zum Volltext - Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien

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zum Volltext - Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien
Neues aus dem Zentrum und der HU
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Gabi Jähnert
Aktuelles aus dem ZtG
„Wissenschaftshistorisch gesehen sind zehn Jahre eine sehr kurze Zeit. Es ist daher
noch zu früh für eine umfassende wissenschaftspolitische Bilanz, welche Effekte die
Einführung des ersten grundständigen Magisterhauptfachstudiengangs in Geschlechterstudien in Deutschland im Jahr 1997 an der Humboldt-Universität (HU) gehabt hat. Dennoch“ – so Antje Hornscheidt in der Zeitung Humboldt vom 17.1.2008 –
„ist es lohnenswert, die Entwicklungen des Studiengebietes – auch im internationalen
Vergleich – aus Anlass des zehnjährigen Jubiläums zu rekapitulieren und neue Herausforderungen in den Blick zu nehmen. Eine solche Mischung aus Bestandsaufnahme und Ausblick war auch das Anliegen der großen Jubiläumstagung ‚Impuls –
Innovation – Intervention. Gender Studies im Visier’ an der HU vom 25.-27. Oktober
2007.“ (Bericht s. S. 33)
Das Jubiläum war und ist für uns auch Anlass, in den zentralen Arbeitsbereichen des
ZtG den erreichten Stand sehr konkret zu bilanzieren und die nächsten Arbeitsschritte
und strategischen Planungsziele zu entwickeln. So haben sich im Wintersemester
verschiedene Arbeitsgruppen und Unterarbeitsgruppen konstituiert, die in den Bereichen Forschung, Lehre, Internationales sowie Öffentlichkeitsarbeit, Informationsmanagement und Wissenschaftspolitik die Prioritäten in der Arbeit der nächsten Semester identifizieren sollen. Im Bereich Lehre ist dies in jedem Fall der Beginn des Masterstudiengangs Gender (s. S. 2-3).
Im Bereich Forschung stehen die Verlängerung des Graduiertenkollegs, Planungen
für ein größeres Forschungsprojekt sowie die Vorbereitungen für das Jubiläum „100
Jahre Frauenstudium in Berlin und Preußen“ an.
Unsere Bemühungen um eine gezieltere Öffentlichkeitsarbeit durch die Publikation
einer Broschüre zur Arbeit der Gender Studies an der HU und die Faltblätter zum ZtG,
den Studiengängen und dem Graduiertenkolleg fanden allgemein große Aufmerksamkeit und bestärkten uns darin, auch für unsere Veranstaltungsankündigungen, für
die Bulletin-Infos und Bulletin-Texte ein einheitliches und ansprechendes Design zu
entwickeln.
Veranstaltungen im Sommersemester 2008
Neben den Gender Lectures des GenderKompetenzZentrums und der Ringvorlesungsreihe des Graduiertenkollegs „Geschlecht als Wissenskategorie“ plant das ZtG
im Sommersemester Veranstaltungen zum Verständnis von Feminismus heute, zum
Verhältnis von Feminismus und Gleichstellungspolitik, Gender Mainstreaming und
zum Verhältnis von Feminismus und Gender Studies. (21.4., 19.5., 16.6.2008)
Das wissenschaftliche Kolloquium des ZtG am 11. Juli 2008 wird sich mit Körperformen und Körpernormen beschäftigen.
100 Jahre Frauenstudium in Berlin und Preußen
Im Wintersemester 1908 wurden in Berlin und Preußen (als vorletztem Land in
Deutschland) erstmalig Frauen zum Studium zugelassen. Dieses 100-jährige Jubiläum wollen wir zum Anlass nehmen, die oft noch viel zu wenig bekannten Leistungen
von Wissenschaftlerinnen und die Karrierehemmnisse und Ausschlussstrategien von
Frauen bis zur Gegenwart eindrücklich ins Bewusstsein zu heben. In dem Zusammenhang ist geplant, im Wintersemester 2008/09 hier an der HU eine Ausstellung zur
Geschichte des Frauenstudiums zu zeigen und eine wissenschaftliche Tagung bzw.
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ein Kolloquium auszurichten. Es soll eine Filmreihe geben und verschiedene Lehrveranstaltungsangebote im Gender Studies Studiengang. Wir wollen außerdem die
Edition zur ‚Geschichte des Frauenstudiums und Wissenschaftlerinnenkarrieren an
der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin – 1895 bis 1945. Dokumente aus dem Universitätsarchiv’ zum Abschluss bringen und damit unveröffentlichte Materialien aus
dem Universitätsarchiv der HU einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen. Das
ZtG begreift dieses Jubiläum 100 Jahre Frauenstudium als Auftakt zum 200-jährigen
HU-Jubiläum im Jahre 2010, und wir hoffen, dass die Genderperspektive auf diesem
Wege auch stärker in den Blick bei den Vorbereitungen zum Universitätsjubiläum
kommt.
Personalia
Wir freuen uns, dass Ulrike Auga den Ruf auf die Juniorprofessur „Theologie und Geschlechterstudien“ erhalten, im Laufe des Wintersemesters angenommen und sich
schon voll in die Arbeit gestürzt hat. (s. S. 28).
Zu Beginn des Sommersemesters begrüßen wir als neue Juniorprofessorin für
„Gender und Diversity Management“ an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät
ebenfalls ganz herzlich Barbara Beham. (s. S. 30).
Der Ruf auf die Professur „Geschlechterstudien und Europäische Ethnologie“ ist an
Beate Binder ergangen. Wir sind optimistisch, dass die Berufungsverhandlungen mit
ihr zu einem erfolgreichen Abschluss gelangen und wir sie zum Wintersemester
2008/09 an der HU begrüßen können.
Maisha Eggers, die insgesamt zwei Jahre Elternzeit-Vertretung für Christiane MicusLoos übernommen hatte, wird uns zum Sommersemester 2008 leider verlassen. Wir
danken ihr sehr für ihr großes Engagement in der Lehre, in der Gemeinsamen Kommission Geschlechterstudien und in der Multimediagruppe des ZtG. Wir freuen uns,
dass sie zum Sommersemester eine Professur „Kindheit und Differenz/Diversity
Studies“ an der Hochschule Magdeburg-Stendal (FH) erhalten hat, und wünschen ihr
alles Gute.
Als neue Mitarbeiterin und Verstärkung im Genderbereich begrüßen wir sehr herzlich
Eva Johach (Lehrstuhl Christina v. Braun) sowie als alte und neue Mitstreiterin Christiane Micus-Loos, die nach ihrer Elternzeit wieder an die HU zurückkommt.
Ilona Pache
Neues aus dem Studiengang
Im Wintersemester 2007/08 hatten wir jeweils spezifische Arbeitsschwerpunkte in den
drei Gender Studiengängen.
Für den Bachelor standen Aufgaben der Qualitätssicherung im Vordergrund. Dazu
fand eine Lehrkonferenz statt, die die Verständigung über Bewertungsmaßstäbe und kulturen zum Ziel hatte. Auf der Lehrkonferenz wurden die Erfahrungen mit den Studien- und Prüfungsbedingungen im BA ausgewertet und verschiedene Prinzipien entwickelt wie bessere Vermittlung der Standardanforderungen beim wissenschaftlichen
Arbeiten, Erhöhung der Wahlmöglichkeiten bei Formen der Modulabschlussprüfungen
sowie die Verbesserung der formalen und inhaltlichen Vorbereitung auf die Modulabschlussprüfungen durch die Lehrenden.
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Für die Student_innen im Magisterstudiengang haben wir im Sommersemester stattfindende Unterstützungsangebote geplant. Insbesondere die Student_innen, die noch
keine Zwischenprüfung haben, erhalten von der Themenfindung, über die Wahl der
Prüfer_innen, bis zur Entwicklung des Thesenpapiers und schließlich für die Präsentation der gewählten Themen Hilfe insbesondere durch ein begleitendes Tutorium.
Desgleichen werden die Student_innen aus dem Hauptstudium in höheren Fachsemestern bei den einzelnen Schritten der Abschlussphase unterstützt.
Viele neue Aufgaben sind mit dem Master-Studiengang, der im Wintersemester
2008/09 beginnt, verbunden. Die Struktur des Masters stellt im Vergleich zu den bisher v.a. im Magister gemachten Lehrerfahrungen grundlegend andere Anforderungen
an die Lehre. Alle Lehrveranstaltungen liegen in den Händen der Gender Studies
(Ein-Fach-Master). Der Master umfasst zudem inkl. der Abschlussarbeit einen Zeitraum von nur vier Semestern. Daraus resultiert eine hohe Verantwortung für jede einzelne Lehrveranstaltung als signifikante Einheit im Gesamtablauf und vor allem für
den erfolgreichen Abschluss der einzelnen Student_innen. Eine Herausforderung
werden das voraussichtlich sehr unterschiedliche Wissensniveau sowie die hohe Diversität an Vorwissen der Student_innen sein. Um den erwarteten Wissensunterschieden gerecht zu werden, werden sowohl selbstständige Lernprozesse als auch
ein Lernklima der Gegenseitigkeit von Anfang an unterstützt. Für die Vorbereitung des
Masters fand eine Lehrkonferenz im Februar statt. Beschlossen wurde, dass eine
Untergruppe spezielle Lehrangebote für die Module 1 und 2, also das erste Mastersemester, konzipiert. Weitere Aktionen umfassen die Entwicklung eines Zulassungsverfahrens sowie – eine gänzlich neue Anforderung – die Werbung von Student_innen. Wir streben eine hochwertige und innovative Umsetzung des Masterkonzepts an. Dafür sind wir an den Anregungen der zukünftigen Student_innen interessiert. Die Vorstellungen der Interessent_innen aus unserem BA Gender Zweitfach
einzubeziehen, ist ein Anliegen, auf das wir uns besonders freuen.
Karin Hildebrandt
Neues aus dem GenderKompetenzZentrum
Das GenderKompetenzZentrum wird in Zukunft verstärkt den Blick auf Erfahrungen,
Erfolge und auch auf Ernüchterungen von Gleichstellungspolitik in Europa werfen.
Dazu gehören mehrere Bausteine:
? Seit Ende 2007 haben wir im Internet unter www.genderkompetenz.info
Informationen über Ziele, Strukturen und Maßnahmen der Gleichstellungspolitik einzelner europäischer Länder wie z. B. Niederlande, Dänemark und
Estland zusammengefasst.
? Am 1. November 2007 diskutierten auf Einladung des GenderKompetenzZentrums Vertreter und Vertreterinnen aus Wissenschaft und Verwaltung über
das niederländische Gleichstellungsmodell. Damit startet die interne Veranstaltungsreihe „Forum Gleichstellung“, die als Think Tank auf die wissenschaftliche Reflexion und kritische Debatte über Gleichstellungspolitik heute
zielt.
? Für Mitte 2008 ist eine Publikation zu Gleichstellungspolitiken in Europa
geplant, die in der Reihe „Gender kompetent“ erscheinen wird.
? Zudem hat die Direktorin des GenderKompetenzZentrums, Prof. Dr. Baer, am
18.2.2008 als Expertin an einer Anhörung des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages zum
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Neues aus dem Zentrum und der HU
Thema Gleichstellung und Gender in der Wissenschaft teilgenommen.
Die nächste Fachtagung des Zentrums soll am 10.4.2008 zur Thematik gleichstellungsorientierter Folgenabschätzungen & Wirkungsanalysen stattfinden. Im Mittelpunkt werden nationale und europäische Beispiele und Erfahrungen zu gleichstellungsorientierter Gesetzesfolgenabschätzung stehen.
Ziel der Tagung ist es, mehr Wissen für die Praxis bereit zu stellen und den fachlichen
Austausch und die Vernetzung zu fördern. Unter www.genderkompetenz.info finden
Sie dazu weitere Informationen.
Auch im Sommersemester setzen wir gemeinsam mit dem ZtG die Vortragsreihe
„Gender Lectures“ zum Thema Geschlechterstereotypen in der Gesellschaft
fort. Folgende Termine sollten bereits vorgemerkt werden
28.04.2008
Dr. Maureen Maisha Eggers, Hochschule Magdeburg-Stendal (FH)
Geschlechterstereotype und Migration
26.05.2008
Prof. Dr. Nina Degele , Universität Freiburg
„Ich sehe was, was du auch siehst.“ Stereotypisieren, reifizieren
und intersektionalisieren in der Geschlechterforschung.
23.06.2008
PD Dr. Waltraud Cornelißen, Deutsches Jugendinstitut München
Geschlechterstereotype im Berufswahlverhalten
Zudem wird das Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterforschung drei Veranstaltungen zum Thema „Gender und Feminismus“ durchführen. Termine sind der 21.4.,
19.5 und 16.6.2008 – mehr finden Sie in Kürze unter www.gender.hu-berlin.de
Schließlich veröffentlichten Mitarbeiterinnen des Zentrums folgende Beiträge:
Baer, Susanne: Chancengleichheit und Genderforschung. Die deutsche Wissenschaft
braucht eine Qualitätsoffensive. Forschung & Lehre 6 (2007)6, S. 343-345.
Kraemer, Christiane/ Smykalla, Sandra: Diskursformationen der Abwertung von
Gleichstellungspolitik und Gender in den Medien – Paradoxe Effekte des Erfolgs? In:Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien, 25 (2007)
2, 17-26.
Lewalter, Sandra: Gleichstellung durch Privatisierung? Sicherung von Gleichstellung
bei Organisationsprivatisierung? In: Gleichstellung in der Praxis, 3 (2007) 6, 812.
Lewalter, Sandra:Multidimensional Equality Law. Developing Interdisciplinary Perspectives. Internationale Konferenz vom 11. bis 12. Mai 2007 in Oldenburg. In:
feminia politica 16(2007)2, S.167/68 (Tagungsbericht)
Smykalla, Sandra/ Baer, Susanne: Ein Blick zurück nach vorn oder. Warum Gleichberechtigung und Feminismus immer noch aktuell sind? In: Betrifft Mädchen, 21
(2008)1, 4-10.
Sebastian Scheele, Sandra Smykalla
Neue Zeiten für die Gleichstellung? Zeitpolitik aus der Gender-Perspektive
Einkommensungleichheit, Altersarmut, Ehegattensplitting – dass mit der Ressource
Geld Gleichstellungsthemen verbunden sind, ist allgemein bekannt. Aber was ist an
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Zeit gleichstellungsrelevant? Der Tag hat 24 Stunden, wo sollen da Gender-Aspekte
verborgen liegen? Eigentlich überall, könnte pointiert und mit einem Blick auf empirische Erkenntnisse zur Zeitverwendung die Antwort lauten. Sie zeigen, dass Zeit als
Ressource eben nicht allen Menschen gleichermaßen zur Verfügung steht und dass
in dieser Ungleichverteilung Gender eine ganz zentrale Rolle spielt. Wie den Ungleichheiten mit Bezug zu Geschlecht, Ethnizität, Alter, Behinderung, Lebensweise
oder Glaubensrichtung politisch begegnet werden kann, so dass jede und jeder gleichermaßen Zeitzufriedenheit und „Zeitwohlstand” erreicht, ist das Thema der Zeitpolitik. Sie hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer eigenständigen Perspektive entwickelt.
Auf welche Art die Zeit-Perspektive zur Erreichung von Gleichstellung beitragen kann
und welche Impulse wiederum Gender-Konzepte für die Beschäftigung mit Zeit geben, war Thema der Fachtagung des GenderKompetenzZentrums zum Thema „Neue
Zeiten für die Gleichstellung? Zeitpolitik aus der Gender-Perspektive” am 18.12.2007
an der Humboldt-Universität zu Berlin. Neben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Verwaltung des Bundes, der nachgeordneten Behörden, der Länder und Kommunen
waren auch Vertreterinnen der Politik sowie Berater_innen und Wissenschaftler_innen
der Einladung gefolgt. Das Ziel der Fachtagung war der fachliche Austausch darüber,
welche Potenziale für aktuelle Gleichstellungspolitiken eine Zeitpolitik hat, die sich –
wie in der Diskussion vorgeschlagen – an den drei Zielen Sicherheit, Teilhabe und
Wahlfreiheit orientiert. Deshalb wurden aktuelle Forschungsergebnisse zu Zeitverwendung und Zeitbedürfnissen von Frauen und Männern in ihren vielfältigen Lebenslagen vorgestellt und konkrete zeitpolitische Instrumente diskutiert.
Prof. Dr. Susanne Baer Direktorin des GenderKompetenzZentrums, begrüßte die Anwesenden und führte thematisch in die Fachtagung ein. Baer verwies zunächst darauf, dass Erhebungen zur Zeitverwendung mittlerweile in den Mitgliedsländern der
OECD zu den wichtigsten Basisstatistiken über die Lebens- und Arbeitsbedingungen
der Bevölkerung zählen. In vielen Staaten sind sie Bestandteil der Programme der
amtlichen Statistik. Auch in der bundesdeutschen Politik spielt die Erhebung von Zeitverwendung seit einigen Jahren eine wichtige Rolle, so z.B. in der vom BMFSFJ in
Auftrag gegebenen Zeitbudget-Studie „Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverwendung der
Bevölkerung in Deutschland, 2001/2002” des Statistischen Bundesamtes, im Gender
Datenreport des DJI oder im 7. Familienbericht der Bundesregierung.
Die weiteren Beiträge der Tagung zeigten empirische Erkenntnisse und zeitpolitische
sowie politische Perspektiven auf:
Wir selbst, Sebastian Scheele und Sandra Smykalla, stellten in unserem einführenden
Vortrag „Zeit als Ressource für Gleichstellung“ die Bedeutung von Zeitpolitik für
Gleichstellung heraus. Als gesellschaftspolitische Hintergrundfolie der Beschäftigung
mit Zeitpolitik wurde die gleichzeitige „Entgrenzung von Erwerbsarbeit und Privatleben“ erläutert, die sich durch die Flexibilisierung von Erwerbsarbeit, die Pluralisierung
von Lebensläufen und den demografischen Wandel entwickelt. Wie diese Entwicklungen politisch gesteuert werden können, verdeutlichte die Vorstellung des Politik-Mix’
aus Zeit, Infrastruktur und Geld. Unter Zuhilfenahme der vier Gender-Dimensionen
wurde aufgezeigt, welch starke Rolle Gender für Zeitpolitik spielt. Insofern sollte Zeitpolitik dazu beitragen, die Ziele von Gleichstellung – echte Wahlfreiheit, Anerkennung,
gleiche Teilhabe – zu verwirklichen. Zwei Beispiele zeigen, auf welche Art Zeitpolitik
bereits in gleichstellungspolitische Strategien integriert worden ist: Zeit ist ein Aspekt
im EU-Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006-2010 und in den
Nationalen Aktionsplänen Gleichstellung der Niederlanden verankert. Diese Instrumente verdeutlichen, dass diese Integration machbar sowie sinnvoll ist.
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Neues aus dem Zentrum und der HU
Prof. Dr. Eckart Hildebrandt, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (W ZB)
Berlin, erläuterte in seinem Vortrag „Lebensverlauf und betriebliche Zeitkonten“ zunächst die gegenwärtige Lage der „Erosion der Normalerwerbsarbeit“ und die Ausdifferenzierung von Arbeitsverhältnissen. Um die Zeitverwendung im Lebensverlauf angemessen zu begreifen und politisch steuern zu können, plädierte Hildebrandt mit
dem Konzept der „Mischarbeit“ für einen erweiterten Arbeitsbegriff. Er stellte das
„Zeitpolitische Manifest“ vor, das sich insbesondere an Unternehmen und Verwaltung
richtet; mit ihm will die Deutsche Gesellschaft für Zeitpolitik eine Diskussion um eine
andere Organisation von Arbeit anstoßen. Die neue Vielfalt und Diskontinuität im Lebensverlauf verweise auf neue variante Lebensläufe, was eine „Lebenslaufpolitik“ und
„lebenszyklusorientierte Beschäftigungspolitik“ erfordere. Als mögliche Instrumente
stellte Hildebrandt verschiedene Formen von Zeitkonten vor und problematisierte dabei auch Interessenskonstellationen zwischen Betrieb, Beschäftigten und Gesellschaft. Als größte aktuelle Herausforderung für Politik und Wissenschaft sah er an,
dass Strukturen geschaffen werden, die die Ungewissheit des Lebensverlaufs (Wie
lässt sich Sicherheit herstellen?) und die individuelle Aufgabe der Lebensplanung
(Was sind neue Referenzpunkte im Leben?) adressieren - hier sei sowohl eine zeitpolitisch informierte Forschung gefragt, die neues Wissen über die Wirkmöglichkeiten
der Arbeitszeitflexibilisierung bereitstellt, als auch eine Politik notwendig, die vielfältige
„Herstellungsprozesse“ von vielfältigen Lebensläufen und Lebensentwürfen fördert.
Dr. Astrid Libuda Köster, Institut für Projektevaluation und sozialwissenschaftliche
Datenerhebung (IPSE) Bad Salzuflen, stellte in ihrem Vortrag „Zeitverwendung und
Geschlecht – Empirische Erkenntnisse“ Ergebnisse aus der Zeitbudgetstudie des
Statistischen Bundesamtes vor. Dort wurde mithilfe eines detaillierten Tagebuchs die
Zeitverwendung repräsentativ erhoben. Sie fokussierte insbesondere Unterschiede
und Gemeinsamkeiten in der Zeitverwendung von Frauen und Männern, differenziert
nach Haushaltstypen, Einkommen und Ost- oder Westdeutschland. Ein Ergebnis war,
dass auch bei gleicher Lebenssituation Frauen und Männer ihre Zeit unterschiedlich
für die Bereiche Arbeit, Freizeit und Soziales (z.B. Haushaltsführung und Kinderbetreuung) einsetzen. In der multivariaten Analyse zeigte sich, welche Faktoren besonderen Einfluss auf die Zeitverwendung haben: Frauen in Westdeutschland, außerhalb der Kernstädte verbringen demzufolge mehr Zeit mit Sozialtätigkeiten, und zwar
desto mehr, je älter sie sind. Bemerkenswerterweise hat die Geburt eines Kindes in
einer Paarbeziehung entgegengesetzte Konsequenzen für die Zeitverwendung: Väter
verbringen dann mehr Zeit mit der Erwerbsarbeit, während sie für Mütter mehr Zeit für
den Sozialbereich bedeutet. Libuda-Köster schloss aus der Zeitverwendung auf verschiedene „Zeitpräferenzen“ und stellte hierbei eine gleich hohe Zufriedenheit von
Frauen und Männern fest. Angesichts unterschiedlicher struktureller Bedingungen und
Milieu-Differenzen wurde dieses Ergebnis im Anschluss allerdings kritisch diskutiert.
Auch wurde ein Forschungsbedarf an begleitenden (Langzeit)Studien deutlich, die
z.B. die Übergänge nach der Elternzeit abbilden können.
Am Nachmittag stellte Uta Kletzing, Europäische Akademie für Frauen in Politik und
Wirtschaft (EAF) Berlin, in ihrem Vortrag „Flexible Arbeitsmodelle für Führungskräfte
am Beispiel der Deutschen Rentenversicherung Bund” Ergebnisse eines Modellprojektes der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin vor. Es
hat sich zur Aufgabe gemacht, den männlich geprägten „Mythos Vollzeit“ für Führungskräfte zu hinterfragen. Andockend an die Verwaltungsmodernisierung, in der
Führung ohnehin reformiert wird, wurde in einer Bundesbehörde eine kostenneutrale
räumliche und zeitliche Flexibilisierung von Arbeit für Führungskräfte durch eine ergebnis- und wirkungsorientierte Steuerung erprobt. Insbesondere war es das Ziel des
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Modellprojekts, Rahmenbedingungen und Nutzen zu prüfen. Die Frage nach der
Machbarkeit kann mit einem „bedingten Ja” beantwortet werden: Als Erfolgsfaktoren
stellten sich besonders ein genügendes Maß an Präsenz sowie die Planbarkeit von
An- und Abwesenheit heraus. Fast alle Teilnehmenden am Modellprojekt konnten
jedenfalls ihre Work-Life-Balance verbessern.
Karsten Kassner, Institut für sozialwissenschaftlichen Transfer (SowiTra) Berlin, beleuchtete in seinem Vortrag „Zeit für den Rollenwandel von Männern” den Zusammenhang von Gender und Zeitpolitik aus der Perspektive von Männern. Er referierte
Ergebnisse der Zeitverwendung und Zeitzufriedenheit von Männern, insbesondere
von Vätern. So spiele der „Familienernährer” sowohl als Identität wie auch als gesellschaftliche Normalitätsvorstellung weiterhin eine große Rolle; er präge die Rahmenbedingung von privater Arbeitsteilung und „Reproduktionsvergessenheit” der beruflichen Arbeitskulturen. Gleichzeitig herrsche eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit
der einseitigen Erwerbsorientierung und dem damit einhergehenden Arbeitszeitumfang. Um Lösungsansätze zu ermitteln, sei Forschung bei denjenigen „Pionieren” und
Paarkonstellationen hilfreich, bei denen die Zeitverwendung zufriedenstellend gelingt.
Zeitpolitik für Männer und für einen Wandel von Geschlechterverhältnissen muss in
mehreren Bereichen ansetzen. Dies verdeutlichte Kassner am Beispiel der Hindernisse zur Nutzung der Elternzeit aus der Sicht von Männern: Hier sind Maßnahmen in
den Bereichen der Arbeitszeitpolitik, des Kulturwandels in Organisationen sowie familienpolitischer Leistungen zentral. Gleichzeitig kann damit Männern der Gewinn von
Gleichstellungspolitik gut verdeutlicht werden, indem man niedrigschwellig an ihren –
ihn verschiedensten Einstellungsstudien dokumentierten – Bedürfnissen ansetzt.
Welche politischen und fachlichen Herausforderungen ergeben sich nun aus den Erkenntnissen der Zeitpolitik? Darum kreiste die Diskussion der Fachtagung. Aus zeitpolitischer Perspektive wurde dazu aufgerufen, ein gesellschaftliches Leitbild zu entwickeln, das sich an drei Zielen orientiert: Sicherheit, Teilhabe und Wahlfreiheit. Zeitpolitische Konsequenzen und Instrumente sind z.B. eine wissenschaftsbasierte Debatte um das Grundeinkommen, die Integration verschiedener sozialer SicherungsMaßnahmen in eine „Arbeits-Lebens-Versicherung”, individuelle Zeitoptionen oder
eine Arbeitszeitreduktion beispielsweise im Sinne der „Halbtagsgesellschaft” (Prof. Dr.
Carsten Stahmer). Allerdings sei keines der Instrumente allein und für alle Kontexte
geeignet. Zudem stehe die Analyse ihrer Gender-Effekte noch ganz am Anfang, so
dass sie aus gleichstellungspolitischer Perspektive diskutiert werden sollten.
Auch unabhängig von der Frage nach visionären Zielvorstellungen wurde deutlich,
dass Zeitpolitik ein großes Potenzial für Gleichstellung hat, weil – wie zahlreiche Studien unterstreichen – viele Frauen und Männer mit ihrer aktuellen Zeitverwendung
nicht zufrieden sind, sie jedoch bei der Umsetzung an den Rahmenbedingungen
scheitern.
Damit stehen auch die Gender Studies vor einer neuen Herausforderung: Wie kann
die Perspektive der Zeitpolitik die transdisziplinäre Lehre und Forschung bereichern?
Als Team des GenderKompetenzZentrums sind wir jedenfalls durch die Tagung inspiriert, aktuelle Gleichstellungspolitik an der Schnittstelle von Zeit-, Budget- und Infrastrukturpolitik weiterzuentwickeln und werden dies auch zukünftig in unseren Lehrveranstaltungen reflektieren.
Die Präsentationen der Fachtagung können auf der Homepage des GenderKompetenzZentrums heruntergeladen werden:
http://www.genderkompetenz.info/aktuelles/fachtagungen/zeitpolitik/
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Bericht des Graduiertenkollegs „Geschlecht als Wissenskategorie“
Das W intersemester 2007/08 war für das Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“ turbulent: Wie in vergangenen Semestern wurden mehrere internationale
Tagungen (mit-)gestaltet, die Ringvorlesung organisiert, neue Tagungen in AG’s vorbereitet, Tagungsbände sind erschienen, und zudem gab es den „großen Wechsel“
an StipendiatInnen, da sieben Stipendien des Kollegs ausliefen und entsprechend
neue KollegiatInnen aufgenommen und zusätzliche assoziiert wurden.
Der erste Graduiertenkollgs-interne Workshop, der regelmäßig einmal im Semester
durchgeführt wird, fand Anfang Februar 2008 in der neuen Besetzung dieses Mal in
Spandau statt.
So gab es hier die Gelegenheit für die neuen und „alten“ StipendiatInnen und As soziierten, sich und ihre Projekte gegenseitig kennenzulernen. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Zusammensetzung des Kollegs und die neuen und alten Dissertationsprojekte gegeben werden:
Neu in das Kolleg aufgenommen wurde Christina Altenstraßer, die sich in ihrem
Dissertationsprojekt Konstruktionen von Wissen über ‚Geschlecht’ und ‚Ökonomie’.
Die erste Generation von Ökonominnen an der Friedrich-Wilhelms Universität Berlin
1896-1945 mit der Frage nach der Wirkmächtigkeit von Wissensbeständen über „Geschlecht“ und „Ökonomie“ auf die Positionierung von wissenschaftlich tätigen Ökonominnen beschäftigt. Dabei liegt ihr Fokus zum einen auf Konstituierungsprozessen
dieser Wissensbestände in den und durch die Praktiken der Akteure und Akteurinnen
und zum anderen auf deren Analyse in ausgewählten wissenschaftlichen Arbeiten von
Ökonominnen.
Márcia Moser, als assoziierte Kollegiatin ebenfalls neu ins Graduiertenkolleg aufgenommen, fragt am Beispiel zeitgenössischer christlicher Auseinandersetzungen um
‚Homosexualität’ nach der wechselseitigen Konstituierung religiöser Verständnisse
von ‚Religion’ und ‚Sexualität’. Cornelia Möser, ebenfalls neu assoziiertes Mitglied im
Kolleg, unternimmt in ihrem Dissertationsprojekt den Versuch, die unterschiedlichen
Gender-Debatten in Frankreich und Deutschland nachzuzeichnen und zu vergleichen.
Dabei geht es ihr insbesondere um die Frage von Theoriewanderungen. Das Dissertationsprojekt von Kerstin Piepenstock trägt den Titel Geschlecht als interdependente und norm(alis)ierende Wissenskategorie und befasst sich mit geschlechtlichen
Codierungen bundesdeutscher Forschung zu ‚Gewalt an Schulen’. Im Rahmen einer
linguistisch sowie soziologisch fundierten Diskursanalyse verbindet die neue Stipendiatin Perspektiven der Interdependenz- und Normalismusforschung. Julia Roth,
ebenfalls neu assoziiert im Graduiertenkolleg, untersucht in ihrer Dissertation Talking
Back from Third Epistemological Spaces: Revisionen okzidentaler Wissensordnungen
aus lateinamerikanisch-weiblicher Perspektive über bestimmte Weiblichkeitsbilder
generierte Machtdifferenzen am Beispiel von Werken südamerikanischer Frauen. Im
Vordergrund steht der Versuch einer Rekonstruktion marginalisierter weiblicher Kulturkritik und die Revision vorgeprägter vergeschlechtlichter und rassisierter Wahrnehmungsstrukturen der okzidentalen interpretive community.
In der Dissertation Regulierung des Geschlechtswechsels: Geschlecht und Geschlechterregime in den legislativen Prozessen zur Transgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland und in Großbritannien geht Adrian de Silva in historisch und
international vergleichender Weise der Frage nach, wie hegemoniales Wissen über
Geschlecht und Geschlechterregime in den jeweiligen legislativen Prozessen zum
Transsexuellengesetz (TSG, 1981) und zum Gender Recognition Act (2004) hergestellt wird.
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In ihrem kulturwissenschaftlich ausgerichteten Dissertationsprojekt untersucht Sarah
Speck anhand der „SOS-Kinderdörfer“ die Wissensproduktion einer im öffentlichen
Raum sehr präsenten entwicklungspolitischen Organisation in Hinblick auf die Kategorie Geschlecht. Neben der Analyse der Bedeutungskonstruktionen um „Mutterschaft“ geht es ihr im empirischen Teil der Arbeit vor allem um die Vermittlung dieses
Wissens in postkolonialen Kontexten. Das Promotionsprojekt von Anne Stähr, ebenfalls neu assoziiertes Mitglied des Kollegs, widmet sich der Untersuchung der Kategorie Gender in den späten Journalartikeln Heinrich Heines. Im Vordergrund steht hierbei die Frage, welche Geschlechtermodelle Heine in der Lutezia im Spannungsfeld
des sich verschärfenden Differenzdiskurses über Geschlecht entwickelt und wie er
diese Konzepte durch seine spezifisch ironische Schreibweise hintergeht. Vojin Sasa
Vukadinovics materialreiches Dissertationsprojekt untersucht antifeministische und
homophobe Wissensformationen in Linksterrorismus -Diskursen der 1970er und -80er
Jahre. Das Dissertationprojekt Gender@Musil. Wissen und Geschlecht in Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften von Florian Kappeler widmet sich den Beziehungen zwischen historischen Wissens- und Geschlechterordnungen und Musils Roman.
Ausgehend von der Hypothese, dass wissenschaftliches Wissen selbst poetische
Elemente impliziert, die wiederum mit seiner geschlechtlichen Codierung zusammenhängen, wird dazu die Interdependenz von Geschlecht, Wissen und Poetik in Formen
zeitgenössischen Wissens und im literarischen Text erforscht. Der Historiker Stefan
Wünsch, der bereits im Juli 2007 in das Kolleg aufgenommen wurde, beschäftigt sich
in seinem Promotionsprojekt mit der sozialen Praxis zwischen Medizinern und „Prostituierten“ in einer Lokalstudie über Berlin während der Weimarer Republik. Sein Ziel
ist hierbei zu zeigen, wie aus dieser spezifischen kommunikativen Praxis dieser beiden Parteien ein Wissen über die Prostitution generiert wurde, welches frühere Wissensbestände über die Prostitution herausforderte und parallel dazu eine neue Ordnung etablierte, die auf andere Disziplinen (z.B. Rechtswissenschaft oder Soziologie)
strukturierend einwirkte. Jennifer Cameron promoviert in den USA, ist aber derzeit
Gast an der Humboldt-Universität und als solche assoziiert im Graduiertenkolleg. Ihre
Dissertation untersucht Darstellungen der Genealogie in der deutschen autobiographischen Literatur seit 1970.
Und auch die „alte“ Generation der StipendiatInnen bekam auf der Klausurtagung in
Spandau erneut die Gelegenheit, die Fortschritte ihrer Dissertationsprojekte darzustellen und zu diskutieren. Das Promotionsvorhaben von Sven Bergmann mit dem
Titel „Transnationaler Fertilitäts-Tourismus - Eine Ethnographie zu Bedeutung, Ökonomien und Praxis der Keimzellspende in Europa“ ist zur Halbzeit der Förderung in
der Auswertungsphase des empirischen Materials, das während Feldforschungsaufenthalten in Spanien, Dänemark und Tschechien gewonnen wurde, angekommen.
Sven Bergmanns Stipendiaten-Status pausiert zur Zeit, weil er in vorübergehende
Elternzeit gegangen ist. Anhand einer Posterpräsentation visualisierte Daniela Döring ihr Promotionsprojekt. Im Fokus des Promotionsprojekts stehen jene Praktiken
der Vermessung des Körpers, die auf Konzepte einer „Mittleren Größe“ zulaufen.
Es werden die Proportionsstudien Johann Gottfried Schadows, die Statistiken
Adolphe Quételets und die Entstehungsgeschichte der Konfektionsgrößen
daraufhin untersucht, wie Zahlzeichen vom, am und um den Körper hervorgebracht werden. Die Materialien zeigen dabei den komplexen Übergang von proportionalen, relativen Bestimmungsversuchen des Körpers, hin zu statistischarithmetischen Erfassungen, in denen Körper und Geschlecht neu formuliert werden. Das Promotionsprojekt Through the Looking-Glass ...? von Claude Draude ist
an der Schnittstelle Kulturwissenschaft/Informatik angesiedelt und analysiert geschlechtliche Codierungen im Konstruktionsprozess von Interfaceagenten. Das kultur-
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und medienhistorisch verortete Dissertationsprojekt von Maja Figge untersucht die
Codierungen von „Whiteness und Geschlecht im bundesdeutschen Kino der 1950er
Jahre“. Es soll zunächst die Generierung von Rasse und Geschlecht im Medium Film
herausgearbeitet werden, um dann in einem zweiten Schritt die ausgewählten Filme
anhand der Frage zu untersuchen, ob und inwiefern in ihnen rassifizierte und vergeschlechtlichte Bilder und Diskurse aufgerufen werden, die zu einer (Re-)Konstruktion eines nationalen Selbstverständnisses in der frühen Bundesrepublik beitragen.
Konstanze Hanitzsch präsentierte den zentralen Aspekt ihrer Arbeit „’Täter(innen)bilder’ im Familiengedächtnis“: die Bedeutung der so genannten ‚Täterkinder’ als autobiographische Biographen ihrer Eltern. Seit Oktober 2007 ist Denis Hänzi
aus dem Berner Gaduiertenkolleg „Gender: Scripts and Prescripts“ bei uns zu Gast. In
seinem wissenssoziologisch angelegten Dissertationsprojekt mit dem Arbeitstitel „Das
Theater mit dem Geschlecht“ rekonstruiert er die Genese der dominant männlich codierten Imago des Theaterregisseurs. Vor diesem Hintergrund arbeitet er habituelle
Dispositionen, berufliche Bewährungsmuster und kulturelle Deutungen zeitgenössischer Regisseurinnen und Regisseure heraus und fragt – konkrete Einzelfälle kontrastierend – nach dem Beharrungsvermögen und der Brüchigkeit vergeschlechtlichter
Strukturprinzipien im Feld des gegenwärtigen deutschsprachigen Theaters. Das
Thema von Novel Families: Literary variations on a queer national theme, dem Dissertationsprojekt von Anne Koch-Rein, sind literarische, rechtliche und politische ReFigurationen des Nexus von Familie und queerness in den USA zu Beginn des 21.
Jahrhunderts. Der Ausgangspunkt, auf den bereits der doppeldeutige Titel „Novel
Families“ verweist, ist dabei die Gleichzeitigkeit und Relation zweier diskursiver Ereignisse, nämlich einerseits des gesellschaftlichen Redens über LGBT „novel
families“ und andererseits des Auftauchens queerer Präsenzen in neo-realistischen
„family novels“ auf dem literarischen Feld. Das Projekt von Sabrina Kühn Transformationsstrategien in der Fotografie der siebziger Jahre befindet sich in der Phase der
Analyse der konkreten künstlerischen Geschlechterinszenierungen. Schwerpunkt ist
derzeit die Untersuchung der Fotografien Urs Lüthis, die auf ihre Formulierung von
(alternativen) Männlichkeiten befragt werden. Simon Strick, ebenfalls der „alten“ Generation des Graduiertenkollegs zugehörig, nutzte die Gelegenheit, um die Entwicklung seines Dissertationsprojektes bis hin zu seinem jetzigen Fokus und dem neuen
Titel Naming Pain: Tracing Discourses on Pain, Gender and Race in 19th Century
American Culture zu skizzieren und im Rahmen der Klausurtagung zu diskutieren.
Nadine Teuber arbeitet in ihrem Dissertationsvorhaben Depression und Geschlecht
zu Beziehungen zwischen Depressions- und Geschlechterkonstruktionen in Medizingeschichte, Psychiatrie und Psychoanalyse. Hier werden Zusammenhänge zwischen
Konzepten von Depression und symbolischer Weiblichkeit bzw. Männlichkeit im Hinblick auf ein erhöhtes Depressionsrisiko von Frauen untersucht. Zudem sind im Rahmen des Graduiertenkollegs drei Habilitationsprojekte angegliedert: Dr. Bettina Bock
v. Wülfingen ist eine von zwei Post-Doktorandinnen im Graduiertenkolleg. In ihrem
Habilitationsprojekt Die Herausbildung von Reproduktionsgenetik - Epistemologie der
Übersetzung von Modellen zwischen den Disziplinen untersucht sie die Zusammenhänge zwischen Instrumentierung und Modellierung in den Life Sciences am Beispiel
der Reproduktionsgenetik. Das Habilitationsprojekt von Dr. Ines Detmers, die seit
Januar diesen Jahres neu am Kolleg assoziiert ist, beschäftigt sich mit Figurenadaptionen des Don Quijote im anglophonen Roman zwischen dem 17. Jahrhundert und der
Gegenwart. Mit Hilfe eines kultursemiotisch und gender-theoretisch perspektivierten
narratologischen Ansatzes geht sie der Frage nach, inwiefern die quijotischen Folgefiguren als Wissensträger bzw. Wissensgeneratoren fungieren, über die unterschiedliche Diskurse produktiv aufgebrochen und damit verhandelbar werden. Das Habilitati-
Neues aus dem Zentrum und der HU
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onsprojekt von Dr. Eva Johach mit dem Titel Das Geschlecht der sozialen Insekten
erforscht die Wissens- und Faszinationsgeschichte sogenannter Insektenstaaten.
Insbesondere untersucht sie, welche Rolle diese natürlichen Staatsgebilde und die in
ihnen beobachtete Geschlechterordnung in der Wissensproduktion über menschliche
Sozialformen gespielt haben. Verabschiedet wurden Claudia Brunner und Jana
Husmann-Kastein, die beide zum Semesterende leider aus dem Kolleg ausscheiden.
Die Klausurtagung wurde zudem genutzt, um in der neuen Konstellation, zusätzlich
zur bereits bestehenden Arbeitsgruppe „Verdatung des Organischen“, weitere Themenschwerpunkte sich neu gründender Arbeitsgruppen herauszubilden. In den neuen
AGs soll über Postkolonialismus, Queer/Transgender und Methodologie und Gender
gearbeitet werden. Ein Councelling-Tag, durgeführt von Gert Dressel vom Institut für
Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung in Wien, bildete den Abschluss der Tagung. Dabei lernten die KollegiatInnen Techniken, sich gegenseitig bei
ihren Projekten zu unterstützen und zu beraten.
In der ‚alten’ Besetzung des Kollegs wurden im vergangenen Wintersemester wieder
mehrere Tagungen organisiert und Sammelbände herausgegeben. Die DFG-geförderte internationale Tagung des Kollegs „Das Unbewusste als Störung der Wissensordnung und als Antrieb der Wissensproduktion“ fand vom 29. November bis 1. Dezember 2007 in Kooperation mit und in den Räumen des ICI (Institute for Cultural
Inquiry) statt. Sie umfasste Beiträge aus den Bereichen der Medizingeschichte und
Psychologie ebenso wie der Kultur-, Kunst- und Literaturwissenschaft und zog ein
entsprechend breites, interessiertes Publikum an (siehe hierzu den Bericht der Kollegiatinnen Beatrice Michaelis und Nadine Teuber im Bulletin, der ebenfalls in der Zeitschrift für Semiotik erscheint). In u.a. von der ehemaligen Postdoktorandin des Kollegs Ute Frietsch koordinierten Kooperation mit dem Centre Marc Bloch fand mit Beiträgen von Christina von Braun und Bettina Bock v. Wülfingen am 10. und 11. November 2007 die Konferenz „postsexualität I“ statt, die sich mit der scheinbaren Auflösung des Zusammenhangs von Sexualität und Fortpflanzung befasste und ‚postsexuelle’ Formen des Begehrens untersuchte. Eine weitere Tagung fand in Kooperation
mit dem Forschungsprojekt „Verwandtschaftskulturen“, „Repräsentationen sozialer
Ordnung im Wandel“, dem „Collaboratory Social Anthropology and Life Sciences“ und
dem Forschungscluster „Das Präventive Selbst“ am Institut für Europäische Ethnologie vom 13.-15. Dezember 2007 zum Thema „Genealogische Praktiken: Transdisziplinäre Kartographie eines Denkstils“ statt. Diese Tagung wurde u.a. von Sonja
Palfner organisiert. Beiträge aus dem Graduiertenkolleg lieferten Sven Bergmann und
Sonja Palfner.
Aus den Tagungen des Kollegs sind auch in dem vergangenen Semester mehrere
Tagungsbände hervorgegangen. So erschien im September 2007 beim transcriptVerlag der Band „Erlöser. Figurationen männlicher Hegemonie“, herausgegeben von
Sven Glawion, Elahe Hashemi Yekani und Jana Husmann-Kastein. Im November
2007 erschien der Band „Geschlecht als Tabu. Orte, Dynamiken und Funktionen der
De/Thematisierung von Geschlecht“ zur gleichnamigen Tagung, der von den (teils
inzwischen ehemaligen) KollegiatInnen Ute Frietsch, Konstanze Hanitzsch und Beatrice Michaelis sowie Jennifer John zusammengestellt wurde. „Männlichkeiten und
Moderne. Geschlecht in Wissenskulturen um 1900“ erschien im Dezember 2007 als
Band zu der entsprechenden Tagung des Kollegs im Vorjahr unter Herausgeberschaft
von Ulrike Brunotte und Rainer Herrn.
Die bereits seit 2005/06 bestehende Ringvorlesung des Graduiertenkollegs wurde
diesmal statt mit externen Beiträgen im Wintersemester 2007/08 allein von den KollegiatInnen bestritten. Sonja Palfner und Anke Langner organisierten die zugleich öf-
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Neues aus dem Zentrum und der HU
fentliche Vortragsreihe und gut besuchte Lehrveranstaltung. Die KollegiatInnen präsentierten ihre zum Teil sich in der Schlussphase befindenden Dissertationsprojekte.
Die Vortragsreihe wird auch im Sommersemester 2008 wieder öffentlich und als Lehrveranstaltung stattfinden, und zwar in dem Format der Vorstellung internationaler externer Beiträge: Dabei wird es – diesmal stets mittwochs statt wie bisher dienstags –
im Raum 3094/96 im Hauptgebäude unter den Linden in den durch die KollegiatInnen
moderierten Vorträgen im ersten Schwerpunkt um „Identität und Differenz in Geistesund Sozialwissenschaften“ und im zweiten um „Geschlecht in kultureller Praxis“ gehen. Im Wintersemester wird die Reihe mit Schwerpunkten zu Geschlecht in Naturwissenschaft/Mathematik und Politikwissenschaft fortgesetzt. Im Wechsel mit der
Ringvorlesung hält das Kolleg mit Beginn des Sommersemesters im Rahmen des
eigenen Studienprogramms, ebenfalls mittwochs, ein internes Methodenkolloquium
zusätzlich zum üblichen Forschungskolloquium, ab.
Auch für das Jahr 2008 ist wieder eine Reihe von Tagungen geplant. Vom 10.-12.
September wird die Konferenz „Menschen • Zahlen • Transformationen: Verdatung
des Organischen“, für die die DFG einen großzügigen Zuschuss gewährte und ein call
for paper auf den Kollegswebseiten zu finden ist, stattfinden. Für den 14.-15. November ist die Tagung „Scham und Schuld. Geschlechter(sub)texte der Shoah“ geplant.
Zusätzlich kooperiert das Kolleg im Sommersemester wieder mit dem Institut für Europäische Ethnologie, um die Tagung „ IVF as Global Form. Ethnographic Knowledge
and the Globalization of Reproductive Technologies” zu organisieren, die vom 11.-14.
Juni stattfinden wird.
Daniela Hrzán, Elahe Haschemi Yekani
Netzwerke – Kooperationen – Partnerschaften
Bericht der Arbeitsgruppe „Internationalisierung in Forschung und Lehre“
Im Rahmen der Neustrukturierung der Arbeitsorganisation des ZtG hat sich auch eine
AG „Internationalisierung in Forschung und Lehre“ gebildet, die von Prof. Eveline Kilian geleitet wird und in der zur Zeit Prof. Eva Boesenberg, Dr. Gülay Caglar, Elahe
Haschemi Yekani, Evelyn Hayn, Daniela Hrzán, Dr. Gabi Jähnert, Dr. Ilona Pache und
Studierende mitarbeiten. Ein erstes Treffen am 17. Januar 2008 diente der Bestandsaufnahme bisheriger internationaler Aktivitäten des ZtG, der Organisation und
Koordination unmittelbar anstehender Ereignisse sowie der Festsetzung neuer Ziele
und Arbeitsgebiete. Nachfolgend sollen die Schwerpunktbereiche des ZtG für den
Bereich „Internationalisierung in Forschung und Lehre“ kurz vorgestellt werden.
Internationale Netzwerke und Kooperationen
Das ZtG ist weiterhin Mitglied bei ATHENA (Advanced Thematic Network in European
Women’s Studies), an dem über 80 Einrichtungen der Frauen- und Geschlechterforschung in Europa beteiligt sind. Es handelt sich hierbei um den dritten und letzten
Förderzyklus. Danach läuft die Arbeit von ATHENA aus, eine weitere Finanzierung
durch die EU ist ausgeschlossen. Allerdings ist eine neue Struktur, in deren Rahmen
bisherige Arbeits- und Forschungszusammenhänge fortgeführt werden können, bereits angedacht. Geplant ist ein europaweiter Dachverband für Women’s und Gender
Studies, der die weitere Vernetzung und Einwerbung von Drittmitteln ermöglichen soll.
Informationen zu ATHENA unter: http://www.athena3.org/
Neues aus dem Zentrum und der HU
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Darüber hinaus ist das ZtG seit 2007 assoziiertes Mitglied bei WUN (Worldwide
Universities Network) und dort speziell im Gender Studies Global Network tätig, einer
Initiative, die maßgeblich von Eveline Kilian angestoßen wurde. Dieser Verbund, dem
u.a. das Centre for Interdisciplinary Gender Studies (CIGS) an der University of
Leeds, The Centre for Women’s Studies and Gender Research an der Universität
Oslo, Women’s and Gender Studies Institute (WGSI) an der University of Toronto und
das Women’s Studies Research Center an der University of Wisconsin-Madison sowie zahlreiche andere Institutionen angehören, hat sich zum Ziel gesetzt, globale und
kollaborative Gender-Forschung zu stärken und auszubauen. Zu seinen Aktivitäten
gehören Austauschprogramme für PromovendInnen und Lehrende der Gender
Studies, internationale Konferenzen, Workshops sowie virtuelle Austausch-möglichkeiten über interaktive Lernplattformen.
Informationen zu WUN unter: http://www.wun.ac.uk/genderstudies/index.html
Internationalisierung der DoktorandInnen-Ausbildung
Im Rahmen der WUN-Kooperation existiert auch eine Initiative, DoktorandInnen der
beteiligten Universitäten, die zu einem Gender-Studies-Thema arbeiten, auf internationaler Ebene zu vernetzen. Vorgesehen sind zum Beispiel das Herstellen von Kontakten zwischen Personen mit ähnlichen Forschungsthemen sowie virtuelle Diskussionsforen. Für die HU wird dieser Bereich zurzeit von Elahe Haschemi Yekani koordiniert, und PromovendInnen der HU Berlin können sich nach wie vor in diese Datenbank eintragen.
Kontakt: eli.haschemi@staff.hu-berlin.de
Eine weitere Aktivität bezüglich der internationalen Vernetzung von DoktorandInnen in
den Gender Studies wird derzeit vom Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“ in Angriff genommen. Unter Leitung von Antje Hornscheidt wurde eine Kooperation mit Schweizer Graduiertenkollegs initiiert, die mit einem ersten Vernetzungstreffen mit dem Berner Graduiertenkolleg „Gender Scripts and Prescripts“ vom
07.-08. März 2008 offiziell gestartet wurde. Neben Absprachen zur weiteren Kooperation ging es bei diesem ersten Treffen insbesondere darum, sich über Probleme und
Aspekte von Transdisziplinarität auszutauschen, gerade auch über Fragen des Mehrwerts, über Probleme und konkretes Funktionieren transdisziplinären Arbeitens.
Eine neue spannende Kooperation zeichnet sich auch vor dem Hintergrund der geplanten Swedish and International Research School in Interdisciplinary Gender
Studies ab, einer vom Swedish Research Council finanzierten Maßnahme, der neben
schwedischen Universitäten auch einige andere europäische Partner-Universitäten
angehören – neben der Universität Helsinki u.a. die Humboldt-Universität. Es handelt
sich dabei um ein zukünftiges Weiterbildungsprogramm für Promovierende, für das
die Reise-, Unterkunfts- und Verpflegungskosten gedeckt werden können. Antje
Hornscheidt und Gabi Jähnert vertraten das ZtG bei einem ersten Planungstreffen
vom 13.-14. Februar 2008 in Linköping (s. dazu auch S. 15). Ein ausführlicher Bericht
dazu folgt im nächsten Bulletin – Info.
Erasmus-Partnerschaften
Im Moment unterhält das ZtG Partnerschaften mit Gender Studies-Einrichtungen an
den folgenden Universitäten: London School of Economics, University of Sussex, University of Essex, Universität Oslo, Universität Graz, Central European University Budapest, Universität Lund, Universität Wien und Universität Helsinki. Gleichermaßen
von Lehrenden und Studierenden der Gender Studies an der HU werden Partnerschaften mit der Universität Utrecht (Rosi Braidotti) und der Universität Basel (Andrea
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Neues aus dem Zentrum und der HU
Maihofer) gewünscht. Diese Projekte sollen in Kürze in Angriff genommen werden.
Was speziell den Austausch der Gender-Studierenden betrifft, so wurden bisher vor
allem die Verträge mit den Universitäten in Sussex und Essex genutzt. Interesse
zeigten die Studierenden in den vergangenen Monaten aber auch an den Universitäten in Oslo und Lund. Ergänzend ist zu sagen, dass einige Studierende auch die
Chance zu einem Aufenthalt an nordamerikanischen Universitäten (z.B. University of
Washington in Seattle, UCLA, UCSD, Cornell University, Universität Quebec), in Südafrika (University of Cape Town) und in Südamerika (Universität Buenos Aires) genutzt haben.
Teaching Staff-Mobilität
Nachdem in der Vergangenheit bereits einige HU-Lehrende der Gender Studies als
Gastdozentinnen an Partner-Einrichtungen zu Besuch waren (z.B. Dr. Gaby Dietze
und Daniela Hrzán am Centre for Women’s Studies and Gender Research in Oslo)
und eine Osloer Delegation unter Leitung von Prof. Beatrice Halsaa Berlin besuchte
sowie Wissenschaftlerinnen aus Sussex (Mairead Dunne) und der LSE (Róisín RyanFlood) zu Gast waren, werden in den kommenden Monaten weitere Besuche stattfinden. Unmittelbar bevor steht ein Aufenthalt von Dr. Maisha Eggers am Centre for
Women’s Studies und Gender Research in Oslo, verbunden mit Vorträgen zu Gender
und Migration sowie einer Präsentation mit dem Titel „Bringing Boys Back In“ im
Rahmen des Projekts „New World – Old Gender? Growing Up in a Gender Equality
Era“ von Prof. Harriet Bjerrum Nielsen. Längerfristig ist auch ein Besuch von Dr.
Gülay Caglar an der University of Sussex geplant.
Besuch von Tiina Rosenberg am ZtG
Im April 2007 war Prof. Tiina Rosenberg zu Gast, die das Zentrum für Gender Studies
an der Universität Lund leitet. Tiina Rosenberg, die einen maßgeblichen Beitrag dazu
geleistet hat, Queer Theory in die Gender Studies in Schweden zu integrieren und
damit zu institutionalisieren, und zu deren Forschungsinteressen auch Theater- und
Medienwissenschaften gehören, bewältigte ein umfangreiches Vortragsprogramm,
das von Greta Garbo über die historische Entwicklung der Queer Studies in Schweden, Erkenntnissen zum transdisziplinären Potenzial von Queer und Theaterwissenschaften bis hin zu Gender Mainstreaming und den Debatten über Feminismus in
Schweden führte. Interessierte konnten sich somit mit dem gesamten Themenspektrum der Forschungstätigkeiten als auch der politischen Aktivitäten von Tiina Rosenberg vertraut machen. Aus aktuellem Anlass – die letzten Wahlen und die stark damit
assoziierte anti-feministische Wende in Schweden lagen zum Zeitpunkt des Besuchs
noch nicht lange zurück – stießen die Vorträge zu Feminismus und Gender
Mainstreaming auf besonderes Interesse, was nicht zuletzt auch durch die persönlichen Erfahrungen von Tiina Rosenberg als Repräsentantin der Partei „Feministische
Initiative“ bedingt war. Im Rahmen eines Dialoggesprächs mit Antje Hornscheidt am
Nordeuropa-Institut der HU berichtete Tiina Rosenberg über die Entstehung der Partei
„Feministische Initiative“ und deren öffentliche Wahrnehmung in Schweden. In diesem
Zusammenhang sprach sie auch über die zunehmende Popularisierung und Medialisierung von Feminismus und feministischen Anliegen in Schweden seit den 1990er
Jahren. Nach Gründung der „Feministischen Initiative“ im Jahr 2005 setzte allerdings
eine gegenteilige Wahrnehmung ein, die entscheidend durch den Dokumentarfilm
„Der Geschlechterkrieg“ bedingt war, in dem FeministInnen und ihre Anliegen diffamiert wurden. Neben den historischen Entwicklungen lag ein weiterer Fokus der
Ausführungen von Tiina Rosenberg auf den parteiinternen Auseinandersetzungen
Neues aus dem Zentrum und der HU
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rund um das Thema der Interdependenzen, also auf der Frage danach, wie das Verhältnis von ‚Gender’ zu ‚Ethnizität’, ‚sozialer Schicht’ und ‚Sexualität’ neu zu bestimmen sei. Zur Debatte stand dabei u.a. die Frage, ob Feminismus immer noch etwas
Monolithisches sein kann, das sich ausschließlich auf Frauen konzentriert. Und sollte
dies nicht mehr der Fall sein, wie müsste dann die Tatsache diskutiert werden, dass
Ressourcen vom Feminismus abgezogen und neu verteilt werden.
Flexible Genders – Transgressive Bodies: Konferenz, 03./04. April 2008
Zum Schluss möchten wir noch auf eine Tagung verweisen, die in Kürze an der HU
Berlin stattfinden wird. Vom 03.-04. April 2008 wird es am ZtG und in Kooperation mit
dem Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“ eine von Prof. Eveline Kilian und Elahe Haschemi Yekani (Institut für Anglistik und Amerikanistik) organisierte
internationale Konferenz mit dem Titel Flexible Genders – Transgressive Bodies geben. Die BeiträgerInnen aus den unterschiedlichen Mitgliedsinstitutionen werden sich
u.a. monströsen Körpern, queeren Repräsentationen im Film, Körpern und Sport sowie Transgender/Transsexualität und Intersexualität und vielen weiteren spannenden
Themenfeldern widmen.
Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung unter:
http://www.angl.hu-berlin.de/dates.html
Registration: Jana Sodtke: jana.sodtke@rz.hu-berlin.de
Gabi Jähnert
Internationale Kooperationen auf dem Gebiet der Doktorand_innenausbildung
in den Gender Studies
Neben der Neueinrichtung von BA- und MA-Studiengängen in den Gender Studies im
Zuge des Bologna-Prozesses werden als nächste Stufe verstärkt auch im europäischen Kontext Initiativen für eine systematische Ausbildung auf der PhD-Ebene ergriffen. Dazu gehören bspw. die Interdisciplinary PhD-Trainings in Gender and
Women’s Studies und die Marie-Curie-Fellowships for Early Stage Trainings in
Gender and Women’s Studies innerhalb des 6. Rahmenprogramms der EU.
Auch das ZtG hatte in Kooperation mit den anderen Berliner Hochschulen die Initiative ergriffen und im Rahmen der Exzellenzinitiative eine Graduiertenschule „Matrix.
The Berlin Graduate School of Gender Studies“ konzipiert und eingereicht. Leider
ohne Erfolg. 1
Die Idee einer strukturierten Graduiertenausbildung, die auf den Erfahrungen unseres
Graduiertenkollegs aufbaut, werden wir jedoch weiterverfolgen, z.B. durch eine verstärkte Kooperation mit den Graduiertenkollegs Gender Studies Schweiz und der mit
der „InterGender: Swedish Research School in Interdisciplinary Gender Studies“.
„InterGender“ wird vom Swedish Research Council (der schwedischen DFG) für 5
Jahre von 2008 bis 2012 mit jährlich 2,5 Millionen Kronen (ca. 250.000 €) gefördert.
Es hat zum Ziel, ein exzellentes „Trainingsprogramm für beginnende Forscher_innen“2 auf dem Gebiet der inter- und transdisziplinären Gender Studies für alle
1
Gender Studies und Exzellenz werden in der deutschen Förderlandschaft noch nicht wirklich
zusammengedacht - wohl aber in Schweden. Hier existieren „Swedish Centres of Gender
Excellence“.
2
„joint research training programme“ im Englischen
16
Neues aus dem Zentrum und der HU
12 schwedischen Universitäten und die beteiligten internationalen Kooperationspartnerinnen (Utrecht, Helsinki, HU Berlin) aufzubauen.
InterGender wird als wichtiger Schritt für ein „European-Joint-PhD-Programme“ verstanden, indem es für Promovierende der Gender Studies ein Kursprogramm entwickelt, das die individuellen Promotionsvorhaben und weiteren Karrierewege der Doktorand_innen fördert.
Geplant sind an wechselnden Orten Kurse zu Theorie, Methodologie und akademischem Schreiben, thematisch orientierte Seminare und Workshops mit international
renommierten Gastreferent_innen, internationale Konferenzen, „Karriere“-Workshops
und Workshops für Betreuer_innen und Gutachter_innen.
Bereits im Herbst 2008 sind die ersten Kurse und Workshops geplant, z.B. zu Transdisziplinarität in Stockholm (in Zusammenarbeit mit dem ZtG), ein Workshop zu
„Feminist theory after Poststructuralism“ (Lund in Zusammenarbeit mit Stockholm; als
Referentin ist Chandra Mohanty eingeladen) sowie „Career development courses“ in
Linköping.
Wir sehen dieser neuen Kooperation jedenfalls mit großer Spannung entgegen.
Janet Keim, Anna Weicker
Let's get 'sluggish'!
Einige Eindrücke zur Lehr- und Lernsituation an der University of California,
Santa Cruz
Das akademische Jahr 2006/07 haben wir beide an der University of California, Santa
Cruz (UCSC) verbracht, deren Maskottchen die „Banana Slug“ ist (siehe Bild) – eine
recht eigenwillige Wahl, die uns gegenüber immer wieder damit begründet wurde, es
handele sich bei der „Banana Slug“ um eines der wenigen Tiere ohne bekannte natürliche Feinde. Unser Aufenthalt fand im Rahmen des Education Abroad Programs
(EAP) der University of California statt, ein Austauschprogramm, auf das wir uns über
das Amt für Internationale Angelegenheiten der Humboldt-Universität (HU) beworben
hatten. Insgesamt würden wir die Erfahrung als unglaublich bereichernd und spannend bezeichnen und wollen im folgenden Artikel versuchen, in aller Kürze auf gerade
diejenigen „Spannungen” einzugehen, die sich in gänzlich positivem Sinn durch unsere Beobachtung von Unterschieden hergestellt haben. Diese bedeuteten für uns
einen produktiven Lerneffekt, der in dieser (oder anderer) Form eventuell auch auf die
Berliner Studienverhältnisse übertragbar wäre.
Auf viele der offensichtlichsten und größten Unterschiede werden wir an dieser Stelle
nicht eingehen, da sie sich aus den verschiedenen Rahmenbedingungen in der
Struktur des deutschen und des amerikanischen Schul- und Universitätssystems ergeben. So fanden wir bspw. durchaus interessant, dass das Undergraduate Studium
mit einer zweijährigen Phase des allgemeinen Studiums beginnt, während der Veranstaltungen der verschiedensten Disziplinen besucht werden, bevor ein Hauptfach gewählt und dann vorrangig studiert wird. Da dies aber nicht zuletzt mit dem amerikani-
Neues aus dem Zentrum und der HU
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schen Highschool System, in dem es keine Oberstufe mit Leistungskurswahl gibt,
zusammenhängt, sollen uns dieser und ähnliche gelagerte Unterschiede hier nicht
weiter beschäftigen.
Da wir beide als erstes Magisterhauptfach Gender Studies studieren und unsere Studienplätze am Feminist Studies Department hatten, werden wir uns zunächst auf den
Vergleich zwischen „Feminist Studies” an der UCSC und „Gender Studies” an der HU
konzentrieren. Denn einige der Unterschiede zum Studium in Berlin lassen sich bereits im Studiengang Feminist Studies selbst ausmachen. Als wir an der UCSC ankamen, hatten die Feminist Studies gerade ihren 30-jährigen Geburtstag gefeiert. 1974
wurden sie noch unter dem Namen „Women's Studies“ gegründet und gehören damit
zu einem der ältesten Gender-Studiengänge in den USA. Wie in vielen anderen
Women's Studies Departments wurde den zahlreichen Weiterentwicklungen der feministischen Theoriebildung seit der „klassischen Frauenforschung” in einer Umbenennung des Studiengangs Rechnung getragen. Während sich Santa Cruz für „Feminist
Studies“ entschied, wurde der Studiengang in San Diego „Critical Gender Studies“
genannt, und die Cornell University wählte die begriffliche Kombination „Feminist,
Gender, and Sexuality Studies“. Diese lange Geschichte der Feminist Studies an der
UCSC zeigt sich auch in einer stärkeren Institutionalisierung des Faches im Vergleich
zu den Gender Studies an der HU. Der Andrang von 500 Studierenden in der Einführungsvorlesung „Introduction to Feminisms“, die vor allem von Studiumsanfänger_innen ohne schon gewähltes Hautfach besucht wird, war nachhaltig beeindruckend. Der relativ große Einfluss der Feminist Studies im akademischen Alltag
zeigt sich auch an der Fülle der Veranstaltungen mit feministischer Prominenz, die
dort große Säle füllen. Judith Butler, Cherrie Moraga und bell hooks gehörten zu den
Theoretiker_innen, von denen wir Veranstaltungen während unserer Zeit in Santa
Cruz besuchen konnten. Für bell hooks hatte sich im Vorfeld extra eine Lesegruppe
gegründet, um sich auf eine Diskussion des neusten Werks der Autorin vorzubereiten.
Während an der UCSC ebenso wie an der HU Transdisziplinariät als Wissenschaftsprinzip groß geschrieben wird, unterscheiden sich die beiden Universitäten in der Umsetzung im Studienalltag. Während an der HU die Verankerung von Transdisziplinarität als institutionalisierte Leitlinie der Gender Studies bedeutet, dass alle Seminare
(bis auf die Einführungskurse) sowohl in Gender Studies als auch mindestens einer
anderen Disziplin angeboten werden, gibt es an der UCSC wesentlich mehr Kurse,
die ausschließlich für Feminist Studies Studierende ausgeschrieben sind, während
nur einige der Kurse auch in anderen Disziplinen „crossgelistet“ werden. Aber auch in
diesen gemischten Kursen gibt es nur äußerst selten eine zahlenmäßige Marginalität
von Studierenden aus den Feminist Studies, wie dies manchmal an der HU der Fall
ist.
Auch für die hiesige Diskussion um Interdependenzen ist ein Blick nach Santa Cruz
lohnenswert. Hier wie dort hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass Gender als
Analysekategorie weit über die Bedeutungen von Geschlecht hinausgeht und in ihrer
Vernetzung mit anderen Kategorien gedacht werden muss. Die Frage nach der Verankerung von Interdependenzen und der Zentralität von Gender für den Studiengang
wird unseren Eindrücken nach jedoch unterschiedlich beantwortet. An der UCSC lassen sich jedes Quarter einige Seminare im Vorlesungsverzeichnis der Feminist
Studies finden, die Gender nur am Rande streifen, in denen aber dafür andere Kategorien zentriert werden. Um ein Beispiel aus unserem Studienalltag zu nennen: Gina
Dents Seminar „Images of Africa“ führte in zentrale Theorien der Critical African
Studies ein und stellte die Frage nach Wissensproduktion jenseits der westlichen
Norm in den Mittelpunkt, wobei „race“ die leitende Kategorie des Seminars war. Nur in
18
Neues aus dem Zentrum und der HU
einer Sitzung diskutierten wir explizit Gender am Beispiel von Oyèrónké Oyewùmís
Buch „The Invention of Women“, das als Kritik am westlichen Feminismus besprochen
wurde. Solche Seminare gelten im Feminist Studies Department als unverzichtbar
und nehmen einen Platz in der Mitte des Studiengangs ein.
Einige der zentralsten Unterschiede im Studienalltag ergaben sich aus der Strukturierung des akademischen Jahres und den Unterschieden im allgemeinen Kurs- und
Leseumfang. An der UCSC ist das akademische Jahr in Quarter unterteilt; statt Semestern setzen sich die zehn Monate aus drei Quartern zusammen, während das
vierte Quarter, die so genannte Summer School, besucht werden kann, jedoch nicht
verpflichtend ist. Klausuren und Hausarbeiten werden in der jeweils letzten Woche
des Terms geschrieben und mit Termende abgegeben – was anders auch gar nicht
möglich wäre, da die Semesterferien zwischen den Quartern nur etwa ein bis zwei
Wochen lang sind. Der Quarter-Rhythmus bedeutet automatisch, dass die Kurse (und
damit die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Kursthemen) kürzer sind. Aber das
führt unserer Erfahrung nach nicht zu einer flacheren thematischen Auseinandersetzung als im Semestersystem, eher im Gegenteil. Das liegt vor allem daran, dass
Kurse und Seminare ein gänzlich anderes Format haben: Während sich an der HU
die erforderliche Semesterwochenstundenzahl in der Regelstudienzeit nur erreichen
lässt, indem pro Semester fünf Seminare belegt werden (plus zweites Hauptfach bzw.
zwei Nebenfächer), besuchen Undergraduates pro Quarter drei Kurse, Graduate
Students sogar lediglich ein bis zwei (wobei Graduate Students meist selbst einen
Kurs unterrichten). Undergraduate Kurse finden in der Regel mehrmals die Woche
statt: Zwei Vorlesungstermine werden mit einer Tutoriumssitzung verknüpft, in der die
vorgestellten Inhalte und gelesenen Texte gemeinsam diskutiert werden. Graduate
Seminare finden einmal wöchentlich statt und dauern drei volle Stunden; ein Leseumfang von einem Buch pro Woche ist dabei üblich, zusätzliche Artikel sind keine
Seltenheit. Sprich: Der Aufwand für jedes einzelne Seminar ist ungleich höher, dafür
werden weniger Seminare besucht. Was sich zunächst nach einer reinen Rechenaufgabe anhört, deren Ergebnisse in summa letztlich hinreichend ähnlich sind, dahinter
verbirgt sich ein entscheidender Unterschied für die wissenschaftliche Arbeit und
Auseinandersetzung der Studierenden: Während an der Humboldt-Universität vor
allem Artikel oder Auszüge aus Büchern gelesen werden, lesen an der UCSC bereits
Undergraduates ganze Bücher. Nun steht in Artikeln jedoch nicht dasselbe – in komprimierter Form – wie in Büchern. Die tatsächliche theoretische Entwicklung eines
Gedanken, seine Ausführung und Einbettung in eine diskursive Landschaft, die sich
aus verschiedensten theoretischen Traditionen, deren Entwicklung und AufeinanderBezugnahme ergibt, kann nur im Umfang eines Buches stattfinden. Artikel sind ein
durchaus wichtiges und sinnvolles Format, und so manches Argument lässt sich auch
kurz ausdrücken. Doch genau hierin liegt ein zentraler Unterschied: Während Artikel
meist argumentative Interventionen in eine aktuelle Diskursformation darstellen, gehören Bücher schon durch den Umfang der investierten Arbeits- und Lebensdauer einer
anderen Zeitlichkeit an. Unserer Meinung nach lässt sich erst durch das Arbeiten mit
Büchern eine reflektierte und verantwortliche wissenschaftliche Haltung einnehmen,
die Studierenden möglichst früh in ihrer akademischen Ausbildung nahe gebracht
werden sollte.
Neben diesen Unterschieden, die sich vor allem aus einer anderen Strukturierung der
bekannten Kursformen (Seminar, Vorlesung, Tutorium) ergeben, möchten wir gerne
auf zwei Kursformate näher eingehen, die sich an der Humboldt-Universität nicht finden lassen: der zweisemestrige Lese- und Schreibkurs und die „independent study”.
Neues aus dem Zentrum und der HU
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Im Wintersemester 2007/08 wurde in der Abschlussrunde des Kolloquiums für Magisterarbeiten (geleitet von Susanne Baer, Christine Bauhardt und Antje Hornscheidt)
von Seiten der Studierenden hervorgehoben, wie hilfreich es war, das eigene Schreiben in einem größeren Zusammenhang diskutieren und daraufhin überarbeiten zu
können. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass diese Diskussion der eigenen
Textproduktion im bisherigen Studium vermisst wurde. Die Nachbesprechung der
eigenen Hausarbeiten mit den Dozierenden führt in den seltensten Fällen zu einer
Überarbeitung des Textes, und eine Weiterentwicklung des eigenen Schreibstils findet
nicht institutionell verankert statt. An der UCSC gibt es neben dem für alle Undergraduates verpflichtenden Kurs zu fiktionalem Schreiben auch zweisemestrige Kurse
in den Graduate Programs, die sich in „reading intensive“ und „writing intensive“ unterteilen. Im ersten Semester werden Texte, meist Bücher, zu einem Themenbereich
gemeinsam gelesen und diskutiert – vergleichbar mit der Vorgehensweise in den
meisten Seminaren in den Gender Studies. Während des zweiten Semesters können
alle Studierenden ihre Arbeit in mehreren Runden präsentieren und nach der Kritik
von Seiten der Mitstudierenden und der_m Dozierenden überarbeiten, bevor der Text
endgültig zur Bewertung eingereicht wird. Durch dieses Format erhält das eigene
Schreiben Anerkennung als wissenschaftliches Arbeiten und wird mit einer ähnlichen
Differenziertheit wie zuvor die theoretischen Texte diskutiert. Durch die FeedbackRunden wird über die inhaltliche Kritik hinaus das Finden und Weiterentwickeln eines
eigenen Schreibstils ermöglicht. Und last but not least macht sich auch das Gefühl
breit, die selbstproduzierten Texte hätten endlich einmal die eigene Schublade verlassen.
Die „independent study” hingegen bietet Studierenden die Möglichkeit, in individueller
Absprache mit einzelnen Dozierenden ihr eigenes Seminar zu gestalten: ein Semesterplan mit Literaturliste, wöchentlichem Lesepensum und Zielsetzung werden gemeinsam zu Semesterbeginn festgelegt. In Folge finden in regelmäßigen Abständen
(für gewöhnlich alle zwei Wochen für eine Stunde) Treffen mit der_m Dozierenden
statt, um die bisher gelesenen Texte zu diskutieren und mögliche Probleme zu besprechen. Die „independent study” ist damit die denkbar freieste Form für Studierende, ihnen wichtige Themen(-komplexe) eigenständig bearbeiten zu können. Es ist
lediglich nötig, eine_n Dozierenden von dem Projekt zu überzeugen und für die
Betreuung zu gewinnen. Ein möglicher Nachteil ist die fehlende Diskussion in der
Gruppe, der allerdings dadurch behoben werden könnte, dass auch vier oder fünf
Leute gemeinsam eine „independent study group” bilden können.
Zum Abschluss möchten wir noch auf die Unterschiede in der Lehr- und Lernsituation
eingehen, die sich aus den technischen Möglichkeiten und Gepflogenheiten an der
UCSC ergeben. Zunächst werden wir, als positives Beispiel, technische Möglichkeiten
im Bereich der Literaturrecherche vorstellen, um zum Abschluss auch problematische
Aspekte zu nennen, die sich aus der allgemeinen Zentralität des Computersystems
ergeben.
Eine oder mehrere Hausarbeiten innerhalb einer Woche zu schreiben wäre hier unvorstellbar, nicht zuletzt da wir ja meist bereits mindestens so lange mit der Recherche und dem Sammeln der Literatur für unsere Arbeit beschäftigt sind. Wer kennt
nicht die mühselige Recherche von Artikeln? Nur über einen Universitätscomputer
kann auf die Artikel-Datenbanken zugegriffen werden und hat mensch dann endlich
die passenden Artikel gefunden, steht als nächstes die Recherche der Zeitschriften im
OPAC an, worauf im Regelfall das Abklappern mehrerer Zweigbibliotheken und das
Kopieren der Artikel folgt. Das Studium an der UCSC hat uns gezeigt, dass das nicht
nur einfacher und schneller, sondern auch bedeutend effektiver und ergebnisreicher
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Neues aus dem Zentrum und der HU
vonstatten gehen kann. Über die Homepage der Universitätsbibliothek und die Eingabe des Studierendencodes haben alle Studierenden Zugriff auf die wichtigsten Artikel-Datenbanken, in denen nicht nur recherchiert werden kann, sondern die Texte
direkt zugänglich und kostenlos downloadbar sind. Dabei kann sich von zu Hause
oder der Uni aus in Artikelarchive, wie JSTOR (The Scholarly Journal Archive) oder
Project MUSE (mit über 380 Zeitschriften aus den Geistes- und Sozialwissenschaften), eingeloggt werden. Dieser Zugang zu Artikeln wurde ein zentraler Bestandteil
des Studiums an der UCSC, der in Deutschland leider immer noch nicht institutionalisiert ist und nach wie vor Forschungsgruppen vorbehalten bleibt. Im Klartext bedeutet
das, dass Studierenden die Tiefenschichten des world wide web, die über Zugangsberechtigungen geschützt, für das Studium jedoch relevant bis unverzichtbar sind,
verschlossen bleiben. Die Kosten für den Zugang zu diesen „Tiefenschichten”, sprich
verschiedensten digitalen Datenbanken, werden in Kalifornien von der Universität
getragen. Auch wenn uns die Höhe dieser Kosten nicht bekannt ist, halten wir es für
eine Investition in bessere Studienbedingungen, die an der HU mehr als überfällig ist.
Insgesamt ist die „Computerisierung” des Studiums an der UCSC wesentlich fortgeschrittener als an deutschen Universitäten – ein Aspekt, den wir als durchaus problematisch erlebt haben. Über den Studierendenaccount finden sämtliche studienbezogenen Vorgänge statt, vom Eintragen in Kurse bis zur Benotung. Dies bedeutet jedoch eine Bürokratisierung und Anonymisierung des Studiums, da individuelle Absprachen mit Dozierenden bezüglich Teilnahme an Seminaren, Abgabeterminen und
Studienleistungen nicht mehr möglich sind. So wird jeder Kurs, der zu Beginn des
Semesters gewählt und dann (aus welchen Gründen auch immer) doch nicht besucht
wird, als „durchgefallen” bewertet, falls er nicht bis zu einem bestimmten Termin offiziell über den Studierendenaccount wieder abgelegt wurde. Und auch eine spätere
Abgabe von Hausarbeiten kann nicht in individueller Absprache mit der_m Dozierenden erfolgen, sondern macht einen schriftlichen Antrag bei der zentralen Universitätsverwaltung nötig. Das „Incomplete”, das mit Semesterende automatisch als Note eingetragen wird, sofern noch keine Benotung durch die_den Dozierenden stattgefunden
hat, kann nur nach Bewilligung dieses Antrags und gegen Bezahlung einer Gebühr
aufgehoben werden. Während der Themenkomplex „Studium als Ware” an dieser
Stelle überdeutlich zutage tritt, ist auch kritisch zu bedenken, welches Ausmaß von
Kontrollfunktionen sich durch diese Handhabung eines zentralen Computersystem
automatisch herstellt und darüber hinaus potentiell herstellen ließe.
Zusammenfassend haben wir gerade auf der Ebene der Seminargestaltung und der
Literaturrecherche Erfahrungen gemacht, die unserer Meinung nach auch an der HU
umsetzbar bzw. dringend umzusetzen wären. Die Frage des Umgangs mit Literatur
erschöpft sich an dieser Stelle notwendigerweise in einem Plädoyer für das Lesen von
Büchern in Seminaren, da der Aufbau des Semesterwochenstunden-Systems nicht so
einfach zu verändern ist. Die Begleitung und Betreuung der schriftlichen Arbeiten in
längerfristig angelegten Seminaren und die flexible Form der „independent study” wären unserer Ansicht nach jedoch leicht umsetzbare und lohnenswerte Experimente,
vor allem in der Konzeptualisierung des neuen Master-Studiengangs. In jedem Fall
unverzichtbar ist jedoch der Schritt, Studierenden an der HU den Zugang zu onlineDatenbanken zu ermöglichen.
Neues aus dem Zentrum und der HU
21
Melanie Bossen
Auslandsstudium in Lund, Schweden 2007/2008
Schon länger plante ich, während meines Magister-Hauptstudiums ein Auslandssemester zu absolvieren. Ich informierte mich darüber, mit welchen Universitäten das
Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien Berlin Verträge hat und meine
Wahl fiel schnell auf die schwedische Stadt Lund mit ihrer traditionellen, im Jahr 1666
gegründeten Universität.
Lund ist eine Kleinstadt in der südschwedischen Provinz Skåne, ungefähr 20 km
nordöstlich der großen Hafenstadt Malmö. Die Universität ist mit ihren circa 41.000
Studenten eine der größten Universitäten Skandinaviens und unterteilt in verschiedene Departments und Faculties, wobei das interdisziplinäre Department Centre for
Gender Studies innerhalb der Faculty of Social Studies lokalisiert ist. Seit 2005 ist
Tiina Rosenberg die Direktorin des Centre for Gender Studies in Lund. Sie ist Mitbegründerin der schwedischen Frauenpartei Feministische Initiative (FI) und beeinflusste maßgeblich die Integrierung von Queer Theory und Queer Studies in die
Gender Studies. Man kann in Lund auch die Möglichkeit nutzen, Vorlesungen von
Tiina Rosenberg zu besuchen, da sie auch als Professorin tätig ist, dafür benötigt
man jedoch sehr gute Schwedischkenntnisse.
Jede/r Erasmusstudent/in hat die Möglichkeit, an einem kostenlosen zweiwöchigen
Sprachkurs an der Folksuniversitetet teilzunehmen, der einen Tag nach dem so genannten Arrival Day beginnt. Die Anmeldung dafür erfolgt mit demselben Formular
wie für das Housing – Informationen für die Anmeldung findet man im Internet unter
folgender Adresse: http://www.lu.se/lund-university/exchange-students/apply. Bei dem
Sprachkurs wird man dann jeweils nach Sprachkenntnissen in Gruppen eingeteilt. Ich
empfehle jedem, diese Chance wahrzunehmen, denn es ist eine gute Gelegenheit
erste Sprachkenntnisse zu erwerben oder bereits vorhandene weiter auszubauen,
und vor allen Dingen kann man die Zeit nutzen, um erste Kontakte zu anderen Austauschstudenten zu bekommen.
Auf der Internetseite des Centre for Gender Studies http://www.genus.lu.se/ kann man
sich über das Kursangebot in diesem Wissenschaftsbereich informieren. Außerdem
bietet die Universität noch so genannte SAS-Kurse der verschiedenen Fachbereiche
für Exchange-StudentInnen an, die in eine bestimmte Thematik eine schwedische
Perspektive einfließen lassen. Diese Kurse findet man, neben anderen Angeboten,
unter folgender Adresse: http://www.lu.se/lund-university/find-a-course. Ich besuchte
den SAS-Gender-Kurs „Scandinavian Models of Equality – Gender, Class, Ethnicity
and the Social Welfare State“, der mir auf Grund seiner skandinavischen Perspektive
eine neue Sichtweise auf die Themen Gender, Class und Ethnicity gegeben hat. Da
Exchange-Studenten aus verschiedenen Ländern den Kurs besuchten, waren die
Diskussionen sehr interessant, weil aus verschiedenen Erfahrungsgründen heraus
argumentiert wurde. Negativ fand ich, dass viele der StudentInnen, die an diesem
Kurs teilnahmen, vorher noch nie mit Gender Studies oder feministischen Theorien in
Berührung gekommen waren und deshalb viele Themen und Erklärungen für mich nur
Wiederholung waren.
Die Anmeldung zu den verschiedenen Kursen erfolgt ungefähr zwei Monate vor Studienbeginn. Informationen über Zusage oder Absage bzw. Änderungen erhält man
von den jeweiligen schwedischen KoordinatorInnen, in meinem Fall war das Sara
Goodman,
die
Koordinatorin
des
Centre
for
Gender
Studies
(Sara.Goodman@genus.lu.se).
22
Neues aus dem Zentrum und der HU
Ein schwedisches Hochschulsemester unterteilt sich in zwei Perioden à zwei Monate.
Man kann in zwei Semesterabschnitten jeweils zwei Kurse parallel studieren. Abweichend davon gibt es aber auch Kurse, die sich über beide Perioden erstrecken. Bei
der Auswahl sollte man darauf achten, dass sich die Kurse zeitlich nicht überschneiden und dass sie über beide Perioden verteilt sind, da es sonst vom Arbeitsaufwand
her nur schwer zu bewältigen ist.
Das Studium in Schweden unterscheidet sich von dem in Deutschland in der Hinsicht,
dass sehr viel Wert auf Selbststudium gelegt wird. Dazu zählen lesen der Kursliteratur, Gruppenarbeiten, selbständiges Bearbeiten von Fragen, Vorbereitung von Diskussionen für den Kurs. Am Ende eines Kurses steht automatisch eine Prüfung in
Form einer Klausur, eines Essays oder einer Hausarbeit an. Das Essay und die
Hausarbeit werden dabei bereits während der Kursperiode angefertigt.
Alle Kurse basieren auf dem Bachelor-/Master-System, was sich für MagisterstudentInnen wie mich als etwas problematisch herausstellte, da sich die in einer BA-Lehrveranstaltung erbrachten Leistungen in Form von so genannten ETCS-Punkten nur
schwer in die zu erbringenden Leistungen für einen Schein im Magisterhauptstudium
umrechnen lassen. Mir konnte mein Leistungsschein, den ich an der Lunds Universitetet in einem BA-Kurs der Gender Studies erbracht habe, nicht vollständig anerkannt
werden, da die erbrachte Leistung nicht den zu erbringenden Ansprüchen für einen
Hauptstudiumsschein entsprach. Jedoch bekam ich die Möglichkeit mein Essay auf
die HU-Anforderungen zu ergänzen, um mir somit meinen Leistungsschein anerkennen lassen zu können. Die Semesterwochenstunden wurden mir vollständig angerechnet. Bei der Auswahl der Kurse ist also darauf zu achten, dass sie dem eigenen
Studienniveau (Hauptstudium) bzw. dem eigenen Studiengang (BA oder MA) entsprechen.
Eine Besonderheit des schwedischen Universitätslebens bilden die so genannten
Nationen. Das sind Studentenvereinigungen, die bereits seit den Gründungsjahren
der Universität bestehen. In Lund gibt es 13 Nationen. Die Mitgliedschaft für schwedische StudentInnen ist Pflicht, als AustauschstudentIn ist der Eintritt freiwillig, jedoch
unbedingt zu empfehlen, denn hier spielt sich das eigentliche Studentenleben ab.
Jede Nation hat ihren eigenen Club, wo die ganze Woche über Parties veranstaltet
werden. Eine Mensa, so wie man sie in Deutschland kennt, gibt es in Lund nicht. Hier
gehen die StudentInnen zu den Nationen, die günstig warme Mahlzeiten anbieten.
Die Nationen bieten auch großes Angebot an Freizeitbeschäftigungen jeglicher Art,
unter anderem sportlichen Aktivitäten und Filmvorführungen.
Rückblickend kann ich sagen, dass mir mein Auslandsaufenthalt zwar akademisch
nicht so viel gebracht hat, aber dass die Zeit in Lund für mich persönlich eine unglaubliche Bereicherung für mein Leben bedeutet. Ich bin selbstständiger und offener
geworden und habe viele interessante und liebe Menschen getroffen, Freundschaften
geschlossen und vor allen Dingen ein Land, das ich schon vorher mochte, lieben gelernt.
Ich kann wirklich nur jedem empfehlen, diese Chance wahrzunehmen!
23
Neues aus dem Zentrum und der HU
Matthias Mergl
Projekttutorium: Aktualität der Antike?
Körper als Orte von Geschlechts-,
Sexualitäts- und Herrschaftsdiskursen
Im Sommersemester 2006 und im Wintersemester 2006/2007 traf sich wöchentlich
ein gutes Dutzend Studierender der Gender Studies und der drei Disziplinen der griechisch-römischen Altertumswissenschaften (Klassische Archäologie, Philologie, Alte
Geschichte) zu gegenseitigem Austausch und Diskussion. Neugier auf die jeweiligen
disziplinären Herangehensweisen und Interesse an den Text- und Bildquellen der
Antike sprengten unsere kühnsten Erwartungen. 3
Fülle und Form
Obgleich gerade die Fülle der Überlieferung und wissenschaftlichen Interpretation wie
Traditionsbildung seitens der Klassischen Altertumswissenschaften eine hervorragende Basis für Gender-Analysen bieten, so zeigt sich eben auch darin zugleich eine
nicht leicht zu überwindende Hürde des interdisziplinären Arbeitens. Dies gilt umgekehrt für die theoretischen und methodischen Zugänge seitens der Gender Studies zu
Körperlichkeit, Geschlechtlichkeit, Sexualität, Macht und Herrschaft. Insbesondere die
Diskussionen um Geschlecht als Wissenskategorie4 und der Anspruch, Geschlecht,
Sexualität, „Rasse“ und Klasse als interdependente Kategorien 5 zu untersuchen, handeln sich leicht den Vorwurf der postmodernen Beliebigkeit ein, obgleich sich ja analoge Problematisierungen von Objektivität und Versuche einer historischen Verortung
von Wissenskulturen in den Klassischen Altertumswissenschaften finden. Das Spannungsfeld sowie damit verbundene Ängste beschreibt der Bonner Altphilologe Thomas A. Schmitz angesichts des Vorwurfs Weißer Blickhegemonie auf die griechischrömische Antike:
„When we accept the theory that our group defines our identity and our truth, there is
hardly a way of avoiding a new tribalism in which every dialogue between members of
different groups is impossible. I am certainly in no position to prescripe or even suggest
how underprivileged and discriminated groups should react; I merely wonder, if it would
not be wiser and more effective to cheerfully state that a heritage cannot be stolen, that
the Greek (and the Kushite and the Chinese) civilization belongs to all of us. (…) ... yet
we have to see the history of classical scholarship as part of a histoire des mentalités or
intellectual history. Only then can we begin to understand where our own unconscious
6
presuppositions originate and attempt to achieve a less biased view.”
3
Organisation des Projekttutoriums: Karoline Holtz, Jenny Hoppe, Matthias Mergl, Smaranda Oaie,
Gabriel Zuchtriegel
4
Inge Stephan, Christina von Braun, Gender@Wissen. Ein Handbuch der Gender-Theorien (2005)
Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche, Susan Arndt (Hg.), Mythen, Masken und
Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland (2005)
Thomas A. Schmitz, „Ex Africa lux? Black Athena and the debate about Afrocentrism in the U.S.“
Göttinger Forum für Altertumswissenschaft, Bd. 2 (1999) 28f./48 –
5
6
24
Neues aus dem Zentrum und der HU
Die Sehnsucht nach dem Echten
Bestimmte Formen der sprachlichen und bildlichen Darstellung sind unbestreitbar in
der Lage subjektiv wie kollektiv, aber wohl kaum global und auf ewig, ein Wahrheitsflimmern hervorzurufen. Jedoch ebenso unumstritten ist, dass zwischen Zeichen und
Bezeichnetem wie zwischen Darstellungsbild und Darstellungsinhalt eine Lücke klafft:
„Nur in Gott gibt es eine ‚Koinzidenz von Handeln und Denken’ wie es die Scholastiker
formulierten. Unsere Wirklichkeit lässt sich nur als wechselseitige Durchdringung dieser
7
beiden verstehen.“
Wurde bislang die Rezeption der Gender Studies in den Klassischen Altertumswissenschaften in erster Linie als Erweiterung der Untersuchungsgegenstände betrachtet, so dürfte sich in Zukunft die Aufmerksamkeit wohl verstärkt auf die Auseinandersetzung mit der reichhaltigen Theoriebildung konzentrieren:
„Wenn dem in der Tat so ist – und schließlich hat seit Leopold von Ranke ja niemand
mehr wirklich daran gezweifelt, dass historisches Arbeiten standortgebunden ist und als
solches der historischen Reflexion bedarf – dann signalisieren Arbeiten wie ... die Einführung in die „Geschichte des Sagbaren“ ... nicht nur die Verfestigung eines veränderten Erkenntnisinteresses im Bereich der Wissenschaften, was ja an sich schon bemerkenswert genug wäre. Sie verweisen darüber hinaus auf eine grundlegende Verschiebung des zeitgenössischen Wahrnehmens und Denkens, der Selbst- und Fremddiagnose von individuellen und kollektiven Lebensweisen durch die Geschichtsschreibenden
8
und die Kulturen, in denen sie leben.“
Bestätigung erfuhr diese Diagnose auch in den Diskussionen unseres Projekttutoriums mit einer für uns alle überraschenden Beobachtung: Die ikonographisch-ikonologische Analyse der Körperbilder fiel den mit Dekonstruktion und Diskursanalyse vertrauten Gender Studierenden oftmals leichter als den Klassischen ArchäologInnen,
die offenbar gerade aufgrund der Vertrautheit und Nähe eine gewisse Scheu vor der
Zerstückelung von deren Aura empfanden. Hier lag auch genau ein Schwerpunkt unseres Projekttutoriums: Wie kann es sein, dass gerade die offensichtlich idealisierten
Körperbilder der Weiblichkeit und Männlichkeit wie die ‚Aphrodite von Knidos’ oder die
klassischen Jünglingsstatuen noch nach 2500 Jahren den Eindruck wahrer Weiblichkeit oder gar universalmenschlichen Seins vermitteln?
Mimesis und Alterität
Die lange Rezeptionsgeschichte der griechisch-römischen Antike und die Bedeutung
die diesen Körperbildern und in Texten überlieferten Körperkonzepten seit der Aufklärung und besonders in der Fundierung der europäischen Nationalstaaten zukam, bewirkt deren Oszillation zwischen Vertrautheit und Fremdheit. Die Rolle, welche „die
Antike“ in der Selbstdefinition der europäischen Moderne9 und einer Weißen Identi-
7
8
9
Online: http://gfa.gbv.de/dr,gfa,002,1999,a,03.pdf
Erwin Panofsky, „Kunstgeschichte als geisteswissenschaftliche Disziplin“ in Sinn und Deutung in der
bildenden Kunst (1978 / 1955) 26
Jürgen Martschukat (Hg.), Geschichte schreiben mit Foucault (2002) 11
„Die Moderne steht in Opposition zum Antiken, das Neue in Opposition zum Immergleichen.“ Walter
Benjamin (Zentralpark) und: „Ist ihr aber ihr Recht geworden, so ist die Moderne abgelaufen. Dann
wird die Probe auf sie gemacht werden. Nach ihrem Ende wird sich erweisen, ob sie selber je Antike
wird werden können.“ Walter Benjamin (Charles Baudelaire. Ein Lyriker in Zeiten des Hochkapitalis mus) zitiert aus Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhäuser (Hg.), Walter Benjamin. Gesammelte
Schriften, Bd. I 2 (1991) 681 und 584
Neues aus dem Zentrum und der HU
25
tät10 im Gegensatz zu „unzivilisierten Wilden“ und/oder Schwarzen Anderen spielte, ist
bei weitem noch nicht erschöpfend analysiert. 11 Die Affinitäten – trotz der Brüche und
Transformationen über die Jahrhunderte – konfrontierten uns immer wieder mit der
Notwendigkeit einer analytischen Doppelbewegung: Kritischer Blick aufs Eigene wie
auf die Antike. Dazu mussten wir zunächst versuchen, eine gemeinsame Kommunikationsebene zwischen den Disziplinen zu erarbeiten. Hilfreich erwiesen sich dabei
besonders die ikonologisch-ikonographische Methode Erwin Panofskys 12, das auf
beiden Seiten gebräuchliche Habitus-Konzept von Pierre Bourdieu 13 sowie die
Leibphänomenologie von Bernhard Waldenfels:
„Selbstbezug ist nur im Fremdbezug zu fassen. Und umgekehrt: der Leibbezug ist zu
fassen als innerer Entzug. Die Rede von einem Leibkörper bedeutet nicht, dass der Leib
als inneres Erleben einem äußeren Körper vorausginge, sondern in der Leiblichkeit sel14
ber, im leiblichen Erleben entzieht sich etwas, im Innen tritt schon ein Außen auf.“
Unter Voraussetzung der grundsätzlichen Offenheit menschlicher Körperlichkeit, dem
mimetischen Vermögen15, und Verwiesenheit auf kollektive Wissens- und
Machtdispositive konnten wir uns einen gemeinsamen Zugang zur Foucault´schen
Diskursanalyse erarbeiten.
Diskursanalyse
Erst unter der Voraussetzung einer Rekonstruktion einer griechisch-römischen „Geschichte des Sagbaren“ 16, der unter Einbezug der Spezifitäten der Bilddiskurse noch
eine Geschichte des Sichtbaren hinzuzufügen wäre, kann es gelingen der Besonderheit der antiken Körper-, Geschlechts-, Sexualitäts- und Herrschaftsdiskursen gerecht
zu werden. Im Rahmen des Projekttutoriums konnten wir dabei lediglich einigen
Transformationslinien der Weiblichkeits- und Männlichkeitsdiskurse17 folgen, den Konzeptionen des kosmologisch-politischen-epistemischen Eros 18 sowie körperlichen Dimensionen der politischen Gemeinschaftsbildungen 19.
Als Methodologie bietet die Diskursanalyse ebenso eine Antwort auf die im Eingangszitat deutlich gewordenen Ängste vor „Relativismus“ und „Tribalismus“ des Wissens
10
11
12
13
Zur Großschreibung der dadurch als politisch markierten Kategorien Weiß und Schwarz siehe Eggers
u. a. (Hg.), Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung (2005) 13
Knut Ebeling, Stefan Altekamp (Hg.), Die Aktualität des Archäologischen in Wissenschaft, Medien
und Künsten (2004)
Erwin Panofsky, Sinn und Deutung in der bildenden Kunst (1978)
Pierre Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (1987) 310: „Der
Körper, gesellschaftlich produzierte und einzige sinnliche Manifestation der ‚Person’, gilt gemeinhin
als natürlichster Ausdruck der innersten Natur – und doch gibt es an ihm kein einziges bloß ‚physisches’ Mal, Farbe und Dicke des aufgetragenen Lippenstifts werden ebenso wie ein spezifisches
Mienenspiel, wie eine bestimmte Mund- und Gesichtsform unmittelbar als Indiz für eine gesellschaftlich gekennzeichnete ‚moralische’ Physiognomie gelesen, für eine ‚vulgäre’ oder ‚distinguierte’ Gestimmtheit – von Natur aus ‚Natur’ oder von Natur aus ‚kultiviert’.“
14
Bernhard Waldenfels, Das leibliche Selbst. Vorlesungen zur Phänomenologie des Leibes (2000) 266
15
Walter Benjamin, Über das mimetische Vermögen, in Gesammelte Schriften, Bd. II 1 (1980) 210ff.
Achim Landwehr, Geschichte des Sagbaren. Einführung in die historische Diskursanalyse (2001) und
Hubert L. Dreyfus, Paul Rabinow, Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik (1994, 1982)
Aktuelle Überblicke über den Forschungsstand in der Alten Geschichte: Elke Hartmann, Frauen in der
Antike. Weibliche Lebenswelten von Sappho bis Theodora (2007) sowie in Klassischer Archäologie:
Kathrin Schade, Frauen in der Spätantike. Status und Repräsentation (2003)
16
17
18
Wolfgang Detel, Foucault und die klassische Antike (2006, 1998) bes. S. 207ff.
19
Benjamin Isaac, The Invention of Racism in Classical Antiquity (2004)
26
Neues aus dem Zentrum und der HU
wie sie die unterschiedlichen Aufgabenbereiche von Natur- und Geisteswissenschaften in Erinnerung rufen kann:
„Wer von einem Automobil überfahren wird, wird von Mathematik, Physik und Chemie
überfahren. Denn wer ein kontemplatives Leben führt, kann nicht umhin, das aktive zu
beeinflussen, so wenig er das aktive Leben daran hindern kann, sein Denken zu beeinflussen. (...)
Naturwissenschaft beobachtet die zeitgebundenen Prozesse der Natur und sucht die
zeitlosen Gesetze zu verstehen, nach denen sie sich entfalten. (...)
Die Geisteswissenschaften hingegen sehen sich nicht der Aufgabe konfrontiert, etwas
festzuhalten, das andernfalls entglitte, sondern sie haben zu beleben, was andernfalls
tot bliebe. ... Indem sie dergestalt statische Zeugnisse mit dynamischem Leben versehen, statt vergängliche Ereignisse auf statische Gesetze zurückzuführen, stehen die
Geisteswissenschaften nicht in Konflikt mit den Naturwissenschaften, sondern ergänzen
20
sie.“
Letztere Aussage mag angesichts von Foucaults Analyse der modernen Disziplinarmacht als Macht-Wissenskomplex mit der Institutionalisierung von Medizin und Naturwissenschaften als Wahrheitslieferanten allzu optimistisch erscheinen, doch führt
uns dies zu einem abschließenden Ausblick wie eine diskursanalytische historische
Anthropologie21 der griechisch-römischen Antike nicht ohne Relevanz für HistorikerInnen der Moderne sein kann.
Historische Anthropologie
Thomas Laqueur’s Studie „Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud“ (dt.1992) machte auf einen wesentlichen Wandel
in der Betrachtungsweise der anatomischen Geschlechtsunterscheidung im Übergang
vom 18. zum 19. Jh. aufmerksam: Wurde von der Antike bis in die Frühe Neuzeit der
weibliche Körper als nach Innen gestülpter männlicher betrachtet, so etablierte sich
mit der modernen naturwissenschaftlichen Biologie die Konzeption des weiblichen
Körpers als different zum Männlichen. Von einer Anatomie der Homologien und Analogien („Vagina als nach Innen gestülpter Penis“) lässt sich ein epistemologischer
Wandel zu einer Biologie der Fundamentaldifferenzen erkennen. Laqueur sucht dies
mit dem Übergang vom „Ein-Geschlecht-Leibmodell“ zum „Zwei-Geschlecht-Leibmodell“ zu beschreiben. Diese Systematisierung wurde seit den Neunzigern zunächst
von Mittelalter- und Früh-Neuzeit-HistorikerInnen 22 problematisiert und stößt auch bei
der Analyse der griechisch-römischen Körperkonzepte auf nicht geringe Schwierigkeiten. So konnte etwa Johanna Fabricius darauf aufmerksam machen, dass im 4. Jh.
v. Chr. zum ersten Mal die von Laqueur beschriebenen anatomischen Homologisierungen auftauchen, wobei allerdings zugleich in der Bildnisdarstellung zum ersten Mal
unterschiedliche Proportionsschemata für weibliche und männliche Körper erscheinen. 23 Dass selbst bei Galen, Laqueurs Kronzeugen für das Ein-Geschlecht-Leib-Modell, aus der Homologie-Anatomie körperliche Geschlechterdifferenz herausgelesen
20
21
22
23
Erwin Panofsky (siehe Fußnote 5) 26f.
Claudia Bruns, Tilman Walter (Hg.), Von Lust und Schmerz. Eine historische Anthropologie der
Sexualität (2004)
Mit weiterer Literatur siehe Fabian Krämer, ‚Under so viel wunderbarlichen Sachen ist mir nichts
wunderbarlichers unnd seltsamers fürkommen’. Vom ‚Auftauchen’ des Hermaphroditen in der Frühen
Neuzeit, in NGBK Berlin (Hg.), 1-0-1 (one `o one) intersex. Das Zwei-Geschlechter-System als Menschenrechtsverletzung (2005) 150-157
Johanna Fabricius, Verweiblichung und Verweichlichung – zu männlichen und weiblichen Körperkonzepten in der griechischen Kultur, in C. Franz, G. Schwibbe (Hg.), Geschlecht weiblich. Körpererfahrungen – Körperkonzepte (2001) 35-60
Neues aus dem Zentrum und der HU
27
wurde, wie Steffi Grundmann24 aufzeigen konnte, lässt die Probleme in der Systematisierung deutlich zu Tage treten. Weder wird in der Antike nicht mit Natur für Geschlechterdifferenz argumentiert noch lässt sich ein Verzicht auf eine Oberfläche der
körperlichen Sichtbarkeit für die Begründung der unterschiedlichen, ja oft polaren und
komplementären Geschlechterkonzeptionen ausmachen. Weder wird in der Antike
nur mit Metaphysik der Geschlechtsunterschied begründet noch ist die moderne Biologie frei von normierenden Vorannahmen.25 Wie unterscheiden sich also antike
Naturbegründung und moderne biologische Verankerung?
Hier kann eine Geschichte des Sichtbaren hilfreich sein. Eben hierin liegen wesentliche epistemologische Transformationen zwischen kosmologisch-polytheischer, christlicher und moderner Weltwahrnehmung: Welche sichtbaren Oberflächen der Wahrheit
werden diskursiviert? Die sich etablierenden empirischen Naturwissenschaften vom
Körper zeichnen sich gerade durch einen immer weiter in die Tiefe dringenden
miskroskopierenden Blick aus, der zunächst den weiblichen Körper zum Geheimnis
erklärt, um durch den wissenschaftlichen Tiefenblick zum Sprechen gebracht zu werden – von der Anatomie über die Hormone bis zur Zell-Genetik. Mit den Wahrheitsoberflächen ändern sich auch die Diskursformationen. Worüber in der Antike politische Eliten mit Philosophen spekulierten, im Mittelalter Theologen und Juristen debattierten, brüten heute Zellbiologen in ihren Laboren. Doch gerade die Analyse der
Diskursformationen, die in der Antike den Komplex aus Sehen-Wissen-Macht konstituierten, steht noch am Anfang. Unbestreitbar liefern die Quellensammlungen und
Analysen Laqueurs einen wichtigen Baustein und vor allem, ob nun im Einzelnen korrekturbedürftig26 oder nicht, besitzen sie interessanterweise heute enorme Evidenzkraft für die soziokulturelle Konstruktion der Geschlechtskörper.
„Das ist die Ironie der Anstrengungen, die man macht, um seine Sichtweise zu verändern, um den Horizont des Bekannten zu modifizieren und um nach Möglichkeit etwas
Abstand zu gewinnen. Haben sie wirklich dazu geführt, anders zu denken? Vielleicht
haben sie höchstens dazu geführt, das, was man schon dachte, anders zu denken, und
unter einem klareren Licht wahrzunehmen, was man ohnehin tat. Man meinte sich
selbst zu entfernen und findet sich in der Vertikale seiner selber. Die Reise verjüngt die
27
Dinge und lässt das Verhältnis zu einem selber altern.“
Web-Site des Projekttutoriums:
https://lms.hu-berlin.de/moodle/course/view.php?id=1918
Matthias Mergl, Oranienstraße 30, 10999 Berlin, matthiasmergl@arcor.de
24
25
26
27
Steffi Grundmann, Geschlecht und Sexualität in den medizinischen Schriften Galens, in Elke Hartmann u.a. (Hg.), Sexualität, Medizin und Moralvorstellungen in der Antike, Bulletin Texte 31, Zentrum
für transdisziplinäre Geschlechterstudien HU Berlin (2006) 78-94
Ulrike Klöppel, ‚Strenge Objektivität und extremste Subjektivität konkurrieren’ Hermaphroditismusbehandlung in der Nachkriegszeit und die Durchsetzung von ‚Gender by Design’, in NGBK Berlin (Hg.),
1-0-1 (one `o one) intersex. Das Zwei-Geschlechter-System als Menschenrechtsverletzung (2005)
168-185
Laqueur selbst sind ja die Überschneidungen und Unstimmigkeiten seiner Systematisierung in ‚Einund Zwei-Geschlecht-Leibmodell nicht unsichtbar gewesen: „Hier unterscheide ich mich von
Foucault, für den eine Episteme ein für allemal eine andere verdrängte.“ Thomas Laqueur, Auf den
Leib geschrieben (1992) 35; Eine Systematisierung des Materials nach Oberflächen der Sichtbarmachung von Wahrheit würde die Überschneidung von Epistemen, die Laqueur beobachtete, wieder
auflösen und den Blick für Faktoren des epistemologischen Wandels öffnen sowie einem fruchtbaren
Dialog zwischen Bild- und Textwissenschaften ein weites Feld eröffnen. Siehe zu den Konfliktfeldern:
Horst Bredekamp, Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und
die Zukunft der Kunstgeschichte (1993)
Michel Foucault, Der Gebrauch der Lüste. Sexualität und Wahrheit 2 (1989, 1984) 19