2015-06-06_HAB_Heike_Linde
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4 REISE&ENTDECKEN HamburgerAbendblatt Sonnabend/Sonntag, 6./7. Juni 2015 HEIKE LINDE -LEMBKE D ie See ist ruhig. Ein steter Wind bläst von Südost, bläht die Segel und treibt den Windjammer voran. Es ist acht Uhr morgens auf der „Sea Cloud II“, und der Großsegler kreuzt elegant durchs Mittelmeer. Erstes Ziel der Fahrt von Rom bis Lissabon ist Bonifacio an der Südspitze Korsikas. Kapitän Christian Pfenninger lädt beim Sonnenuntergang seine 74 Kreuzfahrtgäste zum Begrüßungs-Cocktail an Deck. Der Schweizer verspricht eine ruhige See – zumindest bis Bonifacio. Die 117 Meter lange und 16 Meter breite „Sea Cloud II“ ist die größte Dreimastbark der Welt. Der Großmast misst 57 Meter über Deck. Die Matrosen setzen bei 23 Segeln 2758 Quadratmeter Segeltuch – von Hand. MutterYacht ist die 84 Jahre alte „Sea Cloud“, nach der die Bark 2001 gebaut wurde. 47 Außenkabinen stehen für die Passagiere bereit. Fast 70 Frauen und Männer Besatzung betreuen die Gäste, vom Käpt’n über die Offiziere bis zur Hotelmanagerin Elisabeth Vogel, Kreuzfahrt-Direktorin Lisa Huijsers und Wein-Sommelier und Maître d’Hôtel Tarkan Kesebir. Zum Team gehört auch Daniel Göhler, Chef de Cuisine. Der Koch aus Mainz fährt seit drei Jahren auf der Yacht. „Meistens habe ich sechs Wochen Urlaub, doch in der letzten Woche werde ich kribbelig und muss wieder auf See“, sagt Göhler, der sich im Restaurant der Villa Mittermeier in Rothenburg o. T. und im Landhaus Wachtelhof in Rotenburg/Wümme seinen Feinschliff holte. Göhler sorgt für Furore unter den Gästen, als er ein Sashimi von einem Gelbflossen-Thunfisch am Lido-Deck serviert. „Ich habe in den Häfen meine Agenten, die mir das bei den Händlern besorgen, was ich brauche“, sagt Göhler. Einer von ihnen habe im Hafen von Civitavecchia den Gelbflossen-Thunfisch mit einem Gesamtgewicht von 53 Kilo für ihn angeln können. Ein Glücksfall, den die Gäste an Bord gern goutieren. Die Hafen-Einfahrt von Bonifacio im Süden Korsikas kommt näher. Weiße Kreidefelsen, grüne Hügel, tiefblauer Himmel und ein ebensolches Meer – eine Traumkulisse! Anziehungspunkt ist neben der gut erhaltenen mittelalterlichen Altstadt mit den Kirchen Sainte Marie Majeure und Sainte Dominique aus dem 14. Jahrhundert der Seefahrer-Friedhof mit den typisch südlichen Mausoleen auf der Festung, die einen Blick bis Sardinien bietet. Der Ortsname geht auf den toskanischen Grafen Bonifacio II. zurück, der das Städtchen 828 gründete. 1768 bereitete Napoleon hier seine Eroberung Sardiniens vor. Auch Karl V. war hier, ebenso wie Odysseus. Hinter dem Ballermann auf Mallorca lockt eine Bergwelt mit Orangenhainen Still gleitet die „Sea Cloud II“ aus der Bucht von Bonifacio hinein in den Sonnenuntergang, vorbei an geheimnisvollen Grotten, die das Wasser in Jahrtausenden in die Kreidefelsen gegraben hat. In Bonifacio ist Abtauchen in die Romantik angesagt. Nicht allerdings für die Crew. Die bereitet das Käpt’ns Begrüßungsdinner vor, unter anderem mit Wachtel- und Entenbrüstchen, Fenchelsalat, Sorbet aus Cassis, aufgefüllt mit Champagner. Dazu Mondschein über den Masten. Ankunft auf Sardinien. Die „Sea Cloud II“ ankert vor Alghero, und mit den Tender-Fahrten hinüber zum kleinen Hafen ist Abenteuer angesagt. Hohe Wellen bringen die Nussschale nicht nur mächtig ins Schaukeln, sondern duschen auch noch die Passagiere. Als Entschuldigung gibt es später an Bord eine Flasche Champagner. Alghero mutet an wie ein Piratennest, lockt wieder mit einer sehenswerten Altstadt, die Mit einem Aperitif genießen die Gäste die romantische Abendstimmung an Deck und den Sonnenuntergang Wilde Küsten und legendäre Orte: eine luxuriöse Reise mit der Dreimastbark „Sea Cloud II“ zum Bummeln durch kleine Geschäfte einlädt. Bunt mag es Alghero, beispielsweise am Hochaltar der Chiesa del Francesco, der aus farbigem CarraraMarmor gebaut ist, aber auch mit Kirchenkuppeln aus bunten Schieferschindeln. Und skurril mag es Alghero, wohl die einzige Hafenstadt, die ein Hundegefängnis aufweisen kann, dazu noch fünfeckig. Das ist heute allerdings nicht mehr in Betrieb, im Gegensatz zur Fischereihalle, in der gar schauerlich aussehendes Meeresgetier zu bewundern ist, allesamt Delikatessen. Das Mittelmeer gilt als Gewässer, das schon mal unruhig werden kann. Nicht selten gibt es Windstärke 8, besser: Beaufort 8, so genannt nach dem englischen Admiral Sir Francis Beaufort. So begrüßt Spanien die „Sea Cloud II“, doch als die stolze Bark in den Hafen von Mahon auf Menorca einläuft, hat der Himmel schon wieder blaue Segel gesetzt. Menorca ist eine Rundfahrt über die grünen Hügel mit ihren Windmühlen wert, ein Spaziergang führt durch die beschaulichen Gassen der Altstadt. Sehenswert ist die Festung La Mola, in der seit Neuestem Veranstaltungen stattfinden, beispielsweise für die Passagiere der „Sea Cloud II“, für die der Reiseveranstalter Windrose, der das Kreuzfahrtschiff gechartert hat, ein Gitarrenkonzert und eine Pferdedressur mit Menorquiner Rappen organisiert. Höhepunkt soll die Lauf-Courbette sein, bei dem die Pferde auf den Hinterläufen tanzen. Die große Schwester Mallorca wartet, die größte der Balearen-Inseln. In Palma werden die Gäste der „Sea Cloud“ von der imposanten Kathedrale La Seu begrüßt, der Kathedrale Heilige Maria, die ab 1230 auf den Mauern einer ehemaligen Moschee aus der Maurenzeit erbaut wurde. Doch gleich hinter der Stadt mit ihrem BallermannFirlefanz lockt eine wundersame Bergwelt mit Johannisbrot-, Mandel-, Orangen-, Oliven- und Zitronenhainen, eine blühende Landschaft mit Ginster und Mohn, schroffen Felsen, versteckten Fincas und geduckten Dörfern. Valldemossa ist das Ziel, das Refugium von Frédéric Chopin und seiner Geliebten, der Schriftstellerin George Sand. Über Serpentinen geht die Tour weiter nach Deià und dem berühmten Lochfelsen Sa Foradada. „Wenn du das Paradies ertragen kannst, dann komm nach Mallorca“, sagte einst die amerikanische Schriftstellerin Gertrude Stein zu ihrem britischen Kollegen Robert Graves. 1929 folgte er ihrem Rat und machte Deià zum Künstlertreff. In Palma arbeitete auch der Künstler Joan Miró, dem ein Museum gewidmet ist. Zurück geht’s übers Mittelmeer zum Festland Spaniens. Valencia heißt „die Schöne“, und diese Stadt ist unser nächster Hafen. Valencias Altstadt wird behutsam restauriert. Die Gassen mit Ein Törn von Barcelona nach Nizza ab 2225 Euro FRANKREICH Sea Cloud II: Der Segler fährt unter maltesischer Flagge und ist ein Windjammer der Hamburger Schifffahrtsgesellschaft Sea Cloud Cruises. Reisen: Portsmouth – Oslo, 14. bis 22. Juni, ab 3565 Euro. Stopp in Hamburg am 18. Juni. Barcelona – Nizza, 9. bis 13. September, ab 2225 Euro. Weitere Segeltörns: z. B. windrose.de (Die Reise wurde unterstützt von Windrose-Finest Travel.) Atlantik ITALIEN Korsika Bonifacio PORTUGAL Lissabon Menorca Valencia Alghero SPANIEN Málaga Cádiz M itte Rom Mahon l er me Palma Sardinien Mallorca 200 km Grafik: fh Afrika Meer erleben Die Matrosen setzen die 23 Segel des Schiffs von Hand Die 47 Außenkabinen sind klassischelegant eingerichtet ihren vielen Cafés und Restaurants laden zum Genießen ein, und ganz nebenbei bieten sakrale Bauten wie die Kathedrale im frühgotischen Stil mit barocken und neoklassischen Kapellen und dem achteckigen Glockenturm, das Wahrzeichen der Stadt, mit Werken von Francisco Goya und mit der Jungfrauen-Basilika ein tiefes Eintauchen in Kultur und Geschichte Spaniens. Das bekannteste Bauwerk Valencias ist La Lonja de la Seda, die Seidenbörse, erbaut 1482 bis 1533, die als bedeutendster gotischer Profanbau Europas gilt. Die Atmosphäre an Bord ist entspannt, die Crew sehr zuvorkommend In wohltuendem Kontrast dazu steht die moderne Architektur Valencias des Architekten Santiago Calatrava, die im ausgetrockneten Flussbett des Turia errichtet wurde, darunter das Imax-Kino L’Hemisfèric, das l’Oceanogràfic, größtes Aquarium Europas, das Naturkundemuseum und das Veranstaltungszentrum L’Agora. Die kühnen Gebäude sind mit einer Wasserlandschaft verbunden, auf der die Einwohner Tretboot fahren. Málaga und Cádiz warten auf die Cruiser und davor die Straße von Gibraltar, bevor es dann in Lissabon, der Hauptstadt Portugals, endgültig von Bord geht. Málaga hat sich mit einer pompös modernen Kreuzfahrthalle herausgeputzt, daneben die Altstadt mit dem Kastell, Castillo de Gibralfaro, das sich majestätisch über der Stadt erhebt und am Abend angestrahlt wird. Es ist die Stadt Pablo Picassos, die Stadt des Theaters und des Flamenco, einer Stierkampfarena und eines römischen Theaters. Für Kirchenfreaks ist die Kathedrale Iglesia del Sagrario in der Nähe des Picasso-Museums ein Muss, allein wegen der Orgeln und des Lichts. Dunkel ist es morgens um fünf Uhr, der Felsen von Gibraltar kann nur erahnt werden. Die Lichter von Tanger in Afrika leuchten auf der Backbord-, die von Europas südlichsten Dörfern auf der Steuerbordseite. „Hier ist die Passage durch Gibraltar nur 14 Kilometer breit“, erklärt Kreuzfahrtdirektorin Lisa Huijsers an Deck. „Jetzt biegen wir um die Ecke in den Atlantik“, sagt Lisa. Und schiebt nach: „Die Dünung wird jetzt etwas bewegter.“ Auf Reede in Cádiz. Wer die Stadt kennt, geht beim Landausflug zur römischen Ausgrabung Baelo Claudia bei Bolonia, direkt am Atlantik mit Strand und Dünen. Eine kleine, überschaubare Anlage. Auf dem Weg kann Vejer de la Frontera, die weiße Stadt, besichtigt werden. Das Weiß der Häuser entstand, als sie während der Pest gekalkt wurden, das einzige Mittel zur Seuchen-Eindämmung. Heute ist Vejer ein Kunstdenkmal. Zurück an Bord, die „Sea Cloud II“ legt ab, Cádiz wird kleiner und kleiner, während die Sonne untergeht, die Nacht hereinbricht und die Sterne strahlen – für Großstädter ist auch das ein Ereignis. „Ich bin begeistert von der Entspanntheit an Bord und von der ausgesprochen zuvorkommenden Crew“, sagt Sylke-Maria Haack aus Timmendorfer Strand. Die Matrosen erklimmen die Masten, hangeln sich an den Rahen entlang und reffen die Segel. Der Motor dröhnt auf. Der Großsegler läuft in den Hafen von Lissabon ein, und eine Reise, an die sich 74 Passagiere und mehr als 70 Frau und Mann Besatzung gern erinnern werden, geht zu Ende. Elegant gleitet die „Sea Cloud II“ über die ruhige See picture alliance. PR (3)