Eufor, bitte bleiben! - Akademie der Diözese Rottenburg

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Eufor, bitte bleiben! - Akademie der Diözese Rottenburg
(Nr. 29/05) 235
Zeitgänge
sichts der wechselnden Entwicklungen. Erst als das
Massaker von Srebrenica bekannt wurde, als Granaten
auf dem Marktplatz von Sarajewo einschlugen, griff die
internationale Staatengemeinschaft unter Führung der
Amerikaner entschlossen ein. Ihnen ist es zu verdanken,
daß schließlich 1995 – vor zehn Jahren – der Vertrag
von Dayton zustandekam, der wenigstens das Blutvergießen stoppte, wenn auch dieser Friedensvertrag für
die Zukunft des Landes seine eigenen Tücken enthält.
Der Friede von Dayton: Korridore und Kompromisse
Vor zehn Jahren wurde durch den Friedensvertrag von Dayton das Blutvergießen auf dem
Balkan gestoppt. Wie sieht es in BosnienHerzegowina heute aus?
Eufor, bitte bleiben!
Reise nach Sarajewo, 10 Jahre nach dem Krieg (1)
Kurz nach Sonnenaufgang, gleich hinter dem Rasthof
Jug, einer renovierungsbedürftigen Tankstelle an der Autobahn zwischen Zagreb und Belgrad, wird im Bus gesammelt. Aber nicht für die beiden Chauffeure, die sich
nach der zehnstündigen Fahrt durch eine gewitterdurchpeitschte Nacht ihr Frühstück redlich verdient haben,
sondern für die Grenzbeamten an der Sava, dem Fluß, der
Kroatien von Bosnien-Herzegowina trennt. Die kleine
Aufmerksamkeit möge doch – bitte schön – helfen, die
Kontrolle nicht unmäßig in die Länge zu ziehen. Man hat
hier auch schon einmal drei Stunden gewartet ...
Als Marko Bilic, Sozialarbeiter beim Stuttgarter Caritasverband, vom Zweck der Kollekte hört, hält es ihn
nicht mehr auf seinem Platz. Wie könnt ihr in Europa
ein solches Zeichen setzen! Wir dürfen doch nicht solche Sitten einreißen lassen! Die feurige Moralpredigt
wirkt wie ein Aufputschmittel bei den übernächtigten
Fahrgästen. Es wird laut gescherzt und heiß diskutiert.
Und dann erzählt einer nach dem anderen von den kleineren Bestechungen und Gefälligkeiten, die im Leben –
zumal in diesen Zeiten und in diesem Lande – so unausweichlich scheinen. Nach und nach füllt sich der Becher mit kleinen Münzen, und mancher versteht das gar
als Aufbauhilfe: „Hat nicht Bosnien am meisten gelitten
während des Krieges?“ Nur der junge Mann mit dem
langen Vollbart wirft einen kurzen verächtlichen Blick
auf den Klingelbeutel und vertieft sich wieder in seine
Koranstudien. Auch die kleine Gruppe der Journalisten
ist neugierig geworden. Schelmisch lächelnd wendet
sich Bilic an sie: „Willkommen auf dem Balkan. Ich
hoffe, Sie finden all ihre Vorurteile bestätigt.“
Zehn Jahre nach dem Massaker von Srebrenica und
zehn Jahre nach dem Friedensschluß von Dayton hatte
die Katholische Akademie Rottenburg-Stuttgart in enger
Zusammenarbeit mit Ferid Kugic, dem Vorsitzenden
der Islamischen Gemeinschaft in Stuttgart, eine außergewöhnliche Journalistenreise organisiert: nach Sarajewo, um in dieser ebenso geschichtsträchtigen wie gequälten Stadt zu studieren, ob und wie die Wunden des
Krieges verheilt sind, ob und wie die drei monotheistischen Religionen, die diese Gegend über Jahrhunderte
geprägt haben, einen Beitrag dazu leisten – und schließlich um besser zu begreifen, wie es zu jenem brutalen
Ausbruch von Gewalt kommen konnte, der selbst vielen Einwohnern der Stadt bis heute noch wie ein plötzlich hereinbrechender Schicksalsschlag erscheint, der
das Zusammenleben nachhaltig zerstörte.
„Ich regiere ein Land mit zwei Alphabeten, drei
Sprachen, vier Religionen und fünf Nationalitäten, die
in sechs Republiken leben, von sieben Nachbarn umgeben sind und mit acht Minderheiten auskommen
müssen“, pflegte Josip Broz Tito über Jugoslawien zu sagen, die komplizierteste Staatenschöpfung des zwanzigsten Jahrhunderts. Dieser Staat existiert nicht mehr.
Aber die Probleme sind geblieben. Ein verheerender
Nationalismus, der sich Anfang der neunziger Jahre in
Krieg und Vertreibung entlud, hat neue Konflikte geschaffen und alte in neuer Heftigkeit an die Oberfläche
gezerrt. Lange wurde der Bruderkrieg unterschätzt,
lange suchte Europa hilflos nach seiner Rolle auf dem
Balkan und schien unfähig zum Handeln – auch ange-
Die Hinterlassenschaften des Krieges sind schon
kurz nach der kroatisch-bosnischen Grenze vom Busfenster aus zu sehen. Verlassene, zerstörte Häuser und
gelbe Bänder am Straßenrand, die „Minenverdachtsgebiete“ anzeigen. 300 000 Stück wurden während des
Krieges verbuddelt, annähernd vier Prozent der Landfläche sind nicht zu betreten. Die politischen Hinterlassenschaften sind nicht weniger explosiv. Denn der Staat
Bosnien-Herzegowina wird von seinen Bewohnern
eher geduldet als geliebt. Die Wirtschaft liegt danieder,
und die inneren Spannungen zwischen den Volksgruppen gären weiter. Bosnien-Herzegowina besteht aus
zwei sogenannten Entitäten, die über weitreichende
Autonomien verfügen. Mühsam verklammert die Verfassung die Föderation von Bosnien und Herzegowina,
die 51 Prozent des Staatsgebietes umfaßt und in denen
Kroaten und moslemische Bosniaken die Mehrheit bilden, mit der Republika Srpska, die überwiegend von
Serben bewohnt wird. Die Grenzen der beiden Landesteile wiederum sind gewunden und verwinkelt, voll von
Enklaven und schmalen Korridoren.
Um einen Ausgleich unter den verschiedenen Volksgruppen zu schaffen, hat die Verfassung festgelegt, daß
die Präsidentschaft aus je einem bosniakischen (muslimischen), kroatischen und serbischen Bosnier bestehen
muß. Alle acht Monate wird der Vorsitz gewechselt.
Auch für die Bezirksregierungen in den zehn Kantonen,
die für die Polizei, das Schulwesen und die regionale
Verwaltung zuständig sind, gelten ähnlich komplizierte
Regelungen. Daß diese politische Struktur mitsamt
ihren Doppelt- und Dreifachbesetzungen nicht nur lähmend wirken kann, sondern auch unwahrscheinlich
teuer ist, liegt auf der Hand. Sechzig Prozent seines
Bruttoinlandsproduktes verwendet Bosnien-Herzegowina zur Finanzierung seiner Verwaltung. Für andere
staatliche Aufgaben bleibt kaum Geld übrig. Dazu
kommt, daß sich die Repräsentanten nicht selten gegenseitig mißtrauen. So klagen alle über den Vertrag
von Dayton – und wissen doch keine bessere Lösung.
„Als es bei den vorletzten Wahlen in Amerika eine Zitterpartie zwischen Bush und Al Gore gab, haben wir per
E-mail einen Vermittlungsvorschlag ins Weiße Haus geschickt“, sagt der Soziologe Dino Abazovic mit schwarzem
Humor. „Wir schlugen ihnen vor, die bosnische Lösung
zu übernehmen: Acht Monate lang könnte Al Gore regieren und dann acht Monate George W. Bush.“
Jerusalem Europas und Beirut des Balkans
Sarajewo ist eine schöne Stadt in einer reizvollen
Landschaft. Rechts und links von der langgestreckten
Altstadt erheben sich hohe, bewaldete Hänge. In dem
relativ schmalen Tal fließt die Miljacka, die sich nach
wenigen Kilometern mit der Bosna vereinigt, jenem
Fluß, der dem Land den Namen gegeben hat. Man hat
Sarajewo das Jerusalem Europas genannt, denn in keiner anderen europäischen Stadt liegen die Heiligtümer
der drei monotheistischen Religionen so eng beieinander. Blickt man nachts von einer Anhöhe herab, so sieht
man beleuchtete Minarette, Kuppeln und Kirchtürme
wie an einer Perlenkette aufgereiht, als hätte ein findiger Unternehmer einen Themenpark der Weltreligionen eingerichtet. Von der Gazi Husrev-Beg Moschee,
dem 1530 unter osmanischer Herrschaft erbauten und
bis heute bedeutendsten islamischen Gotteshaus in
ganz Bosnien-Herzegowina, bis zur ehrwürdigen
orthodoxen St. Michaels und Gabrielskirche, deren
Wurzeln mindestens ebensolang zurückdatiert werden
– wahrscheinlich stand an dieser Stelle seit dem fünften Jahrhundert eine christliche Basilika – sind es
kaum hundert Schritte. 1581 errichteten sephardische
Juden, die aus Spanien und Westeuropa vertrieben
wurden, die alte Synagoge und bauten für die immer
größer werdende Zahl der Gemeindemitglieder 1821
ein prächtiges neues Gotteshaus. In ihm befindet sich
heute das bosnische Kulturzentrum. Von den 14 000
Juden, die bis 1941 in Sarajewo lebten, kehrten nur 700
zurück, die eine kleine Gemeinde am rechten Ufer der
Miljacka bilden.
Die Franziskaner sind seit 700 Jahren in Bosnien
präsent. Ihr Kloster befindet sich nur einen Steinwurf
weit von der Kaisermoschee entfernt, dem Sitz des Reisul-lema Mustafa Ceric, dem obersten Würdenträger der
islamischen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina.
Außerdem fallen dem Spaziergänger ins Auge: die 1889
gebaute neugotische katholische Kathedrale und die
dreischiffige neubarocke Muttergottesbasilika der serbischen orthodoxen Kirche. Während es im Stadtgebiet
kaum ein Wohnhaus gibt, dem nicht noch heute der Beschuß durch Granaten anzumerken ist, sind alle Gotteshäuser sorgfältig renoviert. Daß sie – im Unterschied
zum Kosovo-Krieg – nicht gezielt zerstört wurden, ist
ein Zeichen für den gegenseitigen Respekt der Religionen in dieser Stadt, den selbst der Krieg trotz allem
nicht völlig auslöschen konnte.
1425 Tage, vom 5. April 1992 bis zum 29. Februar
1996, dauerte die Belagerung der Stadt durch serbische
Einheiten unter General Mladic. 11 000 Bürger starben,
61 000 wurden verwundet. Die Luftbrücke nach Sarajewo mußte länger aufrechterhalten werden als die nach
Berlin während des Kalten Krieges. Wer eingeschlossen
war, lebte in ständiger Angst vor serbischen, aber auch
vor vereinzelten moslemischen Heckenschützen, die
auf Zivilisten schossen. Sarajewo war plötzlich nicht
mehr das Jerusalem Europas, sondern das Beirut des
Balkans. In dem erschütternden Dokumentarfilm
„Leben und Sterben in Sarajewo“ von Radovan Tadic
sieht man, wie Jugendliche auf der Suche nach Brennholz selbst die Bühne des Stadttheaters auseinandernehmen und die hölzernen Grabmale zerstören, um die
eisigen Winter zu überstehen. Verwundert nimmt man
wahr, wie viele Bäume heute wieder das Stadtbild zieren. Doch die Wiederaufforstung kann nicht über die
Narben und Verwundungen hinwegtäuschen, die der
Krieg in den Menschen hinterlassen hat.
Tschetniks, Ustaschen, Türken
Mit einem der letzten Flugzeuge hatte Emanuela
Boric als siebenjähriges Mädchen zusammen mit ihrer
Mutter und ihren Geschwistern die Stadt verlassen,
während ihr Vater zurückblieb, um Sarajewo zu verteidigen. Als sie nach fünf Jahren wieder in ihre Geburtsstadt zurückkam, war diese eine andere geworden. Es
gab eine Kluft zwischen denjenigen, die den Krieg erlebt hatten und den Heimkehrern. Die Kinder auf der
Straße benutzten Schimpfwörter, die sie zuvor nicht
gehört hatte. Serbische Kinder wurden als Tschetniks
gehänselt, kroatische Kinder hießen Ustaschen und
muslimische Kinder Türken. So spiegelten sich in den
Schimpfwörtern der Kleinsten alte Konflikte wider, die
schon in der Zeit des Zweiten Weltkriegs und davor eine
Rolle spielten. Im totalen Bürgerkrieg zwischen 1941
und 1945 prallten faschistische, großserbische, großkroatische und kommunistische Ideologien aufeinander. Und das Schimpfwort „Türke“ wird immer dann
verwendet, wenn man den bosniakischen Muslimen
signalisieren möchte, daß für sie auf diesem Landstrich
kein Platz sei.
Nach 1996 haben ganze Straßenzüge ihr Gesicht verändert. Schleichend hat sich die Bevölkerung nach
ethnischen Kriterien umgruppiert. Die Altstadt wird
nun überwiegend von Muslimen bewohnt. Die Serben
leben fast ausnahmslos im Stadtteil Grbavica, der jetzt
zur Republika Srpska gehört. Und die katholischen
Kroaten sind nach dem Ende der Kämpfe nur zu einem
kleinen Teil zurückgekehrt, da ihnen das Nachbarland
Kroatien umgehend Pässe ausstellte. 528 000 Gläubige
zählte die Erzdiözese Sarajewo vor dem Krieg. Jetzt sind
es nur noch 215 000.
Die Jüngeren hüten sich vor Mischehen
In Sarajewo gab es vor dem jüngsten Balkankrieg die
höchste Zahl von Mischehen in ganz Jugoslawien. 46
Prozent aller Hochzeiten fanden zwischen Christen und
Muslimen oder zwischen Katholiken und Orthodoxen
statt. Auch Verbindungen zwischen Kroaten, Serben
und Bosniaken gleichen Glaubens waren keine Seltenheit. Unter der jungen Generation von heute, berichtet
Emanuela, gibt es die frühere interreligiöse Unbefangenheit nicht mehr. Im Gegenteil: Die Jugendlichen haben erlebt, daß viele gemischte Ehen zerbrochen sind,
weil das Religiöse so stark mit den politisch-nationalen
Ansichten verquickt wurde, daß es dem Druck des Krieges nicht standhalten konnte.
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Offiziell möchte natürlich niemand diese unsichtbaren Grenzen und Vorbehalte, Warnungen und Verwundungen, die von der Kriegsgeneration auf die
nächste weitergegeben werden, bestätigen. Die
Sprachregelung lautet beschönigend, daß der Zusammenhalt in der Stadt niemals besser war als während
der gemeinsam durchlittenen Zeit der Belagerung. „Ich
kann Ihnen versichern, daß es in Sarajewo keinen
Stadtteil gibt, der einem Volk alleine gehört“, sagt Samiha Borovac, die muslimische Bürgermeisterin der
Stadt, und ihre Stellvertreter aus den anderen Ethnien
nicken zustimmend. Und was die Mischehen betreffe,
so sei eine Statistik nicht viel mehr „als die genaue Zahl
ungenauer Daten“.
Udo Janz, der Vertreter des Flüchtlingshilfswerks der
Vereinten Nationen in Sarajewo, macht einen recht zufriedenen Eindruck. Er kümmert sich um Paragraph vier
des Dayton-Vertrags, der festschreibt, daß alle Flüchtlinge das Recht erhalten, in ihre Heimat zurückzukehren. Tatsächlich sind von den 2,1 Millionen Menschen,
die während des Krieges zwangsvertrieben wurden oder
auf der Flucht waren – das entspricht etwa der Hälfte der
Bevölkerung von ganz Bosnien-Herzegowina – über
eine Million wieder zurückgekehrt. Aber nur ein
Bruchteil von ihnen ist dauerhaft an ihrem angestammten Platz geblieben. 220 000 Familien haben ihr
Privateigentum zurückerhalten. Für Janz ist das ein
„kleines Wunder“, auch wenn er zugibt, „daß das Glas
nur halb voll ist“. Denn die Fakten, die der Krieg geschaffen hat, sind so leicht nicht umzukehren. Wer
möchte schon in eine Gegend ziehen, in der der Kriegsheld der einen der Kriegsverbrecher der anderen ist?
Janz sieht seine Aufgabe pragmatisch und realistisch.
„Wenn jemand sein Häuschen wiedererhält, es aber
dann verkauft, weil er woanders eine bessere Arbeit
oder eine bessere Zukunft für seine Kinder sieht, ist das
doch völlig normal und nicht mehr das Problem der
Flüchtlingsrückführung.“
In der ehemaligen Kaserne der jugoslawischen
Volksarmee, wenige Kilometer außerhalb der Stadt,
herrscht – soweit dies für eine Kaserne möglich und
dem Beobachter von außen ersichtlich ist – eine entspannte Atmosphäre. Die Bundeswehr-Soldaten, die
hier im Rahmen eines Eufor-Einsatzes ihren Dienst tun,
fühlen keinerlei Feindseligkeiten von seiten der Bevölkerung, und auch die verstreuten Außenposten, die auf
den Dörfern und Gemeinden Präsenz zeigen und sich
unter die Bevölkerung mischen sollen, um wie „Temperaturfühler“ aufgeputschte Stimmungen und Feindseligkeiten möglichst frühzeitig zu melden, signalisieren: Alles in Ordnung. Viele sind kriegsmüde geworden,
sagt ein hoher Militär. Als im vergangenen Jahr im
Kosovo die Kämpfe kurzfristig wieder aufflackerten,
blieb es in Bosnien ruhig. Auch beim Einsammeln von
Waffen gibt es Fortschritte.
Warum alle in die Europäische Union wollen
Aber noch fehlt an allen Ecken und Enden das
Grundvertrauen in den neuen Staat. Das hat damit zu
tun, daß weder die Aufarbeitung der Vergangenheit
noch die Perspektiven für die Zukunft klar sind. Fast
die Hälfte der Bevölkerung gibt an, sie befürchte erneute Kämpfe, wenn die Eufor-Truppen abgezogen
werden. Doch auch hier gibt es – wie fast bei jeder
Frage in diesem Land – drei unterschiedliche Lesarten.
Die politische Vertretung der Serben möchte möglichst
lange den relativ autonomen Status ihrer Republika
Srpska bewahren. Sie hat an der Zusammenlegung von
Geheimdienst, Polizei, Steuerverwaltung und Staatsbehörde wenig Interesse, sondern träumt – eher geheim als öffentlich – großserbische Träume. Die moslemischen Bosniaken haben als zahlenmäßige
Minderheit Angst, daß sie noch einmal zwischen alle
Fronten geraten könnten. Ihnen steckt die Erfahrung
der Einkesselung noch in den Knochen. Die katholischen Kroaten wiederum fürchten einen schleichenden
Diskriminierungs-Druck in jenen Gebieten der Herzegowina, wo sie gegenüber der islamischen Bevölkerung
in der Minderheit leben. Sie haben Angst vor einer
schleichenden Islamisierung. Allen gemeinsam aber ist
die Hoffnung auf einen Beitritt ihres Landes zur europäischen Union. Das wichtigste Argument lautet: In
den Mitgliedsländern der EU gibt es weder Krieg noch
Bürgerkrieg.
In dieser Situation stehen die Religionen vor einer
epochalen Aufgabe. Können sie zur Versöhnung und
zum Aufbau einer Zivilgesellschaft beitragen? Werden
sie den Weg bereiten für eine gerechte und friedliche
Zukunft des Landes? (Ein zweiter Teil folgt.)
msc