigen Jahren konkrete Anwendungen möglich sind.
Die Bundesversammlung wird sich in naher Zukunft mit dem Thema Road Pricing befassen müssen: Der Bundesrat hat angekündigt, er werde dem Parlament eine Botschaft zur
Änderung von Artikel 37 Abs. 2 der Bundesverfassung vorlegen.(72) Mit der Vorlage soll
nicht nur die Gebührenerhebung zur Finanzierung von Verkehrsanlagen in Städten,
sondern auch die Idee eines allgemeinen Road Pricings diskutiert werden. (73)
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
Da es sich m.E. letztlich doch um eine Benutzungsgebühr handeln würde (auf die Bezeichnung der Abgabe und die formale Ausgestaltung kommt es nicht an, massgebend ist ihr materieller Charakter), wäre nach den Ausführungen unter Ziff. e) ein Beschluss der Bundesversammlung erforderlich.
f) Auswirkungen auf Unternehmungen und Haushalte (erste Hinweise)
Bei den Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalten stehen grundsätzlich die gleichen Aspekte im Vordergrund wie bei der Einführung von Parkplatzabgaben.
Entsprechend kamen die bereits erwähnten Studien zum Schluss, dass ein Road-Pricing
die Unternehmen des zweiten Sektors bis zu einem gewissen Grad negativ betreffen
würde, während für Dienstleistungsunternehmungen eher neutrale bis positive Auswirkungen zu erwarten sind.
72 Der Bundesrat wurde mit Motionen beauftragt, "...rechtlichen Voraussetzungen zur Ermöglichung eines
Road Pricings vorzubereiten" (Motion Vollmer), bzw. "...dem Parlament einen Bundesbeschluss vorzulegen, der die Erhebung einer Benützungsgebühr für die Strassenverbindung vorsieht, die das Genferbecken oberhalb der Mont-Blanc-Brücke queren soll (Motion Coutau).
73 Vgl. Basler Zeitung, Ausgabe vom 21. November 1995, S. 1 und 11.
ECOPLAN
A - 60
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Auf der Haushaltsseite ist immerhin zu erwähnen, dass Arbeits- und Einkaufsorte in Agglomerationen in aller Regel sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind.
Ein Umsteigen vom Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel ist daher leichter möglich als
im ländlichen Raum.
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Wie bei der Diskussion der Parkplatzabgaben ausgeführt, ist vor allem in Agglomerationen ein grosser umweltpolitischer Handlungsbedarf gegeben (Lärm- und Luftbelastung,
Verkehrsstaus).
Ein Koordinationsbedarf ergibt sich vor allem mit einer allfälligen Einführung von Parkplatzabgaben, da mit einem Road Pricing grundsätzlich die gleichen verkehrspolitischen
Zielsetzungen verfolgt werden können wie mit der Einführung bzw. Erhöhung von Parkplatzabgaben. Wenn z.B. bereits bei den Parkplatzabgaben eine lufthygienisch begründete Lenkungskomponente erhoben wird, dann müsste dies bei der Festlegung der
Abgabesätze eines allfälligen Road Pricing-Systems berücksichtigt werden. Es bleibt festzuhalten, dass ein Road Pricing-System grundsätzlich besser geeignet ist, Lenkungswirkungen im Verkehr zu erreichen, da die Abgabenerhebung "näher" beim eigentlichen Ziel
der Besteuerung, nämlich den Emissionen ansetzt.
Die umweltpolitischen Wirkungen hängen direkt von der Höhe der Abgaben ab, die durch
ein Road Pricing erhoben werden. In den erwähnten Untersuchungen für die Agglomeration Bern wurde geschätzt, dass z.B. die NOx-Emissionen in der Region Bern (alle Emittenten) um rund 8 - 12% gesenkt werden könnten, wenn sich die Abgabenhöhe nach den
geschätzten externen Kosten des Verkehrs bemessen würde.(74) Wenn für Spitzenzeiten
höhere Abgaben verlangt werden, sind beträchtliche Verminderungen von Staus
(Umlagerungen auf verkehrsärmerere Zeiten) zu erwarten.
h) Schlussfolgerung und Empfehlung
Aus Gründen der Akzeptanz scheint uns einzig eine Variante erfolgversprechend, in der
die Gemeinden (resp. Agglomerationen) einen beträchtlichen Nutzen aus den Einnahmen
ziehen. Es wäre aber denkbar, dass der Kanton über einen Prozentsatz an den Einnahmen
partizipiert.
Aufgrund der rechtlichen und politischen Problematik einer Einführung von Road PricingSystemen kommen wir aber trotz der grundsätzlichen Machbarkeit zum Schluss, diese
Massnahme vorläufig nicht in das Konzept MUEK zu integrieren. Mit ein Grund für diese
Empfehlung ist das "konkurrierende Verhältnis" zwischen Parkplatzabgaben und Road
Pricing. Sollten die rechtlichen und politischen Voraussetzungen für die Einführung eines
Road Pricing-Systems gegeben sein, müsste ohnehin abgeklärt werden, inwieweit die
Parkplatzbewirtschaftung neu auszugestalten wäre, wenn in einer bernischen Agglomeration ein Road Pricing realisiert würde. Dabei wäre auch die Rolle der beiden Instrumente im Konzept MUEK neu zu definieren.
74 Im Falle einer Vignettenlösung wurden folgende Preise unterstellt: 1 - 2 Fr. pro Tag für Nicht-KatalysatorFahrzeuge, 10 bis 50 Rp. für Kat-Fahrzeuge und 15 bis 40 Fr. für Lastwagen.
ECOPLAN
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A - 61
Mit dieser Beurteilung sprechen wir uns keineswegs gegen das Instrument an sich aus.
Im Gegenteil, aus ökonomischer Sicht sind Strassenbenützungsabgaben besser einzustufen als etwa Parkplatzabgaben. Wir sind aus den genannten Gründen bloss der Meinung,
dass Vignetten- oder Road Pricing-Lösungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht im
Rahmen des Konzeptes MUEK weiterverfolgt werden sollten. Sollten bis zum allfälligen
Einführungszeit des Konzeptes MUEK die offenen Fragen im Zusammenhang mit Road
Pricing geklärt sein, wäre das Instrument wieder in die Betrachtungen einzubeziehen.
ECOPLAN
A - 62
Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A10 Emissionsabgabe bei Feuerungen(75)
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Mit einer Emissionsabgabe werden die Stickoxid-Emissionen (NOx) belastet, die bei Verbrennungsvorgängen in Feuerungen erzeugt werden. Die von den Betreibern der Feuerungen zu entrichtenden Abgaben sind mittels Jahresfrachten (Emissionsmengen in Kilogramm oder Tonnen pro Jahr) zu bestimmen.
Aufgrund des Vollzugsaufwandes (vgl. unten Ziffer d) muss sich die Abgabe auf Grossfeuerungen mit einer Leistung von mehr als 1 Megawatt beschränken.
Bei der Festlegung des Abgabensatzes kann grundsätzlich von zwei Ansätzen ausgegangen werden:
❏ Die Abgabe richtet sich primär nach einem Ziel, das durch sie erreicht werden soll. In
diesem Fall soll die Abgabe zu einem Umsteigeeffekt auf emissionsärmere Technologien führen. Damit rücken die Kosten von brennstoff- und oder emissionsärmeren
Feuerungen sowie von Alternativsystemen (Wärmepumpen, Sonnenkollektoren) in
den Vordergrund. Die Abgabe muss mindestens so hoch sein wie die Kosten dieser
Technologie, damit sie Anreize für Substitutionen auslöst.
Ergebnisse verschiedener Untersuchungen legen den Schluss nahe, dass bei diesem
Ansatz eine Abgabenhöhe von Fr. 10 - 20 / kg NO x einzusetzen wäre.(76)
❏ Beim zweiten Ansatz richtet sich die Abgabenhöhe nach den sogenannten externen
Kosten, welche die NOx-Emissionen verursachen (z.B. Gesundheitsschäden beim
Menschen, Waldschäden etc.). Für die Schweiz liegen Berechnungen der externen
Kosten pro NOx-Emissionstonne vor. (77)
Aufgrund dieser Berechnungen wäre von einem Abgabensatz von Fr. 13 - 30 / kg NOx
auszugehen.
Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse schlagen wir vor, in der vorliegenden Untersuchung von folgenden beiden Abgabenvarianten auszugehen:
❏ Variante A: Abgabe von 10 Fr. / kg NO x im Sinne einer unteren Schranke
❏ Variante B: Abgabe von 30 Fr. / kg NO x im Sinne einer oberen, längerfristigen Variante.
75 Möglichkeiten und Grenzen einer Emissionsabgabe auf Feuerungen wurden im Auftrag der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern bereits umfassend diskutiert (vgl. ECOPLAN (1991), Marktwirtschaftliche Umweltinstrumente zur Luftreinhaltung im Kanton Bern, S. 32 ff.). Der vorliegende Anhang baut auf
diesem Bericht auf.
76 Vgl. ECOPLAN (1991), Marktwirtschaftliche Umweltinstrumente zur Luftreinhaltung im Kanton Bern, S. 37
f.
77 Vgl. Arbeitsgemeinschaft INFRAS/PROGNOS (1994), Externe Kosten und kalkulatorische Energiepreiszuschläge für den Strom- und Wärmebereich.
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b) Mögliche Einnahmen
Insbesondere längerfristig sind die möglichen Einnahmen sehr schwierig abzuschätzen,
da mit der Abgabe - vor allem im Fall von Variante B - ein spürbarer Lenkungseffekt erreicht werden dürfte.
Kurz- bis mittelfristig ist dieser Lenkungseffekt als eher gering einzustufen, da im Rahmen des Vollzugs der Luftreinhalte-Verordnung (LRV) bei den Grossfeuerungen bereits
grosse Sanierungen vorgenommen werden. Nach Abschluss dieser Sanierungen entsprechen die Feuerungen weitgehend dem Stand der Technik, weshalb kurz- bis mittelfristig keine erheblichen Emissionsreduktionen erwartet werden dürfen.
Die gesamte Jahresfracht der rund 400 Grossfeuerungen des Kantons Bern ist nicht
bekannt.(78) Für eine grobe Abschätzung des Einnahmenpotentials konnten wir auf die
durchschnittlichen Jahresemissionen von 25 Grossfeuerungen in der Region Bern zurückgreifen. Anhand des geschätzten Brennstoffverbrauchs und unterstellten spezifischen NOx-Emissionen von 60kg/TJ wurde eine Hochrechnung auf rund 400 Grossfeuerungen im gesamten Kanton Bern vorgenommen. Bei Variante A haben wir einen mittelbis längerfristigen Lenkungseffekt von 10% angenommen, bei Variante B einen solchen
von 20%.
Unter diesen Annahmen resultieren folgende Grössenordnungen von Einnahmen aus der
Feuerungsabgabe:
– Variante A: ca. 6 Mio. Fr.
– Variante B: ca. 17 Mio. Fr.
c) Bestehende Erfahrungen
❏ In Frankreich ist seit 1985 eine Abgabe in Kraft, und zwar für Anlagen mit über 50 MW
Leistung oder mit Jahresemissionen von über 2'500 Tonnen Schwefeldioxid (SO2)
oder NOx. Betroffen sind rund 400 Anlagen. Sie beträgt rund 35 Fr./Tonne SO2, was
gemäss OECD um rund einen Faktor 100 zu tief ist, um genügend Anreize für EG-konforme Technologien auszulösen.(79) Das System hat primär Finanzierungsfunktion.
❏ In Schweden wird bei rund 150 - 200 Grossfeuerungen, die über 10 Megawatt Lei-
stung und über 50 Gigawattstunden Jahresenergieproduktion aufweisen (sehr grosse
Anlagen), eine NOx-Abgabe erhoben.(80) Der Abgabensatz beträgt 40 Schwedische
Kronen pro kg NOx, was ungefähr 6.5 Fr./kg NOx entspricht. Dieser Satz wurde aufgrund einer Reduktionskosten-Uebersicht festgelegt. ie Abgabe wird den Grossfeuerungen im Verhältnis zu ihrer End-Energieproduktion zurückerstattet: Somit werden
Feuerungen bevorteilt, die einen hohen Wirkungsgrad und geringe Emissionen aufweisen. Von der Abgabe wurde eine Emissionsreduktion von 20-25% erwartet. Bereits
im Jahr 1992 wurde eine Reduktion von 30-40% erreicht! Die Emissionen werden
kontinuierlich mit Messgeräten gemessen. Sofern die Anlagebetreiber nicht rechtzeitig
78 Nur für die drei Massnahmenplangebiete, die Regionen Bern, Biel und Thun, sind entsprechende Daten
verfügbar.
79 Vgl. OECD (1989), Instruments économiques pour la protéction de l'environnement, S. 41 f.
80 Vgl. OECD (1994), Managing the Environment, S. 59.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Messgeräte installieren, werden sie mit einer für sie unvorteilhaften Pauschalabgabe
pro Energieinput-Einheit belastet.
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Wir haben es bereits unter Punkt a) erwähnt: Die Emissionsabgabe wird nur auf den
Grossfeuerungen erhoben. Ein Einbezug kleinerer und mittlerer Anlagen wäre aus ökologischer Sicht zwar wünschenswert, hätte aber enorme Vollzugskosten zur Folge. Dies
vor allem aus folgenden Gründen:
❏ Neben den rund 400 Grossfeuerungen werden im Kanton Bern über 90'000 kleine und
mittlere Anlagen mit einer Wärmeleistung von weniger als 1 Megawatt (MW) Leistung
(Hausfeuerungen) betrieben.
❏ Aufgrund der Konzeption der schweizerischen Luftreinhaltepolitik ("Emissionsstandard-
philosophie") werden bei den Feuerungen nicht Jahresfrachten sondern "nur" die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte. Bei kleinen und mittleren Anlagen werden die unverbrannten Ölanteile, die Russzahl und die Abgasverluste gemessen, da in der LRV
für diese Anlagen kein NOx-Grenzwert festgelegt ist.
❏ Die Messung oder Hochrechnung von Jahresfrachten ist zwar technisch möglich, aber
aufwendig.
Werden nur die Grossfeuerungen der Abgabenpflicht unterworfen, relativiert sich der
Vollzugsaufwand erheblich. Bereits heute werden alle Grossfeuerungen periodisch (z.T.
durch Privatfirmen) kontrolliert. Bei der Kontrolle wird ein Stundenmittel der NOx-Konzentration gemessen (mg NOx / m3). Um die Jahresfracht zu ermitteln, müssten die Betriebsstunden festgehalten werden. Dies könnte z.B. durch den Einbau eines Betriebsstundenzählers erfolgen.
Bei der zuständigen Stelle im KIGA geht man davon aus, dass diese Hochrechnung insgesamt ohne grossen Vollzugsaufwand möglich ist. (81)
e) Rechtliche Anforderungen
Gestützt auf das eidgenössischen Umweltschutzgesetz (USG) und auf die LRV hat der
Grosse Rat 1989 das Gesetz zur Reinhaltung der Luft (Lufthygienegesetz LHG) beschlossen. In Artikel 14 hält das Gesetz fest, dass der Kanton mit Dekret finanzielle Anreize und
marktwirtschaftliche Steuerungsinstrumente zur Verbesserung der Reinhaltung der Luft
schaffen kann.
In der juristischen Literatur wird aber verschiedentlich die Meinung vertreten, für eine
Abgabe genüge das Dekret dem Erfordernis einer formell-gesetzlichen Grundlage nicht,
da es nicht dem fakultativen Referendum unterliegt. Es ist davon auszugehen, dass eine
Emissionsabgabe durch eine Ergänzung des Lufthygienegesetzes geregelt werden müsste. Nach Auffassung des Bundesgerichtes verlangt der Grundsatz der Gesetzmässigkeit
der Verwaltung eine Begrenzung der Kompetenzdelegation an die Exekutive: Die wichtigsten Grundsätze der Abgaben müssen in einem formellen Gesetz geregelt werden. "In
der Regel hat das formelle Gesetz im Abgaberecht den Kreis der Abgabepflichtigen
81 Direktauskunft von Herrn Rüfenacht, KIGA.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
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(Abgabesubjekt), den Gegenstand der Abgabe (Abgabeobjekt) und deren Bemessung in
ihren Grundzügen festzulegen, gegebenenfalls auch Ausnahmen, Befreiungen, Erleichterungen."(82) Allerdings besteht in der juristischen Literatur Uneinigkeit darüber, "wie bestimmt die gesetzliche Regelung sein muss (...)".(83) Gerade bei Lenkungsabgaben wird
der Spielraum zugunsten einer Delegation (ans Parlament oder an die Exekutive) aufgrund
der notwendigen Flexibilität und der teilweise schwer abschätzbaren Wirkung als recht
gross beurteilt. Beispielsweise kann die Höhe der Abgaben - bei einem gesetzlich definierten Maximum - variabel festgelegt werden. Vollzugsdetails können auf der Verordnungsebene geregelt werden.
Für die vorliegende Machbarkeitsstudie ist die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen
Grundlagen nur von zweitrangiger Bedeutung (Dekret oder Gesetz). Entscheidend ist die
Tatsache, dass der Kanton eine Emissionsabgabe für Feuerungen grundsätzlich einführen
kann.
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
Der Erlass verschärfter Emissionsbegrenzungen (namentlich im Rahmen von Massnahmenplänen) fällt in die Kompetenz der Kantone, weil der Bund hier von seiner Regelungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Folglich sind die Kantone auch zur
Einführung zusätzlicher rechtlicher Instrumente berechtigt. Als flankierende Massnahmen können hier Abgaben in Betracht kommen, zumal solche an sich im Kompetenzbereich der Kantone liegen (vgl. auch URP 1993 S. 57).
Im Rahmen der vorsorglichen Emissionsbegrenzung wird die Zulässigkeit kantonaler
Emissionsabgaben in der Literatur (URP 1990, S. 328) nicht ganz so eindeutig bejaht
wie in der Machbarkeitsstudie. Zwar untersagt Art. 65 USG den Kantonen nur den Erlass neuer Immissionsgrenzwerte, Alarm- und Planungswerte, Bestimmungen über
Typenprüfungen und umweltgefährdende Stoffe. Art. 12 USG zählt die möglichen
Formen von (vorsorglichen) Emissionsbegrenzungen jedoch abschliessend auf, womit
die Einführung weiterer Arten im Prinzip ausgeschlossen ist. Immerhin wird in der Literatur auch die Auffassung vertreten, eine kantonale Emissionsabgabe verstosse
dann nicht gegen Bundesrecht, wenn sie überwiegend fiskalischen Charakter habe,
also nicht hauptsächlich als Lenkungsinstrument, sondern zur Deckung der Kosten von
Umweltschutzmassnahmen diene (ASA 1991 S. 242).
Nicht unproblematisch wäre unter dem Aspekt der Rechtsgleichheit die Abgrenzung
zwischen abgabepflichtigen Grossanlagen und den befreiten Klein- und Mittelanlagen.
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung müssen der Kreis der Abgabepflichtigen, der Abgabegegenstand, die Bemessungsgrundlage und das Abgabemass in
einem Gesetz im formellen Sinn, d.h. in einem dem Referendum unterstehenden Erlass umschrieben werden. Die Ermächtigung in Art. 14 des kantonalen Lufthygienegesetzes, marktwirtschaftliche Steuerungsinstrumente mittels Dekret einzuführen,
reicht deshalb nicht aus, so dass eine Aenderung des Gesetzes erforderlich wäre.
82 EDI (1990), Änderung des Umweltschutzgesetzes, S. 107. Gleichzeitig sind die entsprechenden Bundesgerichtsurteile aufgeführt. Der Entwurf für eine neue Berner Kantonsverfassung enthält explizit den
Grundsatz, dass die genannten Punkte auf Gesetzesstufe zu regeln sind.
83 EDI (1990), Änderung des Umweltschutzgesetzes, S. 107.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
f) Auswirkungen auf Unternehmen und Haushalte (erste Hinweise)
Dass eine genauere Prüfung der Auswirkungen auf Industrie und Gewerbe erforderlich,
kann am Beispiel der rund 25 Grossfeuerungen in der Region Bern verdeutlicht werden.
Die Anlagen stossen im Durchschnitt 2 - 5 Tonnen NOx pro Jahr aus. Bei Variante A
müssten sie eine jährliche Abgabe von 20 - 50'000 Fr. entrichten. Bei Variante B steigt die
Abgabe auf 60 - 150'000 Fr. / Jahr. Da es sich um Grossbetriebe handelt, wäre eine
derartige Belastung wahrscheinlich verkraftbar - sie kommt aber zu den übrigen Belastungen durch Umweltauflagen hinzu, so dass die Wettbewerbsfähigkeit zumindest einer
vertieften kritischen Würdigung bedarf.
Für Grossemittenten wie z.B. die Papierfabrik Deisswil müsste u.E. ein Ermässigungsmodell eingeführt werden, wenn die Abgabe nicht zu einer untragbaren finanziellen Belastung führen soll. Ein solches Ermässigungsmodell wird in Kapitel 6 beschrieben.
Aus ökonomischer Sicht und aus dem Blickwinkel der Gerechtigkeit stellt sich ein weiteres Problem: Die Grenze "Grossfeuerungen ab 1 MW Leistung" ist relativ zufällig gewählt.
Es gibt zahlreiche Anlagen in dieser Grössenordnung, teils oberhalb und teils unterhalb
dieses Wertes. Mit unerwünschten Verzerrungen muss damit bei der vorgeschlagenen
Ausprägung der NOx-Emissionsabgabe gerechnet werden. Vor einer allfälligen Einführung
wäre die Frage der sinnvollen Abgrenzung zwischen "Gross-" und "Kleinfeuerung" detailliert anzugehen.
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Der Handlungsbedarf bei den NOx-Emissionen ist grundsätzlich hoch. Die NOx-Grenzwerte der LRV werden im Kanton Bern immer wieder überschritten, NOx trägt als Vorläufersubstanz zudem auch zu den Überschreitungen des Ozon-Grenzwertes bei.
Aus ökologischer Sicht weist die NOx-Emissionsabgabe einen grossen Vorteil auf: Sie
setzt unmittelbar bei den Emissionen an, also bei jenem "Tatbestand", der auch besteuert
werden soll.
Es gilt allerdings zu beachten, dass der weitaus grösste Teil der NOx-Emissionen aus
dem Verkehr stammen: In der Region Bern z.B. verursachen die Grossfeuerungen weniger als 10% der gesamten NOx-Emissionen. Im gesamtschweizerischen Mittel verursachen die Feuerungen ca. 12% der NOx-Emissionen. Selbst wenn also die Abgabe sehr
wirksam wäre und längerfristig z.B. eine ähnlich hohe Emissionsreduktion wie in Schweden erreichen würde - aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslage ist dieser Fall allerdings als sehr optimistisch zu bezeichnen -, würden die NOx-Emissionen im Kanton Bern
"nur" um rund 2-3% zurückgehen.
Die Abgabe würde tendenziell auch die Anwendung alternativer Heizsysteme fördern,
z.B. Sonnenkollektoren für die Warmwasseraufbereitung. Diese erneuerbaren Energien
sind allerdings (auch mit den Subventionen für Solaranlagen) in den nächsten Jahren nur
in Ausnahmefällen rentabel.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
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i) Schlussfolgerung und Empfehlung
Die Abgabe setzt unmittelbar bei den Emissionen eines problematischen Luftschadstoffs
an. Sie unterstützt die kantonalen Bemühungen im Rahmen des Vollzug der Luftreinhalteverordnung. Beschränkt sich die Abgabe auf Grossfeuerungen, ist sie vollziehbar und
beinhaltet auch ein gewisses Einnahmenpotential. Insofern passt sie sehr gut in das
Konzept MUEK.
Vor einer allfälligen Einführung wäre noch vertieft abzuklären, ob bei der Abgrenzung der
Abgabenpflicht nicht ein anderer Wert als die vorgeschlagenen 1 MW Leistung herbeigezogen werden sollte.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
A11 Elektrizitätsabgabe
a) Beschreibung und Ausgestaltungsmöglichkeiten
Vorbemerkung: Eine Elektrizitätsabgabe ("zweckgebundene Elektrizitätsgebühr") wurde
1993 vom Grossen Rat verworfen. Die damaligen Entscheidungsgrundlagen(84) sind aber
nach wie vor aktuell, so dass sich die folgenden Ausführungen primär auf eine kurze Zusammenfassung dieser Erkenntnisse beschränkt.
Aufgrund des Vollzugsaufwandes muss sich die Abgabe auf leitungsgebundene Energieträger beschränken. Von diesen fällt Gas aufgrund der intensiven Konkurrenz zum Erdöl
ausser Betracht, während Fernwärme aufgrund der ökologischen Förderungswürdigkeit
ebenfalls nicht mit einer Abgabe belastet werden sollte.
Wie im Bericht der Direktion (85) dargelegt, kommt deshalb nur eine Elektrizitätsabgabe in
Frage. Differenzierungsmöglichkeiten bestehen bezüglich der Höhe und des Einbezugs der Hochspannungsbezüger.
Als mögliche (Eck-) Varianten unterscheiden wir:
A Abgabe von 0.3 Rp./kWh wie im Vorschlag an den Grossen Rat als untere Variante
B Abgabe von 1 Rp./kWh als obere, langfristig nicht a priori unrealistische Variante
b) Mögliche Einnahmen
Die vorgeschlagene Abgabe von 0.3 Rp/kWh hätte Einnahmen von rund 19 Mio. Franken
(Variante A) gebracht. Bei einer generellen Ausnahme für Hochspannungsbezüger würden die Einnahmen um 30% geringer ausfallen.
Variante B brächte rund 63 Mio. Fr., wobei eine (allerdings als gering eingeschätzte)
Lenkungwirkung berücksichtigt ist (ohne Hochspannungsbezüger ca. 40 Mio. Fr.
c) Bestehende Erfahrungen
❏ In der EU wird seit mehreren Jahren ein Vorschlag für eine Energie-/CO2-Abgabe dis-
kutiert, die auch die Elektrizität umfassen soll. Gegenwärtig steht ein Modell im Vordergrund, bei dem die Mitgliedstaaten in einem gewissen Rahmen ihre eigenen Abgabemodelle wählen können. Der ursprüngliche Vorschlag sah z.B. für Elektrizität aus
Wasserkraft ca. 0.15 Rp./kWh, ansteigend bis auf 0.5 Rp./kWh vor.
❏ Drei skandinavische Länder erheben Stromabgaben: In Dänemark wird seit 1992 auf
Elektrizität eine Abgabe von ca. 2.4 Rp./kWh erhoben, wobei für Unternehmungen der
halbe Satz gilt. Die Abgabe in Norwegen beträgt ca. 1 Rp./kWh, in Schweden 1.9
Rp./kWh. (86)
❏ In den meisten Ländern wird zudem die Mehrwertsteuer auch auf Elektrizität erhoben,
so auch in der Schweiz seit deren Einführung Anfang 1995 (6.5%). Der Vernehmlas84 VEWD /Meier R. (1992), Energieabgaben auf kantonaler Ebene.
Vortrag des Regierungsrates betreffend Aenderung des Energiegesetzes, 2.12.92
Leimbacher J. (1992), Gutachten Energieabgabe.
Kilchenmann F. (1992), Gutachtliche Stellungnahme zur bernischen Energieabgabe.
85 VEWD /Meier R. (1992), Energieabgaben auf kantonaler Ebene.
86 Vgl. ECOPLAN (1993), Umweltabgaben in Europa.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
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sungsvorschlag für eine CO2-Abgabe schlägt hingegen keine Belastung der Elektrizität
vor. Hingegen ist eine Erhöhung der Wasserzinsen (durch die Erhöhung der bundesrechtlichen Maximalwerte) im Moment in Diskussion in den eidgenössischen Räten.
❏ Auf kantonaler und kommunaler Ebene werden zweckgebundene Elektrizitätsabgaben
in Basel-Stadt (2.5% der Preise) und Zürich (10% des Gewinns) erhoben. In Bern ist
der Vorschlag für einen Stromrappen in der Volksabstimmung abgelehnt worden.
❏ Im Kanton Bern wurde die bereits erwähnte zweckgebundene Elektrizitätsgebühr vom
Grossen Rat verworfen.
Bezüglich der Lenkungswirkung gibt es einige Hinweise auf einen spürbaren Effekt in
Dänemark. Die übrigen Abgaben sind zu gering resp. zu jung, um einen klaren Effekt
feststellen zu können.
In allen skandinavischen Ländern wurden spezielle Ermässigungen für energieintensive
Betriebe eingeführt. Aufgrund dieser Regelungen sind keine negativen wirtschaftlichen
Auswirkungen bekannt.
d) Praktikabilität und Vollzugsaufwand
Im bernischen Vorschlag war vorgesehen, dass die Elektrizitätsversorgungsunternehmen
die Abgabe durch einen Zuschlag auf den Rechnungen erheben (und dafür allenfalls auch
entschädigt würden). Ausnahmen resp. tiefere Sätze hätten vom Regierungsrat namentlich für den öffentlichen Verkehr, für Eigenerzeuger sowie für energieintensive Betriebe
festgelegt werden können. Verschiedene Ansatzpunkte für eine teilweise Ermässigung
für energieintensive Betriebe wurden vorgeschlagen. (87)
Insgesamt kann die Elektrizitätsabgabe als praktikabel und im Vollzug vergleichsweise
sehr einfach bezeichnet werden.
e) Rechtliche Anforderungen
Es ist umstritten, ob auf kantonaler Ebene(88) eine Elektrizitätsabgabe eingeführt werden
kann.(89) Die Hauptfrage ist dabei, ob die Abgabe mit dem ausschliesslichen Recht des
Bundes, eine Mehrwertsteuer oder gleichgeartete Steuern zu erheben, kollidiert, oder ob
sie als zweckgebundene Gebühr ausgestaltet in kantonaler Hohheit eingeführt werden
kann. Die Meinungen der Gutachter und eine nicht abschliessende Beurteilung des Bundesamtes für Justiz lassen den Schluss zu, dass hier nur das Bundesgericht abschliessende Klarheit schaffen könnte.
Unbestritten ist, dass die Abgabe einer formell-gesetzlichen Grundlage bedarf (Änderung
Energiegesetz).
87 VEWD /Meier R. (1992), Energieabgaben auf kantonaler Ebene, S. 38. Weiter Vorschläge finden sich z.B.
im Bundesratsvorschlag für eine CO2-Abgabe.
88 Für städtische Werke wie Basel und Zürich wird die Rechtslage mehrheitlich anders eingeschätzt, da
deren Preiszuschläge nicht als öffentliche Abgabe aufgefasst werden.
89 Vortrag des Regierungsrates betreffend Aenderung des Energiegesetzes, 2.12.92
Leimbacher J. (1992), Gutachten Energieabgabe.
Kilchenmann F. (1992), Gutachtliche Stellungnahme zur bernischen Energieabgabe.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
Ausführungen der Rechtsabteilung der Volkswirtschaftsdirektion:
Art. 41ter Abs. 2 BV untersagt den Kantonen die Erhebung gleichartiger Steuern auf
Umsätzen, die der Bund der Warenumsatz-, bzw. nun der Mehrwertsteuer oder einer
besonderen Verbrauchssteuer unterwirft (oder als befreit erklärt). Energielieferungen
(namentlich auch Elektrizität) unterstehen der Mehrwertsteuer. Die Elektrizitätsabgabe
müsste deshalb so ausgestaltet werden, dass sie nicht den Charakter einer Verbrauchs-, bzw. gleichartigen Steuer hätte. Ob und wie dies möglich wäre, ist nach wie
vor umstritten (vgl. auch URP 1993 S. 58), so dass auf eine Klärung durch das Bundesgericht gewartet werden muss.
f) Auswirkungen auf Unternehmungen und Haushalte (erste Hinweise)
Gemäss erwähnter Studie und dort erwähnter Literatur ist eine Abgabe in der diskutierten
Variante A gesamtwirtschaftlich und für die weitaus meisten Betriebe praktisch bedeutungslos. Problematisch sind die Auswirkungen bei Betrieben, deren Stromkostenanteil rund 10% übersteigt, besonders wenn sie in starker interkantonaler Konkurrenz
stehen. Bei Variante B sind bereits ab einem Stromkostenanteil von 3 - 4 % Probleme
nicht auszuschliessen.
Es ist zu beachten, dass die Stromtarife für die Industrie im Kanton Bern bereits heute im
interkantonalen Vergleich recht hoch sind, wobei aber Spezialtarife mit Grosskunden zu
berücksichtigen sind. Zumindest eine negative Signalwirkung ist auch für Betriebe mit
einem Stromkostenanteil von ca. 5% bis 10% nicht auszuschliessen. Dies sind zwar
zahlenmässig sehr wenige Betriebe, aber deren wirtschaftliche Bedeutung darf nicht unterschätzt werden (rund 2'000 Beschäftigte total, Stromkostenanteil zwischen 5% und
10%).(90) Diese Auswirkungen könnten mit verschiedenen Ermässigungsmodellen oder
mit einer generellen Befreiung der Hochspannungsbezüger praktisch vollständig eliminiert werden (was natürlich auch zu Einnahme-Ausfällen führen würde).
Bei den Haushalten könnte insbesondere die Variante B bei unteren Einkommensklassen
sowie Haushalten mit Elektroheizungen zu Problemen führen, die näher zu diskutieren
wären.
Neben diesen direkten Auswirkungen sind auch indirekte Wirkungen zu beachten, namentlich die Förderung der rationellen Energieanwendung (die tendenziell mehr einheimische Arbeitsplätze schafft als die Stromproduktion), Anstösse zu Innovationen sowie
die Effekte der Mittelverwendung.
g) Umweltaspekte: Handlungsbedarf, Koordination, Wirkung
Die Wirkung einer Abgabe in der skizzierten Höhe ist sehr gering (Nachfragerückgang von
unter 1% in Variante A, von 2 - 3% bei Variante B), aber aufgrund der Zielsetzungen von
Energie2000 sowie der bernischen Energiepolitik von der Richtung her erwünscht. Allerdings ist zu beachten, dass die Abgabe einseitig auf Strom ausgerichtet ist, während bei
den übrigen Energieträgern teilweise ein grösserer Handlungsbedarf geortet werden kann
(insbesondere CO2-Effekt bei den fossilen Energieträgern). Die energiepolitische
90 Laut Umfrage Elektrowatt von 1989: Cementwerke Vigier, Carbagas, Gurit-Worbla, damalige Metallwerke
Selve, Metallwerk Boillat, Papierfabrik Utzensdorf, Verzinkerei Worb, Wollspinnerei Interlaken, Ziegelei
Gasser.
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Anhang A: Detailevaluation der Abgaben
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Steuerung über marktwirtschaftliche Instrumente wird mittlerweile mehrheitlich als Notwendigkeit anerkannt, jedoch liegt ein sinnvoller Schwerpunkt entsprechender Massnahmen eher auf nationaler oder internationaler Ebene (Energie-/CO2-Abgabe). Sollte der
Bund entgegen den jetzigen Entwürfen eine Abgabe auf Elektrizität einführen, wäre dies
für eine kantonale Abgabe problematisch, würde sie aber nicht grundsätzlich ausschliessen. Ihr Beitrag zur ökologischen Zielerreichung wird in jedem Fall bescheiden bleiben.
h) Schlussfolgerung und Empfehlung
Eine Elektrizitätsabgabe ist praktikabel und verspricht einen bedeutenden Ertrag. Die
wirtschaftlichen Auswirkungen bei stromintensiven Betrieben müssen durch ein Ermässigungsmodell gemildert werden (vgl. dazu Kapitel 6).
Der kritische Punkt ist eindeutig die Verfassungskonformität, die vom Regierungsrat
und von einem Gutachten für vertretbar betrachtet wird, aber wohl nur durch das Bundesgericht abschliessend entschieden werden kann.
Ansonsten kann die Integration der Abgabe in ein System MUEK empfohlen werden.
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Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B-1
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Inhaltsverzeichnis:
Vorbemerkung ........................................................................................................ 2
B1
Steuersenkungsmodelle .............................................................................. 4
B1.1 Reduktion der Einkommenssteuer für natürliche Personen....................... 10
B1.2 Reduktion der Gewinnsteuer für juristische Personen............................... 17
B1.3 Reduktion der Kapitalsteuer für juristische Personen................................. 20
B2
Rückerstattungsmodelle ............................................................................ 22
B2.1 Reduktion der Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherungen............ 23
B2.2 Rückerstattung über die Krankenpflegeversicherung................................. 24
B2.3 Verrechnung mit der Steuerrechnung bzw. Auszahlung ............................ 26
B2.4 Arbeitsplatzbonus ...................................................................................... 29
B2.5 Lohnsummenbonus ................................................................................... 30
Schlussfolgerungen .............................................................................................. 34
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B-2
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Vorbemerkung
Für die Verwendung des Abgabenaufkommens sind zahlreiche verschiedene Formen
denkbar. Das Spektrum reicht grundsätzlich von einer starren Zweckbindung bis zu verschiedenen Formen der Rückerstattung der Einnahmen an die Wirtschaftssubjekte und
an die Bevölkerung.
Die Diskussionen am ersten Workshop (26. August 1994) haben klar gemacht, dass in
der vorliegenden Machbarkeitsstudie nur staatsquotenneutrale Verwendungsformen
vertieft zu untersuchen sind. Es sind dies
– Steuersenkungsmodelle (in erster Priorität) sowie
– direkte Rückerstattungsmodelle (B2).
Wie diese beiden Verwendungsformen im einzelnen zu beurteilen sind, hängt davon ab,
welches Gewicht den untenstehenden Kriterien beigemessen wird:
❏ Wirkung auf die Standortgunst
Das Umweltabgaben-System mit einnahmenseitiger Kompensation (System MUEK)
soll einerseits zu einer effizienteren Gestaltung der Umweltpolitik durch den vermehrten Einsatz von marktwirtschaftlichen Instrumenten führen, andererseits aber auch
durch die Mittelverwendung die Standortgunst des betroffenen Wirtschaftsraumes
positiv beeinflussen.
❏ Sozialverträglichkeit und Verteilungsneutralität
Das System MUEK verfolgt für sich allein keine Umverteilungsziele. Mit anderen Worten: Das System sollte nicht zu bedeutenden Umverteilungen führen.
Im Vordergrund stehen dabei Umverteilungen zwischen verschiedenen Einkommensgruppen (Sozialverträglichkeit): Falls das vorgeschlagene Umweltabgaben-System
weniger begüterte Haushalte gemessen in Prozenten des Einkommens stärker trifft
als wohlhabendere (regressive Wirkung), sollte dieser Effekt im Sinne der Sozialverträglichkeit durch die Verwendung des Abgabenaufkommens korrigiert werden. Die
Ausführungen in Kapitel 6 zeigen, dass von einer gewissen regressiven Wirkung ausgegangen werden muss.
Weiter ist zu beachten, dass ein Teil der Umweltabgaben direkt durch die Wirtschaft
bezahlt wird. Es ist davon auszugehen, dass die Unternehmen nur einen Teil dieser
Zusatzbelastung auf die Konsumenten und Konsumentinnen überwälzen können. Aus
der Sicht der Verteilungsneutralität sollte das Mittelverwendungsmodell sicherstellen,
dass die einnahmenseitige Kompensation nicht zu grossen Lastenverschiebungen
zwischen der Wirtschaft und den privaten Haushalten führt.
❏ Administrativer Aufwand
Die Verfahren für die Verwendung des Abgabenaufkommens sollten bei der Verwaltung einen möglichst kleinen administrativen Aufwand verursachen. Dabei sind sowohl
der periodisch anfallende “Betriebsaufwand” als auch der bei der Einführung des
Systems einmalig anfallende Aufwand zu berücksichtigen.
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Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B-3
❏ Rechtliche Verankerung des Verwendungsmodells
Es ist zu prüfen, welche rechtlichen Anpassungen für die Umsetzung der Mittelverwendungsmodelle nötig sind. Dabei ist insbesondere auf die Frage einzugehen, wie
die einnahmenseitige Kompensation mit den Einnahmen aus den Umweltabgaben
rechtlich resp. im politischen Prozess verknüpft werden kann.
❏ Flexibilität
Die Verwendungsmodelle der Abgaben sollten so ausgestaltet sein, dass mögliche
Schwankungen beim Abgabenaufkommen - u.a. aufgrund der Lenkungswirkung der
Abgaben - flexibel aufgefangen werden können.
Neben diesen Kriterien wird häufig ein weiteres herbeigezogen, nämlich die Erhaltung
der Anreizwirkung. Bei sämtlichen hier diskutierten Mittelverwendungsvarianten
bleibt die Anreizwirkung der Abgaben voll erhalten: Da alle Lösungen (abgesehen von
der Gesamtsumme der Steuersenkungen bzw. Rückerstattungen) völlig unabhängig
von der Abgabeseite ausgestaltet sind, beinflusst die Mittelverwendung den
Anreizeffekt nicht.
Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass Rückerstattungen keineswegs - wie häufig geäussert - die Lenkungswirkung zunichte machen, "weil das Geld dann ja weiterhin für Strom, Autofahren usw. ausgegeben wird". Entscheidend für das Ausgabeverhalten und die Anreizwirkung sind die relativen Preise, also das Verhältnis der Preise verschiedener Güter. Die Veränderung der relativen Preise führt zu einem Substitutionseffekt: Die durch die Umweltabgaben verteuerten Güter werden in geringerem
Ausmasse konsumiert resp. an ihrer Stelle werden "umweltfreundlichere" Güter nachgefragt ("Verzichts- resp. Umsteige-Effekt"). Die Rückerstattung (in welcher Form auch
immer) gleicht die Belastung durch die Umweltabgaben aus, so dass im Durchschnitt
die Einkommen konstant gehalten werden. Nach einer gewissen Anpassungszeit
(Reaktion auf die Verteuerung) wird aber nur ein kleiner Teil der Rückerstattung für zusätzlichen Konsum der besteuerten Güter verwendet. Dieser Einkommenseffekt ist im
Vergleich zum Substitutionseffekt vernachlässigbar.
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B-4
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B1 Steuersenkungsmodelle
”Die Einnahmen aus den Umweltabgaben sollen zur Kompensation von Einnahmenausfällen herbeigezogen werden, die aus Steuersenkungen resultieren”, so lautet vereinfacht
der Grundsatz eines Umweltabgaben-Systems mit einnahmenseitiger Kompensation auf
der Steuerseite. Bei der Umsetzung dieses Grundsatzes stellen sich insbesondere zwei
Fragen:
Bei welchen Steuern sollen Senkungen geprüft werden?
Wie soll die Steuersenkung konkret vorgenommen werden?
Die erste Frage wird weitgehend durch die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung
beantwortet: Da die Möglichkeiten eines Umweltabgaben-Systems auf kantonaler Ebene
analysiert werden sollen, betrachten wir nur direkte Staatssteuern für natürliche und
für juristische Personen, die im kantonalen Steuergesetz (StG) vorgesehen sind.(1)
Nicht betrachtet werden damit Gemeinde- und Bundessteuern sowie kantonale Erbschafts- und Schenkungssteuer.
In Grafik B-1 haben wir die direkten Staatssteuern wiedergegeben, welche in dieser Untersuchung weiter betrachtet werden.
Grafik B-1:
Direkte Staatssteuern im Kanton Bern
Natürliche Personen
Einkommenssteuer
Vermögenssteuer
Quellensteuer
Vermögensgewinnsteuer
Gewinn- oder
Ertragssteuer
Juristische Personen
Legende:
Gegenstand der Untersuchung
Nicht Gegenstand der Untersuchung
Spezialfälle bei Holding- und Domizilgesellschaften
1
Vgl. Art. 2 des kantonalen Gesetzes über die direkten Staats- und Gemeindesteuern.
ECOPLAN
Kapitalsteuer
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B-5
Kommentar:
❏ Auf einen Einbezug der Vermögensgewinnsteuer - sie wird auf Grundstück- und auf
Lotteriegewinnen erhoben - wird verzichtet, weil zwischen den beiden Ansatzpunkten
der Steuer und dem angestrebten Ziel, mit der Einführung eines Umweltabgaben-Systems mit einnahmenseitiger Kompensation die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Kanton Bern zu erhöhen, ein zu geringer Zusammenhang besteht. Zudem stellt der
diese Steuer auslösende Tatbestand in der Regel einen ausserordentlichen Geschäftsfall dar, was die Koppelung an die mehr oder weniger regelmässig anfallenden Einnahmen aus den Umweltabgaben erschwert.
❏ Ebenfalls nicht in die Untersuchung einbezogen wird eine spezifische Reduktion der
Vermögenssteuer zur Kompensation der Einnahmen aus den Umweltabgaben.(2) Mit
dem Konzept MUEK soll eine Verbesserung der Wirtschaftsstandortes Kanton Bern erreicht werden. Mit einer Senkung der Vermögenssteuer geht aber "nur" eine Attraktivierung des Wohnstandortes für vermögende Personen einher. Eine gewisse Verbesserung der Standortgunst ergäbe sich für kleinere Aktiengesellschaften, da die Belastung durch die Doppelbesteuerung reduziert würde. (3)
Eine Senkung der Vermögenssteuer wäre dann zu prüfen, wenn der Kanton Bern hoch
attraktiver Wohnstandort für vermögende Personen sein möchte. Es ist allerdings offensichtlich, dass diese Form der Mittelrückerstattung nicht sozialverträglich wäre, da
nur Personen mit einem Vermögen von mehr als Fr. 75’000 überhaupt von der Steuersenkung profitieren würden. Nicht profitieren würden die über 70% der Steuerpflichtigen des Kantons Bern, welche ein geringeres Vermögen versteuern.
Tabelle B-2: Erträge aus den verschiedenen Steuerarten im Kanton Bern, 1993 (4)
Steuerart
Mio. Fr.
Einkommenssteuern natürlicher Personen
Anteil in %
2'030
Einkommenssteuern übriger juristischer Personen
80.6%
1
0.0%
154
6.1%
2
0.1%
114
4.5%
10
0.4%
2
0.1%
Kapitalsteuern der AG und der GmbH
41
1.6%
Kapitalsteuern der Genossenschaften
5
0.2%
84
3.3%
76
2'519
3.0%
100.0%
Vermögenssteuern natürlicher Personen
Vermögenssteuern übriger juristischer Personen
Ertragssteuern der AG und GmbH
Ertragssteuern der Genossenschaften
Kapitalsteuern der Holdinggesellschaften
Vermögensgewinnsteuern
Erbschafts- und Schenkungssteuern
Total
2
Einbezogen wird sie natürlich über eine allfällige Senkung der Steueranlage, da diese alle direkten Steuern
erfasst.
3
Bei kleinen AGs versteuert der Inhaber einerseits die Aktien über die Vermögenssteuer, andererseits aber
auch das Aktienkapital über die Kapitalsteuer. Allerdings schneidet der Kanton Bern bei der Vermögensbesteuerung im Vergleich zum schweizerischen Durchschnitt nicht besonders schlecht ab, vielmehr nimmt die bernische Steuerbelastung der Reinvermögen einen Mittelfeldplatz ein (vgl. Eidgenössische Steuerverwaltung (1994), Steuerbelastung in der Schweiz 1993).
4
Quelle: Die Staatsrechnung des Kantons Bern für das Jahr 1993, S. 315.
ECOPLAN
B-6
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Welche Bedeutung die verschiedenen Steuern für den Staatshaushalt haben, zeigt Tabelle B-2. Sie vermittelt auch einen ersten Eindruck, in welchem Verhältnis das in Kapitel
3 ausgewiesene Einnahmenpotential aus den Umweltabgaben zum Aufkommen der verschiedenen Steuerarten steht.
Die Frage, wie die Steuersenkungen konkret vorgenommen werden sollen, ist nicht einfach zu beantworten, da grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten bestehen. In Grafik B3 haben wir die verschiedenen Möglichkeiten am Beispiel der Einkommenssteuer für natürliche Personen dargestellt.
Grafik B-3:
Varianten von Steuersenkungen (dargestellt am Beispiel der Einkommenssteuer für natürliche Personen)
Berechnung der Steuer:
Ansatzpunkte für
Varianten von Steuersenkungen:
Bruttoeinkommen
Sachliche und
pers. Abzüge
Variante 1:
Einführung eines
zusätzlichen Abzuges
(Pauschale oder
Prozentabzug)
Steuerbares Einkommen
Variante 2:
Änderung der
Einheitsansätze
Einheitsansätze
Einfache Steuer
Steueranlage Gde.
Variante 3:
Änderung der
Steueranlage
Steueranlage Staat
Variante 4:
Prozentabzug auf
dem Steuerbetrag
Gemeindesteuer
Staatssteuer
ECOPLAN
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B-7
Kommentar zu Grafik B-3:
❏ Variante 1: Einführung eines zusätzlichen Abzuges
Zwei Untervarianten sind denkbar:
a) Die einfachste Lösung über Steuerabzüge die Einnahmen aus Umweltabgaben zurückzuerstatten, besteht in der Einführung eines pauschalen Abzuges, welcher bei
der Bestimmung der Steuerbemessungsgrundlage geltend gemacht werden kann.
Wir nennen diese Variante im folgenden ”Umwelt-Pauschale” (Variante 1a).
b) Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Steuerbemessungsgrundlage (z.B.
der Reingewinn bei der Gewinnsteuer) um einen bestimmten Prozentsatz
("Umwelt-Prozentabzug") reduziert wird (Variante 1b).
Aus bundesrechtlicher Sicht sind die beiden Varianten 1a und 1b sehr kritisch zu beurteilen. Das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone
und Gemeinden vom 14. Dezember 1990 (StHG) zählt in Art. 9 abschliessend auf,
welche allgemeinen Abzüge von den Steuerpflichtigen geltend gemacht werden können. Aus verständlichen Gründen ist dabei keine ”Umwelt-Pauschale” vorgesehen.
Eine Lösung, bei welcher das Steuersubjekt auf der Steuererklärung einen Abzug vornimmt, ist damit ohne Änderung des StHG nicht möglich. Immerhin bestimmen die
Kantone gemäss Art. 1 StHG die Steuertarife, die Steuersätze und die Steuerfreibeträge. Es könnte argumentiert werden, der Kanton führe eine Art Steuerfreibetrag
ein, wenn die Pauschale oder der Prozentabzug im Sinne eines Steuerrabattes von
Amtes wegen in Abzug gebracht würde.(5) Gemäss Steuerverwaltung lässt sich aber
auch mit dieser Argumentation die abschliessende Aufzählung der Abzüge im StHG
nicht umgehen. Die Realisierung von Variante 1 setzt damit grundsätzlich eine Anpassung des StHG voraus und wird deshalb nur noch am Rande weiterverfolgt.
❏ Variante 2: Änderung der Einheitsansätze
Der Vorteil dieses Vorgehens zur Steuersenkung liegen auf der Hand. Einerseits können gezielt einzelne Steuern reduziert werden, andererseits kann über die Neudefinition der Einheitsansätze eine gezielte Entlastung bestimmter Gesellschaftsgruppen
angestrebt werden. Es wäre also z.B. denkbar, höhere Einkommen steuerlich stärker
zu entlasten, damit der Wohnstandort Kanton Bern für hochqualifizierte Arbeitskräfte
attraktiver wird.
Dieser Vorteil wird aber u.E. durch verschiedene Nachteile wettgemacht:
– Die Einheitsansätze sind entscheidend für die verteilungspolitischen Wirkungen der
Einkommensbesteuerung, da sie je nach Höhe des zu versteuernden Einkommens
variieren (Progression). Entsprechend ist ihre Festlegung von hoher verteilungspolitischer Brisanz. Das aktuelle Gefüge kann als Ergebnis eines politischen Ausmarchungsprozesses zwischen Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher
Einkommensgruppen verstanden werden.
– Der zweite Nachteil einer Änderung der Einheitsansätze liegt darin, dass damit
unmittelbar auch die Gemeindesteuern betroffen werden, da für die Gemeinde-
5
Der Steuerrabatt für die beiden Steuerjahre 1989 und 1990 wurden ebenfalls mit einem speziellen Steuerrabattgesetz eingeführt. Der Steuerrabatt wurde auf der Einkommenssteuer von natürlichen Personen in
der Form eines Abzuges von der Bemessungsgrundlage gewährt.
ECOPLAN
B-8
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
steuern ausschliesslich die im StG festgelegten Einheitsansätze gelten. Das vorgeschlagene Umweltabgaben-System führt aber nur beim Kanton zu Mehreinnahmen,
mit welchen Steuersenkungen ”finanziert” werden können. Den Gemeinden würde
- unter sonst gleichbleibenden Bedingungen - nur eine Erhöhung des Steuerfusses
übrigbleiben, um die sinkenden Einnahmen bei der betroffenen Steuer auszugleichen.
– Die Einheitsansätze sind im Steuergesetz festgelegt. Eine Anpassung der Rückerstattung an Schwankungen bei den Einnahmen aus den Umweltabgaben wäre
nur mit einer aufwendigen Steuergesetzrevision möglich.
Variante 2 wird aus diesen Gründen, und weil andere Varianten erfolgversprechender
sind, nicht weiterverfolgt.
❏ Variante 3: Änderung der Steueranlage
In der Steuergesetzgebung des Kantons sind für alle in Grafik B-1 wiedergegebenen
Steuerarten die Einheitsansätze(6) festgelegt. Die Steueranlage ist das alljährlich durch
den Grossen Rat festgelegte Vielfache des Einheitsansatzes. Gemäss Art. 3 Abs. 3
StG ist die Steueranlage für alle direkten Steuern die gleiche.(7) Eine Senkung der
Steueranlage beeinflusst damit die Höhe sämtlicher in Grafik B-1 wiedergegebenen
Steuerarten. Eine gezielte Senkung einer bestimmten Steuer - z.B. der aus der Sicht
der Standortgunst des Kantons Bern besonders problematischen weil überdurchschnittlich hohen Einkommenssteuer für natürliche Personen - ist mit Variante 3 nicht
möglich.
Der Vorteil einer Senkung der Steueranlage besteht, dass an der gesamten Struktur
der bernischen Steuergesetzgebung, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat und offensichtlich Ergebnis eines mehrheitsfähigen politischen Konsenses darstellt, nichts
verändert würde.
❏ Variante 4: Prozentabzug auf dem Steuerbetrag
Soll eine bestimmte Steuer gesenkt werden, wäre Variante 4 zu wählen. Der geschuldete Steuerbetrag (nur Staatssteuer) wird von Amtes wegen um einen bestimmten
Prozentsatz(8) reduziert. Variante 4 kann eigentlich als "gezielte Anlagensenkung" bezeichnet werden, denn mit der Ausnahme, dass sich Variante 4 auf eine einzelne
Steuerart beziehen lässt, besteht zwischen ihr und Variante 3 kein grundsätzlicher Unterschied. Zur Illustration: Eine Senkung der Steueranlage um einen Steuerzehntel von
z.B. 2.3 auf 2.2 hat für eine bestimmte Steuer (z.B. Einkommenssteuer) betragsmässig die gleiche Wirkung, wie ein Abzug von 4.35% auf dem geschuldeten Betrag eben
dieser Steuer.
6
Die Einheitsansätze werden in Form von Prozent- oder eines Promillesätzen des zu versteuernden Einkommens, Vermögens, Gewinns oder Kapitals festgelegt. Ihre Ausgestaltung entscheidet über die Progression der verschiedenen Steuern. Die Multiplikation des zu versteuernden Betrages mit dem Einheitsansatz ergibt die einfache Steuer.
7
Art. 3 des kantonalen Steuergesetzes.
8
Wir betrachten hier nur einen Prozentabzug. Auf die Rückerstattung eines pauschalen Geldbetrages gehen
wir in Abschnitt B2.3 ein.
ECOPLAN
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B-9
❏ Variante 5: Aufhebung einer Steuer (in Grafik B-3 nicht enthalten)
Schliesslich kann auch diskutiert werden, ob die Mittel aus den Umweltabgaben nicht
zur Kompensierung von Einnahmenausfällen herbeigezogen werden sollen, die resultieren, wenn bestimmte Steuern aufgehoben oder bestimmte Steuersubjekte von der
Steuerpflicht befreit werden. Tabelle B-2 und die Ausführungen in Kapitel 3 zeigen,
dass das Einnahmenpotential aus den Umweltabgaben durchaus ausreichen würde,
um z.B. den Wegfall einer weniger ergiebigen Steuer (z.B. Kapitalsteuern der Holdinggesellschaften) zu ”finanzieren”.
Die Vorteile dieser Variante sind offensichtlich:
– Das Aufheben einer Steuer kann publikumswirksam kommuniziert werden (z.B. ”Im
Kanton Bern bezahlen die Unternehmen keine Gewinnsteuer”).
– Beim Kriterium ”administrativer Aufwand” schneidet diese Variante hervorragend
ab: Es entstehen nicht nur keine zusätzlichen Kosten, vielmehr könnten jene Stellen
beim Kanton abgebaut werden, die sich zuvor mit der Gewinnsteuer befasst hatten.
Hinzu kommt der geringere administrative Aufwand bei den Unternehmen.
– Gegen die Realisierung von Variante 4 spricht - neben der fehlenden Sozialverträglichkeit - das oben erwähnte Steuerharmonisierungsgesetz. In Art. 2 verlangt das
StHG von den Kantonen zwingend, dass sie die in Grafik B-1 wiedergegebenen direkten Steuern erheben.
Fazit: Aufgrund der bisherigen Ausführungen werden wir im folgenden nur noch auf drei
Varianten von Steuersenkungen eingehen:
– Trotz der erwähnten rechtlichen Problematik betrachten wir kurz die Gewährung eines
Steuerrabattes in Form einer ”Umwelt-Pauschale” oder eines "Umwelt-Prozentabzuges" auf der Steuerbemessungsgrundlage, welche von Amtes wegen ausschliesslich auf den Staatssteuern in Abzug gebracht werden (Varianten 1a und 1b).
– Im Vordergrund stehen aber die Varianten 3 "Senkung der Steueranlage" und 4
"Prozentabzug auf dem Steuerbetrag".
ECOPLAN
B - 10
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B1.1 Reduktion der Einkommenssteuer für natürliche Personen
Die Einkommenssteuer für natürliche Personen wird meistens an erster Stelle genannt,
wenn Aussagen darüber gemacht werden, wie der Kanton Bern seine Standortgunst mit
fiskalpolitischen Massnahmen verbessern könnte. Dies erstaunt auch nicht, wenn man
die steuerliche Belastung der Einkommen im Kanton Bern mit derjenigen in anderen Kantonen vergleicht (vgl. Grafik B-4): (9)
❏ Eine vergleichsweise hohe steuerliche Belastung weisen im Kanton Bern die tiefen
und mittleren Einkommen auf. Bei der mittleren Klasse war der Kanton Bern 1993 der
überhaupt teuerste Kanton der Schweiz.
❏ Bei den hohen Einkommen (über Fr. 90’000) fällt die prozentuale Abweichung zum
schweizerischen Mittel weniger stark ins Gewicht. Bei einem jährlichen Bruttoarbeitseinkommen von Fr. 300’000 müssen Ledige im Kanton Bern noch rund 5%, Verheiratete noch ca. 10% höhere Steuern bezahlen als im schweizerischen Durchschnitt.
Grafik B-4:
Vergleich der steuerlichen Belastung des Bruttoarbeitseinkommens in
ausgewählten Kantonen, 1993(10)
140
Gruppenindizes (Schweiz = 100)
120
Bern
100
Zürich
80
Waadt
Basel-Stadt
60
St. Gallen
Zug
40
Solothurn
20
0
7.5 - 30
35 - 80
90 - 1'000
Gesamtindex
Arbeitseinkommensklassen in 1'000 Fr.
9
Bei der Auswahl der Kantone haben wir die wichtigsten ”Konkurrenzkantone” aus anderen schweizerischen Wirtschaftsräumen sowie den jeweils steuergünstigsten Kanton der Schweiz und des Wirtschaftsraumes Mittelland berücksichtigt.
10 Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung (1994), Steuerbelastung in der Schweiz 1993, S. 60. Die Grafik
zeigt die Belastung durch Kantons-, Gemeinde- und Kirchensteuern unter Einbezug aller Steuersubjekte
(Ledige und Verheiratete).
ECOPLAN
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 11
a) Wirkung auf die Standortgunst
Die Höhe der Einkommenssteuern für natürliche Personen stellt einen wichtigen Standortfaktor bei Wohnentscheiden von Arbeitskräften dar. Dies gilt besonders für höher qualifizierte Arbeitskräfte, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und der Nachfrage der Unternehmen
zwischen verschiedenen Arbeitsstellen auswählen können. Die bei Umfragen bei
Unternehmen häufig erwähnten Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von qualifiziertem
Personal(11) werden durch die hohe Besteuerung des Einkommens von natürlichen Personen verschärft. Eine Senkung der Einkommenssteuern würde gemäss dieser Argumentation damit zu einer Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Kanton
Bern beitragen.(12)
Den Möglichkeiten, mit einer Kompensation bei der Einkommenssteuer für natürliche
Personen die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes zu erhöhen, sind allerdings Grenzen
gesetzt. Wie Tabelle B-2 gezeigt hat, leistet die Einkommenssteuer einen sehr hohen
Beitrag an die Steuereinnahmen des Kantons Bern. Entsprechend hoch fallen denn auch
die Mindereinnnahmen für den Kanton aus, wenn bei der Einkommenssteuer einnahmenseitige Kompensationen vorgenommen werden sollen.
Wird z.B. gemäss Variante 3 die kantonale Steueranlage um einen Steuerzehntel reduziert, resultieren für den Kanton bei der Einkommenssteuer für natürliche Personen Mindereinnahmen von rund 85 Mio. Fr., die mit Mehreinnahmen aus den Umweltabgaben
gedeckt werden müssen. Andererseits verbessert sich die Standortgunst des Kantons
Bern aus fiskalpolitischer Sicht gegenüber anderen Kantonen erst, wenn die kantonale
Steueranlage um mehr als einen Steuerzehntel gesenkt wird.
In Grafik B-5 haben wir aufgezeigt, wie sich die steuerliche Belastung bei einem Bruttoarbeitseinkommen von Fr. 100’000 im Vergleich zu den übrigen Kantonen ändert, wenn
im Kanton Bern die Staatssteuern dank den Einnahmen aus den Umweltabgaben um
einen, zwei und um fünf Steuerzehntel (STZ) gesenkt werden könnten.
Die Grafik zeigt, dass mit Steuerreduktionen um einen oder zwei Anlagenpunkte die Position des Kantons Bern bei der Einkommenssteuer für natürliche Personen nur sehr beschränkt verbessert werden kann. Erst wenn höhere Steuersenkungen (z.B. um fünf STZ)
erreicht werden können, ergeben sich gegenüber den übrigen Kantonen der Schweiz
spürbare Verbesserungen. Allerdings muss nun mit den Umweltabgaben ein höherer
Steuereinnahmenausfall kompensiert werden (bei 5 STZ rund 450 Mio. Fr. allein bei der
Einkommenssteuer).
11 Vgl. z.B. Kantonal-Bernischer Handels- und Industrieverein Sektion Bern (1988), Wirtschaftsstandort Bern.
12 Der Zusammenhang zwischen Verfügbarkeit und Steuerbelastung von hochqualifizierten Arbeitskräften
wird offensichtlich auch von den Unternehmen im Kanton Bern und im übrigen westlichen Mittelland als
eng eingestuft: In einer grossangelegten Umfrage haben die antwortenden Unternehmen die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Arbeitskräften als überhaupt wichtigsten Standortfaktor bezeichnet. Die steuerliche Belastung dieser Arbeitskräfte wurde unmittelbar an zweiter Stelle genannt (vgl. BAK (1995), Die
Standortattraktivität des westlichen Mittellandes und seiner Kantone, S. 43).
ECOPLAN
B - 12
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Grafik B-5:
Auswirkungen verschiedener Steueranlagenreduktionen auf die Steuerbelastung natürlicher Personen, Vergleich zwischen den Kantonshauptorten(13)
Steuerbelastung durch Kantons-, Gemeinde- und Kirchensteuer in Fr.
14'000
12'000
10'000
8'000
6'000
4'000
2'000
GE
JU
SO
BS
NE
FR
BE
VD
Bern, -1 Stz.
Bern, -2 Stz.
TI
LU
SG
BL
GL
SH
AI
Bern, -5 Stz.
VS
OW
TG
AR
GR
AG
SZ
UR
ZH
NW
ZG
-
Kantone
b) Verteilungsneutralität und Sozialverträglichkeit
Bei einer Senkung der Einkommenssteuern für natürliche Personen allein ist zu beachten,
dass nicht alle natürlichen Personen auch direkte Einkommenssteuern bezahlen: 1993
entrichteten 72’519 Steuerpflichtige keine Einkommenssteuern. Dies entspricht einem
Anteil von fast 13% der insgesamt 569’861 steuerpflichtigen natürlichen Personen im
Kanton Bern.(14) Bei einer reinen Steuersenkungsstrategie würden diese Personen nicht
erfasst, von den Preissteigerungen aus den Umweltabgaben wären sie aber sehr wohl
betroffen.
Die Sozialverträglichkeit wird weiter durch die Art und Weise der Steuersenkung beeinflusst:
❏ Bei Variante 1a entlastet die ”Umwelt-Pauschale” die unteren Einkommensschichten
verhältnismässig stark. In Grafik B-6 haben wir dargestellt, welche Steuerreduktionen
bei einer ”Umwelt-Pauschale” von z.B. Fr. 5’000.- in verschiedenen Einkommensklas-
13 Die Angaben beziehen sich auf einen verheirateten Steuerpflichtigen mit zwei Kindern und Wohnsitz im
Kantonshauptort und einem Bruttoarbeitseinkommen von Fr. 100'000. Bezugsjahr: 1993. Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung (1994), Steuerbelastung in der Schweiz, Kantonshauptorte und Kantonsziffern, S. 21.
14 Quelle: Steuerverwaltung des Kantons Bern (1994), Statistik Staatssteuer 1993.
ECOPLAN
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 13
sen resultieren würden. Die Grafik zeigt, dass die niedrigen Einkommen von dem pauschalen Abzug stärker profitieren als die höheren Einkommen. Grobe Überschlagsrechnungen basierend auf der Verteilung der Steuerpflichtigen auf die verschiedenen
Einkommensklassen haben gezeigt, dass die Gewährung eines Steuerrabattes in Form
einer Umwelt-Pauschale von Fr. 5’000.- zu einem jährlichen Einnahmenausfall von
über 200 Mio. Fr. führen würde. Dieser müsste mit den Einnahmen aus den Umweltabgaben gedeckt werden.
Die Mittelverwendung in Form einer Umwelt-Pauschale bei den Einkommenssteuern
von natürlichen Personen wirkt der regressiven Wirkung der Umweltabgaben entgegen. Die Entlastungswirkung der Umwelt-Pauschalen wird bei sehr tiefen steuerbaren
Einkommen allerdings durch die Höhe der ursprünglichen Steuerbelastung begrenzt:
Die Reduktion der Steuerbelastung kann bei diesem Verwendungsmodell maximal
100% der bisherigen Steuern ausmachen. Betragsmässig können diese 100% aber so
gering sein, dass ihr Wegfall die zusätzliche Belastung durch die Umweltabgaben nicht
wettmachen kann.
Grafik B-6:
Steuerreduktion in % des steuerbaren Einkommens und in Fr. nach
Einkommensklassen bei einer Umwelt-Pauschalen von Fr. 5’000 (15)
Steuerreduktion in % des Einkommens
Fr.
Steuerreduktion in Fr.
7%
800
6%
700
600
5%
500
4%
400
3%
300
2%
200
200'000
180'000
160'000
140'000
120'000
100'000
90'000
80'000
70'000
60'000
50'000
40'000
35'000
30'000
25'000
20'000
15'000
10'000
8'000
0
6'000
0%
4'000
100
2'000
1%
Steuerbares Einkommen
❏ Bei der Variante "Umwelt-Prozentabzug" (1b) ergeben sich die in Grafik B-7 wieder-
gegebenen Verteilungswirkungen. Diese Variante bevorzugt wohlhabendere Steuerpflichtige. Bei ihnen fällt die Reduktion der Steuerbelastung im Vergleich zum steuerbaren Einkommen höher aus als bei weniger gut verdienenden Steuerpflichtigen. Ein
15 Die Grafik bezieht sich nur auf die Staatssteuern und auf den Steuertarif I (ledige Steuerpflichtige).
ECOPLAN
B - 14
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Umwelt-Prozentabzug von z.B. 10% würde zu einem Steuereinnahmenausfall von
über 220 Mio. Fr. führen (Grobschätzung!).
Grafik B-7:
Steuerreduktion in % des steuerbaren Einkommens und in Fr. nach
Einkommensklassen bei einem Umwelt-Prozentabzug von 10%(16)
Steuerreduktion in % des Einkommens
Steuerreduktion in Fr.
Fr.
1.6%
3'000
1.4%
2'500
1.2%
2'000
1.0%
1'500
0.8%
0.6%
1'000
0.4%
500
0.2%
0.0%
200'000
180'000
160'000
140'000
120'000
100'000
90'000
80'000
70'000
60'000
50'000
40'000
35'000
30'000
25'000
20'000
15'000
10'000
8'000
6'000
4'000
2'000
0
Steuerbares Einkommen
❏ Bei den Varianten 3 und 4 (Senkung Steueranlage bzw. Prozentabzug auf Steuer-
betrag) wird der regressive Charakter der Umweltabgaben durch die einnahmenseitige
Kompensation nicht ausgeglichen. Die zu bezahlenden Steuern sinken für alle Steuerpflichtigen um den gleichen Prozentsatz. Von dieser proportionalen Reduktion profitieren die wohlhabenderen Steuerpflichtigen wegen der Progression stärker: Ihre Steuerbelastung sinkt im Vergleich zum steuerbaren Einkommen stärker als bei Steuerpflichtigen mit einem tiefen Einkommen.
Ein wichtiger Vorteil der Variante 3 liegt darin, dass die Steueranlage die Höhe der
Quellensteuer mitbestimmt. Bei diesem Vorgehen würden also die Quellenbesteuerten ohne zusätzlichen administrativen Aufwand in das System MUEK einbezogen.
Bei allen drei Steuersenkungsmodellen ist zu beachten, dass nur Personen von der Steuersenkung profitieren, die auch tatsächlich in einem gewissen Ausmass Steuern bezahlen. Soll das Konzept MUEK mit Steuersenkungen für natürliche Personen zwingend sozialverträglich umgesetzt werden, müssen flankierende Massnahmen ergriffen werden.
Die Variante 1a "Umwelt-Pauschale" bevorzugt die ärmeren Haushalte, während bei den
übrigen Varianten (1b, 3 und 4) wohlhabendere Haushalte stärker profitieren.
16 Die Grafik bezieht sich nur auf die Staatssteuern und auf den Steuertarif I (ledige Steuerpflichtige).
ECOPLAN
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 15
c) Administrativer Aufwand
Der grösste administrative Aufwand fällt bei allen Verwendungsmodellen bei der Vorbereitung und bei der eigentlichen Einführung eines Systems MUEK an. Bevor das System eingeführt werden kann, muss ein Verfahren ausgearbeitet werden, das zeigt, wie
ausgehend von den Einnahmen aus den Umweltabgaben der entsprechende Abzug bzw.
Steueranlagensenkung zu berechnen ist. Mit der ”Statistik Staatssteuer” verfügt die kantonale Steuerverwaltung allerdings bereits über die wichtigsten Grundlagen für diese
Umrechnung (Angaben über die Verteilung der Steuerpflichtigen auf die verschiedenen
Einkommensklassen, Steuereinnahmen pro Einkommensklasse). Die Umrechnung könnte periodisch zu Beginn einer Veranlagungsperiode erfolgen. Massgebend für das Ausmass der Steuersenkung wären in diesem Fall die Einnahmen aus den Umweltabgaben
aus der vorhergehenden Veranlagungsperiode.
Der administrative Aufwand für die eigentliche ”Betriebsphase” hält sich für alle Varianten in engen Grenzen:
– Bei den Varianten 1a und 1b fällt der zusätzliche administrative Aufwand gering aus:
Das steuerbare Einkommen wird von der Veranlagungsbehörde einfach um die Umwelt-Pauschale bzw. um den Umwelt-Prozentabzug reduziert.
– Bei den Varianten 3 und 4 muss bei der Multiplikation der einfachen Steuer mit der
Anlage der neue Satz verwendet werden bzw. muss der Steuerbetrag um einen Prozentsatz reduziert werden.
Zwar sind es nicht administrative Kosten im eigentlichen Sinn, dennoch ist auch der Aufwand für die Ausarbeitung der gesetzlichen Grundlagen für die verschiedenen Varianten
zu beachten, bestehen hier doch enorme Unterschiede: Bis auf die Variante 3 "Senkung
der Steueranlage" bedürfen alle Varianten einer Revision des kantonalen Steuergesetzes
oder sogar des eidgenössischen Steuerharmonisierungsgesetzes (Varianten 1a und 1b).
d) Rechtliche Verankerung des Verwendungsmodells
Neben den Details eines konkreten Einnahmenverwendungsmodells muss die rechtliche
Verankerung vor allem ein Problem bei der Einführung eines Umweltabgaben-Systems
mit einnahmenseitiger Kompensation lösen: Es muss sichergestellt werden, dass die
Einnahmen aus den Umweltabgaben auch tatsächlich zu Steuersenkungen benützt werden.
Bei den Variante 1a und 1b wäre im StG festzuhalten, dass in Abhängigkeit des Ausmasses der Einnahmen aus den Umweltabgaben in der folgenden Veranlagungsperiode
bei der Staatssteuer ein pauschaler oder prozentualer Abzug vorgenommen werden
muss. Die Höhe des Abzuges wäre durch den Regierungsrat festzulegen.(17) Diese enge
Verknüpfung schätzen wir als grossen Vorteil der Variante 3 ein. Nochmals ist aber daran
zu erinnern, dass die Varianten 1a und 1b mit grosser Wahrscheinlichkeit einer Revision
des eidgenössischen Steuerharmonisierungsgesetzes bedürfen.
17 Analog ist im StG z.B. der Abzug der Gewinnungskosten geregelt (vgl. Art. 35 StG).
ECOPLAN
B - 16
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Bei den Varianten 3 und 4 müsste im Steuergesetz festgehalten werden, dass der
Grosse Rat beim Festlegen der kantonalen Steueranlage die Einnahmen aus den Umweltabgaben berücksichtigt. Der Regierungsrat müsste dem Grossen Rat periodisch
einen entsprechenden Antrag unterbreiten. Bei Variante 3 kann die Verknüpfung zwar
grundsätzlich festgehalten werden, letztlich ist es aber am Grossen Rat, einen Entscheid
zu fällen. Wie eng die Verknüpfung von Einnahmen und Rückerstattung ist, hängt also
vom Willen der Mehrheit des Grossen Rates ab.
e) Flexibilität
Die Varianten 1a, 1b und 4 können Schwankungen im Abgabenaufkommen flexibel auffangen, da sowohl der Abzug auf der Steuerbemessungsgrundlage sowie der Prozentabzug auf dem Steuerbetrag periodisch und in Abhängigkeit vom Umfang der Einnahmen
aus den Umweltabgaben festgelegt werden können.
Eine derartige "Feinabstimmung" ist Variante 3 "Senkung der Steueranlage" nicht möglich,
da sich ein Steuerzehntel - bezogen auf sämtliche direkten Steuern - auf mehr als 100
Mio. Fr. an Staatseinnahmen beläuft.
Bei der folgenden Analyse von Steuersenkungen zu Gunsten von juristischen Personen
verzichten wir auf eine Diskussion der Kriterien "administrativer Aufwand (c), Rechtliche
Verankerung (d) und Flexibilität (e), da sich grundsätzlich die gleichen Probleme stellen
und damit die gleichen Beurteilungen resultieren wie bei der Diskussion einer Senkung
der Einkommensteuer.
ECOPLAN
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 17
B1.2 Reduktion der Gewinnsteuer für juristische Personen
Gemäss Art. 64 StG ist der Gegenstand der Gewinnsteuer der Reingewinn. Bei der Ermittlung der Gewinnsteuer kommt ein sogenannter Dreistufentarif zur Anwendung, welcher leicht progressiv ausgestaltet ist. Anders als bei der Einkommenssteuer für natürliche Personen schneidet der Kanton Bern bei der steuerlichen Belastung des Gewinns
von juristischen Personen im interkantonalen Vergleich gut ab (vgl. Grafik B-8).
Grafik B-8:
Vergleich der steuerlichen Belastung des Reingewinns von juristischen Personen in ausgewählten Kantonen, 1993 (18)
130
120
Index (Schweiz = 100)
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Bern
Zürich
Waadt
Basel-Stadt
St. Gallen
Zug
Freiburg
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50
40
2
4
6
8
12
16
20
25
Rendite in %
Kommentar:
❏ Die steuerliche Belastung der Gewinne von juristischen Personen liegt im Kanton Bern
bei allen Renditestufen um rund 10% unter den gesamtschweizerischen Durchschnitt.
❏ Auch im Vergleich zu den Kantonen aus den Wirtschaftsräumen Agglomeration Zürich,
Regio Basilensis und Bassin Lémanique schneidet der Kanton Bern gut ab. Insbesondere Unternehmen mit einer hohen Rendite zahlen im Kanton Bern durchschnittlich
deutlich weniger Gewinnsteuern als in den Kanton Zürich, Basel-Stadt und Waadt.
Die Ausgangslage ist damit grundsätzlich eine andere als bei der Einkommenssteuer für
natürliche Personen: Mit der Verwendung der Einnahmen aus den Umweltabgaben zur
Senkung der Gewinnsteuern soll nicht ein Rückstand des Kantons Bern gegenüber den
meisten anderen Kantonen ausgeglichen werden, vielmehr steht der Ausbau einer bereits
starken Position im Vordergrund.
18 Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung (1994), Steuerbelastung in der Schweiz 1993, S. 74. Die Angaben beziehen sich auf eine Aktiengesellschaft mit 2 Mio. Fr. Kapital und Reserven. Es handelt sich um
einen kantonalen Durchschnitt der Kantons-, Gemeinden- und Kirchensteuer.
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B - 18
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
a) Wirkung auf die Standortgunst
Die Steuerbelastung für Unternehmen ist für die Einstufung der Standortattraktivität eines
Wirtschaftsraumes sehr wichtig: In einer gesamtschweizerischen Umfrage wurde nur der
Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, den Lohnkosten dieser Arbeitskräfte und der
Dauer von Bewilligungsverfahren eine noch höhere Bedeutung beigemessen. (19)
Mit einer Senkung der Gewinnsteuer könnte die Standortgunst des Kantons Bern vor allem für ertragsstarke, wenig umweltbelastende Unternehmen verbessert werden. Der
relativ bescheidene Umfang der Einnahmen aus der Gewinnsteuer von rund 114 Mio. Fr.
ermöglicht es, mit den Einnahmen aus den Umweltabgaben eine substantielle Reduktion
der Gewinnsteuer zu finanzieren. Der Kanton Bern könnte zum überhaupt steuergünstigsten Standort der Schweiz werden. Eine solche Steuersenkung lässt sich leichter
”vermarkten", als wenn der Kanton Bern seine Position im Vergleich zu den übrigen Kantonen leicht verbessert, aber maximal ins vordere Mittelfeld vorstossen kann, wie dies
z.B. bei der Einkommensteuer für natürliche Personen der Fall ist (vgl. dazu Grafik B-5).
b) Verteilungsneutralität und Sozialverträglichkeit
Aus verteilungspolitischer Sicht sind beim Verwendungsmodell ”Gewinnsteuersenkung”
folgende Punkte zu beachten:
❏ Von der Steuersenkung profitieren nur Unternehmen, die auch tatsächlich einen Ge-
winn ausweisen. Gemäss der Staatssteuer-Statistik des Kantons Bern gehören aber
über 50% aller juristischen Personen der Taxationsstufe 1 an und bezahlen keine Gewinnsteuer. Diese Unternehmen werden zwar die Umweltabgaben als zusätzliche Kostenbestandteile zu spüren bekommen, profitieren aber nicht von der steuerlichen
Entlastung des Unternehmensgewinn.
Dieser Umstand kann natürlich auch positiv gedeutet werden: Die Gewinnsteuersenkung stärkt die erfolgreichen Unternehmen, und damit tendenziell jene Unternehmen,
die Arbeitsplätze schaffen und die bernische Wirtschaft konkurrenzfähig halten.
❏ Wie bei einer Senkung der Einkommenssteuer ergeben sich auch bei einer Senkung
der Gewinnsteuer unterschiedliche Wirkungen, je nachdem ob die Steuersenkung
nach Variante 1 ”Anlagensenkung” oder nach Variante 3 ”Steuerrabatt” vollzogen
wird:
– Bei Variante 1a "Umwelt-Pauschale" würden ertragsschwächere Unternehmen
überproportional von der Steuersenkung profitieren. Dafür gibt es aus verteilungspolitischer Sicht keine Begründung. Zudem wäre keine Berücksichtigung der Betriebsgrösse möglich, was zu Verzerrungen führt. Variante 3 sollte bei der Gewinnsteuer - wenn überhaupt - nur in der Form des "Umwelt-Prozentabzuges" (Variante
1b) weiterverfolgt werden.
– Bei den Varianten 3 und 4 nimmt die Steuerbelastung für alle Unternehmen um
den gleichen Prozentsatz ab.
19 Vgl. BAK (1995), Die Standortattraktivität des westlichen Mittellandes und seiner Kantone, S. 42.
ECOPLAN
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 19
❏ Die Gewinnsteuer bezieht sich auf juristische Personen. Personengesellschaften und
Einzelunternehmen, aber auch Holdinggesellschaften werden nicht erfasst. Eine Gewinnsteuerreduktion allein würde zu unerwünschten Verzerrungen zwischen Unternehmen mit verschiedener Gesellschaftsform führen. Diese Verzerrungen sind auch
aus rechtlicher Sicht höchst problematisch: Grundsätzlich sollen der Wirtschaft gewährte Steuersenkungen nicht je nach Gesellschaftsform unterschiedlich ausfallen. (20)
Fazit: Eine Kompensation der Einnahmen aus den Umweltabgaben in erster Linie über
eine Senkung der Gewinnsteuer würde zu unerwünschten Verzerrungen führen und ist
aus rechtlicher Sicht höchst problematisch zu beurteilen. Daher sollte das Verwendungsmodell "Gewinnsteuersenkung" - wenn überhaupt - nur in Kombination mit anderen
Steuersenkungen realisiert werden. Aus dieser Sicht rückt Variante 3 "Senkung der Steueranlage" in den Vordergrund, da mit dieser Variante alle direkten Steuern gesenkt werden.
20 Gezielte Steuersenkungen, die bestehende Unterschiede bzw. Verzerrungen zwischen Unternehmen mit
unterschiedlicher Gesellschaftsform ausgleichen sollen, sind natürlich zulässig. Eine gezielte Senkung der
Gewinnsteuer entspräche aber nicht diesem Fall.
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B - 20
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B1.3 Reduktion der Kapitalsteuer für juristische Personen
Gegenstand der Kapitalsteuer ist das Eigenkapital von juristischen Personen.(21) Dazu gehören das einbezahlte Grund- bzw. Stammkapital, die offenen und die aus versteuerten
Gewinnen gebildeten stillen Reserven (vgl. Art. 68 StG).
Auch die Kapitalsteuer wird mit einem Dreistufentarif ermittelt. Der tiefste Einheitsansatz
von 0.60 Promille gilt für die ersten Fr. 210’000 Fr. Eigenkapital, der höchste Ansatz von 1
Promille gilt für das Eigenkapital, welches die Grenze von Fr. 510’000 überschreitet.
Bei Holding- und Domizilgesellschaften gilt eine besondere Regelung (vgl. Art. 71 und 71a
StG): Anstelle der ordentlichen Gewinn- und Kapitalsteuer entrichten diese Gesellschaftstypen eine Steuer zum festen Satz von 25 Rappen auf 1’000 Fr. des Eigenkapitals.
Grafik B-9 zeigt, wie der Kanton Bern bei der Kapitalsteuer von Aktiengesellschaften im
interkantonalen Vergleich abschneidet. Es fällt auf, dass der Kanton Bern für Unternehmen mit einem Eigenkapital von weniger als 1 Mio. Franken recht günstig abschneidet,
dass die Steuerlast für grössere Unternehmen aber um rund 10 Prozentpunkte über dem
schweizerischen Durchschnitt liegt.
Bei der Besteuerung von Holding- und Domizilgesellschaften nimmt der Kanton im interkantonalen Vergleich eine Mittelstellung ein. (22)
Grafik B-9:
Vergleich der steuerlichen Belastung des Eigenkapitals von Aktiengesellschaften in ausgewählten Kantonen, 1993 (23)
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Index (Schweiz = 100)
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St. Gallen
Zug
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50
100'000
50'000
10'000
5'000
1'000
500
100
40
Kapital und Reserven in 1'000 Fr.
21 Auch Holding- und Domizilgesellschaften bezahlen eine Kapitalsteuer.
22 Vgl. Eidgenössische Steuerverwaltung (1994), Steuerbelastung in der Schweiz 1993, S. 70 und 71.
23 Quelle: Eidgenössische Steuerverwaltung (1994), Steuerbelastung in der Schweiz 1993, S. 75.
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Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 21
a) Wirkung auf die Standortgunst
Eine Senkung der Kapitalsteuern erhöht die Standortgunst des Kantons Bern, da beim
wichtigen Standortfaktor ”Unternehmensbesteuerung” eine Verbesserung erzielt wird.
Bei einer gesamtschweizerischen Umfrage unter Unternehmen wurde dem Standortfaktor "Steuerbelastung von Unternehmen" ein sehr hoher Stellenwert beigemessen. Die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer stuften diesen Standortfaktor z.B. als wichtiger ein, als die Steuerbelastung für hochqualifizierte Arbeitnehmer.
Ansonsten gelten grundsätzlich die gleichen Überlegungen wie beim Verwendungsmodell ”Gewinnsteuersenkung” (vgl. Ziffer a) von Abschnitt 4.2.3). Auch hier muss der
Image-Effekt betont werden: Das Abgabenaufkommen würde längstens ausreichen, um
eine massive Reduktion der Kapitalsteuer zu finanzieren.
Gegenüber der Gewinnsteuerreduktion ergibt sich allerdings ein gewichtiger Unterschied:
Von der steuerlichen Entlastung profitieren nicht nur die erfolgreichen Unternehmen,
sondern alle juristischen Personen.
Die spezielle Regelung der Besteuerung der Holding- und Domizilgesellschaften im StG
sowie die vergleichsweise geringen Steuereinnahmen (vgl. Tabelle B-2) würden auch eine
Strategie ermöglichen, die auf eine deutliche Abnahme der steuerlichen Belastung von
Holding- und Domizilgesellschaften abzielt.
b) Verteilungsneutralität und Sozialverträglichkeit
Aus verteilungspolitischer Sicht schneidet die Variante 1a "Umwelt-Pauschale" eher ungünstig ab: Bei dieser Variante wird die Limite des steuerfreien Eigenkapitals von gegenwärtig Fr. 75’000 (Art. 70 Abs. 2 StG) erhöht. Aus diesem Grund profitieren juristische
Personen mit einem geringen Eigenkapital vergleichsweise stärker von der Steuersenkung. Diese Umverteilung lässt sich nicht begründen.
Wenn die einnnahmenseitige Kompensation über eine Kapitalsteuersenkung erfolgen
soll, dann wäre eine Steuersenkung gemäss den Varianten 3, 4 oder 1b vorzuziehen. Aufgrund der sehr geringen "Progression" der Kapitalsteuer ergeben sich zwischen diesen
Varianten praktisch keine unterschiedlichen "Verteilungswirkungen".
Aus verteilungspolitischer Sicht bleibt zu beachten, dass von einer Reduktion der Kapitalsteuer nur juristische Personen (Kapitalgesellschaften und Genossenschaften) profitieren.
Personengesellschaften (z.B. Kollektivgesellschaften) und Einzelunternehmen werden
von der Steuersenkung nicht betroffen.
Zudem stellt die Kapitalsteuer eine eher unausgewogene Bemessungsgrundlage dar: Es
ist nicht einzusehen, warum kapitalintensive Unternehmen von den Kompensationen im
Rahmen des Systems MUEK stärker profitieren sollen, als weniger kapitalintensive Unternehmen.
Fazit: Wie das Verwendungsmodell "Reduktion der Gewinnsteuer" sollte auch eine Kapitalsteuersenkung nur in Kombination mit anderen Steuersenkungen realisiert werden. Als
Hauptinstrument würde es zu viele unerwünschte Effekte aufweisen.
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B - 22
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B2 Rückerstattungsmodelle
Die zweite staatsquotenneutrale Verwendungsform sind direkte Rückerstattungsmodelle,
bei welchen die Einnahmen aus den Umweltabgaben über bestimmte Kanäle an die
Haushalte und an die Wirtschaft zurückerstattet werden. Der Anteil von Haushalten und
Unternehmen an den zurückzuerstattenden Gesamteinnahmen richtet sich nach der jeweiligen Abgabenlast (vgl. dazu Kapitel 4 und 6).
In der Literatur werden verschiedene Kanäle für die direkte Rückerstattung der Einnahmen aus Umweltabgaben aufgeführt. Am häufigsten genannt werden die folgenden Kanäle:
Rückerstattung an Bevölkerung/Haushalte
Rückerstattung an die Wirtschaft
– Reduktion der Beiträge der Arbeitnehmer an – Arbeitsplatzbonus: Auszahlung eines Paudie Sozialversicherungen (AHV, IV, EO, ALV)
schalbetrags pro Arbeitsplatz
– Rückerstattung über die Krankenpflegeversi- – Lohnsummenbonus:
cherung
– Verrechnung mit der Steuerrechnung bzw.
direkte Auszahlung
Rückerstattung gemäss AHV-Lohnsumme resp. Reduktion der
Beiträge der Arbeitgeber an die Sozialversicherungen (AHV, IV, EO, ALV)
Der Rückerstattungskanal soll einerseits alle betroffenen Personen erfassen und andererseits von einer kantonalen Optik ausgehen. Diese Anforderungen haben Rückwirkungen auf die Anwendbarkeit der oben genannten Rückerstattungskanäle. Drei der oben
erwähnten Rückerstattungskanäle müssen nicht vertieft betrachtet werden, weil eine
Realisierung auf kantonaler Ebene praktisch ausgeschlossen ist (B2.1 bis B2.3).
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Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 23
B2.1 Reduktion der Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherungen
Bei diesem Rückerstattungskanal werden nicht alle von den Umweltabgaben betroffenen
Personen erreicht. Nur gerade die erwerbstätige Bevölkerung käme in den Genuss der
einnahmenseitigen Kompensation. Zudem müssten administrative Probleme gelöst werden, da die AHV nicht über den Kanton, sondern vom Bund via Ausgleichskassen administriert wird.
ECOPLAN
B - 24
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B2.2 Rückerstattung über die Krankenpflegeversicherung
Im Vernehmlassungsbericht zu einer CO2-Abgabe auf Bundesebene steht dieser administrative Weg zur Rückerstattung der anteilsmässigen Einnahmen an die Bevölkerung im
Vordergrund. Es wird vorgeschlagen, 3/4 der Gesamteinnahmen über einen fixen Prämienabzug bei der Krankenpflegeversicherung zurückzuerstatten. Diese Lösung stellt
keine Subventionierung der Krankenkassen oder der Krankenkassenprämien dar. Die
Krankenkassenprämien dienen lediglich als einfacher administrativer Weg für die Rückerstattung. Der Vergütungsbetrag kann jährlich aufgrund des Volumens der Einnahmen aus
den Umweltabgaben und der Zahl der Versicherten festgelegt werden und richtet sich also nicht nach der Entwicklung der Krankenpflegekosten. Mit diesem Rückerstattungskanal werden über 99% der inländischen Bevölkerung erfasst.(24)
Folgende Punkte sprechen für eine grundsätzliche Anwendbarkeit dieses Rückerstattungskanals auf kantonaler Ebene: (25)
❏ Bernerinnen und Berner sind in aller Regel bei einer "bernischen" Kasse versichert.
Entweder handelt es sich um eine Berner Sektion einer gesamtschweizerisch auftretenden Kasse oder aber um eine kleine, nur im Kanton Bern tätige Kasse. Nur in wenigen Einzelfällen ist eine Bernerin oder ein Berner bei einer kleinen Kasse versichert,
die über keine Niederlassung im Kanton Bern verfügt.
❏ Nach dem 1. Januar 1996 muss jede Person (inkl. Kinder, Ausländerinnen und Auslän-
der) mit Wohnsitz in der CH eine Krankenversicherung abgeschlossen haben. Der
Rückerstattungskanal erfasst damit die Grundgesamtheit der bernischen Bevölkerung
optimal.
❏ Rund zwei Drittel aller Versicherten sind bei ihrer Kasse EDV-mässig erfasst. Für die
kleineren Krankenkassen übernimmt das Rechenzentrum Solothurn die EDV-mässige
Erfassung der Versicherten. Wiederum ist nur mit einigen wenigen Einzelfällen von
Versicherten zu rechnen, die nicht EDV-mässig erfasst sind. Dabei handelt es sich
ausschliesslich um Versicherte von kleinen Krankenkassen. Die entsprechenden kleinen Kassen wären allerdings problemlos in der Lage, anhand der Postleitzahl den
(bernischen) Wohnsitz der Versicherten festzustellen.
❏ Auch im technisch-administrativen Bereich dürften wenig Probleme auftreten. Die
Rückerstattung sollte mit einem beschränkten administrativen Aufwand möglich sein.
Es ist allerdings zu beachten, dass bisher noch keine systematische, detaillierte Analyse dieses Rückerstattungskanals erfolgt ist, weder durch die rund 150 Krankenkassen selber noch durch Dritte.
❏ Zudem ist zu bedenken, dass keine Kontrolle des Wohnsitzes der versicherten Person
vorgenommen wird. Es wäre denkbar, dass Personen missbräuchlich einen bernischen Wohnsitz angeben, um die Rückerstattung zu "erschleichen".
24 EDI (1994), CO2-Abgabe auf fossilen Energieträgern, S. 28 f.
25 Die folgenden Ausführungen beruhen auf einem Experten-Gespräch mit Herrn Christen vom Konkordat
der schweizerischen Krankenkassen. Das Gespräch fand am 19. Juli 1995 statt. Herr Christen ist Autor der
Stellungnahme des Konkordates der schweizerischen Krankenkassen zur CO2-Abgaben-Vorlage des
Bundesrates.
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Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 25
Trotz den bisher erwähnten Punkten kommen wir aus den untenstehenden Gründen zum
Schluss, dass dieser Rückerstattungskanal nicht in erster Priorität weiterverfolgt werden sollte:
❏ In ihrer Stellungnahme zum Vernehmlassungsbericht zu einer CO2-Abgabe auf Bun-
desebene haben sich die rund 150 Krankenkassen eher negativ zu dieser zusätzlichen Funktion der Kassen geäussert:
– Aus der Sicht der Krankenkassen stellt die Funktion als Rückerstattungskanal eine
"artfremde" Aufgabe dar. Die Kassen betonen, dass sie sich in erster Linie als Krankenversicherer und nicht als "Einnahmenrückerstattungsstelle" verstehen.
– Die Übernahme artfremder Aufgaben käme für die Kassen nur in Frage, wenn sie wie im Fall der Rückerstattung der Einnahmen aus einer CO2-Abgabe auf Bundesebene vorgesehen - für ihre Aufwendungen entschädigt würden. Vor dem Hintergrund der Finanzknappheit der öffentlichen Hand und der Schwierigkeit, den Zusatzaufwand für die neue Funktion genau zu erfassen, zweifeln die Kassen, ob sie
in vollem Umfang für ihren zusätzlichen Aufwand entschädigt werden würden.
– Weiter werden die Krankenkassen im Rahmen der Umsetzung des neuen Krankenversicherungsgesetzes neue Aufgaben übernehmen müssen. Schon aus diesem
Grund wehren sie sich gegen zusätzliche, artfremde Aufgaben. Dieses Argument
wird bereits in der Stellungnahme zur CO2-Abgabe geltend gemacht. Artfremde
Anliegen eines einzelnen Kantons würden vor diesem Hintergrund auf eine noch
stärkere Ablehnung stossen, da die Gefahr bestünde, ein Präjudiz für weitere kantonale Anliegen zu schaffen.
– Schliesslich machen die Krankenkassen noch ein Image-Problem geltend: Wenn die
Einnahmen aus den Umweltabgaben im Laufe der Zeit zurückgehen, fällt auch die
Rückerstattung geringer aus. Wenn die Rückerstattung mit den Prämien verrechnet
würde, ergäben sich in diesem Fall höhere Prämienrechnungen. Die Kassen zweifeln, ob den Versicherten deutlich gemacht werden kann, dass die höheren Rechnungen nicht auf eine Kostensteigerung im Gesundheitswesen zurückzuführen wären, sondern auf eine Abnahme der Einnahmen aus den Umweltabgaben. (26)
❏ Der vielleicht wichtigste Punkt der gegen diesen Rückerstattungskanal spricht, ist mit
einer allfälligen Annäherung der Schweiz an Europa verbunden. Wenn die Schweiz
dem EWR oder der EU beitreten sollte, gelten die vier Freiheiten (freier Personenverkehr, freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr und freier Kapitalverkehr).
Zum freien Dienstleistungsverkehr zählen auch die Versicherungen. In diesem Fall
könnte man sich bei irgendeiner Versicherung in Europa gegen Krankheit versichern.
Entsprechend schwieriger würde es, alle Personen mit bernischem Wohnsitz zu erreichen.
Zum Schluss, den Rückerstattungskanal "Krankenkassen" nicht weiterzuverfolgen, kommen wir auch, weil es besser geeignete Kanäle gibt.
26 Dieses Kommunikationsproblem kann allerdings einfach gelöst werden: Die Rückerstattung wird nicht mit
den Prämien verrechnet, sondern als selbständige Auszahlung vorgenommen. In diesem Fall ergeben sich
allerdings zusätzliche Inkassokosten.
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B - 26
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B2.3 Verrechnung mit der Steuerrechnung bzw. Auszahlung
Die Steuererklärung muss grundsätzlich von jeder natürlichen Person(27) ausgefüllt werden
– die im Kanton Bern ihren Wohnsitz hat oder sich, ohne in der Schweiz einen Wohnsitz
zu haben, im Kanton Bern aufhält und hier eine Erwerbstätigkeit ausübt,
– die trotz ausserkantonalem Wohnsitz im Kanton Bern als Eigentümerin oder Nutzniesserin Grundstücke besitzt oder die als Inhaberin oder Teilhaberin (Einzelfirma, Personengesellschaft) im Kanton Bern einen Geschäftsbetrieb oder eine Filiale eines solchen unterhält (teilweise Steuerpflicht).
Keine Steuererklärung ausfüllen müssen folgende, im Kanton Bern lebende Personen:
– Quellenbesteuerte
– auswärts (d.h. nicht im Kanton Bern) bevormundete Personen
Die EDV-mässige Erfassung der Steuerpflichtigen ist weit fortgeschritten: Von den fast
570'000 steuerpflichtigen natürlichen Personen des Kantons Bern (Stand 1994), sind
mehr als 99% erfasst. Da auf der Steuererklärung auch die Zahl der im gleichen Haushalt
lebenden Kinder aufgeführt werden muss, wird das Ziel, möglichst alle im Kanton Bern
lebenden natürlichen Personen zu erfassen, vergleichsweise gut erreicht.
Bei diesem direkten Rückerstattungsmodell erfolgt die Rückerstattung der Einnahmen
aus den Umweltabgaben in Form eines Pauschalbetrages pro Kopf. Für Kinder unterhalb einer bestimmten Altersschwelle wäre z.B. die halbe Pauschale zu verrechnen.
Grundsätzlich sind zwei Varianten denkbar:
– Einmal im Jahr nimmt die Steuerverwaltung unabhängig von der Steuerrechnung eine
Auszahlung des Pauschalbetrages vor.
– Der Pauschalbetrag wird von der Steuerrechnung abgezogen und z.B. mit der ersten Steuerrate und mit der Schlussabrechnung verrechnet. Wenn der Pauschalbetrag
höher ist als die insgesamt geschuldeten Steuern, wird eine entsprechende Auszahlung vorgenommen.
Das System MUEK muss aus verfassungsrechtlichen Gründen auch die Quellenbesteuerten einbeziehen. Da die Quellenbesteuerten kommunal erfasst werden, verfügt der Kanton verfügt über kein entsprechendes Register und damit auch nicht über die Adressen
der rund 30'000 Quellenbesteuerten. Ein Einbezug könnte wie folgt erfolgen:
– Eine Möglichkeit besteht darin, dass Qellenbesteuerte das Recht haben, einen Antrag
auf Auszahlung der Pauschale zu stellen.
– Die Gemeinden übernehmen im Auftrag des Kantons die Auszahlung der Pauschale.
Aufgrund der Unterlagen, die Quellenbesteuerte bzw. deren Arbeitgeber bei der Gemeinde einreichen müssen, besitzen die Gemeinden genügend Informationen, um die
Höhe des Pauschalbetrages zu bestimmen. Die Summe der Pauschalen würde anschliessend dem Kanton in Rechnung gestellt.
27 Vgl. Kantonale Steuerverwaltung, Allgemeine Wegleitung zum Ausfüllen der Steuererklärung für natürliche
Personen.
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Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 27
a) Wirkung auf die Standortgunst
Da bei diesem Rückerstattungsmodell sämtliche natürlichen Personen mit Wohnsitz im
Kanton Bern (inkl. Kinder) berücksichtigt werden, fällt die Entlastung pro Person geringer
aus als bei einem Steuersenkungsmodell, welches nur die steuerpflichtigen natürlichen
Personen erfasst.
Mit diesem Rückerstattungsmodell kann die Wohnortgunst des Kantons Bern für hochqualifizierte und damit tendenziell besser verdienende Arbeitskräfte weniger gezielt verbessert werden als bei einer Senkung der Einkommenssteuer. Aus der Sicht der Wirkung
auf die Standortgunst schneidet dieses Modell daher weniger gut ab als ein Steuersenkungsmodell, welches zu einer geringeren Fiskalbelastung der natürlichen Personen
führt.
Nach Angaben der eidgenössischen Steuerverwaltung kann die pauschale Rückerstattung im Steuerindex erfasst werden, wenn die Pauschale in der kantonal-bernischen
Steuergesetzgebung aufgeführt ist. Die Reduktion der Fiskalbelastung durch die pauschale Rückerstattung könnte damit "nach aussen" kommuniziert werden.
b) Verteilungsneutralität und Sozialverträglichkeit
Beim Kriterium "Sozialverträglichkeit" schneidet das Modell Pauschale pro Kopf gut ab: Im
Verhältnis zum Einkommen macht die pauschale Rückerstattung pro Kopf bei niedrigen
Einkommen einen höheren Prozentanteil aus. Das Modell ist geeignet, die regressive
Wirkungen der Umweltabgaben auszugleichen.
Aus sozialpolitischer Sicht ist auch die Familienfreundlichkeit des Modells positiv hervorzuheben.
Die Verteilungsneutralität kann natürlich mit einer Kombination mit einem Rückerstattungsmodell zu Gunsten der Unternehmen erreicht werden.
c) Administrativer Aufwand
Um den administrativen Aufwand für die Auszahlung der Pauschalen pro Kopf in engen
Grenzen zu halten, drängt sich folgendes Vorgehen auf:(28) Die Pauschale pro Kopf wird
im Sinne einer Gutschrift mit der ersten Steuerrate verrechnet. Wenn die Pauschale den
Betrag der ersten Steuerrate übersteigt, erfolgt eine Auszahlung.
Der Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass zusammen mit der ersten Steuerrate verschiedene Auszahlungen vorgenommen werden. Insbesondere erfolgt zu diesem Zeitpunkt die Rückerstattung der Verrechnungssteuer. Dabei werden auch Auszahlungen an
jene Personen vorgenommen, die keine Steuern bezahlen. Entsprechend kleiner wird die
28 Die folgenden Ausführungen basieren auf einem Gespräch 13. September 1995 mit Herrn Rufener von
der Staatskasse Thun.
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B - 28
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Zahl von Auszahlungen, die eigens für die Rückerstattung der Pauschale pro Kopf aus
dem System MUEK erfolgen.
Eine Grobschätzung des administrativen Aufwands hat folgendes ergeben:
– Die Anpassung der Software dürfte einen Aufwand von Fr. 40 - 50'000.- verursachen.
– Die Auszahlung der Pauschalen - nur vorgesehen, wenn der Betrag der ersten Steuerrate kleiner als die Pauschale ist - erfolgt zu sehr geringen Kosten direkt auf ein Postcheck- oder Bankkonto, wenn die Steuerverwaltung über die entsprechenden Angaben verfügt.
– Ist dies nicht der Fall, erfolgt eine Barauszahlung. Bei einem Betrag von z.B. Fr. 100.kostet die Barauszahlung Fr. 4.-. Wenn im Sinne einer oberen Grenze unterstellt wird,
dass sämtliche 70'000 Auszahlungen - so viele Personen bezahlen keine Steuern,
weshalb eine Verrechnung mit dem Betrag der ersten Steuerrechnung nicht möglich
ist - in bar erfolgen müssten, ergäbe sich ein Aufwand von Fr. 280'000.Insgesamt ist davon auszugehen, dass der administrative Aufwand für die Rückerstattung
einer Pauschalen pro Kopf pro Jahr deutlich unter 0.5 Mio. Fr. zu liegen käme.
Hinzu käme der administrative Aufwand für die Rückerstattung der Pauschalen an die
Quellenbesteuerten. Wenn die Auszahlung über die Gemeinden erfolgt, ist auch dieser
Aufwand als eher gering einzustufen, da die Gemeinden von den Quellenbesteuerten
ohnehin bestimmte Angaben erfassen müssen.
d) Rechtliche Verankerung des Verwendungsmodells
Die Rückerstattung wäre in einem MUEK-Gesetz zu verankern. In den verschiedenen
Gesetzen, in denen die Abgaben geregelt sind, wäre jeweils bezüglich der Einnahmenverwendung ein Verweis auf dieses MUEK-Gesetz aufzunehmen.
e) Flexibilität
Schwankungen bei den Einnahmen aus den Umweltabgaben lassen sich mit diesem
Rückerstattungsmodell problemlos auffangen: Die Gesamtsumme der an die Haushalte
(und Unternehmen) zurückzuerstattenden Mittel kann jährlich aufgrund der im Vorjahr
oder der im mittel- bis längerfristigen Durchschnitt anfallenden Einnahmen festgelegt
werden.
ECOPLAN
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 29
B2.4 Arbeitsplatzbonus
Die Anzahl Arbeitsplätze einer Unternehmung im Kanton Bern wird von den Behörden
bisher (ausser zu statistischen Zwecken) nicht erfasst. Sie kann aber der AHV-Abrechnung entnommen werden. Allerdings stellt sich hier das Problem, dass die AHV-Abrechnung nicht nach Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten unterscheidet. Es würde somit zu
grossen Ungerechtigkeiten führen, wenn ein Betrieb mit vielen Aushilfen und Teilzeitkräften gleich behandelt würde wie ein Betrieb, der die gleiche Anzahl Vollzeitangestellte
aufweist.
Die AHV-Abrechnung weist zwar die Beschäftigungsdauer (ein Monat, ganzes Jahr etc.)
aus, wird aber nicht danach ausgewertet. Hier wäre also ein bedeutender Zusatzaufwand
nötig, wenn nach der Beschäftigungsdauer unterschieden werden soll - oder es wäre
eine entsprechende, potentiell grosse Ungerechtigkeit in Kauf zu nehmen.
Somit ergeben sich entweder grosse administrative Aufwendungen oder deutliche Ungerechtigkeiten, so dass wir diese Lösung nicht empfehlen und nicht weiterverfolgen.
ECOPLAN
B - 30
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B2.5 Lohnsummenbonus
In diesem Modell bemisst sich die Kompensation nach der Lohnsumme der Unternehmungen, wobei wir vorschlagen, auf die AHV-Lohnsumme zurückzugreifen. Gegenüber
den Steuersenkungsmodellen zeichnet sich dieses Rückerstattungsmodell dadurch aus,
dass die Unternehmen unabhängig von ihrer Gesellschaftsform erfasst werden.
❏ Bei den juristischen Personen ergeben sich keine besonderen Probleme stellen, da
die AHV-Lohnsumme ohnehin jährlich erfasst und der AHV gemeldet werden muss.
Der einzige Zusatzaufwand: Es muss zwischen Arbeitskräften unterschieden werden,
die im oder ausserhalb des Kantons Bern tätig sind.
❏ Bei Selbständigerwerbenden ist die Situation grundsätzlich vergleichbar: In der
Steuererklärung muss das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit angegeben
werden. Diese Zahl wird von der Steuerverwaltung EDV-mässig erfasst. Sie wird zudem korrigiert, sofern sie auch Teile von Einkünften aus Nichterwerbstätigkeit enthält.
In diesem Einkommen sind deklarierte Eigensaläre und - anders als bei juristischen
Personen - auch der Reingewinn enthalten. Dieser Unterschied spricht u.E. aber nicht
gegen die Logik des Verwendungsmodells "Lohnsummenbonus". Der Unterschied besteht auch bei der AHV-Abrechnung. Zudem kann der Mix zwischen Eigenlohn und
Gewinn von Selbständigerwerbenden weitgehend nach eigenem Ermessen festgelegt
werden.
Vom ausgewiesenen Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit müsste die
Steuerverwaltung noch den Zins auf dem investierten Eigenkapital abziehen.(29) Die
Basis für die Berechnung, das investierte Eigenkapital, ist in der Steuererklärung aufgeführt.
Das Verwendungsmodell "Lohnsummenbonus" verursacht bei den Selbständigerwerbenden gewisse Schwierigkeiten in zeitlicher Hinsicht. Unter Berücksichtigung den
Einsprachemöglichkeiten und den entsprechenden Fristen ist davon auszugehen, dass
die Höhe des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit erst etwa 2-3 Jahre
nach Ablauf des entsprechenden Geschäftsjahres definitiv vorliegt. (30)
Der Lohnsummenbonus würde sich also auf ein Geschäftsjahr beziehen, welches einige Jahre zurückliegt. Der Grosse Rat wird in der Steuergesetzrevision "Steuergesetz
2000" entscheiden, ob zur Gegenwartsbesteuerung übergegangen werden soll. Falls
dieser Wechsel vollzogen wird, sinkt der beschriebene "time lag" um 1-2 Jahre. Ein
gewisser "time lag" wird aber nicht zu verhindern sein. Es ist allerdings zu beachten,
dass ein solcher bereits heute bei der AHV-Zahlung besteht, und diese Zahlungen fallen weit stärker ins Gewicht als der allfällige Lohnsummenbonus für Selbständigerwerbenden. Das gleiche Problem besteht übrigens auch bei der Rückerstattung der
Verrechnungssteuer. Eine ausgefeilte Lösung konnte in diesem Fall gefunden werden.
29 Diese Rechnung wird heute bereits von der AHV durchgeführt, um das massgebende Erwerbseinkommen
zu ermitteln. Angenommener Zinssatz 1995: 7%.
30 Beispiel: Die Steuererklärung für die Jahre 1993/94 musste auf den 15. März 1995 eingereicht werden.
Die Bearbeitungszeit bei der Steuerverwaltung dauert ca. ein Jahr. Entsprechend liegt die definitive Veranlagung im Februar/März 1996 vor.
ECOPLAN
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 31
Das Modell "Lohnsummenbonus" ist zudem das einzige Rückerstattungsmodell auf der
Wirtschaftsseite, bei welchem auch die öffentliche Verwaltung und die öffentlichen Unternehmen, welche keine Steuern bezahlen, in die Rückerstattung integriert würden.
Die Kompensation würde jährlich basierend auf den Einnahmen der Umweltabgaben als
Prozentsatz der AHV-Lohnsumme festgelegt. Die AHV-Lohnsumme beträgt im Kanton
Bern ca. 30 Milliarden Franken pro Jahr(31), so dass eine Kompensation von z.B. 300 Mio.
Fr. rund 1% der AHV-Lohnsumme ausmachen würden.
a) Wirkung auf die Standortgunst
Vom Lohnsummenbonus profitieren sämtliche Unternehmungen unabhängig von ihrer
Gesellschaftsform. Anders als bei einer Steuersenkung ist die Kompensation nicht vom
Gewinn, vom Kapital oder von der Rendite abhängig, so dass z.B. auch Unternehmungen
in der Verlustzone.
Der Lohnsummenbonus bevorteilt Unternehmungen mit einem hohen Personalkostenanteil und benachteiligt tendenziell kapitalintensive Unternehmungen. Der Dienstleistungssektor dürfte also überdurchschnittlich profitieren, während die Industrie eher weniger
entlastet wird. Trotzdem kann der Lohnsummenbonus (auch angesichts der ohnehin hohen Besteuerung des Produktionsfaktors Arbeit) als sehr ausgewogenes Kompensationssystem gelten, besonders im Vergleich zu Unternehmenssteuersenkungen.
Die besonders starke Wirkung auf Firmen mit überdurchschnittlichen Lohnkosten ist aus
Sicht der Standortgunst durchaus erwünscht, da die Wertschöpfung dieser Branchen im
allgemeinen höher ist. Die Standortgunst für hoch qualifizierte Arbeitnehmer resp. deren
Arbeitgeber wird damit besonders erhöht, ohne dass diese Kompensationsweise unausgewogen wäre. (32)
Die Tatsache, dass auch die öffentliche Verwaltung und die öffentlichen Betriebe integriert sind, ist aus der Sicht der Standortgunst hingegen negativ zu beurteilen, da nun ein
bedeutender Teil der Einnahmen aus den Umweltabgaben nicht mehr für eine Entlastung
der Unternehmen vorhanden sind. Bei einer Konkretisierung des Konzeptes wäre deshalb
zu prüfen, ob die öffentliche Verwaltung nicht vom Rückerstattungsmodell ausgenommen werden könnte.
Ein gewisser Nachteil aus der Sicht des Kriteriums "Verbesserung der Standortgunst"
stellt die Tatsache dar, dass der Lohnsummenbonus im Steuerindex nicht berücksichtigt
werden kann. In den Veröffentlichungen der eidgenössischen Steuerverwaltung(33)
würde sich die Position des Kantons Bern im interkantonalen Vergleich nicht verbessern.
31 Schätzung basierend auf eigenen Berechnungen.
32 Theoretisch denkbar wäre eine Bemessung nach einer plafonierten Lohnsumme, z.B. der ALV- oder UVGLohnsumme, die bei ca. 97'000 Fr. ihr Maximum erreicht. Damit wären besonders hohe Löhne nicht mehr
zusätzlich kompensationsberechtigt und vergleichsweise benachteiligt.
33 Im Vordergrund steht die Publikation "Steuerbelastung in der Schweiz", Reihe 18 "Öffentliche Finanzen".
ECOPLAN
B - 32
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Die Entlastung der bernischen Unternehmen müsste über andere Wege Publik gemacht
werden.
Dennoch kann die Wirkung auf die Standortgunst als insgesamt gut bis sehr gut beurteilt
werden.
b) Verteilungsneutralität und Sozialverträglichkeit
Die Verteilungsneutralität kann durch eine Kombination mit Kompensationsvarianten auf
der Haushaltsseite erreicht werden.
Die relative Benachteiligung kapitalintensiver Unternehmungen könnte evtl. zu Problemen
führen, besonders wenn gleichzeitig hohe Abgabebelastungen anfallen. Dies wäre allenfalls vertieft zu untersuchen.
c) Administrativer Aufwand
Der administrative Aufwand bei der Verwaltung hängt von der konkreten Ausgestaltung
der Abläufe ab. Am einfachsten dürfte es sein, wenn die juristischen Personen der
Steuerverwaltung zusammen mit der Steuererklärung eine Kopie der AHV-Lohnmeldung
zustellen und gleichzeitig die Berechnungsbasis für den Lohnsummenbonus ausweisen.(34) Die Steuerverwaltung ist schon heute gezwungen, sämtliche Angaben der Steuererklärung EDV-mässig zu erfassen. Mit dem Lohnsummenbonus käme eine zusätzlich
Zahl hinzu.
Wie oben erwähnt, ist bei den Selbständigerwerbenden die relevante Berechnungsbasis (d.h. das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit) ohnehin EDV-mässig erfasst
und steht somit für die Ermittlung des Lohnsummenbonus nach Einreichung der Steuererklärung grundsätzlich zur Verfügung.
In beiden Fällen ist eine entsprechende, einmalige Anpassung der Software notwendig.
Obwohl die Anpassung technisch kaum grössere Probleme stellen wird, dürfte der administrative Aufwand deutlich höher sein, als beim Verwendungsmodell "Pauschale pro
Kopf", wo er auf 40 - 50'000 Fr. geschätzt wurde (vgl. Ziffer c) in Abschnitt B2.3).
Für die Auszahlung des Lohnsummenbonus stehen die gleichen zwei Möglichkeiten wie
bei dem Verwendungsmodell "Pauschale pro Kopf" offen:
– Verrechnung mit der Steuerrechnung
– Auszahlung mit einem Check (unabhängig von der Steuerrechnung).
Firmen mit Niederlassungen in mehreren Kantonen gliedern ihre AHV-Abrechnung in
vielen Fällen nicht nach Kantonen resp. Arbeitsorten. Seitens der Ausgleichskassen besteht keine Möglichkeit, eine Aufgliederung nach Kantonen zu verlangen oder zu erstellen. Es hängt von den EDV-Systemen dieser Unternehmungen ab, mit welchem Zusatzaufwand ein Separatausdruck der bernischen AHV-Pflichtigen möglich ist. In jedem Fall
34 Die AHV-Lohnmeldung muss bereits im Januar des Jahres erfolgen, also vor dem Termin der Einreichung
der Steuererklärung.
ECOPLAN
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
B - 33
ist hier bei den betroffenen Unternehmungen mit einem Zusatzaufwand zu rechnen.
Aufgrund erster Gespräche mit Personalverantwortlichen von Unternehmen, die auch
ausserhalb des Kantons Bern Betriebsstätten aufweisen, scheint sich dieser Aufwand
aber in Grenzen zu halten. Abgrenzungsprobleme können sich allenfalls bei Vertretern
und ähnlichen Berufen ergeben, die keinen festen Arbeitsort haben.
Zusammenfassend: Der Lohnsummenbonus ist vollziehbar, erfordert aber auf Kantonsund Unternehmensseite insbesondere in der Einführungsphase einen Mehraufwand,
d) Rechtliche Verankerung des Verwendungsmodells
Wiederum wäre die Kompensation u.E. am ehesten in einem separaten Gesetz zu verankern. In den verschiedenen Gesetzen, in denen die Abgaben geregelt sind, wäre jeweils
bezüglich der Einnahmenverwendung ein Verweis auf dieses "MUEK-Gesetz" aufzunehmen.
Denkbar wäre auch eine Integration ins Steuergesetz, wobei sowohl die juristischen Personen wie die Selbständigerwerbenden berücksichtigt werden müssten.
e) Flexibilität
Auch bei dieser Kompensationsart lassen sich Schwankungen bei den Einnahmen problemlos auffangen, indem der Kompensationssatz jeweils in Abhängigkeit von den Einnahmen festgelegt wird.
ECOPLAN
B - 34
Anhang B: Detailevaluation der Verwendungsmodelle
Schlussfolgerungen
Die Diskussion der verschiedenen Verwendungsmodelle hat folgendes gezeigt:
– Die Machbarkeit eines Umweltabgaben-Systems mit einnahmenseitiger Kompensation auf kantonaler Ebene wird durch die Verwendungsseite nicht in Frage gestellt.
Sowohl auf der Haushaltsseite als auch auf der Wirtschaftsseite konnten machbare
Verwendungsmodelle gefunden werden.
– Als Verwendungsmodelle sind Steuersenkungen und direkte Rückerstattungen möglich.
– Die verschiedenen Verwendungsmodelle haben unterschiedliche Auswirkungen auf
die beiden Beurteilungskriterien "Verbesserung der Standortgunst" und
"Sozialverträglichkeit". Je nachdem welchem der beiden Kriterien der grössere Stellenwert beigemessen wird, stehen unterschiedliche Verwendungsmodelle im Vordergrund.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Beurteilungskriterien kommen wir zum Schluss, dass
für das System MUEK auf kantonaler Ebene folgende Verwendungsmodelle in Betracht
gezogen werden sollten:
Bevölkerung / Haushalte
Wirtschaft / Unternehmen
– Senkung der Steueranlage
– Senkung der Steueranlage
– Pauschale pro Kopf: Verrechnung mit der – Lohnsummenbonus
Steuerrechnung bzw. direkte Auszahlung
Die Begründung für diesen Vorschlag lautet:
❏ Die Senkung der Steueranlage hat sich als das mit Abstand am einfachsten zu voll-
ziehende Steuersenkungsmodell erwiesen. Mit diesem Modell wird an der Struktur
und an der Bedeutung der verschiedenen Steuerarten für den Staatshaushalt nichts
geändert. Dies wäre aber der Fall, wenn gezielt bei einer bestimmten Steuer ein Rabatt auf dem Steuerbetrag (Variante 4) gewährt würde. Gegen die Varianten 1a und 1b
("Einführung eines zusätzlichen Abzuges") sprechen die schwerwiegenden rechtlichen
Einwände (Stichwort Steuerharmonisierungsgesetz).
❏ Mit der Pauschalen pro Kopf kann, falls dies gewünscht wird, eine vollständig sozial-
verträgliche Lösung erreicht werden. Kein anderes Modell kann dieses Kriterium zu
ähnlich tiefen Vollzugskosten erfüllen.
❏ Der Lohnsummenbonus ist neben der Senkung der Steueranlage das einzige Ver-
wendungsmodell, welches auf kantonaler Ebene zur gezielten einnahmenseitigen
Kompensation der Unternehmen eingesetzt werden kann. Es erfüllt diese Aufgabe
besser als die Senkung der Steueranlage, da auch Personengesellschaften und Selbständigerwerbende erfasst werden.
Aufgrund dieser Schlussfolgerungen wird in Kapitel 4 der vorliegenden Machbarkeitsstudie nur noch von diesen Verwendungsmodellen ausgegangen. Insbesondere werden
Kombinationen der Modelle diskutiert.
ECOPLAN
Anhang C: Arbeitsbereiche/Arbeitsgruppen im Umfeld von MUEK
C-1
Anhang C: Arbeitsbereiche/Arbeitsgruppen im
Umfeld von MUEK
Inhaltsverzeichnis:
Abfallabgabe ........................................................................................................... 2
Abwasserabgabe .................................................................................................... 2
Wasserabgabe........................................................................................................ 2
Elektrizitätsabgabe.................................................................................................. 2
Bodenversiegelungsabgabe.................................................................................... 2
Parkplatzpolitik........................................................................................................ 3
Übergeordnete Gremien......................................................................................... 4
BVE, Dr. R. Meier
C-2
Anhang C: Arbeitsbereiche/Arbeitsgruppen im Umfeld von MUEK
BVE, Dr. R. Meier
Anhang C: Arbeitsbereiche/Arbeitsgruppen im Umfeld von MUEK
BVE, Dr. R. Meier
C-3
C-4
Anhang C: Arbeitsbereiche/Arbeitsgruppen im Umfeld von MUEK
BVE, Dr. R. Meier
Anhang C: Arbeitsbereiche/Arbeitsgruppen im Umfeld von MUEK
BVE, Dr. R. Meier
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