In den Nachmittag geflüstert

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In den Nachmittag geflüstert
Georg Trakl
In den Nachmittag
geflüstert
Gedichte 1909 – 1914
Mit einer Einleitung von
Katharina Maier
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ISBN: 978-3-86539-206-0
www.marixverlag.de
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Inhalt
Georg Trakl, Gedichte
1909-1911
Verfall . . . . . . . . . . . Melusine . . . . . . . . . St.-Peters-Friedhof . . . . Musik im Mirabell . . . . Das dunkle Tal . . . . . . In einem alten Garten . . Leuchtende Stunde . . . . Sommersonate . . . . . . Kindheitserinnerung . . . Jahreszeit . . . . . . . . . Im Weinland . . . . . . . Frauensegen . . . . . . . Die schöne Stadt . . . . . Der Gewitterabend . . . . Zeitalter . . . . . . . . . . Sommerdämmerung . . . Der Schatten . . . . . . . 27
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Abendlicher Reigen . . . Der Traum eines
Nachmittags . . . . . . In einem verlassenen
Zimmer . . . . . . . . Am Friedhof . . . . . . . Märchen . . . . . . . . . Im Mondschein . . . . . Melancholie des Abends . Heiterer Frühling . . . . . Romanze zur Nacht . . . Geistliches Lied . . . . . . Westliche Dämmerung . Im roten Laubwerk voll
Guitarren . . . . . . . Frühling der Seele . . . . Seele des Lebens . . . . . 45
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1912
Die Kirche . . . . . . . . Wintergang in a-Moll . . Kleines Konzert . . . . . Träumerei am Abend . . An Angela . . . . . . . . . Immer dunkler . . . . . . Dezembersonett . . . . . Abendmuse . . . . . . . . 61
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Verklärter Herbst . . . . . Im Park . . . . . . . . . . De profundis . . . . . . . Beim jungen Wein . . . . Beim jungen Wein . . . . Im Winter . . . . . . . . . Die Bauern . . . . . . . . Die Ratten . . . . . . . . 70
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Im Herbst . . . . . . . . . Der Spaziergang . . . . . Winkel am Wald . . . . . Rondel . . . . . . . . . . Winterdämmerung . . . Traum des Bösen . . . . . Melancholie . . . . . . . In den Nachmittag
geflüstert . . . . . . . . 79
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In ein altes Stammbuch . Vorstadt im Föhn . . . . Menschliche Trauer . . . Psalm . . . . . . . . . . . Dämmerung . . . . . . . Verwandlung . . . . . . . Zu Abend mein Herz . . Klagelied . . . . . . . . . 88
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1913
Delirium . . . . . . . . . 101
Am Rand eines alten
Wassers . . . . . . . . 102
Untergang . . . . . . . . 103
Helian . . . . . . . . . . . 104
Ein Herbstabend . . . . . 108
Abendlied . . . . . . . . . 109
Nachtlied . . . . . . . . . 110
Im Dorf . . . . . . . . . . 111
Die Raben . . . . . . . . . 113
Die junge Magd . . . . . 114
Allerseelen . . . . . . . . 118
Trübsinn . . . . . . . . . 119
Trompeten . . . . . . . . 120
Menschheit . . . . . . . . 121
Rosenkranzlieder
An die Schwester . . . . 122
Nähe des Todes . . . . 123
Amen . . . . . . . . . . 124
In der Heimat . . . . . . 125
Drei Blicke in einen Opal 126
An den Knaben Elis . . . 128
Elis . . . . . . . . . . . . 129
Die Verfluchten . . . . . . 131
Nachts . . . . . . . . . . . 133
Stundenlied . . . . . . . . 134
Karl Kraus . . . . . . . . 135
Unterwegs . . . . . . . . 136
Kindheit . . . . . . . . . . 138
Der Herbst des Einsamen 139
Sonja . . . . . . . . . . . 140
Entlang . . . . . . . . . . 141
Herbstseele . . . . . . . . 142
Afra . . . . . . . . . . . . 143
Sebastian im Traum . . . 144
Landschaft . . . . . . . . 147
Ruh und Schweigen . . . 148
Im Frühling . . . . . . . . 149
Abend in Lans . . . . . . 150
Am Mönchsberg . . . . . 151
Hohenburg . . . . . . . . 152
Kaspar Hauser Lied . . . 153
Winternacht . . . . . . . 155
Der Wanderer . . . . . . 157
Verklärung . . . . . . . . 158
Die Sonne . . . . . . . . . 159
An die Verstummten . . . 160
Anif . . . . . . . . . . . . 161
Geburt . . . . . . . . . . 162
Geistliche Dämmerung . 163
Ein Winterabend . . . . . 164
Abendländisches Lied . . 165
An einen
Frühverstorbenen . . . 167
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An Novalis . . . . . . . . 169
An Novalis 2a . . . . . . . 169
An Novalis 2b . . . . . . 170
1914
Traum und Umnachtung 171
Siebengesang des Todes . 178
Föhn . . . . . . . . . . . 180
Verwandlung des Bösen . 181
Am Moor . . . . . . . . . 184
Frühling der Seele . . . . 185
Im Dunkel . . . . . . . . 187
Gesang des
Abgeschiedenen . . . . 188
Passion . . . . . . . . . . 190
In Hellbrunn . . . . . . . 192
In Venedig . . . . . . . . 193
Sommer . . . . . . . . . . 194
Jahr . . . . . . . . . . . . 195
Abendland . . . . . . . . 196
Gesang einer gefangenen
Amsel . . . . . . . . . 199
Offenbarung und
Untergang . . . . . . . 200
Das Gewitter . . . . . . . 204
Vorhölle . . . . . . . . . . 206
Das Herz . . . . . . . . . 208
Die Heimkehr . . . . . . 210
Die Schwermut . . . . . . 211
Sommersneige . . . . . . 212
Der Abend . . . . . . . . 213
Die Nacht . . . . . . . . . 214
Der Schlaf . . . . . . . . . 216
Klage . . . . . . . . . . . 217
Nachtergebung . . . . . . 218
Im Osten . . . . . . . . . 219
Klage . . . . . . . . . . . 220
Grodek . . . . . . . . . . 221
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„Der Raum im Spiegel“
Ein Vorwort zu Trakls Dichtung
„Inzwischen habe ich den Sebastian im Traum bekommen und viel darin gelesen; ergriffen, staunend, ahnend
und ratlos; denn man begreift bald, daß die Bedingungen
dieses Auftönens und Hinklingens unwiederbringlich
einzige waren, wie die Umstände, aus denen eben ein
Traum kommen mag. Ich denke mir, daß selbst der Nahestehende immer noch wie an Scheiben gepreßt diese
Aussichten und Einblicke erfährt, als ein Ausgeschlossener: denn Trakl’s Erleben geht wie in Spiegelbildern
und füllt seinen ganzen Raum, der unbetretbar ist, wie
der Raum im Spiegel. (Wer mag er gewesen sein?)“ – So
schreibt Rainer Maria Rilke 1915 nach seiner Lektüre
von Georg Trakls zweitem Gedichtband, dem posthum
erschienenen Sebastian im Traum, den Trakl nicht lange
vor seinem Tod im Alter von 27 Jahren noch selbst zusammengestellt hatte. „Unbetretbar“ nennt Rilke den Raum
dieser Dichtung und scheint so zu derselben Ansicht zu
tendieren wie so viele nach ihm; immer noch heißt es von
Trakls Werk, es sei ‚hermetisch‘, ‚dunkel‘, ‚unzugänglich‘.
Aber Rilke spricht auch von Scheiben und von Spiegeln,
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Der Raum im Spiegel
gegen die sich der Leser presst, von der unwiderstehlichen
Anziehungskraft getrieben, die diese Dichtung auf ihn
ausübt; das impliziert, dass, so ‚abgeschlossen‘ Trakls
Raum sein mag, doch ein Fenster existiert, durch das der
Leser hineinblicken kann und aus dem ihm sowohl das
Andere als auch das eigene Selbst entgegenschauen mag
– ewig Getrennt, doch ewig Angesehen. Es ist eine Art
Verbundenheit, die gerade durch dieses getrennte Anschauen entsteht, kein wahrhaftes Ausschließen: der Leser
ahnt, staunt, wird ergriffen, so Rilke, wenn er auch letzten
Endes „ratlos“ bleibt. Doch es ist eben eine ergriffene,
eine staunende, eine ahnende Ratlosigkeit, welche den
Blick in eine andere Wirklichkeit lenkt, die hinter dem
Spiegel liegt – die wir vielleicht nicht betreten können,
die uns aber etwas zeigt und erahnen lässt. Man fühlt
sich fast an Paulus’ Wort vom „Spiegel in einem dunklen
Wort“ erinnert, mit dem der späte Apostel die einzige
Form der Erkenntnis beschreibt, die uns im diesseitigen
Leben offensteht. Und Trakls Lyrik tut nicht zuletzt das:
uns die Dunkelheit unserer eigenen Erkenntnisfähigkeit
bewusst machen, dieses Schauen durch Spiegel über Spiegel, aus denen uns etwas grauenhaft Wunderbares und
herrlich Fürchterliches entgegenblicken mag – oder, in
Trakls Worten aus dem Nachtlied: „O! ihr stillen Spiegel
der Wahrheit. / An des Einsamen elfenbeinerner Schläfe
/ Erscheint der Abglanz gefallener Engel.“
Georg Trakl wurde am 3. Februar 1887 in Salzburg
geboren. Sein Geburtsjahr fällt also in jenen engen Zeitraum, innerhalb dessen auch die Mehrheit der übrigen
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1909-1911
Verfall
Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.
Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.
Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,
Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.
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Georg Trakl, Gedichte
Melusine
Wovon bin ich nur aufgewacht?
Mein Kind, es fielen Blüten zur Nacht!
Wer flüstert so traurig, als wie im Traum?
Mein Kind, der Frühling geht durch den Raum.
O sieh! Sein Gesicht ist tränenbleich!
Mein Kind, er blühte wohl allzu reich.
Wie brennt sein Mund! Warum weine ich?
Mein Kind, ich küsse mein Leben in dich!
Wer fasst mich so hart, wer beugt sich zu mir?
Mein Kind, ich falte die Hände dir.
Wo geh’ ich nur hin? Ich träumte so schön!
Mein Kind, wir wollen in Himmel gehn.
Wie gut, wie gut! Wer lächelt so leis’
Da wurden ihre Augen weiß -
Da löschten alle Lichter aus
Und tiefe Nacht durchwehte das Haus.
1909-1911
St.-Peters-Friedhof
Ringsum ist Felseneinsamkeit.
Des Todes bleiche Blumen schauern
Auf Gräbern, die im Dunkel trauern –
Doch diese Trauer hat kein Leid.
Der Himmel lächelt still herab
In diesen traumverschlossenen Garten,
Wo stille Pilger seiner warten.
Es wacht das Kreuz auf jedem Grab.
Die Kirche ragt wie ein Gebet
Vor einem Bilde ewiger Gnaden,
Manch Licht brennt unter den Arkaden,
Das stumm für arme Seelen fleht –
Indes die Bäume blüh’n zur Nacht,
Dass sich des Todes Antlitz hülle
In ihrer Schönheit schimmernde Fülle,
Die Tote tiefer träumen macht.
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