Karrieren von Hochschullehrerinnen an der Humboldt
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Karrieren von Hochschullehrerinnen an der Humboldt
Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät III Institut für Kultur- und Kunstwissenschaften Karrieren von Hochschullehrerinnen an der Humboldt-Universität Berlin Untersuchungen am Beispiel der Pädagogischen Fakultät und Sektion Pädagogik zwischen 1950 und 1975 Magisterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra Artium im Fach Geschlechterstudien/Gender Studies Eingereicht von: Beate Ronneburger beate.ronneburger@student.hu-berlin.de Matrikel 143312 Wissenschaftliche Gutachter: PD Dr. Ulrike Mietzner Prof. Dr. Gert Geißler Strausberg, den 27. August 2006 Inhalt 1 Einleitung ................................................................................................................ 5 2 Universitätskarrieren von Frauen und Hochschulentwicklung in der DDR und an der Humboldt-Universität Berlin von 1950 bis 1975 – Forschungsstand und Forschungsfragen ............................................................. 8 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 Quantitative Erhebungen zu Frauen an der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik................................................................................................................. 9 Biographische Forschungen zu Hochschullehrerinnen an der HumboldtUniversität Berlin................................................................................................... 11 Gesellschaftliche und universitäre Rahmenbedingungen für Wissenschaftlerinnen ............................................................................................. 13 Der sozialistische Umbau der Universitäten in der DDR ............................ 14 Die Nachwuchs- und Berufungspolitik der 1950er bis Mitte der 1970er Jahre ............................................................................................................... 15 Universitäre Frauenförderung allgemein...................................................... 20 Frauenförderung an der Humboldt-Universität Berlin................................. 24 Offene Forschungsfragen .............................................................................. 25 3 Methodisches Vorgehen ....................................................................................... 26 4 Pädagogische Fakultät und Sektion Pädagogik der Humboldt-Universität Berlin als Karrierekontext: Aufbau und Entwicklung ..................................... 32 5 Wissenschaftlerinnen im wissenschaftlichen Nachwuchs, im Lehrkörper und in Leitungspositionen an der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik von 1950-1975 – quantitative Analyse....................................................................... 40 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 Nachkriegsprofessorinnen und Nachkriegsdozentinnen an der Pädagogischen Fakultät................................................................................................................... 40 Frauen im wissenschaftlichen Nachwuchs in den 1950er und 1960er Jahren.... 41 Wissenschaftliche Qualifikation von Frauen an der Pädagogischen Fakultät .... 43 Aufsteigerinnen und Hochschullehrerbestand an der Pädagogischen Fakultät .. 47 Karriereschub für Frauen an der Sektion Pädagogik 1968 bis 1975.................... 48 Frauen in den Leitungsebenen – Vergleich von Pädagogischer Fakultät und Sektion Pädagogik ................................................................................................. 51 Zwischen karriereöffnender Fakultätszeit und kleinem Karriereschub an der Sektion Pädagogik ................................................................................................. 53 2 6 Aufstiegsmöglichkeiten und Begrenzungen für die Karrieren von Hochschullehrerinnen in sich wandelnden Rahmenbedingungen ................... 55 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 7 Beschreibung der Untersuchungsgruppe............................................................... 56 Universitäre Laufbahnen ausgewählter Hochschullehrerinnen in Kurzporträts. 58 Frauenförderung – Impulse versus Erfolgsquote.................................................. 65 Bedeutung der Habilitation in Berufungsverfahren.............................................. 72 SED-Mitgliedschaft und gesellschaftlich-politische Tätigkeit............................. 80 Wirkung institutioneller Binnendifferenzierung und Umstrukturierung auf Hochschullehrerinnenkarrieren ............................................................................. 88 Karrierechancen von Hochschullehrerinnen: Günstiger als erwartet und doch begrenzt – Resümee und Ausblick ............................................................. 95 Abkürzungen ................................................................................................................ 100 Tabellen ........................................................................................................................ 101 Dokumente ................................................................................................................... 115 Quellen- und Literaturverzeichnis ................................................................................ 129 3 Verzeichnis der Tabellen und Dokumente im Anhang Tabelle 1. Überblick über Anordnungen, Maßnahmen, Berichte und Beratungen, die die universitäre Frauenförderung betrafen. ............................................................. 101 Tabelle 2. Überblick über den Frauenanteil und die Anzahl der Frauen in der Hochschullehrerschaft 1954, 1962,1965:.......................................................... 105 Tabelle 3a. Verteilung der Geschlechter auf die Institute der Pädagogischen Fakultät 1951/52 bis 1967/68 .......................................................................................... 106 Tabelle 3b. Anteil der Frauen am wissenschaftlichen Personal an den Instituten der Pädagogischen Fakultät 1964, 1965, 1966 in % ............................................... 107 Tabelle 4. Verteilung von Frauen und Männern auf Leitungspositionen an der Pädagogischen Fakultät der HUB 1946/47 bis 1967/68 ................................... 108 Tabelle 5a. Verteilung von Frauen und Männern im Lehrkörper der Pädagogischen Fakultät der HUB 1946/47 bis 1967/68 ............................................................ 109 Tabelle 5b. Zahl der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer an der Pädagogischen Fakultät der HUB 1946/47 bis 1967/68 ............................................................ 110 Tabelle 5c. Entwicklung der Zahl der Professoren, Professorinnen und Emeriti an der Pädagogischen Fakultät der HUB 1946 bis 1967 ............................................. 111 Tabelle 6. Berufungen von Frauen und Männern zu Dozenten und Professoren zwischen 1968 und 1976 an der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik.................. 112 Tabelle 7. Struktur und kadermäßige Besetzung der Sektion Pädagogik 1975............ 113 Tabelle 8. Gesamtzahl der Professoren und Dozenten an verschiedenen Sektionen der HUB 1969 ......................................................................................................... 114 Dokument 1: Schreiben zur Frauenförderung an den Prorektor (1965)....................... 115 Dokument 2: Bericht zur Habilitation von Frau W. (1965) ......................................... 118 Dokument 3: Gutachten zu Frau A. (1968) .................................................................. 123 Dokument 4: Gutachten zu Herrn S. (1968)................................................................. 125 Dokument 5: Antrag auf Berufung zur Dozentin (Frau W.) ........................................ 127 4 1 Einleitung Selbst in den Fächern, die spätestens Anfang der sechziger Jahre vorwiegend in Frauenhand waren, hing die Zahl der Hochschullehrerinnen weit hinter der des männlichen Lehrkörpers zurück. 1962 bildeten insgesamt 38 Professoren den pädagogischen Nachwuchs aus, doch unter ihnen standen nur zwei Frauen hinter dem Katheder. (Budde 2003:166) Dieses Zitat aus einer Untersuchung über Wissenschaftlerinnen in der DDR ist einer der wenigen Hinweise, die man in der Literatur zu Hochschullehrerinnen an Pädagogischen Fakultäten finden kann, wenn man sich für jene Hochschullehrerinnen interessiert, die nach den ersten Nachkriegsprofessorinnen in der Pädagogik aufstiegen. Wie die Historikerin Budde mit ihrer Aussage verdeutlicht, fiel die Zahl der Hochschullehrerinnen auch im Fach Pädagogik nicht besonders hoch aus, obwohl gerade in diesem Fach der Anteil der Studentinnen hoch war und insofern auch ein höherer Anteil an Hochschullehrerinnen zu erwarten wäre. Buddes Aussage vermittelt allerdings lediglich in das Jahr 1962 einen Einblick – wenn auch keinen sehr vielversprechenden für das Thema dieser Arbeit. Vor dem Hintergrund der Forschung über Frauen an der Humboldt-Universität Berlin und einiger Hinweise über Hochschullehrerinnen in der DDR-Pädagogik in Studien über Wissenschaftlerinnen der 1950er und 1960er Jahre der DDR wurde die Frage dieser Arbeit entwickelt: Welche Karrieremöglichkeiten eröffneten sich für Wissenschaftlerinnen an der Pädagogischen Fakultät und an der Sektion Pädagogik 1950 bis 1975 an der Humboldt-Universität? Speziell wird danach gefragt, in welchem Umfang Frauenkarrieren an dieser Fakultät und Sektion erfolgten, und welche Karrieremöglichkeiten sich unter den damaligen Rahmenbedingungen am Beispiel von ausgewählten Hochschullehrerinnen ablesen lassen. Mit dieser Fragestellung steht die Arbeit im Kontext der frauengeschichtlichen Forschung an der Humboldt-Universität sowie der geschlechtergeschichtlichen Studien über DDR-Wissenschaftlerinnen der Nachkriegsjahre bis 1970. Zugleich leistet sie einen Beitrag zur institutionsgeschichtlichen Forschung zur Pädagogik an der Humboldt-Universität Berlin. Für diese Untersuchung wurde der Zeitraum 1950 bis 1975 gewählt, da in diesem Zeitraum wichtige Entwicklungen und Veränderungen stattfanden, die für Karrieren von Hochschullehrerinnen von besonderem Interesse sind: In dieser Zeit wurden die Universitäten und der Zugang zur Hochschullehrerschaft in der DDR deutlich 5 umgestaltet, das heißt, die Hochschulen wurden in sozialistische Universitäten umgewandelt. Dazu konstatiert Budde: Eigentlich hätten alle Umstrukturierungsmaßnahmen, die auf ein Aufbrechen traditioneller Autonomie- und Hierarchiemuster des Hochschullehrerberufs zielten und schrittweise den Erziehungsauftrag zuungunsten der Forschertätigkeit aufwerteten, Frauen zugute kommen müssen. Schließlich zerschlugen die Reformen sukzessive dicht gewebte Männernetzwerke der Universitäten, die ein weibliches Vordringen jahrzehntelang abgewehrt hatten. Überdies hätte die neue Hochschätzung der pädagogischen Aufgabe, die ja traditionell und auch durch den SED-Staat immer wieder als besonderes weibliches Talent herausgestrichen wurde, gerade den Blick auf Frauen als Hochschullehrerinnen lenken können. (Budde 2003:163) Aus Buddes Ausführungen geht hervor, daß die Umstrukturierungen an DDRUniversitäten zu dieser Zeit für Wissenschaftlerinnen bessere Karrieremöglichkeiten als vor 1945 hätten eröffnen können, aber in der Realität nicht dazu führten. Bei der Pädagogischen Fakultät der HUB handelte es sich um eine sehr „junge“ universitäre Einrichtung. Sie wurde 1946 an der Universität Berlin1 eröffnet und in der folgenden Zeit stark ausgebaut, nachdem sie der drohenden Schließung entgangen war. An der Pädagogischen Fakultät emeritierten die Nachkriegsprofessoren recht bald, so daß Professuren neu besetzt werden konnten. Des weiteren ist interessant, daß im Untersuchungszeitraum in der DDR die universitäre Frauenförderung eingeführt wurde, die dazu beitragen sollte, die Zahl der Hochschullehrerinnen zu erhöhen. In dieser Arbeit werden die Karrieren von denjenigen Wissenschaftlerinnen untersucht, die i.d.R. zuvor von Nachkriegsprofessoren und Nachkriegsprofessorinnen ausgebildet wurden. Die Nachkriegssituation selbst soll allerdings nicht fokussiert werden, weil es sich um eine Ausnahmesituation handelte. Das Ziel dieser Arbeit ist, den Aufstieg von Hochschullehrerinnen unter den universitären Bedingungen in der DDR und speziell an der Pädagogischen Fakultät zu verfolgen und dabei einen differenzierten Beitrag zu leisten. Die hier untersuchten Wissenschaftlerinnen der Pädagogischen Fakultät erreichten zumeist bis Mitte der 1970er Jahre an der Sektion Pädagogik die höchste Position ihrer universitären Laufbahn. Intendiert ist dabei, insbesondere nach den Karrierechancen dieser Wissenschaftlerinnen zu fragen, da in bisherigen Untersuchungen über Wissenschaftlerinnen in der DDR vor allem Karrierehindernisse dargestellt wurden. In der vorliegenden Arbeit wird zunächst ein Überblick gegeben über sozial-, frauen1 In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg wurde die heutige Humboldt-Universität Berlin allgemein Universität Berlin genannt. 1949 erhielt sie den Namen Humboldt-Universität (Walther 2003:143, 150). 6 und geschlechtergeschichtliche Studien zu Wissenschaftlerinnen in der DDR von 1945 bis 1975 (Kapitel 2). Hierbei handelt es sich zum einen speziell um die Ergebnisse zu Hochschullehrerinnen in der Pädagogik der DDR und insbesondere an der HUB. Zum anderen werden die Resultate der zentralen Studien über Wissenschaftlerinnen der 1950er und 1960er Jahre der DDR dargestellt. Diese vermitteln, in welchem Kontext Wissenschaftlerinnenkarrieren in der DDR erfolgten, und welche spezifischen Bedingungen für die universitäre Laufbahn von Frauen in der DDR relevant waren. Diese Forschungsergebnisse bilden die notwendige Basis für die eigene Auswertung der Archivquellen. Im Kapitel 3 werden das methodische Vorgehen und die untersuchten Quellen, wie Personalverzeichnisse, Berufungsakten und Akten zur Frauenförderung, erläutert. Daran schließt sich die Untersuchung des Forschungsgegenstandes an. Dieser empirische Hauptteil der Arbeit gliedert sich in drei größere Abschnitte: Um die Karrieren von Wissenschaftlerinnen zu untersuchen, wird zuerst der spezifische Karrierekontext von Hochschullehrerinnen an der Pädagogischen Fakultät und Sektion Pädagogik der Humboldt-Universität vorgestellt, indem die Entwicklung und sich verändernde Organisationsstrukturen der Fakultät und Sektion skizziert werden (Kapitel 4). Das geschieht, um die Laufbahnen der Wissenschaftlerinnen zu verorten und eine Vorstellung davon zu vermitteln, in welchem institutionellen Rahmen die hier untersuchten Wissenschaftlerinnen aufstiegen. Für dieses Kapitel werden die institutionelle Entwicklung und Struktur der Fakultät und Sektion bis 1975 rekonstruiert. Soweit dies möglich ist, werden Hintergründe für die in diesem Kapitel beschriebenen Entwicklungen und Veränderungen ausgeführt. Über das Ausmaß von Wissenschaftlerinnenkarrieren an den in Kapitel 4 vorgestellten Institutionen geben die Ergebnisse des Kapitels 5 „Wissenschaftlerinnen im wissenschaftlichen Nachwuchs, im Lehrkörper und in Leitungspositionen an der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik von 1950-1975 – quantitative Analyse“ Auskunft. Um zu eruieren, wie zahlreich die Aufsteigerinnen an Fakultät und Sektion im untersuchten Zeitraum waren, wird in diesem Kapitel folgenden Fragen nachgegangen: Wie viele Frauen stiegen in den Nachkriegsjahren an der Fakultät auf? (Kapitel 5.1) Waren Frauen im wissenschaftlichen Nachwuchs der 1950er und 1960er Jahre und damit an der Ausgangsbasis für Karrieren vertreten? (Kapitel 5.2) Besaßen Wissenschaftlerinnen die für eine Karriere notwendige wissenschaftliche Qualifikation? Wie viele Nachwuchswissenschaftlerinnen wurden in das Frauenförderprogramm der 7 1960er Jahre aufgenommen? (Kapitel 5.3) Gehörten Frauen zu den in den Stellenplänen der Fakultät eingeplanten Hochschullehrern? Wie viele Frauen gehörten zu den potentiellen Aufsteigern, und wie viele von ihnen erhielten eine Stelle als Hochschullehrerin? (Kapitel 5.4 und 5.5) Welche Leitungspositionen übernahmen Wissenschaftlerinnen an der Fakultät und Sektion, in welcher Zahl? (Kapitel 5.6) An das als Überblick angelegte Kapitel 5 schließt sich eine vertiefende Analyse von 10 ausgewählten Hochschullehrerinnenkarrieren in Kapitel 6 zu Aufstiegsmöglichkeiten und Begrenzungen für die Karrieren von Hochschullehrerinnen in sich wandelnden Rahmenbedingungen an. Die Gruppe der für diese Untersuchung ausgewählten Wissenschaftlerinnen wird in Kapitel 6.1 beschrieben und in Kapitel 6.2 werden die einzelnen Wissenschaftlerinnen in Kurzporträts vorgestellt. Im Anschluß werden die Hochschullehrerinnenkarrieren entlang der Aspekte Frauenförderung (Kapitel 6.3), Habilitation (Kapitel 6.4), SED-Mitgliedschaft und gesellschaftlich-politische Tätigkeit (Kapitel 6.5) sowie institutionelle Neuerungen der Fakultät und Sektion (Kapitel 6.6) untersucht. Diese Analysefoki wurden einerseits anhand vorliegender Studien sowie andererseits aus dem vorliegenden empirischen Material entwickelt. Der Anhang beinhaltet Tabellen, die die zahlenmäßige Entwicklung von Frauen und Männern in der Hochschullehrerschaft an der Pädagogischen Fakultät und Sektion Pädagogik dokumentieren. Darüber hinaus enthält er eine Auswahl aus den untersuchten Quellen, um exemplarisch einen näheren Einblick in Dokumente zu ermöglichen, die in Kapitel 6 analysiert wurden. 2 Universitätskarrieren von Frauen und Hochschulentwicklung in der DDR und an der Humboldt-Universität Berlin von 1950 bis 1975 – Forschungsstand und Forschungsfragen Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind die Karrieren von Frauen an der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik der Humboldt Universität Berlin von 1950 bis 1975. Die Aufstiegsverläufe von Wissenschaftlerinnen in der Pädagogik der HUB im genannten Zeitraum standen bisher nicht explizit im Mittelpunkt wissenschaftlicher Forschungen. Allerdings können für die Darstellung des Forschungsstandes Arbeiten aus dem nahen thematischen Umfeld herangezogen werden, die für das Thema relevant sind. So werden in einem ersten Teil des Forschungsstandes Untersuchungen 8 vorgestellt, die sich – für den benannten Zeitraum – mit Wissenschaftlerinnen an der HUB allgemein beschäftigen. Da die Pädagogische Fakultät/Sektion Pädagogik der HUB als Institution zum Wissenschaftssystem der DDR gehörte, bedarf es für diese Arbeit auch wissenschaftlich begründeter Aussagen über Frauen in der DDR-Wissenschaft für den betrachteten Zeitraum generell. Dafür eignen sich insbesondere die Ergebnisse von GunillaFriederike Budde und Ralph Jessen, weil sie in ihren sozial- und geschlechtergeschichtlich angelegten Studien über Wissenschaftlerinnen in der DDR die Zeit der 1950er und 1960er Jahre behandeln und allgemeine Rahmenbedingungen herausgearbeitet haben, in denen sich auch die Karrieren der Hochschullehrerinnen an der Pädagogischen Fakultät und Sektion Pädagogik vollzogen. Diese werden im zweiten Teil des Forschungsüberblicks ausführlich vorgestellt. 2.1 Quantitative Erhebungen zu Frauen an der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik Der Datenbestand zur zahlenmäßigen Entwicklung des Anteils von Wissenschaftlerinnen an der Pädagogischen Fakultät der HUB ist eher gering und lückenhaft. Teilerkenntnisse für den Zeitraum vor 1968, also die Zeit der Pädagogischen Fakultät, liefert die Untersuchung der Soziologin Ulla Ruschhaupt in der 2003 erschienenen Publikation zur Geschichte von „Frauen an der Universität Unter den Linden“. Sie erfaßt geschlechtergebunden die Zahl der Assistenten und Oberassistenten an der Pädagogischen Fakultät, wie auch aller anderen Fakultäten der HUB, für die Jahre 1960, 1962 und 1964 sowie die Anzahl der Professoren und Dozenten im Jahr 1951/52 und 1962/63 an der HUB (Ruschhaupt 2003b:185ff.). Sie stellt dabei fest, daß sich die Zahl der Frauen bei den Professoren (1951/52: 241 Männer/10 Frauen) und der Frauenanteil der Dozenten (1951/52: 9,4%, d.h. 64 Männer/6 Frauen) nur geringfügig veränderte (1962/63: bei den Professoren 244 Männer/11 Frauen, bei den Dozenten 10,4% bzw. 182 Männer/19 Frauen). Bis 1962 geriet die Ausgrenzung von Frauen aus der Professorenschaft zwar „etwas in Bewegung“, aber es handelte sich nur um „einige Ausnahmefrauen“, die bis zur Professorin aufstiegen (ebd.:183, 189). Zur Zahl der Assistentinnen und Oberassistentinnen konstatiert sie, daß relativ viele Frauen Anfang der 1960er Jahre als Assistentinnen an der HUB arbeiteten, aber nur sehr wenige als Oberassistentinnen (ebd.:189f.). 9 Darüber hinaus enthielt nur noch die Studie von Ralph Jessen „Akademische Elite und kommunistische Diktatur. Die ostdeutsche Hochschullehrerschaft in der Ulbricht-Ära“ (1999) Angaben zum Anteil von Frauen im wissenschaftlichen Nachwuchs und in der Hochschullehrerschaft der DDR-Pädagogik – hier bezogen auf alle Pädagogischen Fakultäten bzw. einige Pädagogische Institute der DDR für die Jahre 1954, 1962 und 1965. In der DDR-Pädagogik fiel demnach der Frauenanteil bei den Professoren von 7,8% (1954) auf 5,4% (1965), bewegte sich aber trotzdem noch über dem allgemeinen DDR-Durchschnitt von 2,8 % (1954) und 3,6 % (1965) (Jessen 1999: 390). Jessen belegt mit seinen Daten außerdem, daß bei den Dozenten an den Pädagogischen Fakultäten/Instituten im Zeitraum von 1954 bis 1965 der Frauenanteil leicht stieg, von 9,1% auf 11,5% (ebd.:470ff.).2 Die Studien „Frauen der Intelligenz. Akademikerinnen in der DDR 1945 bis 1975“ von Gunilla-Friederike Budde (2003) und „Akademikerinnen in der Nachkriegszeit. Ein Vergleich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR“ von Bärbel Maul (2002) konzentrieren sich zwar stärker auf Frauen als Jessens Arbeit, enthalten aber ausschließlich allgemeine Daten zu Frauen im wissenschaftlichen Nachwuchs und in der Hochschullehrerschaft der DDR. Aus ihren Angaben geht hervor, daß der Frauenanteil zwischen 1955 und 1961 bei den Professoren in der DDR mit ca. 3% sehr niedrig blieb und bei den Dozenten von 9,7 auf 7,4% fiel – im Unterschied zum Frauenanteil bei den Dozenten in der Pädagogik der DDR. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs zeigen sie, daß der Frauenanteil bei den Oberassistenten geringer war als bei den Assistenten. Hervorgehoben wird von beiden der sprunghafte Anstieg der Assistentinnenanzahl von 1958 zu 1961 und damit auch des Frauenanteils an den Assistenten (Budde 2003:164f. u. Maul 2002b:309). Klaus-Peter Horn erfaßt in seiner Untersuchung zur institutionellen und personellen Entwicklung der Erziehungswissenschaft in Deutschland von 1919 bis 1965 (2003) u. a. die Anzahl der Professorinnen und Professoren der Erziehungswissenschaft. In seiner Studie allerdings bleiben die Professoren (Männer und Frauen) jener DDR-Institute an Pädagogischen Fakultäten außen vor, die er nicht zur Erziehungswissenschaft zählt, zum Beispiel die fachdidaktischen Institute. Zwischen 1945 und 1965 vertraten demnach an den wissenschaftlichen Hochschulen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in der DDR 69 Professoren und 4 Professorinnen die Erziehungswissenschaft. Zum Vergleich: 2 Siehe auch zum Vergleich verschiedener Fakultäten für diese Jahre Tabelle 2 im Anhang dieser Arbeit. 10 In den westlichen Besatzungszonen und in der BRD lehrten im gleichen Zeitraum 100 Professoren und 2 Professorinnen (Horn 2003:173f., eigene Auszählung). Da zur Pädagogischen Fakultät der HUB kaum Datenerhebungen und über die Zeit nach 1968, also nach der 3. Hochschulreform und der Umwandlung der Fakultät in eine Sektion Pädagogik, gar keine verwertbaren Daten zur Verfügung standen3, wurden diese durch eigene empirische Erhebungen erbracht (vgl. Kapitel 5). 2.2 Biographische Forschungen zu Hochschullehrerinnen an der HumboldtUniversität Berlin Auch qualitative empirische Forschungen zu Frauen als Hochschullehrerin an der HUB allgemein und in der Pädagogik im speziellen, sind nicht sehr zahlreich. Hier sind insbesondere die von Simone Kreher herausgegebenen Ergebnisse eines Projekttutoriums in dem Band „An ihnen wird Geschichte deutlich. Sieben Porträts ehemaliger Wissenschaftlerinnen der Humboldt-Universität“ (1999) und die Arbeiten von Ulla Ruschhaupt zu nennen.4 In dem Projekt wurden mit Wissenschaftlerinnen der HUB (des hier interessierenden Untersuchungszeitraums) lebensgeschichtliche Interviews durchgeführt. Zwar arbeitete keine der Interviewten an der Pädagogischen Fakultät, gleichwohl sind drei zentrale Ergebnisse auch für die vorliegende Arbeit interessant: 1. Da vor dem Mauerbau (1961) wissenschaftliches Personal der HUB nach Westdeutschland abwanderte und nach dem Bau der Mauer die Grenzgänger und Grenzgängerinnen ausschieden, bestand an der HUB ein Mangel an qualifiziertem Personal. Von dieser Situation profitierte der wissenschaftliche Nachwuchs, auch der weibliche, weil sich unter diesen Bedingungen gute Chancen auf eine schnelle wissenschaftliche Laufbahn eröffneten. 2. Maßnahmen der 3. Hochschulreform beeinflußten die Berufsperspektiven von zwei interviewten Wissenschaftlerinnen negativ. 3. Die Biographinnen schätzten die Aktionen zur Frauenförderung an der Universität als irrelevant für ihren beruflichen Werdegang ein. Ihre Karriere verdankten sie ihrer Darstellung nach glücklichen Umständen oder männlicher Förderung. An 3 Eine Studie von Hildebrandt gibt einen Einblick in den Frauenanteil an den Hochschullehrern ab 1975 (dies. 1989:9), aber nicht in einzelne Sektionen der HUB. Das gleiche gilt für einen Projektbericht von Burkhardt und Scherer (dies. 1993:34ff.). 4 Zur HUB insgesamt: Ruschhaupt (1999a,b, 2001, 2003a,b,c), Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung 2001, dort insbes. Ruschhaupt) Eine Veröffentlichung über die „Pädagogik unter den Linden“ widmet sich in dem Zeitraum 1946 bis 1968 an der Pädagogischen Fakultät primär den beiden Professoren Robert Alt und Heinrich Deiters (vgl. Wiegmann 2002). 11 einem Interview wurde hingegen für Ruschhaupt deutlich, daß sich Frauenförderpläne durchaus förderlich für die universitäre Laufbahn erwiesen (Ruschhaupt 1999b: XVIff.) In der Publikation „Von der Ausnahme zur Alltäglichkeit. Frauen an der Universität Unter den Linden“ von der Ausstellungsgruppe an der HUB (2003) stellen die Autorinnen u.a. Karriereverläufe von Wissenschaftlerinnen verschiedener Fakultäten und Generationen in Kurzporträts vor, u.a. die o.g. interviewten Frauen. Zum einen werden erste Professorinnen porträtiert, die nach dem 2. Weltkrieg – meist zügig – als Hochschullehrerin eingesetzt wurden. Hierzu gehören drei Kurzbiographien der ersten Professorinnen der Pädagogischen Fakultät der HUB (Ruschhaupt/Reinsch 2003a:161ff.). Zum anderen werden insbesondere kurze Berufsbiographien von Professorinnen vorgestellt, die unter den Rahmenbedingungen der Stabilisierung des partei- und gewerkschaftspolitischen Machtanspruchs und des Stellenausbaus an den Universitäten sowie der eingeführten Frauenförderung an der HUB aufstiegen. Hier stehen vor allem Professorinnen im Zentrum, die relativ zügig aufstiegen und Ende der 1950er bis Mitte der 1960er Jahre ihr Amt an der HUB antraten, u.a. Rita Schober und Anita Grandke (Ruschhaupt 2003b:184ff., 2003c:211ff.).5 Für Frauen, die ab 1968 als Hochschullehrerin eingestellt wurden, liegen drei Porträts vor. Zwei von ihnen stehen für Wissenschaftlerinnenkarrieren, auf deren Berufsperspektiven die dritte Hochschulreform negative Auswirkungen hatte. Die universitäre Laufbahn von Marianne Friedländer (Afrikanistik) wurde begrenzt, weil der Schwerpunkt Afrikanistik – und damit auch der einzige Lehrstuhl dieses Forschungsbereichs – der Universität Leipzig zugeordnet wurde. Afrikanistik konnte nach „zähen Verhandlungen“ als Teilbereich des Forschungsschwerpunktes Asienwissenschaften an der HUB bleiben, allerdings mit einer personellen und finanziell schlechteren Ausstattung. Marianne Friedländer wurde unter den veränderten Bedingungen lediglich Oberassistentin (dies. 1999b:XVII, 2003c:208ff.). Auch in der Biologie wurde an der HUB ein Lehrgebiet aufgegeben. Daraufhin brach Ilse Jahn (Biologie) ihre begonnene Habilitationsschrift ab und änderte ihren wissenschaftlichen Arbeitsschwerpunkt. Sie arbeitete sich in ein neues Fach ein, in dem sie 1980 eine Dozentur übernahm. Die dritte Frau, Eva 5 Klaus-Peter Horn rekonstruiert in seiner Untersuchung zu „Erziehungswissenschaft in Deutschland im 20. Jahrhundert“ (2003) die institutionelle und personelle Entwicklung der Erziehungswissenschaft 1919 bis 1965 und präsentiert dazu Ergebnisse nach Standorten, zu denen auch Berlin und die HUB zählen. Die von ihm erstellten kurzen Berufsbiographien von Professorinnen und Professoren der Erziehungswissenschaft eröffnen lediglich einen Einblick in die Berufsbiographie von Gertud Rosenow, die von Ulla Ruschhaupt bereits zuvor porträtiert wurde (Horn 2003:322, Ruschhaupt 2001:75). Er vermittelt partiell eine Vorstellung von der institutionellen Struktur der Pädagogischen Fakultät an der HUB. 12 Kaufmann, wurde 1975 als Dozentin und 1977 als Professorin in der Germanistik ohne ebengenannte Schwierigkeiten bei ihrem Aufstieg eingestellt (dies. 1999b:XVII, 2003c:210f., 213). Ruschhaupt konstatiert, insbesondere für die Zeit nach 1968, daß wenige biographische Eckdaten zu Wissenschaftlerinnen an der HUB dokumentiert sind (dies. 2003c:213). In der Veröffentlichung wird insbesondere für diese Zeit eine Reihe offener Fragen zu Frauen an der HUB aufgeführt: Wie wirkten sich die inhaltlichen und strukturellen Veränderungen der 3. Hochschulreform auf die Berufsperspektiven von Frauen aus? Wie setzte sich der Lehrkörper an der HUB nach 1968 zusammen? In Publikationen über andere Universitäten in Ostdeutschland wurde nicht näher auf Hochschullehrerinnen in der Pädagogik eingegangen, so daß auch dort keine Informationen zum Vergleich vorliegen.6 Insgesamt ist mit Budde festzustellen, daß über Wissenschaftlerinnen in der DDR des hier interessierenden Untersuchungszeitraums noch nicht viel geforscht wurde und damit auch über Akademikerinnen an der HUB für die Zeit 1945 bis 1970 bisher wenig publiziert wurde (dies. 2002:106, 2003:20f.).7 2.3 Gesellschaftliche und universitäre Rahmenbedingungen für Wissenschaftlerinnen Zu den in der Forschungsliteratur stärker ausgearbeiteten Feldern gehören die Themen, die einen Einblick in die allgemeinen und universitären Rahmenbedingungen von Wissenschaftlerinnenkarrieren geben, zum Beispiel die gesellschaftlichen 6 Vgl. zu den Universitäten Jena: Horn 1999, zu Greifswald: Herrmann/Ritthaler 1999, zu Rostock: Neumann 1999, zu Rostock und Greifswald: Arrieta 2001, zu Leipzig: Krause 2003. Auch in Veröffentlichungen über Universitäten Westdeutschlands lassen sich keine Hochschullehrerinnen aus dem Bereich der Erziehungswissenschaft zum Vergleich hinzuziehen (zur Freien Universität Berlin: Bock 1990 und Färber 1998, zu München: Bußmann 1993 und für das Land Bayern: Häntzschel/Bußmann 1997). Ein Vergleich mit der BRD wird dadurch erschwert, daß das statistische Bundesamt erst seit 1980 systematisch die Daten für das Hochschulwesen nach Geschlecht differenziert erhebt (Kootz/Kriszio 1996:618). Maul stellt in ihrer Ost-West-Vergleichsstudie über Akademikerinnen keine Ergebnisse zu Hochschullehrerinnen in der Erziehungswissenschaft der BRD vor (dies. 2002b). 7 Auch die Publikationen von Pasternack (die Bibliographien von 1994, 1999, 2000-2005 und die Eröffnungsbilanz aus dem HoF Wittenberg 2001) ergaben keine weiteren für das Thema der Arbeit relevanten Veröffentlichungen. Vgl. insbesondere die Bibliographie „Wissenschaft und Hochschulen in Ostdeutschland seit 1945“ seit 1999 in der Zeitschrift „hochschule ost“ (seit 2001 „die hochschule“). Über Hochschullehrerinnen in der DDR-Pädagogik existieren eher Arbeiten vor oder nach dem hier fokussierten Zeitraum. Kersting (2000) betrachtet den Zeitraum 1945-1955, und hier quantitative Entwicklung bei Professorinnen, Dozentinnen und Lehrbeauftragten in der Erziehungswissenschaft und Psychologie. Macha/Klinkhammer/Hildebrandt (1994) und Macha/Hildebrandt (1997) untersuchen Erziehungswissenschaftlerinnen der DDR im Transformationsprozeß im Zuge der Wende von 1989. 13 Rahmenbedingungen für Akademikerinnen, das Frauenstudium, Frauen(leit)bilder in der DDR, darunter das Wissenschaftlerinnenbild, die Nachwuchs- und Berufungspolitik an den DDR-Hochschulen der 1950er und 1960er Jahre, Untersuchungen zur ersten und zweiten Hochschullehrergeneration nach 1945, die Hochschulreformen an DDRUniversitäten und die Frauenförderung. Zu diesen Forschungsarbeiten zählen die Studien „Die Grenzen der Emanzipation – Aufstiegsbarrieren für Frauen in der DDR“ von Gertrud Pfister (1987) und vor allem Gunilla-Friederike Budde mit ihren Untersuchungen „Paradefrauen. Akademikerinnen in Ost- und Westdeutschland“ (1997), „Frauen der Intelligenz. Akademikerinnen in der DDR 1945-1975“ (2003) und Ralph Jessen „Akademische Elite und kommunistische Diktatur“ (1999) sowie Bärbel Maul „Akademikerinnen in der Nachkriegszeit. Ein Vergleich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR“ (2002). Auf diese für die vorliegende Arbeit wichtigen Forschungsergebnisse soll im folgenden näher eingegangen werden, weil sie allgemeine Aussagen über den Kontext von Karrieren an Universitäten enthalten, die auch für die hier untersuchten Hochschullehrerinnenkarrieren interessant sind. Verbunden mit einer historischen Kurzdarstellung zur Hochschulentwicklung in der DDR sollen dabei insbesondere die Arbeiten von Budde, Jessen und Maul ausführlich dargestellt werden. Dabei sind die hier für die gesamte Hochschullandschaft der DDR getroffenen Aussagen auch kritisch zu hinterfragen. Sie werfen Fragen auf, die anhand der differenzierteren Untersuchung am Beispiel der Fakultät/Sektion Pädagogik der HUB in den folgenden Kapiteln wieder aufgegriffen und geprüft werden. 2.3.1 Der sozialistische Umbau der Universitäten in der DDR Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurden die Universitäten in der SBZ und DDR entsprechend der neuen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Funktion, Struktur und Organisation sowie Personal umgestaltet. Nach Jessen wurden die Universitäten in dieser Neuausrichtung von „relativ autonomen Wissenschaftsrepubliken [...] deren innere Angelegenheiten in den Händen eines privilegierten Ordinarienpatriziats lagen“ zu einem „Teil eines zentralisierten Staatsapparates, der alle Ansprüche auf Wissenschaftsautonomie und Selbstverwaltung verwarf und statt dessen widerspruchslose Unterordnung unter die Weisung der führenden Partei verlangte“ (Jessen 1999:430). 14 Die Umgestaltung zu sozialistischen Universitäten ging damit einher, die Macht der Ordinarien bei der Assistentenwahl stark einzuschränken, die Habilitation zu einem akademischen Grad ohne Lehrbefugnis umzugestalten, die Aspirantur als neuen Weg für die wissenschaftliche Laufbahn zu errichten und die Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachwuchs und die Kriterien für die Rekrutierung neuer Hochschullehrer zu verändern. Diese Umstrukturierungsmaßnahmen hätten aus der Perspektive von Budde auch Frauen zugute kommen müssen, weil sie darauf gerichtet waren, traditionelle Autonomie- und Hierarchiemuster des Hochschullehrerberufes auszuhebeln (Budde 2003:161ff.). Wie Budde feststellt, „zerschlugen die Reformen sukzessive dicht gewebte Männernetzwerke der Universitäten, die ein weibliches Vordringen jahrzehntelang abgewehrt hatten“ (ebd.:163). Der Erziehungsauftrag wurde zuungunsten der Forschungstätigkeit aufgewertet. Gerade diese „neue Hochschätzung der pädagogischen Aufgabe, die ja traditionell und auch durch den SED-Staat immer wieder als besonderes weibliches Talent herausgestrichen wurde“ hätte Frauen, so Budde weiter, stärker als geeignete Hochschullehrerinnen ins Blickfeld rücken können (ebd.:163). 2.3.2 Die Nachwuchs- und Berufungspolitik der 1950er bis Mitte der 1970er Jahre Im Laufe der 1950er und 1960er Jahre wurden die Anforderungen an den wissenschaftlichen Nachwuchs und an die Kandidaten und Kandidatinnen für Ernennungen und Berufungen verändert. Ende der 1950er Jahre rückten bei Personalentscheidungen neben der SED-Mitgliedschaft die soziale Herkunft (nach Jessen: „Unterschichtsherkunft“) sowie die Tätigkeit und Bewährung in der außeruniversitären Praxis in den Vordergrund, während die Habilitation an Bedeutung verlor (Jessen 1999:102). Dahinter stand, daß die SED bestrebt war, den akademischen Rekrutierungsprozeß unter ihre politische Kontrolle zu bringen, um den Aufbau eines loyalen, nicht-bürgerlichen Professorats durchzusetzen und die Personalentwicklung an den Hochschulen an die Bedürfnisse des zentral geplanten Bildungs- und Wissenschaftssystems anzupassen (ebd.:130). Jessen bezeichnet die Habilitation – bezugnehmend auf Bourdieu – als „wissenschaftliches Kapital“, die SEDMitgliedschaft als „politisches Kapital“ und die Herkunft als „soziales Kapital“ (ebd.:399f.). Er kommt zu dem Ergebnis, daß die SED-Mitgliedschaft im Vergleich zur sozialen Herkunft einen höheren „Kurswert“ für wissenschaftliche Karrieren hatte (ebd.:403). Daß diese Veränderungen politisch intendiert waren, läßt sich auch daraus 15 entnehmen, daß hierfür nicht von Anfang an eine gesetzliche Basis bestand. Offenbar waren es die politischen Entscheidungsträger der Kaderplanung (Jessen: „Kaderplaner“), die Mitte der 1960er Jahre forderten, die offiziellen Ernennungs- und Berufungskriterien zu verändern und dies gesetzlich zu verankern. Wie Jessen belegt, war der Anlaß hierfür, daß die Universitäten sich zu der Zeit in ihren Personalentscheidungen zu wenig von politischen Kriterien leiten ließen (ebd.:120f.). Budde bewertet diese Veränderungen als Deprofessionalisierungsprozesse (dies. 2003:292).8 Die SED-Mitgliedschaftsrate und die Habilitationsrate bei den Professoren differierten in den universitären Disziplinen. Die Pädagogik gehörte laut Jessen zu jenen Fächern mit durchschnittlichen bis hohen SED-Mitgliedschaftsraten und durchschnittlichen bis niedrigen Habilitationsraten (Jessen 1999:406).9 Ob das auf Frauen gleichermaßen zutraf, wurde bei Jessen nicht ausgeführt. Allerdings stellt er fest, daß Frauen für den Aufstieg zur Dozentin oder Professorin höhere wissenschaftliche und politische Leistungen erbringen mußten. Dies leitet Jessen aus der höheren Habilitationsquote bei Professorinnen (im Vergleich zu Männern) und der höheren SED-Mitgliedschaftsquote bei Dozentinnen und Professorinnen (im Vergleich zu Männern) ab (ebd.:391 u. 395f.). Da sich laut Budde zwar die Zahl der promovierten und habilitierten Frauen erhöhte, aber „die hoch- und höchstrangigen Stellen im Hochschul- und Akademiebereich […] fest in Männerhand“ blieben, konstatiert die Autorin, daß selbst habilitierte Frauen mit habilitierten Männern nicht gleichermaßen konkurrieren konnten. Wie Budde herausarbeitet, wurden Frauen in der Wissenschaft statt in den Hochschullehrkörper insbesondere in die wissenschaftliche Mitarbeiterschaft integriert. Eine Position, die ihrer Meinung nach „eingebaute Karrierebremsen“ enthielt (Budde 2003:183 u. 302f.).10 Im Unterschied zu Jessen und Budde thematisiert Maul die gesellschaftliche Arbeit und hält fest, daß diese als ein Garant für einen „Aufstieg im Sozialismus“ galt. Für eine Karriere bildete jene gesellschaftliche Arbeit eine gute Aufstiegsbasis, bei der Leitungskompetenz erworben werden konnte, zum Beispiel in einer gewerkschaftlichen Funktion (Maul 2002b:359f.). Von Nachwuchswissenschaftlerinnen wurde ebenso wie 8 Tendenzen, die definierte Berufsstandards „verwässern oder gar aufheben“ werden, „gemeinhin“ als Deprofessionalisierung bezeichnet (Budde 2003:292). Professionalisierungsprozesse umfassen u. a. die Festschreibung von Zugangsvoraussetzungen zu bestimmten Berufen (Wetterer 1992:7). 9 Wie seinem Tabellenanhang zu entnehmen ist, trifft diese Aussage auch auf Dozenten zu (Jessen 1999:473ff.). 10 Buddes Ausführungen nach handelte es sich hier um eine Hilfsfunktion und einen Status, der zwar eine wissenschaftliche Qualifikation nicht ausschloß, diese hatte aber außerhalb der gesetzlichen Arbeitszeit zu erfolgen (Budde 2003:175). 16 von Männern verlangt, daß sie gesellschaftspolitischen Pflichten nachkamen. Frauen begegneten dieser Forderung zum Teil mit dem Argument, daß sie häusliche Verpflichtungen hatten (ebd.:319). Es gab Überlegungen, Frauen von gesellschaftspolitischen Aufgaben zu entlasten. Dies wurde aber u. a. mit der Begründung abgelehnt, daß Frauen auf diese Weise politisch unmündig würden. Ein Lösungsvorschlag des Problems lautete, bei Frauen „familiennahe“ gesellschaftspolitische Aktivitäten gelten zu lassen, zum Beispiel Funktionen im Elternaktiv. Man ging davon aus, diese Aktivitäten könnten Frauen leichter mit ihren häuslichen Verpflichtungen verknüpfen. Aus Mauls Sicht wurden Frauen die weniger einflußreichen und machtpolitisch uninteressanteren Aufgaben überlassen (ebd.:359).11 Im Rahmen der 3. Hochschulreform 1968 wurde das Hochschulwesen der DDR neu geordnet. Die Berufungsbestimmungen und die Bezeichnungen der Hochschullehrer wurden verändert, aber auch die Forschungs- und Ausbildungsschwerpunkte neu gesetzt (Ruschhaupt 2003c:203). Hinzu kam das auch für die Pädagogische Fakultät der HUB Entscheidende: Die bisherigen Fakultäten wurden durch Sektionen ersetzt, die eine neue Struktur bildeten (vgl. auch Kapitel 4). Nach 1945 waren in der SBZ zunächst die alten Hochschullehrerkategorien (ordentlicher und außerordentlicher Professor, Dozent) übernommen worden. Allerdings wurde der Beamtenstatus nach Kriegsende in einen Angestelltenstatus umgewandelt (Burkhardt/Scherer 1997:286). Auf diese Weise konnte Hochschullehrern nach 1945 innerhalb einer bestimmten Frist gekündigt werden, so daß jene aus den Universitäten entlassen werden konnten, die sich dem Staat gegenüber nicht so loyal verhielten, wie dies von ihnen erwartet wurde (Jessen 1999:224f.).12 Die im Zuge dieses Umbauprozesses 1969 in Kraft getretene Hochschullehrerberufungsverordnung (HBVO) führte neue Bezeichnungen für die Hochschullehrer ein. Zuvor zählten zu den Professoren: Professoren mit Lehrstuhl, Professoren mit vollem Lehrauftrag und Professoren mit Lehrauftrag.13 Daneben existierten die Positionen „mit der Wahrnehmung einer Professur bzw. Dozentur beauftragt“. Wahrnehmungsprofessurenbzw. Dozenturen wurden nach 1945 eingeführt, um mit nichthabilitierten Wissenschaftlern die Personalknappheit zu überbrücken und vakante Professuren, 11 Auf mögliche Konsequenzen für Karrieren geht Maul in diesem Zusammenhang nicht ein. Mit diesem veränderten Status verloren Professoren nach 1945 nicht sofort alle Privilegien. Näheres dazu in Jessens Studie (ders. 1999:223ff.) 13 Diese Bezeichnungen werden von Ruschhaupt auf der Basis der Personalverzeichnisse der HUB aufgeführt (dies. 2003b:190). 12 17 Dozenturen und Institutsdirektorenposten besetzen zu können.14 Erst 1968 wurde dieser Status wieder abgeschafft (Jessen 1999:80). Nach der 3. Hochschulreform zählten zu den Hochschullehrern: ordentliche Professoren/Dozenten, Honorarprofessoren bzw. dozenten sowie außerordentliche Professoren/Dozenten. Hochschuldozenten stellten in den Hochschulen der DDR eine eigenständige Hochschullehrerkategorie dar und nicht eine Vorstufe zum Professorenstatus. In der Regel wurden aber aus dem Kreis der Hochschuldozenten die Professoren rekrutiert. Die HBVO von 1968 definierte für ordentliche Professoren und für Hochschuldozenten die gleichen Tätigkeitsmerkmale und Anforderungen. Die Berufung zu außerordentlichen Professoren und außerordentlichen Dozenten erfolgte, um einzelne Dozenten oder wissenschaftliche Mitarbeiter persönlich auszuzeichnen. Die Berufenen behielten ihre bisherige Planstelle bei, so daß kein Lehrstuhl oder eine Dozentur errichtet werden mußte (Burkhardt/Scherer 1997:287). Das Wort Berufung wurde seit 1968 verwendet, wenn eine Person als Dozent oder Professor eingestellt wurde.15 Zuvor wurde in Ernennung und Berufung differenziert.16 Mit der neuen HBVO wurden auch die akademischen Grade neu geordnet: Von nun an gab es nicht mehr die Promotion und Habilitation, sondern die Promotion A und Promotion B.17 Wesentlich war: Die Promotion B, die funktional an die Stelle der Habilitation trat, wurde in der HBVO für die Berufung zum Hochschullehrer nicht ausdrücklich gefordert.18 Damit erhielt die Habilitation bzw. Dissertation B auch gesetzlich einen sekundären Stellenwert für die Hochschullehrerlaufbahn. Zwischen 1968 und 1975 veränderte sich allerdings auch die Bedeutung der Habilitation bzw. Promotion B in den Berufungsverfahren. Das eigentliche Berufungszertifikat wurde die Fakultas docendi (Lehrbefähigung). Jessen bezeichnet dieses Zertifikat als eine Art kumulative Bestätigung politischer, pädagogischer und fachlicher Kompetenzen. Die Fakultas konnte unabhängig von der Promotion A oder B verliehen werden (Jessen 1999:122). 14 Diese hatten alle Rechte, Pflichten und Einkünfte eines regulären Stelleninhabers, führten aber nicht den Amtstitel und konnten nicht an Habilitationen mitwirken. 15 Vgl. HBVO, Gesetzesblatt der DDR, Berlin 1968, Teil II, Nr. 127, S. 999. 16 In dieser Arbeit wird für die Zeit bis 1968 – wie dies an den Hochschulen der DDR zu dieser Zeit üblich war – in Ernennung (zum Dozenten/zur Dozentin) und Berufung (zum Professor/zur Professorin) differenziert. Ab 1968 heißt es – gemäß der neuen Hochschullehrerberufungsverordnung der DDR – in dieser Arbeit, daß Frauen zu Dozentinnen bzw. Professorinnen berufen wurden. Wenn von der Berufung (zur Hochschullehrerin) die Rede ist, bezieht sich dies auf Dozentinnen und Professorinnen. 17 Verordnung über die akademischen Grade vom 6. November 1968, Gesetzesblatt der DDR, Berlin 1968, Teil II, Nr. 127, S. 1022ff. 18 Weitere Einzelheiten zu den „Voraussetzungen der Berufung zum Hochschullehrer“ können der neuen HBVO entnommen werden (Gesetzesblatt der DDR, Berlin 1968, Teil II, Nr. 127, S. 999). 18 Diese veränderte Nachwuchs- und Berufungspolitik wird in der vorliegenden Arbeit neben der Frauenförderung als karriererelevante Rahmenbedingung eingestuft. Wie sich die obengenannten Veränderungen auf die universitären Laufbahnen von Frauen an der HUB auswirkten, ist bisher kaum erschlossen und wird am Beispiel der Sektion Pädagogik der HUB genauer zu untersuchen sein. Jessen kommt zu dem Schluß, daß Wissenschaftlerinnen von den veränderten Zugangsbedingungen zum Hochschullehrerberuf nicht profitierten (ders. 1999:395f.): „Selbst als 1968 die Habilitation abgeschafft und durch die fakultative Dissertation B ersetzt wurde, fuhren die Universitäten fort, an die Berufung von Frauen strengere Maßstäbe anzulegen.“ (ebd.:396). Zu dieser Aussage gelangt Jessen auf der Basis von internen Berichten des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen (MHF). Das Ministerium war hingegen bereit, die Berufungsstandards bei Frauen flexibel zu handhaben. Dahinter stand das Interesse, die Anzahl von Frauen bei den Hochschullehrern zu steigern. 1969 stand in einem Strategiepapier des MHF, daß eine dogmatische Auslegung der Berufungsstandards überwunden werden müsse und andere Leistungen von Frauen, wie ihre Leitungstätigkeit, im Falle ihrer Einstellung als Hochschullehrerin zu berücksichtigen seien. Während das Ministerium 1970 einerseits die strengen Maßstäbe für Frauen an den Universitäten kritisierte (ebd.:396), kam von parteipolitischer Seite ein anderes Signal: Die neue Berufungsordnung war noch nicht lange in Kraft, da fürchtete die Abteilung Wissenschaften des ZK der SED einen Verfall der Fachqualifikationen (ebd.:125f.).19 Jessen verfolgt in seiner Arbeit über die Hochschullehrerschaft in der Ulbricht-Ära diese sich wandelnden gesellschaftspolitischen Rahmungen: Seit Mitte der 1970er Jahre legte das MHF folgerichtig verstärkt Wert auf die Dissertation B. Es hielt die Universitäten und Hochschulen dazu an, die entsprechenden Professoren und Dozenten zum Abschluß der Dissertation B zu bewegen, um die großen Rückstände bei den Graduierungen in allen Hochschulen zu reduzieren (ebd.:127f.). Jessen stellt zwar fest, daß auch nach der 3. Hochschulreform die Habilitationspflicht bei Frauen seitens der Universitäten strenger gehandhabt wurde als bei Männern – obwohl diese wissenschaftliche Qualifikation 19 Das Zentralkomitee (ZK) stellte in der DDR das höchste Organ der SED zwischen den Parteitagen dar: Das ZK führte laut einem Lexikon aus DDR-Zeit die Beschlüsse des Parteitags aus und leitete die gesamte Tätigkeit der SED (BI Handlexikon 1983:1362). Alle wichtigen gesellschaftlichen Bereiche, Organisationen und Institutionen sollten im ZK repräsentiert sein. Das ZK besaß somit einen Apparat mit verschiedenen Abteilungen, u.a. die Abteilung Wissenschaft. Diese Abteilungsleiter verfügten in hohem Maße über Macht und Einfluß. Der Leiter der Abteilung Wissenschaft war z.B. gegenüber dem Minister für Hoch- und Fachschulwesen weisungsberechtigt (Herbst/Ranke/Winkler 1994:1216ff.). 19 keine Voraussetzung mehr für die Berufung zum Hochschullehrer war, er führt aber nicht aus, welche Auswirkungen die sich wandelnden und zum Teil widersprechenden politischen Zielsetzungen auf die Karrieren von Hochschullehrerinnen hatten. Hierin liegt ein weiteres Thema für die vorliegende Untersuchung. Wie Jessen sieht auch Budde kaum verbesserte Karrierechancen für Frauen, die der Umbau zur sozialistischen Universität zumindest rein theoretisch impliziert hätte (Budde 2003:163). Reale Aufstiegschancen eröffneten sich nach ihrer Meinung für Frauen nicht. Im Gegenteil: Als Vertreterinnen der weiblichen Genusgruppe sahen sie sich den Ergebnissen von Jessen und Budde zufolge primär mit Hindernissen für wissenschaftliche Karrieren konfrontiert, die auch durch die Frauenförderung nicht aufgehoben wurden.20 Das wird insbesondere bei der Einstellung als Hochschullehrerin deutlich: Weder der Ausbau der Aspirantur zu einem Instrument gezielter Frauenförderung noch die Sonderlehrgänge änderten nämlich etwas an der geschlechtsspezifischen Selektivität der Berufungen. Auch wenn die Hochschulen in den sechziger Jahren wohl bereit waren, eine Frau zu habilitieren, stand die Berufung auf einem ganz anderen Blatt. […] Die entscheidende Hürde des Berufszugangs blieb die Berufung selbst. (Jessen 1999:387). Auch hierzu soll eine genauere Betrachtung der Situation von Frauen als Wissenschaftlerinnen an der Sektion Pädagogik der HUB Aufschluß geben. 2.3.3 Universitäre Frauenförderung allgemein Die Gleichberechtigung von Frauen auf allen Ebenen gehörte zum politischen Selbstverständnis und zur proklamierten staatlichen Zielsetzung der DDR. Ruschhaupt zufolge wurde dieses Ziel allerdings nicht so ernsthaft verfolgt, wie man es erwarten würde. Sie begründet dies mit der Feststellung, daß viele Gesetze, Verordnungen, Maßnahmen und Empfehlungen zeitlich erst spät, Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre, von partei- und gewerkschaftspolitischen Gremien der DDR verabschiedet wurden. – Gemessen an der in der BRD vergleichsweise weit geringeren Durchsetzungskraft der Gleichberechtigungsidee in dieser Zeit mag diese Kritik etwas 20 Budde zeigt u.a. an dem Folgenden, daß der Einstieg in die und der Aufstieg in der Wissenschaft für Frauen bei allen Karriereschritten deutlich schwerer als für Männer war: an Frauen wurden Tätigkeiten delegiert, um Männern die Laufbahn zu erleichtern; Frauen wurden vor allem als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen eingestellt (die Stelle mit schlechter Möglichkeit aufzusteigen); Frauen wurden in Spezialgebiete abgedrängt und aus dem Kreis der Wissenschaftsgemeinschaft weitgehend ausgeschlossen (z.B. da sie kaum an Konferenzen teilnahmen); weniger qualifizierte Männer wurden eingestellt; männliche Nachwuchswissenschaftler kamen insbesondere durch Aufforderung und Delegation zu ihren Stellen und Frauen mußten vor allem Eigeninitiative ergreifen; höhere wissenschaftliche und politische Leistungen wurden von Frauen erwartet (vgl. Budde 2003:170ff.) Vgl. auch Jessen 1999:391ff. 20 weit hergeholt sein.21 – Gleichwohl stand in der DDR hinter der ideologischen Forderung zur Frauenemanzipation die wirtschaftliche Notwendigkeit. Die Regierung der DDR reagierte hiermit auf den in den 1950er und 1960er Jahren gestiegenen Bedarf an qualifizierten Fachkräften. Vor diesem Hintergrund galt es, die Integration von Frauen in „alle Bereiche des Produktionsprozesses“ und damit auch in die Wissenschaft zu forcieren (Ruschhaupt 2003d:215). Seit Anfang der 1960er Jahre wurde eine institutionelle Frauenförderung an Universitäten als Aufgabe Hochschullehrerschaft und gestellt, in um leitenden u. a. den Funktionen Frauenanteil zu in erhöhen. der Das Frauenkommuniqué „Die Frau, der Frieden und der Sozialismus“, das am 23.12. 1961 in der Tageszeitung „Neues Deutschland“ veröffentlicht wurde, gab den wesentlichen Anstoß für eine breite Kampagne zur Qualifizierung der Frauen und damit auch für die universitäre Frauenförderung. Die hinter dieser Kampagne stehenden Geschlechtermuster werden von Maul und Budde eher kritisch bewertet. Wie Maul feststellt, wurde hier das staatssozialistische Frauenleitbild in den Dienst der Qualifizierungskampagne gestellt und modifiziert. An die Stelle der erwerbstätigen Frau (das Frauenleitbild der 1950er Jahre), rückte die qualifizierte berufstätige Frau, die mit Sicherheit und Sachverstand in der Wissenschaft agierte und zugleich Mutter war (Maul 2002b:224). Zu den ersten Maßnahmen im Rahmen der universitären Frauenförderung ab 1961 zählte, daß das Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen (SHF) die Universitäten dazu anhielt, Frauenförderpläne aufzustellen und die Rektoren zu halbjährlichen Berichten über Frauenförderung verpflichtete (Jessen 1999:385). Wie Jessen herausarbeitet, wurde erst in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre mit konkreten Maßnahmen begonnen. Dazu gehörte, Voraussetzungen für die Einstellung von Hochschullehrerinnen zu schaffen. Frauen sollte der Abschluß der Dissertation erleichtert werden. Dafür richtete das MHF 1967 die „Frauensonderaspirantur“ ein. Im Rahmen dieser nur für Frauen geltenden Aspirantur sollten sich Frauen ausschließlich auf die Realisierung ihrer Dissertation konzentrieren können und hierfür ein Stipendium erhalten. Weitere unterstützende Maßnahmen kamen hinzu. So veranstaltete das Ministerium 1969 zwei „Frauenlehrgänge“, um Wissenschaftlerinnen auf die Berufung zur Dozentin und zur Professorin vorzubereiten (Jessen 1999:385f. u. Budde 2003:188). 21 Das läßt sich u.a. daran ablesen, daß an den Hochschulen der BRD Frauenförderung und Frauenpolitik weder in den unmittelbaren Nachkriegsjahren noch in der Phase der Hochschulexpansion in den 1960er und 1970er Jahren ein Thema war (Kootz/Kriszio 1996:465). 21 Eine durch das Ministerium 1967 entworfene Regelung, die ermöglichen sollte, Frauen bei gleicher gesellschaftlicher und fachlicher Eignung bei der Ernennung oder Berufung Männern vorzuziehen (Jessen 1999:388), wurde zwar nicht realisiert, kann aber als eine für jene Zeit höchst fortschrittliche Idee gelten.22 Wie sich Karrieren von Frauen an verschiedenen Fakultäten und Sektionen unter diesen Karrierebedingungen gestalteten, wurde in den genannten Studien nicht herausgearbeitet. Thematisiert wurden primär die Hindernisse, mit denen Frauen an Universitäten der DDR bei ihrer wissenschaftlichen Laufbahn konfrontiert waren und die Ursachen für die – wie die Autoren schlußfolgern – in der DDR gescheiterte universitäre Frauenförderung. Über den Umgang mit Frauenförderung an den Hochschulen konstatieren Maul und Jessen, daß sie in den 1960er Jahren keinen positiven Einfluß auf den Frauenanteil in der Hochschullehrerschaft ausübte (Maul 2002a:67, Jessen 1999:389f.). Maul begründet dies u.a. damit, daß die für die Einstellung von Frauen wichtigen Vorentscheidungen direkt in den Instituten getroffen wurden und die dort in der Leitung tätigen Wissenschaftler kaum davon zu überzeugen waren, daß Frauenförderung zu ihren Dienstaufgaben gehöre. Zum Teil wehrten sie sich, so Maul, hartnäckig gegen Versuche der Hochschulleitung und des SHF, die Einstellung von Frauen vorzuschreiben (Maul 2002b:316f.). Die angeordneten Frauenförderpläne wurden demnach durchaus nicht überall entwickelt und wenn, dann enthielten sie meist keine konkreten Maßnahmen für die zu fördernden Frauen. Das sei zwar kritisiert, aber letztlich hingenommen worden. Auch existierte in den Partei- und Gewerkschaftsleitungen, so Maul, kaum ein Interesse, sich für den Erfolg der Frauenförderung einzusetzen (Maul 2002a:67f.). Die Frauenförderung sei außerdem von geringem Erfolg gewesen, weil festgeschriebene Frauenfördermaßnahmen nicht immer realisiert wurden, Frauenförderung mangelhaft kontrolliert wurde, Hochschulen personell schlecht ausgestattet waren und insbesondere bei SED-Funktionären traditionelle Geschlechterrollenvorstellungen bestanden (Maul 2002b:332ff. u. 354ff.). Zudem setzte die allgemeine Qualifizierungsoffensive für Frauen unter dem Gesichtspunkt eines realisierbaren Aufstiegs relativ spät ein (Budde 2003:304f.). 22 Tabelle 1 (im Anhang dieser Arbeit) gibt einen Überblick über Anordnungen, Maßnahmen, Beratungen und Berichte, die die universitäre Frauenförderung (insbesondere von Hochschullehrerinnen) betrafen. Es handelt sich um eine DDR Perspektive, da das zugrundeliegende Material 1989 in der DDR veröffentlich wurde. 22 Hinzu kam, wie Budde und Jessen herausarbeiten, ein weiteres wesentliches Hemmnis: In der DDR hatte die bildungsmäßige Förderung der sozialen Klasse der Arbeiter und Bauern, als die „führende Klasse“, eine weit höhere Priorität als die Frauenförderung. Die Arbeiter- und Bauernförderung war stärker akzeptiert als die Frauenförderung (Budde 2003:305). Die klassenmäßige Umstrukturierung an den Universitäten zu realisieren, wurde laut Budde demnach weit wichtiger eingestuft, als die Integration von Frauen in die Wissenschaft (ebd.:304). Frauenförderung wurde, so auch Jessen, im Unterschied zur Arbeiter- und Bauernförderung nicht mit zentralen Problemen der Systemlegitimation und der Herrschaftssicherung verknüpft, sondern “ökonomischpragmatisch und in deutlich herabgestuftem Maße normativ-legitimatorisch begründet” (Jessen 1999:397). Während also, wie Jessen konstatiert, die soziale Öffnung der Hochschullehrerschaft im Ergebnis einer Höhergewichtung der Arbeiter- und Bauernförderung Erfolge aufweisen konnte, blieben Frauen weitestgehend aus der Hochschullehrerschaft ausgeschlossen (ebd.:396f.). Für ihn zeigen sich darin Gründe für die von ihm diagnostizierte Erfolglosigkeit der universitären Frauenförderung in der DDR. Budde und Jessen führen weitere Hemmnisse auf: So wurde angenommen, daß Frauen aufgrund der Verpflichtungen für Kinder und Familie längere Zeit für eine Qualifizierungsarbeit brauchen und häufiger ausfallen würden. In den 1960er Jahren fehlten für Universitätsangehörige mit Kindern noch Kinderbetreuungsplätze, da die Kleinkindbetreuung für Akademikerinnen erst verspätet geregelt wurde (Budde 2003:319). Als wesentlicher Faktor für die nicht durchgesetzte Frauenförderung wurde von den Entscheidungsträgern auch die notwendige Effektivität wissenschaftlichen Arbeitens ins Feld geführt, die bei Frauen nicht gegeben sei (Jessen 1999:393). Entgegen der „allgemeinen Gleichstellungsrhetorik“ wurden auch vor diesem Hintergrund bevorzugt Männer eingestellt, um den Arbeitsausfall durch Schwangerschaft zu vermeiden. Außerdem herrschten an den Hochschulen für Nachwuchswissenschaftler durch den permanenten Mangel an Personal ungünstige Rahmenbedingungen, die sich insbesondere auf Frauen negativ auswirkten (Maul 2002b:317f.). Im Sinne tradierter Geschlechtervorstellungen wurde, wie Budde erläutert, von Frauen erwartet, daß sie ihre „besonderen Fähigkeiten“ in die Wissenschaft einbringen, zum Beispiel Ordnungsliebe, Sparsamkeit und Einfühlungsvermögen, und nicht „wie Männer“ in der Wissenschaft agieren. Das angeblich typisch Weibliche sollte für die 23 Wissenschaft verwertet werden. Mit dieser Vorstellung öffnete sich laut Budde einerseits die Möglichkeit zu rechtfertigen, daß Frauen in die Wissenschaft einbezogen werden, und andererseits bot sie die Basis für geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der Wissenschaft (Budde 2003:171). Budde konstatiert allgemein, daß „nur gewisse Sparten und Hierarchieebenen, die dann jedoch mit explizit familiarisierten Anstrich versehen, mit Frauen besetzt wurden“ und auf diese Weise innerberuflich geschlechtsspezifische Trennlinien entstanden (ebd.:306). 2.3.4 Frauenförderung an der Humboldt-Universität Berlin In den Forschungsergebnissen von Ruschhaupt und Jessen stellten sich die Frauenförderung und deren Effekte für die Humboldt-Universität in Berlin z. T. in unterschiedlicher Weise dar. An der HUB wurde die Debatte über die systematische Erhöhung des Frauenanteils in der Lehre, Forschung und Leitung 1959 eingeleitet. Im gleichen Jahr wurde auf Initiative der Universitätsgewerkschaftsleitung der erste Frauenausschuß geschaffen. Dieser setzte sich dafür ein, schwierige Berufssituationen von Frauen an der Universität öffentlich bekannt zu machen. Wie Ruschhaupt zeigt, gab es hier Frauen, die kritisch auf die traditionellen Wissenschaftsstrukturen an der Universität hinwiesen. Sie thematisierten bestehende Vorurteile zur wissenschaftlichen Arbeits- und Leistungsfähigkeit von Frauen und forderten eine Veränderung der bestehenden Arbeitsteilung der Geschlechter an der Universität (Ruschhaupt 2003d:221).23 Die Universitätsleitung forderte ihrerseits dazu auf, Barrieren bei der beruflichen Entfaltung von Frauen an der HUB abzubauen (ebd.:224). An der HUB wurde Universitätsleitung, der 1961 der erste Vorsitzenden zentrale des Frauenförderplan Frauenausschusses von und der der Universitätsgewerkschaftsleitung unterzeichnet. Hier ging es darum, den Anteil von Frauen in allen Statusgruppen und in Leitungsgremien zu erhöhen sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern (ebd.:224). Der Frauenförderplan berücksichtigte insbesondere Nachwuchswissenschaftlerinnen. Um die Vereinbarungen des Frauenförderplanes zu realisieren, wurden an die Fakultäten Empfehlungen zur Erhöhung des Frauenanteils bei den Promotionen und Habilitationen weitergeleitet. Außerdem wurde festgelegt, daß die Universität Maßnahmen ausbaut, die Frauen bei der Kinderbetreuung und der Hausarbeit entlasten sollten (ebd.:225). Die im Herbst 23 Ruschhaupt verweist hier auf Beiträge in der Hauszeitung der HUB zwischen 1959 und 1962. 24 1965 verabschiedeten Grundsätze zur Aufstellung von Kaderprogrammen enthielten auch den Passus, Frauen individuell zu fördern und zu qualifizieren, um den Frauenanteil im Lehrkörper und in der Leitung (im wissenschaftlichen wie nichtwissenschaftlichen Bereich) zu erhöhen (ebd.:227). Am Beispiel der Humboldt-Universität weist Jessen nach, daß in den 1960er Jahren zwar die Bereitschaft existierte, Frauen zu habilitieren, sie aber bei der Ernennung und Berufung kaum berücksichtigt wurden (Jessen 1999:387). Ende der 1960er Jahre war die Frauenförderung an der HUB laut Ruschhaupt zu einem festen Bestandteil der Universitätspolitik geworden. Die Universitätsleitung unterstützte offiziell die Maßnahmen, die der Förderung von Frauen dienen sollten und setzte sich öffentlich mit den erreichten inneruniversitären Veränderungen auseinander (dies. 1999a:58). Ruschhaupt geht – im Unterschied zu Jessen – davon aus, daß der an der HUB gestiegene Anteil von Frauen bei den Dozenten und Professoren „auch ein Ergebnis der staatlichen Vorgaben zur Förderung von Frauen und der damit verbundenen offiziellen personalpolitischen Prioritätensetzungen der Universität war“ (dies. 2001:84).24 Dennoch kommt sie zu dem Ergebnis: Die partei- und gewerkschaftspolitischen Vorgaben hatten für die Fakultäten und später die Sektionen lediglich den Stellenwert von Empfehlungen, so daß kein Anreiz- oder Sanktionssystem zur Erfüllung der Vorgaben über den Frauenanteil in Forschung und Lehre existierte und die Zielvorgaben und Realisierung weit auseinander klafften. Das Thema Frauenförderung büßte nach 1971 in den inneruniversitären Debatten der HUB seine Relevanz ein. Frauenförderung wurde danach in Berichten kaum noch erwähnt (dies. 2003d:228). Wie die einzelnen Fakultäten, Institute und Sektionen zu der Umsetzung der Frauenförderung standen, und wie sie sich tatsächlich verhielten, ist noch nicht erforscht. 2.3.5 Offene Forschungsfragen In den hier dargestellten Forschungsarbeiten und insbesondere in den Studien von Budde und Jessen, fällt auf, daß vor allem die Hemmnisse und Hürden für den Aufstieg 24 Diese Aussage ist vor dem Hintergrund folgender Ergebnisse von Ruschhaupt zur HUB zu sehen: 1962/63 lehrten 233 Professoren und 11 Professorinnen, 163 Dozenten und 19 Dozentinnen (Ruschhaupt 2003b:190), 1979 hingegen 281 Professoren und 33 Professorinnen, sowie 277 Dozenten und 58 Dozentinnen (Ruschhaupt 2001:84). Das heißt, die Zahl der Professorinnen und Dozentinnen verdreifachte sich in dem genannten Zeitraum. Die der Professoren und Dozenten verdoppelte sich im Vergleich dazu nicht einmal. 25 von Frauen an Universitäten der DDR in den 1950er und 1960er Jahren dargestellt werden. Aus den bei Jessen und Budde präsentierten Ergebnissen geht nicht hervor, ob Frauen von den Veränderungen und Entwicklungen an DDR-Universitäten in den 1950er bis 1970er Jahren möglicherweise auch profitiert haben könnten. Diese Frage stellt sich insbesondere, da die Daten von Jessen zum Frauenanteil bei den Professoren und Dozenten in der Pädagogik an DDR-Universitäten einen überdurchschnittlichen Frauenanteil zeigen. Darüber hinaus blieb in den Studien offen, ob zum Beispiel die ausführlich behandelte Frauenförderung an allen Fakultäten und Sektionen gleichermaßen erfolglos blieb. Ebenso bleibt zu fragen, inwiefern das bei Jessen für Hochschullehrerkarrieren allgemein konstatierte Wertverhältnis von Habilitation und SED-Mitgliedschaft auch für Wissenschaftlerinnen in der Pädagogik zutraf. Auf die Entwicklung einzelner Fakultäten und Disziplinen und deren spezifische Rahmenbedingungen für die Karrieren von Frauen wurde in den Studien nicht genauer eingegangen. Offen blieb demnach generell, wie die in der Forschung schon gut ausgearbeiteten allgemeinen Rahmenbedingungen für Wissenschaftlerinnen an Universitäten der DDR in den 1950er und bis 1970er Jahren sich an einzelnen Fakultäten und Sektionen ausprägten. Wie wirkten der Umbau zur sozialistischen Universität, die neue Nachwuchs- und Berufungspolitik, die universitäre Frauenförderung in der Pädagogischen Fakultät bzw. Sektion? Da die vorhandenen Forschungsarbeiten hierzu nur begrenzt Auskunft gaben, werden die hier aufgeworfenen Fragen anhand der Karrieren von Wissenschaftlerinnen an der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik der Humboldt Universität Berlin von 1950 bis 1975 einer differenzierten Untersuchung unterzogen. Als eine erweiterte Perspektive zu den bisherigen Forschungen werden dabei insbesondere auch ihre Karrierechancen berücksichtigt. 3 Methodisches Vorgehen Das Ziel der Arbeit ist, wie bereits dargestellt, einen differenzierten Beitrag zu Hochschullehrerinnenkarrieren unter den universitären Bedingungen der DDR am Beispiel der Pädagogischen Fakultät und Sektion Pädagogik an der HUB zu leisten. Karriere wird im Rahmen dieser Arbeit als ein beruflicher Aufstieg beziehungsweise eine sehr erfolgreiche Berufslaufbahn definiert (Seeg 2000:12) und vor allem daran 26 abgelesen, daß Positionen in der Leitung und Hochschullehrerschaft erreicht wurden. Zu Hochschullehrerinnen zählen in dieser Arbeit – entsprechend der Hochschullehrerberufungsverordnung der DDR – Dozentinnen und Professorinnen.25 Da die vorhandenen Forschungsarbeiten zu Karrierechancen von Wissenschaftlerinnen nur sehr begrenzt Auskunft geben, war für die vorliegende Untersuchung eine Auswertung verschiedener Quellen notwendig. Grundsätzlich wurden zweierlei methodische Zugänge gewählt: Zum einen wurden Personalverzeichnisse und Bestände des Universitätsarchivs der HUB herangezogen, um quantitativ die Personalsituation an der Pädagogischen Fakultät und an der Sektion Pädagogik zu ermitteln. Diese eigenen Aufstellungen und Berechnungen wurden mit bereits bestehenden Erhebungen ins Verhältnis gesetzt (vgl. Kapitel 5). Zum anderen wurden exemplarisch Akten zur Frauenförderung an der Pädagogischen Fakultät sowie Personal- und Berufungsakten von Hochschullehrerinnen inhaltsanalytisch ausgewertet (vgl. Kapitel 6).26 Quantitative Erhebung und Analyse Die Karrieren von Hochschullehrerinnen der Pädagogischen Fakultät und Sektion Pädagogik sollen zunächst institutionell verortet werden und somit auch vor dem Hintergrund der institutionellen Entwicklung untersucht werden können. Im Unterschied zur Sektion wurde in den bisherigen Untersuchungen nicht die Fach- und Organisationsstruktur der gesamten Pädagogischen Fakultät der HUB erfaßt. Deshalb erfolgte zunächst die Rekonstruktion des institutionellen Karrierenkontextes mit Hilfe der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät bis 1967, jeweils anhand der Wintersemester. Da die Mehrzahl der Hochschullehrerinnen, deren Karrieren für die spätere vertiefende Analyse ausgewählt wurden, ihre Laufbahn an einem Institut begannen, wurde auch dieses Institut in seiner Binnendifferenzierung näher vorgestellt. Die bereits vorliegende Fach- und Organisationsstruktur der Sektion Pädagogik konnte mit Hilfe von Akten aus dem Universitätsarchiv über die Sektion zum Teil ergänzt werden. Die Ergebnisse werden in Kapitel 4 vorgestellt. 25 Gesetzesblatt der DDR, Berlin 1968, Teil II, Nr. 127, S. 998. Wie Burkhardt/Scherer zu entnehmen ist, gehörten auch vor 1968 Dozenten und Professoren zu den Hochschullehrern in der SBZ und DDR (dies. 1997:284). 26 Für die Kapitel 4, 5 und 6 wurden zudem folgende Quellen aus dem Archiv der HUB genutzt: Akten aus dem Rektorat, Akten zur Pädagogischen Fakultät, Akten zur Sektion Pädagogik und Akten aus dem Bestand des Verwaltungsdirektors. Ein Ordner aus dem Bestand des Archivs der Abteilung für historische Erziehungswissenschaft des Instituts für Erziehungswissenschaften der HUB wurde hinzugezogen. 27 Zur Pädagogischen Fakultät liegen in den vorhandenen Untersuchungen kaum Daten über die Anzahl von Frauen im wissenschaftlichen Nachwuchs vor. Auch die Zahl der Dozentinnen, Professorinnen und Frauen in Leitungsfunktionen an der Pädagogischen Fakultät und Sektion Pädagogik wurde bisher für den Zeitraum 1950 bis 1975 im Rahmen der Studien über Wissenschaftlerinnen an der HUB und in der DDR noch nicht erhoben. Erst die Zusammenstellung dieser Daten für Frauen und Männer eröffnet einen Überblick darüber, ob und wie Frauen im wissenschaftlichen Nachwuchs vertreten waren, und in welchem Umfang sie an der Fakultät und Sektion Karriere machten. Um diese Daten zu eruieren, wurden die Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät 1946 bis 1967 ausgewertet.27 Das im Zusammenhang mit Wissenschaftlerinnenkarrieren besonders interessante Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik wurde näher untersucht und Ergebnisse dazu im Kapitel 5 vorgestellt. Ab 1968 lagen für die Fakultät keine Personalverzeichnisse mehr vor.28 Aus diesem Grund wurde die Hauszeitung der HUB herangezogen, um zu ermitteln, wie viele Frauen (und Männer) zwischen 1968 und 1975 zu Dozenten und Professoren berufen wurden.29 Zu den – m. E. karriererelevanten – Aspekten der Frauenförderung und der wissenschaftlichen Qualifikation wurden die Frauenförderakten der Pädagogischen Fakultät, das Jahresverzeichnis über die deutschen Hochschulschriften und die Berufungsakten der Untersuchungsgruppe hinzugezogen. Die gewonnenen Daten wurden in Diagrammen und Tabellen festgehalten. Sie geben einen Überblick über Karrieren von Wissenschaftlerinnen an der gesamten Pädagogischen Fakultät. Inhaltsanalytische Auswertung von Berufungsakten und Frauenförderakten Aufgrund der Größe der Pädagogischen Fakultät, ihrer institutionellen und personellen Entwicklung, insbesondere im Zuge der 3. Hochschulreform, wurde entschieden – ergänzend zu diesen quantitativen Analysen – exemplarisch 10 Hochschullehrerinnenkarrieren auszuwählen, die näher untersucht werden sollten. 27 Die ersten Nachkriegsjahre wurden einbezogen, um zu zeigen, wie viele Frauen an der Pädagogischen Fakultät in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg ernannt und berufen wurden. 28 Für die 1970er (und 1980er Jahre) liegen für alle DDR-Universitäten keine Personal- und Vorlesungsverzeichnisse vor (Schultze 1999:185). 29 In den im Universitätsarchiv der HUB gesichteten Akten zur Pädagogischen Fakultät und Sektion Pädagogik befanden sich – mit einer Ausnahme – keine Aufstellungen über die Anzahl der Frauen im wissenschaftlichen Nachwuchs und in der Hochschullehrerschaft. Somit konnte nicht auf in Akten vorhandene Zusammenstellungen zurückgegriffen werden. 28 Dabei wurde eine qualitative Form der Inhaltsanalyse angewendet, wie sie von Lamnek (2005:205ff.) vorgestellt wird. Da es sich um ein qualitatives Verfahren handelt, wurde vorab kein festes Analyseschema entwickelt, sondern versucht, den Inhalt der untersuchten Dokumente „selbst sprechen zu lassen und aus ihm heraus die Analyse zu entfalten“ (Lamnek 2005:508). Als die Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät und die Frauenförderakten ausgewertet wurden, kristallisierte sich das Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik insofern als besonders interessant heraus, da für dieses Institut mehrere Wissenschaftlerinnenkarrieren dokumentiert waren. Für die vertiefende exemplarische Analyse Untersuchungsgruppe wurden zusammengefaßt, jene Hochschullehrerinnen deren Karriereweg über zu dieses einer für Wissenschaftlerinnenkarrieren interessante Institut führte. Da es sich bei der Ernennung und Berufung um die wesentlichen Karriereschritte einer universitären Laufbahn handelt, waren diese bei der Analyse der Quellen von besonderem Interesse. Ausgewertet wurden deshalb die Personal- und Berufungsakten von jenen (oben genannten) Wissenschaftlerinnen, die für die Untersuchungsgruppe ausgewählt wurden. Hinzugezogen wurden die Akten zur Frauenförderung an der Pädagogischen Fakultät, um etwas über die Förderung der Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe im Vorfeld der Berufung zur Dozentin und Professorin zu ermitteln. Aufgrund von Sperrfristen waren im Archiv der HUB nur die Akten von zwei der zuvor gewählten Hochschullehrerinnen zugänglich. Die Berufungsakten der anderen Hochschullehrerinnen der Untersuchungsgruppe konnten allerdings im Bundesarchiv eingesehen werden.30 Die Berufungsakten der ausgewählten Hochschullehrerinnen aus dem Bestand des Bundesarchivs enthielten folgende Unterlagen, die anläßlich der Berufung zur Dozentin oder Professorin erstellt wurden: - von den Kandidatinnen erstellte Personalbögen und Lebensläufe, - z. T. Arbeitsberichte und Publikationslisten von den Kandidatinnen, - eine von der Kandidatin geschriebene Aufstellung der Lehrverpflichtung von einem Jahr, - Berufungsanträge (inklusive der Anträge für die Errichtung von Dozenturen), die der Dekan der Fakultät bzw. der Direktor der Sektion aufsetzte, 30 Der Leiter des Universitätsarchivs verwies mich an das Bundesarchiv, da dort für Quellen zur personengebundenen Forschung andere Regelungen als für das Universitätsarchiv bestehen. 29 - ein kurzes befürwortendes Schreiben des Rektors, - i. d. R. zwei Gutachten beim Berufungsverfahren zur Dozentin und vier Gutachten beim Berufungsverfahren zur Professorin,31 - Stellungnahmen der Kaderabteilung, - Stellungnahmen der Sektionsgewerkschaftsleitung, - eine kurze Stellungnahme des MHF (Abteilung Kader), - die Kopie der Berufungsurkunde, - die Kopie der Fakultas docendi, - eine Urkunde über die Emeritierung oder die Versetzung in den Vorruhestand. Zu den Bewertungskriterien der Anträge und Gutachten zählten: wissenschaftliche Arbeit, Lehre, Veröffentlichungen, Anerkennung in der Wissenschaft, Leitungskompetenz, politische Haltung, Umfang und Art der gesellschaftlichen Tätigkeit, Vortragstätigkeit, Auslandsaufenthalte und Teilnahme an Tagungen/Kongressen sowie die Persönlichkeit der Kandidatin. Die Praxiswirksamkeit bzw. der Nutzen für die Praxis wurde bezüglich wissenschaftlicher Arbeit, Lehre und Publikationen eingeschätzt. In verschiedenen Zusammenhängen ging es um das „sozialistische Staatsbewußtsein“, das befähigen sollte, die „klassenbewußte“ Erziehung der Studierenden zu realisieren bzw. insgesamt „ein Kader“ zu sein, der „in all seinen Arbeits- und Lebensbereichen hohe Leistungen und festes Klassenbewußtsein gezeigt hat, der seine Kräfte nicht schont, um dem Sieg des Sozialismus zu dienen“ (BArch, DR 3 / B 12326, Blatt 55).32 Die Akten umfaßten 20 bis 90 Blatt und in Ausnahmefällen mehr als 200 Blatt. In die Untersuchung wurden vor allem die Personalbögen, die Lebensläufe, Berufungsanträge und die Gutachten über die Kandidatinnen einbezogen.33 31 Die Gutachten über die Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe wurden zum Teil von Hochschullehrern der HUB, in einem Fall von einer Hochschullehrerin, erstellt und zum Teil von externen Gutachtern und Gutachterinnen – zum Beispiel von der APW oder vom DFD. 32 In den Bewertungskriterien spiegelt sich die Hochschullehrerberufungsverordnung von 1968 wider. Zu den Voraussetzungen für die Berufung zur Hochschullehrerin/zum Hochschullehrer gehörten z.B.: „durch hohe Leistung in Forschung, Lehre und Erziehung im Sinne der sozialistischen Verfassung aktiv zur Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus und zur Stärkung der Deutschen Demokratischen Republik beizutragen“, „die rasche Überführung wissenschaftlicher Ergebnisse in die Praxis zu fördern“, „die Fähigkeit des Bewerbers zur Festigung und Entwicklung des sozialistischen Staatsbewußtseins der Studenten“ (Gesetzesblatt der DDR, Berlin 1968, Teil II, Nr. 127, S.997-999). 33 In den Anträgen und Gutachten wurde für die Frauen der Untersuchungsgruppe zum Teil die männliche und zum Teil die weiblich Form für Dozent verwendet. Wenn es um die außerordentliche oder ordentliche Professur ging, erschien in den Anträgen und Gutachten hingegen ausschließlich die männliche Form „Professor“. In dieser Arbeit wird hingegen von der Dozentin oder der Professorin die Rede sein. 30 Um vor der Analyse einzelner Aspekte der Karrieren von Wissenschaftlerinnen einen Einblick in die gesamte Karriere der ausgewählten Hochschullehrerinnen zu geben, wurden berufsbiographische Kurzporträts erstellt. Diese Porträts wurden auf der Basis der Berufungsakten der genannten Hochschullehrerinnen verfaßt, insbesondere mittels der Personalbögen und Lebensläufe der Frauen. Um die Erkenntnismöglichkeiten über die Karrieren der Untersuchungsgruppe zu erweitern, wurden die Berufungsakten von männlichen Kollegen des gleichen Instituts (2 Dozenten und 5 Professoren) in den Kapiteln über die Bedeutung der Habilitation, der SED-Mitgliedschaft und gesellschaftlichen Arbeit (Kap. 6.4. und 6.5) hinzugezogen. Eine vergleichende Perspektive wurde in die vorliegende Arbeit deshalb aufgenommen, weil Jessen und Budde konstatieren, daß von Wissenschaftlerinnen höhere wissenschaftliche und politische Leistungen als von Wissenschaftlern gefordert wurden.34 Bei der Auswertung der für diese Arbeit verwendeten Quellen war zu bedenken, daß es sich um schriftliche Quellen handelt, die unter den Bedingungen des politischen Systems der DDR entstanden. Sie hatten einen offiziellen Charakter und wurden durch die gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen der DDR geprägt. Das war insbesondere bei den Berufungsakten zu berücksichtigen. Ihr Aufbau und ihr Inhalt waren vor dem Hintergrund der damals geltenden politischen Anforderungen – z.B. im Leitbild des „sozialistischen Wissenschaftlers“35 und in der Hochschullehrerberufungsverordnung – zu reflektieren, die an Hochschullehrkräfte und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der DDR gestellt wurden. Die Personalverzeichnisse ausgenommen, handelt es sich um Texte, die von verschiedenen Akteuren der Universität verfaßt wurden, u. a. von den ausgewählten Hochschullehrerinnen selbst, vor allem aber von (überwiegend männlichen) Gutachtern oder den Vorgesetzen der Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe. In der Regel richteten sich die Texte an übergeordnete Dienststellen. Dies war besonders bei der inhaltsanalytischen Auswertung der Quellen einzubeziehen. 34 Die Auswahl wurde wie folgt getroffen: Es sollten einerseits Dozenten und Professoren zu der Gruppe gehören und andererseits Vertreter verschiedener pädagogischer Disziplinen, sowohl etwas länger etablierter als auch neuerer. Sie sollten zum Teil Disziplinen vertreten, in denen Frauen der Untersuchungsgruppe arbeiteten und zum Teil Disziplinen, in denen Frauen der Untersuchungsgruppe nicht tätig waren. Die Männer sollten in etwa die Geburtsjahrgänge der Frauen haben und in der Zeitspanne an der Pädagogischen Fakultät als Assistenten oder wissenschaftliche Mitarbeiter begonnen haben, zu der die Frauen der Untersuchungsgruppe starteten. 35 So wurde das von Walther Ulbricht, Vorsitzender des Staatsrates der DDR, auf dem VII. Parteitag vorgestellte Leitbild 1968 in der Hauszeitung der Universität veröffentlicht (Humboldt-Universität, Nr. 9 (1968-03-11), S. 1) 31 Durch die Entscheidung für die Berufungsakten als Quelle werden Informationen über die gewählte Untersuchungsgruppe zugänglich – und zwar unabhängig davon, ob diese Wissenschaftlerinnen noch am Leben oder zu einem Interview bereit sind. Diese Akten eröffnen einen Zugang zu den wesentlichen Karriereschritten einer wissenschaftlichen Laufbahn an der Universität und zu den Aussagen der verschiedenen Akteure, die in das Berufungsverfahren involviert waren. Darüber hinaus geben die Akten den „Ton der Zeit“ wieder, in der die Wissenschaftlerinnen ernannt und berufen wurden. Die Ausführungen in den Akten enthalten nicht eine „Nachwendeperspektive“, wie dies z.B. in Interviews der Fall wäre, und die m. E. in besonderer Weise berücksichtigt werden müßte. 4 Pädagogische Fakultät und Sektion Pädagogik der Humboldt- Universität Berlin als Karrierekontext: Aufbau und Entwicklung Nachdem im Kapitel 2 bereits die Rahmenbedingungen vorgestellt wurden, die den wissenschaftlichen Nachwuchs in den 1950er und 1960er Jahren an den Universitäten betrafen, wird in den folgenden Ausführungen der spezifische institutionelle Karrierekontext von Hochschullehrerinnen an der Pädagogischen Fakultät und der Sektion Pädagogik beschrieben. Die Pädagogische Fakultät stellte nach dem 2. Weltkrieg an der Universität Berlin eine neue Institution dar. Sie wurde später zum Teil in die Sektion Pädagogik überführt, als aufgrund der 3. Hochschulreform 1968 Sektionen gebildet wurden. Im folgenden werden sämtliche Institute der Fakultät und Wissenschaftsbereiche der Sektion Pädagogik vorgestellt. Das Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik wird genauer beschrieben. Denn es handelt sich dabei um das Institut, an dem vergleichsweise viele Frauen für eine Hochschullehrerlaufbahn eingeplant wurden. Die Gründung von Pädagogischen Fakultäten war nach dem 2. Weltkrieg in der SBZ umstritten. Als Mitarbeiter der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung setzte sich der spätere Pädagogikprofessor Heinrich Deiters36 sehr für die Fakultätsgründung 36 Nach dem Kriegsende trat man an Deiters heran, ob er am Aufbau einer zentralen Bildungsverwaltung in Deutschland mitwirken würde. Zum 1. September 1945 übernahm er in der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung das Referat Lehrerbildung. Dort hatte er u. a. die Möglichkeit, sich für die universitäre Ausbildung aller Lehrer einzusetzen. (Wiegmann 2002:257) Ab 1946 lehrte er an der Pädagogischen Fakultät als Professor. 1949 bis 1958 leitete er die Pädagogische Fakultät als Dekan (Geißler/Wiegmann 1995:305). 32 ein (Wiegmann 2002:257f.). Die Pädagogischen Fakultäten wurden in der SBZ an 7 Universitäten auf Grund des Befehls Nr. 205 der SMAD vom 12. Juni 1946 eingerichtet (Wiegmann 2002:259). An der Universität Berlin wurde die Pädagogische Fakultät am 12. September 1946 gegründet.37 In der Folgezeit wurden an der Fakultät nach und nach mehr Institute geschaffen. Im Wintersemester 1947/48 gehörten zur Fakultät die Institute für 1. theoretische Pädagogik, 2. Methodik und Didaktik38, 3. körperliche Erziehung und Schulhygiene39 sowie 4. Lehrmittelforschung. An den beiden erstgenannten Instituten stiegen Frauen zur Hochschullehrerin und in Leitungsfunktionen auf. Zu Beginn des Wintersemesters 1947/48 wurde am Institut für praktische Pädagogik eine Abteilung Sonderschulwesen eingerichtet (Klein 1985:102). Zum Sommersemester 1950 wurde daraus das Institut für Sonderschulwesen gebildet. An diesem Institut gelangen Frauen Karrieren. Die Pädagogische Fakultät vergrößerte sich zum Sommersemester 1951 um die Institute für: 1. Methodik des Russischunterrichts, 2. Schulrecht und Schulorganisation40, 3. Kunsterziehung und 4. Musikerziehung. Lediglich am Institut für Kunsterziehung setzte man eine Frau nach dem Krieg als Professorin ein. 1952 wurde das Institut für Berufspädagogik aus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ausgegliedert und an die Pädagogische Fakultät angegliedert, weil das berufspädagogische Hochschulstudium reorganisiert wurde41. Die Entwicklung dieser Institute wurde dabei maßgeblich von der Entwicklung und dem Bedarf der Schul- und Bildungseinrichtungen der DDR beeinflußt.42 Ende der 1940er Jahre wurde die Pädagogische Fakultät zunächst bejaht. Anfang der 1950er Jahre wurde die universitäre Pädagogik von bildungspolitischer Seite erneut in Frage gestellt. Anlaß dafür gab die unzureichende Zahl der Absolventen der Pädagogischen Fakultäten in der DDR. Zudem existierten zwischen den universitären Akteuren und den verantwortlichen Führungskräften in der Politik unterschiedliche Vorstellungen über die Aufgaben der Pädagogischen Fakultäten. Offenbar sahen letztere ihre Erwartungen von diesen Fakultäten nicht erfüllt.43 Infolgedessen wurden ab 1950 37 HU UA, Pädagogische Fakultät 645, Blatt 513-515: Gründungsdokument von 1946. Das Institut für theoretische Pädagogik wurde 1953 in Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Erziehung und Mitte der 1960er in Institut für Allgemeine Pädagogik und kurz darauf in Diesterweg-Institut umbenannt. Ebenfalls eine andere Bezeichnung erhielt das Institut für Methodik und Didaktik. Ab 1948 hieß es Institut für praktische Pädagogik und ab 1951 Institut für Unterrichtsmethodik. 39 Es wurde zum Herbstsemester 1952/53 in Institut für Körpererziehung umbenannt. 40 Das Institut für Methodik des Russischunterrichts und das Institut für Schulrecht und Schulorganisation hatten nur für kurze Zeit Bestand, da sie 1953 in andere Institute integriert wurden. 41 HU UA, Pädagogische Fakultät 656, nicht paginiert: Schreiben des stellvertretenden Staatssekretär des SHF an den Dekan der Pädagogischen Fakultät vom 1.9.1952. 42 Zu Hintergründen Geißler 2000 und Berthold 1960. 43 Ausführlicher dazu Häder 2004:42ff. 38 33 Pläne aufgestellt, die Lehrer und Lehrerinnen für die Klassen 1 bis 4 außerhalb der Universitäten, an Instituten für Lehrerbildung auszubilden. Mit der 1953 erlassenen Verordnung über Allgemeinbildenden die Neuregelung Schulen der verfügte Ausbildung das der Lehrer an den Volksbildungsministerium, die Pädagogischen Fakultäten aufzulösen. Um die Auflösung zu verhindern, wandte sich der Pädagogikprofessor Heinrich Deiters an den damaligen Ministerpräsidenten Grotewohl und initiierte das Memorandum der Pädagogischen Fakultäten.44 An der HUB wurde die Fakultätsschließung abgewendet. Die Pädagogischen Fakultäten an den anderen Universitäten der DDR wurden jedoch bis Mitte der 1950er Jahre aufgelöst und in Institute umgewandelt. Der Berliner Fakultät teilte man neue Aufgaben zu, u. a. die Ausbildung von Lehrerbildnern für die Pädagogischen Hochschulen (Wiegmann 2002:266ff.). Die neuen Aufgaben sollten sich für die Karrieremöglichkeiten von Frauen in diesem Bereich als relevant erweisen. Die Fakultät wurde darüber hinaus beauftragt, „Leitungskader der Volksbildung und des Berufsschulwesens, Heimerzieher und Jugendhelfer und auch Militärpädagogen zu Diplompädagogen auszubilden“ (Tomaschewsky 1987:17). In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre wurden an der Pädagogischen Fakultät das Kabinett für Gesellschaftswissenschaften45 und das Institut für Werkerziehung und Lehrmittelforschung46 errichtet. Zum 1.9.1961 wandelte man die Abteilung Pädagogische Psychologie, die sich am Institut für systematische Pädagogik und Geschichte der Erziehung seit 1956 befand, in ein Institut um. In der Pädagogischen Psychologie öffneten sich für Frauen Karrieremöglichkeiten. Innerhalb der 9 Institute, die nach und nach errichtet wurden und für eine längere Zeit an der Fakultät bestanden, erfolgte in den 1950er und 1960er Jahren eine Binnendifferenzierung. Zwischen 1953 und 1967 verdreifachte sich die Zahl der Abteilungen und Arbeitsgruppen. 1953 leiteten 13 und 1967 bereits 43 Personen eine Abteilung oder Arbeitsgruppe. Diese Expansion von Leitungspositionen eröffnete Frauen Aufstiegsmöglichkeiten in die Leitung. 44 Memorandum HU-UA, Rektorat I 233/2, Blatt 117ff. Da den Lehrerbildungseinrichtungen und den für Lehrerweiterbildung verantwortlichen Institutionen im Jahr 1956 aufgegeben wurde, Kenntnisse in Marxismus-Leninismus zu vermitteln (Geißler 2000:478), könnte das die Fakultät dazu veranlaßt haben, das Kabinett einzurichten. Das Kabinett wurde im Personalverzeichnis der Pädagogischen Fakultät als eine Einrichtung neben den Instituten geführt. 46 1953 wurde das Institut für Lehrmittelforschung als Abteilung an das Institut für Unterrichtsmethodik angeschlossen und 1957 ein Antrag bewilligt, ein Institut für Werkerziehung und Lehrmittel einzurichten Am 18.7.1958 beantragte Deiters, ein Institut für polytechnische Bildung und Erziehung zu gründen, weil sich neue Aufgaben im Bereich der Pädagogik und Schulpädagogik aus den Beschlüssen der Schulkonferenz vom April 1958 und des V. Parteitages der SED im Juli 1958 ergaben. Das vorhandene Institut sollte an das neue Institut angegliedert werden (HU UA, Pädagogische Fakultät 653, nicht paginiert: Anträge von Deiters vom 9.10.1957 u. 18.7.1958 sowie Urkunde des SHF vom 18.12.1957). 45 34 Da in der vorliegenden Arbeit insbesondere die Karrieren von Hochschullehrerinnen des Instituts für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik47 untersucht werden, wird auf dieses Institut näher eingegangen. Es zählte neben dem Institut für Methodik und Didaktik zum institutionellen Kern der Pädagogischen Fakultät (Horn 2003:92). Die Zahl der Abteilungen wurde insbesondere an diesem Institut sukzessiv ausgebaut. Zunächst gehörten die beiden Abteilungen für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik sowie für Schulorganisation und Schulrecht zum Institut. 1956 wurde es um die Abteilungen Psychologie, Fernstudium und Fachpädagogik erweitert. Die Abteilung Psychologie ersetzte die als unzulänglich eingestufte Ausbildung am Institut für Psychologie der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät.48 Die Abteilungen Fachpädagogik und Fernstudium wurden für die Ausbildung der Lehrkräfte an folgenden Institutionen verantwortlich: Institute für Lehrerbildung, Pädagogischen Schule für Kindergärtnerinnen49, Ausbildungseinrichtungen für Pionierleiter und Schulfunktionäre (Berthold 1960:167f.). Diese 3 Abteilungen waren für die Karriereentwicklung von Wissenschaftlerinnen als Hochschullehrerinnen und Leiterinnen bedeutsam. Damit die Fakultät den neuen Ausbildungsanforderungen nachkommen konnte, wurde 1956 der Stellenplan des Instituts erweitert. Das betraf vor allem die Abteilungen Fernstudium und Fachpädagogik.50 Die geplante Entwicklung des Fernstudiums51 und die Ausbildung von Fachpädagogen zogen aus der Sicht des SHF nach sich, daß die Pädagogische Fakultät dringend weiteres Personal benötigte.52 Die Perspektivplanung der Abteilung Arbeit der HUB sah für 1959 bis 1965 vor, die Zahl der wissenschaftlichen Kader an der Pädagogischen Fakultät stark zu erhöhen, weil neue Institutionen und Aufgabengebiete an der Fakultät eingerichtet werden sollten. Dazu zählten am Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik neben der Erweiterung der Abteilungen Fernstudium Fachpädagogik auch der Aufbau der 47 Später Institut für Allgemeine Pädagogik bzw. Diesterweg Institut genannt. Am 1.9.1956 wurde die Abteilung Pädagogische Psychologie am Institut für systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik eingerichtet. Sie sollte "die Keimzelle eines später zu gründenden Instituts für pädagogische Psychologie" sein (HU UA, Pädagogische Fakultät 653, nicht paginiert: Entwurf eines Schreibens der Pädagogischen Fakultät an das SHF vom 28.11.1960). 49 Zu Hintergründen Krecker 1988:448. 50 HU UA, Verwaltungsdirektor I 71, nicht paginiert: Schreiben des Dekans der Pädagogischen Fakultät an den Rektor der HUB vom 22.6.1956. 51 Zur Entwicklung des Fern- und Abendstudium vgl. Budde 2003:146f. 52 HU UA, Verwaltungsdirektor I 71, nicht paginiert: Schreiben vom 22.5.1957 und 6.6.1957. 48 35 Abteilungen Vorschulerziehung und Pionierarbeit.53 1961 wurde die Abteilung für Hochschulpädagogik eingerichtet. Der Rat der Pädagogischen Fakultät stellte 1962 die Aufgabe, das Institut für systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik, die Abteilung Fachpädagogik und Fernstudium sowie das Institut für Berufspädagogik zu reorganisieren.54 So wurden 1964 die neuen Abteilungen Vergleichende Pädagogik, Pädagogik der Kinder- und Jugendorganisation sowie die für die vorliegende Arbeit besonders relevanten Abteilungen Vorschulpädagogik, Familienpädagogik und Betriebspädagogik in das Institut integriert.55 Kaum war die eine Umstrukturierung abgeschlossen, folgte die nächste. Im Rahmen der 3. Hochschulreform wurde das gesamte Hochschulwesen neu geordnet.56 Die Pädagogische Fakultät wurde aus diesem Anlaß 1968 aufgelöst und in eine Sektion umgewandelt (Wiegmann 2002:269). Damit gingen Veränderungen der Fach- und Organisationsstruktur und zum Teil ein Hin und Her von Arbeitsbereichen einher. Anfangs stand noch nicht für alle Institute und Abteilungen der Pädagogischen Fakultät fest, ob sie in die Sektion Pädagogik integriert würden.57 Für die Sektion Pädagogik und ihre Aufgaben in Lehre und Forschung sah man schließlich 13 Wissenschaftsbereiche vor: - Bildungspolitik, Planung und Leitung des Bildungswesens - Grundlagen der Pädagogik - Erziehungstheorie - Didaktik - Methodik der Fächergruppen - Geschichte der Erziehung - Vergleichende Pädagogik 53 HU UA, Verwaltungsdirektor I 112, nicht paginiert: Betrifft: Erläuterungen zum Arbeitskräfteplan des Perspektivplanes der Humboldt-Universität bis zum Jahre 1965 vom 3.5.1959. – Zu Hintergründen für die an der Pädagogischen Fakultät errichtete Abteilung Vorschulerziehung Budde 2003:323. 54 Der Anlaß diese Aufgabe zu stellen, wurde in dem Entwurf nicht ausgeführt. 55 HU UA, Pädagogische Fakultät 1161, nicht paginiert: Entwurf eines Vorschlags zur Reorganisation des Instituts für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik vom 17.12.1962 und Beschlußprotokoll der Dienstbesprechung des [daraus neu gegründeten] Instituts für Allgemeine Pädagogik vom 25.9.1964 sowie Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät von 1964 und 1965. 56 Vgl. Kapitel 2 in der vorliegenden Arbeit und Ruschhaupt 2003c:203ff. 57 Vgl. HU UA, Rektorat II 816, nicht paginiert: Gründung der Sektion Pädagogik 1968. Der Rat der Pädagogischen Fakultät befürwortete die Abteilung Betriebspädagogik in die Sektion marxistischleninistische Organisationswissenschaft zu integrieren, sprach sich aber dafür aus, daß die Sektion Pädagogik mit der Betriebspädagogik weiterhin verbunden bleibt. Das Institut für Sonderschulwesen sollte eine eigene Sektion werden und das Institut für Körpererziehung in die Sektion Sportwissenschaft aufgenommen werden. Die Institute für Kunst- und Musikwissenschaft sollten so lange an die Sektion Pädagogik angegliedert bleiben bis sie in entsprechende Sektionen aufgenommen werden können. Relativ lange blieb die Stellung des Instituts für polytechnische Bildung und Erziehung ungeklärt. 36 - Familienpädagogik - Vorschulpädagogik - Didaktik und Methodik der Unterstufe - Berufspädagogik - Pädagogik der Jugend- und Kinderorganisation - Hochschulpädagogik. Daneben sollte es 3 Wissenschaftsinformation, Organisationszentrum.58 Hochschulpädagogik, Kinderorganisation zentrale das Von Einrichtungen Zentrum den für das Pädagogik Familienpädagogik Zentrum Unterrichtstechnik Wissenschaftsbereichen Vorschulpädagogik, und geben: als der für und das plante man Jugend- und Schwerpunkte für die Wissenschaftsentwicklung an der Sektion Pädagogik ein, weil sie zentrale Leiteinrichtungen in der DDR darstellten.59 Zur Organisationsstruktur der Sektion Pädagogik: Die Sektion wurde von einem Direktor/einer Direktorin geleitet. Für Erziehung und Ausbildung und für Forschung wurde jeweils ein/e stellvertretende/r Sektionsdirektor/in eingesetzt, denen Kommissionen unterstanden. Zur Sektionsleitung gehörten außerdem ein Leiter für Weiterbildung und Fernstudium, ein Leiter für Ökonomie und ein Wissenschaftssekretär. Die Sektion war in o.g. Wissenschaftsbereiche (WB) eingeteilt, die in der Regel von Professoren/Professorinnen oder Dozenten/Dozentinnen geleitet wurden. Neben den Bereichsleitern arbeiteten Forschungsgruppenleiter, die dem Sektionsdirektor unterstellt waren und von den Bereichsleitern angeleitet und kontrolliert wurden.60 Diese Struktur war mit Organisationen der SED verschränkt.61 Nachdem die Sektion Pädagogik zum 10.10.1968 gegründet war62, erfolgten weitere Umstrukturierungen. So wurden Schulräte und Dozenten für die Institute der Lehrerbildung seit 1969 nicht mehr an der Sektion Pädagogik ausgebildet.63 Damit fiel ein Teil der Aufgaben weg, die einst von Fachpädagogik und Fernstudium übernommen wurden. Fachpädagogik wurde an der Sektion nicht fortgeführt. Die geplanten WB „Methodik der Fächergruppe“ und „Didaktik und Methodik der Unterstufe“ wurden nicht an der Sektion etabliert. Die Abteilung Betriebspädagogik, in der an der 58 BArch, DR 3 2. Schicht / 1478, nicht paginiert: Entwurf des Gründungsdokumentes (August) 1968. BArch, DR 3 2. Schicht / 1478, nicht paginiert: Entwurf des Gründungsdokumentes (August) 1968. 60 Horn/Kemnitz/Kos 2002:273f und Humboldt-Universität, Nr. 11 (1970-11-16), S. 5. 61 Näheres in Behrend 2003:19ff. 62 HU UA, Rektorat II 816, nicht paginiert: Gründungsurkunde 10.10.1968. 63 HU UA, Sektion Pädagogik 2224, nicht paginiert. 59 37 Pädagogischen Fakultät eine Frau auf die Laufbahn als Hochschullehrerin vorbereitet wurde, integrierte man nach einigem Hin und Her 1970 in die Sektion.64 Darüber hinaus nahm die Sektion einzelne im Entwurf nicht vorgesehene Wissenschaftsbereiche auf, Sozialpädagogik, Polytechnische Bildung und Pädagogische Psychologie.65 Der WB Familienpädagogik wurde 1970 in den WB Erziehungstheorie integriert.66 Bis 1970 hatte sich die Fachstruktur der Sektion gefestigt. Lediglich den Wissenschaftsbereich Grundlagen der Pädagogik wandelte man 1974 in Allgemeine Pädagogik um und richtete im gleichen Jahr dafür einen Lehrstuhl ein.67 Betrachtet man die institutionelle Entwicklung der Fakultät und der Sektion insgesamt, so zeigt sich: Die Institutsgründungen erfolgten an der Fakultät vor allem zwischen 1946 und 1953. Binnendifferenzierungen fanden an den Instituten in den 1950er und 1960er Jahren statt. Die Fakultät expandierte und veränderte sich deutlich. Damit ging bis Anfang der 1960er Jahre auch der Personalausbau einher. Angesichts der Expansion und Ausweitung der Aufgaben an der Fakultät ist anzunehmen, daß sich Karrieremöglichkeiten für eine größere Zahl von Personen eröffneten. Wie sich die Situation speziell für Frauen darstellte, wird in Kapitel 5 ausgeführt. Mit der 3. Hochschulreform und der Umwandlung der Fakultät in eine Sektion vollzog sich eine grundlegende Strukturreform. Einige Institute der Pädagogischen Fakultät und die meisten Abteilungen des Instituts für Allgemeine Pädagogik wurden in die Sektion Pädagogik überführt. Einige Institute wurden in andere Sektionen integriert. Verteilung von Frauen und Männern auf die Arbeitsfelder der Fakultät und Sektion Untersucht man die Fakultät unter dem Aspekt, wie Frauen und Männer auf die Institute und auf das näher betrachtete Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik verteilt waren, zeigt sich anhand der dazu zusammengestellten Daten, daß sich Geschlechter horizontal höchst ungleich auf die einzelnen Institute verteilten.68 Insgesamt fällt auf, daß die Zahl des Personals im Laufe der 1950er und 1960er Jahre 64 HU UA, Rektorat II 816, nicht paginiert: Schreiben des Dekans der Pädagogischen Fakultät an den Rektor der HUB vom 26.9.1968 und HU UA, Rektorat II 838, Blatt 340-350: Vorlage vom 21.1.1970. 65 HU UA, Rektorat I 850, Blatt 62ff., Horn/Kemnitz/Kos 2002:274f. und Verzeichnis der Sektion Pädagogik (1971/72). 66 HU UA, Rektorat I 850, Blatt 62ff. 67 Horn/Kemnitz/Kos 2002:274 u. BArch, DR 3 / B 13216, Blatt 45ff. u. 67. 68 Vgl. Tabelle 3 a und b im Anhang dieser Arbeit. In den 1960er Jahren wurde der Frauenanteil an den Instituten der Pädagogischen Fakultät nur für die Jahre 1964, 1965 und 1966 berechnet. Absolute Zahlen gingen aus den Akten über die Frauenförderung an der Pädagogischen Fakultät nicht hervor. Aus diesem Grund wurden die absoluten Zahlen für die 1950er und 1960er Jahre auf der Basis der Personalverzeichnisse der Fakultät ermittelt. 38 deutlich anstieg. Meist verdoppelte sich das Personal an den Instituten. Am Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik fand eine besonders starke personelle Expansion statt. Auffällig ist auch die Entwicklung am Institut für Pädagogische Psychologie in den 1960er Jahren. Zwischen 1961 bis 1967 vervierfachte sich dort die Zahl der Frauen, während die Zahl der Männer nicht anstieg. Innerhalb des Instituts für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik (später Diesterweg-Institut) existierten einzelne Abteilungen, in denen nur Frauen als wissenschaftliches Personal arbeiteten (Vorschul- und Familienpädagogik), einige Abteilungen, in denen annähernd gleich viele Frauen und Männer tätig waren (Fachpädagogik, Vergleichende Pädagogik, Geschichte der Pädagogik) und andere, in denen kaum (Betriebspädagogik) oder gar keine Frauen arbeiteten (Hochschulpädagogik, Schulrecht und Schulorganisation). Da für die Sektion Pädagogik die Quellenlage ungünstig ist, kann für den Zeitraum 1968 bis 1975 nur in das Jahr 1971/72 ein Einblick in die Geschlechterverteilung gegeben werden. Wie an der Fakultät und am Institut für Allgemeine Pädagogik handelte es sich bei der Sektion angesichts der vorliegenden Daten um einen geschlechtsspezifisch segregierten Ort. Da die männlich und weiblich dominierten Arbeitsfelder bzw. die geschlechtsheterogenen Arbeitsfelder weitestgehend konstant blieben, fand im Vergleich zur Fakultätszeit wenig Veränderung statt. Die Wissenschaftsbereiche Polytechnik, Betriebspädagogik, Hochschulpädagogik, Didaktik, Geschichte der Pädagogik und die Lehr- und Ausbildungswerkstatt gehörten zu den Männerdomänen. Vorschulpädagogik, Fernstudium und das Informationszentrum waren nur mit Frauen besetzt. Zu den gemischten Arbeitsbereichen zählten die Grundlagen der Pädagogik, die Erziehungstheorie, die Planung und Leitung des Volksbildungswesens, die Pädagogische Psychologie, die Erziehungsberatungsstelle, die Sozialpädagogik und die vergleichende Pädagogik. Nachdem in diesem Kapitel ein Überblick über den Aufbau und die Entwicklung der Pädagogischen Fakultät und der Sektion Pädagogik als institutioneller Rahmen für die Karrieren von Hochschullehrerinnen gegeben wurde, werden im folgenden Teil der Arbeit diese Karrieren genauer untersucht. 39 5 Wissenschaftlerinnen im wissenschaftlichen Nachwuchs, im Lehrkörper und in Leitungspositionen an der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik von 1950-1975 – quantitative Analyse 5.1 Nachkriegsprofessorinnen und Nachkriegsdozentinnen an der Pädagogischen Fakultät Um die Karrieren von Hochschullehrerinnen an der Pädagogischen Fakultät und an der Sektion Pädagogik der Humboldt-Universität zu untersuchen, wird im folgenden zunächst das ausgewertete Datenmaterial zur wissenschaftlichen Qualifikation und Stellenverteilung in der Zeit von 1950 bis 1975 dargestellt. In der Nachkriegszeit lehrten zwischen 1946 und 1953 an der Pädagogischen Fakultät nur 8 Dozenten (5 Männer und 3 Frauen), dafür aber 24 Professoren neben 4 Professorinnen. Bei den Professorinnen handelte es sich um eine im Vergleich zu späteren Phasen auch für Frauen hohe Zahl.69 Mißt man Karriere an Leitungspositionen, so zeigt sich, daß bis Anfang der 1950er Jahre keine Frau an die Spitze der Fakultät gelangte. Die Professorinnen führten z.T. Abteilungen, 2 von ihnen waren Institutsdirektorinnen (neben 6 Männern als Institutsdirektoren).70 In den 1950er Jahren stand eine Professorin, Gertrud Rosenow, 69 Als erste Professorin an der Fakultät wurde 1947 Elise Reichwaldt berufen, sie arbeitete am Institut für Praktische Pädagogik. 1955 wurde ihr die Kündigung ausgestellt. Dagegen erhob sie erfolglos Einspruch. Der offizielle Grund lautete, daß ab 1955 keine Biologiestudenten mehr an der Fakultät ausgebildet werden. Der damalige Dekan Prof. Deiters versuchte allerdings bereits seit 1952 ihr zu kündigen. Dahinter stand, daß sie Mitglied der Westberliner SPD war und sich von der Politik dieser Partei nicht distanzierte, es ablehnte zur Ächtung der Atombombe Stellung zu beziehen und an einem Gesamtberliner Kulturkongreß teilzunehmen. Man wies ihr zudem fachlich Unzulänglichkeit nach (HU UA, Personalakte Elise Reichwaldt). Es folgten als berufene Professorinnen: Bertha Stöcker, 1950 am Institut für Kunsterziehung, Gertrud Rosenow 1951 am Institut für Unterrichtsmethodik und Lilie Görke am Institut für Unterrichtsmethodik 1953. Von ihnen habilitierte sich lediglich Görke (Ruschhaupt/Reinsch 2003a:162f.). An den ersten Dozentinnen der Fakultät lassen sich Schwierigkeiten bei der Karriere ablesen: Edith Heise konnte nicht weiter aufsteigen, was offiziell mit der ihr fehlenden wissenschaftlichen Qualifikation begründet wurde, und Erna Dreiack war an der Fakultät dauerhaft nicht als Dozentin erwünscht (Vgl. dazu HU UA, Personalakte Edith Heise und HU UA, Personalakte Erna Dreiack.). 70 Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät. Siehe auch Tabelle 4 im Anhang dieser Arbeit. 40 als Dekanin und Prodekanin zur Wahl, sie erhielt nicht genügend Stimmen.71 Die bis 1955 bestehende Zahl von 4 Professorinnen an der Pädagogischen Fakultät der HUB stellte im Vergleich zu anderen Pädagogischen Fakultäten eine absolute Ausnahme dar.72 An allen Universitäten der DDR arbeiteten 1954 von insgesamt 605 Professoren 17 Frauen als Professorinnen (Jessen 1999:464). Von diesen 17 Professorinnen verteilten sich 4 auf die Pädagogische Fakultät (der HUB) und 6 auf die Philosophischen Fakultäten (ebd.:468). Damit bildeten die 4 Berliner Professorinnen offenbar den DDR-weit einzigen Bestand an Professorinnen an allen Pädagogischen Fakultäten der DDR – neben 47 Männern als Professoren (ebd.:470). Die Ursache dieser Konzentration von Pädagogikprofessorinnen der ersten Hochschullehrergeneration auf die HUB läßt sich nicht endgültig klären. Allerdings ist m.E. anhand dieses Berliner Beispiels die Auffassung von Budde zu relativieren, wonach „von Frauen als potentielle[n] Kräfte[n] der Erneuerung des Hochschullehrerberufs [in den ersten Nachkriegsjahren] so gut wie nichts zu vernehmen” war.73 5.2 Frauen im wissenschaftlichen Nachwuchs in den 1950er und 1960er Jahren Ab 1958 stieg die Zahl der emeritierten Professoren und Professorinnen an der Pädagogischen Fakultät der HUB deutlich an.74 Ende der 1950er Jahre arbeitete nur noch eine Frau der ersten Hochschullehrergeneration als Professorin an der Fakultät. Die frei gewordenen Professuren wurden nicht in jedem Fall sofort neu besetzt.75 Mit Zunahme der Emeriti wurden bis in die 1960er Jahre Hochschullehrerstellen frei. Der wissenschaftliche Nachwuchs konnte nun aufsteigen. Im weiteren ist zu fragen, 71 HU UA, Rektorat I 281, Blatt 233 u. 476: Fakultätsratsprotokolle Sitzungen 25.9.1951 und 22.10.1953. Die Zusammenstellung der Hochschullehrerinnen von Kersting weist nicht darauf hin, daß an anderen Pädagogischen Fakultäten der SBZ/DDR Frauen in der Erziehungswissenschaft bis 1952 zur Professorin aufstiegen (dies. 2000:130f.). Von den 4 bei Horn genannten Professorinnen, die zwischen 1945 und 1965 in der Erziehungswissenschaft arbeiteten, lehrten Erika Hoffmann 1947 bis 1949 an der Universität Jena und Gertrud Rosenow an der HUB. Die anderen 2 berief man erst nach 1954 als Professorin, Katharina Harig 1958 in Leipzig und Rosemarie Ahrbeck-Wothge 1961 in Halle (Horn 2003:181, 242 u. 251). 73 Als einzigen Beleg hierfür führt Budde den Entwurf des “Not-Habilitationsausschusses” von 1945 an, laut dem nur Männer für die Hochschullehrerlaufbahn berücksichtigt wurden (dies. 2003:163). 74 Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das Durchschnittsalter der Nachkriegsprofessoren der Erziehungswissenschaft bei ihrem Amtsantritt bei fast 54 Jahren lag (Horn 2003:113). 75 Das geht aus Personalverzeichnissen der Fakultät hervor (vgl. Systematische Pädagogik, Sonderschulwesen, Kunst- und Körpererziehung). Eine Erklärung dafür könnte sein, daß der wissenschaftliche Nachwuchs nicht schnell genug herangebildet werden konnte, um diese Positionen zu übernehmen. 72 41 inwieweit Frauen in den 1950er und 1960er Jahren im wissenschaftlichen Nachwuchs der Fakultät vertreten waren und damit in Positionen, die einen Aufstieg ermöglichten. Im graphischen Überblick ergibt sich folgendes Bild76: Anzahl Graphik 1 . Anzahl der Assistent/inn/en und Oberassistent/inn/en an der Pädagogischen Fakultät der HUB 1951/52 bis 1967/68 70 60 50 40 30 20 10 0 /52 /53 /54 /55 /56 /57 /58 /59 /60 /61 /62 /63 /64 /65 /66 /67 /68 51 952 953 954 955 956 957 958 959 960 961 962 963 964 965 966 967 Jahre 19 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Assistentinnen Assistenten Oberassistentinnen Oberassistenten Die Graphik zeigt, daß Frauen in ihrer Mehrheit eher Assistentinnenstellen ausfüllten, während die Oberassistentenstellen bis 1954/55 eine reine Männerdomäne blieben. Selbst als Ende der 1950er Jahre die Zahl der Oberassistenten insgesamt deutlich zunahm, schlug sich dies nicht in dem Anteil von Frauen nieder. Die staatliche Frauenförderung beseitigte dieses Mißverhältnis nicht. Obwohl seit 1961 an der Pädagogischen Fakultät Frauenförderpläne erstellt wurden, wuchs der Anteil von Frauen bei den Oberassistentinnen kaum. Daß Frauen seltener in die Oberassistenz gelangten, spiegelt eine allgemeine Tendenz an den Universitäten der DDR wider (Budde 2003:165). In der Graphik fällt insbesondere auf, daß ab 1957 die Assistentinnenzahl und ab 1960 die Assistentenzahl deutlich zurückging. Zwei Erklärungsansätze können hier gelten. Zum einen stellte man in den 1960er Jahren vor allem wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein. Aus Buddes Arbeit über „Frauen der Intelligenz” geht hervor, daß 1960 die Stelle des wissenschaftlichen Mitarbeiters vom SHF geschaffen wurde, um den wissenschaftlichen Nachwuchs von Aufgaben zu entlasten, die von der wissenschaftlichen Qualifizierung abhielten (dies. 2003:174f.). Zum zweiten erfolgte Anfang der 1960er Jahre insbesondere der Ausbau der naturwissenschaftlichen Zweige77, so daß dort eine größere Zahl an wissenschaftlichen Nachwuchskräften 76 Die Graphik 1 wurde nach eigenen Erhebungen mit Hilfe der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät der HUB erstellt. 77 Die 1962 durch das SHF verteilte “Direktive für die Ausarbeitung des Volkswirtschafts- und Haushaltsplanes 1963“ besagte, daß die naturwissenschaftlich-technischen Zweige ausgebaut werden sollten, um die für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und für die Steigerung der Arbeitsproduktivität in Industrie und Landwirtschaft erforderlichen Hochschulabsolventen zur Verfügung zu stellen. 42 eingesetzt wurde. Die Zahl der Studierenden wurde nur in den Naturwissenschaften und Technik erhöht. In diesem Zusammenhang sollte auch die Pädagogische Fakultät der HUB einige ihrer Planstellen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zur Verfügung stellen, um dieser Fakultät “eine möglichst wirksame Hilfe […] zu geben”.78 5.3 Wissenschaftliche Qualifikation von Frauen an der Pädagogischen Fakultät Zieht man die nicht nach Geschlecht differenzierten Daten von Jessen hinzu, so lag das Qualifikationsprofil des wissenschaftlichen Nachwuchses in der DDR-Pädagogik im Vergleich zu anderen Fachgebieten unter dem Durchschnitt in der DDR.79 Das Problem bestand folglich bei Männern und Frauen in der Pädagogik. Generell herrschte zudem an allen DDR-Universitäten – auch über die Pädagogik hinaus – bis in die 1960er Jahre ein Mangel an ausreichend qualifizierten Frauen. Der Frauenanteil an Promovierten lag an DDR-Universitäten im Zeitraum von 1960 bis 1966 bei lediglich 10%.80 Das bildete keine gute Basis dafür, die Zahl der Hochschullehrerinnen anzuheben. Vor diesem Hintergrund ist plausibel, daß sich das erste Maßnahmepaket der Frauenförderung auf die Voraussetzungen für die Einstellung von Frauen als Hochschullehrerinnen richtete und damit auf ihre wissenschaftliche Qualifizierung (vgl. Jessen 1999:385). Promotionen an der Pädagogischen Fakultät An der Pädagogischen Fakultät zeigte sich in Bezug auf den Qualifikationsstand von Frauen ein ähnliches Bild: In der Zeit von 1946 bis 1962 waren von den ca. 100 Promotionen an der Pädagogischen Fakultät nur 17 von Frauen erstellt worden.81 Im Frauenförderplan von 1962 stellte man deshalb fest, daß an der Fakultät zu wenig 78 HU UA, Verwaltungsdirektor I 114, nicht paginiert: Direktive vom 13.8.1962 u. Schreiben des Verwaltungsdirektors vom 25.6.1963. 79 So waren 97,4% der Assistenten in der DDR-Pädagogik 1962 weder promoviert noch habilitiert und nur 2,6% promoviert. 1965 waren rund 96% weder promoviert noch habilitiert. Im Vergleich dazu waren wissenschaftliche Mitarbeiter besser qualifiziert: promoviert waren 1962 9% und 1965 24%. Von den Oberassistenten der Pädagogik waren 1962 33% und 1965 immerhin 67% promoviert (keiner habilitiert). Die Daten für das Jahr 1962 beziehen sich bei Jessen auf die Pädagogischen Fakultäten in Berlin und Dresden und für 1965 auf die Pädagogischen Abteilungen und Sport (ders. 1999:470, 482, 490). 80 Budde nennt als mögliche Ursache für die geringe Zahl wissenschaftlich qualifizierter Frauen an Universitäten, daß Frauen in der Wissenschaft von ihrer wissenschaftlichen Qualifizierung abgehalten wurden, weil man ihnen “zeitraubende Funktiönchen”, Routinearbeiten und zu viel Lehrarbeit übertrug, während Männer eher davon entlastet wurden, und sie sich auf diese Weise relativ zügig qualifizieren konnten (dies. 2003:173). 81 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Frauenförderplan vom 18.6.1962. Über Habilitationen von Frauen wurde dort nichts angegeben. 43 Frauen wissenschaftlich qualifiziert waren. Das wurde (zurecht) als ein Zurückstehen von Frauen in der wissenschaftlichen Qualifizierung an der Fakultät gedeutet. Da von 20 an der Fakultät geplanten Promotionen 7 von Frauen zu erarbeiten waren, also knapp ein Drittel, zeigte man sich zuversichtlich, daß die Zahl der wissenschaftlich qualifizierten Frauen ansteigen wird. Im darauffolgenden Jahr, 1963, besagte der Bericht über die Frauenförderung, daß an der Pädagogischen Fakultät (bei wissenschaftlichen Mitarbeitern, Oberassistenten und Assistenten) 31 der 110 Männer (28%) und 8 der 42 der Frauen (19%) promoviert waren.82 Folgender Überblick zeigt, wie unterschiedlich sich die Promovierten in den darauffolgenden Jahren auf die Institute verteilten und wie groß die Differenz zwischen Frauen und Männern ausfiel. Tabelle 1. Qualifikationsstand von Frauen und Männern an der Pädagogischen Fakultät 1965/196683 Von den Frauen hatten promoviert (in %) Von den Männern hatten promoviert (in %) Pädagogische Fakultät gesamt Diesterweg Institut84 Inst. f. Berufspädagogik85 Inst. f. Körpererziehung Inst. f. Kunsterziehung Inst. f. Musikerziehung Inst. f. Päd. Psychologie Inst. f. Polytechnik Inst. Sonderpädagogik Inst. f. Unterrichtsmethodik 1965 21 37 0 0 25 0 12 0 37 20 1965 39 56 53 31 42 31 50 15 33 38 1966 23 35 0 0 25 0 20 0 33 30 1966 45 64 69 35 42 32 60 28 55 40 An der Fakultät arbeitete ein deutlich höherer Anteil promovierter Männer als Frauen. Der Anteil der promovierten Männer stieg selbst in diesem kurzen abgebildeten Zeitraum an einigen Instituten im Unterschied zu Frauen deutlich an. Am Institut für Pädagogische Psychologie lag der Frauenanteil am höchsten, aber von den Frauen wies nur ein geringer Teil die Dissertation auf. Obwohl die wissenschaftliche Qualifizierung von Frauen einen wesentlichen Teil der Frauenförderung an der Fakultät bildete, blieb ein deutlich steigender Anteil promovierter Frauen aus. Die Ergebnisse deuten darauf hin, daß bei nur wenigen Frauen überhaupt die 82 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Schreiben von Prof. Haspas an den Prodekan Prof. Arnold vom 12.9.1964. Die Prozentzahlen wurden eingefügt, um einen Vergleich mit der eingefügten Tabelle zu ermöglichen. 83 Die Tabelle wurde einer Akte über Frauenförderung an der Pädagogischen Fakultät entnommen (HU UA, Pädagogischen Fakultät 1479, nicht paginiert: Bericht über den Stand der Frauenförderung vom 31.1.1967; Hervorhebung B. R.). Die absoluten Zahlen wurden dort nicht aufgeführt. 84 An den hervorgehobenen Instituten war der Anteil an promovierten Frauen relativ hoch. 85 An den kursiv geschriebenen Instituten war der Anteil an promovierten Frauen besonders gering. 44 Voraussetzung für eine wissenschaftliche Laufbahn durch ihre Qualifikation gegeben war. Trotzdem zeigte man sich 1967 an der Fakultät mit der Zahl der promovierten Frauen zufrieden.86 Habilitationen an der Pädagogischen Fakultät Einen besonderen Stellenwert bei der Frauenförderung erhielt die Habilitation.87 Auch hier wurde die Zahl der Habilitandinnen als zu gering eingeschätzt. Von den im Juni 1962 geplanten 20 Habilitationen sollten 3 von Frauen verfaßt werden.88 Ende 1963 lehrten als Habilitierte 16 Männer und 2 Frauen an der Fakultät. Wie aus einem internen Schreiben an den Prodekan von 1964 hervorgeht, sollte deshalb bis 1970 die Anzahl der habilitierten Männer auf 25 und die der Frauen auf 8 erhöht werden – ein Verhältnis, das im Vergleich zum Stand von 1963 Frauen besonders berücksichtigte. Um das gesetzte Ziel zu erreichen, forderte man in den Frauenförderplänen dazu auf, die Kandidatinnen von den Institutsleitungen mit allen Mitteln zu unterstützen.89 Auch der ideologische Druck auf die verantwortlichen Hochschullehrer zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, darunter insbesondere Frauen, wurde erhöht: Im Oktober 1964 erschienen in der Hauszeitung der HUB „Thesen“ für eine Arbeitstagung über die weitere Entwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Dort wurde u. a. formuliert, daß der Frauenanteil am wissenschaftlichen Nachwuchs zu steigern sei und von allen Professoren und Dozenten die Habilitation gefordert werden sollte.90 In den Frauenförderplänen der Folgejahre wurden 11 Frauen benannt, die sich an der Pädagogischen Fakultät habilitieren sollten.91 Konkrete Unterstützungsmaßnahmen für die Frauen enthielten die Pläne in der Regel allerdings nicht. 86 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Bericht zur Frauenförderung vom 31.1.1967. HU UA, Pädagogischen Fakultät 1479, nicht paginiert: Schreiben des Dekan an den Prodekan vom 12.9.1964 und Frauenförderplan vom 26.11.1964. 88 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Frauenförderplan vom 18.6.1962. 89 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Schreiben an den Prodekan vom 12.9.1964. 90 Humboldt-Universität Nr. 25 (1964-10-12), S. 4. 91 HU UA, Pädagogische Fakultät 679, nicht paginiert: Frauenförderplan 1961/62, HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Frauenförderpläne 1962/63 vom 12.3.1963 und 1964/65 vom 26.11.1964, Berichte über den Stand der Frauenförderung an der Pädagogischen Fakultät 1965 und vom 31.1.1967, HU UA, Pädagogische Fakultät 1152, nicht paginiert: Bericht der Abteilung Allgemeine Pädagogik über die Erfüllung des Frauenförderplanes von 1965 an das Dekanat vom 3.5.1965. – Acht von ihnen waren am Institut für systematische Pädagogik/für Allgemeine Pädagogik beschäftigt, die anderen an den Instituten für Sonderschulwesen und Unterrichtsmethodik. Vier weitere Habilitandinnen wurden an den Instituten für Sonderschulwesen, für Kunsterziehung und für Pädagogische Psychologie erwogen. An den Instituten für Berufspädagogik, Körpererziehung, Musikerziehung und Polytechnische Bildung und Erziehung konnten laut dem Bericht über die Frauenförderung vom 1.9.1967 noch keine Habilitationen erfolgen, weil sich dort bis 1970 erst Frauen promovieren mußten. Am Institut für Musikerziehung galt es eine Frau für die wissenschaftliche Laufbahn zu gewinnen. Frauen an den Instituten für Musik- und Kunsterziehung zu habilitieren, war laut dem Bericht “von vordringlicher Wichtigkeit”. 87 45 Daß es gleichwohl den Verantwortlichen – zumeist Männern – an der Spitze der Fakultät durchaus ernst damit war, Frauen bei ihrer Hochschullaufbahn – zumindest per Qualifikation – zu fördern, zeigt das Beispiel des Instituts für Systematische Pädagogik. Hier hatten in den 1950er und 1960er Jahren 10 der Assistentinnen und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen promoviert. Zwei von ihnen schieden aus, bevor die universitäre Frauenförderung begann.92 Von diesen 10 Frauen wurden 8 in die Frauenförderpläne für die Habilitation aufgenommen.93 Dies bedeutete, daß fast alle „frisch promovierten“ Frauen des Instituts bereits kurze Zeit nach der abgeschlossenen Promotion für die Habilitation eingeplant wurden. An diesem Institut wurde die wissenschaftliche Qualifizierung bis 1970 nahezu geschlechtsparitätisch geregelt: Von 11 Habilitationsschriften sollten mindestens 5 von Frauen abgefaßt werden, von 13 Dissertationen mindestens 6 von Frauen.94 Nimmt man die geplanten Zieldaten der Frauenförderung, eröffneten sich für promovierte Frauen in den 1960er Jahren gute Karrierechancen. Sie wurden verstärkt bei den Habilitationen berücksichtigt mit dem Ziel, an der Fakultät den Frauenanteil der Hochschullehrer zu steigern. Inwieweit dies gelungen ist, soll im folgenden dargestellt werden. 92 Eigene Auszählung anhand der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät der HUB. In den Perspektivplänen des Instituts von 1961 waren vier der Promovendinnen bereits für die Tätigkeit als Hochschullehrerin vorgesehen (HU Archiv der Abteilung für Historische Erziehungswissenschaft, Ordner 28, Seite 233 [geschr. wurde 333], 250, 266, 325). 93 HU UA, Pädagogische Fakultät 679, nicht paginiert: Frauenförderplan 1961/62, HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Frauenförderplan vom 26.11.1964 und Bericht über den Stand der Frauenförderung an der Pädagogischen Fakultät vom 31.1.1967, HU UA, Pädagogische Fakultät 1152, nicht paginiert: Bericht der Abteilung Allgemeine Pädagogik über die Erfüllung des Frauenförderplanes von 1965 an das Dekanat vom 3.5.1965. 94 HU UA, Pädagogische Fakultät 1151, nicht paginiert: Perspektivplan des Instituts für Allgemeine Pädagogik von 1964 für den Zeitraum 1965 bis 1970. Die Aufstellung wurde nicht von jeder Abteilung nach Geschlecht differenziert aufgesetzt. So kann nicht exakt angegeben werden, wie viele Frauen und Männer sich wissenschaftlich qualifizieren sollten. 46 5.4 Aufsteigerinnen und Hochschullehrerbestand an der Pädagogischen Fakultät Aus den Perspektivplänen des Jahres 1961 geht hervor, daß an der Pädagogischen Fakultät 32 Männer als Hochschullehrer und 9 Frauen als Hochschullehrerin eingeplant waren. Zur Verfügung standen 16 wissenschaftlich qualifizierte oder zu qualifizierende Frauen und 61 Männer.95 Somit wurde im Plan bei beiden Geschlechtergruppen jeweils etwa die Hälfte des wissenschaftlichen Potentials – und somit paritätisch – berücksichtigt. Wie aber sah es in der Realität aus? In der Regel schloß sich an der Pädagogischen Fakultät in jener Zeit an die Assistenzzeit die Wahrnehmung einer Dozentur an. Vergleicht man die Zahl derer, die mit der Wahrnehmung einer Dozentur beauftragt wurden und damit auf dem Weg zur Dozentur oder Professur waren, zeigt sich, wie wenige Frauen zu diesem Kreis gehörten. Vom Beginn der 1950er Jahre bis zum Ende ihres Bestehens 1968 wurden an der Pädagogischen Fakultät 46 Männer und 4 Frauen eingestellt, die als potentielle Aufsteigerinnen und Aufsteiger eingestuft werden können.96 Von diesen insgesamt 50 Personen stiegen 17 Männer und 2 Frauen bis zur Professur auf. Zwischen 1963 bis 1968 waren alle Professoren und Professorinnen an der Pädagogischen Fakultät habilitiert – eine Ausnahme angesichts der laut Jessen generell eher durchschnittlichen bis niedrigen Habilitationsrate in der Pädagogik (Jessen 1999:407f. u. 486). Das Ergebnis für die Fakultät paßt eher zu Horns Resultat. Er deutet die Tatsache, daß in der Gruppe der erziehungswissenschaftlichen Professoren, die 95 Addiert wurden die Zahl der 1961 an der Pädagogischen Fakultät Promovierten (6 Frauen, 31 Männer; eigene Auszählung anhand der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät 1961/62) und die Zahl der 1962 im Frauenförderplan geplanten Dissertationen (7 Frauen, 13 Männer) und die ebenda vorgesehenen Habilitationen (3 Frauen, 17 Männer) (HU UA, Pädagogischen Fakultät 1479, nicht paginiert: Frauenförderplan vom 18.6.1962). Es wurde davon ausgegangen, daß vorwiegend der Kreis der wissenschaftlich qualifizierten oder sich qualifizierenden Personen für die Hochschullehrerlaufbahn in Frage kam. 96 Aufgenommen wurden – anhand der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät – in die folgende Aufstellung all jene, die nicht vor 1956 ihre höchste Position an der Pädagogischen Fakultät erreichten. Von den 50 Personen starteten insgesamt 35 als Wahrnehmungsdozenten, einige gleich als Dozenten und zwei 1951 sofort als Wahrnehmungsprofessoren an der Fakultät. Manche arbeiteten zuvor als Lehrbeauftragte an der Fakultät. Wahrnehmungsdozenten und -dozentinnen wurden seit 1950 im Verzeichnis des Lehrkörpers aufgeführt. – In der Sekundärliteratur über Karrieren von Frauen in der DDR-Wissenschaft der 1950er und 1960er Jahre wurde nicht herausgearbeitet, wie viele als Wahrnehmungsdozentinnen und Wahrnehmungsdozenten einstiegen und die Dozentur oder Professur erreichten (vgl. Budde 2003, Jessen 1999, Maul 2002b, Ruschhaupt 2003a,b). 47 zwischen 1956 und 1965 in der DDR berufen wurden, der Anteil der Habilitierten überdurchschnittlich war, als Bedeutungszunahme des wissenschaftlichen Kapitals in der Erziehungswissenschaft (Horn 2003:120).97 Von den potentiellen Aufsteigern erhielten 1 Frau (nicht habilitiert) und 11 Männer (6 von ihnen habilitiert) die Dozentur. Kurz vor der Auflösung der Fakultät 1968 gab es folgende Geschlechterverteilung im Hochschullehrerbestand: Professoren: 2 Frauen und 15 Männer, Dozenten: 1 Frau und 7 Männer, Wahrnehmungsdozenten: 1 Frau und 11 Männer.98 Insgesamt arbeiteten somit 4 Frauen und 33 Männer an der Pädagogischen Fakultät in höheren wissenschaftlichen Positionen. Trotz der ehrgeizigen Zielsetzungen in Frauenförderplänen zeichnete sich bis 1967 keine deutliche Veränderung des Geschlechterverhältnisses in der Hochschullehrerschaft ab. Es stellt sich die Frage, wie sich diesbezüglich die Nachfolgeinstitution, die Sektion Pädagogik, darstellt. 5.5 Karriereschub für Frauen an der Sektion Pädagogik 1968 bis 1975 Die Sektion Pädagogik startete 1968 mit 12 Lehrkräften: 5 Professoren (ausschließlich Männer) und 7 Dozenten (5 Männer/2 Frauen).99 Im Zuge des personellen Ausbaus wurden bis zum Ende des Untersuchungszeitraums 1975 insgesamt 8 Frauen und 6 Männer zu Dozenten an der Sektion berufen.100 Eine weitere Frau, lange Zeit Assistentin an der Pädagogischen Fakultät und dort als Dozentin eingeplant, wurde nach der 3. Hochschulreform an einer anderen Sektion eingesetzt und dort zur Dozentin berufen. Sie kehrte allerdings an die Sektion Pädagogik zurück.101 Die Dozentinnen 97 Position und Qualifikation der an der Pädagogischen Fakultät bis zur Professur aufgestiegenen Personen: Professor mit Lehrstuhl: 2 Männer (habilitiert); Professor mit vollem Lehrauftrag: 4 Männer (habilitiert); Professor mit Lehrauftrag: 11 Männer (davon 8 habilitiert, 2 promoviert, 1 weder noch) und 2 Frauen (habilitiert). Die Lehrstuhlinhaber amtierten in den 1960er Jahren als Dekane der Fakultät. 98 Eigene Auszählung anhand des Personalverzeichnisses der Pädagogischen Fakultät WS 1967/68. Einen Überblick über den gesamten Lehrkörper, die Zahl der Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sowie Emeriti geben die Tabellen 5a, b und c im Anhang dieser Arbeit. 99 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Bericht über die Frauenförderung an der Pädagogischen Fakultät vom 22.11.1968. – Die beiden Professorinnen der Fakultät wurden durch die 3. Hochschulreform in die Sektion Rehabilitationspädagogik integriert. In diese Sektion wurde das Institut für Sonderschulwesen, in dem sie arbeiteten, überführt. 100 Siehe Tabelle 6 im Anhang dieser Arbeit. 101 Frau A. (BArch, DR 3 / B 6970 sowie Archiv der Abteilung Historische Erziehungswissenschaft des Instituts für Erziehungswissenschaften der HUB, Ordner 28, S. 54ff.). Sie zählt hier als 9. Dozentin der Sektion. 48 vertraten verschiedene Fachdisziplinen.102 Alle zwischen 1968 und 1975 berufenen Dozentinnen standen im Frauenförderplan der Fakultät und sollten sich habilitieren.103 Während Jessen konstatiert, daß man an den Universitäten der DDR in den 1960er Jahren bereit war, Frauen zu habilitieren, aber nicht sie auch als Dozentin zu ernennen oder als Professorin zu berufen (Jessen 1999:387), läßt sich das anhand der Dozentinnen an der Sektion Pädagogik nicht bestätigen. Im Gegenteil, diese Dozentinnen wurden in der Regel ohne die abgeschlossene Habilitation als Hochschullehrerin eingestellt. Von den obengenannten 9 Dozentinnen der Sektion Pädagogik hatte sich vor ihrer Berufung zur Dozentin nur eine habilitiert. 4 weitere schlossen diese Qualifikation erst nach ihrer Einstellung als Dozentin ab.104 Von den als Dozenten eingestellten 6 Männern verfügte nur einer über die Dissertation B. Der Sektionsdirektor konstatierte 1972 in seinem Bericht über Frauenförderung, daß es “keine ideologischen Positionen, die in irgendeiner Weise die Notwendigkeit einer intensiven Frauenförderung in frage stellen” an der Sektion gäbe. Sein Fazit lautete, daß Fortschritte bei der Förderung von Frauen erreicht wurden – bezogen auf die Zahl der Frauen bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern und Dozenten. Anders sähe es bei den Professoren aus: Sehr ungünstig ist die Situation noch bei den Professoren. Gegenwärtig haben wir keine Frau als Professor. Durch sehr gezielte Maßnahmen konnte erreicht werden, daß Kollegin Dr. [M…] ihr S.c.-Verfahren erfolgreich abschloß und nun mehr ein Antrag auf ihre Berufung als Professor eingereicht werden konnte.105 Offensichtlich von Leitungsseite forciert, stiegen von den 9 Dozentinnen der Sektion zwischen 1972 und 1976/1985 4 Frauen zu Professorinnen auf: 2 der Dozentinnen wurden – mit Promotion B – zu ordentlichen Professorinnen106 und 2 weitere – ohne Abschluß der Promotion B – zu außerordentlichen Professorinnen107 berufen. Da die erste Professorin erst 1972 an der Sektion eingestellt wurde, realisierte man das Ziel 102 Berufungen zur Dozentin für: Familienpädagogik (1968), Methodik der Unterstufe (1968), Betriebspädagogik – an der Sektion Ökonomische Kybernetik und Operationsforschung (1969), Didaktik (1970), Vorschulerziehung (1970), Grundlagen der Pädagogik (1971), Vorschulerziehung (1971), Pädagogische Psychologie (1971), Hochschulpädagogik (1975). 103 HU UA, Pädagogische Fakultät 679, nicht paginiert: Frauenförderplan 1961, HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Bericht zur Frauenförderung 1965, HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Bericht zum Stand der Frauenförderung 31.1.1967. 104 Das geht aus den Berufungsakten der Hochschullehrerinnen hervor, deren Karrieren in Kapitel 6 näher untersucht werden. 105 HU UA, Sektion Pädagogik 2224, nicht paginiert: Bericht des Sektionsdirektors über Frauenförderung 1972. 106 Professorin für Erziehungstheorie (1972) bzw. Pädagogische Psychologie (1985). 107 Außerordentliche Professorin für Familienpädagogik (1974) bzw. Didaktik (1976). 49 nicht, 1970 einen Frauenanteil von 12% bei den Professoren zu erreichen.108 Eine der 9 Dozentinnen der Sektion wurde 1978 an der APW zur ordentlichen Professorin berufen.109 Im Vergleich hierzu wurden 6 Männer bis 1974 zum ordentlichen (5) bzw. außerordentlichen (1) Professor berufen.110 In der Mehrheit wiesen die Professoren vor ihrer Berufung die Habilitation bzw. Promotion B auf (4 von 5).111 Auffällig ist, daß an der Sektion die Habilitation bzw. Promotion B im Vergleich zur Pädagogischen Fakultät seltener vorlag. An der Fakultät wiesen – im Unterschied zur Sektion – alle Professoren (Männer wie Frauen) und mehr der Dozenten die Habilitation auf.112 Daran läßt sich eine veränderte Berufungspraxis ablesen. Jessen ging allgemein davon aus, daß die Habilitation seit Ende der 1950er Jahre in Ernennungs- und Berufungsverfahren an Relevanz verlor, insbesondere mit der neuen HBVO von 1968.113 Dies scheint sich hier zu bestätigen. Zum Ende des Untersuchungszeitraumes, 1975, lehrten insgesamt 11 ordentliche Professoren (1 Frau/10 Männer), 2 außerordentliche Professoren (1 Frau/1 Mann) sowie 16 Dozenten (6 Frauen/10 Männer) an der Sektion.114 In Bezug auf die Einstellung von Hochschullehrern – unabhängig von ihrem Status und Qualifikation – läßt sich an der Sektion Pädagogik für Frauen ein Karriereschub konstatieren. An der Pädagogischen Fakultät stiegen (zwischen 1960 und 1967) nur 3 Frauen zu Hochschullehrerinnen (1 Dozentin/2 Professorinnen) auf, an der Sektion waren es hingegen 8 ( + 1) Frauen (von 1968 bis 1975). Vergleicht man die Zahl der berufenen und ernannten Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen an der Fakultät (zwischen 1956 und 1967) mit der an der Sektion (zwischen 1968 und 1975), kann man auch hier im Verhältnis von Frauen zu Männern eine positive Entwicklung für Frauenkarrieren konstatieren. Bei der Einstellung von Dozenten weist die Sektion ein Verhältnis von 8 Frauen zu 7 Männern auf (Fakultät: 1 Frau/11 Männer). Bei den 108 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Bericht zum Stand der Frauenförderung an der Fakultät von Prof. König vom 7.4.1966. 109 Es handelt sich um Frau V. aus der Untersuchungsgruppe (BArch, DR 3 / B 12165). Vgl. auch Kap.6. 110 Siehe Tabelle 6 im Anhang dieser Arbeit. 111 Die wissenschaftliche Qualifikation der ab 1968 berufenen Dozenten und Professoren wurde anhand des Jahresverzeichnisses der deutschen Hochschulschriften (81. bis 91. Jahrgang) ermittelt, sofern diejenigen nicht zu jenen Männern gehörten, zu denen Berufungsakten vorlagen. 112 Vgl. Kapitel 5.4. 113 Vgl. Kapitel 2. 114 Zusammenstellung aus der nicht nach Geschlecht differenzierten Tabelle über die Struktur und kadermäßige Besetzung der Sektion von 1975 (HU UA, Rektorat 850, Blatt 111) unter Hinzuziehung der mir über die Hochschullehrerinnen an der Sektion bekannten Daten (durch die Berufungsakten). Siehe auch Tabelle 7 im Anhang dieser Arbeit. 50 ordentlichen Professoren liegt die Sektion bei einem Verhältnis von 1 Frau zu 5 Männern (Fakultät: 2 Frauen/17 Männer).115 5.6 Frauen in den Leitungsebenen – Vergleich von Pädagogischer Fakultät und Sektion Pädagogik Nachdem Karrieren von Frauen innerhalb der Hochschullehrerschaft betrachtet wurden, sollen im folgenden als zweites Kriterium für Aufstiegsverläufe von Frauen die Leitungsfunktionen untersucht werden.116 Das Leitungsgremium der Pädagogischen Fakultät, der wissenschaftliche Rat, war 1962 mit nur 3 Frauen besetzt (gesamt: 30 Mitglieder). Bis 1966 erhöhte sich der Frauenanteil auf 20%. Die Sektion Pädagogik sah kurz nach ihrer Gründung 1968 für den Sektionsrat 11 Frauen und 22 Männer vor.117 Eine weitere wichtige Leitungsebene war die Funktion des Dekans und der Institutsleiter. An der Pädagogischen Fakultät amtierten über den gesamten Zeitraum ihres Bestehens ausschließlich Männer als Dekan und Prodekan. Auch als Institutsleiter waren ab Ende der 1950er Jahre nur Männer tätig. Zur zweiten Hälfte der 1960er Jahre arbeiteten 3 Frauen als stellvertretende Institutsdirektorinnen (neben 8 Männern). Auf der untersten Leitungsebene, der Abteilungsleitung, verteilten sich Frauen und Männer an der Fakultät folgendermaßen118: 115 Für einen Vergleich mit anderen Sektionen der HUB liegen nur die Daten für das Jahr 1969 vor, d.h. kurz nach der Sektionsgründung (siehe Tabelle 8 im Anhang dieser Arbeit). M. E. läßt sich mit Hilfe dieser Aufstellung aus einem Jahr schwer einschätzen, ob die Sektion Pädagogik im Vergleich zu anderen Sektionen relativ viele Hochschullehrerinnen aufweisen konnte, weil die Berufungen von Frauen zur Dozentin und Professorin zu dieser Zeit erst begannen. 116 Siehe auch Tabelle 4 im Anhang dieser Arbeit. 117 Die Daten standen in den Frauenförderplänen der Pädagogischen Fakultät vom 18.6.1962 und vom 26.11.1964 sowie in Berichten über den Stand der Frauenförderung vom 31.1.1967 und vom 22.11.1968 (HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert). Die absoluten Zahlen wurden nicht immer genannt. 118 Graphik 2 – eigene Erhebung anhand der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät der HUB. Erst seit 1953 wurden im Verzeichnis Abteilungen aufgeführt. 51 Graphik 2 . Zahl der Abteilungsleiter und Abteilungsleiterinnen an der Pädagogischen Fakultät 1953/54 bis 1967/68 Anzahl 30 20 10 10 3 10 3 16 18 17 18 2 4 3 4 21 20 18 3 4 6 10 3 21 20 5 5 33 36 24 8 5 7 0 195 8 7 4 6 3 5 2 1 0 9 8 7 4 6 5 3/5 54/5 55/5 56/5 57/5 58/5 59/6 60/6 61/6 62/6 63/6 64/6 65/6 66/6 67/6 Jahr 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 19 Zahl der Abteilungsleiter Zahl der Abteilungsleiterinnen In den 1950er und 1960er Jahren expandierte die Zahl der Abteilungen an der Pädagogischen Fakultät sehr stark. In dieser Zeit verdoppelte sich die Anzahl der Leiterinnen, die der Leiter verdreifachte sich. Zwischen 1953 und 1967 agierten 65 Männer und 16 Frauen als Abteilungsleiter bzw. Abteilungsleiterin. An 4 Instituten der Fakultät arbeiteten Frauen als Abteilungsleiterinnen.119 Die Professorinnen an der Fakultät gelangten – im Unterschied zu den Männern – nicht bis in die Leitungsspitze, weder als Prodekanin oder Dekanin, noch als Institutsleiterin (seit Ende der 1950er Jahre). Allerdings wurden die ersten Professorinnen, die Nachkriegsprofessorinnen ausgenommen, ohnehin erst Mitte der 1960er Jahre berufen. An der neugegründeten Sektion Pädagogik verteilten sich Frauen und Männer wie folgt auf die Leitungspositionen: Sektionsdirektor:120 1 Mann, Stellvertreter: 2 Männer, Leiter der Wissenschaftsbereiche (ähnlich der Abteilungen): 3 Frauen und 10 Männer121 bzw. zwischen 1968 und 1975: 4 Frauen und 16 Männer.122 Damit agierten Frauen auch an der Sektion vorwiegend auf der untersten Leitungsebene. Festzustellen ist: Auf den Leitungsebenen konnte – weder an der Fakultät noch an der 119 Eigene Erhebung auf der Basis der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät der HUB. – Abteilungsleiterinnen arbeiteten an den dem Institut für Sonderschulwesen, an dem Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik (später für Allgemeine Pädagogik), an dem Institut für Unterrichtsmethodik und an dem Institut für Berufspädagogik. 120 Die Leitung der Sektion konnte nur ein Hochschullehrer bzw. eine Hochschullehrerin übernehmen (BArch, DR 3 2. Schicht / 1478, nicht paginiert: Entwurf des Gründungsdokuments (August) 1968). – Zu dem Zeitpunkt stand keine Frau für das Amt zur Verfügung, selbst wenn die Sektion zu der Zeit stark an einer Sektionsdirektorin interessiert gewesen wäre: 1968 schied die einzige Dozentin der Fakultät aus, und die ersten Dozentinnen wurden im September 1968 an der Sektion eingesetzt. Die Professorinnen der Fakultät wechselten an eine andere Sektion. 121 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Frauenförderbericht vom 22.11.1968. Wissenschaftsbereiche (WB) gehörten zur untersten Ebene der Sektion. Die Leitung eines WB konnte einem Hochschullehrer/ einer Hochschullehrerin aber auch einem wissenschaftlichen Mitarbeiter/ einer Mitarbeiterin übertragen werden (BArch, DR 3 2. Schicht / 1478, nicht paginiert: Entwurf des Gründungsdokuments der Sektion Pädagogik (August) 1968). 2 der neuen WB-Leiterinnen gehörten Ende 1968 noch nicht zum Kreis der Hochschullehrer, gleiches gilt für die Leiterin der Abteilung Fernstudium (vgl. Porträts zu Frau V., Frau L. und Frau B. in Kapitel 6.2 dieser Arbeit). 122 Auszählung anhand der Übersicht zu den WB der Sektion (Horn/Kemnitz/Kos 2002:274f.). 52 Sektion Pädagogik – für den Untersuchungszeitraum ein Karriereschub für Frauen festgestellt werden. Daran änderte offenbar auch die Zielsetzung des Sektionsdirektors 1972 nichts, über die Frauenförderung verstärkt Frauen in Leitungsfunktionen einzusetzen.123 Erst dadurch, daß 1976, also 30 Jahre nach Gründung der Pädagogischen Fakultät, erstmals einer Frau die Sektionsleitung übertragen wurde, veränderte sich das Bild ein wenig. Mit ihrer Ablösung 1983 durch einen Mann war sie faktisch bis 1989 die einzige Direktorin der Sektion (vgl. Horn/Kemnitz/Kos 2002:273). 5.7 Zwischen karriereöffnender Fakultätszeit und kleinem Karriereschub an der Sektion Pädagogik An der Fakultät für Pädagogik bildeten, insbesondere nach Ausscheiden der Nachkriegsprofessorinnen, Frauen als Professorinnen und Dozentinnen eine Minderheit. Auf der Leitungsebene gelangten sie eher bis in die Abteilungen und höchstens in die Funktion der stellvertretenden Institutsdirektorin. Bezüglich der Karriereentwicklung von Frauen kann man die Phase der Pädagogischen Fakultät als die “Zeit der Abteilungsleiterinnen” bezeichnen. Es handelte sich dabei um Karrieren im Kleinen. Gleichwohl kann die Zeit der Pädagogischen Fakultät vor dem Hintergrund der Untersuchungsergebnisse m.E. als “karriereeröffnende” Zeit bewertet werden. “Karriereeröffnend”, weil die Pädagogische Fakultät institutionell und personell sehr stark expandierte, weil Nachkriegsprofessoren schnell abgelöst wurden und – wie an der Zahl der ernannten und berufenen Männer ablesbar – gute Ausgangsbedingungen für eine Hochschullaufbahn bestanden. „Karriereöffnend“ war auch, daß auf der Institutsebene zum Teil eine Binnendifferenzierung erfolgte, die mit neuen Abteilungen und damit neuen Leitungspositionen einherging, und nicht zuletzt, daß die staatlich vorgegebene Frauenförderung das Ziel proklamierte, die Zahl der Frauen als Hochschullehrerinnen und Leiterinnen zu erhöhen, und dementsprechend die geplante Zahl der Habilitationen bei Frauen – im Vergleich zu den 1950er Jahren – anhob.124 Nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund ereignete sich für Frauen nach Gründung der Sektion Pädagogik 1968 ein kleiner Karriereschub. Dieser bezog sich allerdings insbesondere auf Dozentinnen und außerordentliche Professorinnen – nicht auf 123 HU UA, Sektion Pädagogik 2224, nicht paginiert: Frauenförderbericht der Sektion Pädagogik 1972. HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: u.a. Frauenförderpläne vom 12.3.1963 und vom 18.6.1963. 124 53 ordentliche Professorinnen. In den Leitungsebenen blieben Frauen nach wie vor auf der unteren Ebene (Wissenschaftsbereichsleitung). Trotz einer relativ großen Zahl an der Fakultät arbeitender Assistentinnen war die Zahl der aufgestiegenen Frauen gering. Dies erklärt sich offenbar auch daraus, daß in den 1950er Jahren kaum Frauen für die Habilitation eingeplant wurden. Das änderte sich, als die universitäre Frauenförderung eingeleitet wurde, wie etwa am Institut für Systematische Pädagogik, an dem in den 1960er Jahren alle Promovendinnen habilitieren sollten. Obwohl Jessen der Habilitation zu dieser Zeit für eine Hochschullehrerlaufbahn keinen so hohen Stellenwert beimißt wie der SEDMitgliedschaft, deute ich diesen Wandel als eine positive Veränderung, weil man Frauen im Unterschied zu den 1950er Jahren verstärkt berücksichtigte und der Habilitation Mitte der 1960er Jahre offiziell durchaus ein wichtiger Stellenwert eingeräumt wurde.125 Gemessen an der Pädagogischen Fakultät, ist auch das Geschlechterverhältnis bei den Hochschullehrern an der Sektion Pädagogik, positiv zu bewerten. Insbesondere bei den Dozenten hat sich das Verhältnis zugunsten von Frauen verändert. Auf der Ebene der Leitungsfunktionen zeigt sich an der Fakultät angesichts der gestiegenen Zahl von Frauen, die eine Karriere im Kleinen machten, auf der untersten Leitungsebene eine positive Entwicklung. An der Sektion setzte sich dieser Trend nicht fort. Gemessen an den Zielsetzungen in Frauenförderplänen und allgemeinen Perspektivplänen werden Defizite sichtbar, die u. a. in den Plänen und Berichten der Fakultät über Frauenförderung thematisiert wurden.126 An der Pädagogischen Fakultät wurde im Rahmen von Frauenförderung vor allem die Zahl der Frauen erhöht, die sich wissenschaftlich qualifizieren sollten. Das hier postulierte Ziel, bis 1970 die Zahl der Hochschullehrerinnen, vor allem die der Dozentinnen, und Habilitandinnen zu erhöhen, wurde später an der Sektion nur bei den Dozentinnen erreicht, hier allerdings bis 1975 vermutlich sogar deutlich überschritten.127 125 Zum „Kurswert“ der Habilitation und der SED-Mitgliedschaft siehe Kapitel 2 und zum offiziellen Stellenwert der Habilitation an der HUB Mitte der 1960er Jahre Kapitel 5.3 in dieser Arbeit. 126 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: u.a. Pläne/Berichte zur Frauenförderung vom 18.6.1962, von 1965, vom 1.9.1967. 127 Es wurde als Ziel festgelegt, den Frauenanteil bis 1970 bei den Dozenten auf 26% und bei den Professoren auf 12% zu erhöhen (HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Bericht über den Stand der Frauenförderung von Prof. König vom 7.4.1966). Da 1975 bei den Dozenten 6 Frauen und 10 Männer arbeiteten, d.h. ein „Frauenanteil von 37,5 %“, wurde das Ziel deutlich überschritten (siehe zu diesen Daten Kapitel 5.5 dieser Arbeit). 54 Vergleicht man die Karrierefelder von Frauen mit den Instituten, Abteilungen und Wissenschaftsbereichen, in denen Frauen besonders vertreten waren, wird deutlich, daß Frauen eher dort aufstiegen, wo sie relativ zahlreich tätig waren. Karrieren von Frauen ließen sich jedoch auch in Arbeitsbereichen wie Betriebspädagogik und Unterrichtsmethodik nachweisen, in denen im Vergleich zu anderen Arbeitsfeldern der Fakultät oder Sektion relativ wenige Frauen arbeiteten. Im nächsten Kapitel wird anhand einer Gruppe von Hochschullehrerinnen und ihrer universitären Laufbahnen vertieft, welche Chancen und Hindernisse damalige Aufsteigerinnen unter der Berücksichtigung ihres Karrierekontextes hatten. Bei Budde und Jessen wurden primär die Hindernisse für Frauenkarrieren thematisiert. Vor diesem Hintergrund erachte ich es als sinnvoll, die Möglichkeiten und Chancen des Aufstiegs näher zu untersuchen. Insbesondere geht es darum, den Karrierekontext stärker in Beziehung zu den Karrieren von Frauen zu setzen. Die bereits in diesem Kapitel betrachteten leitenden Aspekte des Karrierekontextes, wie Frauenförderung, strukturelle Veränderungen durch die 3. Hochschulreform oder das wissenschaftliche Kapital in Berufungsverfahren, werden dabei weiterverfolgt. 6 Aufstiegsmöglichkeiten und Begrenzungen für die Karrieren von Hochschullehrerinnen in sich wandelnden Rahmenbedingungen In den folgenden Kapiteln werden am Beispiel von 10 Wissenschaftlerinnen Karrieren von Hochschullehrerinnen auf der Basis ihrer Berufungsakten untersucht, insbesondere wurden die darin enthaltenen Lebensläufe, die Gutachten, Berufungsanträge ausgewertet. Auch Ausführungen in den Frauenförderakten werden herangezogen. Die hier vorgestellten Frauen vertraten verschiedene pädagogische Disziplinen. Sie werden nicht namentlich genannt, um der Auflage des Bundesarchivs nach Anonymisierung gerecht zu werden.128 128 Das Archiv der HUB forderte im Unterschied zum Bundesarchiv keine Anonymisierung. Um die Wissenschaftlerinnen einheitlich zu benennen, wurden für alle Frauen der Untersuchungsgruppe anonymisierte Namen eingesetzt. Im Quellenbeleg erscheinen die Namen der zwei Frauen, deren Akten im Archiv der HUB eingesehen wurden, da dort Vor- und Zunahme anzugeben sind. 55 6.1 Beschreibung der Untersuchungsgruppe Die Wissenschaftlerinnen begannen am Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik als Assistentin oder wissenschaftliche Mitarbeiterin, einzelne waren von anderen Instituten zu diesem gekommen. Für das Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik war charakteristisch, daß im Vergleich zu anderen Instituten relativ viele Frauen an diesem Institut arbeiteten und in die Frauenförderungspläne der Fakultät für die Habilitation aufgenommen wurden. Die Frauen wurden zwischen 1908 und 1935 geboren. Sie kamen zumeist aus proletarischen oder kleinbürgerlichen Verhältnissen. Keiner der Frauen wurde durch das Elternhaus die Lebensplanung einer akademischen Laufbahn an der Universität vermittelt. Vielmehr kannten sie von ihren Müttern das traditionelle Hausfrauendasein oder typische Frauenberufe, wie Verkäuferin und Näherin. Die Wissenschaftlerinnen entstammten nicht alle der Arbeiter- und Bauernschicht, die in der DDR besonders gefördert wurde.129 Sie beendeten die Schule unter verschiedenen politischen Verhältnissen, d.h. während der Weimarer Republik, der NS-Zeit und in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg. Mit Volksschulabschluß schlossen 5 Frauen, mit mittlerer Reife 1 und mit Abitur 3 Frauen ab. Eine Frau brach die Schule 1945 ab.130 3 Frauen bauten ihre Abschlüsse aus, indem sie die Sonderreifeprüfung131 oder das Abitur an der ABF132 ablegten. Die Frauen der Untersuchungsgruppe gelangten auf verschiedenen Wegen zum Studium an die Universität, 3 studierten gleich im Anschluß an die Schule, die anderen lernten i.d.R. zuerst einen pädagogischen Beruf und studierten zum Teil während ihrer Berufstätigkeit. Nicht alle arbeiteten oder blieben im erlernten Beruf und waren unterschiedlich lang darin tätig. Die berufstätigen Frauen arbeiteten 2 bis 14 Jahre in ihrem Beruf, bevor sie ihr Studium an der Pädagogischen 129 Die Schicht der Arbeiter und Bauern galt in der DDR als besonders förderungswürdig. Die SED gab das Versprechen, überkommene Bildungsprivilegien auszugleichen (Jessen 1999:383). 130 Sie kommentierte im Personalbogen ihren Schulabbruch mit der Wortgruppe: “ohne Schulabschluß – durch Kriegsfolgen Oberschulbildung 1945 abgebrochen”. Es ist zu vermuten, daß der Schulabbruch mit der Aussiedlung und der familiären Situation in den Nachkriegsjahren zusammenhing (HU UA, Personalakte Ingrid Hunold, Band II, Blatt 5 u. 7). 131 Seit 1952 wurden verstärkt junge Frauen für das Studium geworben. Der Ministerratsbeschluß von 1952 besagte, daß das Kontingent der Studierenden durch 4000 junge Frauen und Männer aufgefüllt werden sollte. Diese sollten ohne Abitur studieren können. Voraussetzung war eine Sonderreifeprüfung, die aus einem politischen und einem fachlichen Teil bestand. Auch für die Pädagogik wollte man Studierende gewinnen (Maul 2002b:278). 132 Vorstudienanstalten, später Arbeiter- und Bauernfakultäten (ABF) genannt, wurden nach dem 2. Weltkrieg an Universitäten eingerichtet, um die soziale Öffnung der Universitäten zu realisieren. Dort konnte die Hochschulreife erworben werden. Insbesondere Kinder von Arbeitern und Bauern wurden von den Auswahlkommissionen an die ABF delegiert (Herbst/Ranke/Winkler 1994:73f.). 56 Fakultät aufnahmen. Mehrere Frauen wurden zum Studium an die HUB delegiert. Die Vertreterinnen der Didaktik, Methodik und Vorschulpädagogik waren in verschiedenen Ämtern, die mit einem Aufstieg verbunden waren, ehe sie in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zum Pädagogikstudium an die HUB delegiert wurden. Zu jener Zeit rückten außerwissenschaftliche Berufungskriterien in den Vordergrund, unter anderem die Bewährung in der außeruniversitären Praxis (Jessen 1999:99). Die o.g. 3 Frauen dürften als in der außeruniversitären Praxis Bewährte gegolten haben, als man sie Ende der 1950er Jahre an die Fakultät delegierte. Die Frauen der Untersuchungsgruppe studierten zwischen 1948 bis 1961 an der HUB und schlossen ihr Studium überwiegend mit „sehr gut“ ab. (Die zum Vergleich herangezogenen 7 Hochschullehrer hatten im Unterschied zu ihren Kolleginnen nicht nur sehr gute und gute Studienabschlüsse aufzuweisen. 2 von ihnen bestanden mit befriedigend bzw. genügend.133) Man stellte sie zwischen 1952 und 1963 als Assistentin oder wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Fakultät ein. Folglich nahmen sie ihre Arbeit unter verschiedenen institutionellen Rahmenbedingungen auf. Die einen wurden kurz nach der 2. Hochschulreform und vor dem Ausbau des Instituts eingestellt, andere fingen in der Expansionsphase des Institutes an. Als an der HUB die Frauenförderung eingeleitet wurde, arbeiteten die Frauen mit einer Ausnahme bereits am Institut. In der Mehrheit wurden sie zwischen 1968 und 1976 zur Dozentin bzw. zur Professorin berufen, d.h. nach der 3. Hochschulreform und der damit einhergehenden Umstrukturierung sowie zu einer Zeit, da verstärkt auf Arbeiter- und Bauernförderung und auch Frauenförderung orientiert wurde. Von ihrer Einstellung an der Fakultät bis zur höchsten erreichten Position vergingen bei den einzelnen Frauen zwischen 8 und 28 Jahre. Die Mitgliedschaft in Partei und Organisationen nahmen die Frauen zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichem Umfang auf. Der SED und dem FDGB traten alle bei. Zwei Frauen waren ledig und hatten keine Kinder. Die anderen heirateten und brachten zwischen ein und vier Kinder zur Welt, meist während des Studiums und/oder der Assistenzzeit. Sie mußten also Familie und wissenschaftliche Tätigkeit miteinander vereinbaren. 133 BArch, DR 3 / B 13216, Blatt 20 und BArch, DR 3 / B 349, Blatt 10. 57 Um die Karrieren der Frauen der Untersuchungsgruppe besser einschätzen zu können, werden in dieser Arbeit die Karrieren einiger Hochschullehrer als Hintergrundfolie hinzugezogen.134 6.2 Universitäre Laufbahnen ausgewählter Hochschullehrerinnen in Kurzporträts Die Frauen der Untersuchungsgruppe werden im folgenden in kurzen Porträts vorgestellt. Die Reihenfolge richtet sich nach dem Zeitpunkt, zu dem sie mit ihrer Arbeit als Assistentin oder wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Fakultät begonnen haben. Frau S.: Dozentin für Geschichte der Pädagogik Frau S. wurde 1908 als Tochter eines Pfarrers und seiner Frau, die keinen Beruf erlernt hatte, geboren. Sie studierte nach dem Abitur, Ende der 1920er Jahre, in Sachsen Lehramt, trat 1932 der KPD bei und wurde nach drei Jahren Schuldienst 1933 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassen.135 Während der NS-Zeit arbeitete sie als Textilarbeiterin in verschiedenen Betrieben und war von 1936 bis 1945 nicht berufstätig. Nachdem sie in den Nachkriegsjahren in verschiedenen Bereichen der Bildung gearbeitet hatte136 und die Abteilung der Pädagogischen Hochschule Berlin aufgelöst wurde, an der sie als Honorarprofessorin lehrte, wurde sie 1952 Assistentin bei Prof. Robert Alt in der Abteilung Geschichte der Pädagogik. Seit 1947 versuchte sie in einer Aspirantur parallel zur Vollerwerbstätigkeit zu promovieren, 134 Die Professoren vertraten Erziehungstheorie, Didaktik, Betriebspädagogik, Geschichte der Pädagogik sowie Allgemeine Pädagogik und die Dozenten Vergleichende Pädagogik und Hochschulpädagogik. Ihre Ernennung bzw. Berufung erfolgte zwischen 1959 und 1974. Bis zur höchsten von ihnen erreichten Position benötigten die Professoren zwischen 11 und 18 Jahren, die Dozenten 16 und 23 Jahre. Sie leiteten alle eine Abteilung bzw. einen Wissenschaftsbereich. Einer der Professoren wurde Sektionsdirektor und später Rektor der HUB. Bis auf einen Wissenschaftler gehörten alle der SED an. (Zusammenstellung anhand: BArch, DR 3 / B 6983, BArch, DR 3 / B 11079, BArch, DR 3 / B 6938, BArch, DR 3 / B 13216, BArch, DR 3 / B 349, BArch, DR 3 / B 6968, BArch, DR 3 / B 446). 135 Mit diesem Gesetz vom 7.4.1933 wurden politische Gegner, potentielle „Staatsfeinde“ sowie Frauen und Männer, die nach NS-Definition „nicht arisch“ waren, aus Beamtenstellen und allen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes entlassen (Vogt/Walther 2003:110). 136 1945 bis 1946 Referentin für Kultur und Erziehung bei der Bezirksleitung der KPD in Sachsen, 1947 Assistentin und 1947 bis 1949 Lehrerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Parteihochschule Karl Marx, 1949 Hauptreferentin in der Abteilung Kultur und Erziehung der SED im Zentralsekretariat, 1950 bis 1951 Ober- und Hauptreferentin für Geschichte der Pädagogik beim DPZI, 1951 bis 1952 Honorarprofessorin (HU UA, Personalakte Sigrid Schwarz, Band I, Blatt 3f.). 58 jedoch ohne Erfolg. Sie wechselte mehrfach das Thema.137 Frau S. war zu der Zeit alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. In ihrem Lebenslauf schreibt sie, daß sie Ende der 1940er Jahre dem Ruf der Universität Greifswald nicht folgte, sondern „der Parteidisziplin entsprechend“ abgelehnt und promoviert habe.138 1956 wurde ihr die Leitung der neu errichteten Abteilung Fernstudium der Pädagogischen Fakultät übertragen. Im Jahr darauf beauftragte man sie nach dem Abschluß ihrer Dissertation mit der Wahrnehmung einer Dozentur für Geschichte der Pädagogik. Für dieses Fachgebiet wurde sie 1960 ernannt. Frau S. leitete die Abteilung Fernstudium, bis sie 1968 in Ruhestand versetzt wurde. Sie übernahm eine Reihe gesellschaftlich-politischer Funktionen.139 Frau W.: Außerordentliche Professorin für Familienpädagogik Ebenfalls 1952 wurde Frau W. als Assistentin eingestellt, in der Abteilung für Systematische Pädagogik. Sie wurde 1929 geboren, stammte aus einem Ingenieurshaushalt und nahm ihr Lehramtsstudium nach dem Abitur auf. Während des Studiums arbeitete sie bereits als Hilfsassistentin. Frau W. promovierte 1957 über ein Thema zur Familienerziehung. Vier Jahre später – zu der Zeit Mutter von vier Kindern – reichte sie ihr Habilitationsthema ein. Seit 1960 war Frau W. mit der Wahrnehmung einer Dozentur für Systematische Pädagogik mit dem Schwerpunkt Familienpädagogik beauftragt und gleichzeitig stellvertretende Vorsitzende des Bundesvorstandes des DFD. Während der 1960er Jahre wurde sie im Vergleich zu anderen Frauen der Untersuchungsgruppe durch relativ viele Aufgaben beansprucht: Sie arbeitete in der ersten Hälfte der 1960er Jahre in Kommissionen zum neuen Bildungsgesetz und zum neuen Familiengesetz mit. Seit 1963 leitete Frau W. die Forschungsgemeinschaft „Sozialistische Familienerziehung“. Sie führte die 1964 anläßlich der Institutsreorganisation neu gegründete Abteilung Familienpädagogik bis 1970. In den 1960er und 1970er Jahren nahm Frau W. an verschiedenen Kongressen und Tagungen teil, fuhr zu Dienstreisen ins sozialistische und kapitalistische Ausland. Ihre Berufung 137 Das erste Thema lautete Ende der 1940er Jahre „Das Erziehungsziel und die Unterrichtsmethode Gaudigs“ und sollte ein Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Reformpädagogik sein, das zweite „Über die Erziehung zum demokratischen Patriotismus“ (um 1952), für das Stalins Schriften für Pädagogik ausgewertet werden sollten, wurde nach der II. Parteikonferenz der SED modifiziert zu „Über die Erziehung zum Patriotismus in der Periode des Aufbaus des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik“. Der Titel ihrer eingereichten Dissertation war schließlich „Die Liebe zur Heimat als wesentliches Ziel unserer patriotischen Erziehung“. 138 Sie war zu dieser Zeit Assistentin an der Parteihochschule und wurde von der Parteihochschule nicht freigestellt (HU UA, Personalakte Sigrid Schwarz, Band II, Blatt 21). 139 HU UA, Personalakte Sigrid Schwarz. 59 zur Dozentin erfolgte 1968 und ihre Berufung zur außerordentlichen Professorin 1974. In ihrer politischen Tätigkeit war sie zudem Mitglied der SED-Kreisleitung Berlin. Frau W. wurde 1990 in den Ruhestand versetzt.140 Frau L.: Dozentin für Grundlagen der Pädagogik Frau L. wurde 1930 als Tochter eines Arbeiters und einer Verkäuferin geboren. Nach dem 2. Weltkrieg legte sie die mittlere Reife ab und holte kurz darauf an einer ABF das Abitur nach.141 Frau L. begann nach ihrem Lehramtsstudium 1954 an der Pädagogischen Fakultät als Assistentin. Zuerst wurde sie im Gesellschaftswissenschaftlichen Grundstudium eingesetzt. Ab 1957 arbeitete Frau L. in der Abteilung Geschichte der Pädagogik. Dort promovierte sie 1963 über „Erziehung zur Frontstadtideologie in den Westberliner Schulen“. Zu der Zeit hatte Frau L. bereits zwei Kinder. Danach wurde sie in der Praxis eingesetzt und arbeitete zwei Jahre als Schulinspektorin. Ab 1965 gehörte Frau L. zu den Habilitationsaspirantinnen. 1969 übernahm sie die Leitung der Abteilung Fernstudium. Zwei Jahre später wurde Frau L. zur Dozentin für Grundlagen der Pädagogik berufen. Nach ihrer Berufung zur Dozentin wurde ihr der Titel Dr. sc. verliehen.142 Sie wurde 1972 umberufen und arbeitete von da an bis 1988 an der APW als Dozentin für Geschichte der Pädagogik.143 In der SED und der Gewerkschaft übte Frau L. verschiedene Funktionen aus.144 Frau K.: Dozentin für Vorschulpädagogik Frau K. wurde als Tochter eines Arbeiterehepaares 1927 geboren. Sie holte ihr Abitur an der ABF nach und studierte anschließend an der Pädagogischen Fakultät Lehramt. Ab 1954 arbeitete Frau K. in der Abteilung Geschichte der Pädagogik bei Prof. Alt als 140 BArch, DR 3 / B 6951. Frau L. wollte laut ihrem Lebenslauf von 1970 Lehrerin werden, wurde aber nicht in den Neulehrerkurs aufgenommen, für den sie sich beworben hatte, weil sie zu jung war. Daraufhin absolvierte Frau L. ein Praktikum, um sich auf den Beruf der Kindergärtnerin vorzubereiten. Während des Praktikums hörte sie von den Vorstudieneinrichtungen, an denen „Arbeiterkinder die Möglichkeit hatten das Abitur nachzuholen“ und bewarb sich dort. Sie zog von West- nach Ostberlin, nachdem sie sich an der Vorstudienanstalt in Berlin eingeschrieben hatte. Anschließend studierte Frau L. an der Pädagogischen Fakultät (BArch, DR 3 / B 12118, Blatt 7). 142 Mit der neuen HBVO (1968) trat an die Stelle der Habilitation die Dissertation B. Nach dem erfolgreich verlaufenen Verfahren wurde der Doktor der Wissenschaften verliehen, kurz Dr. sc. (Gesetzesblatt der DDR, Berlin 1968, Teil II, Nr. 127, S. 1023f.). 143 In den Akten wurde der Vorgang, eine Dozentin (oder Professorin) an einer anderen wissenschaftlichen Einrichtung einzustellen, als Umberufung bezeichnet, oder wenn eine Dozentin für ein anderes Lehrgebiet eingesetzt wurde. Der Wechsel wurde von der Sektion Pädagogik beim MHF beantragt. 144 BArch, DR 3 / B 12118. 141 60 Assistentin. Sie wechselte 1960 zur Abteilung Fachpädagogik, die seit Ende der 1950er Jahre besonders ausgebaut wurde. Ihre Promotion schloß Frau K. 1962 zu einem Thema der Vorschulerziehung ab. Damals war sie bereits Mutter von zwei Kindern. Frau K. leitete die 1964 neu eingerichtete Abteilung Vorschulpädagogik bis 1969. Zur Dozentin wurde sie 1970 berufen. Ab 1976 leitete Frau K. den gleichnamigen Wissenschaftsbereich. Sie war in Parteigremien und in der Gewerkschaft aktiv. 1987 wurde Frau K. in Ruhestand versetzt.145 Frau H.: Dozentin für Hochschulpädagogik Frau H. wurde 1932 als Tochter eines selbständigen Kaufmanns geboren. 1945 brach ihre Schulausbildung ab und sie nahm einige Jahre später eine Ausbildung zur Kindergärtnerin auf. Später arbeitete Frau H. als Lehrerin an einer Pädagogischen Schule für Kindergärtnerinnen. 1957 begann sie als Assistentin in der Abteilung Geschichte der Pädagogik. Frau H. promovierte 1963 und habilitierte sich 1969. Beides erfolgte im Rahmen der Forschungsprojekte von Prof. Robert Alt zur Schulentwicklung nach 1945 in Deutschland bzw. zur Geschichte der sozialistischen Arbeitserziehung in Deutschland. Bis 1963 war sie u. a. als Stadtverordnete und als Vorsitzende der ständigen Kommission Jugendfragen und Sport tätig. Während ihrer Assistenz gründete Frau H. eine Familie und bekam drei Kinder. Ab 1969 arbeitete sie sechs Jahre als Hauptreferentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ministerium für Volksbildung (MfV). Während dieser Zeit berief das MHF Frau H. anläßlich des 25. Jahrestages des „Gesetzes zur Demokratisierung der deutschen Schule“ zur Honorardozentin für Grundlagen der Pädagogik.146 1975 wurde sie zur Dozentin für Hochschulpädagogik umberufen. Frau H. übte verschiedene politische Funktionen aus, u. a. als SEDKreisleitungsmitglied und in der Frauenkommission.147 Frau A.: Dozentin für Betriebspädagogik Die Tochter eines Arbeiters, geboren 1935, wurde 1957 am Institut für Berufspädagogik der Pädagogischen Fakultät als Assistentin eingestellt, nachdem sie die Sonderreifeprüfung und ihre Ausbildung zum Diplomhandelslehrer an der Fakultät 145 BArch, DR 3 / B 11977. Honorardozenten zählten an den Universitäten der DDR zu den nebenamtlichen Hochschullehrern. Als Honorardozenten konnten „hervorragende Vertreter der Praxis oder der Wissenschaft berufen werden, die den an die ordentlichen […] Hochschuldozenten gestellten Anforderungen entsprechen“. Sie gehörten nicht zu den Angehörigen der Hochschule (Gesetzesblatt der DDR, Berlin 1968, Teil II, Nr. 127, S. 998). 147 HU UA, Personalakte Ingrid Hunold, Band I u. II. 146 61 abgeschlossen hatte. Sie promovierte 1963 zu einem Thema der Berufsbildung. Im Jahr darauf wechselte Frau A. zum Institut für Allgemeine Pädagogik, wo ihr die Leitung der neu eingerichteten Abteilung Betriebspädagogik übertragen wurde. Während ihrer Assistenz bekam sie zwei Kinder. In den 1960er Jahren gehörte Frau A. kurze Zeit der Hochschulgewerkschaftsleitung an. Als sie 1966 in die Habilitationsaspirantur aufgenommen wurde, übernahm ein Kollege die Abteilungsleitung. Frau A. leitete von da an die Forschungsgruppe des Bereichs Betriebspädagogik. Durch die Umstrukturierungen anläßlich der 3. Hochschulreform wurde die Abteilung an die Sektion für Ökonomische Kybernetik und Operationsforschung verlegt. Dort wurde Frau A. 1969 zur Dozentin für Betriebspädagogik berufen. Kurze Zeit später sollte an der Sektion ein Zentrum für Berufs- und Betriebspädagogik errichtet werden. Man integrierte die Betriebspädagogik in die Sektion Pädagogik. Dort schloß Frau A. ihre Dissertation B ab und arbeitete bis zu ihrem Vorruhestand 1990 (mit 55 Jahren) als Dozentin.148 Frau P.: Ordentliche Professorin für Pädagogische Psychologie Frau P. wurde 1934 als Tochter eines technischen Kaufmanns und einer Näherin geboren. Gleich nach dem Abitur studierte sie an der HUB Psychologie. Zuerst arbeitete sie als Assistentin am Institut für Psychologie der Mathematisch- Naturwissenschaftlichen Fakultät. 1958 wechselte Frau P. zur Pädagogischen Fakultät in die Abteilung Pädagogische Psychologie. Nach dem Fakultätswechsel wurde sie als Oberassistentin eingestellt. Als diese Abteilung 1961 in ein eigenes Institut umgewandelt wurde, übernahm Frau P. die Geschäftsführung des Instituts. Sie schloß ihre Promotion 1966 zu einem lernpsychologischen Thema ab. Während des Studiums und der (Ober-)Assistenz bekam Frau P. drei Kinder. Sie wurde 1971 zur Dozentin für Pädagogische Psychologie berufen. 1983 schloß Frau P. ihre Dissertation B ab. Zwei Jahre später erfolgte die Berufung als ordentliche Professorin.149 Im gleichen Jahr übertrug man ihr die Leitung des Wissenschaftsbereichs Pädagogische Psychologie. Zunächst übernahm Frau P. in den 1960er Jahren im Rahmen ihrer gesellschaftlichpolitischen Arbeit Aufgaben in der Gewerkschaft und im Wohngebiet. Später kamen Parteifunktionen in der SED und ihre Tätigkeit als Vorsitzende des Sektionsvorstandes 148 BArch, DR 3 / B 6970. Vor ihrer Berufung an der HUB nahm sie den Ruf der TH Magdeburg nicht an (BArch, DR 3 / B 6967, Blatt 42). 149 62 Pädagogische Psychologie hinzu.150 Frau P. wurde 1990 (mit 56 Jahren) in Vorruhestand versetzt.151 Frau V.: Ordentliche Professorin für Vorschulpädagogik Frau V. war die Tochter eines Weichenstellers und einer Näherin. Sie wurde 1924 geboren. Nach der Volksschule schloß sie noch vor Beginn des 2. Weltkriegs eine Haushaltungs- und Gewerbefachschule ab und arbeitete nach dem Krieg als Kindergärtnerin. Nach langjähriger Berufstätigkeit im pädagogischen Bereich und im Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts (DPZI)152 – zum Teil in leitender Funktion – und nach erworbenem Diplom in Pädagogik wurde sie 1959 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der im Ausbau befindlichen Abteilung Fachpädagogik eingestellt.153 Frau V. wurde 1962 zum Studium nach Moskau delegiert, wo sie 1966 im Rahmen der Vorschulpädagogik promovierte. Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie als Oberassistentin in der Abteilung Vorschulpädagogik. 1969 übertrug man ihr die Leitung des Wissenschaftsbereiches Vorschulpädagogik. 1971 wurde sie zur Dozentin berufen. Fünf Jahre später wurde Frau V. an die APW umberufen. Dort übernahm sie die Arbeitsstelle Vorschulische Erziehung und wurde 1978 zur ordentlichen Professorin berufen. Frau V. übernahm verschiedene Funktionen in der Parteiorganisation der SED und in der Gewerkschaft. Sie war u. a. in der Frauenkommission an der Sektion Pädagogik. Frau V. wurde 1984 emeritiert.154 Frau B.: Außerordentliche Professorin für Didaktik Als Tochter eines Weichenstellers und einer Hausfrau 1924 geboren, besuchte Frau B. die Volksschule und absolvierte in der NS-Zeit eine Lehre als Kaufmannsgehilfin. Nach 1945 wurde sie Neulehrerin an einer Grundschule und für kurze Zeit Schuldirektorin. In den 1950er Jahren arbeitete Frau B. – zum Teil in leitender Funktion – im MfV. 150 Es handelte sich dabei um ein Leitungsgremium der Gesellschaft für Psychologie (der DDR). BArch, DR 3 / B 6967. 152 Am 10.3.1947 ordnete der Präsident der Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung an, die Gründung eines zentralen pädagogischen Forschungsinstituts vorzubereiten, das sich der systematischen Entwicklung, Koordination und Förderung der wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet der Pädagogik widmen sollte. Die Arbeit des 1949 eröffneten Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts (DPZI) konzentrierte sich auf Schulpädagogik, Lehrplanarbeit und Lehrerbildung. Das DPZI unterstand dem MfV. Es wurde 1970 in die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften umgewandelt (Geißler/Wiegmann 1995:286). 153 1956 wurde an der Pädagogischen Fakultät ein Diplomstudiengang Pädagogik eingerichtet (Wiegmann 2002:269). In diesem Studiengang bildete die Fakultät Lehrkräfte für die Institute für Lehrerbildung, die Pädagogischen Schulen für Kindergärtnerinnen und die Ausbildungseinrichtungen für Pionierleiter sowie „Schulfunktionäre“ aus (Berthold 1960:168). 154 BArch, DR 3 / B 12165. 151 63 Nachdem Ende der 1950er Jahre die Fakultät dazu angehalten wurde, verstärkt an den Problemen der pädagogischen Praxis zu arbeiten, nahm Frau B. dort ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Systematische Pädagogik auf, obwohl sie selbst im Fernstudium erst noch auf ihr Diplom hinarbeitete. Frau B. schloß ihr Studium 1962 ab. Drei Jahre später beendete sie ihre Promotion zu Leistungsvergleichen von Schülern der Unterstufe. Danach arbeitete Frau B. bis 1967 als Direktorin an einer Schule. Sie kehrte an die Fakultät zurück und wurde Habilitationsaspirantin. 1969 wurde ihr die Leitung des Wissenschaftsbereiches Didaktik übertragen. Als Dozentin für Didaktik wurde Frau B. 1970 berufen und sechs Jahre später zur außerordentlichen Professorin berufen. Sie leitete den Bereich bis zu ihrer Versetzung in den Ruhestand 1985. Danach arbeitete Frau B. weiter auf Honorarbasis an der Sektion. Ihre gesellschaftlich-politische Arbeit leistete sie in der SED, in der sie verschiedene Funktionen ausübte.155 Frau M.: Ordentliche Professorin für Erziehungstheorie Frau M. wurde 1929 geboren. Ihr Vater arbeitete als Telegraphenbauer, während ihre Mutter Hausfrau war. Nach der Volksschule begann sie während des 2. Weltkrieges ihre Ausbildung an einer Lehrerinnenbildungsanstalt und arbeitete nach 1945 als Neulehrerin und später als Direktorin an einer Grundschule. Anschließend wurde sie Schulrätin und später Lehrerin und stellvertretende Direktorin für Studienangelegenheiten an einem Institut für Lehrerbildung. An der Pädagogischen Hochschule qualifizierte sie sich im Fernstudium zu dieser Zeit weiter. Frau M. wurde 1961 an der Pädagogischen Fakultät Aspirantin, nachdem sie lange Jahre in verschiedenen Bereichen der Volkbildung lehrend, zum Teil leitend, tätig war und an die Fakultät delegiert wurde, um ihr Diplom in Pädagogik zu erwerben. Zu jener Zeit war sie Mutter eines Kindes. 1963 promovierte sie über die Entwicklung des sprachlichen Ausdrucks. Im gleichen Jahr wurde Frau M. als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Fachpädagogik eingestellt, in der mehrere Frauen für die Laufbahn als Hochschullehrerin vorgesehen waren. Im Jahr darauf übernahm sie die Abteilungsleitung. 1967 wurde Frau M. stellvertretende Direktorin des Instituts für Allgemeine Pädagogik. In den 1960er Jahren agierte sie neben ihrer universitären Tätigkeit als Stadtbezirksabgeordnete und Stadtverordnete sowie als Vorsitzende der ständigen Kommission Volksbildung. Frau M. wurde 1968 Dozentin für Methodik der 155 BArch, DR 3 / B 10475. 64 Unterstufe Deutsch. 1970 berief man sie als korrespondierendes Mitglied an die APW. Frau M. schloß 1972 ihre Dissertation B ab und wurde im gleichen Jahr zur ordentlichen Professorin für Erziehungstheorie berufen. Das Amt der Sektionsdirektorin übte sie von 1976 bis 1983 aus. In der SED übernahm Frau M. verschiedene Funktionen. Sie wurde 1989 emeritiert.156 6.3 Frauenförderung – Impulse versus Erfolgsquote Wie in Kapitel 5 deutlich wurde, haben die institutionellen Rahmenbedingungen einerseits bis zu einem gewissen Grad Karrieremöglichkeiten für Frauen eröffnet und andererseits begrenzt. Anhand der präsentierten Zahlen ließ sich zeigen, daß für Wissenschaftlerinnen an der Fakultät ein kleiner Karriereschub zur Abteilungsleiterin und an der Sektion zur Dozentin zu verzeichnen war. Entlang der Aspekte Frauenförderung, Habilitation, SED-Mitgliedschaft und gesellschaftlich-politische Tätigkeit sowie institutionelle Neuerungen werden im folgenden die Chancen und Grenzen für Frauenkarrieren anhand der Untersuchungsgruppe der 10 vorgestellten Hochschullehrerinnen genauer untersucht. Bei meiner Aktenrecherche im Universitätsarchiv stellte ich fest, daß seit 1961 an der Pädagogischen Fakultät Frauenförderpläne erstellt und etwas später auch Berichte über den Stand der Frauenförderung an der Fakultät verfaßt worden waren. Im ersten Frauenförderplan der Pädagogischen Fakultät wurden vor allem Maßnahmen genannt, die dazu dienen sollten, daß Frauen des wissenschaftlichen Personals ihre Dissertationen fertigstellen.157 Am 7.2.1962 wurden Grundsätze für die Erarbeitung von Frauenförderplänen an alle Institute der HUB geschickt. Sie besagten, daß im Frauenförderplan die fachliche und die politische Qualifizierung sowie die „materielle Entlastung“ (z. B. in Form von zu schaffenden Kinderkrippenplätzen) festgehalten werden sollten. Das Ziel lautete, eine Einheit aus fachlicher und politischer Qualifizierung herzustellen. Dazu sollten Frauen marxistisch-leninistisch gebildet, schrittweise an gesellschaftliche Funktionen herangeführt und zum Besuch von Veranstaltungen zur kulturellen und ideologischen Erziehung veranlaßt werden. Im Frauenförderplan der Pädagogischen Fakultät vom 12.3.1963 wurde das Ziel formuliert, Frauen stärker in verantwortliche wissenschaftliche Tätigkeiten zu integrieren. In einem 156 157 BArch, DR 3 / B 12326. HU UA, Pädagogische Fakultät 679, nicht paginiert: Frauenförderplan 1961/62. 65 späteren Plan (vom 26.11.1964) legte man die Habilitation von Frauen als Schwerpunkt fest.158 In der bereits erwähnten Hauszeitung der Humboldt-Universität hieß es ausdrücklich, daß der wissenschaftliche Nachwuchs sich habilitieren und der Frauenanteil steigen soll.159 Bis auf Frau S. waren alle Frauen der Untersuchungsgruppe zu jener Zeit dabei, sich wissenschaftlich zu qualifizieren160, als an der HUB Frauen offiziell gefördert werden sollten. Die Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe wurden mit einer Ausnahme (Frau S.) in die Frauenförderpläne aufgenommen. Folglich wurden ihre Karrieren durch die Frauenförderung begleitet. Ausgehend von den Akten zur Frauenförderung an der Pädagogischen Fakultät und den dortigen Ausführungen zu den Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe ist festzustellen, daß in der Frauenförderung an der Pädagogischen Fakultät entgegen der für die gesamte HUB ausgegebenen Grundsätze hauptsächlich auf die wissenschaftliche Qualifizierung der Frauen eingegangen wurde, während über die politische Qualifizierung in den Akten keine Angaben gemacht wurden. Für die Frauen der Untersuchungsgruppe wurden in den Frauenförderplänen Maßnahmen fixiert, die sie beim Abfassen ihrer Dissertationen oder Habilitationen unterstützen sollten. Im Frauenförderplan von 1961 ist z. B. zu lesen, daß Frau H. für ein Jahr freizustellen sei, um in dieser Zeit zu promovieren. Auch Frau B. sollte „die größtmögliche Unterstützung zum erfolgreichen Abschluß ihres Fernstudiums“ in Form von Freistellung oder Entlastung von der Arbeit in ihrer Abteilung erhalten. Für Frau W. wurde im Frauenförderplan von 1961 anläßlich ihrer Habilitation u. a. festgelegt, daß sie von gesellschaftlicher Arbeit zu entbinden sei, die über ihre Tätigkeit im DFD hinausging.161 Wie der Bericht von Frau W. zum Stand der Arbeit an der Habilitationsschrift aus dem Jahr 1965 zeigt, wurde dies nicht konsequent durchgesetzt: Für die Nichteinhaltung des von mir selbst festgelegten Termins: Dezember 1964 sehe ich vor allem drei Ursachen: a) Vielseitige Tätigkeit in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, die zum Teil zur Zersplitterung meiner Kräfte geführt hat b) Belastungen, die auf Grund meiner familiären Verhältnisse entstanden sind 158 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Frauenförderpläne vom 12.3.1963 u. 26.11.1964. 159 Humboldt-Universität, Nr. 25 (1964-10-12), S. 4. 160 Die Frau S. und Frau W. hatten vor dem offiziellen Beginn der Frauenförderung an den Universitäten der DDR promoviert. Darüberhinaus wurden wahrscheinlich einige Promotionen vor dem offiziellen Start der Frauenförderung an der HUB von Frauen der Untersuchungsgruppe begonnen, so daß diese nicht im Rahmen der Frauenförderung für die Dissertation gewonnen wurden. 161 HU UA, Pädagogische Fakultät 679, nicht paginiert: Frauenförderplan 1961/62. 66 c) Gesundheitliche Insuffizienz162 An der Aufzählung der Gründe für den Zeitverzug beim Erstellen der Habilitationsschrift fällt auf, daß Frau W. den Umfang ihrer gesellschaftlichen Arbeit an erster Stelle erwähnt, die familiäre Belastung hingegen an zweiter Stelle steht. Sie führt im folgenden sechs verschiedene Funktionen auf, die sie zu dieser Zeit ausübte, unter anderem die Leitung der Arbeitsgruppe „Sozialistische Familienerziehung“ und ihre Arbeit in der staatlichen Kommission für das einheitliche sozialistische Bildungssystem. An dieser Aufstellung zur gesellschaftlichen Tätigkeit läßt sich ablesen, daß Frau W. nicht in der Weise entlastet wurde, wie dies vier Jahre zuvor im Frauenförderplan festgelegt wurde. Sie schlägt deshalb erneut vor, insbesondere von gesellschaftlichen Aufgaben entlastet zu werden: Unter den Gesamtanforderungen der unter 6. genannten Bedingungen wird der Abschluß der Arbeit nicht möglich sein. Da die unter b und c genannten Hemmnisse nur wenig zu verändern sind, kommt es meiner Ansicht darauf an, für eine begrenzte Zeit alle Tätigkeiten, die neben einer knapp bemessenen Arbeit in der Fakultät zu leisten sind, zurückzustellen. […] Im Interesse des Abschlusses der Habilitation bitte ich jedoch, mich darin zu unterstützen, daß die jeweiligen Institutionen mich zeitweilig beurlauben. Damit bat sie letztlich um jene Entlastung, die ihr 1961 im Frauenförderplan zugesichert wurde. Daß Frau W. ihre Habilitation nicht abschließen konnte, ist ihrer Berufungsakte ist zu entnehmen, da sie ohne den akademischen Titel Dr. sc. in Ruhestand versetzt wurde. 163 An diesem Beispiel wird deutlich, daß im Frauenförderplan zwar Festlegungen, die Wissenschaftlerinnen bei ihrer Qualifizierung helfen sollten, formuliert, aber in der Praxis letztlich nicht unbedingt realisiert wurden, was sich nachteilig auf das Ziel, verstärkt Frauen zur Habilitation zu führen, auswirkte. In anderen Fällen (Frau B., Frau P., Frau M., Frau A.) fanden sich in den Frauenförderplänen 1964 und 1967 keine speziellen Maßnahmen, mit denen diese Wissenschaftlerinnen zu fördern wären, obwohl sie als besonders zu fördernde Frauen aufgeführt wurden.164 In dem Beispiel von Frau W. klingt ein weiteres Problem an: Sie war auch durch die familiäre Belastung in der Arbeit an der Habilitation stark eingeschränkt. Auch andere 162 HU UA, Pädagogische Fakultät 1152, nicht paginiert: Bericht über den Stand der Arbeit an der Habilitationsschrift vom 5.7.1965. Auch das folgende Zitat wurde dem Bericht entnommen. Der Bericht befindet sich im Anhang dieser Arbeit (Dokument 2). 163 BArch, DR 3 / B 6951, Blatt 91. 164 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Frauenförderplan vom 26.11.1964 und Frauenförderbericht vom 1.9.1967. 67 Frauen der Untersuchungsgruppe hatten ihre wissenschaftliche Qualifikation als Mütter mehrerer Kinder zu bewältigen: 7 Frauen der Untersuchungsgruppe, die mit der Habilitation in den Frauenförderplan aufgenommen wurden, hatten zu der Zeit bis zu 4 Kinder zu versorgen. Das zeigt, daß an der Pädagogischen Fakultät Frauen unabhängig von Zahl und Alter ihrer Kinder für die wissenschaftliche Qualifikation und die Hochschullehrerlaufbahn berücksichtigt wurden. Ein Fakt, der Jessen z.T. widerspricht, der Vorbehalte und Widerstände bei der Umsetzung von Frauenförderung benennt, „deren Spannbreite von diffusem Antifeminismus über unreflektierte Zuschreibungen geschlechtsspezifischer Rollenmuster bis zu offensichtlichen Ausgrenzungs- und Marginalisierungsstrategien reichte“ (ders. 1999:392). Vorbehalte gegenüber Frauen wurden in einer von Jessen herangezogenen DDR-Studie von Hildebrand (1968) vor allem mit der Rollenüberlastung von Frauen begründet: Als größtes Karrierehindernis stuften die befragten Institutsdirektoren und Frauen die weiblichen Erziehungspflichten ein. Frauen seien in der Lebensrealität für Familie und Kinder verantwortlich, so daß sie zu stark beansprucht seien, um gute Leistungen in der Wissenschaft zu erbringen. Gleichzeitig ergab die Studie, daß Institutsdirektoren nicht sehr daran interessiert waren, aktiv Frauenförderung zu betreiben, weil sie davon ausgingen, daß Frauen zu Störungen im Arbeitsgeschehen innerhalb des Instituts führen. Dabei war man in den Naturwissenschaften weniger zur aktiven Frauenförderung bereit als in geisteswissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Einrichtungen (Jessen 1999:393f.). Gemessen an den Ergebnissen dieser Studie, stellt sich die Situation für die hier untersuchten 10 Wissenschaftlerinnen der Pädagogischen Fakultät der HUB vergleichsweise günstig dar. Die Hälfte der hier untersuchten Wissenschaftlerinnen versorgte mehrere kleine Kinder, und dies war für die Fakultät offenbar kein Hinderungsgrund, ihnen Aufstiegschancen zu ermöglichen. Während Frau W. ihre Habilitation nicht beendete, gelang dies Frau H., obwohl sie Mutter von drei kleinen Kindern war. Prof. K. beantragte für sie 1965 die Habilitationsaspirantur.165 Im Juli 1969 lag bereits die Endfassung ihrer Arbeit vor. In einem Gutachten über die Tätigkeit von Frau H. als Habilitationsaspirantin berücksichtigte Prof. Alt die persönliche Situation der Habilitandin. Er erwähnte, daß Frau H. „trotz familiärer Belastungen“ mit „großem Eifer“ an der Fertigstellung der Habilitation gearbeitet habe.166 165 166 HU UA, Pädagogische Fakultät 1160, nicht paginiert: Schreiben an den Prorektor vom 29.3.1965. HU UA, Personalakte Ingrid Hunold, Band 1, Blatt 77. 68 Wie Frau H. wurde der größere Teil der Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe für die Habilitationsaspirantur, die zu dieser Zeit eingeführt wurde, in den Frauenförderplan aufgenommen.167 Wie aus einem Gutachten in der Berufungsakte von Frau L. hervorgeht, führte das SHF eine Aktion durch, in deren Rahmen Wissenschaftlerinnen für die Qualifizierung von Frauen zu Hochschullehrern gewonnen werden sollten.168 Die Ausführungen deuten darauf hin, daß für die auf diese Weise gewonnenen Frauen festgelegt wurde, daß sie nach erfolgreichem Abschluß der Habilitation als Hochschullehrerin eingestellt werden sollten. Aus Dokumenten des Instituts für Allgemeine Pädagogik geht hervor, wie man Mitte der 1960er Jahre versuchte, Frauen an der HUB für die – für die Frauenförderung geschaffene – Habilitationsaspirantur zu gewinnen, u. a. Frau K. : Aus dem Jahr 1965 existiert ein Schreiben des Institutsdirektors Prof. K. an den Prorektor zur weiteren Koordinierung der Frauenförderung.169 Prof. K. eröffnet das Schreiben wie folgt: Anläßlich des Frauentages 1965 wurden von Ihnen mit Nachwuchswissenschaftlerinnen unseres Instituts persönliche Aussprachen geführt mit dem Ziel, die Kolleginnen für eine Habilitationsaspirantur zu gewinnen. Es handelte sich dabei um die Kolleginnen [R...] und [Z…]; mit Kollegin Dr. [K…] erfolgte eine telefonische Rücksprache. Hieraus ist zu entnehmen, daß der Prorektor direkt an die Wissenschaftlerinnen herantrat. Im weiteren brachte der Institutsdirektor zum Ausdruck, daß er es für wichtig erachtete, wenn Perspektivplanung und Frauenförderplanung zwischen Prorektor und Institutsdirektor besser abgesprochen würden: Anläßlich eines Gesprächs mit Herrn [S…] am 19.3.1965 wies ich darauf hin, daß diese Fragen nur im Zusammenhang mit dem Perspektivplan unseres Instituts und dem Frauenförderungsplan der Fakultät gesehen werden und in gemeinsamer Absprache zwischen Prorektor und dem Institutsdirektor gelöst werden können. Anschließend stellt Prof. K. die Perspektivplanung des Instituts und die für die Frauenförderung im Rahmen der Habilitationsaspirantur an der Einrichtung aus seiner Sicht geeigneten Frauen vor. Zum Teil begründet er sehr ausführlich und detailliert, warum eine Wissenschaftlerin zu dem Zeitpunkt noch nicht für die Aspirantur in Frage käme oder aber in die Maßnahme einbezogen werden sollte, obwohl sie wahrscheinlich 167 Vgl. Hildebrandt 1989:52 u. HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Bericht zum Stand der Frauenförderung 1965. 168 BArch, DR 3 / B 12118, Blatt 20. Frau L. wurde anläßlich dieser Aktion 1965 als Habilitandin gewonnen. 169 HU UA, Pädagogische Fakultät 1160, nicht paginiert: Schreiben des Direktors des Instituts für Allgemeine Pädagogik an den Prorektor für wissenschaftlichen Nachwuchs vom 29.3.1965. Die folgenden Zitate wurden diesem Text entnommen. Vgl. auch Dokument 1 im Anhang dieser Arbeit. 69 vom Prorektor nicht in die engere Wahl gezogen wurde. Bei Frau K. begründet er, weshalb es 1965 nicht möglich sei, sie in die Habilitationsaspirantur aufzunehmen: Genossin Dr. [K…] ist Leiterin der Abteilung Vorschulpädagogik. […] Die Arbeit der genannten Abteilung ist deshalb so kompliziert, als in ihr nur Frauen arbeiten. Eine Übernahme der Genossin Dr. [K…] in die Habilitationsaspirantur ist nur zu jenem Zeitpunkt möglich, wo mindestens eine weitere Kollegin promoviert hat. Anfang Juni 1965 wendet sich der Institutsdirektor erneut an den Prorektor. 170 Er sah sich hierzu veranlaßt, weil der Prorektor auch nach dem Schreiben vom 29.3.1965 weiterhin versuchte, Frau K. in die Habilitationsaspirantur aufzunehmen. Dieses Beispiel verdeutlicht, daß Bemühungen existierten, Frauen für die Habilitation zu gewinnen. Gleichzeitig wird hier deutlich, daß Frauen vor allem zu der Zeit für die Habilitation gewonnen wurden, als von übergeordneter Stelle (SHF) eine Aktion dazu durchführt wurde. In diesem Beispiel befindet sich der Hinweis auf ein Problem, das die Frauenförderung am Institut für Allgemeine Pädagogik begleitete: Frau K. arbeitete in den 1960er Jahren in einer reinen Frauenabteilung. Die rein weibliche Besetzung der Abteilung wurde damals explizit von Frau K. in ihrer Funktion als Abteilungsleiterin im Zusammenhang mit der Frauenförderung als Problem thematisiert. Frau K. leitet ihren Bericht über den Stand der Frauenförderung in der Abteilung Vorschulpädagogik 1967 wie folgt ein: Die Abteilung besteht aus 5 Mitarbeiterinnen und 1 Aspirantin, sie hat im Direktund Fernstudium ca 70 Frauen auszubilden. Das heißt, daß sich hier alle Probleme der Frauenförderung konzentrieren, die es in gemischten Abteilungen vereinzelt gibt.171 Hierin wird zum Ausdruck gebracht, daß sich diese Abteilung in einer ganz besonderen Situation befand. Diese Situation bedeutete, daß die Abteilung – im Unterschied zu geschlechtsheterogenen Abteilungen – mit allen Problemen konfrontiert wurde, die dabei auftraten, wenn Frauen gefördert werden sollten. Die Konsequenz beschreibt sie anschließend: Die Probleme der Studentinnen (Schwangerschaft, kranke Kinder, Ehescheidungen, Krankheiten durch Überlastung usw. und dadurch bedingte Verlängerungen und Sonderstudienpläne) erfordern von den Mitarbeitern der Abteilung ein Höchstmaß an Anspannung bei der individuellen Betreuung und der Sicherung der Ausbildung. Das erfordert Zeit und Kraft und bringt Schwierigkeiten für die eigene Qualifizierung mit sich. 170 HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Schreiben des Institutsdirektors an den Prorektor vom 2.6.1965. 171 HU UA, Pädagogische Fakultät 1152, nicht paginiert: Bericht über den Stand der Frauenförderung in der Abteilung Vorschulpädagogik vom 15.3.1967. Auch das nächste Zitat stammt aus diesem Bericht. 70 Indem das wissenschaftliche Personal der Abteilung Frauen förderte, geriet es somit bei der eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung in Schwierigkeiten. An diesem Beispiel zeigt sich deutlich die Schwierigkeit, die die Frauenförderung am Institut für Allgemeine Pädagogik, in dem die Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe arbeiteten, begleitete. In reinen Frauenabteilungen waren seit 1964 neben Frau K. auch Frau W. und Frau V. tätig. Die wissenschaftliche Qualifizierung der Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe führte unter den dargestellten ambivalenten Bedingungen der Frauenförderung zu folgendem Ergebnis: Ihre Promotionen schlossen diese Frauen alle ab, allerdings zum Teil nicht termingemäß. Nur ungefähr die Hälfte der Untersuchungsgruppe erreichte hingegen die im Plan vorgesehene Habilitation.172 Lediglich Frau H. erfüllte das im Frauenförderplan vorgegebene Ziel, bis 1970 zu habilitieren. Das spricht für einen begrenzten Erfolg von Frauenförderung im Rahmen der wissenschaftlichen Qualifizierung. Die Ergebnisse zeigen, daß Frauenförderung in der Fakultät nicht grundsätzlich abgelehnt oder systematisch torpediert wurde, im Gegenteil als die Aktion des SHF stattfand, wurden Frauen für die Habilitation berücksichtigt. Das heißt, als Frauenförderung zu einer gesellschaftlichen Notwendigkeit erhoben wurde, entzogen sich staatliche Leitungsstellen nicht total. Somit wurden Frauen auf der Basis dieser staatlichen Förderrichtlinien für die wissenschaftliche Qualifikation eingeplant. In den Akten zur Frauenförderung wurden jedoch kaum konkrete Unterstützungsmaßnahmen für die Frauen der Untersuchungsgruppe niedergeschrieben, die zeigen, wie Wissenschaftlerinnen das Ziel (die Habilitation, für die sie berücksichtigt wurden) auch erreichen. Maul konstatiert zu den universitären Frauenförderplänen, daß sie „wenig Substanzielles“ und „eigentlich nur Selbstverständlichkeiten“ enthielten und sich oft lediglich auf gesetzlich garantierte Mindestinhalte beschränkten (Maul 2002a:61). Vor dem Hintergrund dieses Untersuchungsgruppe Ergebnisses von Maul würde dies für die Frauen der bedeuten, daß sie wahrscheinlich wenig konkrete Frauenförderung – über die Berücksichtigung 172 Sie wurde nicht von Frau W., Frau B., Frau K. und Frau V. fertiggestellt, obwohl zwei von ihnen laut den Frauenförderplänen besonders förderungswürdig waren (BArch DR 3 / B 6951, Blatt 91, BArch, DR 3 / B 10475, Blatt 73, BArch DR 3 / B 12165, Blatt 73f., BArch, DR 3 / B 11977, Blatt 28). Frau P. verfaßte sie viel später (BArch, DR 3 / B 6967, Blatt 5). Frau M. und Frau A. beendeten ihre Arbeiten erst nach ihrer Berufung zur Dozentin. Frau L. und Frau H., beide einst Assistentinnen in der offiziell auf Frauenförderung bedachten Abteilung Geschichte der Pädagogik, stellten ihre Habilitation fast termingemäß fertig. 71 für die Habilitation und das Selbstverständliche hinaus – erhielten. Gemessen an den fertiggestellten Habilitationen der Wissenschaftlerinnen wurde Frauenförderung nicht besonders intensiv und erfolgreich verfolgt. 6.4 Bedeutung der Habilitation in Berufungsverfahren In Kapitel 2 wurde näher ausgeführt, daß sich der Stellenwert der Habilitation und der SED-Mitgliedschaft seit dem Ende der 1950er Jahre in Ernennungs- und Berufungsverfahren veränderte: Die Habilitation verlor an Bedeutung, während die SED-Mitgliedschaft an Relevanz gewann (Jessen 1999:102). Diese Entwicklung wird von Budde als ein Sinken der Berufsstandards bezeichnet und als Teil einer in der DDR erfolgten Deprofessionalisierung eingestuft (dies. 2003:292 u. 303). Angesichts dieser Entwicklung liegt die Annahme nahe, daß die Zeit vom Ende der 1950er Jahre bis zum Ende der 1960er Jahre günstige Rahmenbedingungen für Wissenschaftlerinnen bot, auch ohne Habilitation zur Dozentin ernannt oder zur Professorin berufen zu werden. Für die Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe der vorliegenden Arbeit ist zudem interessant, daß zwischen den Disziplinen Differenzen beim Anteil der bei der Ernennung und Berufung Habilitierten existierten. Pädagogik gehört in dem Überblick von Jessen zu den Disziplinen, in denen die neu eingestellten Professoren seltener habilitiert waren als der Durchschnitt der Kollegen anderer Disziplinen.173 Jessen stellt allerdings heraus, daß in den Universitäten der DDR an Frauen generell höhere Leistungsanforderungen gestellt wurden (Jessen 1999:391). Dieses Ergebnis wird auch von Buddes Studie gestützt. Sie vertritt die Auffassung, daß Frauen von „einer Aufweichung der Berufsstandards“ in der Wissenschaft nicht profitierten (dies. 2003:303). Im folgenden soll nun anhand der Aktenanalyse gefragt werden, was sich über die Bedeutung von wissenschaftlichem und politischem Kapital für die Hochschullehrerinnenkarrieren an der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik der HUB aussagen läßt. Während, wie bereits erwähnt, Ende der 1960er Jahre der Habilitation eine eher geringe Bedeutung zukam, wurden durch das MHF mit Beginn der 1970er Jahre höhere 173 In den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern fiel die Zahl der bei ihrer Ernennung bzw. Berufung Habilitierten niedriger aus als in naturwissenschaftlichen, medizinischen, theologischen und landwirtschaftlichen Fächern. Dozenten hatten sich deutlich seltener habilitiert als Professoren (Jessen 1999:405ff.). 72 Qualifizierungsmaßstäbe angelegt (Jessen 1999:127f.). Der Wert der Habilitation stieg wieder, obwohl die 1969 im Rahmen der 3. Hochschulreform neu in Kraft getretenen Hochschullehrerberufungsverordnung (HBVO) die Habilitation bzw. Dissertation B nicht explizit von den Kandidaten/Kandidatinnen forderte. Die Mehrheit der Frauen der Untersuchungsgruppe trat ihr Amt an, ohne habilitiert bzw. B-promoviert zu sein. Zum Zeitpunkt ihrer Berufung zur Dozentin, 1975, war nur Frau H. (Hochschulpädagogik) habilitiert. Alle anderen wurden zwischen 1968 und 1972 ohne diese wissenschaftliche Qualifikation als Dozentin eingestellt. Einige von ihnen setzte das MHF ab 1972 als ordentliche oder außerordentliche Professorin ein. D.h. die hier untersuchten Frauen haben von den Wandlungen in der Ernennungs- und Berufungspraxis profitiert. Obwohl, wie oben gezeigt wurde, die Frauenförderung in Bezug auf die wissenschaftliche Qualifizierung der Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe nicht optimal verlaufen war, wirkte sich dies demnach nicht ungünstig auf die Karriere dieser Frauen aus. Angesichts der Argumentation von Jessen und Budde (wie bereits ausgeführt wurde) handelt es sich hierbei um ein überraschendes Ergebnis, das dazu veranlaßt, auf die näheren Umstände dieser Berufungen einzugehen. Bereits vor der 1969 neu herausgebrachten Regelung der in Kraft getretenen HBVO, die die Habilitation bzw. Dissertation B nicht explizit verlangte, reichte die Pädagogische Fakultät/Sektion Pädagogik Berufungsanträge für einige der nicht habilitierten Frauen der Untersuchungsgruppe ein, damit sie als Dozentin eingestellt werden. Offenbar wartete man an der Institution nicht ab, bis die neue Verordnung rechtskräftig wurde. Für Frau W., Frau M., Frau A. und Frau K. wurden die Berufungsanträge zur Dozentin 1968 und 1969 aufgesetzt. Trotz der Neuregelung wurde die nicht fertiggestellte Habilitation jedoch zum Teil in Berufungsakten thematisiert. Ein von mir untersuchter Fall deutet in diesem Zusammenhang auf unterschiedliche Leistungsanforderungen an Mann und Frau hin: In einem Gutachten über Frau A. (damals Oberassistentin in der Betriebspädagogik), das im Oktober 1968 anläßlich ihrer Berufung zur Dozentin erstellt wurde, schreibt der Gutachter Prof. K.: Genossin Dr. […] erfüllt alle Voraussetzungen für einen sozialistischen Hochschullehrer, ich befürworte daher ihre Ernennung zum Dozenten. Allerdings müßte gesichert werden, daß ihre Habilitationsarbeit in möglichst kurzer Frist erfolgreich abgeschlossen werden kann.174 174 BArch, DR 3 / B 6970, Blatt 11. Obwohl zu dieser Zeit üblich war, von der Berufung zur Dozentin zu schreiben, verwendete der Gutachter bei Frau A. noch die vorher gebräuchliche Formulierung. 73 Prof. K. bringt hier deutlich zum Ausdruck, daß er von der Kandidatin Frau A. den baldigen Abschluß der Habilitation erwartet. Seine Forderung ist in zweierlei Hinsicht interessant. Prof. K. insistiert hier auf einen zügigen Abschluß der Habilitation, obwohl diese Qualifikation zu jener Zeit formal nicht ausdrücklich verlangt wurde. Hinzu kommt, daß Prof. K. wenige Monate zuvor in einem anderen Berufungsverfahren eine konträre Auffassung vertrat. In jenem Verfahren handelte es sich allerdings um einen männlichen Kollegen von Frau A., der ohne abgeschlossene Habilitation zum Dozenten berufen werden sollte. Der Gutachter Prof. K. schätzt diesen Kollegen sehr positiv ein und erwähnt darin nicht den fehlenden Abschluß der Habilitation. Er hätte sich laut Perspektivplan, wie Frau A., bis 1968 habilitieren sollen.175 Der Betriebspädagoge wird im Gutachten als einer der fähigsten Nachwuchswissenschaftler der Pädagogischen Fakultät beschrieben, der eine „beachtliche Entwicklung in politischer und wissenschaftlicher Hinsicht genommen“ hat.176 Frau A. wird hingegen ganz anders dargestellt. Über sie heißt es im Gutachten, daß sie im Rahmen der Sondermaßnahmen zur Frauenförderung gewonnen wurde und sich in der Ausbildungspraxis lediglich als „sozialistischer Hochschullehrer voll bewährt“ habe.177 An diesem Beispiel zeigt sich, wie offenbar bei einer Wissenschaftlerin und einem Wissenschaftler ein unterschiedliches Maß zugrunde gelegt wurde. Obwohl – wie sich an der Untersuchungsgruppe zeigte – die Mehrheit der Wissenschaftlerinnen ihr Amt ohne die Habilitation/Dissertation B antreten konnte, kam es trotzdem dazu, Mann und Frau unterschiedlich zu bewerteten. Das entspricht wiederum den Ergebnissen von Budde und Jessen. Das hier erörterte Gutachten von Prof. K. läßt sich noch auf einen anderen Aspekt hin lesen. Prof. K. erwähnt, daß Frau A. von ihm im Rahmen der Maßnahmen zur Frauenförderung gewonnen wurde. Diese Bemerkung ist als ein Hinweis darauf zu verstehen, daß der Gutachter, der in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre als Direktor des Instituts für Allgemeine Pädagogik und als Dekan der Pädagogischen Fakultät arbeitete, die staatlicherseits und von der Universitätsleitung geforderten Anstrengungen zur Frauenförderung unternommen hat. Daß Prof. K. bei Frau A., anders als bei ihrem männlichen Kollegen, auf Abschluß der Habilitation insistiert, ist somit auch vor diesem Hintergrund zu deuten: Da die Förderung der Habilitation von Wissenschaftlerinnen zu 175 HU UA, Pädagogische Fakultät 1151, nicht paginiert: Perspektivplan des Instituts für Allgemeine Pädagogik von 1964 für den Zeitraum 1965 bis 1970. 176 BArch, DR 3 / B 6983, Blatt 22. 177 BArch, DR 3 / B 6970, Blatt 10. Siehe auch Dokument 3 und 4 im Anhang dieser Arbeit. 74 den wichtigsten Maßnahmen der universitären Frauenförderung gehörte, zeigt sein Beharren auf das Abschließen der Habilitation auch, daß er als Institutsdirektor und Dekan bestrebt war, den Anforderungen der Frauenförderungen zu entsprechen. Dies wird an einem anderen Gutachten von Prof. K. noch deutlicher. Es wurde drei Jahre nach dem Gutachten über Frau A. von Prof. K. geschrieben. Prof. K. formuliert eingangs: Frau Dr. [L…] wurde 1965 im Rahmen einer Aktion des damaligen Staatssekretariats für das Hoch- und Fachschulwesen zur Qualifizierung von Frauen zu Hochschullehrern und leitenden Kadern im Hochschulwesen für eine Habilitationsaspirantur gewonnen. […] Nach erfolgreichem Abschluß der Habilitation sollte die Ernennung zum Dozenten und die Übernahme der Leitung der Abteilung Fernstudium an der Pädagogischen Fakultät erfolgen.178 Hier zeigt Prof. K., daß die Fakultät gemäß der Aktion des SHF 1965 eine Habilitandin gewonnen hatte und damit den staatlichen Anforderungen, Frauen zu fördern, gerecht wurde. Somit könnte im Rahmen des Berufungsverfahrens (zur Dozentin) ein Interesse daran bestanden haben, Frau L. dem MHF als erfolgreichen Fall der Frauenförderung zu präsentieren und die „Vollendung“ der Frauenförderung wiederum dem Ministerium zu übergeben. Für dieses Bestreben spricht auch: Nur in diesen zwei Fällen, in denen die Arbeit weit fortgeschritten und ihr Abschluß abzusehen war, thematisierten Gutachter bei Berufungsverfahren zur Dozentin das (noch) nicht beendete Habilitationsverfahren. Sie erwähnten dies nicht im Rahmen der Verfahren von Frau M., Frau W., Frau K., Frau B., Frau P und Frau V. Somit wurde nicht bei allen Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe, die sich laut Frauenförderplan habilitieren sollten, in den Berufungsverfahren für Dozentinnen darauf insistiert, daß sie ihre Dissertation B fertigstellen. Am Beispiel von Frau A. wird gleichzeitig deutlich, daß Maßnahmen der Frauenförderung durchaus ambivalente Folgen hatten und im konkreten Fall die Situation für Wissenschaftlerinnen ggf. auch erschweren konnten. Der Kollege von Frau A. wurde – ebenso wie sie – vom MHF ohne Beanstandung der fehlenden Habilitation zum Dozenten berufen.179 Zwei andere Anträge der Sektion hingegen, die 1969 und 1971 für zwei Männer gestellt wurden, wies das MHF zurück. Die Ablehnung wurde u. a. mit der fehlenden Habilitation begründet.180 Wahrscheinlich setzte die Sektion im Unterschied dazu vor allem für jene Frauen Anträge auf Berufung 178 BArch, DR 3 / B 12118, Blatt 20. BArch, DR 3 / B 6983 u. BArch, DR 3 / B 6970. 180 Es handelt sich um die Anträge für einen Hochschulpädagogen (BArch, DR 3 / B 349, Blatt 19) und einen Vergleichenden Pädagogen (BArch, DR 3 / B 11079, Blatt 46f. u. 51). 179 75 zur Dozentin auf, die den Anforderungen des MHF entsprechen konnten. Die Sektion kam aufgrund der sektionsinternen Leistungsanforderungen vermutlich gar nicht auf die Idee, dem MHF eine mit den beiden Männern vergleichbare Kandidatin zu präsentieren. Kein für eine Frau der Untersuchungsgruppe gestellter Antrag wurde mit der oben genannten Teilbegründung vom MHF abgelehnt. Die beiden Fälle würden die Deutung unterstützen, daß – gedrängt durch den Maßstab staatlicher Frauenförderung – seitens der Sektion bis zu einem gewissen Grad höhere Anforderungen an Frauen gestellt wurden. Im übrigen zeigte sich, daß eine ungleiche Behandlung der Geschlechter an den Universitäten Ende der 1960er Jahre vom MHF thematisiert wurde. Auf die offenbar gängige Praxis, bei Berufungsvorschlägen an Frauen höhere Leistungsanforderungen als an Männer zu stellen, reagierte das MHF mit der Forderung an die Hochschulen, diese Praxis umgehend abzustellen. Wie Jessen schreibt, war das MHF Ende der 1960er Jahre dazu bereit, die Standards für Berufungen flexibel zu handhaben, um die Zahl der Hochschullehrerinnen zu erhöhen (Jessen 1999:396). Seit 1970 äußerte sich, so Jessen, das MHF kritisch zu der Tatsache, daß sich der Anteil der fachlich qualifizierten Hochschullehrerkandidaten zuungunsten der habilitierten bzw. B-promovierten entwickelt hatte (Jessen 1999:124ff.). Diese Haltung des MHF bildet vermutlich auch den Hintergrund für Äußerungen innerhalb der HUB, die ebenfalls allgemein strengere Maßstäbe für die wissenschaftliche Qualifikation bei Berufungsvorschlägen für Hochschullehrer forderte.181 Diese strengeren Maßstäbe schlugen sich jedoch seitens der Sektion Pädagogik, der HUB und des MHF in den Entscheidungen, die Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe betreffen, nicht nieder. Die Sektion Pädagogik beantragte im Oktober 1970 für Frau P., Frau L. und Frau K. die Berufung zur Dozentin, obwohl diese keine Habilitation/Promotion B vorlegen konnten. Alle drei Wissenschaftlerinnen wurden im Februar 1971 zur Dozentin berufen. Allerdings zeichnet sich allmählich ein Umdenken ab. Fehlende Habilitationen/Dissertationen B beginnen in Berufungsverfahren begründungsbedürftig zu werden. So ist in der Berufungsakte von Frau L. nachzulesen, wie sie selbst sowie einer ihrer Gutachter das nicht beendete Habilitationsverfahren thematisierten. Im Unterschied zu Frau A. wurde in der Berufungsakte von Frau L. viel präziser benannt, welche konkreten Bedingungen dazu führten, daß Frau L.`s Habilitationsverfahren nicht beendet war. Das wird an den 181 Humboldt-Universität, Nr. 13 (1970-11-30), S. 5. 76 folgenden Passagen deutlich. Frau L. schreibt in ihrem Lebenslauf im Mai 1970 dazu folgende Begründung: Seit dem 1.9.1969 bin ich Leiter der Abteilung Weiterbildung und Fernstudium der Sektion Pädagogik „F.A.W. Diesterweg“. Zu diesem Zeitpunkt lag die Erstfassung meiner Habilschrift vor. Die für das letzte Halbjahr geplante Überarbeitung konnte ich nicht termingemäß vornehmen, da ich durch Krankheit von Prof. [K…] zusätzliche Lehrveranstaltungen übernehmen mußte. Die Arbeit liegt jetzt in endgültiger Fassung vor und wird eingereicht. 182 Einer der beiden Gutachter, Wissenschaftsbereichsleiter für Geschichte der Pädagogik, hält in seinem Gutachten über Frau L. im Februar 1970 fest: Der Abschluß des Habilitationsverfahrens ist noch im Jahre 1970 zu erwarten, da die Ergebnisse der Habil-Arbeit bereits vorliegen. Der Terminverzug ergibt sich ausschließlich aus Lehrverpflichtungen während der Aspirantur, den umfangreichen Verpflichtungen als Leiter der Abteilung Fernstudium seit September 1969 und auch aus dem durch Krankheit bedingten Ausfall an Arbeitszeit. Diese Situation sollte jedoch einer Berufung zum Dozenten ab September 1970 nicht im Wege stehen.183 Die Art der Argumentation (in diesem Beispiel) spricht dafür, daß es für wichtig erachtet wurde, auf die fehlende Habilitation einzugehen und auf ihren baldigen erfolgreichen Abschluß hinzuweisen. Wie der Berufungsakte von Frau L. zu entnehmen ist, wurde Frau L. ohne Kritik seitens des MHF als Dozentin eingestellt.184 Am Beispiel der Berufung von Frau W. zur außerordentlichen Professorin kann gezeigt werden, daß auch sie ihre nicht abgeschlossene Dissertation B als begründungsbedürftig einstuft. Frau W. schreibt im Januar 1974 anläßlich des Berufungsverfahrens in ihrem Lebenslauf dazu sehr detailliert: Die Arbeit an der Dissertation B habe ich im Jahre 1972 wieder aufgenommen. Ein 1. Teil wurde Prof. Dr. […] vorgelegt. Im Jahre 1973 konnte ich jedoch die Arbeit nur geringfügig weiterführen, vielfältige dienstliche und gesellschaftliche Verpflichtungen und Sorgen in der Familie ließen mich nicht die notwendige Konzentration finden. Ich möchte die Arbeit, die auf der Basis der im Bereich erzielten Forschungsergebnisse zu einer Theorie der Familienerziehung einen Beitrag leisten soll, jedoch in absehbarer Zeit zu Ende führen.185 Im Unterschied zu den Gutachten über Frau L. wird die fehlende Dissertation B in diesem Fall jedoch weder vom Antragsteller für die Berufung noch von den Gutachtern thematisiert. In der Berufungsakte fand sich auch kein Hinweis darauf, daß das MHF Kritik an der fehlenden Dissertation B übte.186 182 BArch, DR 3 / B 12118, Blatt 9. BArch, DR 3 / B 12118, Blatt 25. 184 BArch, DR 3 / B 12118. 185 BArch, DR 3 / B 6951, Blatt 16f. 186 BArch, DR 3 / B 6951. 183 77 Dieses Beispiel deutet darauf hin, daß Anfang bis Mitte der 1970er Jahre eine unterschiedliche Praxis im Umgang mit einer fehlenden Dissertation B vorherrschte. Zu der Zeit, als die Gutachten über Frau W. verfaßt wurden, brachte der Minister für Hoch- und Fachschulwesen auf der Rektorenkonferenz im Februar 1974 explizit sein Unbehagen über die Berufungsstandards, bei denen die höchste wissenschaftliche Qualifikation nicht die Regel darstellte, zum Ausdruck (Jessen 1999:126). Damit zeichneten sich strengere Maßstäbe an die wissenschaftliche Qualifikation für die Einstellung zum Hochschullehrer oder zur Hochschullehrerin ab. Im Jahr darauf schlug sich dies in der Berufungspolitik nieder: Ab 1975 betrieb das MHF laut Jessen eine Personalpolitik, bei der die Einstellung als Hochschullehrer an die Promotion B gebunden wurde. Damit nahm das Ministerium ein wesentliches Element der HBVO von 1968 – die Entkoppelung des Berufszugangs von der Habilitation/Dissertation B – wieder zurück. Die HBVO von 1968 wurde allerdings dahingehend nicht modifiziert. Wie Jessen schreibt, wurden die Sektionsdirektoren zu jener Zeit dazu angehalten, mit Hochschullehrern und Hochschullehrerinnen „Qualifizierungsgespräche“ zu führen, um sie dazu zu veranlassen, ihre Dissertation B abzuschließen (ders. 1999:127f.). Es ist anzunehmen, daß zu dieser Zeit die im Strategiepapier des MHF explizit flexible Handhabung der Berufungsanforderungen für Frauen von 1969 nicht mehr galt. Hierauf deutet u. a. die Tatsache hin, daß der Sektionsdirektor auch die nicht vorliegende Dissertation B von Frau B. begründete, als er im Oktober 1975 beantragte, sie als außerordentliche Professorin zu berufen.187 Da in diesem Verfahren die Konstellation von wissenschaftlichem und politischem Kapital bedeutsam ist, wird auf diesen Fall an anderer Stelle noch ausführlicher eingegangen. Obwohl das MHF seit 1975 höhere Anforderungen an die wissenschaftliche Qualifikation der Kandidaten stellte, wirkte sich das 1976 nicht auf die Berufung von Frau B. zur außerordentlichen Professorin an der Sektion Pädagogik und nicht auf die Berufung von Frau V. zur ordentliche Professorin an der APW 1978 aus. 188 Die laut 187 BArch, DR 3 / B 10475, Blatt 44. In diesem Fall wurden auch äußere Umstände herangezogen, um zu erklären, warum die Arbeit nicht fertiggestellt war: Der Vizepräsident der APW setzte 1978 im Berufungsverfahren der Vorschulpädagogin einen Nachtrag „betr. Vorarbeiten von Doz. Dr. […] zur Dissertation B“ auf. Anläßlich der Berufung zur ordentlichen Professorin wies er darauf hin, daß sie bald diese wissenschaftliche Qualifikation fertigstellen werde, und führte die näheren Umstände aus, die für die fehlende Dissertation B verantwortlich waren: Da ihr die Leitung der Arbeitsstelle Vorschulpädagogik nach ihrer Umberufung an die APW 1976 übertragen wurde, mußte sie sich in die neuen Aufgaben als Leiterin einarbeiten und kam nicht zum Abschluß der Promotion B. Der übernommenen Leitungsfunktion wurde m. E. durch folgende Formulierung besondere Relevanz zugeschrieben: Als Arbeitsstellenleiterin war sie für die „gesamte pädagogische Forschung auf dem Gebiet der Vorschulerziehung in der DDR verantwortlich“ (BArch, DR 3 / B 12165, Blatt 69). 188 78 Jessen 1975 veränderte Berufungspolitik des MHF initiierte offenbar keine grundsätzlich veränderte Berufungspraxis. Auch weiterhin waren – wie an diesen beiden Wissenschaftlerinnen gezeigt – Berufungen möglich, wenn die Dissertation B nicht vorlag. Wie die Aktenrecherche zeigt, wurden in diesen Fällen lediglich Begründungen für das Fehlen der Dissertation B notwendig. Diese Tatsache spricht auch für den geringeren Stellenwert der wissenschaftlichen Qualifikation, den Jessen insbesondere für die Gesellschaftswissenschaften und damit auch für die Pädagogik konstatiert (ders. 1999:406). Die Karriereverläufe der hier untersuchten Wissenschaftlerinnen, die zwischen 1960 und 1976 ernannt und berufen wurden, zeigen, daß sie als Frauen von diesen Berufungsstandards profitierten. Die beiden Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe, die an der Sektion Pädagogik als ordentliche Professorinnen eingestellt wurden, hatten gleichwohl die Dissertation B abgeschlossen. Frau M. z.B. wurde vor der strengeren Regelung des MHF auf das Gebiet der Erziehungstheorie als Professorin berufen (1972). Für sie wurde das Berufungsverfahren erst eingeleitet, als abzusehen war, daß das Verfahren zur Dissertation B bald abgeschlossen sein wird.189 Zieht man jedoch den Umstand heran, daß die Frauen der Untersuchungsgruppe in der Regel ohne die Habilitation als Hochschullehrerin eingestellt wurden, spricht dieser Fakt eindeutig gegen höhere fachliche Leistungsanforderungen an Frauen, wie sie von Budde konstatiert werden (vgl. Budde 2003:303). Die an der Sektion zwischen 1968 und 1975 zu Dozenten berufenen Männer verfügten i.d.R. nicht und die zu Professoren berufenen Männer nicht alle über die Habilitation bzw. Dissertation B.190 Darin waren sich die Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe und ihre im gleichen Zeitraum eingestellten Kollegen ähnlich. Das hätte man angesichts der Argumentationen von Jessen und Budde, daß an Frauen höhere Leistungsanforderungen herangetragen wurden, so nicht erwartet (vgl. hierzu auch Kap. 2.3.2). Es wäre zu untersuchen, ob an der Sektion nach der 3. Hochschulreform und den damit einhergehenden Veränderungen ein so hoher Personalbedarf bestand, daß eventuell dieser Bedarf die in der Wissenschaft laut Jessen existierende (systemunspezifische) Tendenz, Frauen von höheren Positionen auszuschließen und sie damit zu 189 Die Berufung wurde am 24.11.1971 von dem Direktor der Sektion beantragt. Zu diesem Zeitpunkt war das Verfahren für die Promotion B laut Sektionsdirektor eröffnet. Auch der Termin für die öffentliche Verteidigung stand fest (BArch, DR 3 / B 12326, Blatt 49). 190 Siehe Kapitel 5.5 in dieser Arbeit. 79 benachteiligen (ders. 1999:397f.), deutlich herabsetzte – und damit die soziale Relevanz von Geschlecht.191 6.5 SED-Mitgliedschaft und gesellschaftlich-politische Tätigkeit Wie bereits in Kapitel 2 deutlich wurde, kam in den 1960er Jahren dem „politischen Kapital“ in Ernennungs- und Berufungsverfahren der Gesellschaftswissenschaften ein höherer Stellenwert zu als dem „wissenschaftlichen Kapital“ (Jessen 1999:406) und die gesellschaftlich-politische Tätigkeit war laut Maul für Karrieren primär relevant (dies. 2002b:360).192 An der HBVO von 1968 läßt sich ablesen, daß gesellschaftlicher und politischer Arbeit große Bedeutung beigemessen wurde, da für die Facultas docendi darüber ein Nachweis notwendig war. 193 In den Akten spiegelt sich dies in zweifacher Hinsicht wider: 1. Die Wissenschaftlerinnen listen in ihren Lebensläufen selbst die verschiedenen Funktionen auf, die sie im Laufe der Zeit in der SED und in Massenorganisationen ausübten.194 2. In den Berufungsakten schätzen die Gutachter und Gutachterinnen sowie Antragsteller die gesellschaftlich-politische Arbeit in fast allen Fällen am Ende ihrer Ausführungen ein, zum Teil sehr ausführlich. Die bloße SED-Mitgliedschaft wurde nicht positiv hervorgehoben. Somit kam der aktiven gesellschaftlich-politischen Arbeit eine Bedeutung zu und nicht allein der SEDMitgliedschaft, auf die sich Jessen mit dem Begriff „politisches Kapital“ konzentrierte. Auf gesellschaftlich-politische Tätigkeit wird aus diesem Grund in diesem Kapitel, neben der Bedeutung der SED-Mitgliedschaft, besonders eingegangen. Wie bereits in Kapitel 2 ausgeführt, vertritt Jessen die Auffassung, daß in der DDR an Wissenschaftlerinnen nicht nur höhere fachliche, sondern auch höhere politische Leistungsanforderungen gestellt wurden. Im folgenden wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung der SED-Mitgliedschaft und der gesellschaftlich-politischen Arbeit in den Karrieren der Untersuchungsgruppe zukam. 191 Zur systemunspezifischen Benachteiligung von Frauen beim Zugang zum Hochschullehrerberuf formuliert Jessen, daß die Gründe des Ausschlusses von Frauen aus wissenschaftlichen Spitzenpositionen in der DDR auch auf das westdeutsche Hochschulwesen der 1950er bis 1970er Jahre übertragen werden könnten (Jessen 1999:397f.). 192 Vgl. auch die Erörterungen zu den Arbeiten von Maul und Jessen in Kapitel 2 dieser Arbeit. In der vorliegenden Arbeit wird, an Jessen anknüpfend, die SED-Mitgliedschaft als politisches Kapital bezeichnet. Zu gesellschaftlich-politischer Tätigkeit zählen das Engagement in Massenorganisationen wie FDGB, DFD, DSF oder z.B. die Arbeit als Stadtverordnete in der Berliner Stadtverordnetenversammlung. 193 Die Lehrbefähigung bildete eine Voraussetzung für die Berufung zum Hochschullehrer bzw. zur Hochschullehrerin (Gesetzesblatt der DDR, Berlin 1968, Teil II, Nr. 127, S. 999 u.1004.). 194 In einem Fall ging es so weit, daß die Kandidatin (Frau B.) ihre gesellschaftlich-politische Arbeit viel ausführlicher darstellte als ihre wissenschaftliche (BArch, DR 3 / B 10475, Blatt 7ff.). 80 Angesichts der Parteizugehörigkeit verfügten – im Unterschied zur Habilitation und damit zum wissenschaftlichen Kapital – alle Frauen der Untersuchungsgruppe zum Zeitpunkt ihrer Berufung zur Dozentin und Professorin über das laut Jessen seit Ende der 1950er Jahre für Hochschullaufbahnen bedeutsamer gewordene „politische Kapital“ (Jessen 1999:99). Neben der Mitgliedschaft in der SED und der Gewerkschaft und der Mitarbeit in deren Gremien, gehörten die Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe noch anderen Organisationen an, in denen sie z.T. Funktionen übernahmen.195 Die von mir untersuchten Akten von männlichen Kollegen ergaben, daß auch diese, mit einer Ausnahme, alle in der SED und in verschiedenen Massenorganisationen Mitglied waren. Der von Jessen diagnostizierte höhere Stellenwert des „politischen Kapitals“ (im Vergleich zum „wissenschaftlichen Kapital“) spiegelt sich auch in den von mir untersuchten Karriereverläufen von Wissenschaftlerinnen an der HUB wider: Die Frauen der Untersuchungsgruppe gehörten alle der SED an, hatten sich aber nicht alle habilitiert und stiegen trotzdem in die Hochschullehrerschaft auf. Auch im besonderen Fall von Frau B., für die die Sektion den Antrag stellte, sie zur außerordentlichen Professorin zu berufen, war die politische Haltung ein wichtiges Argument. Der Sektionsdirektor stellt im Berufungsantrag für Frau B. zunächst fest, daß es der „Wunsch“ der Kandidatin sei, angesichts ihres Alters und der „objektiven Bedürfnisse der Sektion“ die Dissertation B nicht anzustreben. Sie wolle „ihre Kräfte auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und andere dringende Aufgaben in Lehre und Forschung konzentrieren“. Dieser Erklärung ist ein Absatz vorangestellt, in dem auf einige Charaktereigenschaften der Kandidatin eingegangen wurde, die für die beantragte Berufung als von „besonderer Bedeutung“ akzentuiert wurden: „An erster Stelle muß hier die konsequente Parteilichkeit erwähnt werden, die unbedingte Treue zur Arbeiterklasse und zur Partei.“196 Neben der menschlich bemerkenswerten Bezugnahme auf das Alter und der Fachkompetenz der Kandidatin, berief man sich damit auch auf das politische Kapital, um etwas Gewichtiges in die Waagschale für die Berufung zu geben. Diese Schlußfolgerung aus der Berufungsakte von Frau B. läßt sich durch den Ablauf einer parallel verlaufenden Karriere eines männlichen Kollegen (Herr H.) von Frau B. untermauern: 195 Hierzu gehörten: Freie Deutsche Jugend, Gesellschaft für Deutsch Sowjetische Freundschaft, Demokratischer Frauenbund Deutschlands und Gesellschaft für Sport und Technik. Es wurden außerdem von wenigen angegeben: vor 1945 Sächsischer Lehrerverein, Bund der Freunde der SU, Rote Hilfe, Deutsche Arbeitsfront und nach 1945 Kulturbund, Deutscher Turn- und Sportbund und Urania. 196 BArch, DR 3 / B 10475, Blatt 44. 81 Zum Zeitpunkt der Berufung von Frau B. zur außerordentlichen Professorin waren beide bereits lange Jahre an der Pädagogischen Fakultät in einer Abteilung und danach an der Sektion Pädagogik beschäftigt. Frau B. stieg später in die Abteilung ein und promovierte nach Herrn H. Sie wurde schneller als er Dozentin und erreichte im Unterschied zu ihm die außerordentliche Professur. Wie aus den Berufungsakten der beiden hervorgeht, wurde für Frau B. von der Sektion Pädagogik 1970 der Antrag auf „Berufung zum Dozenten“ eingereicht, für Herrn H. 1971. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich beide nicht habilitiert. Der wesentliche Unterschied zwischen ihnen bestand nach den von mir untersuchten Akten zu dieser Zeit allein in der Parteimitgliedschaft und der Einschätzung ihrer gesellschaftlichpolitischen Arbeit. Herr H. gehörte nicht der SED an. Der Antrag für Herrn H. wurde 1971 abgelehnt. Es wurde angemerkt, daß Herr H. seit 1961 die Habilitation/Promotion B nicht abgeschlossen hatte. Man empfahl, verantwortliche gesellschaftlich-politische Funktionen und einen Studienaufenthalt in der Sowjetunion.197 1978 schlug die Sektion Pädagogik erneut dem MHF vor, Herrn H. als Dozent zu berufen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er die Dissertation B erfolgreich abgeschlossen, war aber weiterhin nicht in der SED. Die Abteilung Erziehung und Ausbildung (des MHF) nahm im Dezember 1978 zu dem Antrag für Herrn H. Stellung und lehnte ab.198 Im Januar 1979 richtete der Rektor der HUB ein Schreiben an den Minister für Hoch- und Fachschulwesen. Obwohl in der Begründung für die Ablehnung des Antrags die Parteilosigkeit von Herrn H. nicht erwähnt wurde, steht dieser Aspekt in der Argumentation des Rektors an erster Stelle und nicht die fachliche Qualifikation von Herrn H., auf die er erst im zweiten Argument einging.199 Auf diese Weise verlieh der Rektor der Haltung von Herrn H. zum Staat ein besonderes Gewicht. Bei Frau B. wurde 1975 wie bereits ausgeführt „die unbedingte Treue … zur Partei“ als eine Art Gegengewicht zur fehlenden Dissertation B eingesetzt. Bei Herrn H. wurde m.E. die Treue zum Sozialismus, die der Rektor ihm bescheinigte, als Argument genutzt, um das Verfahren erfolgreich zu beenden. – Herr H. wurde im Februar 1979 zum Dozenten berufen.200 Am Beispiel von Herrn H. zeigt sich, daß das fehlende „politische Kapital“ deutliche Probleme für die universitäre Laufbahn nach sich zog und zu dieser Zeit von besonderer Bedeutung für die Einstellung als Hochschullehrer war. Das 1978 vorliegende 197 BArch, DR 3 / B 349, Blatt 19 u. 28. BArch, DR 3 / B 349, Blatt 28. 199 BArch, DR 3 / B 349, Blatt 43f. 200 BArch, DR 3 / B 349, Blatt 48. 198 82 „wissenschaftliche Kapital“ konnte bei Herrn H. das fehlende „politische Kapital“ nicht ohne weiteres ausgleichen, während das „politische Kapital“ von Frau B. 1975 anscheinend das fehlende „wissenschaftliche Kapital“ aufwiegen konnte. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang ein weiteres Beispiel zweier zeitweilig parallel verlaufender universitärer Laufbahnen201: Am Beispiel von Frau A. und Herrn S. deutet sich an, daß sich nicht allein die SED-Mitgliedschaft auf die Karriere auswirkte, sondern auch die gesellschaftlich-politische Arbeit und die dort übernommenen Funktionen: Frau A. und Herr S. gehörten beide der SED an. Herr S. arbeitete in den 1960er Jahren als Sekretär in der Universitätsgewerkschaftsleitung (UGL), Frau A. gehörte in den 1960er Jahren kurze Zeit der Hochschulgewerkschaftsleitung (HGL) als Mitglied an. Beide hatten zum Zeitpunkt des Berufungsverfahrens zur Dozentin/zum Dozenten ihre Habilitation nicht abgeschlossen. Während sich bei Herrn S. die fehlende Habilitation nicht negativ auf seine Berufung zum Dozenten (1968) und später zum Professor (1970) auswirkte, gelang es Frau A., die nur ein Jahr später als er Dozentin wurde, selbst mit abgeschlossener Habilitation, nicht weiter aufzusteigen. Interessant ist nun, die Beurteilungen der gesellschaftlichpolitischen Arbeit von Frau A. und Herrn S. in den Gutachten und Anträgen anläßlich ihrer Berufung zum Dozenten genauer zu betrachten. Über Herrn S. steht im Antrag des Sektionsdirektors auf Berufung zum Dozenten (1968): In seiner gesellschaftlichen Arbeit nahm Herr Dr. […] eine Vielzahl verantwortungsvoller Funktionen wahr, deren Anforderungen er mit großer Einsatzbereitschaft und politischer Reife kontinuierlich erfüllte. Zum Beispiel arbeitete er als Parteigruppenorganisator und als Sekretär der Grundorganisation der SED im Institut für Berufspädagogik, war Mitglied der Parteileitung der Pädagogischen Fakultät und leistete aktive Arbeit in der Gewerkschaftsorganisation. Hier ist besonders seine zweijährige hauptamtliche Tätigkeit als Sekretär der Universitätsgewerkschaftsleitung zu erwähnen, die den Prozeß seiner politischen Entwicklung sehr gefördert hat und dazu beitrug, wichtige Führungseigenschaften zu entwickeln.202 Hier hebt der Sektionsdirektor hervor, daß Herr S. verschiedene Funktionen übernommen hat, besonders die Funktion des UGL-Sekretärs, die ihn zu einem geeigneten Hochschullehrerkandidaten werden ließen. Herr S. hat im Unterschied zu Frau A. eine Funktion ausgeübt, bei der er sogenannte Führungskompetenzen für eine gehobene Position an der Universität erwerben konnte. Auch der Gutachter von Herrn 201 Beide galten als Arbeiter- und Bauernkinder und begannen in den 1950er Jahren als Assistenten an der Pädagogischen Fakultät. Sie promovierten im gleichen Jahr und sollten sich beide bis 1968 habilitieren. Zu Herrn S. BArch, DR 3 / B 6983, zu Frau A. BArch, DR 3 / B 6970. 202 BArch, DR 3 / B 6983, Blatt 20. 83 S., Mitglied des Präsidiums des Bundesvorstandes des FDGB, beurteilte 1968 die gesellschaftliche Arbeit von Herrn S. in der Kommission „Einheitliches Bildungswesen“ beim Präsidium des FDGB sehr positiv.203 Im Unterschied dazu wurde die gesellschaftlich-politische Arbeit von Frau A. weder im Antrag auf Berufung zur Dozentin noch im dazugehörigen Gutachten 1969 erwähnt. Im Antrag schreibt der Sektionsdirektor lediglich: Sie entwickelte sich in der beruflichen und gesellschaftlichen Tätigkeit an unserer Universität zu einer geachteten sozialistischen Leiterpersönlichkeit.204 Aus diesem Satz ist nicht ersichtlich, daß sie überhaupt gesellschaftlich-politische Funktionen übernommen hatte. Sie selbst schreibt hingegen in ihrem Lebenslauf: Im Verlauf meiner gesellschaftlichen Entwicklung habe ich verschiedene Leitungsfunktionen in der FDJ, dem FDGB, der Partei und im Wohngebiet wahrgenommen. 205 Keine dieser Funktionen wurde im Antrag oder Gutachten aufgeführt. Ihrem Personalbogen ist zu entnehmen, daß sie als „Gewerkschaftsvertrauensmann“ im FDGB, als Leitungsmitglied in der FDJ und 1963 als „AWG HGL Mitglied“ fungierte.206 Aus der Aufzählung der Funktionen von Herrn S. und Frau A. geht hervor, daß sie sich auf verschiedenen Ebenen in der gesellschaftlich-politischen Hierarchie der Universität befanden. Die Tätigkeiten von Herrn S. bezeichnet der Sektionsdirektor hingegen als verantwortungsvoll. Damit bekommen sie einen wichtigen Stellenwert. Es ist offensichtlich, daß sich in dem hier geschilderten Beispiel der Umfang an gesellschaftlich-politischer Arbeit und die Wichtigkeit der Funktionen sowie die Beurteilung der Tätigkeiten auf die Karriereverläufe auswirkten. Hildebrandt kommt in ihrer Studie über Wissenschaftlerinnen im Hochschulwesen der DDR 1989 zu dem Resultat, daß Frauen im Vergleich zu Männern seltener verantwortungsvolle staatliche Funktionen übernahmen, und sich ihre gesellschaftlichen Funktionen an der Hochschule vor allem auf ihr unmittelbares Arbeitskollektiv, ihren Wissenschaftsbereich und ihre Sektion konzentrierten (dies. 1989:13). Hierin besteht eine Parallele zu dem eben vorgestellten Beispiel und zu den Ergebnissen über die Gruppe der Hochschullehrerinnen insgesamt, die ich untersuchte: Die Frauen der Untersuchungsgruppe agierten eher in der Abteilungsparteiorganisation (APO) der SED, d.h. auf der unteren Hierarchieebene. Auf etwas höherer 203 BArch, DR 3 / B 6983, Blatt 21. BArch, DR 3 / B 6970, Blatt 9. 205 BArch, DR 3 / B 6970, Blatt 3. 206 BArch, DR 3 / B 6970, Blatt 1f. 204 84 Hierarchieebene fungierten sie maximal als Mitglied in der Fakultäts- bzw. Sektionsgewerkschaftsleitung oder in der SED-Kreisleitung.207 Ihre gesellschaftliche und politische Aktivität wurde unterschiedlich und in einzelnen Fällen nicht immer sehr gut eingeschätzt: Die gesellschaftlich-politische Tätigkeit von Frau A. z. B. als Mitglied in der Hochschulgewerkschaftsleitung Berufungsverfahren zur Dozentin. Fakultätsgewerkschaftsleitung, Sektionsparteileitung, und der Frau thematisierte Frau K., man gar zeitweilig nicht Mitglied Abteilungsparteiorganisationsleitung L., zeitweilig stellvertretender im der und der Sekretär der Grundorganisation der SED, in der „Abt. Gewerkschaftsleitung“, stellvertretende Parteigruppenorganisatorin, galten als „stets“ gesellschaftlich aktiv. Der Sektionsdirektor schreibt in seinem Antrag auf Berufung zur Dozentin 1969 über die gesellschaftliche Arbeit von Frau K.: Kollegin Dr. […] hat ihre Aufgaben in Forschung, Lehre und Leitung der wissenschaftlichen Arbeit nicht zuletzt deshalb gut erfüllt, weil sie ständig gesellschaftliche Arbeit leistet und bemüht ist, die politische Arbeit an der Universität und im Wohngebiet voranzubringen.208 Frau L. bescheinigt der Sektionsdirektor 1970 in seinem Antrag auf Berufung zur Dozentin: Frau Dr. […] leistete in der gesamten Zeit ihrer Tätigkeit an der Universität aktive gesellschaftliche Arbeit in verschiedenen Funktionen in der Partei der Arbeiterklasse und in der Gewerkschaft. Sie zeichnet sich stets durch parteiliche Haltung, politische Klarheit und Einsatzbereitschaft aus.209 An beiden Beispielen wird deutlich, daß relativ kurze Ausführungen zur gesellschaftlichen Arbeit formuliert wurden, und keine Aspekte besonders hervorgehoben wurden, z.B. eine bestimmte Funktion oder das Ausmaß ihrer Aktivität in diesem Bereich. Den meisten Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe wurde jedoch eine „sehr umfangreiche“ oder „vorbildliche“ gesellschaftliche und politische Tätigkeit bescheinigt. Hierzu gehörten insbesondere die außerordentlichen und die ordentlichen Professorinnen. Die 7 sehr gut beurteilten Wissenschaftlerinnen waren: Stadtverordnete (Frau M., Frau H.), Mitglied der SED-Kreisleitung (Frau W.), Mitglied der SEDParteileitung/Lehrkörper (Frau S.), Mitglied der Fakultätsgewerkschaftsleitung (Frau 207 In den Wissenschaftsbereichen der Sektionen bestanden Parteigruppen der SED mit von diesen gewählten Parteigruppenorganisatorinnen/Parteigruppenorganisatoren, die der Sektionsparteileitung unterstellt waren. Diese Grundorganisationsleitung war wiederum der Kreisparteileitung rechenschaftspflichtig (Behrend 2003:19ff.) 208 BArch, DR 3 / B 11977, Blatt 18. 209 BArch, DR 3 / B 12118, Blatt 19. 85 V.), Mitglied der Leitung der SED-Grundorganisation (Frau W.), Mitglied der Leitung der APO/Lehrkörper (Frau B.), Mitglied der Abteilungsparteiorganisation (Frau B.), Parteigruppenorganisator (Frau W., Frau V.), stellvertretender Parteigruppenorganisator (Frau P., Frau L.), Gewerkschaftsvertrauensmann (Frau P.), Elternaktivvorsitzende (Frau H.), Vorsitzende des Frauenausschusses (Frau V.), in der Frauenkommission (Frau H.), Mitglied des Sektionsvorstandes für Pädagogische Psychologie (Frau P.), stellvertretende Vorsitzende des Bundesvorstandes des DFD (Frau W.).210 Ein anläßlich der Berufung von Frau W. zur Dozentin 1968 von Frau Prof. G. erstelltes Gutachten enthält folgende Einschätzung der gesellschaftlichen Arbeit von Frau W.: Die gesellschaftliche Arbeit von Frau Dr. […] ist außerordentlich umfangreich. Sie bezieht sich hauptsächlich auf die Tätigkeit des DFD. Frau Dr. […] ist stellvertretende Vorsitzende des Bundesvorstandes. Auch hier hat sie eine spezifische, eng mit ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit verbundene Arbeit gleistet [!]. Sie hat sich mit großer Energie für die Gleichberechtigung der Frau und deren praktischer Verwirklichung eingesetzt. Dabei hat sie immer beachtet und anderen die Tatsache bewußt gemacht, daß es nicht um eine Gleichberechtigung der Frau nur im beruflichen Leben geht. Frau Dr. […] ist immer zurecht davon ausgegangen, daß die Hauptproblematik der Gleichberechtigung in der sozialistischen Gesellschaft darin besteht, der Frau die Vereinbarung zweier entscheidender Lebensbereiche, nämlich der beruflichen und gesellschaftlichen Entwicklung mit den familiären Aufgaben zu ermöglichen.211 Im Unterschied zu Frau L. und Frau K. handelt es sich hierbei – auch entsprechend der höheren Hierarchieebene der gesellschaftlichen Tätigkeit als stellvertretende Vorsitzende des DFD – um eine ausführlichere Darstellung zu der gesellschaftlichpolitischen Arbeit von Frau W. Zudem formuliert die Gutachterin explizit, daß die Aktivität von Frau W. in diesem Bereich sehr umfangreich ist. Auch im Berufungsverfahren von 1974 wird mehrfach die umfangreiche gesellschaftliche Tätigkeit von Frau W. angeführt und im Antrag auf Berufung zur außerordentlichen Professorin auf einer dreiviertel Seite vorgestellt.212 Frau M.´s gesellschaftliche Arbeit wird ebenfalls hervorgehoben. Ein Gutachter formuliert anläßlich ihrer Berufung zur Dozentin 1968: Auf Grund ihres hohen politischen Bewußtseins und ihrer politischen Aktivität wurde sie mit wichtigen gesellschaftlichen Funktionen betraut. So war sie z.B. 1961-1965 Abgeordnete der Stadtbezirksversammlung Friedrichshain, und seit 1967 ist sie Abgeordnete der Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin und Vorsitzende der ständigen Kommission für Volksbildung.213 210 Eigene Zusammenstellung anhand der Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe. 211 BArch, DR 3 / B 6951, Blatt 66. 212 BArch, DR 3 / B 6951, Blatt 77, 78, 84. 213 BArch, DR 3 / B 12326, Blatt 39. Personalbögen der Berufungsakten von den 86 Der Gutachter benennt die Funktionen von Frau M. sehr genau, indem er sogar die Jahreszahlen angibt. Vier Jahre später stellte man Frau M. als Professorin ein. Im Berufungsverfahren (1972) wurde ihre gesellschaftlich-politische Tätigkeit sehr positiv beurteilt.214 Am folgenden Beispiel zu Frau P. wird deutlich, daß bei der gesellschaftlich-politischen Arbeit auch berücksichtigt wurde, welchen Verpflichtungen die Wissenschaftlerinnen zudem als Mütter nachzukommen hatten. Der Gutachter Prof. R. schreibt anläßlich der Berufung von Frau P. zur Dozentin 1970: Frau Dr. […] hat – obgleich Mutter von drei Kindern (geboren 1956, 1960 und 1962) – neben ihrer umfangreichen wissenschaftlichen Tätigkeit auch ein hohes Maß an gesellschaftlicher Aktivität gezeigt. Sie ist Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und hatte im Wohngebiet wie auch an der Universität in den letzten Jahren verschiedene Funktionen ausgeübt. Ihre lebendige Verbindung zur Schulpraxis kommt in ihrer Mitarbeit in mehreren Elternaktivs und auch als Leiterin von Elternseminaren zum Ausdruck.215 Hierin verweist der Gutachter auf die Lebens- und Arbeitssituation von Frau P. und bewertet vor diesem Hintergrund ihre gesellschaftliche Arbeit als sehr umfangreich. Damit erkannte der Gutachter die von ihr als dreifacher Mutter geleistete gesellschaftliche und politische Arbeit an und vermittelte dies dem Ministerium. Einem anderen Gutachten, das aus dem gleichen Anlaß entstand, ist genauer zu entnehmen, welche Tätigkeiten sie ausübte: „Vertrauensmann“ in der Gewerkschaft, Gruppenpionierleiterin im Wohngebiet und Vorsitzende des Elternaktivs.216 Diese gesellschaftlichen Tätigkeiten wurden in den beiden Gutachten zu Frau P. zwar nicht – wie im Fall von Herrn S. – als „verantwortungsvoll“ bezeichnet, aber dennoch sehr detailliert beschrieben und gewürdigt. Zugleich belegen die Gutachten sehr genau, daß und in welcher Weise Frau P. gesellschaftlich aktiv war. Da Frau P. 1971 ohne Einwand zur Dozentin berufen wurde, ist davon auszugehen, daß das MHF das Ausmaß und die Art ihrer gesellschaftlichen Arbeit akzeptierte und für eine Einstellung als Dozentin nicht unbedingt solch hohe Funktionen Voraussetzung waren, wie sie von Herrn S. oder Frau W. ausgeübt wurden. Wenn man die Berufungsakten zugrunde legt, war für die Berufung zur Dozentin bei den Frauen der Untersuchungsgruppe nicht ausschlaggebend, ob sie wichtige 214 Dort ist u.a. zu lesen: „Genossin Dr. […] besitzt als Abgeordnete und Vorsitzende der Ständigen Kommission Volksbildung eine große Autorität. […] In dieser ihrer gesellschaftlichen Arbeit genießt Genn. Dr. […] in der Sektion eine hohe Wertschätzung.“ (BArch, DR 3 / B 12326, Blatt 51). Und: „Umfangreich und intensiv ist ihre gesellschaftliche Aktivität.“ (BArch, DR 3 / B 12326, Blatt 55) 215 BArch, DR 3 / B 6967, Blatt 23. 216 BArch, DR 3 / B 6967, Blatt 26. 87 Funktionen in der SED und in Organisationen ausübten. Kein Antrag auf Berufung zur Dozentin wurde zurückgewiesen, weil die Kandidatin nach damaligem Maßstab ungenügend politisch aktiv war, oder ihre Funktion als zu unwichtig galt. Allerdings waren alle Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe Mitglied der SED, dies galt i.d.R. als unabdingbare Voraussetzung für eine wissenschaftliche Karriere in der DDR. Die wissenschaftliche Qualifikation bildete nicht die in den Berufungsakten sprachlich deutlich ablesbare Differenz zwischen den Dozentinnen und außerordentlichen bzw. ordentlichen Professorinnen, sondern eher die Einschätzung ihrer gesellschaftlichpolitischen Arbeit. Die außerordentlichen und ordentlichen Professorinnen wurden – wie an den Beispielen ausgeführt – im Unterschied zu denjenigen, die Dozentinnen blieben, tendenziell positiver in ihrer gesellschaftlich-politischen Tätigkeit eingeschätzt.217 6.6 Wirkung institutioneller Binnendifferenzierung und Umstrukturierung auf Hochschullehrerinnenkarrieren Im folgenden wird darauf eingegangen, was institutionelle Veränderungen und Neuerungen an der Pädagogischen Fakultät und Sektion Pädagogik für die Karrieren der Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe bedeuteten. Wie in Kapitel 4 ausgeführt wurde, war die Zeit der 1950er Jahre bis Anfang der 1970er Jahre an der Pädagogischen Fakultät, insbesondere am Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik, und an der Sektion Pädagogik durch institutionelle und personelle Expansion sowie durch Binnendifferenzierung und Umstrukturierung gekennzeichnet. Zur Binnendifferenzierung werden hier gezählt: die Errichtung von neuen Abteilungen bzw. Wissenschaftsbereichen sowie die Errichtung von Dozenturen und Lehrstühlen. Zu Umstrukturierungen zählen: die Umwandlung einer Abteilung in ein Institut oder auch umgekehrt sowie im Rahmen der 3. Hochschulreform die Verteilung von Instituten und Abteilungen der Pädagogischen Fakultät auf verschiedene Sektionen der HUB und die Verlegung eines Arbeitsfeldes an eine andere wissenschaftliche Einrichtung. In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, in welcher Weise die Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe 217 Von den Frauen der Untersuchungsgruppe, die Dozentin blieben, hatten Frau H., Frau L. und Frau A. habilitiert. Von den 5 Wissenschaftlerinnen, die zur außerordentlichen oder ordentlichen Professorin aufstiegen, wiesen Frau P. und Frau M. die Dissertation B auf. Zur wissenschaftlichen Qualifikation Kapitel 6.3 und 6.4 in dieser Arbeit. 88 auf ihrem Karriereweg von dem institutionellen Aus- und Umbau profitierten. Gefragt wird auch, wo hierbei Begrenzungen für ihre Karrieren entstanden. Im Zuge der im Kapitel 4 beschriebenen Erweiterung der Aufgaben an der Fakultät und der Umstrukturierungen 1956 und 1964 wurden neue Abteilungen geschaffen. Damit eröffneten sich für die Frauen der Untersuchungsgruppe Aufstiegsmöglichkeiten in leitende Funktionen. Bis auf Frau H. wurden alle Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe in leitenden Funktionen eingesetzt, wenn auch vorwiegend auf der untersten Leitungsebene, d.h. als Abteilungsleiterin bzw. (nach der 3. Hochschulreform) als Wissenschaftsbereichsleiterin. Von den 7 von ihnen geleiteten Arbeitsfeldern, waren 4 neu errichtet worden. Am Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik wurde 1956 die Abteilung Fernstudium errichtet, nachdem 1955 angeordnet worden war, das Fern- und Abendstudium an den Hochschulen aufzubauen.218 Die Leitung der Abteilung wurde Frau S. übertragen. Zu dieser Zeit stellte man sie als Oberassistentin ein und plante, sie mit der Wahrnehmung einer Dozentur zu beauftragen.219 Sie hatte zuvor 4 Jahre lang an diesem Institut in der Abteilung Geschichte der Pädagogik als Assistentin gearbeitet. Als 1964 im Zuge der angeordneten Reorganisation das Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik umgestaltet wurde, schuf man 5 neue Abteilungen. Kurz bevor das Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik reorganisiert werden sollte, wurde 1962 und 1963 im Frauenförderplan der Pädagogischen Fakultät festgehalten, daß besondere Aufmerksamkeit darauf zu lenken sei, Frauen in verantwortliche und leitende Funktionen zu integrieren.220 Unter diesen Umständen erhöhte sich die Zahl der Abteilungsleiterinnen von 1 (Frau S. seit 1956) auf 4: 3 der neu errichteten Abteilungen übergab man Wissenschaftlerinnen zur Leitung. Frau W. übernahm die Abteilung Familienpädagogik, Frau K. die Abteilung Vorschulpädagogik und Frau A. die Abteilung Betriebspädagogik. Frau W. gehörte zuvor zu der Abteilung Systematische Pädagogik. Dort arbeitete sie als Wahrnehmungsdozentin. Frau K. war zuvor als Oberassistentin in der Abteilung Fachpädagogik (des Instituts für Systematische Pädagogik und Geschichte der 218 Zum Aufbau des Fern- und Abendstudiums Budde 2003:149f. HU UA, Personalakte Sigrid Schwarz, Band I, Blatt 112, 116. 220 Der erste Entwurf für die Reorganisation des Instituts wurde im Dezember 1962 aufgesetzt (HU UA, Pädagogische Fakultät 1161, nicht paginiert: 1. Entwurf eines Vorschlags zur Reorganisation des Instituts für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik vom 17.12.1962). Das Vorhaben wurde 1964 realisiert. (Siehe auch Kapitel 4 in dieser Arbeit.) Zu den genannten Frauenförderplänen: HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Frauenförderplan vom 18.6.1962 und Ergänzung zu diesem Plan vom 12.3.1963. 219 89 Pädagogik) tätig. Frau A., zu der Zeit Oberassistentin, wechselte von der Abteilung Pädagogik der Berufsbildung des Instituts für Berufspädagogik in die Abteilung Betriebspädagogik (des Instituts für Allgemeine Pädagogik). Die Übernahme der Abteilungsleitung bedeutete für Frau S., Frau W., Frau K. und Frau A. einen kleinen „Karrieresprung“. Ähnlich wie bei den Abteilungsgründungen, eröffneten sich auch bei Dozenturen Aufstiegschancen für Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe, wenn neue Dozenturen geschaffen wurden. Die Errichtung der Dozenturen wurde von der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik zusammen mit der Berufung einer Kandidatin zur Dozentin beim MHF beantragt. Daraufhin wurden folgende Dozenturen vom MHF eingerichtet: die Dozenturen für Methodik der Unterstufe Deutsch (1968, Frau M.), für Familienpädagogik (1968, Frau W.), für Betriebspädagogik (1969, Frau A.), Vorschulpädagogik (1970, Frau K.) und Grundlagen der Pädagogik (1971, Frau L.).221 Frau B., Frau V., Frau P., Frau S. und Frau H. wurden als Dozentinnen eingestellt, ohne neue Dozenturen zu schaffen. 2 von ihnen, Frau B. und Frau V., wurden in Wissenschaftsbereichen als Dozentin eingesetzt, in denen kurze Zeit zuvor eine neue Dozentur geschaffen wurde (in Didaktik und in Vorschulpädagogik). Die Hälfte der Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe profitierte somit bei ihrer Karriere direkt von neu errichteten Dozentenstellen. Die Errichtung von Dozenturen für die Frauen der Untersuchungsgruppe wurde damit begründet, daß in Lehre und/oder Forschung der Bedarf für eine neue Dozentur vorhanden war bzw. die laut Perspektivplan steigenden - Aufgaben in der Ausbildung und Forschung dies verlangten. Anhand des Karriereweges von Frau M. und Frau L., die beide von den neu eingerichteten Dozenturen profitierten, läßt sich zeigen, daß die Ausgangskonstellation zur Zeit ihrer Berufung zur Dozentin aufgrund institutioneller Entwicklungen zunächst etwas problematisch aussah. Der Dekan der Pädagogischen Fakultät beantragte im April 1968 in einem Schreiben die Einrichtung einer Dozentur für das Fachgebiet Methodik der Unterstufe und die Berufung von Frau M. zur Dozentin zum 1.9.1968.222 Kurze Zeit später wurde beschlossen, die Sektion Pädagogik zu gründen. Der Berufungsakte von Frau M. ist zu entnehmen, daß zum Antragszeitpunkt noch nicht feststand, ob das von 221 Im Dokumentenanhang dieser Arbeit befindet sich – als ein Beispiel für solch einen Antrag – der für Frau W. gestellte Antrag auf „Errichtung einer Dozentur für das Fachgebiet Familienpädagogik an der Pädagogischen Fakultät und Gewährung einer Dozentur für Wahrnehmungsdozentin Frau […], Diesterweg-Institut, zum 1.9.1968“ vom 27.4.1968 (Dokument 5). 222 BArch, DR 3 / B 12326, Blatt 34. 90 ihre vertretene Fachgebiet an der HUB auch künftig eine Funktion haben würde. Entsprechend zögernd schreibt der Leiter der Kaderabteilung des MHF in seiner Stellungnahme zu diesem Antrag: Ich empfehle, den Antrag zurückzustellen bis zur Klärung der Profilierung der künftigen Sektion Pädagogik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Berufung wäre m. E. nur gerechtfertigt, wenn das Fachgebiet an der HUB künftig echte Ausbildungsaufgaben hat.223 Kurz darauf wurde jedoch die Berufung zur Dozentin mit der Begründung bewilligt, daß die Kandidatin in der Diplompädagogenausbildung bereits Lehrveranstaltungen in Methodik der Unterstufe „wahrgenommen“ hat und diese Ausbildungsform fortführen soll, wenn diese Ausbildung an der HUB wieder aufgenommen wird. Die geplante Verlegung des Arbeitsgebietes von Frau M. hatte also keine Nachteile auf ihre Karriere. Drei Jahre später, 1971, setzte der Direktor der Sektion Pädagogik für Frau M. den Berufungsantrag zur Professorin auf. Sie wurde dem Minister für Hoch- und Fachschulwesen nun als Professorin für „marxistisch-leninistische Erziehungstheorie“ vorgeschlagen.224 Daraus geht hervor, daß sie ihren Arbeitsschwerpunkt inzwischen gewechselt hatte. Dem Berufungsantrag, den der Direktor verfaßte, ist der Grund hierfür zu entnehmen: Seit einigen Jahren hat Genossin Dr. [M…] ihre Lehr- und Forschungsarbeit auf das Gebiet Erziehungstheorie verlegt. Der Wechsel des Arbeitsgebietes ergab sich vor allem aus der Tatsache heraus, daß die an der ehemaligen Pädagogischen Fakultät existierende Ausbildung von Diplompädagogen für das Gebiet Didaktik der Unterstufe nach Erfurt verlegt wurde. Da andererseits Genossin Dr. [M…] aus persönlichen Gründen nicht nach Erfurt übersiedeln konnte und die Sektion Pädagogik der Humboldt-Universität Genossin Dr. [M…] nicht verlieren wollte, wurde ihr eine Perspektive auf dem Gebiet der Erziehungstheorie eröffnet.225 Da der Arbeitsschwerpunkt von Frau M. an eine andere Universität verlegt worden war, ermöglichte ihr die Sektion, das Arbeitsgebiet zu wechseln. Auf diese Weise konnte sie ihre Karriere an der HUB fortsetzen. Der Sektionsdirektor vermittelt, daß die Sektion an Frau M. als Wissenschaftlerin sehr interessiert war – dies offenbar auch angesichts fehlender Frauen als Professorinnen an der Sektion Pädagogik. Es sei hier noch einmal das Zitat des Sektionsdirektors angefügt, das sich auf die Berufung von Frau M. bezieht: Sehr ungünstig ist die Situation noch bei den Professoren. Gegenwärtig haben wir keine Frau als Professor. Durch sehr gezielte Maßnahmen konnte erreicht werden, daß Kollegin Dr. […] ihr S.c.-Verfahren erfolgreich abschloß und nun mehr ein 226 Antrag auf ihre Berufung als Professor eingereicht werden konnte. 223 BArch, DR 3 / B 12326, Blatt 45. BArch, DR 3 / B 12326, Blatt 48. 225 BArch, DR 3 / B 12326, Blatt 49. 226 HU UA, Sektion Pädagogik 2224, nicht paginiert: Bericht des Sektionsdirektors über Frauenförderung 1972. Siehe Kapitel 5.5 in dieser Arbeit. 224 91 Die strukturelle Veränderung (Verlegung des eigentlichen Arbeitsgebietes von Frau M.) zog somit keinen Nachteil für den Aufstieg von Frau M. nach sich, weder zu dem Zeitpunkt, als ihre Berufung zur Dozentin und die Dozentur für Methodik der Unterstufe beantragt wurde, noch nachdem ihr Arbeitsschwerpunkt tatsächlich nach Erfurt verlegt worden war. Im Vergleich zu allen anderen Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe stieg sie trotz dieses Wechsels am schnellsten auf, innerhalb von 11 Jahren von der wissenschaftlichen Mitarbeiterin zur Professorin.227 Im Unterschied zu den bisher für die HUB bekannten Beispielen von Ilse Jahn (Biologie) und Marianne Friedländer (Afrikanistik), auf deren Karrieren sich die 3. Hochschulreform nachteilig auswirkte, konnte Frau M. ihre Laufbahn zügig bis zur Professur fortsetzen, obwohl ihr Arbeitsschwerpunkt verlegt wurde.228 Auch Frau L. konnte an der Sektion nicht in ihrem ursprünglichen Arbeitsschwerpunkt weiterarbeiten. Bis zur 3. Hochschulreform war sie in der Abteilung Geschichte der Pädagogik tätig. Auf diesem Gebiet hatte sie sich auch habilitiert. Als für sie 1970 der Antrag auf Berufung zur Dozentin eingereicht wurde – verbunden mit dem Antrag, eine Dozentur für Grundlagen der Pädagogik zu schaffen – arbeitete sie als Oberassistentin und Leiterin in der Abteilung Fernstudium. In ihrem Lebenslauf schreibt sie 1970, daß sie nicht – wie einst geplant – als Dozentin für Geschichte der Pädagogik ernannt werden konnte, weil die Lehrverpflichtungen der Abteilung Geschichte der Pädagogik verringert worden waren.229 Allerdings eröffnete sich für Frau L. auf einem anderen Arbeitsgebiet die Möglichkeit Dozentin zu werden. Das geht aus ihrer Aussage hervor: Da nun die Sektion auf dem Gebiet der Grundlagen der Pädagogik und Bildungspolitik die Lehrverpflichtungen mit eigenen Kräften nicht erfüllen kann, wurde mir vorgeschlagen, diese Lehrgebiete zu übernehmen, die ja eng mit der Geschichte der Erziehung verbunden sind. 230 Im Antrag, der 1970 vom Sektionsdirektor gestellt wurde, bestätigt sich die Aussage von Frau L. und der Direktor bringt den Bedarf für eine Dozentur wie folgt zum 227 Im Vergleich zu zwei Professoren, die Nachfolger der ersten Hochschullehrergeneration waren, und nach 11 Jahren berufen wurden, erreichte sie die Professur genauso schnell. Sie stieg sogar schneller auf als mancher Professor. Ein Betriebspädagoge benötigte zum Beispiel 17 Jahre (BArch, DR 3 / B 6983, Blatt 3f. u. 39) und ein Professor für Geschichte der Pädagogik, ein Nachfolger der ersten Hochschullehrergeneration, 20 Jahre (BArch, DR 3 / B 6968, Blatt 1f. u. 51). Alle 4 gehörten zu den Männern, die z. T. zum Vergleich in dieser Arbeit herangezogen wurden. 228 Zu Jahn und Friedländer siehe Kapitel 2.2 in dieser Arbeit. 229 Vgl. zur wechselnden Relevanz des Arbeitsbereiches Geschichte der Pädagogik im Rahmen der Lehrerausbildung Günther 1994:119 u. Cloer 1998:106ff. Diese wechselnde Bedeutsamkeit des Fachgebiets beeinflußte m. E. u. a. die Laufbahn von Frau L. und stand hinter ihrem Wechsel von Geschichte der Pädagogik zu Grundlagen der Pädagogik. 230 Barch, DR 3 / B 12118, Blatt 9. 92 Ausdruck: Für die Ausbildungsaufgaben der Sektion ist es dringend notwendig, eine Dozentur für die Grundlagen der Pädagogik und Bildungspolitik zu einzurichten.231 Es wird nur kurz begründet, warum diese Dozentur errichtet werden soll, aber sie wird als besonders dringlich dargestellt. Eine dauerhafte Lösung bildete die Arbeit auf dem neuen Fachgebiet für Frau L. nicht. Das ist daran abzulesen, daß sie 1972 an die APW umberufen wurde. Dort vertrat sie als Dozentin wieder das Fachgebiet Geschichte der Pädagogik.232 Zu Frau L. kann man festhalten, daß sie unabhängig davon, ob in ihrem eigentlichen Arbeitsschwerpunkt Geschichte der Pädagogik eine Dozentur möglich war, dem Perspektivplan gemäß als Dozentin eingestellt wurde, indem sie dem Bedarf der Sektion entsprechend umgelenkt wurde. Angesichts der schlechten Chancen in ihrem ursprünglichen Fach, der Geschichte der Pädagogik, erwies sich dieser Bedarf im neuen Bereich Grundlagen der Pädagogik für die Karriere von Frau L. als günstig. Unter den Bedingungen der Umstrukturierung und Errichtung neuer Dozenturen trafen in diesem Fall nach der 3. Hochschulreform Problem und Lösung in günstiger Weise zusammen. Sowohl für Frau M. als auch für Frau L. eröffnete sich ein Karriereschritt an der Sektion, obwohl in ihrem eigentlichen Arbeitsschwerpunkt zu einer bestimmten Zeit kein Bedarf für eine Hochschullehrerin vorhanden war. Ihre Berufung zur Dozentin und zur Professorin war auch dem jeweiligen Personalbedarf in anderen Fachgebieten und der staatlich geförderten Frauenförderung geschuldet. Während die Errichtung von Dozenturen für Frauen als ein günstiger Umstand für die Karrieren der Untersuchungsgruppe einzuschätzen ist, stellt sich die Situation im Bereich der Professuren anders dar. Für die Vorschulpädagogik und Familienpädagogik, zwei relativ neue Arbeitsgebiete, plante die Sektion seit der 3. Hochschulreform, einen Lehrstuhl errichten zu lassen. Das Vorhaben wurde mehrfach in den Sektionsplänen festgehalten, aber nicht realisiert.233 Die an der Sektion geplanten Professuren, für die nur Wissenschaftlerinnen in Frage kamen, weil in diesen Wissenschaftsbereichen ausschließlich Frauen arbeiteten, wurden an der Sektion nicht etabliert. Hingegen 231 BArch, DR 3 / B 12118, Blatt 19. Der Rektor der HUB begründete in seinem Schreiben an den Minister für Hoch- und Fachschulwesen vom 13.3.1972 die Umberufung von Frau L. damit, daß Frau L. und ein Mann, der von der APW auf ihre Stelle wechseln sollte, „künftig eine Tätigkeit leisten [sollen], die ihrer bisherigen Kaderentwicklung, ihren speziellen Kenntnissen und den Bedürfnissen beider Einrichtungen [der HUB und der APW] besser entsprechen“ (BArch, DR 3 / B 12118, Blatt 31; Einfügung B.R.). 233 HU UA, Sektion Pädagogik 2224, nicht paginiert: Konzeption über die Entwicklung einzelner Wissenschaftsbereiche der Sektion Pädagogik vom 12.1.1972 u. HU UA, Rektorat 873, Blatt 125 u. HU UA, Rektorat I 850, Blatt 93. 232 93 wurden beispielsweise für die ebenfalls relativ neuen Arbeitsfelder Betriebspädagogik (1970) und Allgemeine Pädagogik (1974) an der Sektion Lehrstühle eingerichtet. Diese Lehrstühle wurden allerdings mit (männlichen) Wissenschaftlern besetzt, so daß diese im Unterschied zu den Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe in neueren Arbeitsgebieten sehr wohl bis zum Professor aufsteigen konnten. So eröffnete sich für Frau V. (Vorschulpädagogik) erst 1979, deutlich nach ihrer Umberufung an die APW, der Aufstieg zur ordentlichen Professorin für Vorschulpädagogik.234 Somit konnte sie erst 10 Jahre, nachdem das erste Mal die Planung eines Lehrstuhls für dieses Arbeitsgebiet schriftlich fixiert worden war, die Professur übernehmen. Hierdurch wurde das Tempo der Karriere von Frau V. deutlich verlangsamt. Sie benötigte immerhin 19 Jahre von der Einstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin bis zur Professorin. Frau W. mußte nicht die Einrichtung wechseln, um weiter aufzusteigen. 1974 wurde sie an der Sektion zur außerordentlichen Professorin berufen.235 Im Unterschied zu Frau V. erhielt sie auf diese Weise keinen Lehrstuhl. Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die beschriebene Binnendifferenzierung am Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik sowie die Errichtung neuer Dozenturen Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre eine wesentliche Voraussetzung für Karrieremöglichkeiten von Wissenschaftlerinnen an der Pädagogischen Fakultät und Sektion Pädagogik darstellten. In zwei Fällen zeigten sich Karrieregrenzen für Wissenschaftlerinnen der Untersuchungsgruppe an der Sektion Pädagogik, weil die geplanten Lehrstühle für Familienpädagogik und Vorschulpädagogik nicht eingerichtet wurden. Dies erwies sich als Barriere für einen weiteren Aufstieg an der Sektion. Ohne den Stellenausbau hätte auch die tatsächlich realisierte Frauenförderung nicht so erfolgreich sein können, und ohne freie oder neue Stellen hätte wahrscheinlich auch die laut Jessen für Karrieren so bedeutsame SED-Mitgliedschaft keinen Aufstieg ermöglicht. 234 BArch, DR 3 / B 12165, Blatt 58ff. BArch, DR 3 / B 6951, Blatt 87. – Laut der HBVO konnten Hochschuldozenten, die sich in Forschung, Ausbildung, Erziehung und Weiterbildung sowie bei der Leitung wissenschaftlicher Kollektive hervorragend bewährt hatten in Anerkennung ihrer Leistungen und Verdienste zu außerordentlichen Professoren berufen werden (Gesetzesblatt der DDR, Berlin 1968, Teil II, Nr. 127, S. 998f.). Diejenigen behielten ihre bisherige Planstelle bei und erhielten eine Gehaltserhöhung (Burkhardt/Scherer 1997:287). 235 94 7 Karrierechancen von Hochschullehrerinnen: Günstiger als erwartet und doch begrenzt – Resümee und Ausblick In der vorliegenden Arbeit wurden die Karrieren von Wissenschaftlerinnen an der Pädagogischen Fakultät bzw. der späteren Sektion Pädagogik der Humboldt Universität Berlin von 1950 bis 1975 untersucht. Im Mittelpunkt standen die Chancen und Grenzen, stand Beförderndes wie auch Hemmendes des wissenschaftlichen Aufstiegs für Frauen in der DDR der damaligen Zeit. Betrachtet wurden die Aufstiegschancen und die Barrieren für Wissenschaftlerinnen – zum einen anhand der allgemeinen universitären Rahmenbedingungen in der DDR nach 1945 bis in die 1970er Jahre und zum anderen anhand der konkreten Situation der Fakultät/Sektion Pädagogik an der HUB. Durch den spezifischen Blick auf einen Ausschnitt des Hochschulwesens der DDR, den Bereich Pädagogik, konnte an einer Universität, der HUB, durch die Untersuchung einer Gruppe von Hochschullehrerinnen ein differenzierteres Bild zu den Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen gewonnen werden, als dies in allgemeineren Forschungen bisher möglich war. Auch die Analyse von Aktenmaterial zu personellen und institutionellen internen Vorgängen und Entwicklungen an der Fakultät/Sektion Pädagogik erlaubte eine differenzierte Bewertung der Situation von Wissenschaftlerinnen in jener Zeit. Vor diesem Hintergrund bestätigten sich zum Teil bisherige Erkenntnisse zu Karrieremöglichkeiten und Karrierewegen von Frauen an DDR-Universitäten, andere wurden aber auch relativiert. In den Nachkriegsjahren zeigten sich an der Pädagogischen Fakultät der Universität Berlin/HUB relativ gute Karrierechancen für Frauen – auch für Professuren. Danach gab es kaum größere Karrieremöglichkeiten für Wissenschaftlerinnen an dieser Einrichtung bis Mitte der 1960er Jahre. Frauen rangierten eher auf der Ebene der Abteilungsleiterinnen. Trotz dieser „Karrieren im Kleinen“, kann man die Zeit der Pädagogischen Fakultät bis 1968 als potentiell “karriereeröffnende” Zeit bezeichnen, weil die Fakultät in dieser Zeit institutionell und personell stark expandierte, neue Abteilungen und damit auch zu besetzende Leitungspositionen entstanden. Karriereöffnend war nicht zuletzt die ab 1961 einsetzende staatliche Frauenförderung, die forderte, Frauen verstärkt in Leitungspositionen zu bringen und sie 95 dementsprechend bei der Habilitation zu unterstützen. Hier blieb es zunächst bei den Forderungen. Erst mit der Gründung der Sektion Pädagogik 1968 gab es für Frauen einen kleinen Karriereschub. Hier ist zu konstatieren: In Zeiten sich verändernder struktureller Rahmenbedingungen brach für Frauenkarrieren nicht die große Stunde des Aufstiegs an, aber es eröffneten sich neue Aufstiegschancen. Frauen konnten in begrenztem Umfang Karriere als Hochschullehrerin und Leiterin machen. Vor allem bei den Dozenturen gab es eine Veränderung zugunsten von Frauen. Für die ordentlichen Professuren und höhere Leitungspositionen war eine solch deutliche Wandlung nicht festzustellen. Die Untersuchungsergebnisse zu Karrierebedingungen und -verläufen von Frauen verweisen sowohl auf Hindernisse wie auch auf Förderliches. Hürden zeichneten sich für Frauen beim Übergang von der Assistentin zur Oberassistenz, bei der Qualifikation zur Habilitation sowie beim Zugang in höhere Leitungspositionen ab. Begünstigend waren sowohl an der Fakultät (nach 1945) wie auch der Sektion (nach 1968) strukturelle Veränderungen, die neue Arbeitsfelder eröffneten. Die universitäre Frauenförderung gab durchaus positive Impulse für die wissenschaftliche Qualifikation von Frauen und trug dazu bei, Frauen stärker als zuvor für die Laufbahn als Hochschullehrerin einzuplanen. Gleichzeitig fanden sich Hinweise auf die Erfolglosigkeit staatlicher Frauenförderung. Als beachtlich zu bewerten ist, daß es in jenen Jahren in der DDR (im Unterschied zur damaligen Situation an bundesdeutschen Hochschulen) überhaupt zur Einrichtung von Frauenförderplänen kam, und man somit immerhin die Förderung von Frauen in der Wissenschaft als staatlich bzw. gesellschaftlich relevantes Ziel proklamierte. Daß Frauenförderung, wie Jessen feststellt, in der ideologischen und auch faktischen Prioritätensetzung hinter der Arbeiter- und Bauernförderung und der entsprechenden sozialen Umstrukturierung der Universitäten zurückstehen mußte, kann als ein Hemmnis für den Zugang von Frauen zur Hochschullehrerschaft gelten. Jessen leitet davon die Erfolglosigkeit der universitären Frauenförderung in der DDR ab. Diese pauschale negative Bewertung der universitären Frauenförderung in der DDR ist durch die Ergebnisse meiner Untersuchung jedoch zu relativieren. Denn ein interessanter Befund der Untersuchung ist: Auch wenn die Zahl der Habilitationen bei Frauen nicht ausreichend war und auch etwa die Hälfte der von mir untersuchten Hochschullehrerinnen eines der wichtigen Ziele der Frauenförderung, die Habilitation 96 abzuschließen, nicht oder sehr spät erreichten, so hatte dies gleichzeitig jedoch keinerlei negative Konsequenzen für ihre Karriereentwicklung. Die meisten der untersuchten Wissenschaftlerinnen erreichten zwar das Ziel nicht vor ihrer Berufung zur Dozentin, aber insgesamt 5 von 10 Wissenschaftlerinnen wurden bei ihrer Versetzung in den Ruhestand bzw. ihrer Emeritierung als Dr. habil. bzw. Dr. sc. verabschiedet. Insofern erwies es sich – auch in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der quantitativen Analyse – für die Berufung zur Dozentin und zur außerordentlichen Professorin als irrelevant und für die Berufung zur ordentlichen Professorin nicht unbedingt als relevant, ob sie die Habilitation fertiggestellt hatten oder nicht. Wichtig und deshalb nicht zu unterschätzen ist m.E. vor allem die Tatsache, daß diese Wissenschaftlerinnen auf ihrem Weg zur Hochschullehrerin – vor ihrer Berufung zur Dozentin oder Professorin – im Rahmen der aufgestellten Frauenförderpläne für die wissenschaftliche Qualifizierung zur Hochschullehrerin eingeplant waren. Die universitäre Frauenförderung gab folglich durchaus positive Impulse für die wissenschaftliche Qualifikation von Frauen und trug dazu bei, Frauen stärker als zuvor in die Laufbahn als Hochschullehrerin zu bringen. Auch die Benachteiligungen von Frauen aufgrund der von Jessen und Budde behaupteten höheren Leistungsanforderungen bei Frauen, kann so nicht bestätigt werden. Für die Frauen der Untersuchungsgruppe, wie auch für die aus der Akteneinsicht gewonnenen Daten, ist festzustellen, daß Frauen ohne diese wissenschaftliche Qualifikation als Dozentinnen, bzw. in einem Fall sogar als Professorin, eingestellt wurden. Dieses in der vorliegenden Arbeit gewonnene Ergebnis widerspricht zugleich dem Befund von Jessen, wonach die Universitäten der DDR eher bereit waren, Frauen zu habilitieren, als sie dann auch für die Berufung zur Dozentin und Professorin einzuplanen. Eher wäre noch weiter zu fragen, ob nicht sogar die von Jessen konstatierte im Vergleich zu den Naturwissenschaften niedrige Habilitationsrate von Professoren und Dozenten in den Gesellschaftswissenschaften sich als günstig für Frauen in ihrem „nichthabilitierten“ Aufstieg erwies. Entgegen der Auffassung Buddes profitierte die von mir untersuchte Gruppe von Wissenschaftlerinnen insofern sehr wohl von den veränderten Zugangsbedingungen zur Hochschullehrerschaft, wie sie in der neuen Berufungsverordnung (HBVO) im Zuge der 3. Hochschulreform verankert wurden. Bei den Berufungen zur Dozentin wirkten sich höhere Leistungsanforderungen an Wissenschaftlerinnen unter den damaligen Umständen nicht in der Form aus, daß eher habilitierte bzw. B-promovierte Frauen als 97 Dozentin neu von der Sektion vorgeschlagen wurden. Die Habilitation/Dissertation B galt nicht als Voraussetzung für eine Berufung zur Dozentin/zum Dozenten oder zur Professorin/zum Professor, während die Lehrbefähigung, eine Art kumulative Bestätigung politischer, pädagogischer und fachlicher Kompetenzen, zum eigentlichen Berufszugangszertifikat wurde. Diese geringere Bedeutung der Habilitation und der höhere Stellenwert „politischer Kompetenzen“ glichen m. E. bei der Untersuchungsgruppe das weniger gute Ergebnis der Frauenförderung bei der wissenschaftlichen Qualifikation aus. Ohne den Bedeutungsverlust der Habilitation für die Hochschullehrerlaufbahn und ohne die Praxis an der Sektion (und an der APW), auch Wissenschaftlerinnen bei fehlender Qualifikation für die Berufung zur Dozentin (und ordentlichen Professorin) vorzuschlagen, hätte das Ergebnis der wissenschaftlichen Qualifikation im Rahmen der Frauenförderung allerdings ungünstigere Konsequenzen nach sich ziehen können. Die Frage, ob, wie Jessen konstatiert, Frauen in der Wissenschaft höhere “politische Leistungen”, als Männer erbringen mußten, um Hochschullehrerin zu werden, ließ sich im Rahmen dieser Arbeit nicht klären. Zwar wiesen in der konkreten Untersuchungsgruppe alle Frauen die SED-Mitgliedschaft auf – ein für die Gesellschaftswissenschaften sicher nicht ungewöhnliches Ergebnis – allerdings war aus dem Aktenstudium nicht explizit ersichtlich, ob die Übernahme leitender politischer Funktionen (vgl. auch Maul) ausschlaggebend dafür war, die untersuchten Wissenschaftlerinnen zur Dozentin zu berufen. Deutlich wurde, daß sich eine aktive gesellschaftliche Tätigkeit der Wissenschaftlerinnen für den Aufstieg als relevant zeigte. Als eindeutig karrierefördernd für Frauen erwiesen sich universitäre strukturelle Veränderungen, die mit der Errichtung neuer Abteilungen und Dozenturen einhergingen. So zeigt das Untersuchungsbeispiel am Institut für Systematische Pädagogik, daß Nachwuchswissenschaftlerinnen dann, wenn neue Abteilungen entstanden und Leitungspositionen besetzt werden mußten, gute Aufstiegschancen hatten. Für diese Frauen erwies sich zum einen als karriereförderlich, daß sie genau zu jener Zeit zum wissenschaftlichen Nachwuchs zählten, als Frauen Anfang der 1960er Jahre im Rahmen der hier einsetzenden staatlichen und universitären Frauenförderung verstärkt unterstützt werden sollten. In den Frauenförderplänen wurde festgelegt, Frauen verstärkt für verantwortungsvolle und leitende Funktionen zu berücksichtigen und einzuplanen. Zum Zugangsvoraussetzungen anderen zur profitierten sie Hochschullehrerschaft, von da den sie auch veränderten ohne die 98 Habilitation/Dissertation B für eine neu errichtete Dozentur in Frage kamen. Die Frauen dieser Wissenschaftlerinnengeneration, so zeigt auch die Untersuchungsgruppe, befanden sich hier faktisch zur rechten Zeit am richtigen Ort. Budde konstatiert, daß in der Pädagogik der DDR Anfang der 1960er Jahre sehr wenige Professorinnen lehrten. Heute zählt die Erziehungswissenschaft in Deutschland zu jenen Wissenschaftsbereichen, in denen die Gleichstellung von Frauen im Vergleich zu anderen Fachgebieten relativ weit fortgeschritten ist. In der Professorenschaft sind Wissenschaftlerinnen allerdings immer noch deutlich unterrepräsentiert (Schenk 2000:99). Inwiefern sich die Pädagogische Fakultät und Sektion Pädagogik in dem hier untersuchten Zeitraum hinsichtlich der aufgestiegenen Wissenschaftlerinnen von anderen Fakultäten/Sektionen der HUB positiv oder negativ abhebt, wäre noch zu ermitteln. Die Basis für diesen Vergleich könnte mit Hilfe weiterer Studien zu Karrieren von Wissenschaftlerinnen an anderen Einrichtungen der HUB geschaffen werden. Es wäre darüber hinaus interessant zu ermitteln, ob im Zuge erneuter institutioneller und personeller Umstrukturierungen nach 1989 ein weiterer Karriereschub für Wissenschaftlerinnen am Institut für Erziehungswissenschaften der HUB erfolgte, und inwieweit sich diese Entwicklung für ost- bzw. westdeutsche Wissenschaftlerinnen differenziert vollzog. 99 Abkürzungen ABF Arbeiter- und Bauernfakultät APW Akademie der Pädagogischen Wissenschaften (der DDR) a. o. Prof. außerordentlicher Professor/außerordentliche Professorin BArch Bundesarchiv DDR Deutsche Demokratische Republik DFD Demokratischer Frauenbund Deutschlands DPZI Deutsches Pädagogisches Zentralinstitut DSF Deutsch Sowjetische Freundschaft FDGB Freier Deutscher Gewerkschaftsbund HBVO Hochschullehrerberufungsverordnung HGL Hochschulgewerkschaftsleitung HUB Humboldt-Universität zu Berlin HU UA Humboldt-Universität Universitätsarchiv Inst. Institut LS Lehrstuhl MfV Ministerium für Volksbildung MHF Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen mL mit Lehrauftrag mvL mit vollem Lehrauftrag o. Prof. ordentlicher Professor/ordentliche Professorin SBZ Sowjetische Besatzungszone SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SHF Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland UGL Universitätsgewerkschaftsleitung WB Wissenschaftsbereich WS Wintersemester ZK Zentralkomitee ZV Zentralvorstand 100 Tabellen Tabelle 1. Überblick über Anordnungen, Maßnahmen, Berichte und Beratungen, die die universitäre Frauenförderung betrafen.236 Jahr Maßnahmen/Anordnungen/ Berichte/Beratungen 1961 - Kommuniqué „Die Frau – der Frieden und der Sozialismus“ – offizielles Ziel: reale Chancengleichheit der Frauen erreichen und die gesellschaftliche Rolle der Frauen im Beruf und bei der Lenkung und Leitung des Staates erhöhen, offizielle Forderung: Voreingenommenheiten und Schwierigkeiten, die die Entwicklung der Frauen beeinträchtigen, überwinden und den Anteil der Frauen an mittleren und leitenden Funktionen systematisch erhöhen sowie Maßnahmen einleiten, die das Leben der berufstätigen Frauen erleichtern. 1962 - Beschluß des Ministerrates der DDR über die Aufgaben der Staatsorgane zur Förderung der Frauen und Mädchen - Beschluß des Ministerrates der DDR zur Unterstützung der berufstätigen Mütter bei der Unterbringung ihrer Kinder in Kindereinrichtungen 1964 - Berichterstattung über Erfahrungen und Probleme gewerkschaftlicher Interessenvertretung der Frauen an den wissenschaftlichen Einrichtungen. - Präsidium des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft beschloß: „Die gewerkschaftlichen Aufgaben zur Einbeziehung der Mitwirkung der Frauen und Mädchen bei der Ausarbeitung und Verwirklichung des Wissenschaft, des Perspektivplanes“. 1965 - Frauenkonferenz des ZV der Staatssekretariats für das Hoch- Gewerkschaft und Fachschulwesen und des Frauenausschusses der Karl-Marx-Universität. Die Konferenz beriet über Möglichkeiten und Wege zur weiteren Verbesserung der Frauenförderung. 236 Der Überblick wurde anhand der Anlage „Zur Entwicklung der Frauen in der wissenschaftlichen Arbeit von 1949 bis zur Gegenwart“ von Hildebrandt und eines späteren Textes über Wissenschaftlerinnen in der DDR von ihr zusammengestellt (dies. 1989:46ff. und dies. 2000:169ff.). 101 - Publikation des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft „Die Aufgaben der Universitäten und Medizinischen Akademien bei der Verwirklichung der Frauenförderung im Perspektivplan“. - Empfehlungen des SHF und des Präsidiums des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft zentrale Perspektivpläne der Frauenförderung bis 1970 zu erarbeiten. - Beratung des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft mit den Vorsitzenden der gewerkschaftlichen Frauenkommission der wissenschaftlichen Einrichtungen (Magdeburg). - Habilitationsaspirantur für die Frauenförderung. - Anordnung über die Aus- und Weiterbildung von Frauen in der DDR für 1966 technische Berufe und die Vorbereitung für den Einsatz in leitende Tätigkeiten. - Frauensonderstudium an den Fachschulen. - Beschluß des Ministerrates der DDR über die weitere Forschung zu Problemen der Entwicklung und Förderung der Frauen und Mädchen in der DDR - 9. Tagung des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft beriet über „Probleme der gewerkschaftlichen Arbeit mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs“. Dabei wurde die Rolle der leitenden Wissenschaftler und Hochschullehrer für die Entwicklung des Nachwuchses unterstrichen, insbesondere für die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen. - An den Ingenieur- und Fachschulen fanden gemeinsame Beratungen des SHF und des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft mit den Direktoren, Betriebsgewerkschaftsleitungs-Vorsitzenden und Vorsitzenden der Frauenausschüsse dieser Einrichtungen zu Fragen der Frauenförderung statt. 1967 - Anordnung des MHF der DDR zur Ausbildung von Frauen in Sonderklassen an Fachschulen der DDR. - Anordnung zur Qualifizierung von wissenschaftlich ausgebildeten Frauen in einer Sonderaspirantur an Universitäten und Hochschulen. - Das MHF und der ZV der Gewerkschaft Wissenschaft orientierten in gemeinsamen Empfehlungen darauf, die Perspektivpläne der Einrichtungen 102 bis 1980 mit Frauenförderungsplänen für den gleichen Zeitraum zu verbinden. - Zentrale Frauenkonferenz des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft und der Universitätsgewerkschaftsleitung der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock: „Die Frau in der Wissenschaft – aktuelle Probleme der Entwicklung der Frau an der modernen Universität“. 1969 - Massenkontrolle der Arbeiter - und - Bauern - Inspektion, der Gewerkschaften und der FDJ über die Verwirklichung der Anordnung über die Aus- und Weiterbildung der Frauen in technischen Berufen und ihre Vorbereitung auf den Einsatz in leitenden Funktionen. - 2. Frauenkongreß - Durchführung von Sonderlehrgängen für Frauen, die für staatliche Leitungsfunktionen vorgesehen waren. 1970 - Broschüre „Frauen in der 3. Hochschulreform“ erschien. - Funktionärskonferenz des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft zu den weiteren Aufgaben der Organisation bei der umfassenden Förderung der Frauen in Akademien und Hochschulen. 1971 - Der Minister für Hoch- und Fachschulwesen und der 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft berieten mit Hochschullehrern und Vorsitzenden von Frauenausschüssen über Probleme der Frauenförderung an den Universitäten. - Der Minister für Hoch- und Fachschulwesen berichtete dem Präsidium des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft über Probleme der Frauenförderung, insbesondere des wissenschaftlichen Nachwuchses. 1972 - Erlaß der Anordnung über die wissenschaftliche Aspirantur (Aspirantenordnung). - Beratung des Sekretariats des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft mit aktiven weiblichen Gewerkschaftsfunktionären anläßlich des 20. Jahrestages der Bildung der Frauenauschüsse. 103 1975 1978 - Verordnung über die schrittweise Einführung der 40-Stunden-Woche Frauenkommission des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft beriet mit Vorsitzenden der Frauenausschüsse der Universitäten und Hochschulen sowie mit Wissenschaftlerinnen über die Wirksamkeit staatlicher und gewerkschaftlicher Maßnahmen zur schnelleren Entwicklung der Frauen als Hochschullehrerinnen. 1980 - Erfahrungsaustausch des ZV der Gewerkschaft Wissenschaft mit Vorsitzenden von Frauenausschüssen wissenschaftlicher Einrichtungen über die Wirksamkeit staatlicher und gewerkschaftlicher Maßnahmen zur zielstrebigen Entwicklung von Frauen für die wissenschaftliche Arbeit und zu Hochschullehrerinnen. 104 Tabelle 2. Überblick über den Frauenanteil und die Anzahl der Frauen in der Hochschullehrerschaft 1954, 1962,1965237: Frauenanteil in der Hochschullehrerschaft der DDR (in %) Fakultäten der DDR Universitäten 1954 1962 1965 Prof. Doz. Prof. Doz. Prof. Doz. Pädagogische 238 7,8 9,1 Philosophische 5,5 Wirtschaftswissenschaftliche, Juristische, Journalistische, ML 5,0 10,3 5,4 11,5 21,7 7,7 6,9 10,3 4,8 4,8 8,7 5,4 6,1 2,4 4,5 Theologische 3,2 50 5,7 23,1 5,0 40 Technische 0 0 0 2,8 0,4 1,1 Mathematisch-Naturwissenschaftliche 0,8 3,3 2,8 3,8 2,7 4,3 Medizinische 2,4 2,4 2,5 6,4 4,5 4,1 Land-, Forstwirtschaftliche, Veterinärmedizinische 1,0 0 2,3 0 2,1 3,3 Anzahl der Frauen in der Hochschullehrerschaft der DDR Fakultäten der DDR Universitäten 1954 Prof. 1962 1965 Doz. Prof. Doz. Prof. Doz. Pädagogische 47:4239 50:5 19:1 35:4 35:2 69:9 Philosophische 103:6 36:10 131:11 162:12 139:16 138:7 Wirtschaftswissenschaftliche, Juristische, 40:2 63:6 105:6 295:19 163:4 317:15 Theologische 30:1 1:1 33:2 10:3 38:2 3:2 Technische 62:0 5:0 243:0 70:2 235:1 92:1 Mathematisch-Naturwissenschaftliche 124:1 29:1 212:6 75:3 284:8 111:5 Medizinische 81:2 40:1 193:5 102:7 213:10 117:5 Land-, Forstwirtschaftliche, Veterinärmedizinische 101:1 15:0 125:3 56:0 Journalistische, ML 93:2 29:1 237 Diese Tabellen wurden anhand der Tabellen von Jessen zusammengestellt (ders. 1999:390 u. 463ff.). Für das Jahr 1962 enthält diese Zeile (laut Jessen) die Daten für die Fakultäten Berlin und Dresden und für 1965 die Daten von den Pädagogischen Abteilungen und Sport. 239 Links stehen die Zahlen der Männer, rechts die Zahlen der Frauen (Mann:Frau). 238 105 Tabelle3 3a. Verteilung der Geschlechter auf die Institute der Pädagogischen Fakultät 1951/52 bis 1967/68240 Institute der Pädagogischen Fakultät Systemat. Pädagogik241 WS243 1951/52 1953/54 1955/56 1957/58 1959/60 1961/62 1963/64 1965/66 1967/68 240 m244 5 7 10 21 33 39 36 32 31 w245 1 4 6 11 20 20 20 18 16 Unterrichts- MusikKunstmethodik erziehung erziehung m 5 18 18 26 29 28 32 38 37 w 5 7 14 14 8 10 11 10 9 m 4 15 16 27 24 29 20 18 16 w 0 6 10 9 9 11 5 6 8 m 7 8 8 9 12 15 12 12 12 w 1 2 3 4 5 5 4 3 4 KörperSondererziehung schulwesen m 16 16 5 9 14 14 19 18 16 w 7 8 5 5 4 2 5 5 8 m 6 6 10 10 9 16 19 19 20 w 4 3 3 5 2 5 5 8 11 BerufsKabinett pädagogik f. Gewi242 m w m W 7 8 9 9 14 17 15 16 2 2 1 1 1 1 2 1 7 14 14 18 10 12 4 4 5 8 5 5 Polytechnik Pädagogische Psychologie m w m w 13 15 12 12 13 1 1 1 2 1 8 3 5 8 3 4 8 11 106 Eigene Erhebung anhand der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät der HUB. Es wurden alle Personen erfaßt, die als wissenschaftliches Personal des jeweiligen Instituts im Personalverzeichnis der Pädagogischen Fakultät aufgeführt waren, d.h.: vom Professor bis zum Assistenten und wissenschaftlichen Mitarbeiter, von der Professorin bis zur Assistentin und wissenschaftlichen Mitarbeiterin. 241 An den fett markierten Instituten stieg die Zahl der Frauen deutlich an. 242 Es handelt sich um das Kabinett für Gesellschaftswissenschaften. 243 Für die Aufstellung wurde ein Abstand von zwei Jahren gewählt. 244 Anzahl der Männer am Institut. 245 Anzahl der Frauen am Institut. Tabelle4 3b. Anteil der Frauen am wissenschaftlichen Personal an den Instituten der Pädagogischen Fakultät 1964, 1965, 1966 in %246 1964 1965 1966 Fakultät 27 28 30 Diesterweg-Institut247 38 38 35 Inst. f. Berufspädagogik 15 12 19 Inst. f. Körpererziehung 27 25 32 Inst. f. Kunsterziehung 21 25 25 Inst. f. Musikerziehung 17 24 27 Inst. f. Päd. Psychologie 54 57 66 Inst. f. Polytechnik 13 13 7 Inst. Sonderpädagogik 30 30 37 Inst. f. Unterrichtsmethodik 21 21 22 246 Die Tabelle wurde einer Akte über Frauenförderung an der Pädagogischen Fakultät entnommen und durch Daten ergänzt, die aus dem Text der gleichen Akte für das Jahr 1964 hervorgingen (HU UA, Pädagogische Fakultät 1479, nicht paginiert: Bericht über den Stand der Frauenförderung vom 31.1.1967). 247 Einst Institut für Systematische Pädagogik und Geschichte der Pädagogik genannt. 107 Tabelle5 4. Verteilung von Frauen und Männern auf Leitungspositionen an der Pädagogischen Fakultät der HUB 1946/47 bis 1967/68248 Position und Jahr Dekan Prodekan m252 m Institutsdirektor/in249 m w Stellvertretende/r Institutsdirektor/in250 m w Abteilungsleiter/in251 m w 1946/47 1947/48 1 4 1948/49 1 4253 1949/50 1 4 1950/51 1 1 4 1951/52 1 1 6 2 1952/53 1 1 6 2 1953/54 1 1 6 2 10 3 1954/55 1955/56 1 1 1 7 5 1 1 10 10 3 3 1956/57 1 1 7 16 2 1957/58 1 1 8 18 4 1958/59 1 1 9 17 3 1959/60 1 N.N.254 9 1 18 4 1960/61 1 1 8 1 21 3 1961/62 1 1 9 1 20 4 1962/63 1 2 9 1 18 6 1963/64 1 2 8 1 21 5 1964/65 1965/66 1 1 2 2 9 9 1 2 1255 20 24 5 8 1966/67 1 2 9 6 2256 33 5 1967/68 1 2 9 8 3 36 7 248 Auf der Basis der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät nach eigenen Erhebungen erstellt. Nicht an allen Instituten war das Direktorenamt immer besetzt. Zum Teil handelte es sich um kommissarische Direktoren. 250 Diese Funktion existierte erst seit HS 1959/60. 251 Zum Teil handelte es sich um eine/n kommissarische/n Leiter/in. 252 m steht für männlich, w für weiblich. 253 Zahl für das Sommersemester 1949. 254 Das Amt war zu diesem Zeitpunkt nicht besetzt. 255 Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeine Pädagogik. 256 Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Allgemeine Pädagogik und eine Professorin am Institut für Sonderschulwesen. 249 108 Tabelle6 5a. Verteilung von Frauen und Männern im Lehrkörper der Pädagogischen Fakultät der HUB 1946/47 bis 1967/68257 WS/ Jahr 1946/47 1947/48 1948/49 1949/50 1950/51264 1951/52 1952/53 1953/54 1954/55 1955/56 1956/57 1957/58 1958/59 1959/60 1960/61 1961/62 1962/63 1963/64 1964/65 1965/66 1966/67 1967/68 257 WProfessor/inn/en258 Professorinnen und Professoren LS mvL mL gesamt m w m w m w m w 4 - 3 7 6 - 2 1 8 1 3 - 5 1 8 1 2 - 4 - 3 2 9 2 ges 7 9 9 11 m 3 3 4 3 4 6 7 6 5 4 2 1 1 1 3 3 3 13 14 17 15 16 15 17 16 13 11 12 10 9 12 12 13 17 3 2 2 3 2 2 2 1 - - 4 4 5 5 5 5 6 5 3 3 4 3 3 4 2 3 4 1 1 1 1 1 1 1 1 1 - 3 4 4 3 3 2 2 3 3 3 5 5 4 6 6 6 8 2 2 3 3 3 2 2 2 1 1 1 1 2 10 11 13 11 12 13 15 14 11 10 11 9 8 11 11 12 15 3 3 4 4 4 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 2 w - ges 3 2 2 3 2 2 2 1 - Dozent/inn/en259 m w g 17263 4 1 3 1 - 20 5 1 2 2 2 2 3 2 4 4 5 8 8 9 11 9 10 7 7 1 2 2 2 1 1 2 1 2 3 2 2 3 2 4 4 5 8 10 11 13 10 11 9 8 WDozent/inn/en260 m 4 5 6 7 5 4 7 10 14 12 13 16 14 11 11 11 11 w 1 1 2 2 2 2 2 3 2 3 2 2 2 2 2 1 1 ges 5 6 8 9 7 6 9 13 16 15 15 18 16 13 13 12 12 Lehrbeauftragte Lektor/inn/en261 Gesamt m 18 w 4 m w ges 28 36 9 8 ges 22262 (20) 37 44 m 25 25 40 46 w 4 4 11 10 ges 29 29 51 56 39 26 34 49 62 67 76 64 93 94 123 87 66 61 89 73 65 13 13 15 17 16 14 15 16 16 30 33 17 14 14 29 20 26 52 39 49 66 78 81 91 80 109 124 156 104 80 75 118 93 91 7 8 16 6 6 8 6 13 13 13 12 15 13 12 12 12 5 7 8 6 6 5 5 7 8 10 7 6 6 7 7 8 12 15 24 12 12 12 11 20 21 23 19 21 19 19 19 20 58 53 65 88 89 95 112 99 136 137 168 133 114 105 133 115 110 17 23 28 31 28 24 24 26 27 42 48 29 25 24 40 31 88 75 76 93 119 117 119 136 125 163 179 216 162 139 129 173 146 148 Die Tabelle wurde anhand der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät der HUB nach eigenen Erhebungen erstellt. Seit Sommersemester 1950 wurden Männer aufgeführt, die mit der Wahrnehmung einer Professur beauftragt waren. 259 Seit Sommersemester 1948 wurden Dozenten extra zusammengestellt. 260 Personen, die mit der Wahrnehmung einer Dozentur beauftragt wurden, standen seit 1951/52 im Personalverzeichnis. 261 Lektoren und Lektorinnen wurden erst ab 1952/53 im Personalverzeichnis aufgeführt. 262 Zwischen Lehrbeauftragten und Lektoren wurde in diesem Semester nicht differenziert. 263 Dozenten und Lehrbeauftragten wurde in diesem Semester zusammen aufgelistet. 264 Das Personal- und Vorlesungsverzeichnis stand in der Bibliothek für Wissenschaftsgeschichte der HUB nicht zur Verfügung. 258 109 Tabelle7 5b. Zahl der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer an der Pädagogischen Fakultät der HUB 1946/47 bis 1967/68265 WS/ Jahr 1946/47 1947/48 1948/49 1949/50 1950/51 1951/52 1952/53 1953/54 1954/55 1955/56 1956/57 1957/58 1958/59 1959/60 1960/61 1961/62 1962/63 1963/64 1964/65 1965/66 1966/67 1967/68 265 WProfessor/inn/en266 Professorinnen und Professoren LS mvL mL gesamt m w m w m w m w 4 - 3 - - 7 6 - - - 2 1 8 1 3 - - - 5 1 8 1 2 - 4 - 3 2 9 2 ges 7 9 9 11 m 3 3 4 3 4 6 7 6 5 4 2 1 1 1 3 3 3 13 14 17 15 16 15 17 16 13 11 12 10 9 12 12 13 17 3 2 2 3 2 2 2 1 - - 4 4 5 5 5 5 6 5 3 3 4 3 3 4 2 3 4 1 1 1 1 1 1 1 1 1 - 3 4 4 3 3 2 2 3 3 3 5 5 4 6 6 6 8 2 2 3 3 3 2 2 2 1 1 1 1 2 10 11 13 11 12 13 15 14 11 10 11 9 8 11 11 12 15 3 3 4 4 4 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 2 w - ges 3 2 2 3 2 2 2 1 - Dozent/inn/en267 m w g 17269 4 1 3 1 - 20 5 1 2 2 2 2 3 2 4 4 5 8 8 9 11 9 10 7 7 1 2 2 2 1 1 2 1 2 3 2 2 3 2 4 4 5 8 10 11 13 10 11 9 8 WDozent/inn/en268 Gesamt m w ges m 7 8 12 10 w 1 2 2 ges 7 9 14 12 4 5 6 7 5 5 7 10 15 12 13 16 14 11 11 11 11 1 1 2 2 2 2 2 3 2 3 2 2 2 2 2 1 1 5 6 8 9 7 7 9 13 17 15 15 18 16 13 13 12 12 19 20 23 23 21 22 28 29 30 30 32 34 33 31 32 30 33 4 5 6 6 6 4 4 5 4 4 5 5 5 4 4 4 4 23 25 29 39 27 26 32 34 34 34 37 39 38 35 36 34 37 Die Tabelle wurde anhand der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät der HUB nach eigenen Erhebungen erstellt. Seit Sommersemester 1950 wurden Männer aufgeführt, die mit der Wahrnehmung einer Professur beauftragt waren. 267 Seit Sommersemester 1948 wurden Dozenten extra zusammengestellt. 268 Personen, die mit der Wahrnehmung einer Dozentur beauftragt wurden, standen seit 1951/52 im Personalverzeichnis. 269 Zwischen Dozenten und Lehrbeauftragten wurde in diesem Semester nicht unterschieden. 266 110 Tabelle8 5c. Entwicklung der Zahl der Professoren, Professorinnen und Emeriti an der Pädagogischen Fakultät der HUB 1946 bis 1967270 Jahr271 1946/47 1947/48 1948/49 1949/50 1950/51273 1951/52 1952/53 1953/54 1954/55 1955/56 1956/57 1957/58 1958/59 1959/60 1960/61 1961/62 1962/63 1963/64 1964/65 1965/66 1966/67 1967/68 270 Professor/inn/en und Emeriti mit Lehrstuhl w m m em272 4 6 3 2 3 3 4 3 4 6 7 6 5 4 2 1 1 1 3 3 3 1 1 2 3 4 3 3 3 2 2 w em mit vollem Lehrauftrag m m w em 3 w em 4 4 4 5 5 5 5 6 5 3 3 4 3 3 4 2 3 4 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 4 4 4 3 5 5 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 mit Lehrauftrag m m em w 2 5 3 1 1 2 3 4 4 3 3 2 2 3 3 3 5 5 4 6 6 6 8 2 2 3 3 3 2 2 2 1 1 1 1 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 w em gesamt m 7 8 8 9 1 1 1 1 1 1 1 1 1 10 11 13 11 12 13 15 14 11 10 11 9 8 11 11 12 15 Die Tabelle wurde anhand der Personalverzeichnisse der Pädagogischen Fakultät der HUB nach eigenen Erhebungen erstellt. Jeweils Wintersemester und nach der 2. Hochschulreform Herbstsemester. 272 m = männlich, em = emeritiert, w = weiblich. 273 Das Personal- und Vorlesungsverzeichnis stand in der Bibliothek für Wissenschaftsgeschichte der HUB nicht zur Verfügung. 271 m em 1 1 1 2 2 2 3 4 5 6 7 9 8 8 9 8 8 w w em ges 1 1 2 7 9 9 11 3 3 4 4 4 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 2 13 14 17 15 16 15 17 16 13 11 12 10 9 12 12 13 17 1 1 1 1 2 2 2 2 3 3 3 3 ges em 1 1 1 2 2 3 4 5 7 8 9 11 10 11 12 11 11 111 Tabelle9 6. Berufungen von Frauen und Männern zu Dozenten und Professoren zwischen 1968 und 1976 an der Pädagogischen Fakultät/Sektion Pädagogik274 Position Honorardozent/in Jahr m w 275 Sept. 1968 Dozent/in m 6? 276 a. o. Professor/in w 2 m 1 w 278 1 2 +2?280 Sept. 1969 1281 Feb. 1970 1282 Sept. 1970 1283 Feb. 1971 3285 2284 1286 Sept. 1971 1288 1287 2289 Sept. 1972 1290 Feb. 1974 1 +1?292 1291 1? 1?293 1294 Sept. 1974 1 +1?295 1296 Feb. 1975 1297 Sept. 1976 Gesamt w 279 Feb. 1969 Feb. 1972 m 277 o. Professor/in 1 7 (+9?) 9 (+1?) 1 (+1?) 2 5 (+1?) 1 274 Die Daten wurden mit Hilfe der Hauszeitung der HUB zusammengestellt. Dort wurden i. d. R. in den September- und Februarausgaben die berufenen Dozentinnen/Dozenten und Professorinnen/Professoren in der Rubrik Berufungen aufgeführt. Es ging nicht eindeutig hervor, ob diejenigen an der Sektion Pädagogik arbeiteten. Aus diesem Grund gibt es fragliche Fälle, in denen u. a. nicht klar ist, welches Gebiet diejenigen vertraten. 275 Da die Sektion erst im Oktober geschaffen wurde, handelt es sich noch um die Pädagogische Fakultät. 276 Methoden der Betriebsökonomie, Körperbehindertenpädagogik, Planung und Leitung des Volksbildungswesens, zweimal Methodik des Deutschunterrichts, Methodik des Chemieunterrichts. Höchstwahrscheinlich gelangte keiner in die Sektion Pädagogik als Hochschullehrer. Im Verzeichnis der Sektion Pädagogik aus dem Jahr 1971/72 standen diejenigen nicht. 277 Familienpädagogik, Methodik Unterstufe Deutsch. 278 Hochschulpädagogik. 279 Vergleichende Pädagogik. 280 Zwei Dozenten für Methodik des polytechnischen Unterrichts, Pädagogik der Jugend- und Kinderorganisation, Didaktik. Die Methodiker arbeiteten wahrscheinlich nicht an der Sektion. 281 Betriebspädagogik. 282 Vorschulerziehung. 283 Didaktik. 284 Geschichte der Pädagogik, Betriebspädagogik. 285 Grundlagen der Pädagogik, Vorschulerziehung, Pädagogische Psychologie. 286 Geschichte der Pädagogik. 287 Pädagogische Psychologie. 288 Grundlagen der Pädagogik. 289 Theorie der Planung und Leitung der Volksbildung, Betriebspädagogik. 290 Grundlagen der Pädagogik. 291 Erziehungstheorie. 292 Bildungsökonomie, Hochschulpädagogik. Es ist nicht sicher, daß der Bildungsökonom an der Sektion eingestellt wurde. 293 Vergleichende Pädagogik. Es ist nicht sicher, daß diejenige an der Sektion eingestellt wurde. 294 Familienpädagogik. 295 Allgemeine Pädagogik, Polytechnik. Es ist nicht sicher, ob der Professor für Polytechnik an der Sektion Pädagogik berufen wurde, weil dies nicht der Hauszeitung zu entnehmen war. 296 Hochschulpädagogik. 297 Didaktik. 112 Tabelle107. Struktur und kadermäßige Besetzung der Sektion Pädagogik 1975298 Wissenschaftsbereich ordentlicher Dozent wissenschaftliche Professor Ist -> Soll Mitarbeiter 1 -> 2 2 -> 2 5 -> 5 2 (1 F) -> 2 - -> 1 5 -> 4 Didaktik 1 -> 2 1 (1 F) -> 1 6 -> 5 Geschichte der Erziehung 1 -> 1 1 -> 1 4 -> 4 Vergleichende Pädagogik -->- 1 -> 1 2 -> 2 Leitung und Planung - -> - 1 -> 1 4 -> 1 Pädagogische Psychologie 2 -> 2 2 (1 F) -> 3 13 -> 12 Pädagogik der Kinder- und - -> 1 1 -> 1 4 -> 4 Sozialpädagogik - -> 1 - -> 1 3 -> 3 Vorschulpädagogik - -> 1 2 (2 F) -> 1 3 -> 6 Familienpädagogik299 - -> 1 1 (1F) -> - 2 -> 2 Hochschulpädagogik - -> 1 1 -> 2 6 -> 10 Betriebspädagogik 2 -> 2 3 (1F) 3 14 -> 14 Polytechnik 2 -> 2 2 -> 3 22 -> 21 Informationszentrum - - - -> - 2 -> 2 Pädagogisches - - - -> 1 3 -> 3 Ist -> Soll Allgemeine Pädagogik Erziehungstheorie Jugendorganisation Laboratorium 298 Die Daten von zwei Tabellen einer Akte wurden hier zu einer Tabelle zusammengefügt (HU UA, Rektorat I 850, Blatt 111 und 112: Perspektivplan der Sektion Pädagogik höchstwahrscheinlich von 1975). In der Akte wurde nicht nach Geschlecht differenziert. Soweit bekannt wurde in Klammern bei den Hochschullehrern angeführt, wie viele Frauen (F) davon als Hochschullehrerin an der Sektion arbeiteten. 299 Wie aus der gleichen Akte hervorging, sollte Familienpädagogik erst wieder als eigener Wissenschaftsbereich eingeführt werden (ebd. Blatt 93). 113 Tabelle118. Gesamtzahl der Professoren und Dozenten an verschiedenen Sektionen der HUB 1969300 Sektion Mathematik Physik Chemie Biologie Geographie Elektronik Psychologie Rehabilitation Pflanzenproduktion Gartenbau Tierproduktion/Veterinärmedizin NGW/LT301 Wirtschaftswissenschaften ÖKOF302 Philosophie Marxismus-Leninismus Geschichte Rechtswissenschaft Kriminalistik Asienwissenschaften Ästhetik Pädagogik Sportwissenschaft Theologie Germanistik Fremdsprachen Zwischensumme Medizinischer Bereich Gesamt Frauenanteil an der HUB Frauenanteil an Universitäten im DDR-Durchschnitt Ordentliche Professoren gesamt davon Frauen 11 11 10 7 2 4 3 3 5 2 4 7 23 2 10 1 16 1 6 3 13 1 13 1 14 1 3 4 10 5 1 8 1 17 2 221 14 51 4 272 18 6,6% 3,4% Dozenten gesamt davon Frauen 6 8 1 11 1 3 2 4 3 4 2 5 1 12 10 15 4 7 1 7 3 19 6 8 2 13 4 2 1 1 5 11 1 3 5 10 3 2 186 30 42 9 228 39 17,1% 8,8% 300 Die Daten wurden einer Aufstellung aus dem Jahr 1970 entnommen, die den Stand vom 30.11.1969 wiedergab. Die Daten zu den wissenschaftlichen Mitarbeitern gehörten dazu, wurden hier aber nicht aufgenommen (HU UA, Rektorat II 970, nicht paginiert: Vorlage zur Kollegiumssitzung des Rektors am 5.8.1970 Anlage 4a). 301 Nahrungsgüterwirtschaft/Lebensmitteltechnologie. 302 Ökonomische Kybernetik und Operationsforschung. 114 Dokumente Dokument 1: Schreiben zur Frauenförderung an den Prorektor (1965) 115 116 Quelle: HU UA, Pädagogische Fakultät 1160, nicht paginiert 117 Dokument 2: Bericht zur Habilitation von Frau W. (1965) 118 119 120 121 Quelle: HU UA, Pädagogische Fakultät 1152, nicht paginiert 122 Dokument 3: Gutachten zu Frau A. (1968) 123 Quelle: BArch, DR 3 / B 6970, Blatt 10f. 124 Dokument 4: Gutachten zu Herrn S. (1968) 125 Quelle: BArch, DR 3 / B 6983, Blatt 22f. 126 Dokument 5: Antrag auf Berufung zur Dozentin (Frau W.) 127 Quelle: BArch, DR 3 / B 6951, Blatt 63f. 128 Quellen- und Literaturverzeichnis Quellen Gedruckte Quellen BI Handlexikon in zwei Bänden. Herausgegeben von der Lexikonredaktion des VEB Bibliographisches Institut Leipzig. Leipzig 1983. Gesetzesblatt der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin 1968. Teil II. Nr. 127. Jahresverzeichnis der deutschen Hochschulschriften. 81. – 91 Jg. Personal- und Vorlesungsverzeichnisse der Humboldt-Universität 1946/47-1967/68. Universitätszeitung „Humboldt-Universität. Organ der SED Kreisleitung“ 1968-1976. Verzeichnis der Humboldt-Universität zu Berlin. Sektion Pädagogik. Berlin o. J. (1971/72). Ungedruckte Quellen Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin (HU UA): Pädagogische Fakultät: 645, 646, 647, 648, 649, 653, 679, 1151, 1152, 1160, 1161, 1479. Sektion Pädagogik: 2224. Rektorat: I 233/2, I 281, I 581, I 790, II 816, II 838, I 850, I 873, II 970 . Verwaltungsdirektor: I 71, I 112. Personalakten: Erna Dreiack, Edith Heise, Ingrid Hunold, Elise Reichwaldt, Sigrid Schwarz. Bundesarchiv Berlin (BArch): Berufungsakten: DR 3 / B 349, 446, 6938, 6951, 6967, 6968, 6970, 6983, 10475, 11079, 11977, 12118, 12165, 12326, 13216. Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen: DR 3 2. Schicht / 1478. Archiv der Abteilung Historische Erziehungswissenschaft des Instituts für Erziehungswissenschaft an der HUB: Ordner 28. 129 Literatur Arrieta, Karin u.a.: Untersuchungen zur Karriereplanung von Wissenschaftlerinnen. Rostock 2001. Ausstellungsgruppe an der Humboldt-Universität zu Berlin und Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung (Hg.): Von der Ausnahme zur Alltäglichkeit. Frauen an der Berliner Universität unter den Linden. Berlin 2003. Behrend, Hanna: Demokratische Mitbestimmungsrechte unter DDR-Bedingungen. Die ambivalenten Strukturen an den Universitäten. Berlin 2003. Berthold, Rudi u.a. (Hg.): Die Humboldt-Universität. Gestern – Heute – Morgen. 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