Neue Moderatoren braucht das Land
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Neue Moderatoren braucht das Land
media TV-SHOWS Neue Moderatoren braucht das Land NACHWUCHS Sat.1 setzt Harald Schmidt ab, Thomas Gottschalk ist angezählt. Off Harald Schmidt muss seinen Schreibtisch wieder zudecken. Wie lange Gottschalk noch den Daumen hebt, ist ungewiss. Es dauerte keine vier Stunden – und das Fell des Bären war verteilt. „Ich will den Schreibtischstuhl und die Kameras. Klaas kriegt Helmut Zerlett und den dunkelhäutigen Bassisten“, teilte Satiriker und Moderator Jan Böhmermann ironietrunken via Twitter mit. Gerade erst hatte Sat.1 Harald Schmidt aus dem Programm gekegelt, schon wurde sein Late-Night-Inventar inklusive Band-Personal aufgeteilt. Mit Klaas meinte Jan Böhmermann übrigens Klaas Heufer-Umlauf, ebenfalls Moderator, und bekannt als die bessere Hälfte des Anarcho-Moderatorenduos Joko und Klaas. Heufer-Umlauf twitterte ebenfalls zum Schmidt-Aus: „Ein trauriger Tag fürs Fernsehen.“ Und – mit digitalem Augenzwinkern: Finanziell sei es für ihn und Böhmermann auch ärgerlich. Beide waren zuletzt Teil des Harald-SchmidtEnsembles und traten abwechselnd als Sidekicks des LateNight-Moderators auf. Böhmermann und Heufer-Umlauf sind Schmidts Zöglinge – und Teil einer neuen Generation von Fernsehmoderatoren, die das Erbe von Schmidt, dem deutlich angezählten Thomas Gottschalk oder auch dem fast schon in Vergessenheit geratenen Jürgen von der Lippe antreten können. ON OFF 50 Werben & Verkaufen 3 14/2012 Die „Generation Klaas“: um die 30, unkonventionell, Humor: teils anarchisch, IQ: deutlich messbar, schlagfertig, wortwitzig und zeitgeistkompatibel. Die Älteren werden sagen: So, wie auch Gottschalk und Co. vor 30 Jahren einmal waren. Zu der neuen Moderatorengeneration gehören auch: Sarah Kuttner, Charlotte Roche, Katrin Bauerfeind oder Pierre M. Krause. Allesamt werden sie noch viel zu oft von den Senderverantwortlichen gut versteckt vor dem großen TVPublikum – in Digitalkanälen wie ZDFneo und ZDF.kultur, den Dritten oder in der späten öffentlich-rechtlichen Nacht. Eine gute Spielwiese, klar. Aber ist die neue deutsche Moderatorengeneration auch vorzeigbar für das Hauptprogramm der großen Sender? Oder fehlt ihnen noch die Statur? Dass in der „Generation Klaas“ Potenzial steckt, zeigt eine Online-Panel-Studie des Hamburger Forschungsinstituts mafo.de. Exklusiv für W&V wurden 326 Personen befragt. Die meisten aus der neuen Moderatorenriege erzielen ausgesprochen gute Bekanntheitswerte. Jan Böhmermann allerdings ist nur 16,3 Prozent der Befragten ein Begriff, Katrin Bauerfeind nur 24,8 Prozent. Joko und Klaas dagegen kennen mehr als zwei Drittel. Auch die Beliebtheitswerte der einzelnen Nachwuchsmoderatoren fallen gut aus: Auf einer Zehnerskala liegen sie zwischen fünf und sieben. Samstagabendtauglich sind sie für die Mehrzahl der Befragten jedoch nicht. Fotos: ARD/Max Kohr; ZDF/Klaus Weddig; ZDF/Carmen Sauerbrei; SWR; ZDF/Fabian Möhrke; ZDF/Phillippe Fromage; Sat.1 Abseits vom Mainstream läuft sich bereits eine neue Moderatoren-Generation warm. ON OFF Die TV-Verantwortlichen halten viel vom Nachwuchs. „Dass sie es können, haben sie schon bewiesen“, sagt ARD-Programmdirektor Volker Herres und verweist darauf, dass einige bereits im Ersten tätig waren: Katrin Bauerfeind etwa als Moderatorin von Polylux oder Sarah Kuttner mit der Sendung Kuttners Kleinanzeigen. Pierre M. Krause moderiert heute eine Late-Show im SWR. Dass sie nur ein Nischen publikum erreichen können, glaubt Herres nicht. Auch für das ZDF ist es „denkbar“, die Generation „mittelfristig auch im Hauptprogramm“ einzusetzen, so eine Sprecherin. Tom Sänger, Bereichsleiter Unterhaltung, Show und Daytime bei RTL, sagt, zwar verfüge man „über eine hervorragende Riege an Moderatoren, die als Sendergesichter Image und Programm von RTL maßgeblich mitprägen“, jedoch gehe man bei Neubesetzungen ergebnisoffen vor und halte auch Ausschau nach neuen Talenten, die zu RTL passen. Zumindest das Duo Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf hat seine Nische verlassen. Zwar erreichen sie mit ihrer wöchentlichen Late-Show neoParadise auf ZDF neo meist nur absolute Zuschauerzahlen im fünfstelligen Bereich. Allerdings haben die beiden Sparkassen-Testimo nials spätestens mit ihrer ProSieben-Spielshow 17 Meter im vergangenen Sommer bewiesen, dass sie Primetime-Qualität haben und ein größeres Publikum erreichen können: Die Show erzielte einen Marktanteil von 15,8 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen. Eine Fortsetzung ist möglich. Auch neue Formate seien in Planung, heißt es bei ProSiebenSat.1. Was macht Joko und Klaas mainstreamtauglicher als etwa Jan Böhmermann und Charlotte Roche, die ZDF.Kultur mit ihrer sonntäglichen Talkshow ab 22 Uhr schon Marktanteile von 0,4 Prozent beschert haben? Für einen Digitalkanal ist das beachtlich. „Charlotte Roche steht ganz klar für eine Haltung und für bestimmte Themen, die sie bekannt gemacht haben. In neuen Kontexten und Formaten muss sie sich erst neu definieren – und das Publikum muss diese Markendehnung akzeptieren“, so Alexander Kiock, Geschäftsführer der Marken- und Strategieagentur Diffferent. „Joko und Klaas stehen hingegen eher für ein universelles Gefühl jungenhafter Leichtigkeit, das offensichtlich leichter dehn- und in neue Formate transferierbar ist.“ Um tatsächlich in die Fußstapfen der großen Entertainer treten zu können, braucht es Kiock zufolge noch ein paar weitere Voraussetzungen: zum einen ein Konzept, das auf den Moderator zugeschnitten ist. „Zum anderen müssen sich die Ecken und Kanten aus der Nische ein wenig abschwächen, um massenkompatibel genug zu sein. Der Markenkern müsse jedoch erkennbar bleiben. „Das muss und kann nicht bei allen funktionieren – wie der Fall Oliver Pocher zeigt“, sagt Kiock. Über Erfolg und Misserfolg der neuen Moderatoren generation entscheidet dem Markenberater zufolge auch der Umgang mit Social Media. „Es werden diejenigen erfolgreich sein, die über das Lean-Back-Medium TV hinaus die relevanten Touch-Points ihrer Zielgruppen virtuos bespielen können.“ Die Twitterei von Böhmermann und Heufer-Umlauf zum Schmidt-Aus bei Sat.1 ist so ein Touch Point. Am Ende ist es vielleicht so, wie Markenberater Kiock vermutet: „Die ganz großen Universal-Moderatoren-Ikonen wird es sicher nicht mehr geben – beziehungsweise werden diese deutlich weniger und nur in einzelnen Segmenten möglich sein.“ Den Fernsehmarkt beleben die SegmentIkonen der „Generation Klaas“ in jedem Fall. Sebastian Feuß 3 sebastian.feuss@wuv.de On Die neue Generation: Katrin Bauerfeind (oben links), Joko und Klaas, Charlotte Roche und Jan Böhmermann, Pierre M. Krause und Sarah Kuttner. 14/2012 7 Werben & Verkaufen 51