europäische bewertungsstandards 2012
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europäische bewertungsstandards 2012
1 EUROPÄISCHE BEWERTUNGSSTANDARDS 2012 SIEBTE AUFLAGE www.tegova.org 2 Siebte Auflage © TEGoVA Gedruckt in Deutschland Europäische Bewertungsstandards 2012 3 Inhalt Vorwort ......................................................................................................................................................................... Einleitung ...................................................................................................................................................................... 5 7 TEIL 1 – EUROPÄISCHE BEWERTUNGSSTANDARDS UND ANWENDUNGSEMPFEHLUNGEN .............................................................................................. 15 1A –EUROPÄISCHE BEWERTUNGSSTANDARDS ........................................................................ EVS1 Marktwert ................................................................................................................................................ EVS2 Andere Bewertungsgrundlagen .............................................................................................. EVS3 Qualifizierte Gutachter ................................................................................................................... EVS4 Ablauf der Immobilienbewertung ......................................................................................... EVS5 Wertgutachten .................................................................................................................................... 17 19 43 53 63 71 1B – ANWENDUNGSEMPFEHLUNGEN DER EUROPÄISCHEN BEWERTUNGSSTANDARDS ......................................................................................................................... EVA1 Bewertung zu Bilanzierungszwecken .................................................................................. EVA2 Bewertung zu Beleihungszwecken ....................................................................................... EVA3 Immobilienbewertung für Verbriefungszwecke .......................................................... EVA4 Ermittlung des Versicherungswertes ................................................................................... EVA5 Anwendung des Investitionswertes für einzelne Investoren .............................. EVA6 Grenzüberschreitende Bewertung ........................................................................................ EVA7 Immobilienbewertung im Rahmen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds ........................................................ EVA8 Immobilienbewertung und Energieeffizienz ................................................................... TEIL 2 – GESETZGEBUNG UND IMMOBILIENBEWERTUNG IN DER EUROPÄISCHEN UNION ............................................................................................................... 1. Allgemeine Einleitung .................................................................................................................... 2. Der EU-Binnenmarkt ........................................................................................................................ 3. Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit ........................................................................ 4. Energie ...................................................................................................................................................... 5. Umwelt ..................................................................................................................................................... 6. Die gemeinsame Agrarpolitik ................................................................................................... 79 81 93 103 109 119 123 129 135 147 148 154 170 171 174 187 4 Europäische Bewertungsstandards 2012 TEIL 3 – WEITERE FACHTEXTE ................................................................................................................... Verhaltenskodex der TEGoVA (Code of Ethics and Conduct) ................................................... Zusammenfassung der Mindestanforderungen der TEGoVA zur Berufsqualifizierung ...................................................................................................................................... Zusammenfassung der Regelungen „Recognised European Valuer (REV)“ der TEGoVA ................................................................................................................................................................. Informationsschrift Nachhaltigkeit und Bewertung ........................................................................ Sammlung von Definitionen und Aufmaßvorschriften von Strecken, Flächen und Rauminhalten ............................................................................................................................. Informationsschrift Aufteilung in Grundstücke und Gebäude ................................................ Informationsschrift Zertifizierung von Gutachtern .......................................................................... Europäisches Objekt- und Marktrating: Ein Leitfaden für Gutachter ................................... Europäischer Hypothekenverband : Immobilienrisikoprofil für für Bewertungen für Beleihungszwecke ................................................................................................. 193 195 199 203 205 229 243 251 255 269 Übersicht über die fachlichen Dokumente von TEGoVA ............................................................ 273 Glossar ......................................................................................................................................................................... 277 Mitglieder des Redaktionsausschusses der Europäischen Bewertungsstandards ...... 281 Mitglieder der TEGoVA ........................................................................................................................................ 283 5 Vorwort Es ist eine weit verbreitete Meinung, dass das Liegenschaftsrecht nicht zur EU-Politik gehört. Dies ist größtenteils richtig und gut, da Wohnungsbaupolitik und Immobilienrecht nicht in die Verantwortlichkeit der EU fallen. Bei vielen immobilienspezifischen Regelungen gibt es einen starken lokalen Aspekt, so dass diese tatsächlich so nah am Bürger wie möglich gestaltet werden müssen, oft auch unterhalb der nationalen Ebene. Dennoch liegt uns das Immobilienwesen der europäischen Politik aus guten Gründen am Herzen und es ist daher höchste Zeit, dass wir mit den Europäischen Bewertungsstandards einen substanziellen Beitrag zur Bewertungspraxis in Europa leisten. Überall in der Europäischen Union sind die Immobilienmärkte, die in großem Maße von Bankfinanzierungen abhängig sind, von der Krise getroffen worden. In einigen Regionen waren sie sogar Teil des systemischen Problems. Bei der darauffolgenden Welle an europäischer Gesetzgebung, die darauf abzielte, ein nochmaliges kaskadenartiges Auftreten eines solchen Marktversagens zu verhindern, war das Europäische Parlament an vorderster Front. Die Bewertung von Immobilien ist ganz offensichtlich ein Kernelement für die Sicherheit und Stabilität von Immobilienmärkten und aus diesem Grund ist es zu begrüßen, dass die Europäischen Bewertungsstandards auch spezifische Bewertungsfragen, die sich etwa im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie oder der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds gestellt haben, adressieren. Weiterhin sind Grundstücke und Gebäude von überaus wichtigem Interesse in der Nachhaltigkeitsdebatte, denn allein Gebäude sind verantwortlich für 36 % der CO2Bilanz in der EU und die Landnutzung ist ein weiterer Kernfaktor für unser Klima. Grundstücke und Gebäude bilden die Grundsubstanz für die EU-Politik zu den Themen Bodenschutz, Hochwassermanagement, Wassereinsparung, Umwelthaftung, Umweltverträglichkeitsprüfung, strategische Umweltprüfung, erneuerbare Rohstoffe und Energieeffizienz. Die EU-Gesetzgebung kann ihre Ziele jedoch nicht ohne eine entsprechende Akzeptanz erreichen und die Umsetzung der EU-Richtlinien in nationales Recht ist nur ein Teil hiervon. Es ist von wachsender Bedeutung, dass der Bürger die politischen Ziele der EU wirklich versteht und sie sich zu eigen macht. Auch hier ist es 6 Europäische Bewertungsstandards 2012 lobenswert, dass die Europäischen Bewertungsstandards spezifische Anwendungsfälle enthalten, die die Gutachter darin unterstützen, dass Auftraggeber das Beste aus den Möglichkeiten der Richtlinie für energieeffiziente Gebäude schöpfen können. Ich bin Vorsitzender der parlamentarischen Intergruppe für städtische Ballungsräume des Europäischen Parlaments, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Auswirkungen der EU-Politik auf das städtische Umfeld zu überwachen und zu debattieren, so dass Parlamentarier, Beamte der Europäischen Kommission und der Bürger sich der wechselseitigen Zusammenhänge, Auswirkungen und der Kompromisse zwischen den verschiedenen Politikfeldern bewusster werden können. Der europäische Bürger würde Vorteile aus einer solchen ganzheitlichen Sichtweise ziehen und ich begrüße daher den Abschnitt in den Europäischen Bewertungsstandards, in dem eine umfassende Übersicht über die für Immobilieneigentum einschlägige EU-Gesetzgebung gegeben wird. Jan Olbrycht MEP Vorsitzender der URBAN Intergroup des Europäischen Parlaments 7 Einleitung Wie die vorhergehenden Auflagen soll auch dieses Buch den Interessen von Gutachtern dienen, die Mitglied in einem der 45 Gutachterverbände aus 26 Ländern sind, die in der TEGoVA vertreten sind. Zur Erhöhung der Transparenz und um das Verständnis von Auftraggebern hinsichtlich der Rahmenbedingungen für die vorliegenden Standards zu fördern steht auch eine Online-Fassung auf der Webseite der TEGoVA zur Verfügung (www.tegova.org). Eine Besonderheit der EVS war es immer, die Ursprünge von Konzepten in der europäischen Gesetzgebung hervorzuheben, die für den Berufsstand von grundlegender Bedeutung sind. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Begriffe des „Marktwertes“ und des „Beleihungswertes“ bzw. die EU-Definition des „Sachverständigen für Wertermittlung“ (asset valuer) im EU-Beihilferecht, oder um die Konzepte des „unabhängigen Gutachters“ im Sinne der Eigenkapitalrichtlinie und der Gutachtenerstellung zum Zwecke der Überwachung von Immobilienwerten, die als Darlehenssicherheit dienen. Darüber hinaus heben die EVS 2012 die Reichweite und das Verständnis für den Einfluss der EU auf Immobilien und Bewertung auf eine höhere Ebene. Abgesehen von einer unumgänglichen Aktualisierung und damit einhergehenden Neufassung geht die vorliegende Auflage über die Bereitstellung von Standards und ihrer Anwendung hinaus. Sie ist in drei Teile unterteilt und enthält die Europäischen Bewertungsstandards in Teil 1, die Gesetzgebung der Europäischen Union im Zusammenhang mit Immobilienbewertung in Teil 2 sowie eine Reihe von begleitenden Fachtexten in Teil 3. Die vorliegende siebte Auflage der Europäischen Bewertungsstandards ersetzt die vorherige Auflage mit Wirkung zum 01. Juni 2012. Teil 1A – Europäische Bewertungsstandards Die folgenden Absätze beschreiben die wichtigsten Änderungen in EVS1 bis EVS5. Die Definition des „Marktwertes“ aus EVS1 ist diejenige, die sowohl in den EVS 2009 und in der Eigenkapitalrichtlinie verwendet wird, außer dass sie sich nunmehr im weiteren Sinn auf „Vermögenswerte“ anstelle von „Immobilien“ bezieht und für den Bi- 8 Europäische Bewertungsstandards 2012 lanzstichtag den Begriff „valuation date“ anstelle von „date of valuation“ im Englischen benutzt, da letzterer zu leichter Verwirrung auf internationaler Ebene geführt hatte. Diese Änderungen haben jedoch keine Auswirkung auf die Auslegung des Marktwertes im Hinblick auf Immobilien. Die Definition der „marktkonformen Miete“ bezieht sich weiterhin auf eine „Immobilie“, da sie sich auf die Miete aus Grundeigentum bezieht. Einige „Annahmen“ und „spezielle Annahmen“ bzw. Voraussetzungen, die der Beurteilung eines Marktwertes zugrunde gelegt werden können, sind ausführlich dargelegt, und es wird ausdrücklich hervorgehoben, dass der „Zwangsverkaufswert“ keine Bewertungsgrundlage darstellt, obwohl er, sobald alle relevanten Zwangsfaktoren identifiziert wurden, als Marktwertgutachten unter der speziellen Voraussetzung eines zwar gegebenen, jedoch beschränkten Vermarktungszeitraumes gesehen werden kann. Die Klärung des Konzepts der „höchsten und bestmöglichen Nutzung“ wird in einem detaillierten Kommentar mit der Erklärung aufgeführt, dass es grundsätzlich um die zum Bewertungsstichtag zulässige Nutzung geht, mit der sich der höchste Wert auf Grundlage von vernünftigen Erwartungen erzielen lässt. Da sich die Anwendung des „Zeitwertes“ auf zwei bestimmte, jedoch höchst unterschiedliche Zusammenhänge bezieht, liefert der EVS2 zwei getrennte Definitionen. Zunächst eine „allgemeine Definition“ zur Verwendung für Immobilienbewertungen zwischen Teilnehmern mit spezifischen Interessen an der in Frage stehenden realen oder potenziellen Transaktion. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Ergebnis oft zu einem Wert führen kann, der sich vom Marktwert einer Immobilie unterscheidet. Die allgemeine Definition wird durch eine Definition „zum Zwecke der Rechnungslegung“ ergänzt, die den internationalen Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen IFRS entnommen wurde und die im Regelfall dem Marktwert entspricht, obschon die der Rechnungslegung zugrunde liegenden Annahmen etwas weiter gefasst sind, als dies unter der vollständigen Definition des Marktwertes der Fall ist. Im EVS3 werden nunmehr alle „qualifizierten Gutachter“ und ihre jeweiligen beruflichen oder technischen Organisationen zur Einhaltung des Verhaltenskodexes der TEGoVA verpflichtet, der in Teil 3 des vorliegenden Buches enthalten ist. Im EVS4 werden die einzelnen Verfahrensschritte besprochen, die bei der Erstellung eines Gutachtens zu berücksichtigen sind. Der Standard beschreibt, dass alle Vorgaben für einen Gutachterauftrag mit dem Auftraggeber schriftlich vor Annahme eines Gutachtens zu vereinbaren sind, und er betont, dass es sich hier um Mindestanforderungen handelt. Abgesehen von den Vorteilen für den Gutachter durch klare und präzise schriftliche Aufzeichnungen, die im Vorfeld eines Auftrages erstellt und vereinbart wurden, stellt diese neue Anforderung sicher, dass der Auftraggeber und die profes- Einleitung 9 sionellen Berater des Auftraggebers wissen, was sie erwarten können. Nur dann können sie beurteilen, ob das gelieferte Gutachten ihren Wünschen und Vorstellungen entspricht. Da ein Gutachten alle Punkte, die im Auftrag zur Gutachtenerstellung festgehalten wurden, angemessen berücksichtigen muss, wird im EVS5 nunmehr die Festlegung getroffen, dass sich die im Gutachterauftrag aufgeführten Punkte als Absatzüberschriften im jeweiligen Gutachten wiederfinden sollten, und es werden zusätzliche Anforderungen genannt, z. B. dass eine Beschreibung der bei der Wertermittlung verwendeten Bewertungsmethodik und -analyse im Gutachten enthalten sein muss. Teil 1B – Anwendungsempfehlungen in Europa Die EVS 2012 enthalten acht Anwendungsempfehlungen, d. h. drei mehr als die vorangegangene Auflage. Alle in den EVS 2009 aufgeführten Fälle wurden entweder aktualisiert oder ersetzt und der Umfang des jeweiligen Anwendungsfalls wird transparent dargelegt. Die neuen Anwendungsempfehlungen beschäftigen sich mit bestimmten Eigenschaften und Fähigkeiten, die ein Gutachter für grenzüberschreitende Bewertungen benötigt, den EU-Bewertungsregeln für Hedgefonds, unter anderem Immobilienfonds, sowie mit den besonderen Herausforderungen bei Bewertungen, die sich aus der Richtlinie zur Energieeffizienz von Gebäuden ergeben. EVA6 – Grenzüberschreitende Bewertung Die EU-Verträge und die Dienstleistungsrichtlinie garantieren dem Gutachter die Freiheit, seine Dienste überall in der Europäischen Union anbieten zu können, sie enthalten jedoch keine Angaben zu den besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften, die von einem Gutachter außerhalb seines Heimatlandes verlangt werden. EVA6 bietet dem Gutachter einen Leitfaden für die Bewertung in einem anderen Mitgliedsland. Er ergänzt die Dienstleistungsrichtlinie durch die erschöpfende Behandlung der Themen Berufserfahrung, Kompetenzen und Berichtspflichten, die bei einer grenzüberschreitenden Bewertung verlangt werden. Der Anwendungsfall beschäftigt sich mit Qualifikationen, der beruflichen Erfahrung und Marktkenntnis, den vertraglichen Bedingungen für eine gutachterliche Tätigkeit, der Einhaltung von lokalen Regeln, Interessenskonflikten, Ethik, Versicherungen und dem Gutachten selbst. 10 Europäische Bewertungsstandards 2012 EVA7 – Immobilienbewertung nach der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds Die Krise hat zu einer beträchtlichen Verschärfung der aufsichtsrechtlichen und regulatorischen Kontrolle der Finanzmärkte und einer massiven Verschiebung dieser Kontrollfunktionen von der nationalen Ebene in die EU-Ebene geführt. Ein Ergebnis hiervon ist die neue Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds, die, inter alia, die Bestimmungen für Immobilienfondsmanager regelt und einen ausführlichen Artikel zum Thema Bewertung enthält. EVA7 enthält eine Besprechung der Anforderungen aus der Richtlinie in Bezug auf die Unabhängigkeit von Gutachtern, die Registrierungserfordernisse für den Berufsstand, die Kriterien bezüglich der Verfahren für eine korrekte Bewertung der Vermögenswerte, den Versicherungsschutz, den ein Gutachter anbieten können muss, um seine Gutachtertätigkeit auch tatsächlich effizient ausüben zu können, und er erläutert die zeitlichen Abstände zwischen zwei Bewertungen zur Überwachung der Wertentwicklung. EVA8 – Immobilienbewertung und Energieeffizienz Ein weiterer wichtiger Einflussbereich der EU sind Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung. Da Gebäude für 40 % der gesamten CO2-Bilanz in Europa verantwortlich sind, ist es keine Überraschung, dass die EU für die Energieeffizienz von Gebäuden eine extrem zwingende Gesetzgebung verabschiedet hat. EVA8 bietet einen Leitfaden zu allen bewertungsrelevanten Aspekten der Richtlinie für energieeffiziente Gebäude, unter anderem wie man einen Auftraggeber am besten berät, ob eine erforderliche Renovierung des zu bewertenden Gebäudes vom Umfang her ausreicht, um die von der Richtlinie verlangte Mindestenergieeffizienz im Fall größerer Sanierungen zu erhöhen. Der Anwendungsbereich gibt weiterhin Ratschläge für die Beurteilung der Frage, in welchem Maße, wenn überhaupt, die aus dem von der Richtlinie verlangten Energieausweis hervorgehenden energetischen Einstufungen und Empfehlungen eine Auswirkung auf die Einschätzung des Wertes der Immobilie durch den Gutachter in seinem Wertgutachten haben. Teil 2: Allgemeine Kenntnis der europäischen Immobilienund Bewertungspolitik Der neue Teil 2 „Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union“ gibt Gutachtern zum ersten Mal unabhängig von den hier ausgeführten Standards und Anwendungsempfehlungen einen umfassenden Überblick über die EU-Gesetzgebung mit Bezug auf Immobilien und er soll Gutachtern allgemeine Unterstützung in Einleitung 11 der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit geben. Er erläutert die direkten Auswirkungen der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Bestimmungen der EU auf den Immobilienmarkt, auch wenn es keine Regelung der EU zum Wohnungsbau, dem Immobilienrecht bzw. der vertraglichen Beziehung zwischen Mieter und Vermieter gibt. Insbesondere belegt Teil 2, wie die Bemühungen um die Vervollständigung des EU-Binnenmarktes im Laufe von dreißig Jahren auch zu einem „Binnenmarkt für Immobilien“ geführt haben, auf dem neben der Freizügigkeit von Kapital auch die Freiheit hinsichtlich des Kaufs und Verkaufs von Immobilien in der gesamten Europäischen Union ohne Hindernisse garantiert wird, während die Freizügigkeit von Dienstleistungen mit und ohne Niederlassung den freien Verkehr für den Berufsstand des Gutachters sicher gestellt hat. Die spezifischen Bestimmungen des EU-Binnenmarktes zur Bewertung von Immobilien werden im Einzelnen besprochen, unter anderem die Bewertung von Immobilien für die Rechnungslegung von Unternehmen, für Finanzinstitute und gemäß staatlichem Beihilferecht. Darüber hinaus wird ein Überblick über die Steuergesetze im Binnenmarkt einschließlich der Mehrwertsteuer auf Immobilien gegeben. Dem folgt eine Übersicht über Immobilien- und Bewertungsaspekte in der europäischen Gesundheitsund Sicherheitspolitik, der Energiepolitik, der Umweltpolitik einschließlich der für Immobilien und Bewertung relevanten Bereiche wie beispielsweise die Umweltverträglichkeitsprüfung und damit einhergehende strategische Auswirkungen, Wasser, die Umwelthaftung für kontaminierte Flächen, Umweltverschmutzung, Asbest, Biodiversität und Erhalt der biologischen Vielfalt. Auf die Gemeinsame Agrarpolitik wird ebenfalls eingegangen, da der Zugang zu und die Beschränkungen von Mitteln, die im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik ausgezahlt werden, sowohl für den Kapitalwert als auch die Mieten für bestimmte Immobilien von Bedeutung sind. Teil 3: Begleitende Fachtexte Teil 3 besteht aus 11 separaten Kapiteln. Die TEGoVA-Kodexes in Bezug auf Ethik und Verhalten sowie das Aufmaß von Abständen, Flächen und Inhalt ebenso wie Zusammenfassungen der „Mindestausbildungsanforderungen“ und des „Recognised European Valuer“ der TEGoVA sind in diesem Abschnitt dargelegt. Ebenfalls sind hier drei Informationsschriften zu den Themen Nachhaltigkeit und Bewertung, Aufteilung des Immobilienwertes auf Grundstück und Gebäude sowie Zertifizierung von Gutachtern enthalten. Die letzten Kapitel bieten eine „Klassifizierung der Fachtexte von TEGoVA“, einen aktualisierten Leitfaden für Gutachter zum „Objekt- und Marktrating“, der eine standardisierte und objektive Risikobeurteilung von Immobilien ermöglicht, eine Aus- 12 Europäische Bewertungsstandards 2012 fertigung des „Profils für risikobezogene Kriterien bei Immobilienbewertungen“ des Europäischen Hypothekenverbandes und schließlich ein Glossar. Der Kürze halber ist eine umfassende Rezension dieser Dokumente nicht möglich, doch werden der „TEGoVA Code of Ethics and Conduct“ (TEGoVA-Verhaltenskodex) und die Informationsschrift zu „Nachhaltigkeit und Bewertung“ an dieser Stelle kurz dargestellt. TEGoVA Code of Ethics and Conduct (Verhaltenskodex) Wann immer sich die Aufmerksamkeit auf den Beruf des Gutachters richtet, stehen Fragen in Bezug auf das moralische Verhalten von Gutachtern im Mittelpunkt. Um dieses Thema aufzugreifen, hat TEGoVA einen Kodex verfasst, den alle Mitgliedsverbände als Mindestanforderung anwenden müssen. Dieser Kodex behandelt die persönliche und unternehmerische Verantwortlichkeit und die Verantwortung gegenüber dem Berufsstand. Die in diesem Kodex eingebetteten Kernwerte beziehen sich unter anderem auf Fairness, einen angemessenen beruflichen Respekt gegenüber anderen und im Hinblick auf anerkannte Verhaltensregeln, Verantwortungsgefühl und Zuverlässigkeit. Die Hauptanforderungen umfassen Aspekte wie integres Handeln, Erkennen persönlicher Interessen und den Erhalt der beruflichen Kompetenz. Berufliche Standards dieser Art gehen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus und erfordern ein Gleichgewicht zwischen Transparenz, Offenheit, Vertraulichkeit gegenüber dem Auftraggeber und Kommunikation nach außen mit Auftraggebern, Interessenvertretern sowie jedem anderen, der Anspruch auf eine zweifelsfreie Sorgfaltspflicht hat. Diese Prinzipien bekräftigen das Bedürfnis nach Professionalität, Verantwortlichkeit und Kundenorientierung. Informationsschrift – Nachhaltigkeit und Bewertung Der zweifache Druck aus Wirtschaft und Politik haben zu einer größeren Aufmerksamkeit für die Probleme knapper Ressourcen geführt und viele haben sich dem Konzept der Nachhaltigkeit zugewandt. Man kann davon ausgehen, dass die Meinungen sowohl in den Regulierungsinstanzen als auch aus der Wirtschaft dazu führen werden, dass Fragen bezüglich der Umweltbilanz und der Nachhaltigkeit bei Akteuren aus der Immobilien- und Gebäudewirtschaft und damit auch in gewissem Umfang für das Gutachterwesen an Bedeutung gewinnen werden. Die in diesem Kapitel enthaltenen Informationen sind umfassend und weit gefasst, unter anderem beziehen sie sich auf die soziale Verantwortung von Unternehmen, Umweltmanagementsysteme, „grüne Gebäude“, „grüne Mieten“ und „grüne Ratinginstrumente“. Die Betrachtungen zur Einleitung 13 Nachhaltigkeit erfolgen hauptsächlich unter Nutzung von umweltbezogenen Begriffen, wie sie gegenwärtig in der öffentlichen Debatte verwendet werden, und sie gehen einher mit anderen praktischen Fragen der Anpassungsfähigkeit und Flexibilität von Immobilien sowie von Raum und Ausstattung, um deren Nutzbarkeit ohne größere Änderungen erhalten zu können. Und schließlich … Die Veröffentlichung der EVS 2012 bildet den Höhepunkt auf einer Reise, die unmittelbar nach Drucklegung der letzten Auflage begann. Das Streben nach höchster Qualität hat die Mitglieder aus zahlreichen Mitgliedsverbänden mit Tatendrang erfüllt und die endlose Arbeit des Redaktionsausschusses für die Europäischen Bewertungsstandards (EVSB) stammt an sich aus Rückmeldungen, Kommentaren, Nachfragen und Bitten nach zusätzlichen Informationen und Orientierungshilfen. Es besteht die Hoffnung, dass das Ergebnis dieser Arbeit ihr Ziel erreicht, die Weiterentwicklung des Berufsstandes der Gutachter europaweit zu ermöglichen und Bewertungen, die in Übereinstimmung mit den hier vorliegenden Standards durchgeführt werden, zu einer durchgängigen Qualität zu führen, auf die man sich verlassen kann – als gemeinsame Richtschnur für Investoren, die Finanzwirtschaft, Auftraggeber und Gutachter überall in und auch außerhalb der Europäischen Union. TEGoVA steht bei den Mitgliedern des EVSB und Michael MacBrien, Gabriela Cuper sowie François Isnard vom Sekretariat der TEGoVA für ihre Bemühungen bei der Erstellung und Veröffentlichung dieses Buches in der Schuld. Obwohl es sicherlich nicht sein Wunsch wäre, als EVSB-Mitglied besonders erwähnt zu werden, geht besonderer Dank an Jeremy Moody, der sich die Zeit genommen hat, sein Geschick als Autor unter Beweis zu stellen, einen Großteil des Textes beizutragen und sein Fachwissen mit anderen zu teilen. John Hockey Vorsitzender, EVS-Redaktionsausschuss Mai 2012 14 Teil 1 Europäische Bewertungsstandards 2012 15 TEIL 1 EUROPÄISCHE BEWERTUNGSSTANDARDS UND ANWENDUNGSEMPFEHLUNGEN INHALT 1A – Europäische Bewertungsstandards EVS1 EVS2 EVS3 EVS4 EVS5 Marktwert Andere Bewertungsgrundlagen Qualifizierte Gutachter Ablauf der Immobilienbewertung Wertgutachten 1B – Anwendungsempfehlungen in Europa EVA1 EVA2 EVA3 EVA4 EVA5 EVA6 EVA7 EVA8 Bewertung zum Zwecke der Rechnungslegung Bewertung zu Beleihungszwecken Immobilienbewertung für Verbriefungszwecke Ermittlung des Versicherungswertes Anwendung des Investitionswertes für einzelne Investoren Grenzüberschreitende Bewertung Immobilienbewertung im Rahmen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds Immobilienbewertung und Energieeffizienz 16 Europäische Bewertungsstandards 2012 17 Teil 1A Europäische Bewertungsstandards EVS1 Marktwert Gutachter sollten folgende Marktwert-Definition benutzen, außer wenn anderes per Gesetz verordnet ist: „Der Marktwert ist der geschätzte Betrag, zu dem ein Vermögensgegenstand in einem funktionierenden Markt zum Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber nach angemessenem Vermarktungszeitraum in einer Transaktion auf Basis von Marktpreisen verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.“ EVS2 Andere Bewertungsgrundlagen Vor Heranziehung einer vom Marktwert abweichenden Wertgrundlage sollte der Gutachter den Verwendungszweck der Bewertung feststellen. Mit Ausnahme der Anforderungen aus der nationalen und europäischen Gesetzgebung in bestimmten Fällen sollten Gutachter ausschließlich anerkannte Bewertungsgrundlagen unter Achtung der Prinzipien von Transparenz, Konsistenz und Kohärenz verwenden, die mit dem Zweck der Bewertung in Einklang stehen. Es ist möglicherweise gesetzlich vorgeschrieben oder durch Gegebenheiten oder Anweisungen des Kunden erforderlich, derartige „andere Bewertungsgrundlagen“ anzuwenden, wenn die dem Marktwert zu Grunde liegenden Annahmen nicht geeignet oder nicht zu erfüllen sind. Das Ergebnis wird dann kein Marktwert sein. EVS3 Qualifizierte Gutachter Alle Bewertungen, die gemäß diesen Standards erfolgen, sind unter der strengen Aufsicht qualifizierter Gutachter oder durch diese selbst durchzuführen. Gutachter haben jederzeit die höchsten Standards hinsichtlich Redlichkeit und Integrität anzuwenden, sowie ihre Handlungen auf eine Weise durchzuführen, so dass diese 18 Europäische Bewertungsstandards 2012 weder ihren Kunden, noch der Öffentlichkeit, ihrem Berufsstand oder der jeweiligen nationalen Berufsvereinigung zum Nachteil geraten. Der Gutachter muss berufliche Erfahrung, Sachkenntnis und Kompetenz nachweisen können, die hinsichtlich ihrer Art und ihres Umfangs der jeweiligen Bewertung angemessen sind, und alle Aspekte offenlegen, die eine objektive Bewertung in Frage stellen könnten. Alle qualifizierten Gutachter sowie deren fachliche Vertretung bzw. Berufsvereinigung haben den beruflichen Verhaltenskodex der TEGoVA (Code of Ethics and Conduct) und jenen ihrer Mitgliedsorganisation einzuhalten. EVS4 Ablauf der Immobilienbewertung Vor Erstellung des Gutachtens sind die Auftragsbedingungen und die der Bewertung zugrunde liegende Basis schriftlich festzuhalten. Die Bewertung hat hinsichtlich Recherche, Durchführung und schriftlicher Darstellung einem professionellen Standard zu entsprechen. EVS5 Wertgutachten Die Bewertung ist klar in schriftlicher Form entsprechend eines professionellen Standards zu verfassen und muss hinsichtlich des Auftrages, Zwecks, der Grundlage, Methode sowie der Schlussfolgerung und der voraussichtlichen Verwendung der Bewertung transparent sein. 19 EVS1 Marktwert 1. 2. 3. 4. 5. Einleitung Anwendungsbereich Die von TEGoVA anerkannte Definition des Marktwertes Definition des Marktwertes in der Gesetzgebung der EU Erläuterungen EUROPÄISCHER BEWERTUNGSSTANDARD 1 Gutachter sollten, sofern nicht per Gesetz anders verordnet, folgende Marktwert-Definition benutzen: „Der Marktwert ist der geschätzte Betrag, zu dem ein Vermögensgegenstand in einem funktionierenden Markt zum Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber nach angemessenem Vermarktungszeitraum in einer Transaktion auf Basis von Marktpreisen verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.“ 20 1. Europäische Bewertungsstandards 2012 Einleitung 1.1 Der Marktwert ist ein Schlüsselbegriff zur Festlegung einer sachkundigen, für Käufer und Verkäufer unparteiischen Preiserwartung für einen Gegenstand. Die Charakteristika des Marktes, auf dem der Wert eines Gegenstandes basiert, werden je nach dem Handelsobjekt variieren, während sich die Marktbedingungen je nach wechselndem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, geändertem Wissen, Trends, Gesetzesvorschriften, Erwartungen, Kreditbedingungen, Gewinnerwartungen und anderen Gegebenheiten ändern. „Wert“ bedeutet nicht einen spezifischen Preis, also die tatsächliche Summe, die möglicherweise in einer bestimmten Transaktion zwischen spezifischen Partnern letztendlich bezahlt wird. Auf individueller Ebene stellt sich der Wert eines Vermögensgegenstandes durch gegenüberstellende Bewertung der Ressourcen und Möglichkeiten zu dessen individueller Nützlichkeit für eine Person dar. Für den Einzelnen stellt sich der Wert eines Vermögensgegenstandes vor dem Hintergrund eines Wettbewerbsmarktes eher eine Ermittlung jenes Betrages dar, der vernünftigerweise erwartet werden kann, also den unter Marktbedingungen zum Bewertungsstichtag am wahrscheinlichsten erzielbaren Preis. Während der fragliche Vermögensgegenstand für unterschiedliche Personen, die sich potenziell auf dem Markt befinden, unterschiedliche Werte haben kann, ist der Marktwert die Preisermittlung unter gewollt neutralen Annahmen auf Basis des aktuellen jeweiligen Marktes, um eine standardisierte Bewertungsgrundlage sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer zu erzielen. Auf diese Annahmen wird in Abschnitt 4 noch näher eingegangen. 1.2 Der „Marktwert“ eines Vermögensgegenstandes ist als der „gegenwärtige Wert im Markt, der verkaufsfähige Wert“ (Oxford English Dictionary) und zwar unabhängig von den tatsächlichen Parteien zu verstehen. Für eine Bewertung bezieht sich dies auf das Datum, auf das die Wertermittlung anwendbar ist. 1.3 Die letztendliche Prüfung des Marktwertes – wie immer dieser auch errechnet wurde – besteht darin, ob man von den Marktteilnehmern tatsächlich in der Praxis die Bezahlung des festgestellten Wertes erwarten könnte – daher die Wichtigkeit einer fundierten Analyse von qualitativ entsprechenden Vergleichsdaten, wenn diese zu beschaffen sind. Jede Bewertung, die sich auf rein theoretische Grundlagen stützt, ist dieser letzten Prüfung zu unterziehen. Dies gilt ganz besonders für Immobilienbewertungen, angesichts der üblichen Beschaffenheit der betreffenden Vermögensgegenstände und Märkte insbesondere in Zeiten des Wandels. EVS1 – Marktwert 2. 21 Anwendungsbereich 2.1 Die EU-Gesetzgebung bezieht sich häufig auf den „Marktwert“ (market value). Dabei geht es meist um Finanzinstrumente oder die gebündelte Kapitalisierung von Unternehmen. Diese basieren allgemein auf Verkaufspreisen oder auf Werten, die aus offiziellen Börsen oder aus anderen Märkten für allgemein homogene, fungible und in großem Umfang gehandelte Güter gemeldet werden, die oft sofort zu einem gewissen Preis verkauft werden können. 2.2 EVS1 bezieht sich insbesondere auf folgende Verwendungen des Marktwertes: Immobilien und damit in Zusammenhang stehende Eigentumsrechte, welche einer einzelnen Kategorie des Anlagevermögens nicht zuordenbar und für die momentan kaum Berichte über deren Marktbedingungen verfügbar, jedoch häufig Marktwerte zu ermitteln sind, die vermarktbar, d. h. legal und physisch verkäuflich sind. 2.3 In klarem Gegensatz zu vielen Finanzinstrumenten sind Immobilien im Allgemeinen individueller, sowohl in rechtlicher als auch in physischer Hinsicht, sie werden weniger oft gehandelt, haben Käufer und Verkäufer mit unterschiedlichsten Motiven, verursachen höhere Transaktionskosten, weisen eine längere Vermarktungszeit und Verkaufszeit auf und sind schwieriger zu bündeln beziehungsweise zu entflechten. Diese Eigenschaften machen die Immobilienbewertung zu einem Fachgebiet, das Sorgfalt, spezifische Markterfahrung, Recherche und die Verwendung von nachgewiesener Marktinformation, Objektivität, sowie eine Ermittlung der notwendigen Annahmen und Urteilsvermögen erfordert – kurz gesagt – professionelle fachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten. 2.4 Die Definition des Marktwertes, die von TEGoVA in Absatz 3.1 genehmigt wird, basiert auf einer Reihe von Voraussetzungen, wie in Kapitel 5 detailliert dargelegt. 3. Die von TEGoVA anerkannte Definition des Marktwertes 3.1 Sofern nicht per Gesetz anders verordnet (siehe unten), wird der „Marktwert“ wie folgt definiert: „Der geschätzte Betrag, zu dem ein Vermögensgegenstand in einem funktionierenden Markt zum Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber nach angemessenem Vermarktungszeitraum in einer Transaktion im gewöhnlichen Geschäftsverkehr verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.“ 22 Europäische Bewertungsstandards 2012 3.2 Wie bereits in den EVS 2009 festgehalten, empfiehlt TEGoVA, diese Marktwertdefinition, die praktisch identisch mit jener in Richtlinie 2006/48/EG ist, als Basisdefinition zu verwenden und gemäß den Erläuterungen im nachfolgenden Kapitel 5 auszulegen, mit Ausnahme jener Fälle, in denen die Gesetzgebung ausdrücklich anderes vorsieht. 3.3 Als logische Folge davon und unter Anwendung der Marktwertdefinition auf Pacht- bzw. Mietansprüche lautet die von TEGoVA anerkannte Definition des marktkonformen „Pacht- oder Mietzinses“, der üblicherweise als jährlicher Betrag dargestellt wird, wie folgt: „Der geschätzte Pacht- oder Mietzins, zu dem eine Immobilie zum Bewertungsstichtag von einem mit den Bedingungen des Mietvertrages einverstandenen Vermieter an einen mit den Bedingungen des Mietvertrages einverstandenen Mieter nach angemessenem Vermarktungszeitraum in einer Transaktion auf Basis von Marktpreisen vermietet werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.“ 4. Definition des Marktwertes in der EU-Gesetzgebung 4.1 Es gibt innerhalb der EU-Gesetzgebung je nach spezifischem Zweck mehrere Marktwertdefinitionen, die EU-Gesetzgebung stellt jedoch keine allgemeine Definition bereit. Nach Analyse und Betrachtung der Rechtsfälle und anderer Entscheidungen, die sich aus diesen Bestimmungen ergeben haben (speziell die Regelungen zur staatlichen Beihilfe aus 1997 – siehe Abschnitt 4.3.2 unten – als jene einschlägige Verordnung, die von den EU-Institutionen in praktischen Anwendungssituationen am genauesten analysiert wurde), werden diese Definitionen als vollständig praxiskonform und mit den Bestimmungen aus EVS1 als vereinbar erachtet. 4.2 Die Definition der Richtlinie über Eigenkapitalanforderungen 4.2.1 Die Gesetzgebung der Europäischen Union hat den Marktwert (market value) zum Zwecke der Bewertung von Immobilien als Sicherheit für Kreditinstitute definiert, im Wesentlichen als Teil der Implementierung des Basel II Abkommens (Richtlinie 2006/48/EG bezüglich der Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung) in Absatz 63 Abschnitt 1.5.1 (a) [Immobilienbesicherung] aus Teil 3 in Anhang VIII, Kreditrisikominderung). Die Definition lautet: EVS1 – Marktwert 23 „Marktwert“ bezeichnet den geschätzten Betrag, zu dem die Immobilie am Tag der Bewertung nach angemessenem Marketing im Rahmen eines zu marktüblichen Konditionen, von den Parteien in Kenntnis der Sachlage, umsichtig und ohne Zwang geschlossenen Geschäfts vom Besitz eines veräußerungswilligen Verkäufers in den Besitz eines kaufwilligen Käufers übergehen dürfte.” 4.2.2 Die Eigenkapitalrichtlinie wird zurzeit überarbeitet und voraussichtlich durch eine EU-Verordnung zu vernünftigen Anforderungen an Kreditinstitute und Investmentgesellschaften ersetzt, mit der das Basel III Abkommen in europäisches Recht umgesetzt wird. Daher wird sich die hier angegebene Nummerierung der Artikel in der Richtlinie ändern. 4.2.3 Diese Definition wird zum Zwecke der Artikel 84 bis 89 der Richtlinie angeführt, welche unter der Überschrift von Titel V (Grundsätze und technische Instrumente für die Bankenaufsicht und die Offenlegung), Kapitel 2 (Technische Instrumente der Bankenaufsicht), Abschnitt 3 (Mindesteigenkapitalanforderungen zur Absicherung des Kreditrisikos) den Unterabschnitt 2 enthält, der das rechtliche Rahmenwerk der EU für den auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRB-Ansatz) darstellt. Artikel 76 regelt, dass diese Methode verwendet werden kann, um die risikogewichteten Forderungsbeträge eines Institutes zu berechnen, welche es nach Artikel 75 mit einer Mindesthöhe an Eigenmitteln abzugleichen hat. Gemäß Artikel 91 kann dieser IRB-Ansatz auch für die Kreditrisikominderung relevant sein. Daher sind diese Vorschriften von wesentlicher Bedeutung, wenn ein Institut mit Immobilien besicherte Kredite vergibt, sowohl hinsichtlich des in der Bilanz auszuweisenden Kapitals als auch für das Kreditrisikomanagement. 4.2.4 Dieser Definition folgt unmittelbar im gleichen Absatz der Richtlinie zur Eigenkapitalanforderung folgender Satz: „Der Marktwert wird transparent und klar dokumentiert.“ Dies wird eher als verfahrensrechtliches Erfordernis zur Erreichung der angestrebten Ziele der Richtlinie gesehen, als dass es ein Faktor in der Ermittlung des Marktwertes jedweder Immobilie ist und wird demgemäß nachstehend in EVS5 angesprochen. 4.3 Die Definition der Mitteilung zur staatlichen Beihilfe und der Versicherungsbilanz-Richtlinie 4.3.1 Die Definition wird sowohl in der Mitteilung zur Staatshilfe als auch in der Versicherungsbilanz-Richtlinie verwendet. Diese zweite Definition wird in der EU-Gesetzgebung verwendet und regelt folgende Bereiche: 24 Europäische Bewertungsstandards 2012 Vorschriften zur Beurteilung, ob ein Immobilienverkauf durch die öffentliche Hand im europäischen Wirtschaftsraum an ein Unternehmen den internationalen Wettbewerb verzerren könnte und als potenziell illegale staatliche Beihilfe zu untersuchen ist. Diese Vorschriften sind in der Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Gebäuden bzw. Grundstücken durch die öffentliche Hand (OJ C 209, 10/07/1997, Seiten 00030005 – 31997Y0710(01)) beschrieben und durch die Entscheidung Nr. 275/99/COL vom 17. November 1999 der EFTA-Überwachungsbehörde auf die EFTA-Länder ausgedehnt worden, in der Richtlinien über Elemente staatlicher Beihilfe bei Veräußerungen von Grundstücken und Gebäuden durch die öffentliche Hand eingeführt wurden und so die 20. Novellierung der verfahrens- und materiell-rechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfe vorgenommen wurde. Rechnungslegung für Versicherungsgesellschaften, die den Marktwert von „Grundstücken und Gebäuden“ gemäß Richtlinie 91/674/EWG vom 19. Dezember 1991 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen benötigen. Für diese Zwecke lautet die Definition wie folgt: „Unter Marktwert ist der Preis zu verstehen, der zum Zeitpunkt der Bewertung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages über Gebäude oder Grundstücke zwischen einem verkaufswilligen Verkäufer und einem ihm nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Käufer unter den Voraussetzungen zu erzielen ist, dass das Grundstück offen am Markt angeboten wurde, dass die Marktverhältnisse einer ordnungsgemäßen Veräußerung erlauben bzw. zulassen und dass eine der Bedeutung des Objektes angemessene Verhandlungszeit zur Verfügung steht.“ Mitteilung zur Staatshilfe, Artikel II, Ziffer 2, Buchstabe a) (letzter Absatz) und Richtlinie 91/674/EWG, Artikel 49, Absatz 2 4.3.2 Bis 2006 wurde diese Definition auch für die Immobilienbewertung im Zusammenhang mit der Kreditbesicherung durch Kreditinstitute verwendet, sie wurde jedoch dann für diesen Zweck durch die nun von TEGoVA übernommene und oben angeführte Definition des Marktwertes (Marktwertes) ersetzt. 4.3.3 In der Mitteilung über staatliche Beihilfe, in welcher der betreffende Wert durch „Verkauf nach einem bedingungsfreien Bieterverfahren“ erzielt wurde, gilt folgende Regelung: „Der Verkauf von Gebäuden oder Grundstücken nach einem hinreichend publizierten, allgemeinen und bedingungsfreien Bietverfahren (ähnlich einer Versteigerung) und die darauf folgende Veräußerung an den Meistbietenden oder den einzigen Bieter stellt grundsätzlich einen Verkauf zum Marktwert dar.“ EVS1 – Marktwert 25 4.4 Die Mehrwertsteuerdefinition – Eine dritte Definition ist für Mehrwertsteuerzwecke festgelegt. Gemäß Artikel 135 und 137 der Richtlinie des Europäischen Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuer-System (2006/112/EG), das zur Konsolidierung der MwSt-Gesetzgebung einschließlich der Sechsten MwStRichtlinie (77/338/EWG) mit Artikel 13A und 13B geführt hat, kann die Mehrwertsteuer auf Immobilien Anwendung finden. Artikel 72 (Kapitel 1 (Definition) aus Titel VII (Steuerbemessungsgrundlage) legt eine allgemeine Definition des „Open Market Value“ für das MwSt-System fest. „Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt als „Normalwert“ der gesamte Betrag, den ein Empfänger einer Lieferung oder ein Dienstleistungsempfänger auf derselben Absatzstufe, auf der die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung erfolgt, an einen selbständigen Lieferer oder Dienstleistungserbringer in dem Mitgliedstaat, in dem der Umsatz steuerpflichtig ist, zahlen müsste, um die betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen zu diesem Zeitpunkt unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zu erhalten.“ Da diese Definition für alle Mehrwertsteuerfälle aufgestellt wurde und daher auf jegliche Güter und Dienstleistungen anwendbar ist, wurde sie nicht mit spezifischem Bezug auf Immobilien verfasst. Es herrscht jedoch die Meinung, dass sie die Hauptpunkte einer fiktiven marktüblichen Transaktion für ein tatsächliches Objekt auf einem funktionierenden Markt zwischen wettbewerbsfähigen, hypothetischen Parteien abdeckt. 4.5 Die EU-Definition zum Zwecke der Rechnungslegung – Eine weitere Bestimmung zur Bewertung von Sachanlagevermögen ist zum Zweck der eigenen internen Rechnungslegung in der EU vorhanden. Sie bezieht sich auf die Bewertung von Sachanlagen (insbesondere auch auf Grundstücke und Gebäude) für die Buchführung einer EU-Institution. Jeder Vermögensgegenstand, der gratis erworben wurde, ist zum Marktwert anzusetzen, welcher sich in Artikel 19, Absatz 2 der Verordnung der Kommission (EG) Nr. 2909/2000 vom 29. Dezember 2000 über die rechnungsmäßige Verwaltung der nichtfinanziellen Anlagewerte der Europäischen Gemeinschaften wie folgt definiert: „Der Marktwert entspricht dem Preis, den ein eventueller Käufer für einen Gegenstand zu zahlen bereit ist; maßgeblich sind dabei Zustand und Lage des Gegenstandes sowie seine voraussichtliche weitere Nutzung.“ 26 Europäische Bewertungsstandards 2012 5. Erläuterungen 5.1 Der Vorteil der im EVS1 benutzten Definition gegenüber anderen vorhandenen EU-Definitionen ist jener, dass dieser Standard die zugrundeliegenden Schlüsselkonzepte klarer darlegt, nämlich: das Ergebnis das in Bewertung befindliche Objekt die Transaktion der Bewertungsstichtag die Charakteristika der hypothetischen Parteien in Bezug auf Bereitschaft und Wettbewerbssituation die erforderliche Vermarktung die Einbeziehung der Parteien andere Angelegenheiten In den vorliegenden Erläuterungen werden der Reihe nach alle Formulierungen der Definition behandelt und deren Bedeutung im Zusammenhang mit der Suche nach dem Marktwert für eine Immobilie erforscht. 5.2 Die Definition im EVS1: Sie entspricht jener aus EVS 2009 und der Eigenkapitalrichtlinie von 2006, außer dass sie sich nunmehr im weiteren Sinn auf „Vermögensgegenstände“ anstelle von „Immobilien“ bezieht und für den Bewertungsstichtag den Begriff „valuation date“ anstelle von „date of valuation“ im Englischen benutzt, da letzterer zu leichter Verwirrung auf internationaler Ebene geführt hatte. Diese Änderungen haben jedoch keine Auswirkung auf die Auslegung der Definition in Bezug auf Immobilien. Während es in der Formulierung einen Unterschied zu der neuen Definition in den IVS 2011 gibt, ist sie jedoch in ihrem Wesen für die Bewertung von Immobilien nicht verschieden. Die IVS beziehen sich auf den Wert „eines Vermögensgegenstandes bzw. einer Verbindlichkeit“ (wobei ein „Vermögensgegenstand“ auch implizit eine „Verbindlichkeit“ umfasst), während sich der EVS1, bei dem Immobilien im Mittelpunkt stehen, lediglich auf den Wert „des Vermögensgegenstandes“ bezieht, da der Begriff „Verbindlichkeit“ eher für Rechnungslegungskonzepte von Relevanz ist. Weiterhin wurde in den IVS 2011 der Begriff „wherein“ in „where“ geändert, dieser Abweichung wird jedoch keine wesentliche Bedeutung beigemessen. EVS1 – Marktwert 27 Sie ist im Einklang mit den meisten Marktwertdefinitionen in europäischen Ländern und kann als Basisdefinition des Marktwertes herangezogen werden, der zur allgemeinen Anwendung zur Verfügung steht. Im Wesentlichen sind die gleichen Punkte auf die von TEGoVA anerkannte Definition der „Marktmiete“ wie in Punkt 3.3 weiter oben angeführt, anzuwenden. Da es sich hier um die Miete aus einem Miet- bzw. Pachtanspruch handelt, bezieht sich der EVS1 ebenso wie die IVS hier auch weiterhin auf eine „Immobilie“. Sie wurde von der Definition im EVS1 abgeleitet, wobei es geringfügige Unterschiede im Ausdruck dieser Definition gegenüber jener gibt, die in den IVS 2011 verwendet wird, es wird jedoch auch dieser Abweichung keine Bedeutung beigemessen. 5.3 Das Ergebnis 5.3.1 „Der geschätzte Betrag …“ – Dies bezieht sich auf einen in Geld (normalerweise in der lokalen Währung) ausgedrückten Preis, der für einen Vermögensgegenstand in einer marktkonformen Transaktion zahlbar ist. Der Marktwert wird in Einklang mit der Definition für den Marktwert als jener angemessene Preis angesehen, der am wahrscheinlichsten auf dem Markt zum Bewertungsstichtag erreichbar ist. Es ist der für den Verkäufer angemessene, erreichbare Höchstpreis und der für den Käufer vorteilhafteste, vernünftigste erreichbare Preis. 5.3.2 Diese Schätzung schließt einen durch besondere Gegebenheiten oder Umstände erhöhten oder herabgesetzten Preis ausdrücklich aus, wie beispielsweise bei unüblichen Finanzierungen, Sale-and-Leaseback-Vereinbarungen, speziellen Überlegungen bzw. Zugeständnissen, die von einer mit dem Verkauf in Zusammenhang stehenden Person eingeräumt werden, oder jegliche Elemente im Zusammenhang mit einem subjektiven Wert. 5.3.3 Der subjektive Wert wird gemeinsam mit damit in Beziehung stehenden Themen unter EVS2 „Andere Bewertungsgrundlagen als die des Marktwertes“ behandelt. 5.3.4 Die praktische Anwendung der EU-Regelungen zur staatlichen Beihilfe aus 1997 kann sich unter Umständen auch auf den „subjektiven Wert“ beziehen, gleichgültig ob es sich um einen spezifischen Verschmelzungswert oder einen anderen Bezugspunkt handelt. 28 5.4 Europäische Bewertungsstandards 2012 Das Bewertungsobjekt 5.4.1 „… ein Vermögensgegenstand …“ – Hier geht es um die Analyse des Vermögensgegenstandes mit seinen rechtlichen, physischen, wirtschaftlichen und anderen Merkmalen unter Einbeziehung aller tatsächlichen Möglichkeiten und Schwierigkeiten. Durch die Notwendigkeit, die Bedingungen jeglicher Mietvereinbarung zu berücksichtigen, wird dieser Begriff in die Definition der marktkonformen Miete in Punkt 3.3 oben eingeschlossen. 5.4.2 Gutachter müssen, wenn der Kaufpreis einer Immobilie zusätzlich weitere Gegenstände wie beispielsweise Einbauten, persönliche Gegenstände, zusätzliche Kaufanreize etc. umfasst, diese angemessen berücksichtigen. 5.4.3 Der Marktwert eines Vermögensgegenstandes spiegelt das gesamte Potenzial dieses Objekt in dem Maße wider, wie es auf dem Markt wahrgenommen wird. Daher kann eine mögliche Nutzung der Immobilie, die sich durch entsprechende Änderungen, z. B. neue Planungsgenehmigungen, wichtige Infrastruktur, Marktentwicklungen o. Ä. ergeben könnte, berücksichtigt werden. 5.4.4 Der Zukunftswert („hope value“) wird zur Beschreibung einer Wertsteigerung benutzt, die auf dem Markt in der Annahme einer erreichbaren höherwertigen Nutzung bzw. Entwicklungsmöglichkeit als es nach der derzeitigen Planungsgenehmigung, den bestehenden Einschränkungen durch eine gegebene Infrastruktur bzw. anderen Beschränkungen möglich ist, gezahlt werden würde. Er gibt eine Bewertung der Wahrscheinlichkeit wieder, mit der der Markt diese höherwertige Nutzung bzw. Entwicklung für erreichbar hält, die damit höchstwahrscheinlich verbundenen Kosten, den Zeitrahmen sowie allen anderen Faktoren in diesem Zusammenhang. Grundsätzlich berücksichtigt dieser Wert auch die Möglichkeit, dass die ins Auge gefasste Nutzung sich nicht realisieren lässt. Obwohl also eine Wertsteigerung beschrieben wird, handelt es sich hier nicht um einen separaten Wert, sondern um eine Hilfe zur Erläuterung des Marktwertes einer Immobilie, der unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Fakten genau wie jedes andere Element eines Gutachtens beurteilt werden muss. Bei dem Hoffnungswert handelt es sich nicht um einen besonderen Wert, da er die vernünftigen Erwartungen auf dem Markt hinsichtlich der durch eine Immobilie gebotenen Chancen darstellt. 5.4.5 Da es sich um einen Faktor handelt, der mittels des Marktwertes wiedergegeben wird, beinhaltet der Hoffnungswert keinen Aspekt von besonderem Wert, der sich jedoch aufgrund eines bestimmten Käufers ergeben könnte. EVS1 – Marktwert 29 5.4.6 In einigen Ländern trifft man auch auf das Konzept der höchsten und besten Nutzung und manche Gutachter in Europa könnten gebeten werden, eine Immobilie unter der Annahme ihrer höchsten und besten Nutzung zu bewerten. Im Wesentlichen handelt es sich hier um diejenige Nutzung, die zum Bewertungsstichtag zulässig ist und den höchsten Wert auf der Grundlage von vernünftigen Erwartungen erzielt. Bei gründlicher Betrachtung schließt dies den Hoffnungswert aus, den der Markt den potenziellen Chancen einer Immobilie einräumt, die jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegeben sind. Während es sich hier um die Bewertung einer Immobilie in ihrem Zustand am Bewertungsstichtag handelt, ist es jedoch keine Beurteilung ihrer besten Nutzung, die der Markt zu diesem Zeitpunkt nach vernünftigen Gesichtspunkten für die betreffende Immobilie für möglich halten könnte. 5.4.7 Die höchste und beste Nutzung wurde bereits mehrfach mit einer Definition versehen, unter anderem: „die mögliche Nutzung eines Objektes, welche seine Produktivität maximiert und gesetzlich erlaubt sowie finanziell geeignet ist.“ (International Valuation Standards 2011, Seite 22) und „die unter vernünftigen Gesichtspunkten wahrscheinliche und rechtmäßige Nutzung einer Immobilie, die physisch möglich, angemessen unterstützt und finanziell geeignet ist, und die zu ihrem höchsten Wert führt.“ (The Appraisal Institute of Canada) 5.4.8 Hier ist anzumerken, dass es auch in einzelnen Ländern weitere spezifische Definitionen der höchsten und besten Nutzung geben kann, die gemäß gesetzlichen Bestimmungen bzw. in der Praxis Anwendung finden können. 5.4.9 Bei den Kernelementen der gebräuchlichen Definitionen für das Konzept der höchsten und besten Nutzung, die zum Bewertungsstichtag zu bestimmen ist, handelt es sich um folgende: die unter vernünftigen Gesichtspunkten wahrscheinlichste Nutzung – damit entfallen besondere Nutzungsformen, die für einen einzelnen Bieter in Frage kommen könnten. rechtlich zulässig – dies ist möglicherweise der kritische Punkt im Hinblick auf den Marktwert. Während die Nutzung nach einer allgemein gehaltenen Definition „gesetzlich zulässig“ sein muss, geht doch aus den Erläuterungen hervor, dass sich dies auf bestehende Baulanderschließungen bzw. Baugenehmigungen bezieht und somit jeglichen Hoffnungs- bzw. Zukunftswert aus- 30 Europäische Bewertungsstandards 2012 schließt, den der Markt für die Möglichkeit, neue Genehmigungen erhalten zu können, bezahlen könnte. Während sich die meisten Debatten auf das Thema der gegenwärtig zugelassenen Nutzung konzentrieren, sind die gleichen gesetzlichen Beschränkungen anwendbar, wenn eine Immobilie vermietet ist, der Markt jedoch der Auffassung sein kann, dass eine mögliche Neuvermietung in der Zukunft bzw. eine neue Nutzung einen potenziellen Hoffnungswert anbieten, der durch die Beschränkungen hinsichtlich der Voraussetzungen für die höchste und beste Nutzung ausgeschlossen wird. physisch möglich – auch hier handelt es sich augenscheinlich um die Bewertung der baulichen Gegebenheiten einer Immobilie zum Bewertungsstichtag ohne Berücksichtigung einer möglichen Weiterentwicklung (z. B. durch neue Straßen oder ein Hochwasserbekämpfungsprogamm), die unter Umständen gegeben sein kann und an sich Möglichkeiten eröffnet, für die manche Bieter wegen ihres zusätzlichen Wertes mehr bezahlen würden. Die Nutzung muss sich auf Fakten stützen. Die Nutzung muss wirtschaftlich durchführbar sein. Eine Nutzung, die zum höchsten Wert für die Immobilie führt. – Dieser letzte Punkt wird manchmal im Hinblick auf eine Nutzung diskutiert, die den höchsten Nettoertrag erzielt, da die Vorteile eines höheren Wertes oftmals durch höhere Kosten wieder wegfallen, eine geringwertigere Nutzung daher zu einem höheren Kaufpreisangebot führen kann. 5.4.10 Diese Nutzung wird von den besonderen Merkmalen einer entsprechenden Immobilie abhängen und sich daher ändern, wenn die Immobilie mit anderen zum Zwecke der Bewertung zusammengefasst wird. Wendet ein Gutachter die Annahme der höchsten und besten Nutzung in der Praxis an, erhält man einen Anhaltspunkt dafür, welche Objekte den besten vergleichbaren Nachweis für seine Bewertung bieten und die Wahl der Bewertungsmethode beeinflussen könnten. 5.4.11 Sofern er keine anderweitigen Anweisungen hat, ist es die Aufgabe eines Gutachters, den Marktwert von Grundstück bzw. Gebäude in Übereinstimmung mit einer vollständigen Prüfung des Marktwertes nach EVS1 zu bestimmen. Ein hypothetischer Verkäufer wird für seine Immobilie nicht weniger akzeptieren und ein hypothetischer Käufer wird nicht mehr anbieten, als er für ein gleichwertiges Objekt mit für ihn ähnlicher Nützlichkeit zahlen würde. Da jeder einzelne Punkt aus der Definition der höchsten und besten Nutzung (mit Ausnahme des Nachweises von Fakten) der Definition des Marktwertes Beschränkungen auferlegt, wird die angenommene höchste und beste Nutzung nicht notwendigerweise die gleiche wie beim Marktwert sein, obgleich sie höher als der Wert der derzeitigen Nutzung sein kann. Der offensichtlichste Unterschied lieg im Ausschluss von möglichen Genehmigungen bzw. anderen zukünftigen EVS1 – Marktwert 31 Chancen, für die der Markt einen Zukunftswert ansetzen und damit die Aussichten, Risiken und Kosten einer solchen zukünftigen Chance beurteilen würde. 5.4.12 Unterliegt eine Veräußerung besonderen Bedingungen, wird ein Angebot nach den Regelungen zur staatlichen Beihilfe nur dann als „bedingungsfrei“ angesehen, wenn alle potenziellen Käufer diese Verpflichtung einhalten müssen und dazu auch imstande wären, unbeschadet dessen, ob sie ein Unternehmen führen oder nicht und ungeachtet des Gegenstands dieses Geschäftes. 5.4.13 Die Regelungen zur staatlichen Beihilfe aus 1997 für ein bedingungsfreies Angebot lauten wie folgt: „… wenn es jedem Käufer, unbeschadet dessen, ob er ein Geschäft führt oder nicht, beziehungsweise ungeachtet des Gegenstands des Geschäftes, prinzipiell freisteht, das Grundstück und die Gebäude zu erwerben und für seine eigenen Zwecke zu nutzen, wobei Einschränkungen zur Vermeidung öffentlichen Ärgernisses, aus Umweltschutzgründen oder zur Vermeidung von rein spekulativen Angeboten auferlegt werden können. Einschränkungen zum Zwecke der Stadtentwicklung oder Regionalplanung, die dem Eigentümer nach nationalem Recht in der Nutzung des Grundstückes oder der Gebäude auferlegt sind, haben keine Auswirkung auf die bedingungsfreie Eigenschaft eines Angebots.“ Mitteilung zur staatlichen Beihilfe II, Ziffer 1. (b) 5.5 Die Transaktion 5.5.1 „… verkauft werden könnte …“ – Hier handelt es sich um einen geschätzten Betrag, nicht jedoch um einen vorherbestimmten bzw. den tatsächlichen Verkaufspreis. Es ist dies jener Preis, zu welchem der Markt einen Geschäftsvorgang zum jeweiligen Bewertungsstichtag erwartet und auf den alle anderen Elemente der Definition des Marktwertes zutreffen. 5.5.2 Die Verwendung des Wortes „könnte“ drückt diese Bedeutung einer vernünftigen Erwartung aus. Der Gutachter darf keine unrealistischen Annahmen hinsichtlich der Marktbedingungen treffen oder einen unangemessen hohen Marktwert annehmen. 5.5.3 In der Definition, die in den Regelungen zu staatlichen Beihilfen Anwendung findet, wird jener Preis erwartet, zu dem Grundstück und Gebäude „in einem privaten Vertrag verkauft werden könnten“. Die Verwendung des Wortes „könnte“ zeigt die hypothetische Natur der Transaktion auf. Dabei soll nicht vom bestmöglichen Preis, der 32 Europäische Bewertungsstandards 2012 vorstellbar wäre, ausgegangen werden, sondern von dem Preis, der nach angemessenen Erwartungen erzielt werden würde. 5.5.4 Der hypothetische Verkauf ist hier auf einen „Privatvertrag“ zu beziehen, ebenso wie der Verhandlungsgegenstand. 5.6 Bewertungsstichtag 5.6.1 „… am Bewertungsstichtag …“ – Dies erfordert, dass der geschätzte Marktwert zeitspezifisch auf einen gegebenen Zeitpunkt bezogen ist; dies ist normalerweise jener Zeitpunkt, an dem der hypothetische Verkauf stattfinden sollte und er ist deshalb normalerweise nicht identisch mit dem Datum, an dem die Bewertung tatsächlich erstellt wird. Da Märkte und Marktbedingungen veränderlich sein können, kann der geschätzte Wert zu einem anderen Zeitpunkt unrichtig oder unangemessen sein. Der geschätzte Betrag wird also den tatsächlichen Marktzustand und die Situation zum effektiven Bewertungsstichtag widerspiegeln, und nicht den Preis zu einem vergangenen oder zukünftigen Zeitpunkt. Der Bewertungsstichtag und das Datum des Gutachtens können unterschiedlich sein, aber letzteres kann nie vor dem ersteren liegen. Die Definition geht auch von einem gleichzeitigen Übergang des Vertragsgegenstandes und dem Vollzug des Vertrages ohne jegliche Preisänderung aus, was jedoch in einer auf dem Marktwert basierenden Transaktion vorkommen könnte. 5.6.2 Der Marktwert ist (in diesem Zusammenhang) ausdrücklich keine Bewertung des Wertes über einen längeren Zeitraum hinweg, sondern bezieht sich nur auf die Zeit der hypothetischen Transaktion. 5.6.3 Die Ausdrücke „Datum der Bewertung“ und „Bewertungsstichtag“ beziehen sich auf jenes Datum, zu welchem der Wert ermittelt und festgelegt wird (und für welchen das den Wert belegbare Material maßgeblich ist); nicht jedoch auf den üblicherweise späteren Zeitpunkt, zu dem die Bewertung verfasst und gemeinsam mit dem dann für den Kunden gefertigten Bericht geprüft wird. Die Fertigstellung des Gutachtens liegt nie vor dem Bewertungsstichtag, da sonst Umstände berücksichtigt würden, die nicht eingetreten sind, möglicherweise nicht eintreten werden und für welche wichtiges Belegmaterial noch nicht vorhanden ist. 5.6.4 Der Bewertungsstichtag kann nie nach dem Datum des Gutachtens liegen. Durch die Vorschrift, dass der hypothetische Vertragsabschluss am Bewertungsstichtag erfolgt, wird sichergestellt, dass die Bewertung in Kenntnis der von den Parteien zu dem betreffenden Zeitpunkt erwarteten Wertfaktoren erfolgt. Nationale Regelungen könnten jedoch unter bestimmten Umständen vorschreiben, dass der Bewertungs- EVS1 – Marktwert 33 stichtag auf einen späteren Bezugszeitpunkt zum Zwecke der Beurteilung von Qualität und Zustand einer Immobilie gelegt wird (z. B. bei öffentlichen Ausgleichszahlungen). 5.7 Die Parteien – hypothetisch, vertragswillig und im Wettbewerb 5.7.1 „… zwischen einem kaufbereiten Käufer …“ – Dieser Ausdruck bezieht sich auf einen hypothetischen Käufer und nicht auf einen tatsächlichen – also jener Person, die den Wunsch hat, zu kaufen, jedoch nicht dazu gezwungen ist. Es wird weiter davon ausgegangen, dass dieser Käufer weder übereifrig noch bereit ist, zu jedem Preis zu kaufen. 5.7.2 Dieser Käufer orientiert sich außerdem an den Realitäten des aktuellen Marktes und an aktuellen Markterwartungen, nicht jedoch an den Gegebenheiten eines imaginären, hypothetischen Marktes, die weder darstellbar noch vorhersehbar sind. Der hypothetische Käufer würde keinen höheren Preis zahlen, als jenen, den der Markt von ihm verlangt. Der gegenwärtige Immobilieneigentümer gehört zum Personenkreis der Marktteilnehmer, also zu jenen Personen, die den Markt bilden. 5.7.3 In gleicher Weise kann man von einem Käufer mit Kaufabsicht nicht erwarten, dass er zögerlich oder unwillig ist. Er handelt wie im praktischen Geschäftsleben. 5.7.4 Die Regelungen zur staatlichen Beihilfe beziehen sich auf einen Käufer, der mit dem Verkäufer im gewöhnlichen Geschäftsverkehr steht, ohne mit diesem verbunden oder abhängig von ihm zu sein. 5.7.5 „… und einem verkaufsbereiten Verkäufer …“ – Diese Bezeichnung bezieht sich ebenfalls auf einen hypothetischen Verkäufer, nicht jedoch auf den tatsächlichen Eigentümer; es wird angenommen, dass er weder übereifrig ist, noch unter Zwang steht, und daher bereit ist, zu jedem Preis zu verkaufen, oder dass er auf einer auf dem aktuellen Markt unangemessen hohen Preisvorstellung besteht. Der verkaufsbereite Verkäufer hat den Wunsch, die Immobilie zu Marktbedingungen zum höchstmöglichen Preis, der am freien Markt nach angemessenen Verkaufsbemühungen zu erzielen ist, wie auch immer dieser Preis aussehen mag, zu veräußern. Die faktischen Umstände des tatsächlichen Eigentümers sind nicht Teil dieser Überlegungen, da es sich bei dem „verkaufsbereiten Verkäufer“ um einen hypothetischen Eigentümer handelt. 5.7.6 Demgemäß sind, wiewohl das Bewertungsobjekt so wie in der realen Welt zu bewerten ist, der imaginäre Käufer und Verkäufer hypothetische Parteien, obgleich sie zu aktuellen Marktbedingungen agieren. Das Kriterium, dass beide zur Transaktion 34 Europäische Bewertungsstandards 2012 bereit sind, schafft das Spannungsverhältnis, in dem der Marktwert ermittelt werden kann. 5.7.7 Auf diese Weise ist der Marktwert unabhängig und unbeeinflusst von den Zielsetzungen des Auftraggebers des Gutachtens. 5.7.8 „… Transaktionen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr …“ – Dies ist eine Transaktion zwischen Parteien, die in keinem besonderen oder speziellen Verhältnis zueinander stehen (z. B. Mutter- und Tochterfirma, Mieter und Vermieter), wodurch sich ein unübliches Preisniveau ergeben könnte oder der Preis aufgrund eines speziellen Wertelementes in die Höhe getrieben werden könnte. Ein Geschäftsabschluss auf Basis des Marktwertes ist als einer zwischen nicht verbundenen, unabhängig voneinander agierenden Parteien anzusehen. 5.8 Vermarktung 5.8.1 „… nach angemessener Vermarktung …“ – Die Immobilie wäre auf die am besten geeignete Weise auf dem Markt zu offerieren, um eine Veräußerung zum bestmöglichen Preis gemäß Marktwertdefinition zu erreichen. Die Dauer des Vermarktungszeitraumes wäre je nach Marktbedingungen unterschiedlich anzusetzen, muss jedoch ausreichend sein, um eine angemessene Anzahl von potenziellen Käufern auf die Immobilie aufmerksam zu machen. Der Vermarktungszeitraum liegt vor dem Bewertungsstichtag. 5.8.2 In Anwendung der EU-Vorschriften zur staatlichen Beihilfe ist die Immobilie dann hinreichend vermarktet, wenn diese: „… über einen längeren Zeitraum (zwei Monate und mehr) mehrfach in der nationalen Presse, Immobilienanzeigern oder sonstigen geeigneten Veröffentlichungen und durch Makler, die für eine große Anzahl potenzieller Käufer tätig sind, bekannt gemacht wurde und so allen potenziellen Käufern zur Kenntnis gelangen konnte.“ Mitteilung zur staatlichen Beihilfe, Abschnitt II, Ziffer 1. (a), 1. Absatz Da mit den Regelungen der EU beabsichtigt ist, Transaktionen zum Marktwert sicherzustellen, ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Immobilie entsprechend zu bewerben ist, wenn der Verkauf für internationale Bieter von Interesse sein könnte und „ein solches Angebot sollte von Vermittlern bekannt gemacht werden, die Kunden europaweit oder international ansprechen.“ Mitteilung zur staatlichen Beihilfe, Abschnitt II, Ziffer 1. (a), 2. Absatz EVS1 – Marktwert 35 5.8.3 Diese Regelungen zur staatlichen Beihilfe sind sehr konkret in der Erwartung, dass die Verkaufsbedingungen eine „ordnungsgemäße Veräußerung“ ermöglichen – also keine ungebührliche Eile auferlegt ist, die eine ordnungsgemäße Prüfung des Marktes einschränken könnte oder den Eigentümer zu einem überstürzten Verkauf nötigen könnte. Die Regeln beziehen sich auf eine für die Verkaufsverhandlungen „übliche Zeitspanne“, die jeweils aufgrund der „Merkmale der Immobilie“ zu beurteilen ist. 5.8.4 Diese Faktoren sollten, indem sie die Anzahl möglicher Bieter ausloten, die an den hypothetischen Käufer gestellten Erwartungen hervorbringen (jeweils nach Maßgabe der Marktbedingungen, die jedenfalls den Rahmen für den Marktwert darstellen). 5.9 Überlegungen zu den Parteien 5.9.1 „… wobei jede Partei mit Sachkenntnis handelt …“ – Diese Formulierung geht von der Annahme aus, dass sowohl der kaufwillige Käufer wie der verkaufswillige Verkäufer hinreichend über die Art und Eigenschaft der Immobilie, über deren tatsächliche sowie potenzielle Nutzungsmöglichkeiten, sowie über die Marktsituation zum Bewertungsstichtag informiert sind. 5.9.2 Auf diese Weise treffen die Parteien die für dieses Datum vernünftigerweise zu erwartenden Einschätzungen. Insbesondere der hypothetische Käufer kann hierfür besser informiert sein als einige oder alle realen Bieter. Dabei geht es nicht nur um die Kenntnis der Immobilie selbst, sondern auch um die jeweilige Marktkenntnis und nachweisliches Belegmaterial (unter Einschluss von möglicherweise vorhandenen Vergleichswerten), auf dem die Werteinschätzung der Immobilie beruht. 5.9.3 „… mit Umsicht …“ – Es wird von jeder Partei angenommen, dass diese im eigenen Interesse mit jenem Wissen und mit jener Umsicht handelt, um den besten Preis für die jeweilige Verhandlungsposition im Zuge der Transaktion zu erreichen. Die Umsicht bemisst sich nach der Marktsituation zum Bewertungsstichtag, nicht jedoch nach dem besseren Wissen im Nachhinein, zu einem späteren Zeitpunkt. Es ist aus der Sicht des Verkäufers nicht notwendigerweise unklug, eine Immobilie bei fallenden Marktpreisen, die unter dem Preisniveau vorheriger Perioden liegen, zu verkaufen. In solchen Fällen wird der umsichtige Käufer oder Verkäufer nach den zum jeweiligen Zeitpunkt besten Marktinformationen handeln, ebenso wie bei anderen Kauf- und Verkaufssituationen in Märkten mit veränderlichen Preisen. 5.9.4 „… ohne Zwang …“ – Dies begründet, dass jede Partei willens und bereit ist, das Geschäft abzuschließen, ohne jedoch dazu gezwungen oder ungerechtfertigt genötigt zu sein. 36 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.10 Annahmen und spezielle Annahmen, alternativer Nutzwert und Zwangsverkaufswert 5.10.1 Annahmen 5.10.1.1 Der Bewertungsauftrag kann es erforderlich machen, dass der Gutachter eine Annahme trifft, wie beispielsweise bezüglich der für die Vermarktung zur Verfügung stehenden Zeit im Rahmen einer Bewertung für eine Zwangsversteigerung (siehe 5.10.4 unten). Der Gutachter muss dann unter Umständen von bestimmten Annahmen ausgehen, um die Bewertung letztendlich abschließen zu können, oft auch bei Fehlen bestimmter Informationen. Solche Annahmen sollten generell ausdrücklich hervorgehoben werden. 5.10.1.2 Ein Gutachter trifft eine Annahme, wenn er von einem Umstand ausgeht (oder angewiesen wird, von etwas auszugehen), denn er nicht kennt, nicht kennen kann bzw. nicht sinnvoll belegen kann. 5.10.1.3 Ein Gutachter muss Besichtigungen und Prüfungen im notwendigen Umfang vornehmen, um eine Bewertung erstellen zu können, die ihren Zweck in professioneller Weise angemessen erfüllt. Ist die gelieferte bzw. zur Verfügung stehende Information begrenzt oder eingeschränkt, muss der Gutachter unter Umständen von Annahmen ausgehen, damit er eine Werteinschätzung bei Fehlen einer vollständigen Datenlage bzw. fehlenden Wissens erstellen kann. Bei solchen Annahmen kann es sich um Fakten, Bedingungen bzw. Situationen handeln, die einen Einfluss auf die Bewertung haben und mit größter Wahrscheinlichkeit als korrekt erachtet werden, da vollständige Informationen fehlen. Bei Umständen wie beispielsweise Rechtstiteln oder Asbest, die ein Gutachter nicht immer unabhängig überprüfen kann, kann eine Annahme mit der Empfehlung einhergehen, dass der Auftraggeber die tatsächlichen Verhältnisse durch entsprechend qualifizierte Stellen klären lässt. Stellt sich eine Annahme im Nachhinein als inkorrekt heraus, muss der Gutachter die berichteten Zahlen eventuell überprüfen und ändern, und im Gutachten muss darauf hingewiesen werden, dass solches möglich ist. 5.10.1.4 Die folgende Liste dient lediglich der Veranschaulichung ohne Anspruch auf Vollständigkeit und führt die Umstände auf, für die Annahmen zur Erzielung einer Werteinschätzung getroffen wurden: (i) Ein detaillierter Bericht über Rechtstitel, in dem alle Belastungen, Einschränkungen bzw. Verbindlichkeiten aufgeführt werden, die einen Einfluss auf den Wert einer Immobilie haben können, die jedoch nicht zur Prüfung zur Verfügung stehen. In einem solchen Fall muss der Gutachter von derjenigen EVS1 – Marktwert 37 angenommenen Situation ausgehen, die er für am wahrscheinlichsten hält, und er muss ausführen, dass er keine Verantwortung bzw. Haftung für die tatsächliche Auslegung der Rechtstitel übernimmt. (ii) Der Umfang einer Besichtigung ist im Bericht deutlich zu umreißen und sollte im Einklang mit dem Bewertungsauftrag und der Immobilienart stehen. Unter Umständen ist die Annahme notwendig, dass obwohl offensichtliche Mängel zur Kenntnis genommen wurden, andere Mängel existieren können, die eine detailliertere Betrachtung oder die Beauftragung von Fachkundigen erfordern, womit man zu weiteren Erkenntnissen gelangen könnte. Dem kann der Hinweis folgen, dass die aufgeführte Werteinschätzung auf dem berichteten Zustand beruht und dass alle existierenden zusätzlichen Mängel u. U. eine Änderung der Zahlen erforderlich machen können. (iii) Annahmen können hinsichtlich notwendiger gesetzlicher Genehmigungen für die aktuellen Gebäude und ihre Nutzung erforderlich sein, wobei man auch auf die von öffentlichen Körperschaften verfolgte Politik bzw. deren Vorhaben, die sowohl eine positive als auch eine negative Auswirkung auf den Wert haben könnten, Bezug nehmen sollte. (iv) Es ist zu bedenken, ob der Gutachter ausreichend kompetent ist, um potenzielle Kontaminationsrisiken bzw. das Vorhandensein von Schadstoffen entsprechend zu erfassen. Es kann notwendig sein, bei der Einschätzung des Werts die Annahme zu treffen, dass solche Risiken entweder nicht bestehen, oder dass der Gutachter sich auf Informationen verlässt, die von fachlich spezialisierten Beratern verfasst wurden. (v) Der Gutachter wird in manchen Fällen von der Annahme ausgehen müssen, dass das öffentliche Versorgungsnetz betriebsbereit und ausreichend für die angestrebte Nutzung ist. (vi) Es kann notwendig sein, eine Annahme darüber zu treffen, ob eine Immobilie Hochwasser ausgesetzt war oder sein wird bzw. ob es andere Umwelteinflüsse gibt, die auf die Werteinschätzung Einfluss nehmen. (vii) Handelt es sich um eine vermietete Immobilie, kann die Annahme notwendig sein, dass ins Einzelne gehende Nachforschungen zur finanziellen Situation der Mieter keine Ergebnisse zu Tage fördern würden, die die Bewertung beeinflussen könnten. (viii) Der Gutachter muss eventuell von der Annahme ausgehen, dass es keine Planungen oder Autobahnvorhaben gibt, die zur Ausübung von gesetzlichen Befugnissen führen können oder die Immobilie in anderer Weise direkt betreffen. 38 Europäische Bewertungsstandards 2012 (ix) Der Gutachter muss eventuell die Annahme treffen, dass Teile der Betriebsanlagen und Ausstattung, die üblicherweise Bestandteil der Versorgungsinstallationen eines Gebäudes sind, bei Verkauf der Immobilie in anderes Eigentum übergehen würden. (x) Die erforderlichen Annahmen bei einer Bewertung ohne Besichtigung sind im EVS4 unter Punkt 6.4 aufgeführt. 5.10.2 Besondere Annahmen 5.10.2.1 Im Unterschied zu einer Annahme, die der Gutachter zwecks Ausübung seiner Funktion treffen muss, handelt es sich um eine besondere Annahme des Gutachters, wenn er, normalerweise nach Anweisung, von einer Gegebenheit oder Umständen ausgeht, die sich von denjenigen unterscheiden, die zum Bewertungsstichtag verifizierbar sind. Das Ergebnis ist ein Marktwert unter dieser besonderen Voraussetzung. 5.10.2.2 Annahmen können oft der Fall sein, um einen Auftraggeber über die Auswirkungen durch geänderte Umstände auf die Bewertung zu informieren. Ein Beispiel dafür ist, wenn ein Gutachter angewiesen wurde bezüglich des Wertes einer Immobilie von besonderen Annahmen auszugehen: Leerstand trotz Vermietung Bewertung anhand einer noch einzuholenden Planungsgenehmigung für eine bestimmte Nutzung Der Zwangsverkaufswert ist ein Beispiel für einen Marktwert unter der besonderen Voraussetzung des Vermarktungszeitraumes. 5.10.2.3 Von Gesetz wegen können besondere Annahmen erforderlich werden, beispielsweise bei Bewertungen für bestimmte Steuerarten oder zum Zwecke von Zwangsverkäufen. 5.10.2.4 Wird von besonderen Annahmen ausgegangen, sind sie in den Auftragsbedingungen und im Gutachten aufzuführen (siehe auch EVS4 unter Punkt 5.9). 5.10.3 Alternativer Nutzwert 5.10.3.1 Definition – Dies ist der Marktwert einer Immobilie ohne Annahme einer Weiterführung der gegenwärtigen Nutzung. EVS1 – Marktwert 39 5.10.3.2 Erläuterung – Während der Marktwert den bestmöglichen erzielbaren Wert einer Immobilie darstellt – unabhängig von der Nutzung –, kann es bei einigen Bewertungen erforderlich sein, dass nur die gegenwärtige Nutzung anzunehmen ist, wie beispielsweise dann, wenn ein Unternehmen als fortzuführender Betrieb bewertet wird. Wenn es von Belang ist, alternative Nutzungen der Liegenschaft zu berücksichtigen, die möglicherweise keine Weiterführung des aktuellen Geschäfts nach sich ziehen, wäre dies der alternative Nutzwert der Immobilie, also ein Marktwert. Dieser Wert würde die Kosten einer Betriebsstilllegung nicht beinhalten. 5.10.3.3 Diese Grundlage kann auch von Bedeutung sein, wenn eine Wertermittlung nach Sachwertverfahren durchgeführt wird. 5.10.4 Zwangsverkaufswert 5.10.4.1 Definition – Darunter versteht sich jener Preis, der für eine Immobilie zu erzielen wäre, wenn sich der Verkäufer – aus welchem Grund auch immer – in einer Zwangslage befindet, die die Veräußerung der Immobilie bedingt. 5.10.4.2 Erläuterung – Eine Bewertung des Zwangsverkaufswertes kann dann notwendig werden, wenn der Verkäufer unter dem Zwang steht, zu verkaufen, er unter allen Umständen verkaufen will oder ihm aufgrund anderer Umstände eine festgesetzte Frist auferlegt wird. Dieser Fall könnte dann eintreten, wenn der Verkaufszeitraum zu kurz ist, um eine ordnungsgemäße Vermarktung zu ermöglichen, um sicherzugehen, dass das beste Angebot erhalten wurde. Oder anders gesagt – es kann sein, dass potenzielle Käufer erkennen, dass der Verkäufer unter Druck steht und sie dementsprechend ihre Angebote verringern. Die Art dieser spezifischen Einschränkungen bestimmt die Situation, in welcher die hypothetische Übertragung stattfindet – ohne Existenz dieser Einschränkungen wäre es einfach der Marktwert. 5.10.4.3 Der Zwangsverkaufswert ist keine Bewertungsgrundlage. Sobald alle maßgeblichen Einschränkungen ermittelt wurden, kann er als eine Beurteilung des Marktwertes unter der speziellen Voraussetzung eines zwar bekannten, jedoch eingeschränkten Vermarktungszeitraumes angesehen werden. Der Gutachter sollte daher eine Bewertung nicht auf Grundlage des Zwangsverkaufswertes sondern auf Grundlage des Marktwertes unter Angabe der spezifischen besonderen Voraussetzungen, die im jeweiligen Fall vorliegen, durchführen. 5.10.4.4 Der Gutachter muss von dem vorhandenen Zeitrahmen und sämtlichen relevanten Einschränkungen des Verkäufers Kenntnis haben und diese anführen. Da ein derartiger Wert eben diese sehr spezifischen Umstände bezüglich der auferlegten 40 Europäische Bewertungsstandards 2012 Annahme widerspiegelt, müssen diese in den Auftragsbedingungen und im Gutachten selbst aufgeführt werden. Im Ergebnis ergibt sich nicht ein Marktwert, da es keinen hypothetischen, verkaufswilligen Verkäufer, sondern einen tatsächlich existenten Verkäufer gibt, der unter diesen Einschränkungen agiert. 5.11 Sonstiges 5.11.1 Dokumentation – Während der Marktwert unabhängig von einschlägiger Dokumentation besteht, soll eine professionelle Bewertung gemäß diesem Standard für den Auftraggeber und jegliche andere Person, die sich aus guten Gründen darauf verlassen oder diese einschätzen wollen, ordnungsgemäß und schriftlich auf eine nachvollziehbare und klare Weise gemäß EVS4 dargestellt sein. 5.11.2 Die Definition des Marktwertes sollte sowohl im Wortlaut der Auftragsvereinbarung als auch dem Gutachten selbst angeführt sein. 5.11.3 Transaktionskosten und Steuern – Der Marktwert definiert sich als der geschätzte Wert einer Immobilie, wobei dies nicht mit dem Kauf oder Verkauf verbundene Nebenkosten und Steuern einschließt. Der Marktwert spiegelt alle jene Faktoren wider, die eine Auswirkung auf die Marktteilnehmer haben und daher auch jenen Einfluss, den die Transaktionskosten und Steuern haben können. Jedoch müssen diese Beträge, falls sie berücksichtigt werden müssen, als Summe zusätzlich neben dem Marktwert ausgewiesen werden. Diese Faktoren können wertbeeinflussend sein, sind aber nicht Teil des eigentlichen Wertes. 5.11.4 Insbesondere ist der Marktwert als Wert vor jeglichen Steuern anzusehen, die bei einer tatsächlichen Transaktion des Bewertungsobjektes anfallen können. Transaktionssteuern oder Mehrwertsteuer, die entweder einige oder alle potenziellen Parteien betreffen können, sind Teil eines umfassenderen Rahmenwerks am Markt und beeinflussen so gemeinsam mit allen anderen Faktoren den Wert, wobei jedoch die spezifische Steuer, die bei einem Geschäftsabschluss anfällt, zusätzlich zum Marktwert anzusehen ist und über diesen hinausgeht. 5.11.5 Diese Sachlage kann sich auf Basis abweichender nationaler Gesetzgebung speziell aus Gründen der Rechnungslegung verändern. Unter bestimmten Umständen nimmt auch die EU-Gesetzgebung einen anderen Standpunkt ein. Artikel 49, Ziffer 5 der Richtlinie 91/674/EWG vom 19. Dezember 1991 über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen trifft folgende Feststellung: EVS1 – Marktwert 41 „Sind zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung […] Grundstücke und Gebäude veräußert worden oder besteht die Absicht, sie in nächster Zeit zu veräußern, so ist der ermittelte Wert um die angefallenen oder geschätzten Realisierungsaufwendungen zu vermindern.“ 5.11.6 In solchen Fällen steht es dem Gutachter frei, den Marktwert sowohl vor als auch nach den Veräußerungskosten darzustellen. Jedenfalls sollte er in einem derartigen Fall klar herausstellen, ob diese Kosten abgezogen wurden und so dies der Fall ist, anführen, wie hoch der Betrag ist, der pro Kostenposition abgezogen wurde. 42 Europäische Bewertungsstandards 2012 43 EVS2 Andere Bewertungsgrundlagen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. Einleitung Anwendungsbereich Wertansatz Fair Value – Zeitwert Subjektiver Wert Investitionswert Beleihungswert Versicherungswert Wiederbeschaffungskosten (Sachwert) EUROPÄISCHER BEWERTUNGSSTANDARD 2 Der Gutachter sollte vor Verwendung jeglicher Wertansätze, die nicht dem Marktwert zugeordnet sind, den Zweck der Bewertung feststellen. Mit Ausnahme von einzelfallbezogenen Vorgaben bzw. Vorschriften aus der europäischen und nationalen Gesetzgebung, sollte der Gutachter ausschließlich anerkannte Bewertungsgrundlagen verwenden, die im Einklang mit dem Zweck der Bewertung stehen, und nach den Grundsätzen der Transparenz, Konsistenz und Kohärenz handeln. Solche anderen Wertansätze sind möglicherweise gemäß den gesetzlichen Anforderungen, den Gegebenheiten und den Anweisungen des Auftraggebers anzuwenden, wenn die zu Grunde liegenden Annahmen ungeeignet oder unrealistisch sind. Das Ergebnis wird dementsprechend nicht ein Marktwert sein. 44 1. Europäische Bewertungsstandards 2012 Einleitung Obwohl die Mehrzahl der professionellen Bewertungen auf Basis des Marktwertes zu erstellen ist, gibt es Situationen, in denen unter Umständen alternative Ansätze erforderlich oder geeigneter sind. Es ist unabdingbar, dass sowohl die Gutachter wie auch die Nutzer einer Bewertung klar die Unterscheidung zwischen dem Marktwert und anderen Bewertungsgrundlagen sowie die Auswirkungen, die die Unterschiede der beiden Konzepte in Bezug auf Aufbau und Erstellung der Bewertung nach sich ziehen können, verstehen. 2. Anwendungsbereich EVS2 definiert, erklärt und charakterisiert die vom Marktwert abweichenden Wertansätze. 3. Wertansatz 3.1 Definition – Eine Aussage zu den grundsätzlichen Annahmen bei der Einschätzung einer Bewertung für einen definierten Zweck. 3.2 Erläuterung 3.2.1 Die Wahl eines Wertansatzes als Aussage ist von anderen verwendeten Methoden oder Techniken zur Implementierung von Grundlagen zu unterscheiden. Im Gutachten sind die in der Bewertung verwendeten Fachausdrücke und Methoden zu definieren. 3.2.2 Falls sich keine der Grundlagen aus den EVS 2012 zur Übernahme eines Auftrages als geeignet erweist, ist der verwendete Ansatz explizit anzuführen und klar und transparent zu definieren, wobei der Gutachter angehalten ist, den Grund für das Abweichen von der anerkannten Grundlage zu erklären. Falls das Bewertungsergebnis nicht einen Betrag wiedergibt, die einer Bewertung auf der Grundlage des Marktwertes entspricht, ist dies anzuführen. Alle getroffenen Voraussetzungen und spezielle Annahmen sind im Gutachten zu nennen. 3.2.3 Im Gegensatz dazu ist eine Bewertungsgrundlage (bzw. ein Bewertungsansatz) eine Methodologie, die zur Ermittlung einer Bewertung mittels der vorhandenen Datenlage angewendet werden kann. Das Ertragswertverfahren, das Sach- bzw. das Wiederbeschaffungswertverfahren sind daher vom Grundsatz her Methoden zur Ermittlung einer Bewertung und keine Wertansätze. EVS2 – Andere Bewertungsgrundlagen 4. 45 Beizulegender Zeitwert 4.1 Definition – Der Begriff des beizulegenden Zeitwertes wird in zwei bestimmten, jedoch unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet, in denen er auch in unterschiedlicher Weise Anwendung findet: (i) Allgemeine Definition – Der Zeitwert kann im Allgemeinen als Bewertungsgrundlage für Immobilien genutzt werden, wenn bestimmte Teilnehmer spezifische Interessen an einer tatsächlichen oder potenziellen Transaktion haben, anstatt einen größeren Markt für mögliche Bieter als Voraussetzung zu unterstellen. Damit gelangt man oft zu einem anderen Wert als dem Marktwert einer Immobilie. Für diesen Zweck wird der Zeitwert wie folgt definiert: „Der Preis, der beim Verkauf eines Vermögenswertes oder Übertragung einer Verbindlichkeit in einer ordnungsgemäßen Transaktion zwischen unabhängigen Marktteilnehmern, die ihre Entscheidung in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen Zielen treffen und in voller Kenntnis aller relevanten Fakten handeln, erzielt würde.“ Diese Definition nimmt Bezug auf Markttransaktionen im Allgemeinen, bei denen nicht erwartet werden kann, dass die Einschätzung des Zeitwertes mit einer Einschätzung des Marktwertes übereinstimmt. (ii) Zum Zwecke der Rechnungslegung – Der Zeitwert wird insbesondere als Begriff nach den Internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS übernommen, für den – wenn auch mit etwas weiter gefassten Annahmen als bei der vollen Definition des Marktwertes – sich oft der gleiche Wert wie bei einer Marktwertermittlung ergeben kann. Einzelheiten hierzu finden sich unter EVA1. Für diesen Zweck wird der Zeitwert wie folgt definiert: „… der Preis, den man in einer gewöhnlichen Transaktion zwischen Marktteilnehmern am Bewertungsstichtag beim Verkauf eines Vermögenswertes erhalten würde oder bei Übertragung einer Schuld zu zahlen hätte.“ (International Accounting Standards Board (IASB), International Financial Reporting Standards (IFRS) 13, Absatz 1). Diese neue Definition wurde mit IFRS 13 „Bewertung zum beizulegenden Zeitwert“ im Mai 2011 eingeführt und tritt ab 1. Januar 2013 an die Stelle der vorherigen Definition aus IAS 16. Bis zu diesem Zeitpunkt wird der Zeitwert als „der Betrag, zu dem ein Vermögenswert zwischen sachkundigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Parteien getauscht oder eine Verbindlichkeit beglichen werden könnte“ definiert (IAS 16, Absatz 6). 46 4.2 Europäische Bewertungsstandards 2012 Erläuterung 4.2.1 Als Wertansatz ist der Zeitwert in seinen Annahmen weniger spezifisch und unterliegt geringeren Anforderungen als der Marktwert. Insbesondere wird nicht verlangt, die Immobilie auf dem freien Markt zum Verkauf zu stellen. Er wird häufig herangezogen, um den Wert einer Immobilie zu bestimmen. 4.2.2 Der Zeitwert nichtfinanzieller Anlagewerte wie beispielsweise einer Immobilie berücksichtigt die Fähigkeit eines Marktteilnehmers, einen wirtschaftlichen Vorteil durch die höchste und beste Nutzung des Objekts, welche zum Bewertungsstichtag physisch möglich, gesetzlich erlaubt und finanziell sinnvoll ist, zu erzielen (siehe EVS5, Absatz 4.6–10 oben). In diesem nichtfinanziellen Zusammenhang wird sich der Zeitwert wahrscheinlich von einer Bewertung, die in Übereinstimmung mit der Definition des Marktwertes durchgeführt wurde, unterscheiden (siehe EVS1). Als möglichen Grund hierfür kann angeführt werden, dass es sich hier um eine Bewertung zwischen spezifischen Teilnehmern wie beispielsweise dem Mieter und Vermieter handelt. 4.2.3 In Bezug auf die finanzielle Rechnungslegung (siehe EVA1) ist der Zeitwert eine anerkannte und zulässige Bewertungsgrundlage, die – unter zusätzlichen Voraussetzungen – im Einklang mit den Internationalen Rechnungslegungsstandards IFRS steht, auch wenn sich das Bewertungsergebnis oft nicht vom Marktwert unterscheidet. Die Wirtschaftsprüfer eines Unternehmens werden jedoch unter Umständen den Effekt eines Entwicklungspotenzials, für das noch keine Planungsgenehmigung erfolgt ist, ausschließen wollen. In einem solchen Fall könnte sich der Zeitwert einer Immobilie – möglicherweise substanziell – von ihrem Marktwert unterscheiden. Wo die IFRS den Hoffnungswert ausschließen, kann der Zeitwert dem Marktwert bei Bewertung unter der Annahme der höchsten und besten Nutzung ähnlich sein. 4.2.4 Das US-amerikanische Financial Accounting Standards Board (FASB) unterstreicht in seinem Accounting Standards Update N° 2011-04, welches im Mai 2011 veröffentlicht wurde, dass mit dem Ziel, eine gemeinsame Größe des beizulegenden Zeitwertes und der Offenlegungspflichten nach US-GAAP und IFRS zu erreichen, der „Zeitwert […] eine marktbasierende Größe [ist], nicht eine unternehmensspezifische Größe.“ Er zielt darauf ab, „den Preis zu schätzen, beim dem eine ordnungsgemäßen Verkaufstransaktion des Vermögenswertes zwischen Marktteilnehmern zum Bewertungsstichtag unter gegebenen Marktbedingungen zustande kommen würde.“ (FASB, Thema 820-10-05-1B). Der Zeitwert wird unter denjenigen Voraussetzungen bemessen, von denen die Marktteilnehmer bei ihrer Preisfindung für den Vermögenswert ausgehen würden (FASB, 820-10-05-1C). EVS2 – Andere Bewertungsgrundlagen 47 4.2.5 Eine wichtige Konsequenz aus den weniger spezifischen Annahmen des Zeitwertes ist, dass er die Berücksichtigung des individuellen Wertes, den eine Immobilie für einen bestimmten Bieter haben kann, erlaubt. Dieser Umstand wird im Konzept des Subjektiven Wertes weiter ausgeführt. 5. Subjektiver Wert (Special Value) 5.1 Definitionen 5.1.1 Der Subjektive Wert wird definiert als eine Werteinschätzung, die die Berücksichtigung bestimmter Merkmale umfasst, welche für einen Speziellen Käufer einen besonderen Wert haben. 5.1.2 Ein Spezieller Käufer ist ein Käufer, der den Nutzen eines Objekts im Vergleich mit anderen Marktteilnehmern optimieren kann und dessen Wertbeimessung dem Subjektiven Wert entspricht. 5.2 Erläuterung 5.2.1 Wenn spezielle Eigenschaften oder Merkmale einer Immobilie für eine Erwerbspartei einen Wert darstellen, der über dem Marktwert liegt, lässt sich diese Partei als „spezieller Käufer“ beschreiben und jene Zahlen im Gutachten, die der gesamten Wertbeimessung des Käufers entsprechen, würden einen subjektiven Wert darstellen. 5.2.2 Der subjektive Wert könnte mit Elementen des Going-Concern-Wertes assoziiert werden. Der Gutachter hat sicherzustellen, dass sich solche Kriterien vom Marktwert unterscheiden, indem er jegliche zugrunde liegenden speziellen Annahmen klar kenntlich macht. 5.3 Synergiewert bzw. Verschmelzungswert (Synergistic Value or Marriage Value) 5.3.1 Beim Synergie- bzw. Verschmelzungswert handelt es sich um eine besondere Kategorie des subjektiven Wertes, den Gutachter häufig antreffen. 5.3.2 Er wird definiert als „zusätzliches Wertelement, das sich durch die Kombination von zwei oder mehreren Vermögenswerten oder Interessen ergibt, wobei der kombinierte Wert höher ist als die Summe der Werte getrennt voneinander.“ (IVSC, 2011, Seite 12). 48 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.3.3 Erläuterung – Wenn ein subjektiver Wert durch eine Kombination von Interessen zustande kommt, deren Wert höher ist als der Gesamtwert der Interessen bei Einzelbewertung, wird dieser Wert oft als Synergiewert oder Verschmelzungswert (Marriage Value) beschrieben, der durch den „Zugewinn“ entsteht. Sollte ein derartiger Wert erforderlich sein oder herangezogen werden, ist dies in den Vertragsbedingungen und dem Gutachten klar herauszustellen. Des Weiteren sollte der Marktwert ebenfalls aufgeführt werden, um den Unterschied zwischen den beiden Bewertungsgrundlagen aufzuzeigen. 5.3.4 Dieser Fall wird häufig anzutreffen sein, wenn der Erwerb einer (oftmals benachbarten) Immobilie dem Käufer zusätzlichen Wert erschließt. Dies kann beispielsweise bei Geschäftsabschlüssen zwischen Mieter und Vermieter von Bedeutung sein. Stellt jedoch eine Immobilie die Möglichkeit eines Synergiewertes für mehrere potenzielle Bieter dar, wenn dadurch beispielsweise irgendeinem der potenziellen Käufer ein größerer Betriebsumfang möglich wäre, würde das normalerweise eher der Funktion eines Marktwertes entsprechen. 6. Investitionswert 6.1 Definition – „Der Investitionswert ist der Wert eines Vermögensgegenstandes für ihren Eigentümer bzw. einen potenziellen Eigentümer zur Erfüllung spezifischer Investitions- oder Betriebsvorhaben.“ (IVSC, 2011, S.12). 6.2 Erläuterung 6.2.1 Dieser subjektive Begriff stellt einen Bezug zwischen einer spezifischen Immobilie und einem spezifischen Investor, einer Investorengruppe oder einer juristischen Person mit erkennbaren Investitionsvorgaben und/oder -kriterien her. Da die auf dieser Grundlage erstellten Bewertungen jenen Betrag darstellen, den ein einzelner Käufer zu bieten bereit wäre, entsprechen sie nicht der allgemeinen Marktbeurteilung für die betreffende Immobilie. Daher würde auch nicht der Anspruch erhoben, sie seien konsistent mit oder ein Äquivalent zu jenen Bewertungen, die auf anderen Grundlagen – wie beispielsweise dem Marktwert – basieren. Derartige Bewertungen: 6.2.2 dienen dazu, den Wert für einen spezifischen, bestimmten Investor mit seinen eigenen individuellen Anliegen zu ermitteln, nicht jedoch jenen für eine hypothetische Partei; gehen nicht von einem Austausch der Immobilie zwischen den Parteien aus. Die Anwendung dieser Definition wird in EVA5 näher erörtert. EVS2 – Andere Bewertungsgrundlagen 7. 49 Beleihungswert 7.1 Definition – „Beleihungswert“ bezeichnet den Wert der Immobilie, der auf Grundlage einer vorsichtigen Bewertung ihrer künftigen Marktgängigkeit unter Berücksichtigung ihrer dauerhaften Eigenschaften, der normalen und örtlichen Marktbedingungen, der derzeitigen Nutzung sowie angemessener Alternativnutzungen ermittelt wird. Spekulative Elemente müssen bei der Bestimmung des Beleihungswerts außer Acht gelassen werden. 7.2 Erläuterung 7.2.1 Obige Definition findet sich auch in Richtlinie zu den Eigenkapitalanforderungen für Banken 2006/48/EG in Annex VIII, Absatz 64 im Zusammenhang mit den Eigenkapitalanforderungen für grundpfandrechtlich gesicherte Kredite von Kreditinstituten wieder. Im Jahr 2012 wird diese Richtlinie durch eine neue Verordnung zu den bankaufsichtlichen Anforderungen an Kreditinstitute und Investmentgesellschaften ersetzt werden, mit der das Basel III Abkommen in europäisches Recht umgesetzt wird. Der Gesetzgebungsvorschlag wurde am 20. Juli 2011 (COM (2011) 452 final) vorgelegt und die Definition des Beleihungswertes befindet sich in Artikel 4, Absatz 51. 7.2.2 Sowohl die Richtlinie als auch die künftige EU-Verordnung bestätigen, dass Immobilien als Sicherheit oder risikomindernde Besicherung anerkannt werden, was wiederum eine geringere Risikogewichtung darstellt und somit für Kreditinstitute geringere Eigenkapitalanforderungen zur Folge hat. Die Richtlinie und der Verordnungsentwurf legen fest, dass „die Immobilie wird von einem unabhängigen Gutachter zum oder unter Marktwert bewertet. In Mitgliedstaaten, deren Rechts- und Verwaltungsvorschriften strenge Vorgaben für die Bemessung des Beleihungswerts setzen, kann die Immobilie stattdessen von einem unabhängigen Experten zum oder unter Beleihungswert bewertet werden.“ (Annex VIII, Teil 3, Absatz 62 der Richtlinie und Artikel 224 des Verordnungsentwurfes). 7.2.3 Sowohl Richtlinie 2006/48/EG als auch der Verordnungsentwurf legen ausdrücklich fest, dass Immobilienbewertungen von einem unabhängigen Gutachter durchgeführt werden müssen. 7.2.4 Das Konzept des Beleihungswertes (MLV) ist in einigen europäischen Ländern im Zusammenhang mit langfristigem Kreditgeschäft von besonderem Wert. Es handelt sich um ein Verfahren, das das Risikoprofil von Kreditinstituten unter Berücksichtigung spezieller Sicherheitsanforderungen adressiert. Es wird von der Bankenaufsicht als 50 Europäische Bewertungsstandards 2012 Risikomanagementinstrument angesehen. Im Gegensatz dazu wird das Marktwertkonzept universell als Stichtags-Einschätzung eines Werts zu einem bestimmten Zeitpunkt gesehen (siehe EVS1 und EVA2). 8. Versicherungswert 8.1 Der „Versicherungswert“ einer Immobilie versteht sich als die in der Versicherungspolice genannte Summe, die sich auf die betreffende Immobilie bezieht und die Haftung des Versicherungsgebers darstellt, falls dem Versicherungsnehmer durch ein im Versicherungsvertrag genanntes Risiko ein Schaden und somit finanzieller Verlust bezüglich der Immobilie entsteht. Erhält der Gutachter die Anweisung, einen Versicherungswert festzustellen, hat er denjenigen Betrag zu bestimmen, der eine angemessene Deckungssumme für die Immobilie darstellt. 8.2 Erläuterung – Sollte sich herausstellen, dass der Versicherungswert geringer als der im Schadensfall erlittene Schaden und der finanzielle Verlust ist, entsteht dem Versicherten ein uneinbringlicher Verlust. 8.3 Die Anwendung und Bemessung dieser Bewertungsgrundlage wird in den EVA4 Schätzung des Versicherungswertes näher erläutert. 9. Wiederbeschaffungskosten (Sachwert) 9.1 Das Wiederbeschaffungskosten- oder Sachwertverfahren (Depreciated Replacement Cost – DRC) ist als Wertermittlungsmethode anerkannt, um den Marktwert mangels besserer Nachweise zu ermitteln. 9.2 Definition – Beim Wiederbeschaffungswert handelt es sich um die aktuellen Kosten für den Ersatz eines Vermögensgegenstandes durch einen fiktiven modernen und gleichwertigen Gegenstand abzüglich angemessener Beträge für die physische, funktionelle und technische Veralterung. 9.3 Erläuterung 9.3.1 Das Wiederbeschaffungswertverfahren, auch unter dem Namen „Contractor’s Method“ bekannt, kann verwendet werden, um Immobilien einen Wert beizumessen, für die es keinen relevanten und direkten Marktvergleich gibt, da nicht auf einen größeren Bereich von Vergleichsnachweisen aus dem Markt Bezug genommen werden EVS2 – Andere Bewertungsgrundlagen 51 kann. Dabei kann es sich oft um Immobilien handeln, welche entweder aufgrund von Konstruktion, Ausrichtung, Lage oder anderen räumlichen Eigenschaften als abweichend, außergewöhnlich oder unverwechselbar zu bezeichnen sind. 9.3.2 In einigen Ländern wird diese Methode als Wertansatz anerkannt, wiewohl sie allgemein als eine Bewertungsgrundlage gesehen wird, die zur Ermittlung des Marktwertes führt. Die theoretische Annahme, dass Kosten und Wert in einer Wechselbeziehung zueinander stehen, ist keine sichere These, da Kosten nur einen einzigen Faktor bei der Feststellung von Angebot und Nachfrage darstellen und daher nicht mit Sicherheit angenommen werden kann, dass der Kostenaufwand umsichtig und vernünftig war. Demgemäß sollte diese Methode nur dann verwendet werden, wenn durch mangelnde Nachfrage oder das Fehlen von Vergleichsdaten die Verwendung einer alternativen Methode unmöglich ist oder falls die Bewertung zu Steuerzwecken durchgeführt wird. 9.3.3 Der Gutachter hat ein qualifiziertes Gutachten über den Marktwert des Grundstücks sowie der Gebäude auf der Basis deren aktueller Nutzung abzugeben; diesem Wert werden die hypothetischen Errichtungskosten und relevanten Bauarbeiten für eine ähnliche Immobilie hinzuaddiert. Dieser für die neuerrichtete Immobilie angesetzte Bruttowert ist um die den Wert einer bestehenden Immobilie beeinflussenden Faktoren wie Wertminderung, Alter, Zustand, wirtschaftliche und funktionelle Restnutzungsdauer zu mindern. 9.3.4 Die Anwendung dieser Methode erfordert unter anderem praktisches Wissen um die aktuelle Bauordnung und aktuelle Baukosten sowie über einschlägige Vorschriften auf dem Gebiet Gesundheitsschutz und Unfallverhütung. 9.3.5 Die Wahl der Wertminderung (Abzinsungssatz) ist eine im Zuge der Bewertung zu beurteilende Größe. 9.3.6 Bei der in Deutschland unter dem Namen Sachwertverfahren gesetzlich normierten Methode nimmt der Gutachter eine Marktanpassung vor, die seine professionelle Sicht des Ergebnisses einer hypothetischen Transaktion wiedergibt, die dann zum Marktwert führt. 52 Europäische Bewertungsstandards 2012 53 EVS3 Qualifizierte Gutachter 1. 2. 3. 4. 5. Einleitung Anwendungsbereich Allgemeines Qualifizierte Gutachter Erläuterung EUROPÄISCHER BEWERTUNGSSTANDARD 3 Jede Bewertung, die gemäß diesen Standards durchgeführt wird, ist von einem qualifizierten Gutachter selbst oder unter dessen strikter Aufsicht zu erstellen. Gutachter haben jederzeit die höchsten Standards hinsichtlich Aufrichtigkeit und Integrität beizubehalten und ihre Aufgaben auf eine Weise auszuführen, die ihren Kunden, der Öffentlichkeit, ihrem Berufsstand sowie der jeweiligen nationalen Berufsvereinigung der Gutachter nicht zum Schaden gereicht. Der Gutachter muss über berufliche Fachkenntnisse, das für die Art und den Umfang der Bewertung geeignete Wissen und die nötige Kompetenz verfügen; außerdem hat er jegliche Faktoren, die eine Befangenheit bedeuten könnten, offen zu legen. Alle qualifizierten Gutachter sowie die sie vertretenden Berufs- und Fachverbände sind zur Einhaltung des TEGoVA-Verhaltenskodexes verpflichtet. 54 1. Europäische Bewertungsstandards 2012 Einleitung Um zu gewährleisten, dass sich ein Kunde auf eine Bewertung verlassen kann, muss diese professionell erstellt und von einem befähigten, kompetenten, erfahrenen und objektiven Gutachter ausgeführt werden. 2. Anwendungsbereich Dieser Standard beschäftigt sich mit der Frage, wer für eine Bewertung Verantwortung übernimmt für die gefordert wird, dass das vollständige Gutachten von einem qualifizierten Gutachter, verantwortlich formell zu bestätigen ist. Alle Gutachter, die zu einem Gutachten beitragen, müssen über ausreichende Fachkenntnisse verfügen und nach professionellen Standards arbeiten; bei der Abwägung von Bewertungsfragen ist diesen Standards gerecht zu werden. 3. Allgemeines 3.1 Eine Bewertung sollte von einem qualifizierten Gutachter erstellt werden und die Anforderungen einer professionellen Dienstleistung erfüllen. Es wird sich dabei häufig um eine Einzelperson handeln, wobei jedoch eine Bewertung gelegentlich in einigen Ländern durch ein Unternehmen in Form einer juristischen Person ausgeführt werden kann. Dabei ist die Bewertung in diesem Fall von entsprechend qualifizierten Mitarbeitern dieses Unternehmens durchzuführen. 3.2 Der Gutachter muss über berufliche Fachkenntnisse und das für die Art und den Umfang der Bewertung geeignete Wissen und die nötige Kompetenz verfügen; außerdem hat er jegliche Faktoren, die eine objektive Bewertung gefährden könnten, offen zu legen. 3.3 Vor Auftragsannahme ist eine Vereinbarung über die Vertragsbedingungen zu treffen und diese sind vor Abgabe des Gutachtens klar und in Schriftform darzulegen (siehe EVS4 als weitere Orientierungshilfe). 3.4 Bewertungen im öffentlichen Bereich oder solche, welche Dritten als Grundlage dienen, unterliegen häufig gesetzlichen Bestimmungen und Regelungen. Es gibt dabei vielfach spezielle Anforderungskriterien, denen ein Gutachter gerecht werden muss, um für die Abgabe einer wahrhaft objektiven und unabhängigen Meinung als geeignet erachtet zu werden. Für die meisten Bewertungen gibt es jedoch EVS3 – Qualifizierte Gutachter 55 keine spezifischen Kriterien und deshalb liegt es an den Gutachtern selbst, dafür Sorge zu tragen, dass ihnen potenzielle Interessenskonflikte bewusst sind. 4. Qualifizierte Gutachter 4.1 Definition – Ein qualifizierter Gutachter (inkl. Gutachter, die für Bewertungsunternehmen arbeiten), der für die Erstellung und Beaufsichtigung von Bewertungen zuständig ist und die Verantwortung für die Zuarbeit für bilanzielle Zwecke oder zur Erfüllung anderer rechtsverbindlicher Zwecke trägt, hat eine Person von ausgezeichnetem Leumund zu sein, die Folgendes vorweisen kann: (i) – entweder: einen Universitätsabschluss, ein Postgraduate-Diplom, oder andere anerkannte akademische oder berufliche Zertifizierungen zur Bewertung von Vermögensgegenständen, die den Minimalanforderungen zur Ausbildung (MER – Minimum Educational Requirements) der TEGoVA entsprechen; zusätzlich dazu ist eine mindestens 2-jährige berufliche Erfahrung in der Immobilienbewertung sowie der Nachweis über die Pflege und Erweiterung des beruflichen Fachwissens durch ein entsprechendes Fortbildungsprogramm zu erbringen; oder – langjährige einschlägige Erfahrung; oder – den Nachweis über die Durchführung von mindestens 20 schriftlichen Immobilienbewertungen innerhalb der letzten zwei Jahre; oder einen anderen Nachweis über die Erfüllung der Anforderungen gemäß der Anforderungen der TEGoVA für den Titel „Recognised European Valuer“ (siehe dazu die Webseite der TEGoVA); (ii) ausreichende Ortskenntnisse sowie Erfahrung in der Immobilienbewertung am Standort und in der Art der zu bewertenden Immobilie; ist dies nicht der Fall, ist dem Kunden vor Auftragsannahme diese Unzulänglichkeit offen zu legen sowie die Unterstützung von einer oder mehreren kompetenten und fachlich qualifizierten Person(en) einzuholen; (iii) sofern durch nationale Gesetzgebung oder Vorschriften erforderlich, eine notwendige Berufsberechtigung als Gutachter oder die Mitgliedschaft in einem Berufsverband; (iv) Erfüllung aller rechtlichen, behördlichen, ethischen und vertraglichen Anforderungen in Bezug auf die Bewertung; 56 Europäische Bewertungsstandards 2012 (v) jederzeit höchste Standards hinsichtlich Aufrichtigkeit und Integrität einzuhalten und Ausführung seiner Aufgaben auf eine Weise auszuführen, die seinem Kunden, der Öffentlichkeit, seinem Berufsstand sowie der jeweiligen nationalen Berufsvereinigung der Gutachter nicht zum Schaden gereicht. Es ist verpflichtend für alle qualifizierten Gutachter und ihre jeweiligen Berufs- oder Fachverbände, sich an einen ethischen Kodex zu halten, der ebenso streng ist, wie der Ethik- und Verhaltenskodex der TEGoVA; (vi) eine Berufshaftpflichtversicherung, die dem Umfang der Bewertungsarbeit angemessen ist, abzuschließen und zu unterhalten, es sei denn, dass der Berufsverband, dem der Gutachter angehört, diese nicht verlangt und/oder eine solche Versicherung in dem Land, in dem der Gutachter tätig ist, nicht abschließbar ist. 4.2 Europäische Definition des Gutachters für Wertermittlung nach den Vorschriften zur staatlichen Beihilfe 4.2.1 Die Richtlinien der Kommission aus 1997 definieren den „Gutachter für Wertermittlung“ zum Zwecke der für diese Richtlinien unternommenen Bewertungen (Mitteilung der Kommission betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Grundstücken und Gebäuden durch die öffentliche Hand – OJ C 209, 10/07/1997, Seiten 0003-0005 – 31997Y0710, auf EFTA-Länder erweitert durch den Beschluss der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 275/99/COL vom 17. November 1999 zur 20. Änderung der verfahrens- und materiell-rechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen zwecks Einführung von Vorschriften über Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Grundstücken und Gebäuden durch die öffentliche Hand). 4.2.2 Nach diesen Richtlinien aus 1997 muss der Gutachter „eine Person mit einwandfreiem Leumund sein, die einen geeigneten Abschluss an einer anerkannten Ausbildungsstätte oder eine gleichwertige akademische Qualifikation erworben hat; in der Ermittlung von Anlagevermögenswerten nach Standort und Kategorie des Vermögenswerts sachkundig und erfahren ist.“ Wenn in einem Mitgliedstaat keine geeigneten akademischen Qualifikationen erworben werden können, soll der Gutachter für Wertermittlung Mitglied eines anerkannten Fachorgans für die Ermittlung von Anlagevermögenswerten sein und vom Gericht oder einer gleichgestellten Behörde bestellt werden, oder EVS3 – Qualifizierte Gutachter 57 mindestens über eine abgeschlossene höhere Schulbildung und ein ausreichendes Ausbildungsniveau mit wenigstens dreijähriger praktischer Erfahrung nach dem Erwerb der Qualifikation und über Kenntnisse in der Wertermittlung von Grundstücken und Gebäuden der besonderen Örtlichkeit verfügen. Der Gutachter für Wertermittlung übt seine Aufgaben unabhängig aus, d. h., öffentliche Stellen sind nicht berechtigt, hinsichtlich des Ermittlungsergebnisses Anweisungen zu erteilen. Staatliche Bewertungsbüros, Beamte oder Angestellte gelten solange als unabhängig, wie eine unzulässige Einflussnahme auf ihre Feststellungen effektiv ausgeschlossen ist.“ Mitteilung der Kommission, Abschnitt II, Ziffer 2 a) 4.3 Nationale Gesetzgebung – In einigen europäischen Staaten gibt es spezielle Zertifizierungssysteme zur Qualifizierung nach nationalem Recht. Die Zertifizierungsverfahren sind in der Informationsschrift in Teil 3 näher erläutert. Der europäische Standard EN 45013, die Europäische Norm zur Regelung und Kontrolle von Zertifizierungsstellen, wurde 1990 veröffentlicht. Das europäische Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Qualifikationen (European Accreditation’s Multilateral Recognition Agreement) unterstützt die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen. Für eine unter dieser Norm anerkannte Qualifikation sind Ausbildung, die Einhaltung der Berufsethik, die Überwachung der Einhaltung der Normen und Standards sowie eine regelmäßige Folgezertifizierung zur Erneuerung der Zertifizierung erforderlich. Die Anforderungen an die Qualifikation und die Fachkenntnis von Gutachtern werden dann im Einzelnen auf nationaler Ebene durch die zuständige Zertifizierungsstelle definiert. 2006 wurde die EN 45013 unter ISO/IEC 17024 ein weltweiter Standard. 4.4 Anerkannter Europäischer Gutachter (REV) – TEGoVA hat mit dem Recognised European Valuer (REV) ein Verfahren entwickelt, das einzelnen Gutachtern über ihren jeweiligen Berufsverband ermöglicht, einen über die von TEGoVA festgelegten Mindestanforderungen zur Ausbildung hinausgehenden, verbesserten Status zu erlangen, um Auftraggebern, insbesondere ausländischen Kunden, entsprechende Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Immobilienbewertung nachzuweisen. Eine Zusammenfassung des REV-Programms findet sich in der Informationsschrift in Teil 3 und die detaillierten Anforderungen können der TEGoVA-Webseite entnommen werden. 4.5 Mindestanforderungen zur Ausbildung (MER) der TEGoVA – Als Teil ihrer Ausbildungsstrategie, Standards im Hinblick auf die berufliche Fachkompetenz zu fördern, legt TEGoVA Mindestanforderungen zur Ausbildung für ihre Mitgliedsorganisationen fest, die jeweils auf deren qualifizierte Mitglieder anwendbar sind, so dass sie 58 Europäische Bewertungsstandards 2012 auf alle Gutachter, die nach dem 01. Januar 2003 zugelassen wurden, anzuwenden sind. Eine Zusammenfassung der Mindestanforderungen zur Ausbildung der TEGoVA findet sich in der Informationsschrift in Teil 3 und die detaillierten Anforderungen können der TEGoVA-Webseite entnommen werden. Viele Mitgliedsverbände verlangen erheblich höhere Qualifikationen. 4.6 Laufende fachliche Weiterbildung – Der qualifizierte Gutachter pflegt sein Fachwissen, indem er sich über alle relevanten Entwicklungen auf dem Laufenden hält. Dies betrifft sowohl gesetzliche, fachliche oder andere Änderungen, die die Durchführung seiner Aufträge betreffen, so dass der Gutachter kontinuierlich über das wirtschaftliche und fachliche Wissen, welches für die Erstellung und Ausführung der Gutachten nötig ist, verfügt. 5. Erläuterung 5.1 Allgemeines – Gutachter müssen sicherstellen, dass sie die Anforderungen nach Auftrag und Ansprüchen gemäß professionellem Standard hinsichtlich Wissen, Kompetenz und Unabhängigkeit erfüllen. Daraus folgt, dass ein Gutachter, der gefragt wird, einen Auftrag zu übernehmen, zunächst den Kunden bezüglich Art der Beauftragung und Zwecks der Bewertung zu befragen hat. Der Gutachter muss in der Lage sein, sowohl die Anforderungen des Kunden, als auch die mit der Aufgabe verbundenen Bewertungsregeln, Gesetze, Verordnungen und den Verhaltenskodex zu erfüllen. 5.2 Interessenskonflikte 5.2.1. Die Anforderungen an den Gutachter hinsichtlich seiner fachlichen Objektivität bedeuten, dass er sich über alle Sachverhalte, die einen Interessenskonflikt darstellen könnten, bewusst sein muss. Gleich zu Beginn sollte der Gutachter den Klienten ersuchen, durch ihn betroffene beziehungsweise mit dem Auftrag in Verbindung stehende Parteien zu benennen, um festzustellen, ob daraus ein möglicher Interessenskonflikt für ihn selbst, seine Geschäftspartner, Mitgeschäftsführer oder nahe Familienmitglieder entstehen könnte. 5.2.2 Besteht ein derartiger Konflikt, ist dies dem Kunden schriftlich offenzulegen. Dieser kann daraufhin entscheiden, ob er diesen Auftrag aufrecht erhalten möchte oder nicht; dies erfordert eine klare Darstellung des Sachverhalts in jeglichen BWertzertifikaten oder Gutachten, die durch den Gutachter erstellt werden. 5.2.3 Es können sich jedoch Umstände ergeben, unter denen der Gutachter die Annahme eines derartigen Auftrags trotz entsprechender Kundenwünsche dennoch ablehnt. EVS3 – Qualifizierte Gutachter 5.3 59 Unabhängigkeit des Gutachters 5.3.1 Zwar hat der Gutachter in seinen Bewertungen und Wertfeststellungen immer objektiv und professionell vorzugehen, es wird jedoch seitens des Gutachters (und – wo angebracht – seitens des Bewertungsunternehmens) in vielen Fällen notwendig und professionell sein, seine Unabhängigkeit von jeglicher Partei, die am Bewertungsergebnis interessiert sein könnte, aufzuzeigen. Jegliche derartige Verbindungen, andere potenzielle Quellen eines Interessenskonfliktes oder weitere Sachverhalte, die die Unabhängigkeit oder Objektivität des Gutachters bedrohen, sind dem Kunden in schriftlicher Form mitzuteilen und im Gutachten festzuhalten. 5.3.2 Wenn mehrere Gutachter gemeinsam beauftragt werden, unterliegen diese jeder für sich, den oben angeführten Anforderungen hinsichtlich Unabhängigkeit und Objektivität. 5.3.3 Es gibt verschiedene Umstände, in denen es die Beziehung mit dem Kunden oder anderen Parteien absolut zwingend erfordert, dass der Gutachter nicht nur sachkundig ist bzw. als solcher gesehen wird, sondern dass er auch unabhängig ist und kein verborgener Interessenskonflikt besteht, unbeschadet, ob zum Zeitpunkt der Auftragsannahme dieser tatsächlich oder möglicherweise besteht oder vorhersehbar ist. 5.3.4 Wenn in einem Land nationale Bestimmungen zur Objektivität und Unabhängigkeit bestehen, sind diese ebenfalls zu erfüllen und im Gutachten anzuführen. 5.3.5 EU Definition – In der Richtlinie 2006/48/EG wird am Beispiel der Beobachtung von Immobilienwerten, die als Sicherheit für Kreditinstitute dienen, ein „unabhängiger Gutachter“ in Anhang VIII, Teil 2, 1.4, Absatz 8 (b) definiert als: „eine Person, die über die zur Durchführung einer solchen Bewertung erforderlichen Qualifikationen, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt und von der Kreditvergabeentscheidung unabhängig ist.“ 5.3.6 Die Regelungen zur staatlichen Beihilfe aus 1997 legen fest: „Der Gutachter übt seine Aufgaben unabhängig aus“ (voller Wortlaut siehe Punkt 4.2.2 oben). 5.4 Haftung des Gutachters 5.4.1 Der Gutachter wurde beauftragt, eine sachkundige Wertermittlung einer Immobilie durchzuführen, auf die sich der Kunde bei der Entscheidungsfindung stützen kann. Demgemäß zieht die Rolle des Gutachters eine Haftung nach sich und jegliche Unzulänglichkeit kann dem Kunden einen Schaden verursachen und so rechtliche Schritte gegen den Gutachter nach sich ziehen. 60 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.4.2 Je nach Situation und nationaler Rechtslage kann sich diese Haftung ergeben, wenn durch einen Mangel an Fähigkeiten und Sorgfalt, durch Vertragsbruch oder auf andere Weise ein Schaden verursacht wurde. 5.4.3 Das Ausmaß dieser Haftung kann sowohl im schriftlichen Auftrag und in den Auftragsbedingungen als auch im Gutachten selbst definiert werden. 5.4.4 Der Gutachter kann bestrebt sein, seine Haftung gegenüber dem Kunden in den Vertragsbedingungen zu begrenzen. Sofern nicht klar ist, dass eine dritte Partei Zugriff auf das Gutachten benötigt (wenn beispielsweise die Immobilie als Sicherheit für einen Kredit dient), kann seine Verwendung auf den Kunden beschränkt und die Haftung gegenüber Dritten ausdrücklich ausgeschlossen werden. 5.4.5 Es gibt jedoch in einer Anzahl von Ländern strenge gesetzliche Grenzen bzw. andere Regelungen bezüglich eines Haftungsausschlusses; deshalb wird Gutachtern geraten, statt des Versuchs, solche Klauseln selbst zu entwerfen, rechtlichen Rat hinsichtlich der möglichen Auswirkungen jeglicher Haftungsbegrenzungsklauseln einzuholen. 5.4.6 Als Experte ist der Gutachter grundsätzlich seinem Kunden verpflichtet. Jegliche Haftungsbegrenzung sollte deshalb nicht zu Lasten der Professionalität der Bewertung erfolgen. 5.4.7 Der Gutachter sollte nur Aufgaben übernehmen, für die er befähigt ist und er sollte diese im Rahmen des Auftrages professionell ausführen, indem er die Immobilie bewertet, alle relevanten Unterlagen vor der Wertermittlung recherchiert, umfassende und sachgerechte Aufzeichnungen darüber anlegt und das Gutachten fachkompetent erstellt. 5.4.8 Grenzen des Fachwissens anerkennen – Der Gutachter sollte keine Aufträge annehmen, für die er kein Fachwissen besitzt. Im Zuge von komplexeren Fällen kann es vorkommen, dass dem Gutachter das notwendige Fachwissen für die ordnungsgemäße Fertigstellung des Auftrages fehlt. Dabei kann es sich beispielsweise um Themen wie Geologie, Umweltschutz, Bodenschätze, Buchführung oder rechtliche Fragen handeln. In diesen Fällen muss der Gutachter den Kunden darauf aufmerksam machen und Experten zur Unterstützung bei der Fertigstellung des Auftrages beiziehen. Um Missverständnisse hinsichtlich der Verantwortlichkeit sowie potenzielle Haftungsfragen in Zusammenhang mit dem Vertrag zu vermeiden, sind Gutachter angehalten, wo immer dies möglich ist, den entsprechenden Experten nicht selbst zu beauftragen, sondern dessen Beauftragung dem Kunden zu überlassen. EVS3 – Qualifizierte Gutachter 61 5.4.9 Berufshaftpflichtversicherung – Da die Höhe der Haftung, die sich für einen Gutachter aufgrund einer Bewertung ergeben könnte (inklusive sämtlicher damit verbundener Rechtskosten oder der während der Dauer des Streitfalles anfallenden Zinsen), oft die finanziellen Möglichkeiten des Gutachters oder der Bewertungsfirma übersteigt, gibt es in vielen Ländern eine Berufshaftpflichtversicherung. Da diese Versicherung eine Sicherheit für den Kunden darstellt, machen viele Berufsverbände eine angemessene Versicherungsdeckung zur Bedingung für eine qualifizierte Mitgliedschaft. Eine derartige Versicherung ist jedoch nicht überall erhältlich oder nicht überall verpflichtend vorgeschrieben. 62 Europäische Bewertungsstandards 2012 63 EVS4 Ablauf der Immobilienbewertung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Einleitung Anwendungsbereich Vertragsbedingungen Zusammenarbeit mit Beratern des Kunden, Wirtschaftsprüfern und anderen Erläuterungen Untermauerung des Gutachtens Überprüfung der Bewertungen EUROPÄISCHER BEWERTUNGSSTANDARD 4 Die Vertragsbedingungen und die Grundlagen, auf denen die Bewertung basiert, sind schriftlich vor Erstellung des Gutachtens festzulegen. Die Bewertung ist nach professionellen Standards zu recherchieren, zu erstellen und schriftlich auszufertigen. 64 1. Europäische Bewertungsstandards 2012 Einleitung Eine Immobilienbewertung ist professionell zu erstellen, wobei die zu bewertende Immobilie sowie sämtliche verfügbare Unterlagen zu berücksichtigen sind, so dass das Ergebnis einer möglichen Anfechtung standhalten kann. 2. Anwendungsbereich Dieser Standard nimmt auf die einzelnen Schritte in der Erstellung des Wertgutachtens Bezug – beginnend bei den Vertragsbedingungen. Dann folgen Bewertung und Immobilienbesichtigung und schließlich die Überprüfung des Gutachtens selbst. Zuletzt wird erörtert, worauf im Falle eines Auftrages zur Überprüfung einer bestehenden Bewertung zu achten ist. 3. Vertragsbedingungen Die detaillierten Vertragsbedingungen sind schriftlich festzuhalten. Bei einer Beauftragung zum Zwecke der Kreditgewährung oder anderer finanztechnischer Abläufe sowie bei Insolvenzverfahren müssen die Vertragsbedingungen vor Vorlage der Bewertung beim Auftraggeber schriftlich vereinbart werden. Eine schriftliche Zustimmung des Auftraggebers zu den Vertragsbedingungen vor Abgabe einer Bewertung einzuholen, ist Teil guter geschäftlicher Gepflogenheiten. 4. Zusammenarbeit mit Beratern des Kunden, Wirtschaftsprüfern und anderen Es kann sich für den Gutachter die Notwendigkeit ergeben, mit anderen Beratern des Kunden zusammenzuarbeiten, um erforderliche Informationen zu erhalten. Wenn die Bewertung als Teil des Finanzabschlusses benötigt wird, ist die enge Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsprüfern wichtig, um sicher zu stellen, dass die übernommene Arbeit auch diesen Anforderungen entspricht, die Übereinstimmung gegeben und die Verwendung der geeigneten Wertgrundlage gewährleistet ist. EVS4 – Ablauf der Immobilienbewertung 5. 65 Erläuterungen 5.1 Gutachter sind uneingeschränkt verantwortlich dafür, sicher zu stellen, dass (i) sie kompetent und qualifiziert sind und dies auch zum Ausdruck kommt und sie nicht aufgrund tatsächlicher, potenzieller oder vermeintlicher Interessenskonflikte an der Tätigkeit gehindert werden, oder anderweitig jegliche reale oder augenscheinliche Mängel offengelegt und Schritte zu deren Behebung unternommen haben, so dass sie den angebotenen Auftrag durchführen können; (ii) der Auftrag klar und unmissverständlich abgefasst ist und alle Vereinbarungen enthält, die auftragsrelevant sind und den Bedürfnissen des Kunden, den gesetzlichen und behördlichen Anforderungen sowie jener potenziellen Verantwortlichkeit des Gutachters aus dem Treueverhältnis entsprechen und den Regeln der Berufsethik folgen. Beide Parteien sollten der Bestellung vor Auftragsübernahme von sowohl neuen als auch Folgeaufträgen ausdrücklich zustimmen; und (iii) jegliches Abgehen von den Standards auf Wunsch des Kunden eindeutig und unmissverständlich im Auftrag sowie im Gutachten festgehalten wird. Darüber hinaus ist es wichtig, sicherzustellen, dass derartige Abweichungen beim Leser des Berichts aufgrund der getroffenen Annahmen oder Vorbehalte keine Verwirrung oder Missverständnisse hervorrufen. 5.2 Der Gutachter sollte zum Zeichen guter Berufspraxis die Bedürfnisse und Anforderungen des Kunden genau festlegen. Die schriftlich vereinbarten Vertragsbedingungen sollten dem Gutachten als Anhang beigefügt werden. Die Vertragsbedingungen müssen folgende Aspekte berücksichtigen: Die Identität des Auftraggebers und ob es sich um ein Unternehmen oder eine Privatperson handelt; der Zweck der Bewertung und ein Hinweis, welche Bedeutung eine Beschränkung der Nutzung dieser Bewertung für den genannten Zweck hat; der genaue Umfang der zu bewertenden Immobilie/Beteiligung unter Bezugnahme auf Planungsunterlagen oder anderer Beschreibungen; die Wertansätze; ein bestimmter Bewertungsstichtag, nicht „zum Datum der Bewertung“; jede frühere Befassung mit der Immobilie oder den beteiligten Parteien; 66 Europäische Bewertungsstandards 2012 der Status des Gutachters unter Angabe, ob er in externer und unabhängiger Funktion tätig ist, wobei das Unternehmen bzw. die Einzelperson zu nennen ist, oder ob er als interner (angestellter) Gutachter agiert; alle Annahmen und speziellen Annahmen, die bei der Erstellung des Gutachtens getroffen werden; das Ausmaß und der Umfang der zu unternehmenden Nachforschungen sowie alle Echtheitsnachweise, die vom Auftraggeber bzw. seinen Vertretern benötigt werden, zusammen mit einer Bestätigung hinsichtlich der Kompetenz des Gutachters, um den Auftrag erbringen zu können; in welche vom Auftraggeber, seinen Vertretern oder Dritten beigebrachte Informationen Vertrauen gesetzt wird; jegliche Beschränkung hinsichtlich einer ganzen oder auszugsweisen Veröffentlichung der angefertigten Bewertung; der Umfang der zu erfüllenden Sorgfaltspflicht unter Nennung aller Ausschlüsse im Hinblick auf Parteien oder Angelegenheiten, die durch den Gutachter bzw. nach den Anforderungen von Versicherern festzulegen sind; Einhaltung der aktuellen Europäischen Bewertungsstandards (EVS), wo angemessen; und die Grundlagen für die in Rechnung zu stellenden Honorare, die durch den Gutachter festgelegt werden oder durch Dritte bzw. gesetzliche Vorschriften vorgeschrieben sind. Angelegenheiten, die nach Vorlage der Vertragsbedingungen entstehen und eine Änderung der vereinbarten Bedingungen erfordern, müssen schriftlich zur Vermeidung von Missverständnissen und Folgestreitigkeiten niedergelegt werden. 5.3 Es kann noch Jahre nach der Anfertigung einer ursprünglichen Bewertung zu unerwarteten Vorfällen wie Rechtsstreitigkeiten kommen. In diesem Fall kann es sich als schwierig erweisen, sich an den chronologischen Ablauf und die Begründungen, die hinter speziellen Bedingungen gestanden haben, zu erinnern, es sei denn, diese wurden zum jeweiligen Zeitpunkt schriftlich festgehalten. Derartige Aufzeichnungen zeigen ebenfalls deutlich, ob die Bewertung für andere Zwecke, als beauftragt, benutzt wurde. 5.4 Zusätzlich zu dem Vorteil, den klare und prägnante Aufzeichnungen, die vor Beauftragung verfasst und abgestimmt wurden, für den Gutachter bringen, stellen diese auch sicher, dass der Kunde und dessen beratende Experten wissen, was zu erwarten ist und sie daher in der Lage sind, zu beurteilen, ob das vorgelegte Gutachten ihren Wünschen und Erwartungen entspricht. EVS4 – Ablauf der Immobilienbewertung 67 5.5 Bewertung durch Subauftragnehmer – Vor Weitergabe an andere Bewertungsexperten in Form von Subauftragnehmern ist vom Kunden eine entsprechende Zustimmung einzuholen; dies gilt auch, wenn eine substanzielle fachliche Unterstützung von einer dritten Partei notwendig ist. Diese Zustimmung ist schriftlich vom Kunden festzuhalten und im Gutachten offen zu legen. 5.6 Weitergabe einer Bewertung an Dritte – Es besteht das Risiko, dass Bewertungen, die für einen bestimmten Zweck erstellt wurden, an Dritte weitergegeben werden und für einen anderen, abweichenden Zweck benutzt werden. Die Auftragsbedingungen müssen deshalb sämtliche Haftung gegenüber Dritten ausschließen und explizit auf den eingeschränkten Charakter der Bewertung, die nur für diesen ausschließlichen Zweck des Kunden erfolgt, hinweisen. 5.7 Bewertungen, die den Standards nicht entsprechen – Wird ein Gutachter ersucht, eine Bewertung auf einer Grundlage auszuführen, die mit dem Standard nicht übereinstimmt oder diesem widerspricht, muss der Gutachter den Kunden zu Beginn der Beauftragung darauf hinweisen, dass das Gutachten dahingehend eingeschränkt ist, dass es ein Abweichen von den Standards darstellt 5.8 Bewertungen, die mit eingeschränkten Informationen erstellt werden – Es kann zu einer Situation kommen, in der nur eingeschränkte Informationen vorhanden sind, die Immobilie nur unzureichend besichtigt werden kann, oder wo dem Gutachter nur ein eingeschränkter Zeithorizont zur Verfügung steht. So könnte es sein, dass das Gutachten nur für interne Zwecke der Geschäftsführung erforderlich ist, in anderen Fällen kann es im Hinblick auf eine Übernahme oder Fusion erforderlich sein, wobei der Zeitrahmen entscheidend ist. In solchen Fällen hat der Gutachter sicherzustellen, dass das Gutachten nicht veröffentlicht wird, wobei dies zu Beginn der Beauftragung zu vereinbaren ist. 5.9 Bewertungen, für die spezielle Annahmen notwendig sind – Ein Gutachter könnte in die Lage kommen, spezielle Annahmen treffen oder eine Bewertung anhand spezieller Voraussetzungen des Kunden erstellen zu müssen. Darunter würden folgende Situationen fallen: Annahme eines Leerstandes, obwohl die Immobilie vermietet ist Bewertung auf der Grundlage einer angenommenen Baugenehmigung, die jedoch von der tatsächlichen Genehmigung abweicht Annahmen als Bewertungsgrundlage für ein durch Feuer beschädigtes Objekt Spezielle Annahmen bei der Bewertung von Immobilien aus TradingPortfolios 68 Europäische Bewertungsstandards 2012 Unter solchen Umständen ist es grundlegend, dass die Auftragsbedingungen klar darauf hinweisen, dass im Gutachten und in jeder darauf basierenden Publikation deutlich die Anweisungen sowie der Zweck und die damit im Zusammenhang stehende Bewertung, etwaige Einschränkungen bei Erkundigungen, getroffene Annahmen bzw. die Abhängigkeit von der Genauigkeit der benutzten Informationsquellen, die in der Bewertung vertretene Meinung sowie das Ausmaß der Nichterfüllung der Standards festgeschrieben werden. 5.10 In Ausnahmefällen kann es passend und zweckdienlich sein, die Veröffentlichung einer Bewertung mit entsprechenden Vorbehalten zu billigen, wenn folgende Umstände gegeben sind: (i) Der Gutachter hat die gegenständliche Immobilie bereits besichtigt und kennt diese, sowie den Markt und den Standort; oder (ii) der Gutachter hat als Ausgleich für den Mangel an eigenen Erkundigungen ausreichend detaillierte Zusatzinformation von der Geschäftsführung bzw. den internen Gutachtern bekommen. 6. Nachvollziehbarkeit des Gutachtens 6.1 Eine professionelle Bewertung stützt sich darauf, dass der Gutachter die gegenständliche Immobilie in ihrem gegebenen Rahmen bewertet, wobei er alle Faktoren, die einen Einfluss auf den Immobilienwert haben, recherchiert und verifiziert. Die Qualität der Bewertung hängt teilweise von der Qualität der in den Gutachten verwendeten Informationen ab; daher muss der Gutachter jegliche Quellen sowie das Datum dieser Informationen verifizieren. Für das gegenständliche Objekt relevante Marktbedingungen sind dabei ebenfalls zu überprüfen, da diese bei solider Einschätzung, einen Bestandteil der Grundlage für eine Entscheidung darstellen können. 6.2 Objektbesichtigung – Als Teil der persönlichen Informationsbeschaffung sollte der Gutachter die entsprechende Immobilie persönlich besichtigen. Dabei werden für gewöhnlich auch die inneren Räumlichkeiten der Gebäude, der Standort und das Umfeld besichtigt, um alle Fakten festzuhalten, die für das Objekt wertrelevant sind. In Ausnahmefällen, sofern vom Kunden beauftragt und mit diesem vereinbart, kann eine etwas eingeschränktere Besichtigung stattfinden oder der Gutachter wird befugt, sich auf das Besichtigungsprotokoll einer dritten Partei zu verlassen, wobei dies auf jeden Fall im Gutachten angeführt sein sollte. Eine Bewertung, die sich auf die Besichtigung eines Dritten stützt, birgt hinsichtlich Qualität und Interpretation dieser Besichtigung ein Risiko durch diesen Dritten. Der Gutachter sollte auf die Tatsache EVS4 – Ablauf der Immobilienbewertung 69 hinweisen, dass sich bei einer persönlichen und angemessenen Besichtigung möglicherweise eine andere Schlussfolgerung ergeben hätte. 6.3 Die Art der Besichtigung vor Ort hängt von der Immobilie sowie der nationalen Gesetzeslage sowie den jeweiligen Gepflogenheiten ab, der Gutachter sollte jedoch die wertbeeinflussenden Hauptmerkmale der Immobilie festhalten. 6.4 Art und Umfang der Objektbesichtigung(en) werden vom Zweck der Bewertung sowie von den mit dem Kunden vereinbarten Rahmenbedingungen abhängen. Es mag Umstände geben, wie beispielsweise die Erstellung einer Portfoliobewertung, wo es sinnvoll ist, die Besichtigung(en) beispielsweise auf die Außenanlagen und den Standort oder auf eine Schreibtischbewertung einzuschränken. Falls eine Besichtigung gar nicht oder nicht angemessen durchgeführt wurde, um sämtliche notwendigen Informationen zu erhalten, muss diese Tatsache samt dem Grund der Einschränkung im Gutachten oder Zertifikat angeführt werden, da Faktoren, die einen wesentlichen Einfluss auf den Wert einer Immobilie haben könnten, möglicherweise nicht erkannt wurden. 6.5 Weiterhin sollten auch relevante finanzielle, rechtliche und regulatorische Punkte, die die Immobilie betreffen, berücksichtigt werden, einschließlich der Energieausweise nach Richtlinie 2010/31/EU über die Energieeffizienz von Gebäuden und anderer, sich aufgrund der Umweltgesetzgebung ergebender Faktoren. 6.6 Nach Besichtigung der Immobilie sollten Gutachter vergleichbare Objekte (zum Verkauf oder zur Vermietung, je nach Eignung) ausfindig machen und prüfen und diese auf gemeinsamer Basis analysieren, um Preise und/oder Erträge nachzuweisen. 6.7 Wenn der Gutachter Kenntnis von Marktunsicherheiten, Volatilität oder anderen Sachverhalten erlangt, welche den Wert gefährden, sollten diese berücksichtigt und in der Bewertung dargestellt werden. 7. Überprüfung von Bewertungen 7.1 Ein Gutachter kann aus vielerlei Gründen ersucht werden, die Bewertung eines anderen Gutachters zu überprüfen. Dies kann einen potenziellen Rechtsstreit oder andere heikle Sachverhalte betreffen. In manchen Fällen kann es sich auch um rückblickende Bewertungen handeln. Daher wird der Gutachter besondere Umsicht walten lassen müssen, bevor er die Überprüfung der Arbeit eines anderen Gutachters übernimmt. Es gibt jedoch Umstände, bei denen eine derartige Überprüfung dem Kunden Vertrauen verschafft beziehungsweise Zweifel verringert oder zerstreut. 70 Europäische Bewertungsstandards 2012 7.2 Umstände, unter denen der Gutachter mit einer solchen Überprüfung beauftragt werden kann, liegen unter anderem vor, wenn die Bewertung eine intern durchgeführte Bewertung bestätigen soll; wenn der Gutachter die Arbeit von Gruppen unabhängiger Gutachter koordinieren soll; wenn eine repräsentative Anzahl an Immobilien vorhanden ist, um die Genauigkeit der gesamten Bewertung zu überprüfen. 7.3 Der Auftrag an den überprüfenden Gutachter kann von allgemeinen Erläuterungen über die Methode und die Einhaltung der Standards bis hin zu einer spezifischen und gründlichen Überprüfung einer einzelnen Bewertung reichen. 7.4 Gelegentlich kann ein Gutachter gebeten werden, eine von der Geschäftsführung durchgeführte Bewertung oder eine vom Kunden oder einem Dritten durchgeführte interne Bewertung zu überprüfen, oder eine neuerliche Bewertung von Immobilien, die ihm bereits bekannt sind, durchzuführen. In solchen Fällen hat der Gutachter schriftlich im Vorhinein und in beiderseitigem Einvernehmen die Auftragsbedingungen, die auferlegten Einschränkungen sowie die daraus resultierende Art des Vorbehalts in Bezug auf das Gutachten festzulegen. Es ist für gewöhnlich ratsam, den Fall mit dem ursprünglichen Gutachter zu beraten, obwohl das manchmal nicht möglich ist, wie beispielsweise in einem Streitfall. Der prüfende Gutachter sollte mit dem Kunden in den Auftragsbedingungen abklären, ob er dies tun darf oder nicht. Es muss aus dem Gutachten klar hervorgehen, ob Unterredungen mit dem ursprünglichen Gutachter stattgefunden haben oder nicht. 7.5 Ein Gutachten zur Überprüfung kann manchmal auf Erläuterungen über die Eignung der verwendeten Grundlage beschränkt sein oder, mit Hilfe einer stichprobenartigen Bewertung eines repräsentativen Querschnitts, lediglich eine allgemeine Erklärung hinsichtlich der Genauigkeit der Gesamtbewertung oder die Beantwortung der Frage, ob die Europäischen Bewertungsstandards (EVS) eingehalten wurden, enthalten. 7.6 Der überprüfende Gutachter sollte alle Fakten und Informationen, die am Bewertungsstichtag relevant waren und auf die sich der erste Gutachter gestützt hat, besitzen. So wie im Fall einer Erstbewertung wird diese stärker untermauert, wenn eine persönliche Besichtigung und alle ordnungsgemäßen Recherchen stattgefunden haben. Wenn ihm zu diesem Zeitpunkt diese Informationen nicht zugänglich sind, kann seine Meinung dennoch für den Kunden nützlich sein, jegliche Einschränkungen sollten jedoch vermerkt werden und die daraus folgenden Schlussfolgerungen sollen nicht weiter verbreitet werden, außer es wäre im Rahmen einer Streitbeilegung erforderlich. Kritische Kommentare, welche nicht ordnungsgemäß belegt werden, könnten rufschädigend sein. 71 EVS5 Wertgutachten 1. 2. 3. 4. Einleitung Anwendungsbereich Erstellen des Gutachtens – Definitionen Das Wertgutachten bzw. -zertifikat EUROPÄISCHER BEWERTUNGSSTANDARD 5 Die Bewertung muss schriftlich und klar verständlich sein, einem professionellen Standard entsprechen sowie transparent hinsichtlich des Auftrages, des Zwecks, der Grundlage und der Methode, des Ergebnisses sowie ihrer beabsichtigten Nutzung sein. 72 1. Europäische Bewertungsstandards 2012 Einleitung Die Bewertung, wie vom Gutachter realisiert, ist dem Kunden eindeutig und nachhaltig zu vermitteln. Das Gutachten ist jenes Dokument, auf das sich der Kunde bei seiner Entscheidungsfindung verlässt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass es sowohl hinsichtlich der Aussagen als auch hinsichtlich der Voraussetzungen, denen es unterliegt, exakt ist. 2. Anwendungsbereich In diesem Standard wird das Gutachten, in dem der Gutachter dem Kunden den ermittelten Wert mitteilt, behandelt. 3. Erstellen des Gutachtens – Definitionen 3.1 Nach der Definition des Verkehrs- (Markt-) und Beleihungswertes, regelt die Eigenkapitalrichtlinie 2006/48/EG im nächsten Satz der jeweiligen Absätze Folgendes: „Der Marktwert soll transparent und klar dokumentiert werden.“ und „Der Beleihungswert soll klar und transparent dokumentiert werden.“ 3.2 Dies geschieht mittels des Wertgutachtens bzw. gelegentlich mittels eine Wertzertifikats. 3.3 Das Wertgutachten ist ein Dokument, in dem der Umfang, die wichtigsten Voraussetzungen, die Bewertungsmethoden und die Schlussfolgerungen zur beauftragten Wertermittlung im Einzelnen aufgeführt sind. Das Gutachten liefert eine sachkundige Werteinschätzung, die auf einer anerkannten Wertgrundlage bzw. Grundlagen im Rahmen der Europäischen Bewertungsstandards beruht. 3.4 Die Begriffe „Bewertungszertifikat“, „Wertzertifikat“ und „Wertdeklaration“ (statement of value) haben in verschiedenen Ländern eine bestimmte Bedeutung in entsprechend festgelegten gesetzlich erforderlichen Unterlagen. Sie haben gemeinsam, dass die Dokumente einen einfachen Ausweis bezüglich eines Preises oder Wertes beinhalten müssen, ohne dass jedoch Anforderungen hinsichtlich einer Beschreibung des Zusammenhangs, der grundlegenden Ansätze oder analytischen Prozesse hinter der gelieferten Zahl gestellt werden. EVS5 – Wertgutachten 4. Das Wertgutachten bzw. -zertifikat 4.1 Allgemeines 73 4.1.1 Ein Wertgutachten ist schriftlich zu verfassen und in einer für Nutzer und Auftraggeber nachvollziehbaren und verständlichen Art vorzulegen. Diese Anforderung geht aus der Definition des Marktwertes im EVS1 hervor und sie ist auch für alle anderen Bewertungsgrundlagen anzuwenden, da sie dem Gutachter und dem Kunden Sicherheit verleiht. 4.1.2 In einem Gutachten sollten folgende Punkte festgehalten sein: Der Auftrag, die Bewertungsgrundlage und der Zweck der Bewertung sowie die Ergebnisse der Analyse, die zu dem ermittelten Wert geführt haben, sowie, wo angebracht, Details über herangezogene Vergleichsobjekte. Es kann auch Erläuterungen zu den verwendeten analytischen Prozessen und unterstützende Informationen enthalten. 4.1.3 Ein Wertgutachten muss eine klare und eindeutige Wertbeurteilung zum Bewertungsstichtag (siehe EVS1 5.6.2 oben) unter Angabe ausreichender Einzelheiten liefern, damit sichergestellt ist, dass alle mit dem Kunden in den Auftragsbedingungen vereinbarten Punkte sowie alle wichtigen Themen abdeckt sind und keine Missverständnisse über den tatsächlichen Sachverhalt hinsichtlich der Immobilie entstehen können. 4.1.4 Ein Gutachten oder Zertifikat muss objektiv sein. Auf ihrer Grundlage werden möglicherweise Entscheidungen gefällt und finanzielle Mittel in Abhängigkeit von der dort getroffen Aussage entweder zugewiesen oder entzogen. Ein Gutachter darf nicht durch Druck seitens des Kunden oder eines Dritten dahingehend beeinflusst werden, ein bestimmtes Ergebnis hinsichtlich der Bewertung oder eine andere Empfehlung, die hiermit in Zusammenhang steht, zu treffen. In entsprechenden Fällen ist der Gutachter gehalten, eine Arbeit abzulehnen, wenn sein guter Ruf bzw. seine Objektivität auf dem Spiel stehen können. Wird ein Gutachter beauftragt, obwohl es einen Interessenskonflikt gibt, sollte dieser Konflikt in dem entsprechenden Gutachten mit einem Verweis genannt werden, dass der Auftraggeber über die Situation informiert wurde. 4.1.5 Gutachten oder Zertifikat dürfen nicht missverständlich oder unklar sein oder den Leser auf irgendeine Art in die Irre führen oder ihm einen falschen Eindruck vermitteln. Aus diesem und weiteren Gründen muss der Text so abgefasst sein, dass ihn eine bewertungsunkundige Person oder eine Person, die die Immobilie in keinster Weise kennt, verstehen kann. 74 Europäische Bewertungsstandards 2012 4.2 Inhalte eines Wertgutachtens 4.2.1 Form des Gutachtens oder Zertifikats sowie darin enthaltene Details liegen im Ermessen des Gutachters; sie müssen jedoch dem spezifischen Auftrag des Kunden, dem Bewertungszweck und dem vom Kunden beabsichtigten Verwendungszweck entsprechen. 4.2.2 Ein Wertgutachten führt alle Punkte, die in den Auftragsbedingungen genannt sind, angemessen auf (siehe EVS4, 5.2). 4.2.3 Ein Gutachten sollte generell folgende Punkte nennen: die Anweisungen des Kunden hinsichtlich des Auftrages die Qualifikation des Gutachters die Bewertungsgrundlage und den Bewertungszweck den Bewertungsstichtag (siehe EVS1 5.6.3 oben) eine Beschreibung der Immobilie einschließlich eines Vermerks, nach welchen Maßgaben Flächen berechnet wurden eine Zusammenfassung der rechtlichen Gegebenheiten (Eigentums- und Mietverhältnisse, Erschließungsdaten etc.) eine Erläuterung des Immobilienmarktes für das entsprechende Objekt eine Beschreibung der Bewertungs- und Analysemethoden alle gewählten Ansätze bzw. Annahmen alle Beschränkungen, denen das Gutachten unterliegt Die genannten Punkte führen zu einem Urteil über den Wert der Immobilie, einschließlich, wo angebracht, Einzelheiten zu herangezogenen Vergleichswerten. Der analytische Prozess bei der Erstellung der Bewertung und untermauernde Angaben können ebenfalls erläutert werden. 4.2.4 Bei Bewertungen für kommerzielle besicherte Kreditvergaben und andere Objektarten sind zusätzliche oder andere Anforderungen des Darlehensgebers zu berücksichtigen, unter anderem ein Hinweis auf die Eignung des Bewertungsobjektes für das beabsichtigte Darlehen. Sind die Darlehensbedingungen dem Gutachter nicht offengelegt worden, sollte er eine Beurteilung anhand von allgemein üblichen Darlehensbedingungen vornehmen, die in angemessener Weise die Risiken der Bewertung, die von der European Mortgage Federation (siehe Teil 3 unten) veröffentlicht werden, berücksichtigen. EVS5 – Wertgutachten 75 4.2.5 Die in den Auftragsbedingungen festgehaltenen Annahmen und spezielle Vorgaben in Bezug auf besicherte Kreditvergaben verlangen üblicherweise die Angabe folgender Punkte (inter alia): Die aktuelle Nutzungsgenehmigung, alle Planungsgenehmigungen oder mögliche Planungsgenehmigungen für eine alternative Nutzung, einschließlich aller potenziellen bzw. tatsächlichen Auswirkungen auf den Wert zum angegebenen Bewertungsstichtag. Alle existierenden Verschmelzungswerte, subjektive Werte oder Synergiewerte, und, wo gegeben, ob ein solcher Wert für den Darlehensnehmer und dem Darlehensgeber, falls notwendig, bei Eigentumsübergang gegeben ist. Die Marktbedingungen zum festgelegten Bewertungsstichtag, die Unsicherheiten aufgrund weniger vorliegender Vergleichsobjekte, die Volatilität des Marktes oder anderer Faktoren, für die anzugeben ist, ob sie berücksichtigt wurden oder bei der Beurteilung des Wertes ignoriert wurden. Jede vor Kurzem erfolgte oder beabsichtigte Änderung an der Immobilie, dem unmittelbaren Umfeld oder Standort oder wenn Gesetze erlassen werden sollten, die den Wert beeinflussen können und, wo solche Elemente angeführt werden, auch die Folgen dieser Auswirkung. Dabei könnte es sich beispielsweise um eine mögliche oder tatsächliche Kontamination, das Vorhandensein von schädlichen Materialien oder nachteilige Rechtsansprüche handeln. 4.2.6 Einem Gutachten müssen unter Umständen auch zusätzliche relevante Unterlagen beigefügt werden, wenn eine Immobilie als Investition gehalten wird oder werden soll (siehe EVA5), sie vollständig als Handelsimmobilie ausgelegt ist oder für eine tatsächliche oder mögliche weitere Erschließung, Renovierung oder Umbau in Frage kommen soll. 4.2.7 Der Gutachter sollte, falls er während der Auftragsausführung auf Fakten gestoßen ist, die die Werte im Gutachten beeinträchtigten können, dies schriftlich festhalten. Dabei könnte es sich um mögliche Kontamination der Immobilie selbst oder der Umgebung oder das Vorhandensein von schädlichen Materialien oder nachteiligen Rechtsansprüchen handeln. 4.2.8 Wo der Markt für die zu bewertende Immobilie durch Unsicherheit beeinträchtigt und dies für die Bewertung entscheidend ist, sollte der Gutachter umsichtig vorgehen und dem Auftraggeber die Situation erläutern. 76 Europäische Bewertungsstandards 2012 4.2.9 Der Gutachter könnte den Wunsch haben, einen Zeitraum zu benennen, nach dem die Bewertung als abgelaufen angesehen werden sollte. Dies kann insbesondere in Zeiten von Bedeutung sein, in denen die Werte volatil sind. In manchen Ländern kann in der nationalen Gesetzgebung oder auch in den Vertragsbedingungen auf diesen Umstand hingewiesen werden. 4.2.10 Es wird empfohlen, dass alle Wertgutachten eine Aussage hinsichtlich der Tatsache enthalten, dass der qualifizierte Gutachter, der dem Kunden gegenüber für die Bewertung verantwortlich ist, die Bedingungen der vorliegenden Europäischen Bewertungsstandards erfüllt hat, und – wo dies nicht der Fall ist – den Umfang und die Gründe für ein Abweichen von den Standards beziehungsweise warum ein wichtiger Bestandteil des Bewertungsvorgangs ausgelassen wurde. 4.3 Wertzertifikat 4.3.1 Von Zeit zu Zeit werden in einigen Ländern Gutachter gebeten, ein Wertzertifikat auszustellen, das die Schlussfolgerung des Gutachters hinsichtlich des Immobilienwertes zum Bewertungsstichtag enthält (siehe EVS1 5.6.3). Bei einem solchen Zertifikat kann es sich entweder um ein separates Dokument handeln oder es ist in das Wertgutachten eingeflossen, wobei es eine Zusammenfassung des Wertgutachtens darstellen kann. 4.3.2 In Ausnahmefällen wird in Ländern, deren Gesetzgebung es verlangt, beziehungsweise wo es übliche Praxis ist, dass ein Gutachter den Betrag aus der Bewertung der Immobilie bestätigt, ein kurzes Schreiben mit folgendem Inhalt verfasst: Name und Adresse des Auftraggebers Beschreibung der Immobilie Bewertungsstichtag Zweck der Beauftragung Datum des Zertifikats Annahmen, auf denen die Bewertung beruht Name, Adresse und Qualifikationen des Gutachters 4.3.3 Für das Zertifikat bzw. das Schreiben gelten die gleichen grundlegenden Anforderungen wie für das Wertgutachten. Es muss objektiv, unmissverständlich und klar in einer solchen Weise abgefasst sein, dass es eine bewertungsunkundige Person oder eine Person, die die Immobilie in keinster Weise kennt, verstehen kann. Es darf nicht irreführend sein oder einen falschen Eindruck vermitteln. Es muss den Anweisungen des Kunden entsprechen. Es sollte den Zweck der Bewertung und die vom Kunden beabsichtigte Verwendung der Bewertung nennen und berücksichtigen. EVS5 – Wertgutachten 4.4 77 Entwurfsgutachten Unter gewissen Umständen kann es angebracht sein, einen Vorentwurf eines Gutachtens oder eine aktualisierte, verkürzte Version zu erstellen, die nicht diesem vorliegenden Europäischen Bewertungsstandard entspricht. In solchen Fällen ist auf die Erstellung eines zukünftigen, detaillierten Gutachtens oder das Vorhandensein eines bereits bestehenden umfassenden Zertifikats hinzuweisen. 4.5 Mehrwertsteuer Wo anwendbar, sollte der anzuwendende Mehrwertsteuersatz in der Bewertung angeführt werden, der im betreffenden Land zum Bewertungsstichtag auf die Immobilie anwendbar ist. Es sollte weiterhin vermerkt werden, dass jegliche Mehrwertsteuer, die aufgrund einer Grundstückstransaktion anfallen könnte, dem Wert im Bericht hinzuzuzählen ist. 78 Europäische Bewertungsstandards 2012 79 Teil 1B Anwendungsempfehlungen für die europäischen Bewertungsstandards EVA1 Bewertung zu Bilanzierungszwecken EVA2 Bewertung zu Beleihungszwecken EVA3 Immobilienbewertung für Verbriefungszwecke EVA4 Bewertung des Versicherungswertes EVA5 Investitionswert für Einzelinvestoren EVA6 Grenzüberschreitende Bewertung EVA7 Immobilienbewertung im Rahmen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds EVA8 Immobilienbewertung und Energieeffizienz 80 Europäische Bewertungsstandards 2012 81 EVA1 Bewertung zu Bilanzierungszwecken 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Einleitung Anwendungsbereich Rahmenwerk für die Erstellung und Präsentation von Jahresabschlüssen Klassifizierung des Anlagevermögens Auswahl geeigneter Bewertungsgrundlagen Der beizulegende Zeitwert Aufteilung in Grundstück und Gebäude Offenlegungsvorschriften 1. Einleitung 1.1 Die Europäische Union hat mit der Zielsetzung, konsistente und vergleichbare Finanzberichte zu ermöglichen, über einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren eine Reihe von Rechnungslegungsvorschriften entwickelt und diese in folgenden Richtlinien festgeschrieben: Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen sowie den Jahresabschluss und konsolidierten Abschluss von Banken, anderen Finanzinstituten und Versicherungsunternehmen. 1.2 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 verlangt, dass öffentlich notierte Unternehmen, die der Gesetzgebung eines Mitgliedstaates unterliegen, ihre konsolidierten Abschlüsse für jedes Jahr, beginnend am oder nach dem 1. Januar 2005, gemäß den internationalen Rechnungslegungsstandards, wie von der Europäischen Kommission angenommen, zu erstellen haben. Die internationalen Rechnungslegungsstandards (International Accounting Standards – IAS und die International Financial Reporting Standards – IFRS) wurden vom International Accounting Standards Committee (IASC, bis April 2001) und werden vom International Accounting Standards Board (IASB, seit April 2001) im öffentlichen Interesse entwickelt. Sie stellen ein einheitliches Regelwerk aus qualitativ hochwertigen, konsistenten und einheitlichen Rechnungslegungsvorschriften dar. 82 Europäische Bewertungsstandards 2012 1.3 Seither hat die EU die meisten International Accounting Standards (IAS) und International Financial Reporting Standards (IFRS) durch mehrere Verordnungen der Kommission übernommen und eingeführt, wobei der jüngste konsolidierte Text als Verordnung der Kommission (EG) Nr. 1126/2008 vom 3. November 2008 betreffend der Annahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit Verordnung (EG) 1606/2002 veröffentlicht wurde. 1.4 Folgende IAS/IFRS sind auf Immobilien oder bei auf Immobilien bezogenen Vermögensgegenständen anwendbar: IAS 2: IAS 11: IAS 16: IAS 17: IAS 40: IAS 41: IFRS 6: Vorräte Fertigungsaufträge Sachanlagen Leasingverhältnisse Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien Landwirtschaft Exploration und Evaluierung von mineralischen Ressourcen 1.5 Die EU hat nicht beabsichtigt, eigene europäische Rechnungslegungsstandards für die Bewertung von Immobilien einzuführen, sondern es vorgezogen, die Verabschiedung der internationalen Rechnungslegungsstandards IAS und IFRS zu unterstützen und diese zu übernehmen, um übereinstimmende und konsistente Standards zu erreichen. 1.6 Gutachter, die Immobilienbewertungen zu Bilanzierungszwecken erstellen, haben die EU-Richtlinien in Abstimmung mit der Geschäftsführung und den Wirtschaftsprüfern des Kunden zu berücksichtigen, sowie nationale Gesetze und Verordnungen, nationale und internationale Standards, die Unternehmensstrategie, den betrieblichen Zweck und die daraus resultierende Klassifizierung des Sachanlagevermögens einzubeziehen. 2. Anwendungsbereich 2.1 Dieser Anwendungsbereich bezieht sich auf die Bewertung von Immobilien und Immobilienbeteiligungen zum Zwecke der Bilanzierung. Er beschreibt die Prinzipien, auf denen die Erstellung von Jahresabschlüssen und die Bewertungsgrundlagen beruhen und liefert eine Orientierung für die Bewertung von Immobilien auf Grundlage des Zeitwertes. 2.2 Dieser Anwendungsbereich kann die Kenntnis der anwendbaren IAS/IFRS nicht ersetzen. Gutachter, die eine Bewertung zum Zwecke der Bilanzierung vorneh- EVA1 – Bewertung zu Bilanzierungszwecken 83 men, müssen das „Rahmenkonzept“, das der IASB im April 2001 verabschiedet hat und welches im September 2010 nochmals überarbeitet wurde, kennen, denn es beschreibt die Prinzipien, auf denen die Erstellung von Jahresabschlüssen beruht. 3. Rahmenwerk für die Erstellung und Präsentation von Jahresabschlüssen (Auszug aus den Fachlichen Zusammenfassungen des IASB vom 1. Januar 2011) 3.1 Ziel von Jahresabschlüssen ist es im allgemeinen, finanzielle Informationen über das berichtende Unternehmen zu liefern, die für aktuelle und mögliche Investoren, Kreditgeber und andere Gläubiger nützlich sind, um Entscheidungen über die Zurverfügungstellung von Mitteln für das Unternehmen zu treffen. Bei solchen Entscheidungen kann es sich um den Kauf, Verkauf oder das Halten von Anteilen und Schuldverschreibungen und um die Beschaffung oder Abwicklung von Darlehen und anderen Kreditformen handeln. Jahresabschlüsse werden für gewöhnlich unter der Annahme erstellt, dass es sich um ein Unternehmen handelt, das fortbesteht und seine wirtschaftliche Tätigkeit auch in absehbarer Zukunft weiterführen wird. 3.2 Qualitative Eigenschaften legen die Nützlichkeit von Informationen in den Jahresabschlüssen fest. Diese Eigenschaften sind Verständlichkeit, Relevanz, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit. 3.3 Ansatz und Bewertung. Jene Elemente, die direkt mit der Bewertung einer Finanzposition in Verbindung stehen, sind Aktiva, Verbindlichkeiten und Eigenkapital. (i) Aktiva sind Ressourcen, die von einer juristischen Person verwaltet werden und das Ergebnis vergangener Ereignisse sind, von welchen dem Unternehmen ein zukünftiger wirtschaftlicher Vorteil zufließen soll. (ii) Verbindlichkeiten stellen gegenwärtige Verpflichtung einer Rechtsperson dar, die sich aus vergangenen Ereignissen ergeben haben und deren Begleichung einen Abfluss von Ressourcen darstellt, die einen wirtschaftlichen Nutzen verkörpern. (iii) Eigenkapital ist der nach Abzug aller Verbindlichkeiten verbleibende Restanteil an Vermögenswerten der Firma. Bewertung ist ein Vorgang, bei dem jene Geldbeträge festgestellt werden, mit denen die einzelnen Positionen in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung angesetzt und 84 Europäische Bewertungsstandards 2012 verbucht werden. Dies ist mit der Auswahl einer bestimmten Bewertungsgrundlage verbunden. 4. Klassifizierung des Anlagevermögens 4.1 Die Klassifizierung der Vermögenswerte hat sowohl auf die Bewertungsgrundlage wie auch auf die Darstellung des Gutachtens Auswirkungen. Grundstücke und Gebäude werden zum Zwecke der Bilanzierung normalerweise einer der folgenden fünf Kategorien zugewiesen: A. Vom Eigentümer betrieblich genutzte Immobilien, für allgemeine oder spezielle Zwecke B. Als Finanzinvestition gehaltene Immobilie – zum Zweck, Erträge bzw. Kapitalzuwachs zu schaffen C. Für Geschäftszwecke nicht genutzte Immobilien als zusätzlicher Wert D. Handelsware (Umlaufvermögen) E. Leasingverhältnisse 4.2 Sachanlagen (Immobilien, Betriebsanlagen und Ausstattung) – IAS 16 definiert diese als „materielle Vermögenswerte, die für Zwecke der Herstellung oder der Lieferung von Gütern und Dienstleistungen, zur Vermietung an Dritte oder für Verwaltungszwecke gehalten werden und die erwartungsgemäß länger als eine Periode genutzt werden.“ IAS 16 bezieht sich auf jene Objekte, die vom Eigentümer genutzt werden und die durch die Erläuterungen zu IAS 40 definiert werden als vom Eigentümer, oder im Falle eines Finanzleasings, vom Mieter gehaltene Immobilien, die zur Produktion, Warenlieferung oder Erbringung von Dienstleistungen oder für Verwaltungszwecke genutzt werden. 4.3 Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien – IAS 40 definiert diese als „Immobilien (Grundstücke oder Gebäude – oder Teile von Gebäuden – oder beides), die (vom Eigentümer oder vom Leasingnehmer im Rahmen eines Finanzierungsleasingverhältnisses) zur Erzielung von Mieteinnahmen und/oder zum Zwecke der Wertsteigerung gehalten werden und nicht dienen. zur Herstellung oder Lieferung von Gütern bzw. zur Erbringung von Dienstleistungen oder für Verwaltungszwecke; oder zum Verkauf im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens EVA1 – Bewertung zu Bilanzierungszwecken 85 Als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien sind als Vermögenswert zu erfassen, wenn es wahrscheinlich ist, dass die zukünftigen wirtschaftlichen Vorteile, die mit einem Investitionsobjekt verbunden sind, der Rechtsperson zufließen; und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Investitionsobjektes verlässlich bemessen werden können. 4.4 Für Geschäftszwecke nicht genutzte Immobilien – Dabei handelt es sich um bebaute oder unbebaute Grundstücke, die im Hinblick auf zukünftige betriebliche Zwecke des Unternehmens überschüssig sind und im Normalfall zum Verkauf gehalten werden. 4.5 Handelsbestand – Gewisse Vermögenswerte, die möglicherweise zum Zwecke des Handels erworben wurden und für Bilanzzwecke nicht als Anlagevermögen, sondern als Umlaufvermögen zu klassifizieren sind. 4.6 Leasingverhältnisse – Das Ziel von IAS 17 ist es, Leasingnehmern und Leasinggebern sachgerechte Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden und Informationspflichten vorzuschreiben, die in Verbindung mit Finanzierungsleasing und operativem Leasing anzuwenden sind. 4.7 Leasing ist als Finanzierungsleasing einzustufen, wenn im Wesentlichen alle Risiken und Erträge eines Vermögenswertes übertragen werden. Alle anderen Leasingarrangements sind als operatives Leasing zu klassifizieren. Das Leasingverhältnis ist am Beginn der Laufzeit zu klassifizieren (IAS 17.4, 17.13). Ob nun ein Leasing als Finanzierungsleasing oder als operatives Leasing anzusehen ist, hängt eher vom Wesen des Geschäfts ab als von der Form des Leasings. Wird beispielsweise laut Leasingvertrag dem Mieter das Eigentum am Objekt am Ende der Leasinglaufzeit übertragen oder dem Mieter eine Kaufoption zu einem Preis unter dem jeweiligen beizulegenden Zeitwert (Fair Value) zu dem Zeitpunkt, an dem die Option ausgeübt werden kann, eingeräumt, würde dies für gewöhnlich als Finanzierungsleasing klassifiziert werden. 4.8 Bei einem Leasing von Grundstücken und Gebäuden sind die einzelnen Elemente getrennt voneinander hinsichtlich ihrer Klassifizierung als Finanzierungs- oder operativem Leasing zu beurteilen. Bei der Feststellung, ob es sich bei dem Grundstückselement um ein operatives oder ein Finanzierungsleasing handelt, ist die Überlegung wichtig, dass das Grundstück im Normalfall eine unbeschränkte wirtschaftliche Nutzungsdauer hat (IAS 17.15A). 86 Europäische Bewertungsstandards 2012 4.9 Wann immer es zur Einstufung und Bilanzierung eines Leasingverhältnisses bei Grundstücken und Gebäuden notwendig ist, werden die Mindestleasingzahlungen (einschließlich einmaliger Vorauszahlungen) zwischen den Grundstücks- und Gebäudekomponenten nach dem Verhältnis der jeweiligen beizulegenden Zeitwerte der Leistungen für die Mietrechte für die Grundstückskomponente und die Gebäudekomponente des Leasingverhältnisses zu Beginn des Leasingverhältnisses aufgeteilt. (IAS 17.16). 5. Die Auswahl geeigneter Bewertungsgrundlagen 5.1 Die Internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS) übernehmen derzeit zwei Modelle zur Erfassung von Immobilienwerten in der Bilanz: Das Anschaffungskostenmodell: Nach dem Ansatz als Vermögenswert ist „eine Sachanlage zu ihren Anschaffungskosten abzüglich der kumulierten Abschreibungen und kumulierten Wertminderungsaufwendungen anzusetzen.“ (IAS 16.28) Das Modell des beizulegenden Zeitwertes stützt sich auf jenen Preis, zu dem die Immobilien zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern getauscht werden könnten (IAS 40). IFRS 13, Bewertung zum beizulegenden Zeitwert, wird eine neue Definition stellen, die seit dem 1. Januar 2013 anwendbar ist (siehe unten Absatz 6.1, Bewertung zum beizulegenden Zeitwert). 5.2 Die drei einschlägigen internationalen Standards zur Rechnungslegung, die auf die Immobilienbewertung für Zwecke der Bilanzierung anwendbar sind, sind IAS 16 (vom Eigentümer genutzte Immobilien, Betriebsanlagen und Ausstattung), IAS 17 (Leasingverhältnisse) und IAS 40 (als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien). Nachfolgende Erläuterungen konzentrieren sich auf diese drei Standards. 5.3 IAS 16 – Sachanlagen (Immobilien, Betriebsanlagen und Ausstattung) 5.3.1 Bewertung bei der Erfassung – Eine Immobilie, Betriebsanlage und zugehörige Ausstattung, die als Sachanlagenposition zur Aktivierung geeignet ist, ist mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu erfassen. Unter Anschaffungs- oder Herstellungskosten versteht man den Barwert dieser Position am Erfassungstermin. Dieser beinhaltet den Kaufpreis, Einfuhrabgaben und nicht erstattungsfähige Umsatzsteuer, jeweils nach Abzug von Skonti und Rabatten. EVA1 – Bewertung zu Bilanzierungszwecken 87 5.3.2 Bewertung nach Erfassung – Eine Rechtsperson hat zwischen Kosten- oder Neubewertungsmodell zu wählen und dieses gewählte Modell jeweils auf eine gesamte Sachanlage anzuwenden. 5.3.3 Das Neubewertungsmodell legt fest: „Jede Sachanlage, deren beizulegender Zeitwert verlässlich bestimmt werden kann, ist nach dem Ansatz als Vermögenswert zu einem Neubewertungsbetrag anzusetzen, der seinem beizulegenden Zeitwert am Tage der Neubewertung abzüglich nachfolgender kumulierter planmäßiger Abschreibungen und nachfolgender kumulierter Wertminderungsaufwendungen entspricht. Neubewertungen sind in hinreichend regelmäßigen Abständen vorzunehmen, um sicherzustellen, dass der Buchwert nicht wesentlich von dem abweicht, der unter Verwendung des beizulegenden Zeitwertes zum Bilanzstichtag ermittelt werden würde.“ (IAS 16.31) 5.4 IAS 17 – Leasingverhältnisse 5.4.1 Zu Beginn der Laufzeit haben Leasingnehmer im Finanzierungsleasing befindliche Gegenstände als Vermögenswert und als Schuld entweder zum Zeitwert des Leasinggegenstandes oder zum Barwert der Mindestleasingraten anzusetzen, je nachdem, welcher der beiden Werte niedriger ist (IAS 17.20). Die Abschreibungsgrundsätze für abschreibungsfähige Leasinggegenstände haben mit den Grundsätzen überein zu stimmen, die auf abschreibungsfähige Vermögenswerte angewendet werden. Ist nicht hinreichend gesichert, dass der Leasinggegenstand am Ende der Laufzeit in den Besitz des Leasingnehmers übergeht, sollte der Vermögenswert entweder über die Leasingdauer oder über die Nutzungsdauer abgeschrieben werden, je nachdem, welcher Zeitraum kürzer ist (IAS 17.27). 5.4.2 Leasingraten im Zuge von operativem Leasing sind über die Laufzeit hinweg linear als Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen, es sei denn, eine andere systematische Grundlage entspricht eher dem zeitlichen Verlauf des Nutzens für den Leasingnehmer (IAS 17.33). 5.5 IAS 40 – Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien 5.5.1 IAS 40 bezieht sich auf Grundstücke und Gebäude, die zum Zwecke des Mietertrages und/oder des Vermögenszuwachses gehalten werden. Zunächst sind als Finanzinvestition gehaltene Immobilien mit ihren Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu erfassen. Die Transaktionskosten sind dabei in dieser ersten Bewertung mit einzuschließen. Nach Erfassung ist ein Investitionsobjekt entweder nach dem Anschaffungskostenmodell oder nach dem Modell des beizulegenden Zeitwerts zu führen. Wählt eine Rechtsperson das Anschaffungskostenmodell, sollte dennoch der beizulegende Zeitwert dieses Objektes ausgewiesen werden. 88 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.5.2 Eine von einem Leasingnehmer im Rahmen eines operativen Leasingverhältnisses gehaltene Immobilie ist dann als eine Finanzinvestition gehaltene Immobilie einzustufen und zu bilanzieren, wenn diese Immobilie ansonsten die Definition von als Finanzinvestition gehaltene Immobilie erfüllen würde und der Leasingnehmer für den erfassen Vermögenswert das Modell des beizulegenden Zeitwertes anwendet (IAS 40.6). 5.6 IAS 41 – Landwirtschaft – Viele landwirtschaftliche Unternehmen werden unter den Schwellenwerten liegen, bei denen die Anwendung der IAS Vorschrift ist. Wo IAS 41 jedoch anwendbar ist, führt er keine neuen Prinzipien für die Bewertung von Boden, der für Landwirtschaft, Gartenbau, Blumenzucht, Aquakultur oder Forstwirtschaft genutzt wird, ein. Daher sollten IAS 16 bzw. IAS 40 je nach den gegebenen Umständen befolgt werden. Dies betrifft die Behandlung von wachsenden Pflanzen, die physisch mit dem Boden verbunden sind, der aufgrund ihrer Erzeugnisse oder ihrer Umwandlung in andere Pflanzen bearbeitet wird. Je nachdem, ob es sich um einmal im Jahr einzubringende Ernten handelt, z. B. Weizen oder Kartoffeln, oder um mehrfache Ernten, z. B. Strauchobst, Obstplantagen und Weinstöcke, oder um langfristigen Anbau, z. B. in der Forstwirtschaft, werden sie als biologische Vermögenswerte klassifiziert und sind zu ihrem beizumessenden Zeitwert unter Abzug ihrer geschätzten Veräußerungskosten getrennt vom Boden zu bewerten. Dies unterscheidet sich von der üblichen Behandlung von Vorräten zu Herstellungs- oder Anschaffungskosten nach IAS 2. IAS 41 erkennt denn auch an, dass dies eine schwierige Aufgabe sein kann, und empfiehlt verschiedene Optionen für eine mögliche Herangehensweise, einschließlich einer Ertragsbasis oder einer Umlage der für Boden, der mit wachsendem Anbau verkauft wird, erzielbaren Preise. Wo der beizulegende Zeitwert nicht zuverlässig ermittelt werden kann, kann ein Ansatz zu Herstellung- oder Anschaffungskosten erfolgen. Wo, wie beispielsweise bei Wäldern, die der Erholung dienen, wachsende Pflanzen nicht aufgrund ihres biologischen Potenzials bewirtschaftet werden, sind diese nicht zu berücksichtigen. 6. Der beizulegende Zeitwert 6.1 Projekt zur Bewertung des beizulegenden Zeitwertes (Fair Value Measurement Project) 6.1.1 Im September 2005 setzte der IASB ein Projekt zur Ermittlung des Zeitwertes auf seine Agenda. Die weltweite Finanzkrise hatte die Bedeutung unterstrichen, die einer einheitlichen Bemessung des Zeitwertes und den dazugehörigen Offenlegungspflichten zukommt. Daher wurden die entsprechenden Standardentwürfe im Juni 2010 im Rahmen eines Konvergenzprojektes mit dem US-amerikanischen Financial Accounting Standards Board (FASB) von den beiden Normgebern veröffentlicht. Das EVA1 – Bewertung zu Bilanzierungszwecken 89 Ziel dieses Projektes war es, die Komplexität zu vermindern und die Konsistenz in der Anwendung der Prinzipien bei der Ermittlung des Zeitwertes durch lediglich einen Anforderungskatalog für alle Zeitwertbemessungsgrundlagen zu verbessern. 6.1.2 Am 12. Mai 2011 gab der IASB den IFRS 13 „Bewertung zum beizulegenden Zeitwert“ heraus. IFRS 13 bezieht sich auf IAS 16, IAS 40 und IAS 41. Dieser Standard ist jedoch in der Europäischen Union noch nicht gebilligt worden. Aus diesem Grund wird auf alle Standards, die sich auf die Bemessung des beizulegenden Zeitwertes beziehen, im Folgenden eingegangen. 6.2 IAS 16 – Sachanlagen – Gemäß IAS 16 heißt es in den Erläuterungen zum beizulegenden Zeitwert wie folgt (gültig bis zum 31. Dezember 2012): „Der beizulegende Zeitwert von Grundstücken und Gebäuden wird in der Regel nach den auf dem Markt basierenden Daten ermittelt, wobei man sich normalerweise der Berechnungen hauptamtlicher Gutachter bedient.“ (IAS 16.32) „Gibt es auf Grund der speziellen Art der Immobilie keine marktbasierten Nachweise für den beizulegenden Zeitwert und eine derartige Immobilie wird nur selten verkauft, ausgenommen als Teil eines laufenden Geschäfts, kann es sein, dass die Rechtsperson den beizulegenden Zeitwert mittels Ertragswertmethode oder mittels Sachwertverfahren bewerten muss.“ (IAS 16.33) 6.3 IAS 40 – Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien – Unter IAS 40 spiegelt der beizulegende Zeitwert einer Immobilie die Marktbedingungen zum Ende des Berichtszeitraums (IAS 40.38). Der beste Nachweis über den beizulegenden Zeitwert ergibt sich durch aktuelle Preise für ähnliche Immobilien in einem aktiven Markt, jeweils am selben Standort und im selben Zustand, unter Voraussetzung vergleichbarer Leasingverträge und anderer Verträge (IAS 40.45). 6.4 Fehlen aktuelle Preise in einem aktiven Markt soll der Gutachter Informationen aus einer Vielfalt von Quellen in Betracht ziehen, einschließlich (i) aktueller Preise in einem aktiven Markt für Immobilien unterschiedlicher Art, Lage oder unterschiedlichen Zustandes (oder unter unterschiedlichen Leasingmodalitäten oder anderweitiger Verträge), die anzupassen sind, um diese Unterschiede zu berücksichtigen; (ii) Preise, die kürzlich für ähnliche Immobilien in weniger aktiven Märkten erzielt wurden, wobei Anpassungen vorzunehmen sind, um die seit dem Zeitpunkt der Geschäftsfälle veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen darzustellen; und 90 Europäische Bewertungsstandards 2012 (iii) Prognose des abgezinsten Cashflow auf Basis einer verlässlichen Bewertung von zukünftigen Cashflows, jeweils untermauert durch die Vertragsbedingungen in bestehenden Mietverträgen und anderen Verträgen, sowie (falls möglich) durch externe Nachweise, wie aktuelle Marktmieten für ähnliche Objekte in gleicher Lage und von gleicher Beschaffenheit, unter Verwendung von Abzinsungssätzen, die den aktuellen Markteinschätzungen betreffend die ungewisse Höhe und ungewisse Zeitpunkte der Geldströme entsprechen (IAS 40.46). Veräußerungskosten sollten nicht abgezogen werden, können aber gesondert ausgewiesen werden. 6.5 IFRS 13 – Bewertung zum beizulegenden Zeitwert 6.5.1 Am 12. Mai 2011 gab der IASB den IFRS 13 zur Bemessung des beizulegenden Zeitwertes heraus, der am 1. Januar 2013 in Kraft tritt. Der Standard bietet eine klärende Definition des Zeitwertes und weitere Orientierung zur Ermittlung des Zeitwertes. Weiterhin verbessert er die Transparenz durch Erhöhung detaillierter Offenlegungspflichten über die Bemessung des beizulegenden Zeitwertes durch Ableitung mittels Verwendung von Modellen. Es wird darauf hingewiesen, dass dieser Standard lediglich eine Antwort auf die Frage des „Wie wird bemessen“ liefert und nicht auf die Frage „Was ist zu bemessen“. 6.5.2 Der beizulegende Zeitwert eines Vermögenswertes oder einer Verbindlichkeit wird definiert als der Preis, den man in einer gewöhnlichen Transaktion zwischen Marktteilnehmern am Bewertungsstichtag beim Verkauf eines Vermögenswertes erhalten würde oder bei Übertragung einer Schuld zu zahlen hätte (IFRS 13.9). Im Vergleich mit den oben genannten Standards bezieht sich diese Definition auf den sogenannten Abgangspreis (exit price) eines Vermögenswertes zu aktuellen Marktbedingungen. Zusätzlich bemisst sich der beizulegende Zeitwert mit Hilfe des Preises im Hauptmarkt für den Vermögensgegenstand oder die Verbindlichkeit, bzw. bei Fehlen eines Hauptmarktes mit Hilfe des für den Vermögenswert oder die Verbindlichkeit vorteilhaftesten Marktes (IFRS 13.16). Bei der Bemessung des beizulegenden Zeitwerts eines nichtfinanziellen Vermögenswerts wird die Fähigkeit des Marktteilnehmers berücksichtigt, einen wirtschaftlichen Gewinn durch dessen höchste und bestmögliche Verwendung oder durch Veräußerung an einen anderen Marktteilnehmer, der den Vermögenswert in seiner höchsten und besten Verwendung nutzen würde, erzielen zu können (IFRS 13.27). 6.5.3 IFRS 13 legt drei Bewertungsverfahren ausführlich dar: Marktmethode, Kostenmethode und Kapitalwertmethode (IFRS 13.62). Die Marktmethode wird verwendet, wo Marktpreise zur Verfügung stehen. Die Kapitalwertmethode wird verwendet, wenn unmittelbar identifizierbare Cashflows zur Verfügung stehen (z. B. abgezinster EVA1 – Bewertung zu Bilanzierungszwecken 91 Cashflow). Die Kostenmethode wird verwendet, wenn keine identischen Marktpreise existieren, die Preise angepasst werden müssen oder der Ertrag nicht direkt produziert wird (z. B. Wiederbeschaffungskosten). In einigen Fällen kann ein einzelnes Bewertungsverfahren angemessen sein, in anderen Fällen wird es sinnvoll sein, mehrere Bewertungsverfahren zu benutzen (IFRS 13.63). Die Bewertungsverfahren sollten mit dem Ziel verwendet werden, dasjenige Verfahren zu wählen, das unter den gegebenen Umständen am angemessensten ist und für das eine ausreichende Datenlage zur Bemessung des beizulegenden Zeitwertes vorhanden ist, und somit die Nutzung der relevanten beobachtbaren Eingangsparameter maximiert und die Nutzung der relevanten nicht beobachtbaren Eingangsparameter minimiert wird (IFRS 13.67). 6.5.4 IFRS 13 stellt eine „Fair Value Hierarchie“ zur Verfügung, mit der die Eingangsparameter, die in den Bewertungsverfahren verwendet werden, in drei Stufen aufgegliedert werden. Die Hierarchie verleiht an einem aktiven Markt notierten (unbereinigten) Preisen für identische Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten die höchste Priorität und nicht beobachtbaren Bewertungsparametern die geringste Priorität (IFRS 13.72), wobei ein aktiver Markt als ein Markt definiert wird, auf dem Geschäftsvorfälle mit dem Vermögenswert oder der Schuld mit ausreichender Häufigkeit und Volumen auftreten, so dass fortwährend Preisinformationen zur Verfügung stehen (IFRS 13 Appendix A). Eingangsparameter der Stufe 1 sind an einem aktiven Markt notierte Preise für identische Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten, zu denen das Unternehmen am Bewertungsstichtag Zugang hat (IFRS 13.76). Eingangsparameter der Stufe 2 sind Preise, die nicht unter die in Stufe 1 erfassten notierten Preise fallen und die für den Vermögenswert oder die Verbindlichkeit direkt oder indirekt beobachtbar sind (IFRS 13.81). Eingangsparameter der Stufe 3 sind nicht beobachtbare Bewertungsparameter für den Vermögenswert oder die Verbindlichkeit (IFRS 13.86). Die Auswahl der Bewertungsverfahren und ihrer Eingangsparameter führen zum beizulegenden Zeitwert. 6.5.5 IFRS 13 vergrößert die Offenlegungspflichten im Hinblick auf die Merkmale und Risiken der Objektkategorie, der Bewertungsverfahren, dem Niveau der Zeitwerthierarchie und den verwendeten Eingangsparameter. Für die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert unter Verwendung von bedeutsamen, nicht beobachtbaren Parametern der Stufe 3 werden besondere Offenlegungspflichten verlangt (IFRS 13.91). Der Abgleich zwischen Eröffnungs- und Schlussbilanz, wie auch eine ausführliche Beschreibung des vorhandenen Bewertungsprozesses, sind neue Anforderungen, die zu erfüllen sind. 92 Europäische Bewertungsstandards 2012 6.6 Gemeinsam mit dem IVSC (IVS 2011, IVS 300, G2) ist TEGoVA der Auffassung, dass ein Gutachter im Prinzip die Fair Value Anforderungen durch Verwendung des Marktwertes (EVS1) erfüllt. Jedoch sind der beizulegende Zeitwert und der Marktwert keine Synonyme, insbesondere dann, wenn der Marktwert nicht einfach identifizierbar ist oder wo bestimmte Merkmale eines Vermögenswertes einen subjektiven Wert für den entsprechenden Marktteilnehmer darstellt. 7. Aufteilung in Grundstücke und Gebäude Um eine ordnungsgemäße Verbuchung von Abschreibungen zu ermöglichen, kann es zum Zwecke des Jahresabschlusses erforderlich sein, eine Aufteilung des Wertes in Grundstück und Gebäude vorzunehmen. Diese fachspezifische Aufgabe ist von der Bewertung an sich zu unterscheiden. Sowohl EU-Richtlinien als auch nationale und internationale Rechnungslegungsstandards machen eine solche Aufteilung für Abschreibungszwecke erforderlich. Nationale Regelungen können unter bestimmten Umständen Vorrang haben. Weitere Orientierung zu diesem Thema findet sich in den begleitenden Fachtexten in der Informationsschrift „Aufteilung in Grundstücke und Gebäude“ in Teil 3. 8. Angabepflichten Bewertungen zum Zwecke des Jahresabschlusses sind klar darzustellen und müssen zumindest folgende Punkte ausweisen: Auftrag, Datum und Zweck der Bewertung Bewertungsgrundlagen einschließlich Art und Definition des Wertes Eigentumsverhältnisse der Immobilie und Klassifizierung als Vermögensgegenstand Erfassung der Immobilie und ihrer Lage Datum und Umfang der Besichtigung Rechtlicher Rahmen Spezielle Voraussetzungen und einschränkende Bedingungen Sachanlagen Erklärung zur Erfüllung der Europäischen Bewertungsstandards (nicht verlangt von IAS/IFRS) Angewandte Bewertungsmethoden Sonstige, für die Bewertung maßgebliche Punkte Nähere Einzelheiten zum Inhalt eines Gutachtens sind im EVS5 aufgeführt. 93 EVA2 Bewertung zu Beleihungszwecken 1. 2. 3. 4. 5. 6. Einleitung Anwendungsbereich Erläuterungen zu Grundstücks- und Gebäudekategorien Übliche Wertansätze Anwendung des Beleihungswertes Zwangs- und Liquidierungsverkäufe 1. Einleitung 1.1 Kreditinstitute verlassen sich auf solide Bewertungen, nicht nur aus den offensichtlichen Gründen der wirtschaftlichen Vorsicht bei der Kreditvergabe, sondern auch in Erfüllung der Basel II und Basel III Vorschriften, die deren Kreditrisiken regeln (wie dies durch die Eigenkapitalrichtlinie 2006/48/EG und die in Kürze kommende europäische Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen zur Umsetzung der Basel III Vorschriften in europäisches Recht geregelt ist). 1.2 Diese beiden Faktoren bedeuten, dass die Immobilienbewertung zu Beleihungszwecken einen hohen Grad an treuhändiger Verantwortung in sich birgt. Dabei sind unter anderem folgende Faktoren zu berücksichtigen: Der Zweck der Bewertung Die vom Kunden verlangte Bewertungsgrundlage Die objektive Einschätzung des Risikos, welches mit der Darlehensstruktur und der Laufzeit des angestrebten Kredites verbunden ist Die potenzielle zukünftige Marktnachfrage für das zu bewertende Objekt und Klarheit in der Berichtsführung hinsichtlich des Bewertungsstichtages, den Marktgegebenheiten und des Netto-Cashflows 1.3 Falls die Finanzierungsvereinbarungen durch eine bestimmte Immobilie besichert sind, werden Gutachter für gewöhnlich gebeten, eine Bewertung auf Grundlage des Marktwertes (siehe EVS1) durchzuführen. In manchen Ländern kann eine Bewertung nach dem Beleihungswert (siehe EVS2) erforderlich sein. 94 Europäische Bewertungsstandards 2012 2. Anwendungsbereich 2.1 Dieser Anwendungsbereich bezieht sich auf alle Umstände, unter denen Gutachter an Kreditinstitute oder andere Darlehensgeber, die Finanzmittel auf der Grundlage von Immobilienbewertungen gewähren, berichten bzw. diese beraten müssen, und wo das Ziel einer Bewertung mit Darlehen, Hypotheken oder Schuldverschreibungen in Verbindung steht. 2.2 EVA 2 ist auf Bewertungen anwendbar, die vor Vergabe oder in Erwägung eines neuen Kredites, einer Kreditverlängerung oder im Falle eines zusätzlichen Kredites erstellt werden. Des Weiteren ist EVA2 analog auch anwendbar, wenn ein Kreditgeber bei Zahlungsverzug den Eigentumsübergang des Sicherungsobjektes oder die Bestellung eines Zwangsverwalters in Betracht zieht, oder wenn ein Auftrag zur Veräußerung einer Immobilie erteilt wird. 2.3 Der Gutachter muss in der Lage sein, kompetent über vergleichbare Immobilien und Risiken in Bezug auf einen bestimmten Immobiliensektor zu beraten, falls der Auftraggeber dies wünscht. Dahingegen fällt es jedoch generell der Rolle des Darlehensgebers zu, diejenigen Risiken zu bewerten, die mit der finanziellen Situation des Darlehensnehmers in Verbindung stehen, oder die mit der allgemeinen geographischen Lage, dem Sektor und den Vorstellungen des Kunden zu tun haben. Es ist jedoch möglich, dass ein Gutachter bei solchen Fragen aufgrund seiner Fachkenntnis dennoch zu Rate gezogen wird. Weitere Einzelheiten zur Qualifikation von Gutachtern sind unter EVS3 aufgeführt. 2.4 In Bezug auf die Bewertung hängen diese Fragen von der jeweiligen Immobilienart, mit der ein Darlehen besichert werden soll, dem geographischen Umfeld oder Sektor, den Vorstellungen des Kunden und insbesondere den Auswirkungen von Insolvenzverfahren in dem Land, in dem sich die Immobilie befindet, ab. 3. Erläuterungen zu Grundstücks- und Gebäudekategorien 3.1 Es gilt, die folgenden fünf Kategorien zu unterscheiden: Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien Vom Eigentümer genutzte Immobilien Entwicklungsimmobilien Betreiberimmobilien Abbaubare („sich verzehrende“) Vermögenswerte, Bodenschätze etc. EVA2 – Bewertung zu Beleihungszwecken 95 Sonderimmobilien sind normalerweise als Kreditbesicherung nicht geeignet, außer auf der Basis, dass eine alternative Verwendung der Immobilie berücksichtigt würde. 3.2 Als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien – Ertragswertobjekte sind einzeln zu bewerten. Im Falle einer Portfoliobewertung kann die Bewertung zusätzlich zum aktuellen Marktwert der betreffenden Immobilie durchgeführt werden, als ob diese als Teil des Investitionsportfolios zum Verkauf stünde, um anwendbare Zu- oder Abschläge darzustellen. Der Unterschied zwischen beiden Werten ist klar zu erläutern. In angespannten Marktsituationen sind Portfolioveräußerungen bzw. Marktzuschläge möglicherweise nicht erzielbar. 3.3 Vom Eigentümer genutzte Immobilien – Diese sollten auf Grundlage des Marktwertes oder Beleihungswertes bewertet werden – so als ob sie leer stehend und zum Verkauf oder zur Vermietung verfügbar wären, ungeachtet möglicher Vermarktungsoder Vermietungskosten. Letztgenannte Annahmen sind jedoch generell nicht auf Einfamilienhäuser anwendbar, bei denen man davon ausgeht, dass sie bei Eigentumsübergang zu Wohnzwecken zur Verfügung stehen. 3.4 Immobilien in der Entwicklung 3.4.1 Soll eine Beratung im Zusammenhang mit einem zu entwickelnden Grundstück oder für ein im Bau befindliches Projekt erfolgen, wird die Bewertung davon abhängen, ob der Kreditgeber die Geldmittel nur nach Vorliegen der Baugenehmigung gewährt und ob dieser die Finanzierung des Grundstückserwerbs oder die darauf folgende Entwicklung übernimmt. Im letzteren Fall wird es notwendig sein, die aktuellen geschätzten Kosten des Projekts im fertiggestellten Zustand zu ermitteln. 3.4.2 Entwicklungsprojekte werfen für den Gutachter eine Vielzahl von Problemen auf. Daher wird geraten, sich auf eine Machbarkeitsstudie zu stützen. Als Teil der Risikoabschätzung sind dem Kreditgeber die Volatilität der Werte des Entwicklungsprojektes zu erläutern, die sich als Folge von veränderten Annahmen betreffend Miethöhe, Ertrag, Kosten und Zeitrahmen ergeben können. Es erscheint daher ratsam, die Bewertungsmethoden explizit darzustellen und sicherzustellen, dass Cashflow, abgezinster Cashflow, Residualwert und Bewertung durch Vergleichswerte, soweit relevant, klar und mit entsprechenden Erläuterungen versehen, aufgeführt werden. 96 3.5 Europäische Bewertungsstandards 2012 Betreiberimmobilien 3.5.1 Dabei kann es sich um Hotels, Gaststätten und Bars, private Gesundheitseinrichtungen und die meisten Arten von Freizeiteinrichtungen handeln. Sie werden für gewöhnlich auf Basis einer sorgfältigen Einschätzung des nachhaltigen Nettoeinkommens, das aus Bilanzdaten oder Prognosen abgeleitet wird, bewertet. Dabei wird jeglicher Geschäftswert (Goodwill), der durch einen Betreiber mit überdurchschnittlichen Managementqualitäten zustande kommt, auszuschließen sein. In solchen Fällen ist der Kreditgeber auf den wesentlichen Wertunterschied hinzuweisen, der sich zwischen einem im Betrieb befindlichen Unternehmen ergibt, und Situationen, in denen beispielsweise Lizenzen, Zertifikate, Franchisingverträge oder andere Genehmigungen entzogen werden bzw. gefährdet sind oder wo andere Umstände die zukünftige finanzielle Leistungsfähigkeit beeinträchtigen könnten. 3.5.2 Der Gutachter sollte auf potenzielle, zukünftige Schwankungen in Bezug auf die Eigenschaft der Immobilie als Kreditbesicherung sowie auf jede Anfälligkeit für Veränderungen hinweisen, die sich durch Bewohner, Zeitgeist, geänderte rechtliche Rahmenbedingungen und kulturelle Entwicklungen ergeben können. 3.5.3 Darlehensgeber erwarten von Gutachtern eine Beurteilung der Vermarktbarkeit einer Immobilie bzw. ihrer Eignung zur Nutzung durch Dritte. In gewissen Fällen kann eine Bewertung auf Basis einer alternativen Nutzung oder des Zwangsverkaufswertes erforderlich sein. Werden derartige betriebliche Immobilien mit Fremdkapital weiterentwickelt oder umgewandelt, sind auch die zur Beschaffung aller erforderlichen Genehmigungen sowie die zum Aufbau eines nachhaltigen Geschäftsbetriebs notwendige Zeit und das damit in Verbindung stehende wirtschaftliche Risiko in Betracht zu ziehen. Darüber hinaus ist der Kreditgeber auch auf die Branchendynamik hinzuweisen. 3.6 Abbaubare Vermögenswerte – In einigen Rechtssystemen dürfen abbaubare Vermögenswerte nicht als Kreditbesicherung verwendet werden. Wo diese Objektklasse als Sicherheit dennoch zulässig ist, ergeben sich spezielle Probleme für die Bewertung. Folglich sind Objekte mit mineralischen Produktionsstätten und andere abbaubare Vermögenswerte eine Anlageform, die von Kreditgebern eher abgelehnt wird. Sollte dennoch eine Finanzierung ins Auge gefasst werden, ist besonderes Augenmerk auf die Laufzeit und die finanziellen Eckdaten des Kredits inklusive Zinsen und Kapitalrückzahlungstermine zu richten, da diese im Zusammenhang mit der Lebensdauer der abbaubaren Vermögenswerte sowie den geplanten Förder- und Produktionsdaten stehen. EVA2 – Bewertung zu Beleihungszwecken 4. 97 Übliche Wertansätze 4.1 Der Marktwert als vorrangiger Wertansatz wird detailliert in EVS1 mit der von TEGoVA übernommenen Definition und weiteren, in der EU-Gesetzgebung vorhandenen Definitionen, behandelt. 4.2 Der Beleihungswert, wie in der EU-Gesetzgebung definiert, wurde bereits in einer kurzen Erläuterung in EVS2 behandelt. Es sollte hier darauf hingewiesen werden, dass – wie bereits in EVS2 erwähnt – solche Bewertungen nicht mit der Definition des Marktwertes übereinstimmen. Die Anwendung des Beleihungswertes wird in den folgenden Abschnitten näher erläutert (Absatz 5). 4.3 In allen Fällen, in denen ein Gutachter beauftragt wird, eine Bewertung anzufertigen, die auf einem anderen Ansatz als dem Marktwert beruht, sollte der Gutachter nur dann tätig werden, wenn diese Bewertung nicht gegen lokale Gesetze oder Bestimmungen verstößt und auch in keiner sonstigen Weise irreführend ist. Bei solchen Gegebenheiten ist es für Gutachter üblich, auch eine Einschätzung zum Marktwert abzugeben oder weitere angemessene Informationen zur Verfügung zu stellen, inwieweit ein Wert auf einer alternativen Grundlage vom Marktwert abweichen kann. 4.4 Da der Wertansatz von Land zu Land unterschiedlich sein kann, wird geraten, die Länderkapitel auf der Webseite der TEGoVA zu Rate zu ziehen. 5. Anwendung des Beleihungswertes 5.1 Der Beleihungswert (Mortgage Lending Value – MLV) ist als anerkannte Grundlage zur Bewertung der Beleihungsgrenze einer Immobilie für Kreditinstitute von besonderer Bedeutung. Er sollte eine Einschätzung des langfristigen, nachhaltigen Wertes der Besicherung sein, damit er internen Bankentscheidungen im Kreditvergabeprozess hinsichtlich Themen wie Beleihungsquote (Loan-to-Value Ratio – LTV), Tilgungsstruktur, Laufzeit des Kredites und Finanzierungs- und Risikomanagement dienlich sein kann. Der Beleihungswert ist eine Grundlage zur Einschätzung, ob eine mit einer Hypothek belastete Immobilie als ausreichende Sicherheit für einen langfristig ausgereichten Kredit akzeptiert werden kann. Alternativ können Kreditgeber diese Thematik auch über die Gestaltung des jeweiligen Beleihungsauslaufs steuern. 5.2 Der Beleihungswert unterscheidet sich insofern vom Marktwert, als er die Ermittlung eines Immobilienwertes für einen längerfristigen Zeitraum anstrebt. Der Marktwert hingegen ist lediglich eine Wertermittlung zum Bewertungsstichtag. 98 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.3 Daher ergeben sich wichtige Unterschiede zwischen dem Marktwert und dem Beleihungswert. Der Marktwert ist international anerkannt als Wert einer Immobilie zu einem gegebenen Zeitpunkt. Er beziffert den Preis, der für eine Immobilie zum Zeitpunkt der Bewertung erzielbar wäre, unbeschadet dessen, dass sich dieser Wert im Laufe der Zeit – und manchmal sehr rasch – ändern kann. Im Gegensatz dazu ist der beabsichtigte Zweck des Beleihungswertes der, einen langfristigen nachhaltigen Wert als stabile Grundlage zur Einschätzung der Eignung einer Immobilie als hypothekarische Kreditbesicherung zu liefern, der über potenzielle Marktschwankungen hinweg stabil bleibt. Im Sinne der Vorsicht und im Bewusstsein möglicher kurzfristiger Marktschwankungen wird der Beleihungswert wahrscheinlich unter den meisten Marktbedingungen unterhalb des Marktwertes liegen, er bietet jedoch einen Anhaltspunkt für zu erwartende langfristige Markttrends. 5.4 In sehr stabilen Märkten kann der Unterschied zwischen Beleihungswert und Marktwert nicht auszumachen sein. In volatileren Märkten kann jedoch ein deutlicher Unterschied zwischen Marktwert und Beleihungswert erwartet werden, wobei es aber keine einfache, einheitliche oder beständige Relation zwischen diesen beiden Ansätzen geben wird. 5.5 Der Beleihungswert kann auf vielfältige Weise als Instrument des Risikomanagements eingesetzt werden, im Zusammenhang mit der durch Immobilien besicherten Kreditvergabe; Eigenkapitalanforderungen für Kreditinstitute, wie im aufsichtsrechtlichen Rahmenwerk der EU näher ausgeführt; der Refinanzierung für Hypothekarkrediten durch Covered Bonds (Pfandbriefe), die durch Immobilien als Deckungswerte abgesichert sind; der Entwicklung von Kapitalmarktprodukten, bei denen Immobilien und Immobiliensicherheiten in handelbare Vermögenswerte umgewandelt werden (z. B. Mortgage-backed Securities, d. h. durch Immobilien gesicherte Wertpapiere, wie in EVA3 ausgeführt). 5.6 Der Begriff des Beleihungswertes wird sowohl durch die EU-Gesetzgebung (siehe EVS2 oben) wie auch in manchen Ländern durch nationale Gesetze und Vorschriften definiert. 5.7 Je nach Art der Immobilie und den spezifischen rechtlichen, historischen oder anderen Gegebenheiten des Marktes, in dem die Immobilie gelegen ist, kann die Ermittlung des Beleihungswertes mittels sachgemäßer Anwendung der drei internatio- EVA2 – Bewertung zu Beleihungszwecken 99 nal anerkannten Bewertungsmethoden erfolgen, nach denen auch der Marktwert errechnet wird: die Vergleichswertmethode, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren. 5.8 Der Beleihungswert unterscheidet sich vom Marktwert darin, dass er keinen Stichtagswert darstellt, sondern Ausdruck einer umsichtigen, langfristigen Werterwartung ist. Dabei sind eine Reihe von Schritten erforderlich, um Auswirkungen der kurzfristigen Marktvolatilität oder vorübergehender Markttrends auszuschließen. Bei der Berechnung des Beleihungswertes sollte der Gutachter auf folgende Schlüsselthemen eingehen: (i) Die künftige Vermarktungs- und Verkaufsmöglichkeit der Immobilie ist gewissenhaft und umsichtig zu ermitteln. Der zugrunde liegende Zeithorizont geht über den kurzfristigen Markt hinaus und deckt einen langen Zeitraum ab. (ii) Langfristige, nachhaltige Aspekte der Immobilie, wie beispielsweise die Qualität des Standortes, Bauweise und Grundriss des Gebäudes. (iii) Der dieser Bewertung zugrunde liegende Ertrag aus der Immobilie sollte nicht höher liegen als der nachhaltige Nettomieterlös, der für gewöhnlich von einer ähnlichen Immobilie auf dem spezifischen Markt im Laufe der Zeit erwirtschaftet wird. Dabei sind Mieterlöse, die über dem Marktniveau liegen und andere, zusätzliche, außergewöhnliche oder außerordentliche Cashflows auszuschließen. Das bedeutet, dass der nachhaltige Ertrag auf Basis einer Bewertung vergangener und gegenwärtiger langfristiger Trends bewertet wird, wobei alle unsicheren Faktoren in Bezug auf ein mögliches zukünftiges Einkommenswachstum nicht berücksichtigt werden dürfen. (iv) Die Wahl des Kapitalisierungszinssatzes hat sich ebenfalls auf langfristige Markttrends zu stützen und sämtliche kurzfristigen Ertragserwartungen sind auszuschließen. Dabei sollte die nachhaltige Ertragskraft der Immobilie, Mehrzweck- oder geeignete Alternativnutzungen, sowie die zukünftige Vermarktbarkeit der Immobilie in Betracht gezogen werden. (v) Der Gutachter hat Verwaltungskosten, sowie Überalterung, Neuinvestitionen, jährliche Instandhaltungskosten, Leerstandsrisiken, Mietausfälle und andere Risiken vollständig vom Mietertrag in Abzug zu bringen. 100 Europäische Bewertungsstandards 2012 (vi) Die Nachhaltigkeit von Vergleichswerten ist – wo erforderlich – durch Anwendung geeigneter Abschläge zu berücksichtigen, falls der Beleihungswert mit der Vergleichswertmethode oder der Sachwertmethode ermittelt wird. (vii) Der Beleihungswert basiert im Allgemeinen auf der gegenwärtigen Nutzung der Immobilie. Er sollte nur unter bestimmten Umständen auf Basis einer besseren Alternativnutzung errechnet werden, wie beispielsweise dann, wenn es eine nachgewiesene Absicht gibt, dass die Immobilie renoviert oder deren Nutzungszweck geändert wird. Im Wesentlichen spekulative oder zeitlich eingeschränkte Nutzungsformen sind auszuschließen. (viii) Weitere Anforderungen ergänzen die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ermittlung des Beleihungswertes, wie z. B. die Einhaltung nationaler Standards, Transparenz, Inhalt und Verständlichkeit der Bewertung. 5.9 Einige dieser Prinzipien bedürfen weiterer Erläuterungen: (i) Zukünftige Vermarktbarkeit – Der Gutachter hat jene Situationen zu erkennen und zu benennen, in denen aktuelle Werte nur eine kurzfristige Nachfrage aufgrund einer Marktineffizienz widerspiegeln, wie sich diese im Laufe eines Konjunkturzyklus ergeben können (bei einer bestimmten Art von Immobilie besteht einmal ein Überangebot, gefolgt von einem Angebotsmangel), oder wenn erkennbare Faktoren, wie bestimmte Vorlieben seitens der Konsumenten, den Markt verzerren, wodurch die zukünftige Vermarktbarkeit gefährdet ist. (ii) Übliche, lokale Marktbedingungen – Für bestimmte Immobilien wird der Gutachter den möglichen Einfluss breiterer sozialer und wirtschaftlicher Faktoren untersuchen müssen. Bei einer derartigen Analyse könnte es sich beispielsweise um die Bevölkerungsentwicklung, die Wohlstandsverteilung, Einkommensverhältnisse, Beschäftigungsstand und soziokulturelles Kaufverhalten im Einzugsgebiet, die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs, gesetzliche und politische Risiken, Finanzierungskosten und deren Wechselwirkung mit Kapitalmärkten, Währungsschwankungen und Bewertung des Wirtschaftswachstums handeln. Für Gutachter ergibt sich daraus die Verantwortung zur Entwicklung, Beschaffung und laufenden Anwendung maßgeblicher, einschlägiger Information über lokale Trends und nachhaltige Werte zur Untermauerung ihrer Bewertungen. Dabei sind nur dann Daten außer Acht zu lassen, wenn dies durch die speziellen Umstände des Falles ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Sind die vorgenannten Informationen nicht verfügbar, hat der Gutachter dennoch aufzuzeigen, dass die Bewertung auf Marktdaten basiert. EVA2 – Bewertung zu Beleihungszwecken 101 (iii) Aktuelle Nutzung – Da es nicht unüblich ist, dass eine Immobilie einen höheren Wert bei alternativer Nutzung hat, sollten Kreditgeber auf ein eventuelles Potenzial zur Wertsteigerung hingewiesen werden. Trotzdem basiert der Beleihungswert jedoch primär auf der bestehenden Immobiliennutzung, es sei denn, es gibt spezielle Umstände, wie beispielsweise eine unmittelbar bevorstehende Umnutzung, die eine Bewertung auf Basis einer alternativen Nutzung realistischer machen. (iv) Ausschluss spekulativer Elemente – Der Gutachter ist angehalten, sämtliche aktuellen, nicht nachhaltigen Marktphänomene explizit zu benennen, wie beispielsweise ein steigender oder fallender Trend, der nicht länger durch Fundamentaldaten untermauerbar ist und sich am Ende eines Lebenszyklus verstärkt. (v) Klare und transparente Dokumentation – Der Kreditgeber muss sich auf die Bewertung verlassen können. Daher sollten im Gutachten transparente und eindeutig bezeichnete Bewertungsmethoden angewendet und zu Papier gebracht werden. Es sind daher nur anerkannte Bewertungsmethoden zu verwenden, im Allgemeinen das Ertragswertverfahren (bzw. Investitionsmethode) oder die Vergleichswertmethode. Ein Sachwertverfahren gelangt in manchen Rechtssystemen häufig zur Anwendung (beispielsweise bei Einoder Zweifamilienhäusern) oder wenn nur begrenzte Marktinformationen vorhanden sind. Dieses Verfahren ist, obwohl es für Gutachter nützlich ist, die in stabilen Märkten mit vorherrschend eigentümergenutzten Objekten agieren, weniger als grundlegende Bewertungsmethode anzusehen, sondern sollte eher als Gegenprobe zur Anwendung gelangen. Die Notwendigkeit, eine kostenbasierte Methode anzuwenden, könnte darauf hinweisen, dass es sich um eine Sonderimmobilie handelt, die üblicherweise nicht erworben oder verkauft würde und daher zur Kreditbesicherung oder für Verbriefungszwecke als potenziell ungeeignet erachtet werden könnte. 5.10 Ein Gutachter, der beauftragt wurde, den Beleihungswert einer Immobilie zu ermitteln, sollte auch den Marktwert der Immobilie errechnen, wobei der Unterschied der beiden Werte, falls existent, genau zu erläutern ist. Wie aus den Erläuterungen zur Ermittlung des Beleihungswertes hervorgeht, gibt es keinen Grund zur Annahme, dass es zwischen beiden Grundlagen einen fixen Verhältniswert gibt. Dies bedeutet, dass die Verwendung einer einfachen prozentualen Anpassung (Ab- oder Aufschlag) zur Ableitung des einen Wertes aus dem jeweiligen anderen, nicht angebracht ist. 102 6. Europäische Bewertungsstandards 2012 Zwangs- und Liquidierungsverkäufe 6.1 Es ist möglich, dass ein Gutachter von einem Darlehensgeber beauftragt wird, Wertangaben zu einer Immobilie zu machen, die nicht ausreichend auf dem freien Markt angeboten wurde oder bei der die Zahlen aus dem Gutachten einen reduzierten hypothetischen Vermarktungszeitraum widerspiegeln sollen. 6.2 Bei einem sinkenden oder angespannten Markt kann es sich bei den Eigentümern um nicht vertragswillige Verkäufer handeln, die aufgrund einer ihnen auferlegten Zwangslage gezwungen sein können, einen Preis zu akzeptieren, der als unter dem Marktwert liegend angesehen wird (siehe EVS1). Zwänge dieser Art können die Merkmale der Immobilie oder die Umstände des Eigentümers widerspiegeln und müssen deutlich im Gutachten genannt werden. 6.3 Die im Gutachten ausgewiesenen Zahlen sollten mit dem Hinweis versehen werden, dass sie auf bestimmten spezifischen Annahmen beruhen, die schriftlich in den Auftragsbedingungen vereinbart werden sollten (siehe EVS4). Als Ergebnis sollte sich ein Marktwert ergeben, der jedoch auf den oben genannten besonderen Voraussetzungen beruht. Die berichteten Zahlen haben lediglich zum Bewertungsstichtag Gültigkeit, da sich die Marktbedingungen möglicherweise wieder ändern können. 6.4 Der Zwangsverkaufswert ist keine Bewertungsgrundlage und sollte ohne entsprechende ausdrücklich anderslautende Anweisung nicht verwendet werden. 103 EVA3 Immobilienbewertung für Verbriefungszwecke 1. 2. 3. 4. 5. Einleitung Anwendungsbereich Definitionen Stellungnahme Erläuterungen Hinweis: Weiterführende Literatur siehe Teil 3 „Europäisches Objekt- und Marktrating: Ein Leitfaden für Gutachter (European Property and Market Rating: A Valuer’s Guide)“ 1. Einleitung 1.1 Die Verbriefung von Immobilien ist zu einer wichtigen Quelle als Finanzinstrument in Kapitalmärkten sowie als Mittel zur Refinanzierung von Kreditinstituten und anderen Institutionen im Immobiliensektor geworden. Die Verbriefung lässt sich als Vorgang definieren, bei dem auf Immobilien bezogene Vermögenswerte in handelbare Wertpapiere umgewandelt werden, indem Eigen- oder Fremdkapitalanteile an Immobilien (wie beispielsweise Hypothekardarlehen) auf eine Weise gebündelt werden, dass sie mit dem Ertragszufluss aus diesen Anteilen, die dann an Investoren übertragen werden, veräußert werden können. Der Begründer des Vermögenswertes – üblicherweise ein Kreditinstitut – überträgt die Anteile an eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle), welche ihrerseits Wertpapiere auf den Kapitalmärkten emittiert, wo sie für gewöhnlich durch Finanzinstitutionen (wie Versicherungen, Pensionsfonds oder Kreditinstitute) erworben werden. 1.2 Das Kreditinstitut hat den Vorteil, dass die immobilienbezogenen Vermögenswerte dann nicht mehr in seiner Bilanz erscheinen. Dies trägt zur Verbesserung der finanziellen Kennzahlen und zur Steigerung der Kapitalerträge bei, wie auch zur Erfüllung der risikobezogenen Eigenkapitalanforderungen (wie unter den Baseler Abkommen, der Eigenkapitalrichtlinie 2006/48 und nationalen Vorschriften). 104 Europäische Bewertungsstandards 2012 1.3 Diese Wertpapiere bieten den Verkäufern die Möglichkeit zur Diversifizierung ihrer Refinanzierung und einer besseren Kongruenz zwischen Kreditlaufzeiten und Refinanzierung. 1.4 Wurden auf Immobilien basierende Wertpapiere aus Hypotheken geschaffen oder diese als Sicherstellung benutzt, sehen sich Investoren prinzipiell mit folgenden Risiken konfrontiert: der Veränderung der den Hypotheken zugrunde liegenden Immobilienwerte und schwankenden Erträgen aus diesen Hypotheken. Daher verlassen sich Investoren üblicherweise auf externe Ratings, um die Kreditqualität, die strukturelle Integrität und andere Attribute eines bestimmten Wertpapiers zu beurteilen. 1.5 Da jede Investitionsentscheidung auf der langfristigen Ertragsfähigkeit einer Immobilie bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Wertpapiers basiert, ist die Immobilienbewertung von grundsätzlicher Wichtigkeit für die Verbriefung. 2. Anwendungsbereich 2.1 Diese EVA ist auf Immobilienbewertungen, die zum Zwecke der Bewertung dieser Wertpapiere durchgeführt werden, anwendbar, und zwar sowohl für jene, die diese herausgeben, wie auch für jene, die sie erwerben. Die Bewertung der Wertpapiere selbst wird hier nicht abgehandelt. Die primäre Anwendung findet im Zusammenhang mit Wertpapieren, die auf Basis von Hypotheken geschaffen werden, statt, wobei die gleichen Grundsätze jedoch allgemein auch auf andere Formen der Immobilienverbriefung zutreffen. Das Erkennen von markt- und objektbezogenen Risiken ist entscheidend. Die EVA findet auch Anwendung auf die wiederholte Bewertung von derartigen Immobilien und auf die regelmäßige Überprüfung (laufende Überwachung) der Kreditbesicherungen, wodurch das Erkennen von maßgeblichen Veränderungen im Wert erleichtert wird. 2.2 Bewertungen betreffend REITs (Real Estate Investment Trusts), Immobilientrusts und Immobilien Unit Trusts werden in den EVA1 unter Bewertung zum Zwecke der Rechnungslegung und EVA5 Anwendung des Investitionswertes für einzelne Investoren besprochen. EVA3 – Immobilienbewertung für Verbriefungszwecke 105 2.3 Die Einschätzung von anderen mit den Vermögenswerten verbundenen Risiken, wie Schuldendeckungsquote (Debt Service Coverage Ratio) und Bonität des Darlehensnehmers sind nicht Teil der Aufgabe des Gutachters und werden daher in dieser EVA nicht berücksichtigt. 3. Definitionen 3.1 Immobilienverbriefung ist der Vorgang der Schaffung und Vermarktung von Finanzvermögenswerten, die aus Eigen- und Fremdkapitalanteilen an Immobilien gebündelt werden; sie werden von Finanzexperten gemanagt und notieren auf Wertpapiermärkten. 3.2 Property-related Asset-backed Securities (PRABSs) sind Investitionsinstrumente, die durch gebündelte, Cashflow generierende Vermögenswerte gesichert sind und an eine insolvenzfeste (Bankruptcy-remote) Zweckgesellschaft (SPV) verkauft werden. Bei solchen Instrumenten kann es sich entweder um hypothekarisch besicherte Wertpapiere (MBS – Mortgage-backed Securities) oder um durch Immobilien besicherte Wertpapiere handeln, wo der Vermögenswert die Immobilie selbst ist. Einige Instrumente sind eine Kombination von beiden, wie beispielsweise jene PRABs, die auf den Zuflüssen aus einem Immobilienprojekt basieren. Es gibt im Allgemeinen zwei Arten von hypothekarisch besicherten Wertpapieren, die im Wesentlichen eine Aufteilung der Portfolios in Privat- und Firmenkundenbereiche darstellen: Residential mortgage-backed securities (RMBS), welche auf hypothekarisch besicherten privaten Wohnungsbaudarlehen basieren Commercial mortgage-backed securities (CMBS), welche auf hypothekarisch besicherten Gewerbeimmobilienkrediten basieren. 3.3 Eine Zweckgesellschaft (SPV) ist eine Rechtsperson, die explizit zur Anschaffung und Finanzierung bestimmter Vermögensgegenstände geschaffen wurde. Sie wird normalerweise von jener Institution gegründet, die die zugrunde liegenden Vermögensgegenstände hält. Sie kann oft einen speziell gestalteten Rechtsstatus haben, um ihre Verpflichtungen zu sichern, auch für den Fall, dass die Muttergesellschaft insolvent wird; ist dies der Fall, nennt man dies eine insolvenzfeste oder im Konkursfall abgeschottete Rechtsperson. 3.4 Der Nettovermögenswert (Net Asset Value) ist ein Maß für den aggregierten aktuellen Wert von Vermögensgegenständen, abzüglich sämtlicher Verbindlichkeiten. 106 Europäische Bewertungsstandards 2012 3.4.1 Manchmal wird der nachhaltige Nettovermögenswert oder der nachhaltige Vermögenswert (Sustainable Net Asset Value oder Sustainable Asset Value) ermittelt. Diese Werte stellen jenen nachhaltig zu erwartenden Wert dar, den ein Vermögenswert langfristig erreichen beziehungsweise halten sollte. Das Konzept wird von jenen, die solche Wertpapiere kreieren, sowie von Ratingagenturen, Investoren und Portfolioversicherungen benutzt. Der Wert wird entweder durch Bezug auf den Beleihungswert oder durch Berichtigungen des Marktwertes ermittelt, je nach der entsprechenden Phase der Marktkonjunktur und potenzieller Destabilisierungsfaktoren, wie Marktvolatilität und Spekulationsaktivität am Markt. Die Ermittlung sollte den zu erwartenden Konjunkturverlauf des Marktes, die zu erwartende Volatilität und die auf dem betroffenen Markt stattfindende Spekulationstätigkeit widerspiegeln. Von der Konzeption her ist der nachhaltige Nettovermögenswert dem Beleihungswert ähnlich. 3.5 Der Marktwert wird im EVS1 definiert. 3.6 Der Beleihungswert wird im EVS2 definiert. 3.7 In diesem Zusammenhang bedeutet Risikoprofil eine genaue Zusammenfassung der Risiken, die mit einer als Besicherung dienenden Immobilie oder Gruppe von Immobilien verbunden sind. Die Hauptrisikokategorien können wie folgt eingeteilt werden: Marktrisiko Immobilienbezogene Risiken einschließlich standortbezogener Risiken und Risiken, die im Zuge eines Entwicklungsprojektes entstehen Steuerliche und rechtliche Risiken Finanzielle Risiken Die Rolle des Gutachters wird es normalerweise mit sich bringen, dass nur die ersten beiden Risikogruppen zu berücksichtigen sind, also jene, die sich auf den Markt und die Immobilie beziehen. 4. Stellungnahme 4.1 Dient eine Bewertung der Besicherung eines Darlehens für eine Immobilie oder ein Immobilienportfolio, welches ein Verbriefungsinstrument besichern soll, wird diese normalerweise auf Grundlage des Marktwertes der Immobilie erstellt. In manchen Rechtssystemen kann dazu auch der Beleihungswert herangezogen werden. EVA3 – Immobilienbewertung für Verbriefungszwecke 107 4.2 Nehmen Gutachter eine Bewertung zum Zwecke der Verbriefung vor, sollten sie sich auf die markt- und immobilienbezogenen Risiken im Hinblick auf die hypothekarisch zu belastende(n) Immobilie(n) konzentrieren, damit die beteiligten Parteien Folgendes verstehen: Den Marktwert (und/oder den Beleihungswert) der einzelnen Immobilien, den Nettovermögenswert oder die nachhaltigen Vermögenswerte eines Portfolios, die damit verbundenen Markt- und Immobilienrisiken, damit die Zusammenstellung des Hypothekarkreditportfolios, ein Portfolio-Rating und Investitionsentscheidungen erleichtert werden. 4.3 TEGoVA empfiehlt Gutachtern, ihre Aufgabe in zwei Stufen durchzuführen: Zuerst die konventionelle Bewertung einer Immobilie und darauffolgend die Einschätzung des spezifischen Risikoprofils. Ist ein Immobilienportfolio zu beurteilen, haben sich die Bewertung und die Risikoabschätzung auf das gesamte Portfolio zu beziehen. 5. Erläuterungen 5.1 In einem ersten Schritt sind die einzelnen zugrunde liegenden Immobilien zu berücksichtigen. Der Gutachter sollte gemäß EVA1 und EVA2 den Marktwert (bzw. den Beleihungswert) zu jenem Zeitpunkt, an dem das Hypothekardarlehen für die einzelne Immobilie gewährt wird, feststellen. Wurde eine solche Wertermittlung nicht zum Zeitpunkt der ursprünglichen Kreditvereinbarung durchgeführt, ist dies für jede einzelne Immobilie dann nachzuholen, wenn die Hypothekarkredite an die Zweckgesellschaft veräußert werden. Manche Kreditratingagenturen können spezielle Bedingungen auferlegen, die dann in der Bewertung und der Beratung zu berücksichtigen sind. 5.2 Der Gutachter sollte eine strukturierte Risikobewertung für jede Immobilie im Hypothekarkreditportfolio erstellen (unter Berücksichtigung sowohl des Markt- als auch des Immobilienrisikos), zu jenem Zeitpunkt an dem die betreffenden Hypothekarkredite gewährt wurden. Wird diese Bewertung nicht zum Zeitpunkt der Finanzierung der einzelnen Liegenschaften vorgenommen, ist sie erstmals zum Veräußerungszeitpunkt der Hypothekardarlehen an die Zweckgesellschaft durchzuführen. 5.3 Wertermittlungen und Risikobewertungen sind im jeweiligen Marktkontext durchzuführen. Demzufolge sollte jegliche außergewöhnliche Volatilität im Wert der betreffenden Immobilien oder auf dem Markt für Vergleichsobjekte im Gutachten angeführt sein. Innerhalb einiger Rechtssysteme kann der Hinweis auf eine solche Volatilität zu einer Verringerung des Wertes führen. 108 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.4 Der zweite Schritt im Zuge der Bewertung eines Immobilienportfolios ist, das gesamte Portfolio zu bewerten, wobei hier der Nettovermögenswert bzw. der nachhaltige Vermögenswert festgestellt wird. 5.5 Die Bewertung von Hypothekarkredit-Portfolios, deren Sicherheit Wohnimmobilien im Besitz von privaten Investoren sind, sollte mittels Analyse von Immobiliengruppen ähnlicher Art („Clusteranalyse“), basierend auf dem Alter der Immobilien, ähnlichen Einkommensströmen, Lage oder anderen Merkmalen durchgeführt werden. Der Wert der einzelnen Immobilie innerhalb eines Clusters kann durch eine vereinfachte Methode (wie beispielsweise eine ausschließlich auf Software gestützte Bewertung bzw. Schreibtischbewertung) geprüft werden, wobei jene Faktoren zu berücksichtigen sind, die am wahrscheinlichsten den Wert beeinflussen. Sollte davor noch keine Bewertung der Immobilien erfolgt sein, ist diese in dieser Phase durchzuführen. Die Werte der einzelnen Immobilien werden dann als Clusterwert gesammelt erfasst, wobei für den Cluster selbst ebenfalls eine Risikoabschätzung durchgeführt wird. Schließlich werden die Werte der einzelnen Cluster benützt, um den Nettovermögenswert des gesamten Portfolios zu errechnen, welches ebenfalls einer Risikobewertung unterzogen wird. 5.6 Wenn die im Besitz von gewerblichen oder institutionellen Investoren befindlichen Hypothekarportfolios von Wohnimmobilien und gewerblichen oder gemischt genutzten Immobilienportfolios bewerten werden, sollte die Gültigkeit des Marktwertes der einzelnen Immobilien auf Basis der ursprünglichen Bewertung verifiziert werden. Wenn notwendig, ist diese zu berichtigen, um die aktuelle Marktsituation und alle vorhersehbaren langfristigen Änderungen im Markt darzustellen. Wurden die Marktwerte bis dahin nicht ermittelt, sind sie in dieser Phase zu bewerten. Ebenso ist eine Risikobewertung der einzelnen Immobilien erforderlich. Der Nettovermögenswert und das Risikoprofil des gesamten Portfolios werden von den individuellen Immobilienwerten abgeleitet. 5.7 Dieselbe Vorgangsweise kann – wo anwendbar – auch zur Ermittlung des nachhaltigen Nettovermögenswertes und des Beleihungswertes benutzt werden. 5.8 Ein Kreditgeber kann eine Neubewertung benötigen, wenn Anzeichen vorhanden sind, dass der Immobilienwert im Vergleich zum allgemeinen Markt substanziell gefallen ist. 5.9 Einige Rechtssysteme regeln Neu- oder Wiederbewertungen jener Immobilien, die verbriefte Anteile besichern, per Gesetz. Im Zweifelsfall oder bei Konflikten ist die nationale Gesetzgebung anstelle dieser EVA maßgeblich. 109 EVA4 Ermittlung des Versicherungswertes 1. 2. 3. 4. 5. 6. Einleitung Anwendungsbereich Definitionen Empfehlungen Bewertungsmethode Sonstige Fragen Hinweis: EVA4 beschäftigt sich mit der Ermittlung des Wertes von Gebäuden für die Versicherungsdeckung bei Sachschaden (Beschädigungen oder Zerstörung) und findet dort Anwendung, wo dies der Hauptzweck des Wertes in Übereinstimmung mit dem Arbeitsauftrag für den Gutachter ist (siehe Absatz 1.6). Sie berücksichtigt nicht solche Versicherungen gegen andere Risiken, die aus dieser Beschädigung oder Zerstörung bzw. der damit verbundenen Unterbrechung des Geschäftsbetriebes entstehen, oder andere Versicherungen, die üblicherweise von Immobilienverwaltern abgeschlossen werden. 1. Einleitung 1.1 Bei einem Versicherungsvertrag handelt es sich um einen Geschäftsvertrag. Als solcher ist er eine rechtliche verbindliche Vereinbarung zwischen den Parteien, wobei dem Versicherungsgeber eine Prämie gezahlt wird, damit er dem Versicherungsnehmer bei Verlusten bis zu einer bestimmten Höhe, die durch ein bestimmtes Risiko oder Risiken entstehen, Schadenersatz leistet. Die Deckungsgrundlage beruht auf den jeweiligen Vertragsbedingungen. 1.2 Ein Versicherungsvertrag ist ein Vertrag in äußerstem gutem Glauben (uberrimae fidei). Alle Faktoren, die unter Umständen Auswirkungen auf das oder die Risiken haben, müssen offengelegt werden (unabhängig davon, ob man ausdrücklich darum gebeten wurde). Versäumt man die Offenlegung von Einzelheiten, die die Entscheidung eines Versicherungsgebers über eine zu vergebende Deckung beeinflussen könnten, kann letzterer den Vertrag für unverbindlich erklären. 110 Europäische Bewertungsstandards 2012 1.3 Die maximale Haftung des Versicherungsgebers beläuft sich auf die Versicherungssumme, obwohl es sich hierbei nicht immer um einen vollständigen Schadenersatz handelt. Bei einem Totalverlust zahlt der Versicherer lediglich die versicherte Summe als Höchstbetrag. Daher ist es von Bedeutung, diesen Betrag sorgfältig zu berechnen und regelmäßig zu überprüfen. 1.4 Bei einem Teilverlust (wenn beispielsweise nur ein Teil eines Gebäudes zerstört wird), zahlen die Versicherungsgeber üblicherweise höchstens einen Betrag aus, der einen Prozentsatz der Versicherungssumme für den eigentlichen Versicherungswert darstellt. Dies nennt man Durchschnitt oder Durchschnittsklausel. 1.5 Es ist generell vernünftig, wenn die Deckung (und somit die Prämien) auf den vollen Wiederherstellungskosten beruhen, obwohl Erstrisikopolicen gelegentlich auch ausgestellt werden, wenn beide Parteien davon Kenntnis haben und akzeptieren, dass die versicherte Summe nicht dem mit einem Risiko behafteten Gesamtwert entspricht. 1.6 Es kann sein, dass ein möglicher Darlehensgeber eine Einschätzung des Versicherungswertes als Teil eines Berichts über die Eignung der Immobilie als Darlehenssicherheit benötigt, so dass er eine angemessene Versicherung für die beliehene Sicherheit verlangen kann. Umfasst die Beauftragung des Gutachters zusätzlich zum Hauptzwecke der Bewertung auch die Indikation der Wiederherstellungskosten für die Besicherung des Darlehens, ist der Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass ein solcher Betrag lediglich eine allgemeine Richtschnur darstellt (es sei denn, er wäre in voller Übereinstimmung mit dieser EVA berechnet worden), so dass für den Fall, dass eine vollständige Bewertung zu Versicherungszwecken benötigt wird, dies entsprechend in Auftrag gegeben werden kann. 1.7 Eine Beurteilung kann ebenfalls in Verbindung mit der Schadensregulierung nach einem Schadensfall bezüglich einer bestehenden Police und auch in Bezug auf Schäden, die in Zusammenhang mit der Ursache des geltend gemachten Anspruchs stehen, erforderlich sein. Das Wiederherstellungskriterium kann im Versicherungsvertrag definiert werden. Während sich der Inhalt dieser EVA hauptsächlich auf die Schadensregulierung bezieht, finden die im EVS3 aufgeführten Anforderungen, in der die entsprechenden Fachkenntnisse hervorgehoben werden, auf diese spezielle gutachterliche Tätigkeit Anwendung. 1.8 Bezieht sich die Versicherungsgrundlage auf die vollen Wiederherstellungskosten, sollte der Gutachter das gesamte Ausmaß aller voraussichtlichen Schäden beurteilen, üblicherweise durch Bezugnahme auf die Wiederherstellung der beschädigten Immobilie, wobei es sich im Wesentlichen um eine Kostenberechnung und nicht um eine Berechnung des Immobilienwertes handelt. Da jedoch ein solcher Ver- EVA4 – Ermittlung des Versicherungswertes 111 lust im Normalfall Schäden an Gebäuden betrifft, muss der Gutachter neben den entsprechenden Bewertungskompetenzen über umfangreiche Fachkenntnis in Bezug auf Gebäude und Bauweisen, Beschränkungen und Kosten verfügen, um eine präzise Einschätzung der Wiederherstellungskosten vornehmen zu können. 1.9 Die Ermittlung des Versicherungswertes wird in manchen Ländern auch als „Bewertung für Versicherungszwecke“ bezeichnet. 2. Anwendungsbereich EVA4 beschäftigt sich mit der Ermittlung des Versicherungswertes von Gebäuden durch einen Gutachter zum Zwecke der Haftung eines Gebäudeversicherers im Fall von Sachschäden oder Zerstörung. Sie berücksichtigt keine anderen Versicherungen gegen andere Risiken, die aus dieser Beschädigung oder Zerstörung bzw. der damit verbundenen Unterbrechung des Geschäftsbetriebes entstehen, oder andere Versicherungen, die üblicherweise von Immobilienverwaltern abgeschlossen werden. 3. Definitionen 3.1 Der „Versicherungswert“ einer Immobilie ist die im Versicherungsvertrag genannte Summe, die sich auf die Immobilie bezieht und die Haftung des Versicherungsgebers beziffert, wenn dem Versicherungsnehmer ein Schaden oder finanzieller Verlust durch ein Risiko entsteht, welches im Versicherungsvertrag aufgeführt ist. Wird ein Gutachter beauftragt, einen Versicherungswert zu liefern, hat er denjenigen Betrag zu ermitteln, der eine ausreichende Versicherungsdeckung für die Immobilie bietet. Dies ist eine Frage, die nicht nur für den Versicherungsnehmer und den Versicherungsgeber von Bedeutung ist, sondern auch für andere, beispielsweise einen Gläubiger, der ein Darlehen mittels der betreffenden Immobilie besichert. 3.2 Handelt es sich bei der Ermittlungsgrundlage um die Wiederherstellungskosten, geht es im Prinzip um den Ersatz von dem, was beschädigt oder zerstört wurde, so dass der Zustand wie vor dem Schadensfall wiederhergestellt wird. Es geht hierbei also nicht um die Deckung für Verbesserungsmaßnahmen oder Erweiterungen, es sei denn, die Berücksichtigung von Veränderungen dieser Art wird durch Gesetze und Vorschriften entsprechend verlangt. 112 Europäische Bewertungsstandards 2012 3.3 Die Wiederherstellung eines zerstörten Gebäudes heißt hier, das Gebäude in solcher Weise wieder aufzubauen, dass es dem Zustand entspricht, als es neu war, der jedoch nicht besser oder größer sein darf. 3.4 Die Wiederherstellung eines beschädigten Gebäudes heißt hier die Reparatur des Schadens und die Restaurierung des beschädigten Teils der Immobilie, so dass ihr Zustand im Wesentlichen ihrem Neuzustand entspricht, jedoch nicht besser oder größer. 3.5 Wiederaufbau, Reparatur und Restaurierung bedeuten im Kontext der Wiederherstellung einen Ersatz mit Methoden oder Materialien, die den aktuellen Gebäude- und Brandschutzbestimmungen sowie anderen gesetzlichen Vorschriften entsprechen. 3.6 Der Begriff Liegenschaft bezieht sich auf Grundstück und Gebäude auf, unter oder über der Oberfläche einschließlich Rohr- und Kabelleitungen sowie andere Versorgungsinstallationen. 3.7 Auf dieser Grundlage berücksichtigt der Versicherungswert die Gesamtkosten für den Wiederaufbau neben entsprechend angemessenen anderen Kostenfaktoren. Für eine auf das Gebäude beschränkte Versicherungsdeckung sollte dieser Wert keine Positionen berücksichtigen, die sich auf Betriebsanlagen und Ausstattung, Inventar und andere Materialien beziehen, die keinen integralen Bestandteil des Bauwerks darstellen und im Normalfall über andere Versicherungen des Nutzers oder einer anderen Person entsprechend gedeckt werden. 3.8 Der Betrag sollte eine Schätzung der Abrisskosten, der Grundstücksräumung, der Abstützung und Sicherung neben allen gesetzlichen und anderen Gebühren und Honoraren, die im Rahmen des Wiederaufbaus anfallen, umfassen. 3.9 Erhält ein Gutachter die Anweisung, das Sachwertverfahren zu verwenden oder wäre dieses angemessen, sollte der Gutachter die Wiederbeschaffung zum Neuwert berechnen und dann einen Abschlag für Alterung und Abnutzung des Gebäudes in Ansatz bringen. Diese Deckung entspricht der Wiederherstellung des Gebäudes, so wie es ist, und nicht einem Ersatz durch ein neues Gebäude. EVA4 – Ermittlung des Versicherungswertes 4. 113 Empfehlungen 4.1 Bei der Ermittlung des Versicherungswertes sollte sich der Gutachter derjenigen Risiken bewusst sein, die unter Umständen nicht gedeckt sind. 4.2 Ein Ausschluss der Deckung enthebt ihn jedoch nicht von der Verantwortung, alle Aspekte aufzuführen, die einen Einfluss auf die Entscheidungen des Versicherungsgebers haben könnten. Folgende Umstände könnten von der Deckung ausgeschlossen sein (obwohl sie in gleich welcher Bewertung dennoch berücksichtigt werden müssen) oder über eine vertraglich ausdrücklich begrenzte Deckung verfügen: Belastungen durch Asbest und andere Schadstoffe Schäden durch Hochwasser, insbesondere wenn sich die Immobilie in einem Überflutungsgebiet befindet und es in der Vergangenheit schon Hochwasser erlitten hat. Potenzielle Sturmschäden an Umzäunungen Der Zustand sämtlicher Dacheindeckungen, da Versicherungsgeber einen Sturmschaden von der Deckung ausschließen könnten, wenn die Qualität unzureichend ist. Brandschaden kann ausgeschlossen sein, wenn die Elektroinstallationen nicht zugelassen sind oder unzureichender Brandschutz besteht (z. B. Feuerlöscher). Für Immobilien mit Sprinkleranlagen können Wasserschäden ausgeschlossen sein, es sei denn, es wird eine Deckung für Sprinklerleckagen erworben. In manchen Gebieten, die zu Erdsenkungen neigen, kann eine Deckung für Erdsenkungsschäden ausgeschlossen sein. Erdbeben können ebenfalls in manchen Gebieten ein ausgeschlossenes Risiko sein. Mietausfall, Ersatzunterbringung und damit verbundene Risiken 4.3 Solange nichts Gegenteiliges sicher bewiesen werden kann bzw. dem Gutachter spezifische Anweisungen gegeben wurden, ist davon auszugehen, dass die Beschaffenheit des Gebäudes und die Bodenverhältnisse am Standort es nicht erfordern, dass spezielle Bautechniken, z. B. Flachgründungen, Pfahlkonstruktionen etc., angewandt werden müssen und das es keine Bodenverunreinigungen gibt, die zu einer Erhöhung der Wiederherstellungskosten führen würden. Es wird Gutachtern empfohlen, einen diesbezüglichen Hinweis in das Gutachten aufzunehmen. 4.4 Unterliegen die Wiederherstellungskosten auch der Mehrwertsteuer, ist es üblich, diese als getrennten Betrag neben dem Nettobetrag, auf die sich die Wieder- 114 Europäische Bewertungsstandards 2012 herstellungskosten belaufen, auszuweisen. Es liegt dann am Kunden, festzustellen, ob er die Mehrwertsteuer erstattet bekommen kann. 4.5 Bei Eigentumswohnungen haben die Wohnungseigentümer sowohl ein finanzielles Interesse an dem gesamten Gebäude als auch an den Gebäudeelementen innerhalb ihrer eigenen Wohneinheit. Während ein Wohneigentümer das Gebäude insgesamt üblicherweise nicht versichern muss, verlangen die Versicherungsgeber einer einzelnen Einheit eine angemessene Schadensversicherung. Der Umfang einer erforderlichen Deckung über den Versicherungswert der einzelnen Wohneinheit hinaus kann in örtlich geltenden Vorschriften oder durch Gebräuche festgelegt sein. Es wird empfohlen, dass die Einzelheiten der Versicherungspolice überprüft werden, um sicherzustellen, dass eine Deckung besteht, die den Bedürfnissen des Versicherungsgebers entspricht. Weiterhin wird Gutachtern empfohlen, Nachforschung in Bezug auf spezifische Anforderungen der Versicherungsgeber zu betreiben, wo eine Überflutung eines Wohnblockes eine Auswirkung auf die einzelne Einheit haben kann, unabhängig davon, ob die Beschaffenheit der einzelnen Wohneinheit von einem Hochwasser betroffen wäre. 4.6 Wo ein Gebäude mehr als eine Wohneinheit umfasst, sind normalerweise alle Einheiten über eine Police versichert einschließlich der Gemeinschaftsbereiche und sonstiger Nutzbereiche. Gutachter sollten sicherstellen, dass die Versicherungssumme die unterschiedlichen Werte, die innerhalb des gesamten Gebäudes gegeben sein können, und die Auswirkungen, die Gefahren wie beispielsweise eine Überflutung aller Teile der Immobilien haben können, korrekt wiedergibt. 5. Bewertungsmethode 5.1 Gebäudeflächen werden oft über die Ermittlung der Nettogeschossflächen bei gewerblichen und Industriegebäuden und der Bruttogeschossflächen für Wohnimmobilien berechnet. In manchen Ländern werden die Gebäudeflächen nach der Bruttogeschossbasis unabhängig von der Nutzung angesetzt. Es gibt veröffentlichte Leitfäden, die die üblichen Baukosten für unterschiedliche Bauweisen liefern. Gutachter müssen sicherstellen, dass die verwendete Aufmaßeinheit mit derjenigen übereinstimmt, die von den Autoren anerkannter Leitfäden und den in dem entsprechenden Land üblichen Gepflogenheiten angegeben wird. 5.2 Der herkömmliche Zweck einer Versicherungsdeckung ist die Entschädigung für den Verlust, der durch einen Schaden entstanden ist. Die Ermittlung des Versicherungswertes sollte auf den vollen Wiederherstellungskosten beruhen und nicht auf dem Marktwert oder einer anderen Grundlage, solange der Gutachter nicht ausdrück- EVA4 – Ermittlung des Versicherungswertes 115 lich andere Anweisungen erhält. In einem solchen Fall sollte das Gutachten deutlich herausstellen, es sich bei dem genannten Betrag nicht um eine Bewertung der Wiederherstellungskosten handelt. 5.3 Die Wiederaufbaukosten werden von einer Anzahl verschiedener Faktoren einschließlich der Immobilienart, der Bauweise, der Konstruktionsart und -qualität und dem Standort der Immobilie beeinflusst, insbesondere in Zusammenhang mit der Nähe zu den angrenzenden Immobilien und Einschränkungen, die bezüglich der Bebaubarkeit innerhalb der Grundstücksgrenzen herrschen. 5.4 Die Baukosten werden häufig um einiges höher als die tatsächlichen Kosten eines vor kurzem fertig erstellten Gebäudes auf einem freigelegten Grundstück liegen. Die Neubaukosten reflektieren die Tatsache, dass das Grundstück unbebaut war und das Bauunternehmen effiziente Baumethoden auf der Baustelle verwenden konnte. Im Fall eines Wiederaufbaus kann die Baustelle oft durch andere Gebäude behindert sein, die sich bereits auf dem Grundstück befinden, oder auch durch angrenzende Gebäude, die in der Zwischenzeit gebaut wurden. Ein Gebäude, welches direkt an eine andere Immobilie angrenzt, muss unter Umständen vorübergehend abgestützt und vor Wettereinflüssen geschützt werden. 5.5 Gutachter haben folgende Faktoren zu bewerten und angemessen zu beschreiben: den Standort und die Nutzung sowohl der zu bewertenden Immobilie als auch der angrenzenden Immobilie(n), die Räumlichkeiten, Anzahl der Stockwerke, sanitäre Ausstattung und Zugang, die Einrichtungen im Außen- und Innenbereich einschließlich einer Aufzeichnung der Konstruktionsdetails, Abmessungen, Installationseinrichtungen und Zweck, gestützt von einem umfassenden Fotoprotokoll. Besondere Aufmerksamkeit sollte Materialien oder Merkmalen gelten, die in ähnlichen Immobilien üblicherweise nicht vorkommen, oder wo die Wiederherstellungskosten höher sein würden, als sie normalerweise anfallen, einschlägiges Planungsrecht, Bewilligungen und sonstige Genehmigungen, der Zustand der Immobilie einschließlich einer Beurteilung möglicher Wertminderung durch Schäden, Alter, Mängel oder überfällige Reparaturen, die Spezifikation der Wiederaufbaukosten zusammen mit den notwendigen Nebenkosten, die mit der Wiederherstellung verbunden sind, eine mögliche Erfordernis, die ermittelten Kosten erhöhen zu müssen, wo der Versicherungsnehmer vorsteuerpflichtig wäre, jedoch diese Vorsteuer nicht erstattet bekäme. 116 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.6 Die Ursache für einen Anspruch auf vollständige Wiederherstellung kann ein Großbrand oder eine Explosion sein. Daher müssen Vorkehrungen für die Kosten bei Abriss eines bestehenden Baukörpers als auch alle Arbeiten, die nötig sind, um angrenzende Gebäude und Gebäude in der Nachbarschaft zu schützen, getroffen werden. Je nach Art oder Umfang des Schadens können die Abrissarbeiten gefährlicher als sonst üblich sein und in extremen Fällen kann es auch notwendig sein, dass das Fundament entfernt werden muss. 5.7 Die Kosten für die Entsorgung von Trümmern und anderem Abfallmaterial von der Baustelle vor Wiederaufbau sind zu berücksichtigen. Die Kosten in Verbindung mit der Entsorgung auf Deponien oder Abraumhalden sind in den letzten Jahren beträchtlich gestiegen, insbesondere in Bezug auf Schad- und Giftstoffe. 5.8 Die Kosten in Zusammenhang mit der Verbesserung der Energieeffizienz eines in Frage kommenden Gebäudes sind zu berücksichtigen. Richtlinie 2010/31/EU über die Energieeffizienz von Gebäuden fordert eine verbesserte Energiebilanz im Fall von „größeren Renovierungen“, die wie folgt definiert werden: „Wo die Gesamtkosten der Renovierung der Gebäudehülle oder der gebäudetechnischen System wie beispielsweise Heizung, Warmwasserbereitung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung 25 % des Gebäudewertes – den Wert des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet wurde, nicht mitgerechnet – übersteigen oder mehr als 25 % der Oberfläche der Gebäudehülle einer Renovierung unterzogen werden.“ 5.9 Die Honorare von Architekten, Vermessungsingenieuren, Ingenieuren und anderer sind alle neben den Gebühren und Kosten in Zusammenhang mit der Planungserlaubnis und der baurechtlichen Erlaubnis zu berücksichtigen. 6. Sonstige Fragen 6.1 In bestimmten Sonderfällen kann es notwendig sein, dass bei einem Totalverlust der Ansatz unrealistisch oder möglicherweise unnötig oder unwirtschaftlich wäre, dass Gebäude in seiner frühen Form wieder aufbauen zu wollen. Dies kann häufig dann der Fall sein, wenn die versicherte Immobilie mit Materialien gebaut wurde, die heutzutage keine Verwendung mehr finden, oder Baumethoden genutzt wurden bzw. nach Normen gebaut wurde, die mittlerweile veraltet sind. Das wäre beispielsweise ein Gebäude, das mit herkömmlichen Materialien gebaut und entworfen wurde, um heute veraltete Abläufe unterzubringen. In solchen Fällen wird es nicht nötig sein, den Baukörper so wieder aufzubauen, wie er war, und es kann preiswerter und angemessener sein, wenn der Wiederaufbau die aktuellen und vorhersehbaren Anforderung zum EVA4 – Ermittlung des Versicherungswertes 117 Zeitpunkt der Bewertung mit zeitgemäßen Methoden, Materialien und Standards erfolgt. Gutachter können gebeten werden, eine Bewertung auf der Grundlage des Konzepts des Sachwertes zu erstellen. 6.2 Das Sachwertverfahren (oder auch Contractor’s Method) wird verwendet, um die Kosten für eine Wiederherstellung zum Neuwert beziehungsweise den Sachwert festzustellen (siehe EVS2). 6.3 Bei Ermittlung des Sachwertes sollte ein Abzug lediglich für die Wertminderung durch physischen Verfall, jedoch nicht für funktionelle oder wirtschaftliche Überalterung erfolgen, da es um die Absicht geht, zu ersetzen, was physisch verloren gegangen sein mag. Die Ermittlung des Sachwertes hängt daher, inter alia, vom Alter des Gebäudes, seiner Restnutzungsdauer, seiner Konstruktion, seiner Verwendung und Instandhaltung ab. 6.4 Das zugrunde liegende Grundstück ist nicht zu bewerten, sofern es nicht einem bereits festgestellten Risiko ausgesetzt ist, welches durch die Versicherungspolice gedeckt wird (z. B. Hochwasser, Kontamination oder Erdrutsch). 6.5 Alle Bewertungen des Versicherungswertes von Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, erfordern Fachkenntnisse hinsichtlich der Konstruktionsdetails, angemessener Wiederherstellungskosten und der Bestimmungen von Behörden. Sofern ein Gutachter nicht als Experte auf diesem Gebiet anerkannt ist, sollte eine Bewertung nicht ohne Unterstützung eines entsprechenden Experten für die Art und Bauweise der zu bewertenden Immobilie erstellt werden. Werde solche Hilfsleistungen benötigt, ist der Auftraggeber zu informieren und sein Einverständnis einzuholen. 118 Europäische Bewertungsstandards 2012 119 EVA5 Anwendung des Investitionswertes für einzelne Investoren 1. 2. 3. 4. 5. Einleitung Anwendungsbereich Definitionen Erläuterungen Analysemethoden 1. Einleitung EVA5 bezieht sich auf die Ermittlung des Höchstpreises, den ein Investor für den Ankauf einer Immobilie zahlen würde, wobei jene Vorteile, die diesem bestimmten Investor durch den Besitz der Immobilie und den Betriebszweck erwachsen, zu berücksichtigen sind. 2. Anwendungsbereich EVA5 beschäftigt sich mit der Wertgrundlage und der Analysemethode, die bei der Ermittlung des Investitionswertes einer Immobilie für einen einzelnen Investor benutzt werden. 3. Definitionen 3.1 Sämtliche in EVA5 verwendete Bewertungsgrundlagen werden in EVS2 (Andere Bewertungsgrundlagen) definiert. 3.2 Nutzungsdauer einer Immobilie: Jene Zeitspanne, während der die Immobilie für ihren Zweck tatsächlich genutzt werden kann. 120 Europäische Bewertungsstandards 2012 4. Erläuterungen 4.1 Wertansatz – Diese Bewertungen sind auf Basis des Investitionswertes (siehe EVS2) zu erstellen. Ein Gutachten, welches gemäß EVS5 erstellt wurde, muss ausdrücklich darauf hinweisen und klar zum Ausdruck bringen, dass es nur für diesen spezifischen Investor (nach dessen Anweisungen und Annahmen) erstellt wurde und keinesfalls zur Absicherung von Dritten heranzuziehen ist. 4.2 Information – Der Gutachter hat folgende Informationen vom Investor einzuholen: sämtliche speziellen Kenndaten des Unternehmens oder Investitionsportfolios, welche künftige Cashflows der zu bewertenden Immobilie beeinflussen können, die Investitionskriterien des Investors (Zielrendite, Investitionsdauer), Miet- und Leasingverträge, erwarteter finanzieller Erfolg, Berechtigungen und Bewilligungen, Grundbuchauszüge und Katasterdokumente, Instandhaltungskosten und, wie auch bei allen anderen Bewertungen, Informationen über 4.3 auf die Immobilie bezogene Marktdaten, Zinssätze und erwartete Veränderungen, Veräußerungspotenzial für die Immobilie, rechtliche Einschränkungen beziehungsweise eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten der Immobilie, aktuelle und erwartete Inflation. Immobilienkategorien 4.3.1 Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien können bei der Bewertung in drei Kategorien eingeteilt werden: Immobilien, die aufgrund ihrer Eigenschaft als ertragsgenerierender Vermögenswert oder wegen ihres Kapitalzuwachses gehalten werden, in Entwicklung befindliche Immobilien und Immobilien, die für zukünftige Entwicklung gehalten werden. 4.3.2 Immobilien, die als Finanzinvestition gehalten werden sind normalerweise jene, deren Bauarbeiten abgeschlossen sind und die zum Zweck der Vermietung EVA5 – Anwendung des Investitionswertes für einzelne Investoren 121 gehalten werden, wobei diese einen Mietertrag erwirtschaften, der mit einer unabhängigen dritten Partei zu Marktkonditionen verhandelt wird. Manchmal können diese auch gehalten werden, um dem Investor durch Eigennutzung Einnahmen zu schaffen. 4.3.3 In Entwicklung befindliche Immobilien sind Liegenschaften, die mit Leerständen erworben wurden, in der Absicht, diese bald an unabhängige dritte Parteien zu Marktbedingungen zu vermieten, ungeachtet dessen, ob Reparaturarbeiten oder Verbesserungsmaßnahmen erforderlich sind. Abgesehen von den in Bau befindlichen Immobilien beinhaltet diese Kategorie auch alle Immobilien, wo der Baubeginn unmittelbar bevorsteht und sämtliche notwendigen Genehmigungen, Bewilligungen sowie ein Bauantrag vorliegen. 4.3.4 Immobilien für zukünftige Entwicklung umfassen jene Immobilien, die mit der Absicht einer künftigen Umplanung (egal ob mit oder ohne anderen, noch nicht erworbenen Immobilien) erworben wurden und die unter keine der beiden ersten Kategorien fallen. 5. Analysemethoden 5.1 Zu Ermittlung des Wertes oder Investitionswertes wird der Gutachter für gewöhnlich auf die Discounted Cash-Flow Methode oder ähnliche Verfahren zurückgreifen. In einigen Fällen kann auch das Residualwertverfahren geeignet sein. 5.2 Cashflows und Kosten sind über jene Periode, über die der Investor die Immobilie zu halten beabsichtigt, zu bewerten, wobei sämtliche Faktoren, die darauf Einfluss nehmen könnten, zu berücksichtigen sind. Nach Bewertung des Ertrages und der Kosten sowie den jeweils möglichen Risiken, die in jenem Zeitraum, in dem die Immobilie vom Investor gehalten werden soll, anfallen können, folgt der letzte Punkt der Bewertung in Zusammenhang mit dem Cashflow: Für Gebäude, die zur Vermietung an dritte Parteien oder zur Eigennutzung des Investors gehalten werden, ist der vom Investor zu erwartende Erlös beim endgültigen Verkauf der Immobilie zu bewerten. Wenn die Immobilie vom Investor bis zum Ende ihrer Nutzungsdauer gehalten werden soll, hat eine Bewertung des zukünftigen Marktwertes des Grundstücks ohne Bebauung, abzüglich Verkaufskosten, zu jenem Stichtag, zu dem gute Gründe (jedoch nicht unbegründbare Erwartungen) für die Annahme sprechen, dass veränderte Umstände eine Wertänderung am Markt bewirken, zu erfolgen. 122 Europäische Bewertungsstandards 2012 Wenn die Immobilie vom Investor vor Ablauf ihrer Nutzungsdauer verkauft werden soll, ist eine Bewertung des zu erwartenden Marktwertes zum Stichtag des zukünftigen Verkaufs abzüglich Verkaufskosten durchzuführen. 5.3 Befindet sich eine Immobilie in Entwicklung oder ist eine Entwicklung erst geplant, hat der Gutachter ein Urteil über jenen Zeitpunkt abzugeben, zu dem die Genehmigungen vorliegen, der Bau fertig gestellt, die Immobilie vermietet ist und die ersten Mieteinnahmen fließen. 5.4 Die Abzinsungsrate, die auf künftige Erträge und Kosten anzuwenden ist, wird vom Investor gewählt und spiegelt dessen Erfordernisse wider. 123 EVA6 Grenzüberschreitende Bewertung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Einleitung Anwendungsbereich Gutachterqualifikation Berufliche Erfahrung und Marktkenntnis Gutachterbeauftragung Einhaltung lokaler Regelungen Unabhängigkeit und Interessenskonflikte Ethik Versicherungen Gutachten 1. Einleitung 1.1 Mit der Globalisierung der Finanzwirtschaft, der Öffnung von Weltmärkten und der Entstehung des Binnenmarktes in der EU gibt es eine steigende Anzahl von Kunden, die eine Immobilienbewertung über nationale Grenzen hinweg benötigen. Das Qualitätssiegel „Recognised European Valuer“ (REV) von TEGoVA unterstützt Auftraggeber und ihre Gutachter dabei, qualifizierte und praktizierende Gutachter in anderen Ländern zu finden, die mit dieser Aufgabe betraut werden können. Aber auch Gutachter werden Bewertungserfahrung im Ausland gesammelt haben, wo bestimmte Immobilienmärkte bereits nationale Grenzen überschreiten. Die unterschiedlichen Marktbedingungen, Gesetzgebungen und Gebräuche in den einzelnen Ländern haben zur Folge, dass man besondere Sorgfalt walten lassen muss, wenn man eine Bewertung in einem anderen Land durchführt. 1.2 Mit Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) wird beabsichtigt, die Hindernisse in der Entstehung von grenzüberschreitenden Dienstleistungsmärkten zu beseitigen. Sie fördert die Rechte der Anbieter von Dienstleistungen nach den Römischen Verträgen, ihre Geschäftstätigkeit entweder durch Niederlassung in einem anderen Mitgliedsland oder durch Anbieten ihrer Dienstleistung von ihrem Sitz im Heimatland aus innerhalb des Binnenmarktes auszu- 124 Europäische Bewertungsstandards 2012 weiten. Der Rechtsrahmen der Richtlinie kommt einer großen Vielfalt an Dienstleistungen einschließlich immobilienspezifischer Leistungen wie der Immobilienbewertung zugute. 1.3 Obwohl die Richtlinie das Recht von Gutachtern gewährleistet, Bewertungen außerhalb ihres Heimatlandes durchführen zu können, beschäftigt sie sich jedoch nicht mit den beruflichen Qualifikationen, Fähigkeiten und Gepflogenheiten von Gutachtern, die notwendig sind, um auf den Märkten in anderen Ländern agieren zu können. 1.4 EVA6 beschreibt die grundlegenden Anforderungen, die Gutachter erfüllen sollten, wenn sie Immobilienbewertungen in anderen Ländern als in ihrem eigenen durchführen wollen. Bei diesen Anforderungen geht es um folgende Aspekte: Qualifikation Berufliche Erfahrung Marktkenntnis Einhaltung von lokalen Regelungen Transparenz Unabhängigkeit Vermeidung von Interessenskonflikten TEGoVA ist der Auffassung, dass diese Prinzipien nicht nur von entscheidender Bedeutung für Bewertungen sind, die von Gutachtern in ihrem Heimatmärkten erstellt werden, sondern auch in vollem Umfang für grenzüberschreitende Bewertungen. 2. Anwendungsbereich EVA6 bietet eine Anleitung für Gutachter, die eine Bewertung in einem Land (Gastland) durchführen, bei dem es sich nicht um ihr Heimatland handelt. EVA6 ergänzt die Dienstleistungsrichtlinie in Bezug auf grenzüberschreitende Bewertungsdienstleistungen innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), welche die Freizügigkeit von Gutachtern, ohne administrative Hindernisse grenzüberschreitend tätig zu sein, unterstreicht. Hierbei beschäftigt sie sich mit den Themen Erfahrung, Kompetenz und Berichtspflichten bei Erstellung einer grenzüberschreitenden Bewertung. EVA6 – Grenzüberschreitende Bewertung 3. 125 Qualifikation von Gutachtern 3.1 Gutachter müssen über die berufliche Kompetenz zur Erstellung einer Bewertung in dem entsprechenden Land verfügen. Ein Gutachter sollte nur dann eine Bewertung in einem anderen Land durchführen, wenn diese im Rahmen seiner beruflichen und persönlichen Qualifikation liegt. Die entsprechende Qualifikation des Gutachters sollte in dem Wertgutachten genannt werden. 3.2 Besondere einschlägige Qualifikationen von anerkannten Berufsverbänden und langfristige berufliche Erfahrung können ebenso dazu dienen, Kunden die entsprechenden Befähigungen nachzuweisen. 4. Berufliche Erfahrung und Marktkenntnis 4.1 Gutachter müssen ihre Fähigkeit, ihren Beruf im Gastland auszuüben, belegen können. Sie müssen im Besitz von Folgendem sein: Aktuelle Informationen Solide Kenntnis der Europäischen Bewertungsstandards Berufliche Erfahrung auf dem Immobilienmarkt für die zu bewertende Immobilienart Kenntnis des Immobilienmarktes und der entsprechenden Gesetzgebung im Gastland 4.2 Gutachter sind gehalten, ihre Kenntnisse der Immobilienmärkte und der Immobilienbewertung im Gastland durch regelmäßige Teilnahme an beruflichen Fortbildungsmaßnahmen, die durch Berufsverbände oder andere qualifizierte und anerkannte Anbieter im Gastland angeboten werden, zu pflegen und zu erweitern. 4.3 Handelt es sich bei dem Gastland nicht nur um das Land, in dem sich das Bewertungsobjekt befindet, sondern auch um das Land des Auftraggebers, muss der Gutachter in der Lage sein, mit dem Kunden über Angelegenheiten, die vor Ort von beruflicher Bedeutung sind, in wirksamer Weise zu kommunizieren. Dabei kann es sich unter anderem um Fragen bezüglich der Wertermittlung als auch um alle anderen fachlichen Themen aus der Ausübung der gutachterlichen Tätigkeit handeln. 126 5. Europäische Bewertungsstandards 2012 Gutachterbeauftragung 5.1 Erhält ein Gutachter den Auftrag, eine Bewertung von Immobilien vorzunehmen, die sich außerhalb des Heimatlandes des Gutachters befinden (und möglicherweise außerhalb des Landes, in dem der Sitz des Kunden liegt), wird dem Gutachter geraten, sich vor Annahme des Auftrages mit dem Kunden (einschließlich der Geschäftsleitung und der leitenden Angestellten, im Falle eines Unternehmens) und, wo es angebracht ist, den professionellen Beratern des Kunden (einschließlich der Wirtschaftsprüfer) zu beraten, um sich über die Auftragsbedingungen zu einigen. 5.2 Falls der Gutachter nicht über die notwendige und passende Erfahrung oder Kompetenz in der Bewertung von Sachanlagevermögen an dem jeweiligen Standort und in der jeweiligen Kategorie des Vermögensgegenstandes verfügt, muss er den Auftraggeber darüber informieren und sich darum bemühen, diesen Mangel mit Zustimmung des Kunden durch Zusammenarbeit mit einem ordnungsgemäß qualifizierten Gutachter oder gegebenenfalls mit anderen Experten zu beseitigen, die vom Kunden am Standort des Bewertungsobjektes zu beauftragen sind. Die Mitwirkung von anderen Fachleuten ist ausdrücklich im Wertgutachten zu erwähnen. Zur Qualitätssicherung hinsichtlich der Mitwirkung anderer vor Ort sollte der Gutachter, der sich um Hilfe im Gastland bemüht, die Unterstützung durch einen kompetenten ortsansässigen Gutachter, z. B. wie einen Recognised European Valuer (REV), in Anspruch nehmen. 6. Einhaltung lokaler Regelungen 6.1 Abweichungen von den EVS bzw. spezielle Annahmen, die getroffen werden, um die gesetzlichen Bestimmungen, die Bewertungsstandards oder andere Bewertungsregeln des Gastlandes zu erfüllen, müssen deutlich im Gutachten genannt werden. Unter Umständen hat der Gutachter die allgemein anerkannten Prinzipien, die die Form und den Inhalt von Gutachten ein einem Land regeln, zu befolgen. 6.2 Bei Unterschieden in Bilanzierungsrecht und -praxis oder wenn die sich daraus ergebenden Bewertungsverfahren wesentlich von den Gepflogenheiten des Landes des Kunden unterscheiden, gehen für den Bereich der Bilanzierung die Vorschriften der Rechtsordnung des Heimatlandes des Kunden vor. Der Gutachter muss diese Unterschiede bei der Erläuterung der Ergebnisse in seinem Gutachten hervorheben. EVA6 – Grenzüberschreitende Bewertung 7. 127 Unabhängigkeit und Interessenskonflikte Um Interessenskonflikte zu vermeiden und ihre berufliche Objektivität aufrecht zu erhalten, müssen Gutachter strikte berufliche Unabhängigkeit vom Auftraggeber bei Erfüllung ihrer Aufgabe wahren, damit sie ihrer professionellen Verantwortung ungeachtet ihrer persönlichen Situation gerecht werden können. 8. Ethik Gutachter halten sich an den Verhaltenskodex der TEGoVA, wie es ihre Berufsverbände verlangen. 9. Versicherung Es liegt in der Verantwortung der Gutachter, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen, die über eine ausreichende Deckung für mögliche Ansprüche ihrer Auftraggeber und Dritten in allen Ländern, in denen sie tätig sind, verfügt. 10. Gutachten 10.1 Je weniger vertraut ein Kunde mit dem Markt ist, in dem sich die Immobilie befindet, umso wichtiger ist es, dass das Gutachten Zahlenangaben und Aussagen in einer klar verständlichen und verifizierbaren Form wiedergibt und der Kunde dadurch in die Lage versetzt wird, die Entstehung des Gutachtens von der Aufnahme der wertrelevanten Daten über die Anwendung der angemessenen Methoden bis hin zur Beurteilung der Ergebnisse nachzuvollziehen. 10.2 Wenn der Kunde seinen Sitz in einem Drittland hat, muss das Gutachten auch deutlich Bezug auf wesentliche Unterschiede in den gesetzlichen Regelungen oder Gepflogenheiten nehmen, die zwischen dem Land des Kunden und dem Land, in dem sich das Bewertungsobjekt befindet, bestehen können. 10.3 Ein Gutachten über eine grenzüberschreitende Bewertung muss klare Aufzeichnungen des Zahlenwerks enthalten, auf dem es beruht. Der Gutachter legt die Herkunft der Zahlen offen und ermöglicht damit eine Beurteilung ihrer Qualität und ihrer Auswirkungen auf die im Gutachten getroffenen Aussagen. 128 Europäische Bewertungsstandards 2012 129 EVA7 Immobilienbewertung im Rahmen der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds 1. 2. 3. 4. 5. Einleitung Anwendungsbereich Definitionen Stellungnahme Erläuterung 1. Einleitung 1.1 Als Folge der Finanzkrise hat die Europäische Union am 8. Juni 2011 die Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds verabschiedet, mit der gemeinsame Anforderungen für die Zulassung von und Aufsicht über Rechtspersönlichkeiten, die sich mit dem Management und der Verwaltung von alternativen Investmentfonds (AIFM – Alternative Investment Fund Manager) befassen, festgelegt werden. Die Richtlinie legt einen harmonisierten EU-Rahmen zur Beobachtung und Überwachung der Risiken fest, welche die AIFM für Anleger, andere Marktteilnehmer und Märkte sowie für die finanzielle Stabilität darstellen. 1.2 Die Vorschriften befassen sich mit einer großen Vielfalt an Risiken, beispielsweise Hebelwirkungsrisiken, schwache Risikomanagementsysteme, schlechter Anlegerschutz oder Handelsineffizienzen. Große AIF mit einer starken Hebelwirkung könnten zu höheren Ausschlägen von Marktbewegungen geführt und damit zur Instabilität der Finanzmärkte in der EU beigetragen haben. 1.3 Um die Entstehung des Binnenmarktes zu ermöglichen, ist ein AIFM, der über eine Zulassung in seinem Heimatland verfügt, berechtigt, seine Wertpapiere an professionelle Investoren auf dem Gebiet aller Mitgliedsländer zu vermarkten (europäischer Pass). Dieser Pass umfasst jedoch nicht die Vermarktung der AIF an Privatanleger, obwohl die Mitgliedsländer eine AIF-Vermarktung an Privatanleger innerhalb ihres Landes erlauben können. 130 Europäische Bewertungsstandards 2012 1.4 Unter den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen alle Fonds, die nicht den Regelungen der OGAW-Richtlinie unterliegen, z. B. Hedgefonds, Private Equity (außerbörsliche Unternehmensbeteiligungen), Commodity Funds (Rohstofffonds), Infrastruktur- und Immobilienfonds. 1.5 Artikel 19 der Richtlinie legt umfangreiche Vorschriften zur Aktivabewertung fest. Die AIFM sind aufgefordert, angemessene und konsistente Verfahren festzulegen, die eine ordnungsgemäße und unabhängige Bewertung von Vermögenswerten ermöglichen. Die Fondsmanager müssen die Nettovermögenswerte pro Fonds-Einheit mindestens einmal im Jahr in Übereinstimmung mit den einschlägigen nationalen Gesetzesvorschriften und den AIFM-Bestimmungen berechnen. 1.6 Die Richtlinie legt die Prinzipien für angemessene und konsistente Bewertungsverfahren fest und beinhaltet auch eine Definition des „externen Bewerters“, sie liefert jedoch keine Bewertungsstandards oder irgendeine Art technischer Vorgaben. Ebenso enthält sie keine Regelungen über die Bewertungsmethoden, die auf die Aktiva der Fonds anzuwenden sind. 1.7 Die Europäische Kommission wird, basierend auf den Empfehlungen der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA), Maßnahmen verabschieden, die Folgendes im Einzelnen anführen: Kriterien hinsichtlich der Bewertungsverfahren und der Berechnung des Nettovermögenswertes pro Fonds-Einheit Berufliche Qualifikationsnachweise, die externe Gutachter vorweisen müssen, um die Bewertungsfunktion durchführen zu können Häufigkeit von Bewertungen, die von offenen AIFs durchgeführt werden 1.8 Die ESMA hat ihre Empfehlung am 16. November 2011 abgegeben. 2. Anwendungsbereich 2.1 Der hier aufgeführte Anwendungsbereich bezieht sich auf die Bewertung des Immobilienvermögens von AIFs gemäß der AIFM-Richtlinie. Bei alternativen Investmentfonds, die in Immobilienvermögen investieren, kann es sich um offene oder geschlossene Fonds handeln. Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds 2.2 Die folgenden Erläuterungen beruhen auf der Richtlinie und der Empfehlung der ESMA. Die Bewertungsvorschriften und die Berechnungsverfahren für den Netto- EVA7 – Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds 131 vermögenswert, die von alternativen Investmentfonds benutzt werden, sind üblicherweise in den Prospekten der alternativen Investmentfonds bzw. in ihren Gründungsdokumenten aufgeführt. 3. Definitionen 3.1 Die Definitionen unter Punkt 3.2 bis 3.4 stammen aus der AIFM-Richtlinie. 3.2 „Verwalter eines alternativen Investmentfonds“ ist jede juristische Person, deren reguläre Geschäftstätigkeit darin besteht, einen oder mehrere AIF zu verwalten (Artikel 4(b)). 3.3 „Alternativer Investmentfonds“ ist jeder Organismus für gemeinsame Anlagen einschließlich seiner Teilfonds, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren (Artikel 4(a)). 3.4 „Externer Bewerter“ ist eine natürliche oder juristische Person, die unabhängig vom AIF, dem AIFM und anderen Personen mit engen Verbindungen zum AIF oder zum AIFM ist (Artikel 19(4)(a)). 3.5 Der „Nettovermögenswert (net asset value)“ wird in EVA3 unter Punkt 3.4 als Maß für den aggregierten Wert von Vermögensgegenständen abzüglich sämtlicher Verbindlichkeiten definiert. 4. Stellungnahme 4.1 Der Nettovermögenswert eines alternativen Investmentfonds wird üblicherweise je Investitionseinheit angegeben. Im Fall von Immobilienfonds wird er im Allgemeinen auf Basis des Gesamtwertes des Immobilienportfolios abzüglich der Veräußerungskosten berechnet. 4.2 Aufgrund der Tatsache, dass die Verwalter alternativer Investmentfonds unterschiedliche Methodologien und Systeme für die Bewertung von Vermögensgegenständen – in Abhängigkeit von den Vermögensgegenständen und den Märkten, in die sie hauptsächlich investieren – verwenden, muss der sachkundige Gutachter die nationalen und satzungsspezifischen Bewertungsvorschriften für den jeweiligen alternativen Investmentfonds kennen. Er hat sich mit den Verfahrensweisen und Regeln 132 Europäische Bewertungsstandards 2012 des betreffenden alternativen Investmentfonds vertraut zu machen, um seine Pflichten, Vorschriften und die anwendbaren Bewertungsmethoden ermitteln zu können. 4.3 Bewertungen sind im Normalfall auf Grundlage des Marktwertes jeder einzelnen Immobilie durchzuführen. Falls der Gutachter den Auftrag erhält, ein Immobilienportfolio zu bewerten, sollte jede einzelne Immobilie des Portfolios getrennt bewertet werden. Falls es Abweichungen von den Europäischen Bewertungsstandards gibt, sollte darauf in dem betreffenden Wertgutachten hingewiesen werden. 5. Erläuterungen 5.1 Allgemeines 5.1.1 Weder die Richtlinie noch ESMA liefern allgemein anwendbare Verfahren oder Bewertungsstandards zur Berechnung des Wertes eines Vermögensgegenstandes von alternativen Investmentfonds. Die Regeln, die zur Bewertung von Vermögensgegenständen Anwendung finden, sind in der Gesetzgebung desjenigen Landes festgeschrieben, wo der alternative Investmentfonds seinen Sitz hat und/oder in der AIF-Satzung bzw. den Gründungsurkunden. 5.1.2 Der Verwalter des alternativen Investmentfonds ist selbst verantwortlich für die ordnungsgemäße Bewertung der Vermögensgegenstände der Fonds. Die ESMA gibt daher die Empfehlung, dass ein AIFM schriftliche Regeln und Verfahrensweisen einzuführen hat, die die Rolle und die Pflichten aller mit dem Bewertungsprozess verbundenen Parteien sowie transparente und solide Bewertungsverfahren zusammen mit den entsprechend anzuwendenden Methoden festlegen. 5.1.3 Aufgrund der Vielfalt der Anlagekategorien in einem alternativen Investmentfonds und der unterschiedlichen Gepflogenheiten in den Ländern, sieht die Richtlinie ein flexibles Regime hinsichtlich der Personen vor, die die Bewertungen vornehmen. Die Bewertungsfunktion kann entweder durch externe Gutachter oder durch den Verwalter des alternativen Investmentfonds selbst durchgeführt werden. 5.2 Interne oder externe Bewertung 5.2.1 TEGoVA ist der Auffassung, dass alternative Investmentfonds, die in Immobilien investieren, ausschließlich externe Gutachter hinzuziehen sollten, um die Bewertungsfunktion zu erfüllen. EVA7 – Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds 133 5.2.2 Der Verwalter eines alternativen Investmentfonds kann jedoch die Bewertung der Aktiva selbst vornehmen, wenn die Bewertungsaufgabe selbst funktionell unabhängig vom Portfoliomanagement, der Entlohnungspolitik und anderen Maßnahmen ist. Damit wird sichergestellt, dass Interessenskonflikte gemildert werden und unbotmäßiger Einfluss auf Mitarbeiter vermieden wird (siehe Artikel 19 Absatz 4 der Richtlinie). 5.2.3 Da die Bewertung der Vermögensgegenstände eines alternativen Investmentfonds als Funktion ihres Verwalters angesehen wird, wird die Bewertung der Aktiva durch einen externen Gutachter als Delegation von Funktionen an einen Dritten angesehen, die strikten Zusatzanforderungen unterliegt. 5.2.4 Wo ein externer Gutachter (siehe Definition unter 3.4 oben) die Bewertungsfunktion ausführt, (i) muss er zwingenden, gesetzlich verankerten beruflichen Registrierungspflichten unterliegen bzw. rechtlichen oder regulatorischen Bestimmungen oder berufsständischen Verhaltensregeln unterworfen sein; (ii) ist er aufgefordert, ausreichende berufliche Nachweise zu liefern, dass er in der Lage ist, die Bewertungsfunktion tatsächlich auszuführen; (iii) darf er die Bewertungsfunktion nicht auf einen Dritten zu übertragen. 5.2.5 Im Einklang mit der Empfehlung der ESMA sollten die beruflichen Nachweise, die über die Qualifikation und Fähigkeit des externen Gutachters Bewertungen erbringen können, Folgendes umfassen: (i) Ausreichend personelle und fachliche Ressourcen (ii) Angemessene Verfahren zur Wahrung von ordnungsgemäßen und unabhängigen Bewertungen (iii) Adäquates Wissen und Kenntnisse 5.2.6 Die Haftung des Gutachters ist ebenfalls in der Richtlinie geregelt. Artikel 19 Absatz 10 schreibt vor, dass der externe Bewerter gegenüber dem AIFM für jegliche Verluste des AIFM, die sich auf fahrlässige oder vorsätzliche Nichterfüllung der Aufgaben durch den externen Bewerter zurückführen lassen, haftbar ist (siehe EVS3 zur weiteren Orientierung). 134 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.2.7 Gutachter sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass die Verwalter alternativer Investmentfonds verpflichtet sind, die Beauftragung eines Gutachters den zuständigen Behörden in ihrem Heimatmitgliedsland anzuzeigen (Artikel 19 Nr. 7 der Richtlinie). Die Mitgliedsländer können eine Ernennung ablehnen und die Benennung eines anderen Gutachters verlangen. 5.3 Bewertungshäufigkeit und Überprüfung einzelner Werte 5.3.1 Obwohl die Richtlinie das Prinzip anführt, dass nichtfinanzielle Vermögensgegenstände mindestens einmal im Jahr bewertet werden müssen, wird jedoch präzisiert, dass die Bewertung solcher Vermögensgegenstände von offenen Fonds mit einer Häufigkeit zu geschehen hat, die sowohl für die Objektart als auch für die Emissionsund Rücknahmehäufigkeit des Fonds angemessen ist (siehe Artikel 19 Nr. 3 der Richtlinie). 5.3.2 Damit wird offenen Immobilienfonds ermöglicht, maßgeschneiderte Regeln anzuwenden und die Bewertungshäufigkeit zu erhöhen, falls dies relevant werden sollte. Diese Regelung findet dann Anwendung, wenn der letzte festgelegte Wert nicht mehr zeitnah bzw. angemessen ist. Es obliegt dem Gutachter, die internen Regelungen und Verfahren des betreffenden alternativen Investmentfonds für diesen Zweck zu Rate zu ziehen. 5.3.3 Im Fall von geschlossenen Fonds müssen Bewertungen auch bei einer Erhöhung oder Verminderung des Kapitals des alternativen Investmentfonds erstellt werden (Artikel 19 Absatz 3). Außerdem müssen einzelne Vermögenswerte überprüft werden, wenn offensichtlich wird, dass diese nicht mehr angemessen sind. Dies könnte sowohl in volatilen als auch in illiquiden Märkten der Fall sein. Die Verwalter alternativer Investmentfonds sind gehalten, über passende Verfahren der Datenverarbeitung zu verfügen, mit denen eine Validierung der Vermögenswerte des AIF durchgeführt werden kann. 135 EVA8 Immobilienbewertung und Energieeffizienz 1. 2. 3. 4. 5. Einleitung Anwendungsbereich Definitionen Stellungnahme Erläuterungen 1. Einleitung 1.1 Die Energiekosten sind oft der größte Kostenfaktor in der Bewirtschaftung einer Immobilie und sie haben in den letzten Jahren einen beständigen Anstieg verzeichnet. Die Nachfrage nach Heizung, Beleuchtung und in steigendem Maße auch Klimaanlagen geht einher mit der Nachfrage nach anderen Leistungen vom Kochen bis hin zum Aufzug sowie dem Energieverbrauch für die Prozesse, für die das betreffende Gebäude genutzt wird. Potenzielle Käufer und Mieter haben normalerweise ein grundsätzliches Interesse an der Verfügbarkeit und den Kosten der für ihre Bedürfnisse entsprechenden Energieversorgung, wenn auch oft aus Gründen der Praktikabilität. Einige Marktteilnehmer wollen aber auch eine bestimmte Energieeffizienz vorweisen können oder dass sie ihren Energiebedarf aus erneuerbaren Ressourcen beziehen. 1.2 Auf Gebäude fallen 36 % der CO2-Emissionen in der Europäischen Union und daher sind Energiefragen heute ein wichtiger Antriebsfaktor für diejenige Gesetzgebung, die sich auf Immobilien bezieht. Sowohl die EU als auch einzelne Länder hoffen, die Eigentümer bzw. Nutzer von Immobilien in dem Sinne beeinflussen zu können, dass sie ihr Verhalten ändern, den Verbrauch vermindern, die Effizienz verbessern und vermehrt erneuerbare Energiequellen nutzen. Dabei haben Gebäude eine entschieden längere Lebensdauer als ihre technische Ausstattung oder Installationssysteme. Viele Immobilien, insbesondere Häuser, sind älter als ein Jahrhundert und die meisten Immobilien, die im Jahr 2050 zu den Bestandsimmobilien zählen werden, sind bereits heute gebaut. 1.3 Richtlinie 2010/31/EU über die Energieeffizienz von Gebäuden hat den Ansatz ihres Vorgängers, der Richtlinie 2002/91/EG, weiterentwickelt. In ihrer Präambel heißt es wie folgt: 136 Europäische Bewertungsstandards 2012 „Der Sektor expandiert, wodurch sich sein Energieverbrauch weiter erhöhen wird.“ Weiter wird Folgendes angeführt: „Daher sind die Senkung des Energieverbrauchs und die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen im Gebäudesektor wesentliche Maßnahmen, die zur Verringerung der Energieabhängigkeit der Union und der Treibhausgasemissionen benötigt werden.“ (Erwägung 3). „Es ist notwendig, konkretere Maßnahmen im Hinblick auf das große ungenutzte Potenzial für Energieeinsparungen in Gebäuden und eine Verringerung der bedeutenden Unterschiede zwischen den Erfolgen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet festzulegen.“ (Erwägung 7). 1.4 Der sachkundige Gutachter muss seine Einschätzung bezüglich des Wertes einer Immobilie gemäß den Auftragsanweisungen seines Kunden auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Nachweise abgeben. Dazu gehören auch Nachweise von Werten aus dem Markt. Dieser Umstand ist für das Konzept des „Marktwertes“ ein wesentliches Element. Die Energiekosten und die Energieeffizienz stellen einen Teil dieser Matrix dar und damit einen der vielen Aspekte, die der Gutachter berücksichtigen muss. 2. Anwendungsbereich EVA8 bezieht sich auf die Berücksichtigung von Fragen der Energieeffizienz in der Bewertung von Immobilien und insbesondere auf die Auswirkung von Maßnahmen, die die EU-Mitgliedsländer gemäß der Energieeffizienzrichtline 2010/31/EU für Gebäude ergreifen müssen. Die hier aufgeführten Erläuterungen beruhen auf dieser Richtlinie. Gutachter sollten sich dessen bewusst sein, dass die Mitgliedsländer, abgesehen davon, dass sie verpflichtet sind, die Richtlinie umzusetzen, auch höhere Standards festlegen können. 3. Definitionen 3.1 Die hier zitierten Definitionen sind, sofern nicht anderslautend angegeben, ein Auszug aus Richtlinie 2010/31/EU über die Energieeffizienz von Gebäuden. Auf diese Regelung bezieht sich auch der folgende Text, selbst wenn lediglich der Begriff „Richtlinie“ benutzt wird. Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck: EVA8 – Immobilienbewertung und Energieeffizienz 137 3.2 „„Gebäude‘ eine Konstruktion mit Dach und Wänden, deren Innenraumklima unter Einsatz von Energie konditioniert wird.“ (Artikel 2, Absatz 1) Hinweis: Diese Definition schließt einige Bauwerke aus, auf die normalerweise als Gebäude Bezug genommen werden könnte, insbesondere diejenigen, bei denen keinerlei Anstrengungen unternommen werden, sie entsprechend der Energieeffizienzstandards und den Regelungen über die „Ausweise der Gesamtenergieeffizienz“ (Energie Performance Certificate – EPC) zu heizen oder zu kühlen. 3.3 „„Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz‘ einen von einem Mitgliedstaat oder einer von ihm benannten juristischen Person anerkannten Ausweis, der die Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes oder von Gebäudeteilen, berechnet nach einer gemäß Artikel 3 festgelegten Methode, angibt.“ (Artikel 2, Absatz 12) 3.4 „„Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes‘ die berechnete oder gemessene Energiemenge, die benötigt wird, um den Energiebedarf im Rahmen der üblichen Nutzung des Gebäudes (unter anderem Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasser und Beleuchtung) zu decken.“ (Artikel 2, Absatz 4) 3.5 „„Niedrigstenergiegebäude‘ ein Gebäude, das eine sehr hohe, nach Anhang 1 bestimmte Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der fast bei null liegende oder sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen — einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird — gedeckt werden.“ (Artikel 2, Absatz 2) 3.6 „„gebäudetechnische Systeme‘ die technische Ausrüstung für Heizung, Kühlung, Lüftung, Warmwasserbereitung, Beleuchtung eines Gebäudes oder Gebäudeteils, oder für eine Kombination derselben.“ (Artikel 2, Absatz 3) 4. Stellungnahme 4.1 Der sachkundige Gutachter muss seine Einschätzung bezüglich des Wertes einer Immobilie gemäß den Auftragsanweisungen seines Kunden auf Grundlage der im zur Verfügung stehenden Nachweise abgeben. Die Energieeffizienz eines Gebäudes kann für den Wert einer Immobilie relevant sein, sie ist jedoch zusammen mit den entsprechenden Energiekosten lediglich ein Teil dieser Beurteilung. 4.2 Wird eine Bewertung für eine Immobilie erstellt, bei der Bau, Verkauf oder Vermietung an einen neuen Mieter relevant sind, sollte der Energieverbrauch gemäß Energieausweis (EPC Rating) und eventuelle Empfehlungen, die sich daraus ergeben, 138 Europäische Bewertungsstandards 2012 im Gutachten aufgeführt und nach Ermessen des Gutachters in der Bewertung berücksichtigt werden. 4.3 Insbesondere wird der Gutachter bei Beurteilung einer Immobilie mit einem Energieausweis die Einstufung nach Energieeffizienz (Rating) und die darauf beruhenden Empfehlungen als relevant bei seiner Einschätzung hinsichtlich des Wertes der Immobilie auf einer anerkannten Bewertungsgrundlage berücksichtigen, als sie die Marktumstände widerspiegeln; wenn der Gutachter gebeten wird, hinsichtlich der Feststellung zu beraten oder Unterstützung zu leisten, ob bestimmte Arbeiten eine „größere Renovierung“ in einem Mitgliedsland darstellen, welches die Option gewählt hat, die auf Sachwertkosten basiert, sollte der Gutachter, falls er solchermaßen angewiesen wird, Folgendes tun: (i) Beurteilen, ob eine für das Gebäude erforderliche Renovierung ausreicht, um in Folge eine Hochstufung bezüglich der erforderlichen Mindestenergieeffizienz zu erzielen. (ii) Der Gutachter sollte in Übereinstimmung mit seinen Fähigkeiten und seinen Anweisungen eine Schätzung vornehmen, eine Schätzung aus angesehener Quelle einholen oder dem Auftraggeber empfehlen, eine Schätzung der Kosten für dieses Upgrading einzuholen, so dass der Kunde dann eine informierte Entscheidung treffen kann. 5. Erläuterungen 5.1 Allgemeines 5.1.1 Zu den Maßnahmen, die für die Bewertung von Immobilien die größte Bedeutung haben, zählt die Vorschrift der Richtlinie, dass die Mitgliedsländer Folgendes zu etablieren haben: Integrierte Energiebilanzstandards, die sowohl auf dem Wärmeverhalten des einzelnen Gebäudes als auch auf seinem System bezüglich der erneuerbaren Energien beruhen, und die – von jedem Mitgliedsland für alle Gebäude festzulegen sind; und – die nicht nur für Neubauten sondern auch für Bestandsbauten, bei denen eine „größere Renovierung“ durchgeführt wird, durchzusetzen sind; und Ausweise über die Gesamtenergieeffizienz (energy performance certificate – EPC). EVA8 – Immobilienbewertung und Energieeffizienz 139 Damit einhergehend verlangt die Richtlinie, dass alle Neubauten bis 2021 die Anforderung einer Nutzung als „Niedrigstenergiegebäude“ erfüllen müssen und führt eine zwingende Regelung hinsichtlich regelmäßiger Inspektionen größerer Heiz- und Klimaanlagen mit entsprechend daraus hervorgehenden Empfehlungen ein. 5.1.2 Gutachter müssen diejenigen Bestimmungen kennen, die in demjenigen Mitgliedsland, in dem sich die Immobilie befindet, Anwendung finden. 5.2 Neubauten – Niedrigstenergiegebäude 5.2.1 „Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass a) bis 31. Dezember 2020 alle neuen Gebäude Niedrigstenergiegebäude sind und b) nach dem 31. Dezember 2018 neue Gebäude, die von Behörden als Eigentümer genutzt werden, Niedrigstenergiegebäude sind.“ (Artikel 9, Absatz 1) 5.2.2 Es handelt sich hierbei um eine strikte Verpflichtung, obwohl Artikel 9 Absatz 6 es den Mitgliedsländern erlaubt, sie nicht in „besonderen und begründeten“ Fällen anzuwenden, wo die Kosten-Nutzen-Analyse über die wirtschaftliche Nutzungsdauer des betreffenden Gebäudes hinweg negativ ausfällt. 5.3 Bestandsgebäude und „größere Renovierungen“ 5.3.1 Obwohl die Energiebilanzstandards für die Bestandsgebäude zu etablieren sind, fordert die Richtlinie jedoch nicht ihre rechtliche Durchsetzung ein, außer wenn dies durch eine „größere Renovierung“ ausgelöst wird. 5.3.2 „Größere Renovierungen“ – Die Präambel weist darauf hin, dass „größere Renovierungen bestehender Gebäude unabhängig von der Größe dieser Gebäude eine Gelegenheit für kosteneffiziente Maßnahmen zur Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz sind.“ (Erwägung 16). 5.3.3 „Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, oder der renovierten Gebäudeteile erhöht wird, um die gemäß Artikel 4 festgelegten Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz zu erfüllen …“ (Artikel 7). 140 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.3.4 Es ist möglich, dass ein Auftraggeber den Gutachter bittet, festzustellen, ob eine vorgeschlagene Baumaßnahme eine „größere Renovierung“ darstellen würde, die die entsprechenden Anforderungen aus der Richtlinie nach sich ziehen würde, dass die aktuellen Energieeffizienzstandards zu erfüllen sind. Die Richtlinie legt zwei Optionen fest, aus denen jedes Mitgliedsland seine Prüfmethoden zur Feststellung, ob eine Baumaßnahme eine „größere Renovierung“ darstellt, auswählen kann: Eine „größere Renovierung“ bedeutet „die Renovierung eines Gebäudes, bei der a) die Gesamtkosten der Renovierung der Gebäudehülle oder der gebäudetechnischen Systeme 25 % des Gebäudewerts — den Wert des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet wurde, nicht mitgerechnet — übersteigen oder b) mehr als 25 % der Oberfläche der Gebäudehülle einer Renovierung unterzogen werden. Die Mitgliedstaaten können entscheiden, ob sie die Option a oder b anwenden.“ (Artikel 2, Absatz 10) 5.3.5 Wird ein Gutachter um Rat bezüglich dieser Fragen gebeten, sollte er wissen, welche Option in dem betreffenden Mitgliedsland gewählt wurde. 5.3.6 Es kann eine Frage der Auslegung angesichts der im jeweiligen Einzelfall gegebenen Fakten sein, ob beispielsweise ein Anbau eine Renovierung in diesem Sinne darstellt (von der angenommen wird, dass sich der Begriff „Renovierung“ auf seine übliche Bedeutung beschränkt, da eine weitere Definition des Begriffs fehlt). 5.3.7 Für Option (a) legt die Richtlinie keine Grundlage fest, auf der der „Wert“ zu bemessen ist – mangels dessen wird angenommen, dass es sich um den „Marktwert“ handelt, der in Übereinstimmung mit EVS1 zu ermitteln ist, es sei denn, es gäbe einen guten Grund für die Wahl einer anderen Grundlage (obwohl Absatz 16 der Präambel sich sowohl auf den „Versicherungswert“ als auch auf die Neuerrichtungskosten bezieht, die als Grundlage zur Berechnung herangezogen werden können). Die Eigentumsverhältnisse eines Gebäudes scheinen für diese Beurteilung nicht entscheidend zu sein. Es handelt sich um einen Vergleich der Kosten der vorgeschlagenen Baumaßnahme mit dem Wert des Gebäudes unter Ausschluss des Wertes des Grundstücks, auf dem das Gebäude steht. Die Prüfmethoden verlangen keine Aufschlüsselung des Wertes, sondern einen Ausschluss des Grundstückswertes. Dies würde bedeuten, dass diese Prüfmethode in den meisten Fällen offensichtlich zwei Bewertungen für ein Gebäude umfassen würde, welches normalerweise zusammen mit dem Grundstück, auf dem es steht, verkauft werden würde: EVA8 – Immobilienbewertung und Energieeffizienz 141 Eine Bewertung für das Gebäude, so wie es inklusive Grundstück verkauft werden würde, und eine weitere Bewertung des Grundstückes, auf dem das Gebäude steht, jedoch ohne Einbeziehung des Gebäudes (wahrscheinlich inklusive des Nutzens eines Entwicklungswertes). Die sich daraus ergebenden Nettozahlen sind dann mit den Kosten der beabsichtigten Arbeiten zu vergleichen. Da es sich bei dem Begriff „Kosten“ um ein anderes Konzept als beim Wertkonzept handelt, und zwar insbesondere wenn dies an Gebäude anzupassen ist, könnte diese Prüfmethode häufig dann eine Hochstufung der Energieeffizienz verlangen, wo der durch die Baumaßnahme gesteigerte Wert weniger als 25 % des Wertes darstellt, der auf das Gebäude umgelegt wurde. 5.3.8 Option (b) verlangt augenscheinlich folgende Berechnungen: Die gesamten Außenmaße des Gebäudes einschließlich Wände und Decken, und wie viel dieser Fläche der Renovierung unterliegt. Dies könnte bedeuten, dass eine reine Innenrenovierung nicht von Option (b), sondern von Option (a) erfasst würde. 5.3.9 Wird festgestellt, dass es sich bei einer Renovierung nach der von dem jeweiligen Mitgliedsland durchgeführten Prüfmethode um eine „größere“ Renovierung handelt, verleiht die Richtlinie allen Mitgliedsländern die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob das gesamte Gebäude oder lediglich der renovierte Teil eines Gebäudes nach den Mindestenergieeffizienzstandards hochzustufen ist. Gutachter sollten die vor Ort geltenden Regelungen in dieser Hinsicht kennen. 5.3.10 Da Option (a) auf den Wert bezogen ist, sollte der Gutachter bei entsprechenden Anweisungen dort, wo das Mitgliedsland sich für diese Option entschieden hat, Folgendes tun: (i) Feststellen, ob die erforderliche Gebäuderenovierung ausreicht, um in Folge eine Hochstufung der für das Gebäude verlangten Mindestenergieeffizienzstandards auszulösen; (ii) im Einklang mit seinen Fähigkeiten und Anweisungen eine Schätzung vornehmen, eine Schätzung aus anerkannter Quelle einholen oder dem Auftraggeber empfehlen, eine Kostenschätzung für diese Hochstufung einzuholen, so dass der Kunde eine informierte Entscheidung treffen kann. 142 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.4 Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz (Energy Performance Certificate – EPC) 5.4.1 Ein Energieausweis (EPC) dient der Aufzeichnung der Energieeffizienz eines Gebäudes, die von einem zugelassenen Prüfer unter Verwendung einer Standardratingbasis und mittels Vergleichen festgestellt wird, wobei er beratende Empfehlungen zur Verbesserung der Energieeffizienz abgibt. Richtlinie 2009/28/EG über erneuerbare Energien folgend, fasst das Rating bzw. die Einstufung in einem Absatz das Wärmeverhalten des Gebäudes und den Umfang, in dem das Gebäude Energie aus erneuerbaren Quellen bezieht, zusammen. Ein solcher Energieausweis ist nicht länger als zehn Jahre gültig. Ausweise, die gemäß der Vorgängerrichtlinie aus 2002 ausgestellt wurden, behalten Gültigkeit. Die ausgewiesene Effizienzeinstufung ist in Vermarktungsanzeigen für die Immobilie zu nennen und der Ausweis ist an den künftigen Eigentümer oder Mieter auszuhändigen. 5.4.2 Ein gültiger Energieausweis ist für die meisten Gebäude gesetzlich verpflichtend bei Bau, Verkauf oder Vermietung an einen neuen Mieter und für alle Gebäude, in denen mehr als 500 m2 Gesamtnutzfläche von Behörden genutzt werden. „Der Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz oder eine Kopie dieses Ausweises ist dem potenziellen neuen Mieter oder Käufer vorzulegen und dem neuen Mieter oder Käufer auszuhändigen.“ (Artikel 12, Absatz 2) 5.4.3 Die politische Absicht des Energieausweises, der dem Immobilienmarkt als Information dienen soll, wird in der Präambel der Richtlinie ausgeführt: „Der Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz sollte potenziellen Käufern und Mietern von Gebäuden oder Gebäudeteilen zutreffende Informationen über die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes sowie praktische Hinweise zu deren Verbesserung liefern. … Zudem sollte der Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz Angaben darüber enthalten, wie sich Heizung und Kühlung auf den Energiebedarf des Gebäudes sowie auf dessen Primärenergieverbrauch und dessen Kohlendioxidemissionen auswirken.“ 5.4.4 Ist ein Energieausweis nötig? – Bei Berücksichtigung eines Gebäudes als Teil einer Immobilienbewertung wird der Gutachter normalerweise auch feststellen wollen, ob für dieses Gebäude ein Energieausweis verlangt wird, und wenn dies der Fall ist, ob ein gültiger Ausweis ausgestellt wurde. EVA8 – Immobilienbewertung und Energieeffizienz 143 5.4.5 Vorbehaltlich der unten aufgeführten Ausnahmen ist ein Energieausweis für folgende Immobilien zwingend vorgeschrieben: Gebäude, die – gebaut – verkauft – an einen neuen Mieter vermietet werden sollen Gebäude, in denen mehr als 500 m2 Gesamtnutzfläche von Behörden genutzt werden und die starken Publikumsverkehr aufweisen. Am 9. Juli 2015 wird dieser Schwellenwert von 500 m2 auf 250 m2 gesenkt. Die Mitgliedsländer können die Anwendung der Energieausweise auf einzelne Gebäudeteile (z. B. Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus), die vermietet sind, bis zum 31. Dezember 2015 aufschieben. 5.4.6 Wenn er keine anderslautenden Anweisungen hat, liegt es nicht in der Verantwortung des Gutachters, einen Energieausweis zu beantragen oder einen Bericht über die technische Gebäudeausstattung einzuholen. 5.4.7 Gebäude, die keinen Energieausweis benötigen – Gemäß der Definition von Gebäuden in der Richtlinie ist ein Energieausweis nicht für diejenigen Gebäude erforderlich, bei denen keinerlei Anstrengungen unternommen werden, ihr Klima zu ändern. Sie werden von den Regelungen zum Energieausweis nicht erfasst. Dabei kann es sich beispielsweise um Lagergebäude handeln und viele landwirtschaftlich genutzte Gebäude werden ebenfalls unter diese Ausnahme fallen. 5.4.8 Es ist den Mitgliedsländern überlassen, die folgenden Gebäudekategorien ebenfalls von der Verpflichtung zur Ausstellung eines Energieausweises zu befreien: a) Gebäude, die als Teil eines ausgewiesenen Umfelds oder aufgrund ihres besonderen architektonischen oder historischen Werts offiziell geschützt sind, soweit die Einhaltung bestimmter Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz eine unannehmbare Veränderung ihrer Eigenart oder ihrer äußeren Erscheinung bedeuten würde. Hinweis – Diese Befreiung bezieht sich lediglich auf den Fall, wenn die Einhaltung der Bestimmungen die Wesensart oder das Aussehen des Gebäudes ändern würde, wie es beispielsweise bei der Erscheinung eines historischen Gebäudes der Fall wäre, die durch eine Doppelverglasung oder Außendämmung verändert würde. 144 Europäische Bewertungsstandards 2012 b) Gebäude, die für Gottesdienst und religiöse Zwecke genutzt werden. Hinweis – Bei Gebäuden, die für religiöse Zwecke genutzt werden, kann es sich z. B. um Klöster und Einrichtungen zur rituellen Reinigung handeln. Hieraus ergibt sich, dass es nicht von Bedeutung ist, wenn solche Gebäude auch parallel andere Nutzung haben können. c) Provisorische Gebäude mit einer Nutzungsdauer bis einschließlich zwei Jahren, Industrieanlagen, Werkstätten und landwirtschaftliche Nutzgebäude mit niedrigem Energiebedarf sowie landwirtschaftliche Nutzgebäude, die in einem Sektor genutzt werden, auf den ein nationales sektorspezifisches Abkommen über die Gesamtenergieeffizienz Anwendung findet. Hinweis – Diese Befreiung bezieht sich auf drei Faktoren: – Bei provisorischen Gebäuden kann es sich um die auf Baustellen temporären Einrichtungen handeln, oder es kann sich um Gebäude für besondere Veranstaltungen handeln als auch solche mit einer vorläufigen Planungserlaubnis. – Es hat den Anschein, dass sich die Ausnahme wegen eines „niedrigen Energiebedarfes“ nicht nur auf nicht wohnwirtschaftlich genutzte landwirtschaftliche Gebäude bezieht, sondern auch Industrieanlagen und Werkstätten für eine Befreiung in Frage kommen. Der Begriff „niedriger Energiebedarf“ wird in der Richtlinie nicht weiter definiert, es ist aber möglich, dass einige Mitgliedsländer eine Definition erstellen werden. – Sektorspezifische Abkommen über die Energieeffizienz, die auch landwirtschaftliche Gebäude erfassen, beziehen sich hauptsächlich auf Schweinezucht und Geflügelfarmen sowie einige Gartenbaubetriebe. d) Wohngebäude, die weniger als vier Monate jährlich genutzt werden oder werden sollen, oder alternativ Wohngebäude, die für eine begrenzte jährliche Dauer genutzt werden oder werden sollen und deren zu erwartender Energieverbrauch weniger als 25 % des zu erwartenden Energieverbrauchs bei ganzjähriger Nutzung beträgt. Hinweis – Hierbei handelt es sich hauptsächlich um saisonabhängigen Wohnungsbau für Ferien oder Arbeit. e) Freistehende Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von weniger als 50 m2. 5.4.9 Bei Bewertung eines Gebäudes, welches unter eine dieser drei Kategorien fallen könnte, sollte der Gutachter, wo relevant, überprüfen, ob die Immobilie von der Energieausweiserfordernis im betreffenden Rechtssystem befreit ist (und auch die Anforderungen bei Renovierungen, wie oben ausgeführt). EVA8 – Immobilienbewertung und Energieeffizienz 145 5.4.10 Die Verwendung eines Energieausweises – Die Richtlinie schafft kein gemeinsames Format für einen Energieausweis innerhalb der EU. Die Energieausweise unterscheiden sich zwischen den einzelnen Mitgliedsländern und es gibt sogar unterschiedliche Ausweise innerhalb nur eines Landes. Die Richtlinie erteilt jedoch der Europäischen Kommission die Anweisung, ein freiwilliges System für die Ausstellung von Ausweisen über die Gesamtenergieeffizienz für diejenigen Gebäude einzuführen, die nicht wohnwirtschaftlichen Zwecken dienen (Artikel 11, Absatz 9). Gutachter werden daher sowohl Energieausweisen in den unterschiedlichsten nationalen Formaten als auch nach dem freiwilligen gemeinsamen EU-System begegnen. 5.4.11 Beruht eine Bewertung auf dem Marktwert (siehe EVS1) oder ist sie zum Zwecke der Veräußerung oder Vermietung an einen neuen Mieter eine Gebäudes relevant, welches unter die Bestimmungen fällt, sollte das Gutachten einen gültigen und aktuellen Energieausweis berücksichtigen. Solche Umstände beinhalten üblicherweise eine Bewertung für eine besicherte Kreditvergabe, da der Hypothekengläubiger auch allgemein am Veräußerungswert einer Immobilie interessiert ist. Die Gewichtung, die einem Energieausweis gegebenenfalls beigemessen wird, liegt im professionellen Ermessen des Gutachters. Es ist möglich, dass es in manchen Ländern in naher Zukunft zusätzliche Anforderungen oder Nachteile für den Verkauf oder die Vermietung von Immobilien mit einer schlechten Energiebilanz geben wird. 5.4.12 Gutachter sollten in den Energieausweis Einsicht nehmen (unter Erfassung des Ausstellers, der Registernummer, der berichteten Energieverbrauchseinstufung und des Ablaufdatums) und feststellen, dass es sich um einen aktuellen Ausweis zum Zwecke der beauftragten Bewertung handelt. Die Bedeutung eines Energieausweises kann durch Änderungen an dem betreffenden Gebäude, die nach seiner Ausstellung vorgenommen wurde, beeinflusst werden. 5.4.13 Wo ein Energieausweis benötigt wird, kann die ausgewiesene Effizienzeinstufung den Wert beeinflussen. Es liegt an dem betreffenden Gutachter, dieses aufgrund seiner Kenntnis des Marktes einzuordnen. 5.4.14 Gutachter sollten ihre Auftraggeber informieren, wenn ein Energieausweis nicht vorliegt oder unzuverlässig ist, und die Situation für ihr Gutachten so beurteilen, wie es angesichts der Umstände und der verfügbaren Kenntnisse angemessen ist. 5.4.15 Verfügen Gebäude über das Potenzial, dass ihre Energieeffizienz durch Modernisierung hochgestuft werden kann, kann dies bei ihrem Marktwert berücksichtigt werden. In umgekehrter Schlussfolgerung kann es jedoch auch zutreffen, dass sich der Wert durch die möglicherweise entstehenden Kosten bei teureren Modernisierungs- 146 Europäische Bewertungsstandards 2012 arbeiten verringert. Unter diesen Umständen kann der Gutachter die Bedeutung und die Auswirkung der Empfehlungen, die im Energieausweis zur Verbesserung der Energieeffizienz gegeben werden, entsprechend beurteilen. 5.4.16 Ebenso obliegt es dem professionellen Ermessen des Gutachters, festzustellen ob und wie er die Umstände, die um das reine Vorhandensein eines Energieausweises hinausgehen, entsprechend in das Gutachten aufnimmt. 5.4.17 Alle wichtigen Empfehlungen in Berichten über die technische Gebäudeausstattung können ebenfalls, wo relevant, berücksichtigt werden. 5.4.18 Gelegentlich kann es sein, dass der Gutachter beauftragt wird, den Kunden dahingehend zu unterstützen, dass er den maximalen Nutzen aus einem Energieausweis ziehen kann. Gutachter sollten dies jedoch nur dann tun, wenn dies im Rahmen ihrer professionellen Kompetenzen liegt. Nimmt ein Gutachter diese Aufgabe an, hat diese zum Ziel, den Kunden zu helfen, sich mit den Analysen im Energieausweis eine Meinung über mögliche Ansätze hinsichtlich der dort aufgeworfenen Fragen zu bilden. Hierbei finden sich häufig folgende Kernelemente: Das ausgewiesene Effizienzrating für das Gebäude (entweder auf einer Skala von A bis G oder von 0 bis 100), der jährliche Energieverbrauch, die Kosten des jährlichen Energieverbrauches, Vergleich mit aktuell maßgeblichen Standards, der Zustand der technischen Gebäudeausstattung, die im Energieausweis empfohlenen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, damit verbundene Kosten und Renditen sowie jeder andere Wert, der durch eine andere Einstufung erzielbar ist, wenn hierdurch gemäß nationaler Regelungen der Verkauf oder die Vermietung einer Immobilie einfacher wird. 5.4.19 Gutachter berücksichtigen die Effizienzeinstufung und die Empfehlungen bei Abgabe ihrer Einschätzung hinsichtlich des Wertes einer Immobilie auf einer anerkannten Bewertungsgrundlage insoweit, als sie relevant sind und die Marktsituation widerspiegeln. 147 TEIL 2 GESETZGEBUNG UND IMMOBILIENBEWERTUNG IN DER EUROPÄISCHEN UNION INHALT 1. Allgemeine Einleitung 2. Der EU-Binnenmarkt A. Binnenmarkt – Vorschriften zur Immobilienbewertung A.1 Immobilienbewertung für bilanzielle Zwecke von Unternehmen A.2 Immobilienbewertung für Finanzinstitute A.3 Immobilienbewertung nach den Vorschriften für staatliche Beihilfen B. Binnenmarkt – Steuerliche Gesetzgebung B.1 Mehrwertsteuer (MwSt) und Immobilien 3. Gesundheit und Sicherheit 4. Energie 5. Umwelt 5.1 Allgemeines 5.2 Umweltverträglichkeitsprüfung und strategische Umweltprüfung 5.3 Wasser 5.4 Kontaminierte Flächen und Umwelthaftung 5.5 Umweltverschmutzung 5.6 Asbest und andere Stoffe 5.7 Biodiversität und Erhalt 6. Die gemeinsame Agrarpolitik 148 Europäische Bewertungsstandards 2012 Achtung – Der vorliegende Abschnitt wurde als kurzer, allgemeiner Überblick über die EU-Gesetzgebung in ihrer möglichen Anwendung auf Immobilien erstellt. Damit soll Gutachtern eine allgemeine Hilfestellung in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit gegeben werden, die jedoch nicht auf andere Funktionen übertragbar ist, insbesondere eignet sich diese Zusammenfassung nicht für die besonderen Belange von Immobilieneigentümern. Sie beruht auf der Gesetzeslage, wie sie im Januar 2012 in Kraft war. Es wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben noch werden Sonderbereiche angesprochen. Wenn es um eine spezifische Frage für eine Bewertung geht, sollte der Gutachter sich um weitere sachbezogene Informationen zu den entsprechenden Punkten bemühen. Insbesondere handelt es sich bei diesem Abschnitt in der Hauptsache um einen Überblick über die EU-Gesetzgebung geordnet nach Richtlinien, d. h., die Mitgliedstaaten haben im Normalfall ihre eigene Rechtsprechung für die Umsetzung dieser Richtlinien genutzt. Daher ist es wahrscheinlich, dass lokale Merkmale von Bedeutung sein können und es auch Schnittstellen zu anderen nationalen Gesetzen geben kann. 1. Allgemeine Einleitung 1.1 Die Gesetzgebung der Europäischen Union (EU) hat immer stärkere Auswirkungen auf die Nutzung, das Management, die damit verbundenen Kosten und die Entwicklungsmöglichkeiten von Immobilien und demnach auf den Wert von Immobilien. In manchen Fällen enthält sie spezifische Bestimmungen zu ihrer Bewertung. 1.2 Während die Gründungsverträge der EU sich nicht mit Immobiliengesetzen oder Grundbesitz beschäftigen, da es sich um einen sensitiven Bereich handelt, der den Mitgliedsländern überlassen ist, haben ihre allgemeinen wirtschaftlichen Bestimmungen doch Auswirkungen auf den Besitz von Immobilien. Von einem recht frühen Zeitpunkt an ist das EU-Recht zur betrieblichen Bilanzierung daher in die Bewertung von Immobilien für das finanzielle Berichtswesen von wichtigen Unternehmen vorgedrungen. Dies geschah für Beleihungsinstitute durch aufeinanderfolgende Eigenkapitalrichtlinien. 1.3 Ähnliches gilt für Immobilien, die als „unbewegliches“ Eigentum nicht dem EU-Recht unterliegen, das die Freizügigkeit des Güterverkehrs innerhalb der Europäischen Union garantiert, wohingegen die EU-Verträge und ihre Gesetzgebung den freien Kapitalverkehr garantieren und damit die Möglichkeit des Kaufs bzw. Verkaufs von Immobilien überall in der EU. Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 149 1.4 Wohingegen die Wohnungsbaupolitik von der EU nicht abgedeckt wird, ist sie doch aktiv in der Gesetzgebung zu einer wachsenden Zahl von politischen Bereichen, die mit Immobilienmärkten und den entsprechenden Berufen in Bezug stehen. Dabei handelt es sich unter anderem um Energieeffizienz, Umweltschutz, Benachteiligung durch Vermieter, ungerechte Vertragsbedingungen, die Regulierung von Dienstleistungen des Handels einschließlich der Projektierung von Einkaufszentren, Sicherheit am Arbeitsplatz bzw. auf der Baustelle, Baumaterialien, Baukartelle und Kartelle im Zusammenhang mit Gebäuden, staatliche Beihilfen für Unternehmen aus dem sozialen Wohnungsbau im Wettbewerb um Mieter mit mittlerem Einkommen, Hypothekenkredite, Eigenkapitalanforderungen für Hypothekarkredite, die Reform der Finanzmärkte, verminderte Mehrwertsteuersätze für Renovierung und Reparaturen im Wohnungsbau sowie Geldwäsche. Das vorliegende Kapitel geht nur auf einige dieser Themen ein. 1.5 Auch wenn die Besteuerung ebenfalls den Mitgliedsländern überlassen ist, liefern die EU-Richtlinien dennoch ein gemeinsames Rahmenwerk für die Mehrwertsteuer. Dieses Rahmenwerk enthält spezifische Regelungen über bestimmte Aspekte bei Immobilien, die von der Mehrwertsteuerpflicht ausgenommen sind, wobei auf diese Befreiung auch verzichtet werden kann. Dies betrifft Immobilientransaktionen und hat Auswirkungen für diejenigen, die kein Anrecht auf vollständige Erstattung der Mehrwertsteuer haben. 1.6 Die Vorschriften der EU für staatliche Beihilfen haben zu immer stärkeren Regulierungen für öffentliche Körperschaften in Bezug auf eine ganze Anzahl von Tätigkeiten geführt, um Verzerrungen des Marktes zu begrenzen. Dies bezieht sich auch auf die Regelungen zur Bewertung von Immobilien. 1.7 In den vergangenen drei Jahrzehnten haben sich insbesondere zwei Bereiche der EU-Politik so umfassend geändert, dass sie enorme Wirkung auf die Immobilienwirtschaft entfalten: das Binnenmarktprogramm die Umweltpolitik Über diesen gesamten Zeitraum hinweg hatte die Agrarpolitik der Gemeinschaft immer eine Auswirkung auf landwirtschaftlichen Grundbesitz. 1.8 Das Binnenmarktprogramm für den freien Verkehr von Gütern und Dienstleistungen, Arbeit und Kapital im europäischen Wirtschaftsraum (EWR – die Europäische Union mit Island, Liechtenstein und Norwegen). Seine Gesetzgebung wird durch 150 Europäische Bewertungsstandards 2012 den Europäischen Gerichtshof (EuGH) überwacht und Fälle, über die entschieden wurden, bezeugen die Fähigkeit des Programms, Änderungen in politischen Bereichen vorantreiben zu können, die ansonsten außerhalb der formellen Zuständigkeit der EU zu liegen scheinen, z. B. führte der Fall Jäger (C-256/06 [2008]) zu Änderungen in der steuerlichen Behandlung von Immobilien sowohl in Deutschland als auch im Vereinigten Königreich, mit denen die Behinderung des freien Verkehrs von Kapital durch das nationale Steuerrecht beseitigt wurde. 1.9 Die Römischen Verträge hatten von Anfang an die Bestrebung, einen Binnenmarkt für Güter und Dienstleistungen, Arbeit und Kapital zu fördern. Damit war die Grundlage für die gesetzgeberische Ausrichtung auf die Harmonisierung von Normen und Regelungen zur Ermöglichung eines fairen Wettbewerbs mit weniger Verzerrungen durch einzelstaatliches Handeln gelegt. 1.10 Das Konzept wurde grundlegend durch das Aktionsprogramm zum Binnenmarkt nach der Einheitlichen Europäischen Akte von 1987 geformt, mit dem dem innergemeinschaftlichen Handel ein wirkungsvoller Anreiz geboten wurde und mit dem neue Wirtschaftsmuster über Ländergrenzen hinweg geschaffen werden konnten. 1.11 Die substantielle Schaffung des Binnenmarktes hatte Auswirkungen auf die Immobilienmärkte sowohl im Hinblick auf die Nachfrage nach Immobilien als auch bezüglich der Verfügbarkeit von Immobilienfinanzierungen. Dies wiederum hatte eine Wirkung auf bewertungsrelevante Fragen. In gleichem Maße übten sein Geist und seine Regelungen einen Einfluss auf die Gesetzgebung im Zusammenhang mit Immobilien aus. 1.12 Die greifbare Abschaffung von Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten für den freien Verkehr von Kapital hat die Nachfragemuster nach sowohl gewerblichen als auch wohnwirtschaftlichen Immobilien neu gestaltet. 1.13 Grenzüberschreitende Immobilieninvestitionen sind von unbedeutenden Beträgen Mitte der neunziger Jahre stark angestiegen und selbst nach der Finanzkrise und dem damit einhergehenden Investitionsrückgang beliefen sich die Investitionen auf 36,2 Mrd. € im Jahr 2010 (21,4 Mrd. € innergemeinschaftlich und weitere 14,8 Mrd. € von außerhalb der EU; Quelle: DTZ Research). Während dies anfänglich die Domäne von großen, oft börsennotierten Immobilieninvestmentgesellschaften und -fonds war, die sich auf Topobjekte in Großstädten konzentrierten, beteiligen sich heute auch kleinere Immobiliengesellschaften mit Investitionen in Nischenmärkten. Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 151 1.14 Bei der Umsetzung der Binnenmarktpolitik bildete die Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123 über Dienstleistungen im Binnenmarkt) ein formelles Instrument zur Öffnung des EU-Marktes für Dienstleistungen. Dies umfasst auch Bewertungsleistungen, so dass diese auch in anderen Mitgliedsländern angeboten werden können. Der größte Teil an „grenzüberschreitenden“ Bewertungen wird jedoch von lokalen Gutachtern mit spezialisiertem Fachwissen für ausländische Investoren geleistet, d. h. es sind die ausländischen Investoren, die für das grenzüberschreitende Element sorgen und nicht der Gutachter. Diese Investoren sind oft zum ersten Mal in einem ihnen nicht vertrauten Markt tätig und haben daher einen besonderen Bedarf nach ortsansässigen Gutachtern mit einer Qualifizierung nach anerkannten europäischen Normen. In diesem Zusammenhang bietet das Zertifizierungsprogramm des „Recognised European Valuer (REV)“ der TEGoVA ein willkommenes Mittel für diejenigen, die Bewertungsleistungen in einem anderen Land benötigen, um qualifizierte praktizierende Gutachter zu finden, die Bewertungen in dem entsprechenden anderen Land anbieten können. 1.15 Die steigende Bedeutung der EU als Triebkraft für Umweltpolitik und die Reaktion auf den Klimawandel hat Auswirkungen auf die Politik zum Schutz von Ressourcen, in Energiefragen, zum Thema Wasser und Umweltverschmutzung (unter anderem beispielsweise Asbest) und der biologischen Vielfalt. Viele dieser Themen haben einen Bezug zu Immobilien. Abschnitt 5 bespricht im Folgenden die Hauptregelungen, die für Immobilien relevant sein können, es gibt aber auch Bestimmungen, die auf einzelne Sektoren anwendbar sind und sich aus der Kontrolle bestimmter Chemikalien bzw. Themen ableiten, die für bestimmte Immobilien von Bedeutung sein können. 1.16 Dies war zunächst durch die Sorge um die Sicherstellung einer sicheren Umwelt getrieben, die nicht zuletzt durch Zwischenfälle wie die Gefährdung der Bevölkerung von Seveso und angrenzenden Ortschaften in der Nähe von Mailand durch Dioxine nach einem Unfall in einem chemischen Produktionsbetrieb weitere Impulse bekam. Diese Sorge findet sich z. B. in der Gesetzgebung zum Trinkwasser wieder. Immobilien werden heute in steigendem Maße nicht nur als Verursacher von Kernproblemen des Energieverbrauchs und Ineffizienz gesehen, die in diesen Bereichen angegangen werden müssen, sondern möglicherweise auch als Antreiber von Lösungen in Bezug auf Raumordnung, Milderung des Klimawandels und erneuerbare Energien. 1.17 Eine Politik zum Schutz von Arten in Flora und Fauna kann sowohl Auswirkungen auf das Potenzial als auch die Kosten für raumplanerische Entwicklung haben. Die Klassifizierung von Grund und Boden zum Schutz der Natur und zum Zwecke von Subventionen hat ebenfalls Einfluss auf eine Bewertung des entsprechenden Grundbesitzes. 152 Europäische Bewertungsstandards 2012 1.18 Fast von Anbeginn der Europäischen Union an hat sich die Gemeinsame Agrarpolitik auf zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe und Immobilien ausgewirkt. Zunächst handelte es sich um einen indirekten Einfluss durch Eingriffe in den Markt für landwirtschaftliche Erzeugnisse durch die Stützung von Preisen, aber seitdem hat sie sich zur Förderpolitik entwickelt, die in steigendem Maße durch eine definierte Beziehung zu einer spezifischen Boden- und Landentwicklungspolitik und deren Nutzung zur Verfügung steht. 1.19 Insgesamt gibt es eine Wirkung der Gesetzgebung auf Immobilien in zweifacher Hinsicht: wo sie auf Tätigkeiten in bestimmten Gebieten oder Orten Anwendung findet und somit in Abhängigkeit des Standortes entweder Chancen schafft oder Einschränkungen auferlegt, und wo sie auf Immobilien oder Tätigkeiten Anwendung findet, die in engem Zusammenhang mit ihren Eigentumsverhältnissen bzw. ihrer Verwendung oder Nutzung stehen. 1.20 Die wachsende Rolle der Europäischen Union in der Wirtschaftspolitik dürfte einen größeren Einfluss auf den Immobilienmarkt haben. Die sich entwickelnden Rahmenbedingungen zur haushaltspolitischen Überwachung in der EU/Eurozone umfasst Verfahren zur Koordinierung der einzelstaatlichen Wirtschafts- und Haushaltspolitik und nimmt somit Einfluss auf den größeren makroökonomischen Hintergrund. Insbesondere enthalten die Vorschläge der Kommission eine Erhöhung der Besteuerung auf Grundbesitz besonders bei hochwertigen Immobilien zur Entlastung bei der Besteuerung von Arbeitseinkommen. Bei diesen Maßnahmen könnte es sich auch um die Verlagerung der Besteuerung in der Wohnungswirtschaft nach Transaktionen hin zu einer periodisch wiederkehrenden Besteuerung und einer Prüfung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Hypothekenzinszahlungen handeln. Die Volatilität von Hauspreisen wird in einigen Mitgliedsländern als Problem gesehen und den Mitgliedsländern innerhalb der Eurozone könnten Bußgelder drohen, falls man sich dem Thema nicht zuwendet. Das Wesen der EU-Gesetzgebung 1.21 Viele Aspekte des gemeinschaftlichen Rahmenwerkes und sein steigender Einfluss sind für zahlreiche Akteure, die auf ihrem lokalen Markt tätig sind, nicht unmittelbar offensichtlich. Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 153 1.22 Der größte Teil der hier besprochenen EU-Gesetzgebung wurde mit Hilfe von Richtlinien vereinbart, die die Mitgliedsländer in ihre eigene Gesetzgebung umsetzen müssen. Sobald eine Richtlinie verabschiedet ist, ist sie für die Mitgliedstaaten „bindend im Hinblick auf das zu erzielende Ergebnis“. Die Wirkung dieser Erfolgspflicht zeigte sich in der Entscheidung des EuGH in der Sache der Kommission gegen das Vereinigte Königreich (C-337/89 [1992]), wo es zu der Feststellung kam, dass die Einhaltung der Trinkwasserrichtlinie eine zwingende Verpflichtung darstelle und es nicht ausreichend war, dass alle durchführbaren Maßnahmen getroffen wurden. Sobald eine Richtlinie ein Endergebnis vorschreibt, z. B. eine besondere Wassereigenschaft, ist dieses Endergebnis zu erzielen (Kommission gegen Vereinigtes Königreich (C-56/90 [1993]) zur Badegewässerrichtlinie). Die Wirkung einer Richtlinie hängt daher davon ab, wie sie verfasst ist. Die Feststellung, ob ein Mitgliedsland einer eher allgemeinen „Rahmenrichtlinie“, die das zu erzielende Endergebnis nicht in diesem Umfang näher beschreibt, tatsächlich nachgekommen ist, richtet sich daher vornehmlich nach den Maßnahmen, die es ergriffen hat (siehe Kommission gegen Italien (C-365/97 [2003], Sache San Rocco Valley). 1.23 Ferner verfügte der EuGH in der Sache Marleasing SA gegen La Comercial International de Alimentación (C-106/89 [1991]), dass die nationale Gesetzgebung so auszulegen ist, dass sie dem Zweck der Richtlinie dient: „Daraus folgt, dass ein nationales Gericht bei der Anwendung nationalen Rechts – einerlei, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handelt – dieses Recht so auszulegen hat, dass sich die Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie orientiert, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen…“. 1.24 EU-Verordnungen andererseits finden in den Mitgliedsländern unmittelbar Anwendung, obwohl sie oft von der nationalen Gesetzgebung abgedeckt werden. Manchmal dient dies dem Zweck einer effektiven Umsetzung unter Bereitstellung weiterer durchführungsbezogener Maßnahmen. 1.25 In manchen Fällen stehen die europäischen Anforderungen in Wechselwirkung mit anderen nationalen Regelungen oder sie werden zusammen mit nationalen Maßnahmen umgesetzt. 1.26 Obwohl ein Großteil der europäischen Gesetzgebung mittels nationaler Gesetze Anwendung findet, schmälert dies jedoch nicht die Schlüsselposition der EU als Quelle vieler Faktoren, die in Bezug zu der Bewertung von Immobilien stehen. Diese Rolle, in die die EU über die Zeit gewachsen ist und die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit beträchtlich weiterentwickeln wird, muss man in aller Klarheit verstehen. 154 Europäische Bewertungsstandards 2012 1.27 Ist eine EU-Richtlinie bzw. Verordnung für die Bewertung einer Immobilie von Belang, muss der Gutachter die entsprechenden nationalen und lokalen Vorschriften, mit der die zugrunde liegende EU-Gesetzgebung umgesetzt wird, kennen und auf diese Bezug nehmen. Aufgrund des Umfangs und der Reichweite der EU-Gesetzgebung können die Richtlinien und Verordnungen, die Auswirkungen auf die Bewertung von bestimmten Immobilien haben können, hier nicht erschöpfend behandelt werden, es wird jedoch ein Überblick über die wichtigsten Bereiche gegeben, mit denen ein Gutachter sich in der Hauptsache beschäftigt. 2. Der EU-Binnenmarkt A. Binnenmarkt – Vorschriften zur Immobilienbewertung A.1 Immobilienbewertung für bilanzielle Zwecke von Unternehmen 2.1 Die Anforderungen der europäischen Gesetzgebung in der Bewertung von Immobilien zu unternehmerischen Bilanzierungszwecken wurden bereits in Teil I unter EVA1 ausgeführt. 2.2 Die auf Aktiengesellschaften (jedoch nicht auf Finanzinstitute und Versicherungsgesellschaften) anwendbare Richtlinie 78/660/EWG umreißt die grundlegenden Anforderungen beim Ausweis von Vermögenswerten. Diese waren ursprünglich auf der Grundlage der Kosten, zu denen sie gekauft bzw. hergestellt wurden, zu bewerten. Der Gutachter muss die von ihm benutzte Methode nennen. Jeder andere Ansatz aufgrund nationaler Gesetze muss offen gelegt werden. Diese erste Regelung wurde 2.3 mit Richtlinie 83/349/EWG auf konsolidierte Abschlüsse ausgeweitet; fand mit Richtlinie 86/635/EWG Anwendung auf Banken und andere Finanzinstitute; fand mit Richtlinie 91/674/EWG Anwendung auf Versicherungsgesellschaften. 2.4 Im Fall von Versicherungsgesellschaften konnte der Marktwert nach Richtlinie 91/674/EWG auf der Grundlage des „Marktwertes“ festgesetzt werden, der sich wie folgt definiert: „… Unter Marktwert ist der Preis zu verstehen, der zum Zeitpunkt der Bewertung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages über Gebäude oder Grundstücke zwischen einem verkaufswilligen Verkäufer und einem ihm nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Käufer unter den Voraussetzungen zu Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 155 erzielen ist, dass das Grundstück offen am Markt angeboten wurde, dass die Marktverhältnisse einer ordnungsgemäßen Veräußerung nicht im Wege stehen und dass eine der Bedeutung des Objektes angemessene Verhandlungszeit zur Verfügung steht.“ Unter EVS1 Punkt 4.3 wurde bereits ausführlich auf diese Thematik eingegangen. 2.5 Diese Richtlinien sind seither einige Male ergänzt worden (siehe Abschnitt Gesetzgebung unten). Die wesentlichsten Ergänzungen sind folgende: Richtlinie 2001/65/EG für Aktiengesellschaften und Banken, nach der Bewertungen zum Zeitwert („Fair Value“) erstellt werden können. Verordnung 2909/2000/EG, die für die Bilanzierung von Sachanlagevermögen Folgendes vorsieht: „Der Marktwert entspricht dem Preis, den ein eventueller Käufer für einen Gegenstand zu zahlen bereit ist; maßgeblich sind dabei Zustand und Lage des Gegenstandes sowie seine voraussichtliche weitere Nutzung.“ Die Verordnungen 1606/2002 (EG) und 1725/2003 (EG) sehen vor, dass ab 2005 alle konsolidierten Abschlüsse von börsennotierten Gesellschaften in Übereinstimmung mit den internationalen Grundsätzen zur Rechnungslegung zu erfolgen haben. Dabei handelt es sich nicht nur um die International Accounting Standards (IAS) sondern auch um die International Financial Reporting Standards (IFRS) sowie deren Auslegung durch das Standing Interpretations Committee. Richtlinie 2003/51/EG ergänzt die vier oben genannten Hauptrichtlinien und lässt den Zeitwert („Fair Value“) im Allgemeinen als Bewertungsgrundlage zu. 2.6 Das Konzept des Zeitwertes („Fair Value“) wird im EVS2 ausführlich besprochen. Er kann für einen Finanzbuchhalter eine andere Bedeutung haben als für einen Gutachter. Gesetzgebung Vierte Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen Siebente Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss Diese Richtlinien wurden durch folgende Richtlinien novelliert: – Richtlinie 90/604/EWG hinsichtlich der Ausnahme für kleine und mittlere Gesellschaften sowie der Offenlegung von Abschlüssen in Ecu – Richtlinie 90/605/EWG über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs 156 Europäische Bewertungsstandards 2012 – Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, geändert durch Richtlinie 2008/30/EG Richtlinie 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten Ergänzt durch 2000/408/EG: Empfehlung der Kommission zur Offenlegung von Informationen über Finanzinstrumente und andere ähnliche Instrumente Richtlinie 2001/65/EG zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze Richtlinie 91/674/EWG über Jahresabschlüsse und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen Richtlinie 2003/51/EG zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen Verordnung Nr. 2909/2000 (EG) über die rechnungsmäßige Verwaltung der nichtfinanziellen Anlagewerte der Europäischen Gemeinschaften Verordnung Nr. 1606/2002 (EG) betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards Verordnung Nr. 1725/2003 (EG) betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung Nr. 1606/2002 (EG) A.2 Immobilienbewertung für Finanzinstitute Kreditinstitute 2.7 Im Streben nach einem vernünftigen Rahmen für das Bankwesen verlangen die internationalen Basler Abkommen von kreditgebenden Instituten die Vorhaltung von Eigenkapital und legen fest, wie dieses zu berechnen ist. Der erforderliche Betrag wird mittels eines Verhältnisses für jede einzelne Kategorie des verfügbaren Kapitals nach seinen Eigenschaften bemessen. Zu diesem Zweck legt das Abkommen daher spezifische Vorschriften für den Ansatz zur Ermittlung von Werten für Immobilien fest, die als Sicherheit für Darlehen dienen. 2.8 Auch die EU hat sich diesem Themenkreis in mehreren aufeinander folgenden Eigenkapitalrichtlinien gewidmet, jüngst in der letzten Novelle von Richtlinie 2006/48 (welche gegenwärtig nochmals überarbeitet wird). Unter EVS1 Punkt 4.2 in Teil I wurde dies bereits näher ausgeführt. Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 157 2.9 Hiermit wurde eine Ordnung für Kreditinstitute erstellt und ein Rahmen für ihre Tätigkeit auf dem Binnenmarkt geschaffen, in welchen die Anforderungen der Basler Abkommen Anwendung finden. Angesichts der Belastung, die dies auf die Bewertung von Vermögenswerten legt, bieten sie eine Definition für den „Market Value“ (Marktwert) und den „Mortgage Lending Value“ (Beleihungswert) wie in Teil 1 im EVS1 unter Punkt 4.2.1 und im EVS2 unter Punkt 7 oben beschrieben. definieren sie einen „independent valuer“ (unabhängiger Gutachter; siehe EVS3 Punkt 5.3.5 in Teil 1 oben). 2.10 In Bezug auf manche Funktionen, die ein Gutachter ausübt, kann das Objektund Marktrating der TEGoVA ein hilfreiches Instrument sein (siehe Teil 3 unten). Gesetzgebung – Richtlinie 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute – Ergänzt durch Richtlinien 2007/18/EG, 2007/44/EG, 2007/64/EG und 2008/24/EG – Richtlinie 2006/49/EG über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten Andere Institutionen 2.11 Die neue Richtlinie über alternative Investmentfonds führt Regeln für die Bewertung von durch Hedgefonds (einschließlich Immobilienfonds) und ähnliche Institute gehaltenem Vermögen ein. Diese sind auf der Grundlage des Nettovermögenswertes zu bewerten, der in Teil I unter EVA7 ausführlich besprochen wurde. Gesetzgebung – Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds A.3 Immobilienbewertung nach den Vorschriften für staatliche Beihilfen 2.12 Die EU-Politik gilt der Förderung eines offenen Binnenmarktes. Zu diesem Zweck bemüht sie sich um Regelungen, in welchem Maße Regierungen und öffentliche Körperschaften sowohl unmittelbare als auch mittelbare Beihilfen als Schutzinstrument gegen Verzerrungen des freien Wettbewerbs auf dem entsprechenden Markt nutzen können. Die Vorschriften für staatliche Beihilfen waren ein Kernelement dieser Politik und sie bieten einen gesetzlichen Rahmen, in welchem Beihilfemaßnahmen in den Mitgliedsländern reguliert, genehmigt bzw. untersagt werden können. Mit ihrer Wirksamkeit im gesamten EWR wurden sie genutzt, um die Bewertung von Immobilien, die Methoden zur Veräußerung von Immobilien und die Verwaltung von staatlichen bzw. subventionierten Immobilien zu regeln. 158 Europäische Bewertungsstandards 2012 2.13 Staatliche Subventionen für den sozialen Wohnungsbau – Letztgenannter Punkt wird durch die Intervention der Kommission in den Niederlanden und Schweden zur Begrenzung der Möglichkeiten für Anbieter im sozialen Wohnungsbau, staatlich subventionierte ungenutzte Immobilien zur Miete auf dem offenen Markt anzubieten und so in unfairer Weise mit dem Privatsektor im Wettbewerb um Mieter zu stehen, veranschaulicht. Man war der Ansicht, dass hier staatliche Subventionen für Investitionen in eigentlich gewerbliche Immobilien verwendet wurden. 2.14 Gemäß der Entscheidung der Kommission vom 14. Juli 2005 darf die niederländische Regierung lediglich Wohnungsbaukörperschaften subventionieren, die sich um sozial benachteiligte Haushalte kümmern. Als Ergebnis aus dieser Entscheidung legte die niederländische Regierung eine Einkommensgrenze von 37.000 € für Haushalte mit einer Berechtigung für sozialen Wohnraum fest. Weil die niederländischen Gesellschaften im sozialen Wohnungsbau auch überschüssige staatliche Beihilfen als Kapital für Investitionen in gewerbliche Immobilien genutzt hatten, entschied die Kommission außerdem, dass jede gewerbliche Nutzung von Leistungen der öffentlichen Hand zu Marktbedingungen zu geschehen habe. 2.15 In Schweden wurden die Mieten im Privatsektor nach dem Nutzwertverfahren (utility value) wirksam auf das Niveau von vergleichbaren Kommunalwohnungen festgesetzt, aber lediglich die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften erhielten staatliche Beihilfen, sie standen jedoch mit dem Privatsektor im Wettbewerb um die gleichen Mieter. Eine informelle Beschwerde der Kommission nach den Vorschriften für staatliche Beihilfen führte Ende 2011 zu einem Ende dieser Vorgehensweise (Quelle: European Property Federation). 2.16 Bewertung von öffentlichem Eigentum – Die Vorschriften über staatliche Beihilfen der EU bieten ebenfalls eine Grundlage für die Bewertung von öffentlichem Eigentum zum Zwecke der Veräußerung, so dass die Frage nach staatlicher Beihilfe gar nicht erst auftreten kann, weder beim Verkauf unter Wert noch beim Verkauf an bevorzugte Käufer. Diese Vorschriften werden im EVS1 4.3 und in Abschnitt 5 in Teil 1 oben ausführlich besprochen. 2.17 Die Vorschriften machen von der gleichen Definition des „Market Value“ (Marktwertes) Gebrauch wie Richtlinie 91/674/EWG (Jahresabschlüsse von Versicherungsunternehmen): „Unter Marktwert ist der Preis zu verstehen, der zum Zeitpunkt der Bewertung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages über Gebäude oder Grundstücke zwischen einem verkaufswilligen Verkäufer und einem ihm nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Käufer unter den Voraussetzungen zu erzielen ist, dass das Grundstück offen am Markt angeboten wurde, dass die Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 159 Marktverhältnisse einer ordnungsgemäßen Veräußerung nicht im Wege stehen und dass eine der Bedeutung des Objektes angemessene Verhandlungszeit zur Verfügung steht.“ 2.18 Sie definieren die geeignete Qualifikation, über die ein „Gutachter für Wertermittlung“ für diesen Zweck verfügen muss (siehe EVS3 Punkt 4.2 und 5.3.6 in Teil 1 oben). Gesetzgebung – Mitteilung der Kommission 97/C 209/03 betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Gebäuden oder Grundstücken durch die öffentliche Hand B. Binnenmarkt – Steuerliche Gesetzgebung B.1 Mehrwertsteuer (MwSt) und Immobilien 2.19 Die Mehrwertsteuer, bei der es sich um eine Steuer auf den Mehrwert aus der Lieferung von Gütern und Dienstleitungen handelt, ist ein grundlegender Aspekt in der Arbeitsweise der EU und ihre Einführung ist ein Kernelement hinsichtlich des Beitritts von neuen Mitgliedstaaten. Es ist die einzige auf nationaler Ebene der Mitgliedstaaten verwaltete Steuer, für die die EU ausdrücklich einen gemeinsamen Rahmen bietet, obwohl sie nicht als europaweite Steuer fungiert. Diese Rahmenbedingungen in der EU-Gesetzgebung bieten eine gemeinschaftliche Grundstruktur für die Anwendungsformen, Befreiungen und Sätze der Mehrwertsteuer, wobei sich die Umsetzung innerhalb dieses Rahmens in den einzelnen Mitgliedsländern unterscheidet. Strittigkeiten bezüglich der Mehrwertsteuer werden in letzter Instanz an den Europäischen Gerichtshof verwiesen, dessen Entscheidungen (zusammen mit Richtlinien und Verordnungen) bestimmen, was den Mitgliedstaaten erlaubt ist. 2.20 Immobilien machen oft den zweit- bzw. den drittgrößten Kostenfaktor in einem Unternehmen aus: Ein Kauf bzw. Verkauf einer Immobilie ist unter Umständen die größte Transaktion eines Unternehmens. Während Gehälter und Finanzierung nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, kann die bei Immobilientransaktionen erhobene Mehrwertsteuer in verschiedener Hinsicht einen wichtigen Faktor darstellen: Obwohl die meisten Unternehmen die Mehrwertsteuer über die entsprechende Vorsteuer wieder erstattet bekommen, ist sie dennoch eine Belastung für den Cashflow. Ist ein Teilhaber an einer Transaktion nicht als mehrwertsteuerpflichtig angemeldet, kann er diese nicht von der Vorsteuer abziehen. Abgesehen vom Endverbraucher ist dies oft auch ein Faktor für Finanzinstitute und andere Gesellschaften, deren Ertrag als von der Mehrwertsteuer befreit gilt. 160 Europäische Bewertungsstandards 2012 Es handelt sich hier um einen Bereich komplexer Rechtsprechung mit umfangreichem Fallrecht, wodurch es wichtig wird, ein Verständnis für die Behandlung der Mehrwertsteuer in jeder Transaktion zu haben. Wie die Menge an Fällen zeigt, ist das nicht immer möglich und führt zu zusätzlicher Unsicherheit und in manchen Situationen zu möglichen Risiken. 2.21 Die Mehrwertsteuer wurde ursprünglich über eine Richtlinie im Jahr 1967 eingeführt (Richtlinie 67/227/EWG). Die heutige EU-Gesetzgebung richtet sich nach der Siebenten Mehrwertsteuerrichtlinie Nr. 2006/112/EG, obwohl viele Fälle des EuGH, auf die hier Bezug genommen wurde, nach ihrem Vorläufer, der Sechsten Richtlinie Nr. 77/388/EWG, entschieden wurden. 2.22 Diese Richtlinie enthält spezifische Vorschriften hinsichtlich unter Umständen notwendiger Wertfeststellungen (siehe EVS1 Punkt 4.4 in Teil I oben). 2.23 Mit Hilfe von Befreiungen und geminderten Sätzen enthält die Mehrwertsteuerrichtlinie spezifische Vorschriften für Beteiligungen an Immobilienvermögen. 2.24 Befreiungen – Veräußerungen, Mieten und ähnliche Immobilientransaktionen bzw. Umsätze sind in Artikel 135(1) als von der Mehrwertsteuer befreit wie folgt genannt: (j) Lieferung von anderen Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden als den in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a genannten; (k) Lieferung unbebauter Grundstücke mit Ausnahme von Baugrundstücken im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe b; (l) Vermietung und Verpachtung von Grundstücken. In der Sechsten Richtlinie findet sich das Äquivalent dieser Vorschrift in Artikel 13(B). Während neue Gebäude durch Bezugnahme auf Artikel 12 von der Befreiung ausgenommen werden (so dass sie steuerpflichtig sind), verleiht Artikel 371 den Mitgliedsländern „übergangsweise“ das Recht, Befreiungen von der Mehrwertsteuer für neue Gebäude und Bauland vorläufig aufrecht erhalten zu können und Artikel 370 erlaubt die Beibehaltung der Besteuerung auf andere Gebäude – eine Haltung, die der EuGH in der Sache Norbury Developments Ltd (C-136/97) ebenfalls eingenommen hat. 2.25 Nach Artikel 137 kann auf die Befreiungen gemäß Artikel 135(1)(j) bis (k) verzichtet werden, sofern das Mitgliedsland dies so vorsieht und der Steuerzahler dann entsprechend wählen kann. Wird auf die Befreiung verzichtet, ist die Mehrwertsteuer auf die Lieferung von Immobilien durch Veräußerung, Vermietung bzw. gleichwertige Transaktionen einschließlich der Überlassung und Abtretung von Mieten zu berech- Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 161 nen. Tätigt ein Unternehmen sowohl mehrwertsteuerpflichtige als auch befreite Lieferungen, fällt es hinsichtlich der Berechnung der anrechenbaren Vorsteuer unter die Vorschriften zur teilweisen Befreiung. 2.26 In manchen Fällen kann bei Immobilien die Feststellung schwierig sein, ob es sich bei einem Umsatz um eine einzige zusammengesetzte bzw. um mehrere voneinander unabhängige Leistungen mit möglicherweise unterschiedlicher Behandlung der Mehrwertsteuer handelt. Prüfmethoden, wie dieses festzustellen ist, wurden vom EuGH in der Sache Card Protection Plan (C-349/96 [1999]) festgeschrieben: Gibt es eine eigene, selbständige Leistung, deren wirtschaftlicher Zweck nicht künstlich aufgespalten werden kann? Ist das Hauptmerkmal des Umsatzes eine einheitliche Lieferung? Sind ein oder mehrere Teile eine Nebenleistung in Ergänzung der Hauptleistung? Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Wo es sich um eine einheitliche Leistung unter Einbeziehung eines Grundstückes handelt und das Grundstück überwiegt, kann der gesamte Umsatz befreit sein. Wenn jedoch der Verkauf oder die Vermietung des Grundstückes mit Hilfe der oben genannten Fragen als Nebenleistung eines steuerbaren Umsatzes eingestuft wird, kann es nach dem Mehrwertsteuerstatus dieses Umsatzes behandelt werden. 2.27 Ermäßigte Sätze für Arbeiten an Immobilien – Richtlinie 2009/47/EG ändert die Sechste Mehrwertsteuerrichtline und erlaubt den Mitgliedsländern, ermäßigte Mehrwertsteuersätze (bis zu lediglich 5 %) für einige wenige Lieferungen und Leistungen anzuwenden, einschließlich „Renovierung und Reparatur von Privatwohnungen, mit Ausnahme von Materialien, die einen bedeutenden Teil des Wertes der Dienstleistung ausmachen.“ (Artikel 106 und Anhang IV (2) der Siebenten Richtlinie) 2.28 Es steht den Mitgliedsländern frei, diese Option auszuüben. Gutachten sollten die Sätze, die in demjenigen Land anwendbar sind, in dem sie eine Bewertung durchführen, kennen. 2.29 Als Ausnahme von der ansonsten formellen Struktur der Sechsten Richtlinie erlaubt Artikel 110 den Mitgliedsländern, diejenigen Befreiungen oder ermäßigten Sätze beizubehalten, die sie am 1. Januar 1991 angewandt hatten. In zumindest einigen Ländern kann sich dies auf Immobilien oder Arbeiten an Immobilien beziehen und die Richtlinie führt ebenfalls eine begrenzte Anzahl von besonderen nationalen Ausnahmen auf. 162 Europäische Bewertungsstandards 2012 2.30 Immobilienbewertung und Mehrwertsteuer – Gutachter sollten die jeweilige Mehrwertsteuerregelung, wo relevant, bezüglich des Bewertungsobjektes kennen bzw. sich um entsprechende Anleitung bemühen. Ist der Umsatz befreit oder ist auf eine Befreiung verzichtet worden? Unterliegt das Objekt der Mehrwertsteuer, ist zu ermitteln, welcher Mehrwertsteuersatz auf den Umsatz Anwendung finden würde? Angesichts der beträchtlichen Höhe einiger Mehrwertsteuersätze, die in manchen Ländern Anwendung finden, wäre es ein Versäumnis, die Auswirkungen der Mehrwertsteuer nicht zu berücksichtigen; insbesondere in Märkten, wo manche Käufer keine ganze oder teilweise Erstattung verlangen können, wäre ein solches Versäumnis nachteilig für die Bewertung. Mehrwertsteuer und die Lieferung von Grundstücken und Gebäuden 2.31 Der Begriff „Lieferung“ bzw. „Umsatz“ umfasst natürlich ebenfalls eine eindeutige Veräußerung, jedoch erlaubt Artikel 15(2) den Mitgliedstaaten ebenfalls, Folgendes als körperlichen Gegenstand zu betrachten (im Sinne einer Lieferung von Gütern): a) „bestimmte Rechte an Grundstücken; b) dingliche Rechte, die ihrem Inhaber ein Nutzungsrecht an Grundstücken geben; c) Anteilrechte und Aktien, deren Besitz rechtlich oder tatsächlich das Eigentums- oder Nutzungsrecht an einem Grundstück oder Grundstücksteil begründet.“ 2.32 Die Begriffe „Grundstück“ und „Gebäude“ – In den einzelnen Mitgliedsländern gibt es Unterschiede hinsichtlich der Frage, ob das Eigentum an einem Gebäude unabhängig von dem Grundstück, auf dem es sich befindet, bestehen kann. In diesem Zusammenhang wird der Begriff „Grundstück“ nicht näher definiert, er scheint Gebäude jedoch nicht mit zu umfassen, da es für Gebäude eigene Befreiungen gibt. Die Befreiung aus Artikel 135(1)(k) für die Lieferung von Gebäuden schließt jedoch das Grundstück, auf dem sie stehen, nicht mit ein. Artikel 12(2) definiert als „Gebäude“ „jedes fest mit dem Boden verbundene Bauwerk“. Mehrwertsteuer bei Vermietung und Verpachtung 2.33 Artikel 135(1)(l) (zuvor 13(B)(b) der Sechsten Richtlinie) verlangt von den Mitgliedsländern die Befreiung der Umsätze aus der „Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken“ unter von ihnen festzulegenden Bedingungen. Da es sich hier um eine wichtige Unterscheidung in der steuerlichen Behandlung von Immobilien handelt, führte die Bestimmung zu einer Reihe von EuGH-Fällen. Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 163 2.34 Was bedeutet Vermietung im EU-Recht? Im Einklang mit der Entscheidung in der Sache Marleasing besagen die Entscheidungen des EuGH in aller Deutlichkeit, dass es sich hier um ein Konzept handelt, welches mittels der Gesetze der Europäischen Union zu analysieren ist und nicht über die unterschiedlichen nationalen Immobiliengesetzgebungen der Mitgliedsländer geregelt werden kann. Dies kann insbesondere in einem Bereich wie dem Bodenrecht problematisch sein, der in den einzelnen Mitgliedsländern ganz individuell gehandhabt wird. 2.35 Die vier Ausnahmen in Artikel 135(2), die von der Befreiung gemäß Artikel 135(1)(l) ausgeschlossen sind, können bezüglich der Bedeutung der Begriffe „Vermietung oder Verpachtung“ hier ein wenig Klarheit schaffen: a) Gewährung von Unterkunft nach den gesetzlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten im Rahmen des Hotelgewerbes oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf Grundstücken, die als Campingplätze erschlossen sind; b) Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen; c) Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen; d) Vermietung von Schließfächern. Diese unterliegen der Mehrwertsteuer. Während die Mitgliedsländer die Befreiung nicht ausweiten dürfen, können sie jedoch weitere Ausnahmen von der Befreiung zulassen bis hin zu dem Punkt, wo der EuGH es Spanien erlaubte, jegliche Vermietung und Verpachtung mit Ausnahme von Wohnimmobilien steuerpflichtig zu machen (Miguel Amengual Far gegen Juan Amengual Far (C-12/98)). Da diese Ausnahmen ansonsten ihrem Kontext nach unter den Begriff „Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken“ fallen würden, sind sie doch für die Interpretation dieser Formulierung wie unten aufgeführt als hilfreich angesehen worden. 2.36 In der Sache Stichting Goed Wonen (C-326/99 [2001]) stellte der EuGH fest, dass in den Erwägungen der Sechsten Richtlinie das Ziel genannt wird, die Mittel der Gemeinschaft in gleicher Weise in allen Mitgliedsländern eintreiben zu wollen: „Befreiungen stellen eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar“. Die Meinung des Generalanwaltes in der Sache Maierhofer gegen Finanzamt Augsburg-Land (C-315/00 [2003]) war, dass diese Befreiungen ihre eigenständige Bedeutung als „Begriffe des Gemeinschaftsrechts“ haben und daher „nicht von der Auslegung abhängen, die ihnen im Zivilrecht eines Mitgliedstaats gegeben werden“. Insbesondere sagte er, dass die „ Befreiungen (aus Artikel 13B(b)) nach ständiger Rechtsprechung eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts dar(stellen) und daher eine gemeinschaftsrechtliche Definition (erfordern)“. 164 2.37 Europäische Bewertungsstandards 2012 In Breitsohl (C-400/98) kommentierte der EuGH beiläufig Folgendes: „Vor allem muss das erwähnte Tatbestandsmerkmal unbeschadet dessen, dass die Mitgliedstaaten den Begriff „dazugehöriger Grund und Boden“ im Einklang mit der Möglichkeit definieren, die ihnen Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a Satz 2 der Sechsten Richtlinie bietet, in allen Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt werden. Anderenfalls würde das Ziel der Richtlinie, eine „einheitliche und nach Gemeinschaftsvorschriften erfolgende Bestimmung einer steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage“, nicht erreicht.“ Bei dieser Sache wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass eine Befreiung oder wahlweise Besteuerung auf Grundstücke und den auf ihnen befindlichen Gebäuden gemeinsam zu erfolgen habe – sie könnten nicht getrennt voneinander behandelt werden. 2.38 Handelt es sich um eine unbewegliche Sache? In der Sache Maierhofer waren vorgefertigte Häuser mit Bolzen auf einer betonierten Fläche verschraubt und dann als vorläufige Behausung für Asylbewerber vermietet worden. Die Gebäude konnten mit acht Personen innerhalb von zehn Tagen abgebaut und dann an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden. Der Generalanwalt war der Ansicht, dass diese Gebäude fest mit dem Boden verbunden waren. Das endgültige Urteil des EuGH lautete: „Demgemäß ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Vermietung eines Gebäudes, das aus Fertigteilen errichtet wird, die so in das Erdreich eingelassen werden, dass sie weder leicht demontiert noch leicht versetzt werden können, die Vermietung eines Grundstücks im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie darstellt, auch wenn dieses Gebäude nach Beendigung des Mietvertrags entfernt und auf einem anderen Grundstück wieder verwendet werden soll.“ Die Bedingungen des Mietverhältnisses waren hier nicht entscheidend. Die in der Sache Maierhofer vorliegenden Umstände wurden von denjenigen aus der Sache EGKommission gegen Frankreich (C-60/96 [1999]) unterschieden, wo es sich um Wohnanhänger, Zelte, Mobilheime und Freizeitunterkünfte handelte, die als bewegliche Gegenstände eingestuft wurden. In der holländischen Rechtssache Coffeeshop Siberie (C158/98) war der Generalanwalt der Ansicht, dass die Vermietung eines Tisches in einem Coffee Shop für den Verkauf von Rauschgift nicht im Sinne einer Vermietung von unbeweglichen (dinglichen) Gegenständen zu sehen ist. 2.39 Eine Konsequenz der Sache Maierhofer ist, dass die Vermietung von festen Einrichtungen, wenn sie als getrennte Leistung eingestuft werden können, steuerbefreit sein können. Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 165 2.40 Worin besteht der Unterschied zwischen „Vermietung“ und „Verpachtung“? In der Rechtssache EG-Kommission gegen Vereinigtes Königreich (C-359/97 [2000]) stellt der EuGH ungeachtet bestimmter Ausnahmen Folgendes fest: „Für die Abgrenzung der begrifflichen Tragweite von Verpachtung oder Vermietung von Grundstücken lässt sich dem Wortlaut von Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie nichts entnehmen. Zwar ist Vermietung von Grundstücken im Sinne dieser Bestimmung in verschiedener Hinsicht ein weiterer Begriff als in verschiedenen nationalen Rechtsordnungen. So bezieht sich die Vorschrift etwa, zur Festlegung einer Ausnahme von der Befreiung, auf den Beherbergungsvertrag (Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe), den bestimmte nationale Rechtsordnungen wegen des Hauptgewichts der vom Gastwirt erbrachten Dienstleistungen und seiner Kontrolle über die Raumnutzung durch den Gast nicht als Mietvertrag ansehen.“ Die Stellungnahme des Generalanwalts in der Rechtssache Lubbock Fine lau- 2.41 tete: „Meines Erachten umfasst der Begriff Vermietung im Sinne des Gemeinschaftsrechts eine Vermietung, eine Erlaubnis, ,un bail‘ oder eine ,convention d’occupation précaire‘.“ Es handelt sich hier sicherlich nicht um eine vollständige Liste und in der Praxis gibt es auch eine Weiterentwicklung dieses Konzepts im Fallrecht wie auch nachfolgende EuGH-Entscheidungen mögliche Fragen zur Klärung aufgestellt haben. 2.42 Während es im Bodenrecht der Mitgliedsländer für das Verständnis dahingehend, welche Rechte verliehen wurden, geht, ist dies jedoch irrelevant für die Auslegung dessen, wie das Mehrwertsteuersystem dann letztendlich auf diese Rechte anzuwenden ist. Irrelevant ist ebenfalls: jede künstliche Darstellung einer Transaktion – in Frage steht hier ihr wesentlicher Zweck; die Dauer der Leistung (Länge der Vermietung oder Verpachtung); ob auch das Grundstück, auf dem sich das Gebäude befindet, mit eingeschlossen ist (Maierhofer). Eine Person kann nicht an sich selbst „vermieten oder verpachten“ (Seeling (C-269/00)). 2.43 Die Auslegung dieser Befreiung von der Mehrwertsteuer wurde vom EuGH in der Rechtssache EG-Kommission gegen Vereinigtes Königreich (C-359/97 [2000]) ausführlich erörtert, wobei es zusammen mit der Parallelsache C-358/97, an der auch Irland 166 Europäische Bewertungsstandards 2012 teilhatte, um den Mehrwertsteuerstatus von Straßengebühren ging (welches die potenzielle Bandbreite des Themas veranschaulicht). Es wurde bestätigt, dass die Richtlinie eng auszulegen sein, insbesondere da es sich hier um eine mögliche Befreiung von der Besteuerung handele. 2.44 Zunächst wurde in der Sache festgestellt, dass die Dauer der Leistung keine Rolle für die Auslegung der Befreiung spielt: „dass so kurz andauernde Tätigkeiten wie die Benutzung eines Hotelzimmers für nur eine Nacht oder die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen dem ersten Anschein nach unter den Begriff der Vermietung oder Verpachtung fielen.“ Weiter wurde gesagt, dass kein exklusiver Besitz erforderlich sei: „Die Begriffe der Verpachtung und der Vermietung setzen weder das Bestehen eines ausschließlichen Besitzrechts noch einer bestimmten Dauer der Wahrnehmung des Rechts zur Benutzung eines Gegenstands voraus. Jede andere Auslegung sei unvereinbar mit Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 2 der Sechsten Richtlinie, aus dem hervorgehe, dass die Vermietung von Abstellplätzen für Fahrzeuge dem ersten Anschein nach unter den Begriff der Verpachtung oder Vermietung im Sinne der Bestimmung falle. Ein solcher Vertrag setze nämlich weder eine ausschließliche Benutzung des Parkplatzes noch auch nur eines bestimmten Stellplatzes auf der Parkfläche voraus.“ In dieser Sache wurde der Begriff „Vermietung und Verpachtung“ so verstanden, dass er eine Vereinbarung über eine Dauer voraussetzt, und dass der berechnete Preis diese Dauer widerspiegeln sollte. 2.45 In Bezug auf exklusiven Besitzt nahm der EuGH in der Rechtssache Stichting Goed Wonen eine striktere Linie ein und begann, die Frage nach „Vermietung oder Verpachtung“ im Sinne einer passiven Aktivität, die nicht zur Schaffung eines Mehrwertes führt, zu entwickeln. Wenn Immobilien jedoch einer steuerpflichtigen Person zur Verfügung gestellt werden, leistet dieser Tatbestand einen Beitrag zur Herstellung von Gütern und Dienstleistungen innerhalb des Wirtschaftssystems, deren Kosten über ihren Preis weitergegeben werden. Der niederländische Verband war mit der Berechnung der Mehrwertsteuer für die Gewährung eines 10-jährigen Nießbrauchs für einen Wohnblock im Recht. Der Nießbrauch wurde akzeptiert als: „dass dem Betreffenden auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen.“ Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 167 Aus wirtschaftlicher Sicht hat dies gemeinsame Merkmale mit dem Begriff der „Vermietung“ und daher können die Mitgliedsländer diesen auch als solchen behandeln, ungeachtet seiner davon getrennten rechtlichen Natur. 2.46 Dieser Ansatz wurde jedoch vom EuGH in der Rechtssache Belgischer Staat gegen Temco Europe SA (C-284/03 [2005]) revidiert. Temco überließ Räume an Empfänger für ihre Geschäftstätigkeit ohne eine bestimmte Laufzeit und die Miete war teilweise an Umsatz und Mitarbeiterzahl gebunden. Wie in Stockholm Lindopark (C-150/99) (siehe unten) betonte das Urteil des EuGH das Kriterium der Passivität als „Vermietungs- oder Verpachtungsvereinbarung“: „die, so wie sie durchgeführt werden, im Wesentlichen die Übertragung des passiven Nutzungsrechts an Gebäuden oder Flächen gegen eine Vergütung zum Gegenstand haben, die nach dem Zeitablauf zu bemessen ist.” Das Fehlen der Exklusivität und einer vereinbarten Laufzeit war nicht entscheidend. Die Änderung seiner Haltung erklärte das Gericht wie folgt: Die Exklusivität könnte geteilt werden und muss lediglich „gegenüber allen anderen Personen, die nicht im Gesetz oder im Vertrag als Personen genannt sind, die ein Recht an der Sache, die Gegenstand des Mietvertrags ist, geltend machen können,“ zur Verfügung stehen. Vorherige Entscheidungen hatten die Frage der Laufzeit in ihre Überlegungen zur Unterscheidung zwischen einer Vermietung und einer industriellen und gewerblichen Tätigkeit einbezogen, bei der ein Leistungsangebot anstelle einer „schlichten Zurverfügungstellung von Immobilien“ als „eine Tätigkeit, die einfach mit dem Lauf der Zeit verbunden ist und keinen wesentlichen Mehrwert erzeugt“, angesehen wurde. 2.47 Seitdem ist der EuGH diesem Ansatz weiter in der Rechtssache Fonden Marselisborg Lystbådehavn (C-428/02) gefolgt, wo Vereinbarungen über das Anlegen und Lagern von Booten als befreite „Vermietung oder Verpachtung“ angesehen wurden, obwohl die Anlegestelle bei Abwesenheit des Bootes für mehr als einen Tag dann Besuchern ohne Bezahlung angeboten wurde, wie: „eine solche gelegentliche, den Inhaber nicht beeinträchtigende Nutzung kann nämlich an seinem Verhältnis zu dem Hafenbetreiber nichts ändern.“ 2.48 Was ist das Hauptmerkmal des Umsatzes? Zum Zwecke des Mehrwertsteuergesetzes ging es um die Frage, das Merkmal des Hauptumsatzes festzustellen. Dafür unterscheidet der EuGH zwischen Tätigkeiten, bei denen es sich im Wesentlichen eher um ein Leistungsangebot als einer reinen Zurverfügungstellung von Grundstücken handelt. 168 Europäische Bewertungsstandards 2012 2.49 In der Rechtssache Mirror Group plc (C-409/98 [2001]) sagte der Generalanwalt: „Denn der Gesichtspunkt, dass die Merkmale der Vermietung und Verpachtung in einem gegebenen Vertrag vorherrschen müssen, damit dieser unter die entsprechende Befreiung fallen kann, erscheint mir hier sehr wichtig. Dies läuft darauf hinaus, von der Befreiung Verträge auszunehmen, die zwar mit Miet- und Pachtverträgen gewisse Gemeinsamkeiten haben, deren Gegenstand aber im Wesentlichen eine mit der Nutzung des Grundstücks zusammenhängende Dienstleistung ist. … Um beurteilen zu können, welches die vorherrschenden Merkmale eines bestimmten Vertrages sind, kann man sich jedoch nicht auf eine abstrakte und rein formale Untersuchung dieses Vertrages beschränken, sondern muss seine wirtschaftliche Funktion berücksichtigen, d. h. die konkrete Funktion, die ihm objektiv zugedacht ist, um den Interessen der Parteien gerecht zu werden. Mit anderen Worten: Es ist die Causa des Rechtsgeschäfts im Sinne der Rechtstradition mehrerer europäischer Länder zu ermitteln, verstanden als die wirtschaftliche Funktion des Vertrages, die dem Ausgleich der einander gegenüberstehenden Interessen dient. Im Fall eines Mietvertrages besteht diese Funktion wie gesagt in der Übertragung der ausschließlichen Nutzung eines Grundstücks für einen bestimmten Zeitraum von einer Person auf eine andere.“ Er schloss mit Unterstreichung der Bedeutung, die der Laufzeit eines Nutzungsrechts über die Immobilie zukommt. 2.50 In der Rechtssache Stockholm Lindopark ging es um die Leitung eines Golfplatzes durch ein Entwicklungsunternehmen zur exklusiven Nutzung durch Gesellschaften, die ihren Mitarbeitern und Kunden eine Gelegenheit zum Golf spielen anbieten konnten. Der EuGH entschied wie folgt: Bei der Leitung eines Golfplatzes handelt es sich grundsätzlich nicht nur um die passive Tätigkeit der Zurverfügungstellung des Platzes, sondern auch um eine Reihe gewerblicher Tätigkeiten und fortlaufender Wartung. Die Vermietung eines Golfplatzes stellt nach der Sachlage kaum das Hauptmerkmal der erbrachten Leistung dar. Die Erlaubnis zur Nutzung des Platzes ist höchstwahrscheinlich sowohl im Hinblick auf den Zweck als auch die Nutzungsdauer beschränkt. Der Zeitraum der Ausübung des Rechts zur Nutzung eines Grundstücks ist ein wesentliches Element einer Vermietung. 2.51 In der Rechtssache Sinclair Collis (C-275/01) befand der EuGH, dass das gewerbliche Ziel bei der Anbringung von Zigarettenautomaten auf dem Grundstück eines Inhabers im Verkauf von Zigaretten besteht. Obwohl die Vereinbarung Wett- Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 169 bewerber ausschloss, konnte es sich nicht um die „Vermietung oder Verpachtung“ von Grundstücken handeln, auch wenn die Automaten noch so fest mit den Räumlichkeiten verbunden waren, da lediglich begrenzte Besitz- und Kontrollrechte eingeräumt wurden. Zahlungen in Bezug auf Mietverhältnisse zwischen Vermietern, Mietern und Bevollmächtigten 2.52 Damit eine Zahlung steuerbefreit ist, muss sie für einen befreiten Umsatz geleistet werden. Wo ein Mieter eine Zahlung für die Übernahme einer Pacht leistet, ist diese steuerbefreit, unabhängig davon, ob es sich um die Zahlung einer Miete oder eines Aufgeldes handelt. Verschiedene Mietvarianten sind üblicherweise ebenfalls befreit. 2.53 Versorgungsgebühren sind ausschließlich dann befreit, wenn sie eine Nebenleistung eines befreiten Immobilienumsatzes darstellen und vom Vermieter anstelle eines Dritten geliefert werden. 2.54 Rückzahlungen – Damit eine Rückzahlung steuerbefreit ist, muss nicht nur nachgewiesen werden, dass diese Zahlung für eine Lieferung geleistet wurde, sondern dass es sich bei der Lieferung auch um ein Grundstück handelt. Die Mehrwertsteuer wird auf die Lieferung von Waren und Dienstleistungen fällig und nicht auf eine Zahlung. Wird eine Lieferung ausgewiesen, ist es eine Frage der Prüfung, ob diese Lieferung unter die Befreiungen nach Artikel 135 fällt. Die maßgeblichen Rechtssachen vor dem EuGH sind der Fall Mirror Group plc und Cantor Fitzgerald International (C-108/99 [2001]), in denen eine frühere Entscheidung in der Sache Lubbock Fine (C-63/92 [1994]) aufgehoben wird. 2.55 Wo ein Vermieter einen Mieter für die Übernahme einer Miete/Pacht bezahlt, kann es sein, dass es hier keine Lieferung durch den Mieter gibt bzw. diese der Mehrwertsteuer unterliegt (siehe Mirror Group plc), wie auch unter Umständen, wo die Zahlung für Arbeiten am Gebäude geleistet wurde; der Mieter den Vermieter dafür bezahlt, dass er die Überlassung der Mietsache genehmigt, kann dies der Mehrwertsteuer unterliegen; ein ausziehender Mieter einen Bevollmächtigten für die Übernahme der Mietsache bezahlt, kann es sich um eine mehrwertsteuerpflichtige Lieferung durch den neuen Mieter handeln (siehe Cantor Fitzgerald). 170 Europäische Bewertungsstandards 2012 Weitere Mehrwertsteuerfragen in Verbindung mit Immobilien 2.56 Übertragung von Vermögen – Artikel 19 der Richtlinie erlaubt den Mitgliedsländern, die Übertragung eines „Gesamtvermögens“ so zu behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den neuen Eigentümer schlicht als Rechtsnachfolger des Übertragenden anzusehen. Dies erlaubt den Erwerb eines Unternehmens ohne Anwendung der Mehrwertsteuer. 2.57 Investitionsgüter – Artikel 187 bis 191 der Richtlinie können auf dauerhafte Güter wie beispielsweise Gebäude oder wesentliche Arbeiten an ihnen Anwendung finden, mit der der Vorsteuerabzug auf mehrere Jahre verteilt wird. Gesetzgebung – Siebte Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG – Richtlinie 2009/47/EG zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze 3. Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit 3.1 Die Gesetzgebung der Europäischen Union zu Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz kann auf die Nutzung und somit auf den Wert von Immobilien einigen Einfluss ausüben. Die Gesetzgebung über die Gefahren durch Industrietätigkeiten und deren Umgang mit Gefahrenstoffen kann umfangreiche Beschränkungen hinsichtlich der Nutzung und des Entwicklungspotenzials zur Folge haben. 3.2 Gefahren durch Industrietätigkeiten und den Umgang mit Gefahrstoffen – Nach Richtlinie 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen sind die Mitgliedsländer aufgefordert, Strategien zur Flächennutzungsplanung an Standorten mit gefährlichen Tätigkeiten einzuführen. Diese Richtlinie ist auch als Seveso II Richtlinie aufgrund ihres Ursprungs als Reaktion auf die Freisetzung von Dioxinen bei einem Unfall in einem Chemiewerk in der Nähe von Seveso bekannt. Sie wurde 1997 novelliert und darauf folgend mit Richtlinie 2003/105/EG nach Industrieunfällen in Toulouse, Baia Mare und Enschede erweitert. Ihr Ziel ist es, dass „die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass in ihrer Politik der Flächenausweisung oder Flächennutzung und/oder anderer einschlägiger Gesetzgebung das Ziel, schwere Unfälle zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen, Berücksichtigung findet.“ Die Maßnahmen, die zur Erreichung dieser Ziele getroffen werden sollten, nennen unter anderem die Steuerung von neuen Ansiedlungen in der Nachbarschaft von bestehenden gefährlichen Anlagen und der Ansiedlung von neuen gefährlichen Anlagen. Die Ergänzungen von 2003 erstrecken sich auf Risiken aus Lagerungs- und Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 171 Verarbeitungstätigkeiten im Bergbau, über pyrotechnische und explosionsfähige Stoffe bis hin zu Risiken aus der Lagerung von Ammoniumnitrat und Düngemitteln auf Basis von Ammoniumnitraten. 3.3 Die entsprechenden Strategien zur Flächennutzungsplanung können die Nutzung von Grund und Boden in der Nähe von größeren Industrieansiedlungen wie beispielsweise Chemieanlagen und Ölraffinerien beschränken, ihre Reichweite kann jedoch auch weit größer sein. In Großbritannien können z. B. die Gebiete entlang des Verlaufs einer Hochdruckgaspipeline betroffen sein. Solche Beschränkungen hinsichtlich des Entwicklungspotenzials können den Wert von Grundstücken und Gebäuden beeinflussen und erfordern gegebenenfalls Bewertungen im Rahmen der Entschädigung oder Schadensminderung. 3.4 Die Seveso II Richtlinie ist vor kurzem überarbeitet worden und eine neue Richtlinie soll sie ab Juni 2015 ersetzen. Die Hauptvorschläge in dem neuen Entwurf beziehen sich auf erweiterten öffentlichem Zugang zu Informationen und einer Erhöhung der Überprüfungsstandards. Gesetzgebung – Richtlinie 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso II Richtlinie) – Richtlinie 2003/105/EG 4. Energie 4.1 Umfangreiche Teile der EU-Energiepolitik widmen sich heute dem Ziel, eine substantielle Reduzierung der Treibhausgasemissionen aus dem Energieverbrauch zu erreichen. Die wesentlichen Vorstöße der Politik sind folgende: Energie sollte aus Quellen stammen, die keinen Nettobeitrag an Treibhausgasen leisten, daher liegt eine sehr starke Betonung auf erneuerbaren Energiequellen. Der Energiebedarf für Heizen und Transport sollte in steigendem Maße aus der Stromerzeugung stammen. Die Energieeffizienz sollte erhöht werden. 4.2 Diese Ziele werden mit einer Reihe von Instrumenten angegangen, die sowohl mittelbare als auch unmittelbare Auswirkungen auf Immobilien und ihre Nutzung haben, von der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden bis hin zur Richtlinie über Großfeuerungsanlagen, die vorsieht, dass einige Gebiete der EU über ein Drittel ihrer Erzeugungskapazität bis 2020 zusätzlich zu planmäßigen Stilllegungen verliert. 172 Europäische Bewertungsstandards 2012 4.3 Es ist das gegenwärtig durch die Richtlinie über Energie aus erneuerbaren Quellen (2009/28/EG) vorgesehene Ziel, den Gesamtenergiebedarf in der EU bis 2020 zu 20 % aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Bis zum 31. Dezember 2014 sollen die Mitgliedsländer den Bezug einer Mindestmenge an Energie aus erneuerbaren Quellen in Neu- und Bestandsbauten verlangen, die einer größeren Renovierung unterzogen werden. Für Treibhausgasemissionen gibt es ein paralleles Ziel, nämlich eine Reduzierung um 20 % bis 2020 ausgehend vom dem Volumen aus dem Jahr 1990 – mit der Möglichkeit, dieses Ziel auf 30 % zu erhöhen, wenn Länder außerhalb der EU hier zuarbeiten. 4.4 Der durch diese Ziele erzeugte Druck zeigt sich in der Mitteilung der Kommission vom November 2010 (KOM(2010) 639): Energie 2020: Eine Strategie für wettbewerbsfähige, nachhaltige und sichere Energie. Dieser Titel spiegelt zwar die für die Energiepolitik mit dem Abkommen von Lissabon festgelegten Ziele wieder, stellt jedoch im Text auch fest, dass sich „die Umstellung der Energiesysteme in Europa zu langsam vollzieht, während gleichzeitig die Herausforderungen immer größer werden“. Ebenfalls wird der Sorge Ausdruck gegeben, dass die EU nicht alle Energieziele bis 2020 erreichen könnte: „Die Zeit drängt. Daher wird die Kommission den Großteil der Vorschläge dafür, wie die 2020-Ziele erreicht werden können, in den nächsten 18 Monaten vorlegen. Die dazugehörige Diskussion, Verabschiedung und Umsetzung müssen rasch erfolgen. Auf diese Weise wird die EU in einer besseren Position sein, die Bausteine für die bis 2020 angestrebten Zielvorgaben (Standards, Rechtsvorschriften, Regelungen, Pläne, Projekte, finanzielle und personelle Ressourcen, Technologiemärkte, gesellschaftliche Erwartungen usw.) zu schaffen und die Bürger Europas auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten.“ 4.5 All dies hat auch für Immobilien Auswirkungen, ob als Standort für die Erzeugung erneuerbarer Energien oder hinsichtlich einer Effizienzverbesserung bei ihrem Energieverbrauch. Wenn sich die Kosten von Immobilien zusammen mit dem Transport und anderen Hauptfaktoren im täglichen Leben für den Bürger deutlich ändern, kann dies die Entscheidungen von Nutzern und Investoren über die Art und den Standort von Immobilien beeinflussen. 4.6 Energieeffizienz – Es gibt ein deutliches Interesse an einer Verbesserung der Effizienz aus den verschiedenen Energiequellen, damit der größte Nutzen aus dem geringsten Verbrauch von Ressourcen gezogen und in Folge der wahrscheinliche Anstieg in der Energienachfrage eingedämmt werden kann. Sowohl die Fragen über Effizienz als auch Treibhausgase können über die Bepreisung des Kohlenstoffausstoßes mit Hilfe von Mechanismen wie dem Europäische Emissionshandelssystem angegan- Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 173 gen werden, wodurch die Nutzung von fossilen Treibstoffen zur Energieerzeugung relativ teurer wird. In gleichem Maße hat der Energieerhalt eine Schlüsselrolle einzunehmen und dies ist insbesondere für Gebäude von Bedeutung. 4.7 Die beste bekannte Maßnahme der EU in dieser Hinsicht ist die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden von 2002, die nunmehr durch die neugefasste Richtlinie von 2010 ersetzt wurde. Sie findet auf Gebäude und ihre technische Ausstattung und nicht auf die in ihnen angesiedelten Betriebsarten Anwendung. 4.8 Eines ihrer Hauptziele ist es, die Aufmerksamkeit der Märkte vermehrt auf Energieineffizienz und Kosten zu lenken. Ihr Vorgänger hat das System der Energieausweise eingeführt (Energy Performance Certificate – EPC), mit denen jedem Betrieb ein Energieeffizienzrating mit Hilfe eines relativ standardisierten Systems verliehen wird. Diese Ausweise sind für eine große Anzahl an Gebäuden bei Verkauf oder Vermietung an einen neuen Mieter verpflichtend, im Wesentlichen sind dies fast alle Wohn- und Gewerbeimmobilien als auch Gebäude der öffentlichen Hand sowie die meisten anderen Gebäude, es sei denn, es handelt sich um „Niedrigenergiegebäude“. 4.9 Die neue Richtlinie baut darauf auf und verlangt, dass in Anzeigen zum Verkauf oder zur Vermietung einer Immobilien ab dem 9. Januar 2013 das Energieverbrauchsrating des Gebäudes genannt wird, und dass der Energieausweis von Gebäuden über 500 m2 mit häufigem Publikumsverkehr an gut sichtbarer Stelle ausgehängt wird. 4.10 Nach der Richtlinie muss es sich bei neuen Gebäude bis zum 31. Dezember 2020 um „Niedrigstenergiegebäude“ handeln (nach dem 31. Dezember 2018 neue Gebäude, die von Behörden als Eigentümer genutzt werden) – ein anspruchsvolles Ziel, das auch andere Vorstöße in der Politik, die Anforderungen an Energieeffizienz in nationalen Baustandards zu erhöhen, verstärkt. Sie verlangt jedoch nicht die Durchsetzung von Standards für Bestandsgebäude, mit Ausnahme dort, wo eine Renovierung als „grundlegende Renovierung“ angesehen wird, wodurch dann die Einhaltung der Energieeffizienzstandards verlangt wird. Die Richtlinie führt Verpflichtungen zu regelmäßigen Inspektionen für größere Heiz- und Klimaanlagen ein. 4.11 Auf diese Richtlinie wird in EVA8 ausführlich eingegangen. Gesetzgebung – Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen – Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden 174 Europäische Bewertungsstandards 2012 5. Umwelt 5.1 Allgemeines 5.1.1 Bewertung und Umweltfragen – Die professionelle Bewertung einer Immobilie kann lediglich die aktuelle Marktsituation widerspiegeln, so wie sie zum Bewertungsstichtag mit ihrem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, ihren Erwartungen und Bedenken sowie den Informationen, die der Markt für bedeutsam hält, um es auf einen Nenner zu bringen. Die für Immobilien bedeutsame Gesetzgebung und Politik ist Teil dieser Situationsmatrix, aber sie kann diese nicht notwendigerweise verändern. Bewertungen können dem Markt nicht vorgreifen. 5.1.2 Regelungen zum Umweltschutz können den Inhabern und Nutzern von Immobilien und Betrieben hohe Kosten auferlegen, weshalb es wichtig ist, die möglichen Auswirkungen solcher Vorschriften in bestimmten Situationen und in diesem Zuge ihre Konsequenzen für den Wert einer Immobilie zu erfassen. Auch Kreditgeber teilen dieses Interesse, da sie die entsprechenden Faktoren bei einer Kreditvergabe berücksichtigen müssen. 5.1.3 Ausweitung der Gesetzgebung zum Umweltschutz durch die Europäische Union – Die ursprünglichen Verträge von Rom von 1957 erwähnen den Umweltschutz nicht. Als Umweltprobleme in den frühen siebziger Jahren an Bedeutung gewannen, gab es die erste offizielle Bezugnahme der EU auf die Umwelt in einer Erklärung der damals sechs Staatsoberhäupter im Oktober 1972. Damit wurde das erste der sechs Aktionsprogramme für die Umwelt eingeführt, in denen weitgefasste politische Ziele festgelegt wurden. Das aktuelle sechste Programme bezieht sich auf den Zeitraum von 2002 bis 2012 und hat vier „Hauptprioritäten für den Umweltschutz“: Klimawandel, Natur und biologische Vielfalt, Umweltschutz mit Gesundheit und Lebensqualität sowie natürlichen Ressourcen und Abfälle. 5.1.4 Zunächst durch das Fallrecht und nachfolgend durch internationale Abkommen wurden die Aktivitäten der Europäischen Union in der Umweltpolitik Zug um Zug ausgeweitet, mit der Begründung, dass die Ursachen und Auswirkungen von vielen Problemen über die Grenzen der Einzelstaaten hinausgehen. Im Zeitraum von 1973 bis 1986 wurde die EU-Umweltgesetzgebung für Wasser, Abfall und dann Luftverschmutzung stetig ausgebaut, bevor es einen weiteren Impuls durch den Unfall bei Seveso gab. Die Rolle der EU wurde insbesondere durch die Einheitliche Europäische Akte von 1987 (in der aktuellen Fassung) bestätigt und vom EuGH durch rechtsstaatliche Auslegungen angewandt, wie beispielsweise im Titandioxidfall (C-300/89 [1991]), wobei die Rechtsprechung tendenziell formellen Änderungen in den staatlichen Vorschriften voraus war. Im Jahr 1989 wurde in der Kommission ein eigenes Umweltdirek- Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 175 torat geschaffen und die Gründung einer Europäischen Umweltagentur wurde im Jahr 1990 vereinbart, welche seit 1993 einsatzfähig ist und alle drei Jahre einen Bericht über den Zustand der europäischen Umwelt zu erstellen hat. Die EU verabschiedet nicht nur bestimmte Gesetze, sondern sie legt den Rahmen für eine allgemeine und umfassende Umweltpolitik fest. Eine „Strategie zur nachhaltigen Entwicklung“ wurde 2001 vereinbart. 5.1.5 Es handelt sich hier um einen weiten, verschiedenartigen, komplexen und sich entwickelnden Bereich mit beträchtlichen Konsequenzen für Immobilieneigentum. Für jedes Element der EU-Gesetzgebung ist im Allgemeinen auch eine Grundlage aus der Fallrechtsprechung vorhanden und diese ist, insbesondere bei Richtlinien, oft verborgen oder manchmal auch erweitert durch die Umsetzung in nationale Verordnungen. Daher gibt es oft damit eng verbundene, nachfolgende Gesetzesnovellen und die entsprechende EU-Gesetzgebung für jedes einzelne Element. 5.1.6 Die erste wesentliche Intervention der EU im Sinne des Naturschutzes war die Wildvögel-Richtlinie von 1979, mit der ein Ansatz für eine Schutzpolitik etabliert wurde, der später durch die Habitat-Richtlinie erweitert wurde. Diese Schutzinteressen wurden dann auf einer breiteren Basis über die Umweltverträglichkeits-Richtlinie angewandt, die zunächst eine Rolle für größere Entwicklungspläne spielte, aber heute für zahlreiche Entwicklungsprojekte einen wesentlichen Faktor darstellt. 5.1.7 Die Einheitliche Europäische Akte von 1987 war die erste formelle Bestätigung der Rolle der EU in der Umweltpolitik, was zuvor nicht in dieser Klarheit sichtbar war. Das Urteil des EuGH im Titandioxidfall [1991] und in der Rechtssache Wallonian Waste (C-2/90 [1993]) beschäftigte sich eingehend mit der Position der EU. Seither hat ihre Rolle sich gefestigt und wurde mit dem Vertrag von Amsterdam von 1997 in den Artikeln 95 und 174 bis 176 weiter bestärkt. Artikel 174(2) lautet schlicht: „Die Umweltpolitik der Gemeinschaft zielt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau ab. Sie beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip.“ Seit dem Vertrag von Amsterdam heißt es in Artikel 6 des Vertrages über die Europäische Union: „Die Erfordernisse des Umweltschutzes müssen bei der Festlegung und Durchführung der in Artikel 3 genannten Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden.“ 176 Europäische Bewertungsstandards 2012 Im Ergebnis ist der Umweltschutz damit ein integraler Bestandteils des Rahmenwerks in der EU-Gesetzgebung und zusammen mit dem Vorsorge- und Verursacherprinzip ist eine „nachhaltige Entwicklung“ als Kernprinzip bestätigt worden (dies wird ebenfalls in der Neufassung von Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union erwähnt). Artikel 95 und 176 erlauben den Mitgliedsländern, auch strengere Regelungen zu ergreifen. 5.1.8 Der Umweltschutz ist kein übergeordnetes Ziel, das andere außer Kraft setzt. Der Generalanwalt des EuGH kommentierte in der Rechtssache The Queen gegen Secretary of State for the Environment, Transport and the Regions, ex parte: First Corporate Shipping Limited (C-371/98 [2000]), dass der Verweis auf eine „nachhaltige Entwicklung“ in der Präambel des Vertrages nicht bedeutet, „dass Umweltbelangen unbedingt und systematisch der Vorrang vor Belangen zu geben ist, die im Rahmen anderer von der Gemeinschaft nach Artikel 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 EG) verfolgten Politiken geschützt werden.“ Es ist ein politisches Anliegen, widerstreitende Interessen auf EU-Ebene in Einklang zu bringen. Dies wurde noch vor kurzem durch den Generalanwalt in der Rechtssache Österreich gegen Parlament und Rat (C 161/04 [2006]) bestätigt: „Diese Vorschrift ist zwar in imperativer Form formuliert, doch legt sie entgegen dem Vorbringen der Republik Österreich keinen Maßstab fest, nach dem bei der Festlegung von Gemeinschaftspolitiken der Umweltschutz immer als der vorrangige Belang zu gelten hätte. Eine solche Auslegung würde das Ermessen der Gemeinschaftsorgane und des Gemeinschaftsgesetzgebers unangemessen einschränken. Die Vorschrift kann höchstens als Verpflichtung der Kommission betrachtet werden, in anderen Politikbereichen als dem Umweltschutz im engeren Sinn ökologische Belange angemessen zu berücksichtigen. Nur wenn ökologische Belange offensichtlich nicht berücksichtigt oder vollständig außer Acht gelassen wurden, kann Artikel 6 EG als Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Rechtsvorschriften der Gemeinschaft dienen.“ 5.1.9 Maßnahmen zum Klimawandel – Die Europäische Union konzentriert sich in steigendem Maße auf Maßnahmen zur Milderung des Klimawandels. Zum Teil geschieht dies über Gesetzgebung zu Energiefragen (siehe Abschnitt 4 oben), aber auch unmittelbarer über Beschränkungen für Treibhausgasemissionen. Gebäude werden für 40 % der Emissionen verantwortlich gemacht, wobei sich das Problem durch die Bewirtschaftung des Bodens entweder verschärfen oder verbessern kann. Das Emissionshandelssystem und andere Maßnahmen können die Wirtschaftlichkeit einiger Unternehmen beeinflussen. Generell ausgedrückt, könnten es viele Immobilienbesitzer und Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 177 -nutzer als wichtig erachten, die kommerziellen Fragen, die sich durch CO2-Reduktionsprogramme in der Bewertung von Immobilien ergeben, zu klären: Bieten sich hier einfache Möglichkeiten der Förderung oder ist eine Anpassung teuer? 5.2 Umweltverträglichkeitsprüfung und strategische Umweltprüfung 5.2.1 Im Allgemeinen hat die EU relativ wenig in die Raumordnungspolitik eingegriffen, jedoch tut sie dies auf eine Weise, die die Entscheidungen zu spezifischen Vorhaben beeinflussen. Ihre am weitesten reichende Intervention in die Raumplanung geschah über die Richtlinie zu Umweltverträglichkeitsprüfungen, die 1985 verabschiedet und 1997 überarbeitet wurde und Anwendung auf bestimmte Kategorien von Erschließungsvorhaben findet. 5.2.2 Sie hat zum Ziel, eine systematische Erfassung, d. h. eine Umweltverträglichkeitsprüfung, der wahrscheinlichen Auswirkungen eines Erschließungsvorhabens auf die Umwelt sicher zu stellen, und ebenso Maßnahmen zu berücksichtigen, die beträchtliche nachteilige Effekte vermeiden würden. Dies beruht auf einem strukturierten Ansatz unter Verwendung von Fachgutachten, die als Unterstützung für diejenigen dienen, die die Entscheidungen über die Raumordnung bzw. Erschließungsmaßnahmen treffen. 5.2.3 Das Urteil des EuGH in der Sache Kommission gegen Irland (C-215/06) äußert die Ansicht, dass ein Mitgliedsland nicht berechtigt ist, eine neue Planungsgenehmigung rückwirkend für ein Vorhaben zu erteilen, für das keine UVP eingereicht wurde, ohne dass eine neue UVP zur Verfügung gestellt wird. Dies könnte für die Begutachtung einiger Immobilien ein bedeutender Aspekt sein. 5.2.4 2001 erweiterte die Richtlinie über strategische Umweltprüfungen die Notwendigkeit einer Umweltbegutachtung für Pläne oder Programme, mit denen der Rahmen für zukünftige Erschließungsgenehmigungen für Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Transport, Abfallmanagement, Wassermanagement, Telekommunikation, Tourismus und Entwicklungsplanung gelegt wird. Dies bezieht sich auf die in Anhang I bzw. II der SUP-Richtlinie von 1985 genannten Projekte und alle Vorhaben, die gemäß der Habitat-Richtlinie von 1992 eine Prüfung erfordern. Gesetzgebung – Richtlinie 97/11/EG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (allgemein Richtlinie über strategische Umweltprüfungen genannt) 178 Europäische Bewertungsstandards 2012 5.3 Wasser 5.3.1 Fast alle Fragen zum Thema Wasser lassen sich automatisch in drei Kategorien unterteilen: Wasserqualität – Verunreinigung in verschiedenen Formen Wasserknappheit – Wassermangel Wassermenge – Hochwassergefahr Die EU-Politik hat sich in der Vergangenheit hauptsächlich auf das Thema der Wasserqualität konzentriert, mit der weiterreichenden Wasserrahmenrichtlinie wird der Aspekt der Verknappung jedoch nunmehr vorbehaltlos angesprochen und die neue Hochwasserrichtlinie erfordert sogar spezifische Maßnahmen, falls ein Hochwasserrisiko besteht. Die ökologische Rolle von Gewässern findet in der Gesetzgebung zum Naturschutz Anerkennung, wobei sich hierdurch in manchen Fällen beträchtliche Einschränkungen für Entwicklungsprojekte ergeben. 5.3.2 Das erste EU-Gesetz zur Wasserqualität war die Richtlinie über die Qualitätsanforderungen von Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung von 1975, die seit 1990 ständig erweitert wurde. Das aussagekräftigste Gesetz ist die Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000, die bis 2015 vollständig umgesetzt werden muss und den Mitgliedsländern Bußgelder für Verstöße gegen die Standards in Aussicht stellt. 5.3.3 Die Verursachung von Wasserverschmutzung lässt sich in punktuelle (z. B. ein bestimmtes Abwasserrohr, eine Fabrikabflussleitung oder ein örtlicher Unfall) und diffuse Verunreinigungsquellen, beispielsweise aus der näheren Umgebung, unterscheiden. Die allgemeine Gesetzgebung zur Umweltverschmutzung kann einen effektiven Beitrag zur Begrenzung möglicher punktueller Verunreinigungen leisten und Zwischenfälle mit Sanktionen versehen. Die Wasserrahmenrichtlinie beschäftigt sich mit den schwerwiegenderen Problemen aus diffusen Verschmutzungsquellen durch in der Umgebung vorhandene Schadstoffe, bei denen es sich um alles vom Boden angefangen, über Düngemittel, Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmittel, tierische Abfälle und städtische Abwässer bis hin zu natürlich vorkommenden Chemikalien und Bakterien handeln kann. 5.3.4 Die Schadstoffrichtlinie von 1976 forderte die Mitgliedsländer auf, die Einleitung von festgeschriebenen Substanzen in Abwasserkanäle zu überwachen, welches durch spätere, spezifische Richtlinien über Einleitungen in Abwasserkanäle nochmals verschärft wurde. Die Bedingungen für Einleitungsgenehmigungen können einen erhöhenden oder vermindernden Einfluss auf den Wert einer betroffenen Immobilie haben. Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 179 5.3.5 Die erste Grundwasserrichtlinie wurde 1980 eingeführt, mit der die Mitgliedsländer aufgefordert sind, Maßnahmen zur Verhütung der Verschmutzung des Grundwasser durch eine große Bandbreite an Stoffen zu ergreifen, deren Einleitung in Abhängigkeit von ihrer Toxizität entweder zu verbieten oder zu kontrollieren ist. Die Richtlinie soll 2013 durch die Wasserrahmenrichtlinie aufgehoben werden und eine neue Grundwasserrichtlinie wurde 2006 erlassen, die ihre Stelle zu gegebener Zeit einnehmen wird. 5.3.6 Die Nitratrichtlinie wurde 1991 zur Reduzierung der Wasserverschmutzung durch Nitrate aus landwirtschaftlichen Quellen und Vermeidung weiterer Verschmutzung dieser Art eingeführt. Sie verlangt von den Mitgliedsländern, bestimmte nitratempfindliche Gebiete einzurichten, in denen „gute landwirtschaftliche Praktiken“ einzuführen sind, die die Ausbringungsraten für stickstoffhaltige Düngemittel begrenzen und Lagerungsmöglichkeiten für Dung und Gülle erfordern. Oberflächen- und Grundwasserreservoire sind ebenso wie die Eutrophierung von frischem Oberflächenwasser sowie von Küsten- und Mündungsgewässern zu überwachen. 5.3.7 Die Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser von 1991 verlangt, dass die Einleitung von industriellen Abwässern in Klär- oder Aufbereitungsanlagen vorheriger gesetzlicher Regelung unterliegen muss. Gleiches gilt für jegliche notwendige Vorbehandlung zur Senkung des Verschmutzungspotenzials und die Verwendung von Kanalisationssystemen, bei deren „Entwurf, Bau und Unterhaltung die optimalen technischen Kenntnisse“ zugrunde zu legen sind, „die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“. Dieser Grundsatz findet auf Anlagen Anwendung, die nach dem „Einwohnerwert“ (EW) bemessen werden, bei dem es sich um eine Maßeinheit für die organische biologisch abbaubare Belastung durch die Abwässer handelt. In „empfindlichen“ Gebieten finden strengere Vorschriften Anwendung. 5.3.8 Die Wasserrahmenrichtlinie ist auf Oberflächengewässer (Seen, Reservoirs, Flüsse, Kanäle, Mündungsgebiete und Gewässer bis zu einer Seemeile seewärts vom Ufer aus) und Grundwasser anwendbar. Ihre Ziele sind folgende: Verhinderung einer weiteren Verschlechterung von Gewässern sowie Schutz und Förderung aquatischer Ökosysteme; Förderung einer nachhaltigen Wassernutzung, die auf dem langfristen Schutz der verfügbaren Wasserressourcen beruht; Reduzierung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten von prioritären Stoffen und die Beendigung oder schrittweise Einstellung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten von prioritären gefährlichen Stoffen in die aquatische Umwelt. Prioritäre Stoffe werden sowohl in der Rahmenrichtlinie als auch in der Richtlinie über Umweltqualitätsnormen geregelt. 180 Europäische Bewertungsstandards 2012 Reduzierung und Verhinderung von Grundwasserverschmutzung; Beitrag zur Minderung der Auswirkungen von Überschwemmungen und Dürren. Die Rahmenrichtlinie erfordert strategische Bewirtschaftungspläne für jedes Flussgebiet, die zeigen sollen, wie die Ziele für die Gewässer zu erfüllen sind und die sowohl punktuelle als auch diffuse Schadstoffquellen zu nennen haben. Die Mitgliedsländer haben für einen guten Oberflächenwasserzustand im Hinblick auf seine chemische und auch ökologische Zusammensetzung zu sorgen und schützen den chemischen Zustand sowie die Menge des Grundwassers (so dass der Pegel nicht durch eine hohe Vorgabe zur Entnahme sinkt). Diese Standards werden nicht näher definiert, sie müssen jedoch bis zum 22. Dezember 2015 erfüllt werden, insbesondere in Gebieten, die nach anderem EU-Gesetz ausgewiesen sind. Ansonsten kann die Zielerreichung bis 2021 bzw. 2027 verschoben werden. 5.3.9 Der Rahmenrichtlinie dienen mehrere „Tochterrichtlinien“ als Hilfestellung für die Umsetzung. Zu den bereits verabschiedeten Richtlinien zählen folgende: Richtlinie 2006/11/EG über gefährliche Stoffe – als vorläufige Maßnahme Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG Diesen Richtlinien folgten weitere, unter anderem die Richtlinie über Umweltqualitätsnormen, die prioritäre Stoffe auflistet und ihre Grenzwerte festlegt, sowie die Erstellung eines Emission-, Einleitungs- und Verlustinventarisierung für jedes Flussgebiet fordert. 5.3.10 Die Hochwasserrichtlinie schafft einen Rahmen für die Beurteilung und das Management von Hochwasserrisiken sowohl im Inland als auch an Küsten. Die Mitgliedsländer sind verpflichtet, eine Beurteilung für jeden Einzugsbereich von Flussgebieten durchzuführen, Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten zu erstellen sowie Hochwassermanagementpläne einzuführen. Falls ein Gebiet als hochwassergefährdet ausgewiesen wird, hat dies Konsequenzen für die betroffenen Immobilien sowohl aufgrund der praktischen Tatsache einer tatsächlichen Überschwemmung als auch durch die Auswirkungen, die durch einen solchen Ausweis für die Erlangung bzw. die Kosten einer Versicherung entstehen können. In manchen Fällen erfordern Maßnahmen zur Bekämpfung von Hochwasser, dass die Überschwemmung einer Fläche zugelassen wird, um eine anderes Grundstück durch eine kontrollierte Umleitung der Wasserströmung zu schützen – mit Auswirkungen auf die Immobilienwerte. Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 181 Gesetzgebung – Richtlinie 75/440/EWG über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung – Richtlinie 76/464/EWG betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft – Grundwasserrichtlinie 80/68/EWG – Richtlinie 91/676/EWG über Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen – Richtlinie 91/271/EWG über die Behandlung von kommunalem Abwasser – Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG – Richtlinie 2006/11/EG über gefährliche Stoffe – Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG – Hochwasserrichtlinie 2007/60/EG – Richtlinie 2008/105/EG über Umweltqualitätsnormen 5.4 Kontaminierte Flächen und Umwelthaftung 5.4.1 Die Richtlinie über Umwelthaftung von 2004 zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (in ihrer jüngsten Fassung) wird für Immobilientransaktionen dann relevant sein, wenn es Verschmutzung oder Kontamination gibt, die den Boden, ausgewiesene Schutzgebiete und das Grundwasser beeinträchtigen. 5.4.2 Durch die Anwendung des Verursacherprinzips kann eine Person nach der Richtlinie haftbar sein, wenn sie als „Betreiber“ angesehen wird. Der Betreiber einer beruflichen Tätigkeit, die in Anhang III der Richtlinie aufgelistet ist, haftet strikt für Maßnahmen zur Vermeidung oder Sanierung von Schäden an Boden, Grundwasser, Oberflächenwasser, Küstengewässern sowie geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen. Der Anhang beruft sich auf die Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und die Abfallrahmenrichtlinie. Bei beruflichen Tätigkeiten, die nicht in Anhang III aufgeführt sind, haftet der Betreiber in Bezug auf Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden an geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen, sofern er hinsichtlich der Ergreifung dieser Maßnahmen nachlässig war oder vorsätzlich gehandelt hat. 5.4.3 Es handelt sich um einen Umweltschaden an Boden, wenn es ein erhebliches Risiko einer Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit aufgrund der Einbringung von „Stoffen, Zubereitungen, Organismen oder Mikroorganismen“ gibt. Der Betreiber, der dem Boden Schaden zugefügt hat, muss dieses erhebliche Risiko beseitigen; 182 Europäische Bewertungsstandards 2012 Gewässern, wenn es erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen oder mengenmäßigen Zustand oder das ökologische Potenzial der betreffenden Gewässer gibt; geschützten Arten oder natürlichen Lebensräumen, wenn erhebliche nachteilige Auswirkungen in Bezug auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser Lebensräume oder Arten bestehen. Sowohl für Gewässer als auch geschützte Arten bzw. Lebensräume ist der Betreiber, der die Schädigung verursacht hat, haftbar für eine primäre Sanierung, mit der das Objekt in seinen Ausgangszustand vor der Schädigung zurückversetzt wird; ergänzende Sanierung, wo der Ausgangszustand nicht wiederhergestellt werden kann; und Ausgleichssanierung, d. h. jede Tätigkeit zum Ausgleich zwischenzeitlicher Verluste, die vom Zeitpunkt des Eintretens des Schadens bis zu dem Zeitpunkt der Wiederherstellung des Ausgangszustands entstehen. 5.4.4 Abfall – Die Thematik der Bodenkontamination interagiert ebenfalls mit den sich weiter entwickelnden EU-Vorschriften zur Regelung von Abfällen, die zum Ziel haben, sowohl die Verminderung von Abfällen als auch ein Ansteigen der Recyclingquote zu beschleunigen. Die wichtigste Gesetzgebung hierzu ist gegenwärtig die Abfallrahmenrichtlinie von 2008, die ausdrücklich folgende Ausnahmen von ihrem Anwendungsbereich nennt: „Böden (in situ), einschließlich nicht ausgehobener kontaminierter Böden und dauerhaft mit dem Boden verbundener Gebäude“ (Artikel 2(1)(b)); und „nicht kontaminierte Böden und andere natürlich vorkommende Materialien, die im Zuge von Bauarbeiten ausgehoben wurden, sofern sicher ist, dass die Materialien in ihrem natürlichen Zustand an dem Ort, an dem sie ausgehoben wurden, für Bauzwecke verwendet werden“ (Artikel 2 (1)(c). Ansonsten ist Abfall wiederzuverwerten oder zu entsorgen ohne die menschliche Gesundheit zu gefährden, ohne Verfahren oder Methoden zu benutzen, die die Umwelt schädigen könnten, und insbesondere ohne Gefährdung von Wasser, Luft, Boden, Pflanzen oder Tiere; Verursachung von Geräusch- oder Geruchsbelästigungen; nachteilige Beeinträchtigung der Landschaft oder von Orten von besonderem Interesse. Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 183 Diese Politik wird mittels Regelungen zu Umweltgenehmigungen, der Erstellung von Abfallbewirtschaftungsplänen und Regelungen zur Fürsorgepflicht umgesetzt. Die Richtlinie wird durch die Deponierichtlinie, die Müllverbrennungsrichtlinie und die Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung unterstützt. Gesetzgebung – Umwelthaftungsrichtlinie 2004/35/EG Abfallgesetzgebung – Deponierichtlinie 99/31/EG – Müllverbrennungsrichtlinie 2000/76/EG – Richtlinie 2008/1/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung – Wasserrahmenrichtlinie 2008/98/EG 5.5 Umweltverschmutzung 5.5.1 Die zentrale Richtlinie zu dieser Thematik ist die Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, die auf Tätigkeiten mit einem wesentlichen Verschmutzungspotenzial Anwendung findet. 5.5.2 Die Einhaltung dieser Normen wird für entsprechende Unternehmen von Bedeutung und daher ein wichtiger Faktor in ihrer Haltung zu Immobilien sein. 5.5.3 Die zuvor erläuterte Wassergesetzgebung hatte sich sowohl mit der punktuellen als auch mit der diffusen Schadstoffquelle befasst. 5.5.4 Einige Richtlinien wenden sich unmittelbar der Luftverunreinigung und damit Emissionen aus verschiedenen Arten industrieller und anderer Anlagen zu, die jedoch alle von den Mitgliedsländern die Festlegung von Kontrollen bezüglich der Luftverunreinigung aus einzelnen Anlagen verlangen. Das bedeutet für einen Gutachter, der sich mit einer solchen Immobilie beschäftigt, dass er erfassen muss, inwieweit die entsprechenden Normen eingehalten werden und welche praktischen Folgen bei möglichen Versäumnissen zu erwarten sind, da diese Aspekte Auswirkungen auf das Wertgutachten haben. Gesetzgebung – Richtlinie 2008/1/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung 184 Europäische Bewertungsstandards 2012 Gesetzgebung zur Luftverschmutzung mit Bedeutung für Immobilien – Rahmenrichtlinie 84/360/EWG zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch Industrieanlagen – Richtlinie 88/609/EWG über Großfeuerungsanlagen – Richtlinie 89/369/EWG über Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll – Richtlinie 96/62/EG über die Beurteilung und Kontrolle der Luftqualität – Richtlinie 1999/13/EG über Emissionen von Lösungsmitteln – Abfallverbrennungsrichtlinie 2000/76/EG – Richtlinie 2001/80/EG über Großfeuerungsanlagen 5.6 Asbest und andere Stoffe 5.6.1 Die Richtlinie über die Kontrolle von Asbest hat umfangreiche Auswirkungen auf die Bewirtschaftung von vielen Gebäuden, die im zwanzigsten Jahrhundert erbaut wurden, als Asbest ein billiges und erfolgreiches Baumaterial war, das in Dachbahnen, als Paneel und auf andere Weise Verwendung fand. Die Richtlinie schloss sich der Auffassung an, dass einige Asbestsorten mit dem Auftreten von Krebs assoziiert sind, und verlangt eine Untersuchung des in einem Gebäude vorhandenen Asbests; und führt Standards zur Entfernung und Entsorgung ein. Dies kann die Kosten für Bauarbeiten an einer Immobilie oder für die Sanierung und Erschließung eines Standorts beträchtlich erhöhen und somit ihren Wert beeinflussen. 5.6.2 Eine solche Beurteilung erfordert Fachkenntnisse. Es ist bei schriftlichen Gutachten üblich, dass Ausschlüsse für den Fall des Vorkommens von Asbest aufgeführt werden und die Beauftragung eines Fachgutachtens empfohlen wird, wobei dann generell von der Annahme ausgegangen wird, dass Asbest im Gebäude vorhanden ist. Gesetzgebung – Richtlinie 87/217/EWG zur Kontrolle von Asbest 5.7 Biologische Vielfalt und Erhaltung 5.7.1 Die Erhaltung der Natur war einer der ersten bedeutenden Bereiche in der Umweltpolitik, in der die EU tätig wurde und manchmal auch frühere nationale Regelungen außer Kraft setzte. Mittlerweile hat sie eine Struktur für die Kennzeichnung von vielen Standorten oder Gebieten geschaffen, die sie aufgrund ihres Wertes in dieser Hinsicht schützt, indem angegeben wird, was dort nicht erlaubt ist. Daher kann sie beträchtliche Hindernisse für eine Entwicklung oder Nutzungsänderung von Immo- Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 185 bilien bewirken, die von Interessen bezüglich des Erhalts eines Lebensraumes betroffen sind. Es kann jedoch auch Möglichkeiten geben, dass Zuschüsse oder jährliche Zuwendungen bei entsprechenden Bewirtschaftungsvereinbarungen unter Beachtung der Regelungen für staatliche Beihilfen erlangt werden können. Da Erhaltungsinteressen oftmals auf einen Standort bezogen sind, haben sie einen Einfluss auf den Wert des Standortes. Abgesehen von internationalen und nationalen Regelungen zur Kennzeichnung von geschützten Gebieten, fordern die EU-Richtlinien die Ausweisung solcher Gebiete wie folgt: Die Richtlinie zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (Habitat-Richtlinie) verlangt von den Mitgliedsländern die Ausweisung von besonderen Schutzgebieten (das ökologische Netzwerk dieser Gebiete wird „Natura 2000“ genannt) zur Wahrung oder Wiederherstellung von natürlichen Lebensräumen und dem Schutz von wildlebenden Pflanzen- und Tierarten, die von gemeinschaftlichem Interesse sind. Außerdem dient sie der Umsetzung der Berner Konvention von 1979 über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume in europäisches Recht. Die Richtlinie über die Erhaltung von Wildvögeln verlangt die Ausweisung von besonderen Schutzgebieten auf Basis der ornithologischen Kriterien in der Habitat-Richtlinie (Europäische Kommission gegen Niederlande (C-3/96 [1999]) zur Sicherstellung des Überlebens und des Erhalts von bestimmten Arten. Weiterhin gibt es eine Reihe von Gebieten, die innerhalb der Europäischen Union Bedeutung genießen und durch die Kommission auf entsprechenden Vorschlag durch die Mitgliedsländer als Schutzgebiete ausgewiesen wurden. 5.7.2 Die Mitgliedsländer haben dann „die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden”. (Artikel 6(2), Habitat-Richtlinie) 5.7.3 Der EuGH hat diese Richtlinien in seinen Entscheidungen sowohl hinsichtlich der erstmaligen Ausweisung der Gebiete als auch hinsichtlich ihres späteren Schutzes eng ausgelegt. Darunter fallen die Rechtsfälle Leybucht-Polder (Kommission gegen Deutschland (C-57/89 [1991]), Santoña Marsche (Kommission gegen Spanien (C-355/90 [1993]) und Lappel Bank (Regina gegen Secretary of State for the Environment, ex parte: Royal Society for the Protection of Birds (C-44/95 [1997]). Der EuGH vertritt hier die Meinung, dass die Ausweisung dieser Gebiete eine objektive Angelegenheit sei, bei der 186 Europäische Bewertungsstandards 2012 wirtschaftliche Kriterien nicht relevant seien (Regina gegen Secretary of State for the Environment, Transport and the Regions, ex parte: First Corporate Shipping Limited (C371/98 [2001]). Die Frage, inwieweit die Auswirkungen der gemeinsamen Agrarpolitik (Kommission gegen Frankreich (C-96/98 [2000])) oder die Auswirkungen einer ausstehenden öffentlichen Anhörung und der Eigentümerschaft des Staates (Kommission gegen Frankreich (C-166/97 [1999]) zu berücksichtigen sind, hat der EuGH abgewiesen. 5.7.4 Sobald ein Gebiet ausgewiesen ist, hat das Mitgliedsland für seinen Schutz und den Schutz der Arten, für die es geschaffen wurde, zu sorgen. Entwicklungsprojekte können jedoch nach sorgfältiger Abwägung und dort, wo es keinen nachteiligen Auswirkungen auf die Unversehrtheit des Gebietes gibt, erlaubt werden. Die Richtlinie wurde nach den Urteilen im Fall Leybucht Polder geändert, wenn es also keine alternative Lösung anstelle der Schädigung des ausgewiesenen Gebietes gibt, dieses in der Größe aus „zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Natur“ verkleinert werden kann. Das Mitgliedsland muss dann jedoch ausgleichende Maßnahmen ergreifen, um den allgemeinen Zusammenhalt von Natura 2000 zu wahren, mit der Zielvorgabe, über einfache abschwächende Maßnahmen hinauszugehen. Es kann sich hier um folgende Maßnahmen handeln: Wiederherstellung eines Lebensraums in einem neuen oder einem vergrößerten Gebiet, dass in Natura 2000 aufzunehmen ist; Verbesserung eines Lebensraumes in einem Teil des Gebietes oder eines anderen Gebietes von Natura 2000, das die gleichen Ausmaße wie das durch das Projekt verloren gegangene Gebiet aufweist; Vorschlag eines neuen Gebietes, wobei dieses durch die neue Maßnahme in dem Moment bereitstehen soll, sobald das Natura 2000 Gebiet beschädigt wird. Da es sich bei zahlreichen Natura 2000 Gebieten um Feuchtgebiete handelt, kann diese Regelung eine beträchtliche Einschränkung beispielsweise für die Entwicklung von Küstengebieten, die möglicherweise von Häfen oder Kraftwerken angestrebt werden, bedeuten. Die Forderung von ausgleichenden Maßnahmen für verlorene Wattenmeere war ein wesentliches Merkmal bei der Entwicklung der Bucht von Cardiff als Teil der Stadt. 5.7.5 Die Anhänge II und IV der Habitat-Richtlinie führen eine Liste mit mehreren Hundert Tier- und Pflanzenarten auf, die zu schützen sind. In gleicher Weise sorgt die Wildvögelrichtlinie für den Schutz von Vogelarten. Dieser Schutz ist häufig für die mögliche Entwicklung von Immobilien relevant, weil er erfordert, dass seine Folgen für diese Arten beurteilt werden müssen, was Zeit erfordern und teuer sein kann. Wo diese Folgen beträchtlich sind, können sie in Entscheidungen über eine Genehmigung für Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 187 das Vorhaben und mögliche Bedingungen hierfür berücksichtigt werden. Das Vorhandensein von geschützten Arten kann auch die Bewirtschaftung von Immobilien beeinflussen. Gesetzgebung – Wildvögelrichtlinie 79/409/EWG – Habitat-Richtlinie 92/43/EWG 6. Die gemeinsame Agrarpolitik 6.1 Die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist seit 1963 ein wichtiger Bestandteil der EU, auf die immer noch über 40 % ihres Haushalts entfallen, wodurch die Bezugsberechtigten wesentlich unterstützt werden. Durch sich ändernde gesellschaftliche Bedürfnisse, Budgetzwänge und die Erfordernis von Welthandelsgesprächen hat sie sich nach und nach angepasst. Ihre Grundlage war ein System, mit dem die Preise für Erzeugnisse durch Eingriffe in den Markt – hauptsächlich für verderbliche Erzeugnisse wie Getreide, Milch und Rindfleisch – unterstützt wurden, und somit auch tendenziell der Verkaufs- und Pachtwert von Boden, der naturgemäß für diese Erzeugnisse genutzt wurde. Im Jahr 1984 wurden Milchquoten zur Begrenzung der Kosten für die Milchregelung eingeführt und 1992 sowie 2003 wurden umfangreiche Reformen vereinbart (MacSharry Reformen, Betriebsprämienregelung). Nach geringfügigen Änderungen an den Reformen von 2003, insbesondere im Jahr 2008 (Gesundheitscheck), sind aktuell Debatten über die Form der „GAP nach 2013“ zusammen mit der Überprüfung des EUHaushaltes für den Zeitraum von 2014 bis 2020 angestoßen worden. Die Kommission hat die entsprechenden Verordnungsentwürfe im Oktober 2011 veröffentlicht. 6.2 Im Verlauf des langen Reformprozesses wurden auch Teile des GAP-Haushaltes für Zwecke der „ländlichen Entwicklung“ verwendet, der unterschiedlichen Unterstützung benachteiligter Regionen, Agrarumweltprogrammen und Maßnahmen zur Stärkung oder Diversifizierung der ländlichen Wirtschaft. Die Mitgliedsländer haben hier unterschiedliche Ansätze und Schwerpunkte in der Umsetzung verfolgt, wobei sich die Zuweisung von Mitteln ebenfalls von Land zu Land stark unterscheidet. 6.3 Es ist erwähnenswert, dass die GAP-Gesetzgebung über Verordnungen und nicht über Richtlinien erfolgt, obwohl die Umsetzung in nationales Recht generell immer noch zusätzliche nationale Regelungen erfordert. 188 Europäische Bewertungsstandards 2012 6.4 Im Vorgriff auf die Entscheidungen zur GAP nach 2013 teilt sich die aktuelle Politik auf zwei „Säulen“ auf: Säule 1 umfasst im Wesentlichen die jährlichen Direktzahlungen an Landwirte (aktuell die Betriebsprämienregelung aus 2005) und Maßnahmen des Marktmanagements. Die Betriebsprämie ist eine Zahlung an berechtigte Landwirte in Bezug auf ein Gebiet mit landwirtschaftlichen Nutzflächen, das die Kriterien erfüllt und über welches der Landwirt zum Anspruchsdatum „verfügt“. Sie unterliegen Strafen für Verstöße gegen Cross Compliance-Regeln, die gesetzliche Verpflichtungen und Mindestanforderungen zur Bodenbewirtschaftung auferlegen. In Erfüllung der Welthandelsverträge hängt die Zahlung nicht von der Art oder dem Volumen der aktuellen landwirtschaftlichen Produktion ab – sie ist „entkoppelt“ (obgleich manche Mitgliedsländer beschränkte Befugnisse genutzt haben, um einen Teil der zuvor gekoppelten Ackerbau- und Viehzuchtregelungen beizubehalten). Es gibt zwei verschiedene Regelungen hierzu: – Diejenigen Länder, die der EU erst jüngst beigetreten sind, insbesondere in Zentraleuropa und solche Länder, die nicht auf eine lange Subventionsgeschichte zurückblicken, verfahren mit der Betriebsprämienregelung schlicht auf Basis der jährlich erklärten Flächen, die die Kriterien erfüllen. Die Prämie wird mit Standardsätzen beglichen, die normalerweise sehr viel niedriger sind, als aus historischen Gründen im Europa der 15 gezahlt wird. – Im Europa der 15 wird die Betriebsprämie auf Basis eine Systems von übertragbaren Berechtigungen (ausgedrückt in Hektar) gezahlt, die größtenteils nach denjenigen Flächen zugeteilt werden, welche für frühere Subventionen genutzt wurden, wobei die Zahlungsbeträge auf der Vorgeschichte des Antragstellers beruhen. Das heißt, dass die Bedeutung des Systems von Land zu Land unterschiedlich ist, je nach seiner historischen Bindung an Getreide, Viehzucht und Milchwirtschaft. Zum Erhalt der Zahlung müssen die Berechtigungen jedes Jahr mit einer gleichwertigen Fläche berechtigten Bodens im gleichen Zahlungsgebiet, wie zu dem Zeitpunkt, als die Berechtigungen erteilt wurden, verglichen werden. In England und Deutschland werden die Zahlungsbeträge allmählich an die Standardsätze angeglichen; Vorschläge zur GAP-Reform werden diese Angleichung auch für die restlichen EU-15 Länder vorsehen. Die Frage, ob eine Fläche „zur Verfügung steht“ und somit anspruchsberechtigt ist, wurde vom EuGH in der Sache Landkreis Bad Dürkheim (C-61/09) erörtert. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass es sich bei dem Anspruchssteller Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 189 um einen eigenständigen Landwirt auf der entsprechenden Fläche handeln muss, der grundsätzlich in der Lage ist, die Cross Compliance-Anforderungen zu erfüllen. Durch die unterschiedlichen Immobiliengesetze der Mitgliedsländer kam dieses nicht unter Verwendung von Begriffen aus dem Grundeigentum zum Ausdruck. Säule 2 ist die Verordnung zur ländlichen Entwicklung. Sie bietet Unterstützung, oftmals auf langfristiger oder mehrjähriger Basis, in vielfältiger Weise. Wichtig für die Beurteilung von Immobilien ist dabei insbesondere die Förderung von: – Weniger entwickelten Regionen, bei denen es sich um definierte Gebiete mit schwierigem oder widrigem Gelände handelt, bei denen eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung als Herausforderung angesehen wird, die jedoch oft von sozialer, kultureller oder landschaftlicher Bedeutung sind. Diese Zahlungen sind unterschiedlich auf Basis der Anzahl berechtigter Tiere, der betroffenen Fläche und heute auch manchmal für Verpflichtungen im Sinne der Agrarumwelt geleistet worden. – Agrarumweltregelungen, bei denen es sich normalerweise um die Verpflichtung handelt, eine Fläche für einen Zeitraum von fünf (manchmal zehn) Jahren zu binden. Der Antragsteller sollte über eine Bewirtschaftungsbefugnis für die Fläche verfügen. 6.5 Diese Regelungen und ihre Anwendung haben nicht allein eine Bedeutung für die Beteiligten, jedoch sind sie oft sowohl für die Landwirte als auch die behördlichen Zahlungsstellen von großer Komplexität und unterscheiden sich beträchtlich zwischen (und manchmal innerhalb) den Mitgliedsländern. Der Zugang zu und Beschränkungen hinsichtlich der Zahlungen können sowohl für die Werte als auch die Pachten der betreffenden Immobilien relevant sein. Gesetzgebung – Verordnung des Rates 73/2009 (EG) mit gemeinsamen Regelungen für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik – Verordnung 1698/2005 (EG) über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raumes 190 Europäische Bewertungsstandards 2012 LISTE DER EU-GESETZGEBUNG Bewertung für Bilanzierungszwecke Vierte Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen Siebente Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss Diese Richtlinien wurden durch folgende Richtlinien geändert: Richtlinie 90/604/EWG hinsichtlich der Ausnahme für kleine und mittlere Gesellschaften sowie der Offenlegung von Abschlüssen in Ecu Richtlinie 90/605/EWG hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs Richtlinie 2008/30/EG zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen Richtlinie 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten Ergänzt durch die Empfehlung der Kommission Nr. 2000/408/EG zur Offenlegung von Informationen über Finanzinstrumente und andere ähnliche Instrumente Richtlinie 2001/65/EG zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/EWG im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze Richtlinie 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen Richtlinie 2003/51/EG zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen Verordnung 2909/2000 (EG) über die rechnungsmäßige Verwaltung der nichtfinanziellen Anlagewerte der Europäischen Gemeinschaften Verordnung 1606/2002 (EG) betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards Verordnung 1725/2003 (EG) betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung 1606/2002/EG Immobilienbewertung für Finanzinstitute Richtlinie 2006/48/EG über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute Ergänzt durch Richtlinien 2007/18/EG, 2007/44/EG, 2007/64/EG und 2008/24/EG Teil 2 – Gesetzgebung und Immobilienbewertung in der Europäischen Union 191 Richtlinie 2006/49/EG über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds Immobilienbewertung nach den Vorschriften für staatliche Beihilfen Mitteilung der Kommission 97/C209/03 betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Gebäuden oder Grundstücken durch die öffentliche Hand Mehrwertsteuer und Immobilien Siebente Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG Richtlinie 2009/47/EG zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze Gesundheit und Sicherheit Richtlinie 96/82/EG zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso-II-Richtlinie) Richtlinie 2003/105/EG Energie Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen Richtlinie 2010/31/EU über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden Umweltverträglichkeitsprüfung und strategische Umweltprüfung Richtlinie 97/11/EG über die Umweltverträglichkeitsprüfung Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (bekannt als Richtlinie über strategische Umweltprüfung) Wasser Richtlinie 75/440/EWG über Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung Richtlinie 76/464/EWG betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe Grundwasserrichtlinie aus dem Jahr 1980 Richtlinie 91/676/EWG über Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen Richtlinie 91/271/EWG über die Behandlung von kommunalem Abwasser Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG Richtlinie 2006/11/EG über gefährliche Stoffe Grundwasserrichtlinie 2006/118/EG Hochwasserrichtlinie 2007/60/EG Richtlinie 2008/105/EG über Umweltqualitätsnormen 192 Europäische Bewertungsstandards 2012 Kontaminierte Flächen, Umwelthaftung und Abfall Deponierichtlinie 99/31/EG Müllverbrennungsrichtlinie 2000/76/EG Umwelthaftungsrichtlinie 2004/35/EG Richtlinie 2008/1/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung Wasserrahmenrichtlinie 2008/98/EG Umweltverschmutzung Richtlinie 2008/1/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung Luftverschmutzung Rahmenrichtlinie 84/360/EWG über Emissionen aus Industrieanlagen Richtlinie 88/609/EWG über Großbefeuerungsanlagen Richtlinie 89/369/EWG Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll Richtlinie 96/62/EG über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität Richtlinie 1999/13/EG über die Emissionen von Lösungsmitteln Müllverbrennungsrichtlinie 2000/76/EG Richtlinie 2001/80/EG über Großbefeuerungsanlagen Asbest Richtlinie 87/217/EWG zur Kontrolle von Asbest Biologische Vielfalt und Erhaltung Wildvögelrichtlinie 79/409/EWG Habitat-Richtlinie 92/43/EWG Gemeinsame Agrarpolitik Betriebsprämienregelung – Verordnung 73/2009 (EG) Verordnung 1698/2005 (EG) über die Entwicklung des ländlichen Raumes 193 TEIL 3 WEITERE FACHTEXTE Verhaltenskodex der TEGoVA (Code of Ethics and Conduct) Zusammenfassung der Mindestanforderungen der TEGoVA zur Berufsqualifizierung Zusammenfassung des Programms „Recognised European Valuer (REV)“ der TEGoVA Informationsschrift – Nachhaltigkeit und Bewertung Maßeinheiten für Abstand, Fläche und Inhalt Informationsschrift – Aufteilung des Wertes in Grundstücke und Gebäude Informationsschrift – Zertifizierung von Gutachtern Europäisches Objekt- und Marktrating: Ein Leitfaden für Gutachter European Mortgage Federation – Profile für risikorelevante Kriterien bei Bewertungen 194 Europäische Bewertungsstandards 2012 Teil 3 – Weitere Fachtexte 195 Verhaltenskodex der TEGoVA (Code of Ethics and Conduct) 1. Einleitung 1.1 Die Auftraggeber von Gutachtern erwarten, dass ein Wertgutachten von einem kompetenten und qualifizierten Gutachter erstellt wird, der einen vorgeschriebenen Verhaltenskodex befolgt, sich moralisch einwandfrei verhält und dessen Tätigkeit in allen Aspekten von der Auftragsannahme über die Durchführung bis hin zur Erstellung des fertigen Gutachtens transparent ist. Unter anderem umfasst dies die Bereitstellung von detaillierten Vertragsbedingungen, die – die für die Bewertung zu treffenden Annahmen und Voraussetzungen aufführen; – Interessenskonflikte ausschließen; – bestätigen, dass das Wertgutachten den Bedürfnissen des Auftraggebers entsprechen wird, wie es zuvor im Rahmen einer Beratung über die gesetzlichen Anforderungen und Regelungen sowie die Verpflichtungen des Gutachters aus dem Treueverhältnis besprochen wurde. 1.2 Auftraggeber erwarten ebenfalls, dass sich der Gutachter angemessen und in ethischer Weise verhält, so dass er die richtigen Maßnahmen ergreift, über das Selbstvertrauen verfügt, diese durchzusetzen und mit ihren Konsequenzen und Ergebnissen umgehen kann, wobei er bei der Erstellung eines kompetenten, sachkundigen Gutachtens integer handelt. 1.3 EVS4 fordert eine schriftliche Ausfertigung von detaillierten Auftragsbedingungen für die Beschäftigung von Gutachtern, die in einem Gutachten getroffenen Annahmen, die Pflichten des Gutachters und die Grundlage für seine Vergütung umfassen (Abschnitt 3). Gleichermaßen erfordert dieser Standard, dass der Gutachter seinen Status angibt und klarstellt, ob er in externer und unabhängiger Funktion unter Angabe der Rechtsperson, bei der es sich um eine Gesellschaft oder eine eigenständige juristische Person handeln kann, tätig ist, oder als interner Gutachter (Punkt 5.2). EVS5 betont die Notwendigkeit der Offenheit mit der Aussage, dass eine Werteinschät- 196 Europäische Bewertungsstandards 2012 zung in transparenter und klarer Weise darzulegen ist (unter Punkt 3.1), während EVS3 unter Punkt 4.1(v) Folgendes zur Qualifikation von Gutachtern besagt: „Jederzeitige Einhaltung der höchsten Standards hinsichtlich Aufrichtigkeit und Integrität beizubehalten und Ausführung seiner Aufgaben auf eine Weise, die seinem Kunden, der Öffentlichkeit, seinem Berufsstand sowie der jeweiligen nationalen Berufsvereinigung der Gutachter nicht zum Schaden gereicht. Es ist verpflichtend für alle qualifizierten Gutachter und ihre jeweiligen Berufs- oder Fachverbände, sich an einen ethischen Kodex zu halten, der ebenso streng ist, wie der Ethik- und Verhaltenskodex der TEGoVA.“ 2. Anwendungsbereich 2.1 TEGoVAs Kodex umfasst die Bereiche der persönlichen und unternehmerischen Verantwortung sowie die Verantwortung gegenüber dem Berufsstand. Die in den Kodex eingebetteten Kernwerte beziehen sich auf Fairness, einen angemessenen professionellen Respekt gegenüber anderen und gegenüber festgelegten Normen, Verantwortung und Vertrauenswürdigkeit. Seine Hauptanforderungen sind integeres Handeln, Erkennen persönlicher Interessen und Erhaltung der fachlichen Kompetenz. Berufliche Standards dieser Art reichen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus und erfordern ein Gleichgewicht zwischen Transparenz, Offenheit, der Vertraulichkeitspflicht gegenüber Kunden und Kommunikation nach außen mit Kunden, Beteiligten und jedem anderen, dem eine etablierte Sorgfaltspflicht geschuldet wird. Diese Prinzipien bestärken die Notwendigkeit von Professionalität, Verantwortungsbewusstsein und Fokussierung auf den Kunden. 2.2 Es ist Aufgabe der nationalen Berufsverbände, diese professionellen Werte über ihre Regeln, ihre Geschäftsführungs- und Verantwortungsstrukturen sowie, falls notwendig, ihre Disziplinarverfahren darzustellen und zu wahren. Letztendlich liegt es in der Verantwortung der Verbände, die Einhaltung solcher Regelungen zu überwachen und einzufordern sowie festzulegen, welche Maßnahmen aufgrund einer bekannten oder wahrgenommenen Handlung, die nicht im Einklang mit den Anforderungen an einen qualifizierten Gutachter stehen, zu ergreifen sind. Die Überwachung der Einhaltung dieses Verhaltenskodexes durch einen einzelnen Gutachter obliegt der Verantwortung der in der TEGoVA vereinigten Berufsverbände für den Bereich der Immobilienbewertung und nicht der TEGoVA selbst. Jeglicher solchermaßen wahrgenommene oder tatsächliche Verstoß gegen diesen Verhaltenskodex sollte dem betreffenden Berufsverband gemeldet werden. Teil 3 – Weitere Fachtexte 197 2.3 Dieser Kodex zielt nicht darauf ab, den rechtmäßigen und vernünftigen unternehmerischen Wettbewerb einzuschränken, seine Einhaltung erfordert jedoch Klarheit in Bezug auf den Umfang der gebotenen Dienstleistung und der Verantwortlichkeiten, die der Gutachter übernimmt. 3. Definitionen 3.1 Bei einem Gutachter kann es sich um eine Einzelperson, einen Zusammenschluss von Gutachtern in einem Büro oder einer Kanzlei, eine andere Gesellschaftsform oder eine juristische Person als Rechtsperson handeln, die Bewertungen vornimmt oder bei ihrer Erstellung mitwirkt. 3.2 Ein qualifizierter Gutachter ist ein Gutachter, der die Anforderungen an einen guten Leumund sowie die fachliche Ausbildung und Erfahrung, die im Standard EVS3 und insbesondere unter Punkt 4.1 aufgeführt sind, erfüllt. 3.3 Ein Gutachter kann bei einem Wertgutachten mitwirken. Die Verantwortung für das Gutachten obliegt einem qualifizierten Gutachter. 3.4 Bei einem nationalen Berufsverband für den Bereich Immobilienbewertung handelt es sich um einen Verband, eine Institution oder eine andere Körperschaft, die Mitglied der TEGoVA ist. 4. Verhaltenskodex der TEGoVA (Code of Ethics and Conduct) a) Gutachter haben alle einschlägigen Gesetze und Vorschriften derjenigen Länder, in welchen sie tätig sind, zu erfüllen. b) Gutachter müssen jederzeit unabhängig handeln, um das in sie von Kollegen, Arbeitsgebern, Auftraggebern und jeglicher anderen Person, der eine Sorgfaltspflicht geschuldet wird, gesetzte Vertrauen zu wahren. c) Gutachter müssen die beruflichen Kenntnisse und fachliches Können aktualisieren, das mit den Erwartungen und Anforderungen der nationalen Berufsverbände des Gutachters im Hinblick auf alle rechtlichen, regulatorischen, ethischen und vertraglichen Anforderungen im Einklang steht. Gutachter sollten keine Aufträge annehmen, die nicht ihren Fachkenntnissen entsprechen. 198 Europäische Bewertungsstandards 2012 d) Gutachter, die über Zugriff auf schutzwürdige oder vertrauliche Informationen verfügen, dürfen diese Informationen nicht zur Erzielung einer persönlichen Bereicherung für sich selbst oder andere nutzen oder offenlegen. e) Die Vertragsbedingungen sind für jede Beauftragung zur Erstellung eines Gutachtens zu vereinbaren und vor Abgabe des Gutachtens klar und in Schriftform darzulegen. f) Gutachter haben es zu unterlassen, einen unethischen Vorteil anzubieten, zu versprechen, zu gewähren, zu verlangen oder zu akzeptieren, um einen Auftrag zu erhalten oder einen anderweitigen Vorteil zu erlangen. g) Gutachter akzeptieren keine direkten oder indirekten Abschläge, Gebühren, Provisionen, Rabatte noch andere Vorteile, die glaubhaft als Konflikt mit den Interessen des Auftraggebers oder Arbeitgebers angesehen werden können, es sei denn, der Auftrag- oder Arbeitgeber wird zuvor schriftlich über die betreffende Tätigkeit bzw. den potenziellen Interessenskonflikt in Kenntnis gesetzt und er erteilt eine ausdrückliche Zustimmung für diesen Umstand. Falls eine Tätigkeit zu einem Interessenskonflikt zwischen den Interessen des Arbeitgebers und den Interessen des Kunden führen würde, erhalten die Interessen des Kunden Vorrang. h) Gutachter sind verpflichtet, den nationalen Berufsverbänden alle bedeutsamen faktischen Informationen zur Verfügung zu stellen, die in angemessener Weise darauf schließen lassen, dass ein anderes Mitglied des betreffenden Verbandes gegen diesen Verhaltenskodex verstoßen haben könnte. 5. Erläuterung 5.1 TEGoVA verlangt von jedem Mitgliedsverband die Festlegung, Überwachung und Einforderung von Anforderungen, die mindestens gleichwertig und übereinstimmend mit den Anforderungen des vorliegenden Kodexes sind, sofern die Einhaltung eines Teils des Kodexes nicht per Gesetz oder Verordnung verboten ist. 5.2 Zur Erleichterung der Einhaltung sollten die Mitgliedsverbände angemessene Ressourcen für die berufliche Qualifizierung zur Verfügung stellen und eine kontinuierliche berufliche Weiterbildung sicherstellen. Teil 3 – Weitere Fachtexte 199 Zusammenfassung der Mindestanforderungen der TEGoVA zur Berufsqualifizierung 1. Einleitung 1.1 TEGoVA verlangt von jedem Mitgliedsverband die Festlegung von Ausbildungsstandards für seine Mitglieder, die mindestens ebenso anspruchsvoll wie die Minimum Educational Requirements (MER – Mindestausbildungsanforderungen), die durch die TEGoVA festgelegt wurden, sein müssen. Die Mindestanforderungen zur Berufsqualifizierung wurden von der TEGoVA erstmalig im Januar 2003 als Grundvoraussetzung für alle Gutachter eingeführt, die nach Auskunft eines Mitgliedsverbandes den Beruf des Gutachters ausüben können. Einige Mitgliedsverbände haben strengere Ausbildungsanforderungen. 1.2 TEGoVA überprüft und aktualisiert regelmäßig die Mindestanforderungen regelmäßigen Überprüfungen und Aktualisierungen, um die Entwicklung der professionellen Standards der Mitglieder des Dachverbandes zu fördern, und somit auch denjenigen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen, ein erhöhtes Qualitätsniveau anbieten zu können. Die jüngste Überarbeitung wurde von der Generalversammlung der TEGOVA auf ihrer Sitzung im November 2010 verabschiedet. 1.3 Die Mindestanforderungen entsprechen der zweiten Diplomrichtline der EU über die gegenseitige Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise (92/51/EWG). In Anwendung der Mindestanforderungen sind die Mitgliedsverbände in Ländern außerhalb der EU verpflichtet, die Anforderungen der Zweiten Richtlinie einzuführen und einen Lehrplan zu erstellen, der mit den Kriterien der Richtlinie übereinstimmt. 1.4 Die gutachterliche Leistung, die von Gutachtern in Europa angeboten wird, ist sehr unterschiedlich und viele Gutachter haben sich auf bestimmte Bereiche spezialisiert. Einige geographische Gebiete werden von Faktoren beeinflusst, die es sonst nirgendwo anders gibt. Daher ist auch das jeweils erforderliche Wissen der Gutachter von Unterschieden geprägt. Die grundsätzlichen Regeln in der Bewertung sind jedoch ein elementarer Bestandteil ihrer Arbeit und stehen auch im Mittelpunkt des Lehrplans in den Mindestanforderungen. Die Mitgliedsverbände entwickeln ihre Qualifikationsanforderungen in Übereinstimmung mit der Richtlinie und dem Lehrplan der Mindest- 200 Europäische Bewertungsstandards 2012 ausbildungsanforderungen, wobei es sicherlich nationale Varianten gibt, die den Unterschieden in der Gesetzgebung, dem Steuerrecht und den Kundenbedürfnissen Rechnung tragen. Beispielsweise können Bewertungen in der Land- und Forstwirtschaft in einigen Ländern oder bei manchen Mitgliedsverbänden recht häufig sein, wohingegen unterschiedliche gewerbliche Tätigkeiten in anderen vorherrschen können. Es obliegt der Verantwortung der Mitgliedsverbände, die Mindestanforderungen an die berufliche Qualifikation entsprechend auszulegen und für Übereinstimmung mit den professionellen Ansprüchen ihre Mitglieder zu sorgen. 1.5 Die Globalisierung der Immobilienmärkte, die anhaltende Integration Europas, die einhergehen mit einer verbesserten Freizügigkeit von Dienstleistungen in der EU sowie steigenden Erwartungen seitens der Kunden, sind die Treiber des Wandels bezüglich der Bandbreite und Tiefe des Wissens, das von Immobilienexperten erwartet wird. Die Branche konzentriert sich heute nicht mehr allein auf transaktionsbezogene Tätigkeiten, sondern verlangt auch die Lieferung von Mehrleistungen im Sinne einer strategischen Beratung durch den Gutachter, der über die entsprechenden Kenntnisse in allen Bereichen der Wirtschaft, über das bauliche Umfeld, der verantwortungsbewussten Unternehmensführung (Corporate Governance) und der unternehmerischen Sozialverantwortung verfügen muss. 1.6 Mit dem Gütesiegel „Recognised European Valuer (REV)“ (siehe nächster Abschnitt) bietet die TEGoVA eine zusätzliche und unabhängige Orientierung. Gutachter, die diesen Status eines anerkannten europäischen Gutachters erlangt haben, unterliegen zusätzlichen Anforderungen einschließlich einer Verpflichtung zu kontinuierlicher beruflicher Weiterbildung. 1.7 Der Kenntnisstand, der von einem Gutachter nach den Mindestanforderungen erwartet wird, lässt sich in drei Bereiche unterteilen: a) Basiswissen b) Allgemeines Wissen c) Vertieftes Wissen Teil 3 – Weitere Fachtexte 201 2 Skizierung des Lehrplans 2.1 Gutachter verfügen über folgendes Basiswissen: – Prinzipien der ökonomischen Theorien – Praktische Immobilienwirtschaftslehre 2.2 Gutachter verfügen über folgendes allgemeine Wissen: – Vermarktung von Immobilien – Energieeffizienz, Schutz von Umwelt und Ressourcen 2.3 – – – – – Wirtschaft und Finanzen – Gebäude und Konstruktion Gutachter verfügen über folgendes vertiefte Wissen: Einschlägige Gesetze zum Immobilienwesen* Berufliche Praxis Bewertung Regierungspolitik und Raumplanung* – Bewertung nach gesetzlichen Bestimmungen* – Bewertungsnormen* * Das heißt vertiefte Kenntnisse, die in dem betreffenden Land bzw. Fachbereich verlangt werden. 202 Europäische Bewertungsstandards 2012 Teil 3 – Weitere Fachtexte 203 Zusammenfassung der Regelungen „Recognised European Valuer (REV)“ der TEGoVA 1. Das Programm für das Gütesiegel der TEGoVA ist als Unterstützung für den Berufsstand des Gutachters in Europa konzipiert, um Auftraggeber qualifizierte Gutachter insbesondere aus anderen Ländern, aber auch vor Ort, erkennen zu lassen. Der Titel „Recognised European Valuer“ der TEGoVA (mit der Kurzbezeichnung REV) kann unabhängig praktizierenden Gutachtern als Nachweis dienen, mit dem den Kunden ein europaweiter Indikator für das Können und die Erfahrung des Gutachters angeboten wird, der sie von der Bewertungskompetenz des Gutachters überzeugt. 2. Eine Bewerbung um den REV-Status steht allen qualifizierten, praktizierenden Gutachtern offen, die die erforderlichen Normen erfüllen und einem Berufsverband angehören, der ordentliches Voll- oder assoziiertes Mitglied der TEGoVA ist, bzw. einzelnen Gutachtern, die Mitarbeiter einer Gesellschaft für Immobilienbewertung sind, welche wiederum selbst einem TEGoVA-Mitgliedsverband angehören. Bewerbungen sind von dem Gutachter unmittelbar an einen TEGoVA-Mitgliedsverband in seinem Heimatland zu richten, der berechtigt ist, eine Anerkennung des Titels in Übereinstimmung mit den mit der TEGoVA vereinbarten Bedingungen zu erteilen. 3. Der Prozess zur Erlangung des REV-Status ist in zwei Stufen unterteilt. Die erste Stufe ist die Erteilung der Berechtigung, den Titel verleihen zu dürfen, durch die TEGoVA an den Mitgliedsverband. Die zweite Stufe ist die Zertifizierung des Gutachters durch den berechtigten Mitgliedsverband. 4. Um die erste Stufe zu erreichen und den Verleihungsstatus von der TEGoVA zu erhalten, muss ein Mitgliedsverband nachweisen, dass er über ein wirksames Qualitätsmanagementsystem verfügt, mit dem sichergestellt wird, dass die einzelnen Bewerber die Anforderungen der REV-Regelungen in Bezug auf Sicherung der fachlichen Qualität, Ausbildung, Ethik, Erfahrung und kontinuierlicher Weiterbildung erfüllen. 204 Europäische Bewertungsstandards 2012 5. Die zweite Stufe ist die Prüfung eines einzelnen, praktizierenden Gutachters durch den berechtigten Mitgliedsverband, um festzustellen, ob der Bewerber die erforderlichen TEGoVA-Standards erfüllt, und um ihm nach erfolgreicher Prüfung die Genehmigung zu erteilen, die Kurzbezeichnung REV zu führen (Recognised European Valuer). 6. Die Anerkennung der fachlichen Kompetenz wird im Namen der TEGoVA über den Mitgliedsverband in Form eines Zertifikates verliehen, welches gemeinsam vom Vorsitzenden der TEGoVA und dem Vorsitzenden/Präsidenten des Mitgliedsverbandes unterzeichnet wird. 7. Der Bewerber, der den Titel Recognised European Valuer verliehen bekommen hat, kann diesen Titel und die Kurzbezeichnung REV nach seinem/ihrem Namen für eine Dauer von 5 Jahren führen. Nach Ablauf dieses Zeitraums muss sich der Gutachter um Verlängerung des REV-Status bemühen. 8. Alle Einzelheiten über die Regelungen und Voraussetzungen können vom Sekretariat der TEGoVA (E-Mail: info@tegova.org) oder von der Webseite unter www.tegova.org bezogen werden. Teil 3 – Weitere Fachtexte 205 Informationsschrift Nachhaltigkeit und Bewertung 1. 2. 3. 4. Einleitung Nachhaltigkeit und Immobiliennutzer Die Entwicklung ökologischer („grüner“) Standards für Immobilien Bewertung und Nachhaltigkeit 1. Einleitung 1.1 Der doppelte Druck von Seiten der Wirtschaft und der Politik hat dazu geführt, dass einer Anzahl von ressourcenrelevanten Themen größere Aufmerksamkeit gewidmet wird, die unter das Konzept der Nachhaltigkeit fallen. Man kann davon ausgehen, dass sowohl die entsprechenden Regelungen als auch die Marktverhältnisse zu wachsender Bedeutung der Belange der Umweltbilanz und Nachhaltigkeit sowohl für diejenigen, die sich mit Grundeigentum und Gebäuden beschäftigen, als auch, soweit relevant, für die Bewertung von Immobilien führen werden. Es ist bereits der Fall, dass größere Gesellschaften als Auftraggeber und die Marktteilnehmer mit hohen ethischen Ansprüchen dafür Sorge tragen, dass die wachsenden Standards im Hinblick auf die Nachhaltigkeit erfüllt werden, und ähnliche Standards auch von denjenigen erwarten, mit denen sie Geschäfte tätigen. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden diese Akteure solche Themen auch anschneiden, wenn sie um Beratung in Bewertungsfragen ersuchen. 1.2 Es ist offensichtlich, dass sich Nachhaltigkeitsthemen zusammen mit neuen Aspekten, beispielsweise Fragen in Bezug auf den Klimawandel, in einer Entwicklung befinden und in den Vordergrund rücken. Die Schwerpunkte werden sich mit der Entwicklung der Gesetzgebung und der Lage auf dem Immobilienmarkt verändern. Während es sich in wirtschaftlicher Hinsicht oft noch um Äußerlichkeiten handeln mag, können gesetzliche Regelungen (einschließlich jene bezüglich der Besteuerung) die Auswirkungen diese Belange verstärken. Obwohl der Markt solche Aspekte bis heute oftmals noch nicht ausreichend berücksichtigt, wird es doch immer wahrscheinlicher, dass er dies in der Zukunft tun wird. In dem Maße, in dem sich spezifische Fragen herauskristallisieren und Verständnis erlangen, werden sie Teil der Regelpraxis. Es mag unvermeidlich sein, dass sich ein großer Teil der Nachhaltigkeitsdebatte auf die- 206 Europäische Bewertungsstandards 2012 jenigen Themen konzentriert, die sich noch nicht herauskristallisiert haben, wobei einige dieser Themen dies möglichweise auch nie tun werden. 1.3 Als Beispiel können hier Energieaspekte angeführt werden, die durch den Kostendruck, die Ressourcenverknappung und aktuell auch durch Sorgen um den Klimawandel immer stärker in den Vordergrund gerückt sind. Die Einführung von allmählich umfangreicheren Regelungen (beispielsweise der EU-Richtlinie über die Energieeffizienz von Gebäuden mit dem Energieausweis (EPC) und anderen Instrumenten) für Neu- und Bestandsbauten führen letztendlich zu mehr Sensibilität im Hinblick auf die Energiebilanz und -effizienz eines Gebäudes. Dies heißt, dass aufgrund der Verinnerlichung von möglichen negativen Auswirkungen durch die fehlende Berücksichtigung dieser Aspekte Kennzeichnungen und Zertifizierungssysteme, die Informationen aus unabhängiger Quelle verwenden, immer häufiger genutzt werden, Regelungen über Energievorgaben strenger werden und Förderungen sowie steuerliche Erleichterungen für den Bau von energieeffizienten Gebäuden folgen werden. Es ist gut möglich, dass die Sorgen über die Verknappung und die Qualität von Wasser zu einer ähnlichen Entwicklung führen werden. 1.4 Zahlreiche in der Nachhaltigkeitsdebatte angesprochene Fragen beziehen sich auf eine langfristige Perspektive, beispielsweise wie sich die Energiepreise entwickeln werden oder wie mit Umweltrisiken umzugehen ist, wohingegen die erforderlichen spezifischen Informationen oftmals ungenau sein können und die Analysewerkzeuge erst noch in der Entwicklung sind. Trotzdem verliert diese Thematik durch solche Einschränkungen nicht an Bedeutung. 1.5 Gutachter müssen innerhalb der Grenzen ihrer beruflichen Fähigkeiten handeln. Dies bedeutet im Normalfall, dass sie sich auf einschlägige Fachkenntnisse, Bescheinigungen und Berichte über die Nachhaltigkeit einer Immobilie verlassen müssen und solche Nachweise nicht selbst erstellen. Ein solches Vorgehen ist insbesondere üblich bei Umweltfragen wie beispielsweise der Beurteilung von Kontaminationen, Asbestbelastungen, Hochwasserrisiken oder Bodenerosion, bei denen ein Gutachter ein Verständnis dafür erlangen können muss, was ein Expertengutachten unter Umständen aussagt und welches Gewicht er diesem verleiht. Gutachter können eine Bewertung ausschließlich unter Berücksichtigung des Marktes in seinem aktuellen Zustand erstellen und keine ungesicherten Hypothesen über seine Zukunft aufstellen. Die vorliegende Informationsschrift zielt darauf ab, den Gutachter im Hinblick auf diese Fragen zu wecken und damit sein Verständnis für die Märkte und Marktänderungen zu verbessern. 1.6 Nachhaltigkeit – Nach allgemeinen Gesichtspunkten ist Nachhaltigkeit die Fähigkeit zu überdauern. Obwohl sich die vorliegende Schrift auf Umweltaspekte im Teil 3 – Weitere Fachtexte 207 Rahmen der Nachhaltigkeit konzentriert, verfügt diese auch über eine wirtschaftliche und soziale Dimension und viele Fragen der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit können bereits für Bewertungen fester Bestandteil geworden sein. Es ist eine Tatsache, dass wirtschaftliche Konzepte, wie beispielsweise nachhaltige Mieten oder ein nachhaltiger Cashflow der heutigen Verwendung des Wortes seit langem vorgegriffen haben. 1.7 In dem Maße, wie der Druck auf Ressourcen und den Naturhaushalt gewachsen ist, hat sich die Aufmerksamkeit dem Umfang zugewandt, inwieweit dessen Leistungsfähigkeit durch Intervention und Management geschützt werden kann. Der Fokus auf umweltbedingte Zwänge hat zu einer Definition des Begriffs Nachhaltigkeit als Verbesserung der menschlichen Lebensqualität geführt, bei der man gleichzeitig innerhalb der tragenden Fähigkeiten eines unterstützenden Ökosystems lebt. 1.8 Nachhaltige Entwicklung – Dieser Ansatz impliziert bereits die Probleme, die entstehen können, wenn man Nachhaltigkeit mit einer bestimmten Handlung oder Änderung in Einklang bringen will. Das Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ wurde von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland Kommission) ins Leben gerufen, deren Bericht 1987 erschien. Seitdem ist es ein Kernelement in zahlreichen politischen Debatten über wirtschaftliche, soziale und ökologische Fragen. In dem Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ definiert die Brundtland Kommission nachhaltige Entwicklung wie folgt: „Eine Entwicklung ist dann nachhaltig, wenn die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generationen befriedigt werden, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Die Vorschläge der Brundtland Kommission wurden von der Konferenz der Vereinten Nationen zu Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahr 1992 angenommen, welches sowohl zu nationaler als auch internationaler Aufmerksamkeit führte, einschließlich seitens der Kommission der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung. 1.9 Das Konzept hat sich als tragfähig und weitgefasst, jedoch vage erwiesen. In der Formulierung unterscheidet es nicht zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Zielen, falls diese im gegenseitigen Konflikt stehen. Es ist vielmehr so, dass in dem Maße wie die Bedeutung dieser Ziele sowohl zwischen den Beteiligten und in verschiedenen Situationen als auch im Laufe der Zeit variiert, eben diese Fluidität dem Konzept zu allgemeiner Akzeptanz und sogar größerer Robustheit verhelfen kann. Es ist keine weitere, präzisere Definition formuliert worden und sie hat für jeden unterschiedliche praktische Begriffsinhalte in verschiedenen Zusammenhängen und unterschiedlichen Zeitpunkten. 208 Europäische Bewertungsstandards 2012 1.10 Da die politische Debatte an Schwung gewinnt, kann der Begriff der nachhaltigen Entwicklung eher am besten als Prozess anstatt als ein definiertes Endergebnis aufgefasst werden, der gegenwärtig vermehrt von Besorgnis über den Klimawandel und Ressourcenverknappung beeinflusst wird. 1.11 Eine Reihe von Instrumenten und Konzepten haben sich zum Zwecke der Berücksichtigung von Umweltfragen bei Immobilien entwickelt, unter anderem die Ökobilanz (Life Cycle Assessment), das Cradle-to-Cradle-Prinzip („von der Wiege bis zur Wiege“), die Analyse des Ökologischen Fußabdrucks (Ecological Footprint Analysis) und „grüne bzw. ökologische Gebäude“ (Green Buildings). Sie berücksichtigen in unterschiedlicher Weise den Einfluss einer bestimmten Entwicklung auf die Umwelt und die ökologischen Systeme im Laufe der Zeit, mit größerer Effizienz in der Nutzung von Ressourcen und geringerer Schädigung der Umwelt, wobei sie an Elastizität und Anpassungsfähigkeit gewinnen und Bedenken über die soziale Gerechtigkeit mit berücksichtigen. Sie werden mit Hilfe einer wachsenden Anzahl von Audits, Verfahren und Indikatoren gemessen, die alle versuchen, bestimmte Aspekte des übergeordneten Konzepts zu erfassen und Entscheidungen zu beeinflussen, und somit einen immer größeren Einfluss auf die Nutzung und Entwicklung von Flächen, Grundstücken und Gebäuden ausüben. Dies geschieht nicht nur über öffentliche Politik und gesetzliche Regelungen, sondern auch über Marktwahrnehmung und die Nachfrage von Seiten der Investoren, Unternehmen und ihrer Kunden. 1.12 Es ist eine besondere Herausforderung bei der Wertermittlung, für jeden Einzelfall ein Verständnis dafür zu entwickeln, ob die Frage der Nachhaltigkeit werterhöhende oder wertmindernde Wirkung hat. Man kann sie als Kostenfaktor und damit als Einschränkung sehen. Ebenso können wirtschaftliche Chancen durch ökologisches Wachstum einhergehend mit technischen Innovationen gesehen werden, während die Einhaltung von bestimmten Normen Werte erhalten oder erhöhen können. 1.13 Aus einer übergeordneten Sicht der Dinge wurde das wirtschaftliche Wachstum herkömmlich als eine Herausforderung für ökologische Belange gesehen, aber es gibt Belege (gelegentlich in der „Umwelt-Kuznets-Kurve“ zusammengefasst), dass ein höheres Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung zu einer verminderten Schwächung der Umwelt führen kann, möglicherweise zum Teil deswegen, weil dann Ressourcen zur Verfügung stehen, die entsprechenden Probleme zu lösen und weil sich mit den verändernden Techniken auch die Art der wirtschaftlichen Tätigkeiten ändert. Dieser Übergang mit steigender wirtschaftlicher Aktivität scheint zunächst negative Effekte vor Ort zu reduzieren, wobei mit steigenden Einnahmen auch weitere schädliche Auswirkungen minimiert werden. Werden Techniken zur Reduzierung von Umweltproblemen entwickelt, können diese von anderen auf einfachere Weise übernommen werden. In gleicher Weise stellt die wachsende Bandbreite an wirtschaftlichen Aktivitä- Teil 3 – Weitere Fachtexte 209 ten eine Herausforderung dar. Wachsendes Wissen, Anspruchsdenken und wissenschaftlicher Fortschritt eröffnen neue Herausforderungen – vor 30 Jahren haben sich sicher nur wenige Sorgen über CO2-Emissionen gemacht. 1.14 Nachdem die Konzepte in der Praxis an Klarheit gewinnen und sich eine Orientierung entwickelt, ist es wahrscheinlich, dass immaterielle Anlagewerte geschaffen werden, die selbst wiederum einer Bewertung bedürfen, soweit sie von dem zugrundeliegenden Vermögenswert getrennt werden können. 1.15 Eines der internationalen Foren für Diskussionen über Bewertungsfragen in Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsdebatte stellt das Abkommen von Vancouver dar: „Eine Verpflichtung von Normierungsorganisationen in der Bewertung weltweit, einen Prozess zu initiieren, mit dem die Nachhaltigkeit in Bewertungen und Gutachten eingebettet wird.“ Aus diesen sich entwickelnden Debatten heraus werden sicherlich auch Informationen an den Berufsstand des Gutachters erreichen. 1.16 Bewertung von Ökosystemen – Insbesondere in der Wirtschafts- und Umweltpolitik gibt es ein wachsendes Regelwerk, mit dem Ressourcen- und Umweltfragen Gewicht verliehen wird. Unter anderem geht es um folgende Themen: Umweltverschmutzung, Energie und Materialien Umweltschutz und Ressourcenmanagement Natürliche Ressourcen Bewertung von nicht am Markt beobachtbaren ökologischen Veränderungen und Auswirkungen Andere Bereiche haben diese Themen beispielsweise auf Fischerei, Wasser und Landwirtschaft ausgedehnt und angepasst. 1.17 Dieser Ansatz, der im Normalfall unabhängig von wirtschaftlichen Hintergründen entwickelt wurde, neigt im Ergebnis dazu, dass Werte ermittelt werden, die auf ganz anderen Voraussetzungen beruhen als denjenigen, die nach den Standards für den Berufsstand des Gutachters verlangt werden. Die sich daraus ergebenden Beurteilungen, die oft externe Faktoren wiedergeben und auch sehr sensibel auf Änderungen in den getroffenen Annahmen reagieren, können für die öffentliche Ordnung nützlich sein, müssen es aber nicht. Dies hängt davon ab, inwieweit die Annahmen realistisch sind und mit welcher Genauigkeit die Auswertungen erfolgt sind, es wird sich jedoch im Ergebnis nicht um einen Marktwert oder Zeitwert handeln. Es ist denkbar, dass sie einen Maßstab für einen Wert darstellen (siehe EVS2), den politische Entscheidungsträger nutzen können, der jedoch ansonsten nicht von größerer Bedeu- 210 Europäische Bewertungsstandards 2012 tung sein wird. Es wird unter Umständen im Rahmen der Entwicklung von ökologischen Bewertungen von wachsender Bedeutung sein, die Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen zu verstehen und eventuell in Einklang zu bringen. In der Praxis kann die ökologische Bewertung dann von größerer Bedeutung sein, wenn man verschiedene Optionen miteinander vergleicht und es nicht um die Ermittlung von absoluten Werten geht. 2 Nachhaltigkeit und Immobiliennutzer 2.1 Die Nachhaltigkeitsbewegung wird aktuell in steigendem Maß durch die Sorgen über den Klimawandel vorangetrieben und konzentriert sich daher auf Energie und den Kohlendioxidausstoß. Dies hat Einfluss auf alle Aspekte eines Unternehmens einschließlich seiner Grundstücke und Gebäude und hat unter anderem zur Verwendung neuer Begriffe wie beispielsweise „grüne Gebäude“ (Green Buildings) und „nachhaltiges Bauen“ geführt. 2.2 Eigentümer und Nutzer von Immobilien können über unterschiedliche Motive für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit bei allgemeinen oder bestimmten Aspekten ihrer Immobilie verfügen, beispielsweise geht es häufig um Energieeffizienz. Dies kann sich von persönlichem Engagement bis hin zu Kostensenkung, von der Einhaltung von Vorschriften bis zu dem Punkt erstrecken, dass sie als vorteilhaft gegenüber Kunden gesehen wird. 2.3 Mit der steigenden Bedeutung des Klimawandels als Quelle von politischem Interesse rücken Immobilien mit einem Gesamtgebäudebestand, der für rund 40 % des Energieverbrauchs verantwortlich gemacht wird, besonders in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit in diversen Debatten. Es kann jedoch sein, dass die Energiekosten bei manchen Unternehmen lediglich einen einstelligen Prozentsatz der Betriebskosten ausmachen, während die Personalkosten eines Büromieters mit ganzen 85 % aller Kosten zu Buche schlagen. Dieses Verhältnis hat die Auswirkungen von Energiefragen auf Mieten und Werte begrenzt. Genauso könnte dies aber suggerieren, dass diejenigen Aspekte eines Gebäudes, die das Arbeitsumfeld beeinflussen, von einer Bedeutung sind, die bisher noch nicht erkannt wurde. Wo Mieter willens sind, höhere Mieten für Immobilien zu zahlen, die gewisse Vorgaben erfüllen, wird das die Wertentwicklung unterstützen, es kann jedoch sein, dass Mieter dies nur dann tun, wenn sie in der Nutzung eines „grünen Gebäudes“ (Green Building) auch entsprechende Vorteile sehen. In der Praxis kann die allgemeine Haltung zu diesen Fragen je nach Konjunkturzyklus unterschiedlich sein. Teil 3 – Weitere Fachtexte 211 2.4 Für diejenigen Eigentümer und Unternehmen, die ausschließlich wirtschaftliche Urteile fällen, muss die notwendige Investition auch eine angemessene Rendite einbringen. Es ist möglich, dass die Investition in die Verbesserung der technischen Gebäudeausstattung (z. B. Heizung, Lüftung, Klimaanlage oder Kühlen) nicht dem finanziellen Nutzen, der durch die verbesserte Energieeffizienz oder den Mehrwert auf dem Markt für die Immobilie erzielt werden könnte, entspricht. „Grüne Mieten“ (siehe 3.3 unten) oder entsprechende Pachten bzw. Leasingraten sind ein Mittel, mit dem versucht werden kann, das häufige Ungleichgewicht zwischen den Interessen von Mietern und Vermietern in diesen Angelegenheiten in Einklang zu bringen. 2.5 In dem Maße, wie sich Unternehmen entscheiden, bzw. es vermehrt von ihnen erwartet wird, auf eine Weise zu agieren, die diesen Fragen gegenüber sensibler ist, je mehr können ihre Inhaber und Kunden dazu neigen, einschlägigere Nachweise für diesen Sachverhalt zu verlangen. Bei großen Unternehmen kann es sich um folgende Nachweise handeln: Nachweise für die soziale Verantwortung des Unternehmens (Corporate Social Responsibility – CSR) Verpflichtung zur Senkung von CO2-Emissionen (Carbon Reduction Commitment – CRC) Akkreditierung gemäß ISO 14001 – der internationalen Norm für Umweltmanagementsysteme oder EMAS, dem EU-weiten Ökomanagement und Auditprogramm. Wie bereits ausgeführt, ist ein greifbares Beispiel einer solchen Verpflichtung durch gleich welche Seite die Vereinbarung von „grünen Mieten“. 2.6 Der Begriff der unternehmerischen Sozialverantwortung (CSR) beschreibt die freiwillige Entscheidung von Unternehmen, die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Fragen in ihr tägliches Geschäft zu integrieren, um ethisches Bewusstsein zu zeigen und die sozialen Bedingungen zu verbessern. Dabei kann es sich um die Berücksichtigung folgender Aspekte handeln: Eingesetzte Produktionsmittel, z. B. Rohstoffe, Energie, Wasser Betriebsabläufe, z. B. umweltfreundliche Produktion Einbeziehung der Öffentlichkeit, z. B. besonderes Engagement für die örtliche Gemeinde Weiter entwickelte Strategien werden sich auch mit der Nutzung von und Investition in Gewerbeeigentum befassen und damit sowohl einen Effekt auf Kapital- als auch Mietwerte haben. 212 Europäische Bewertungsstandards 2012 2.7 Obgleich auf Freiwilligkeit basierend, nimmt eine wachsende Zahl von Unternehmen die unternehmerische Sozialverantwortung als Element in ihre Geschäftspläne und Jahresabschlüsse auf. In manchen Fällen kann dies als Nachweis für Qualität und Management gesehen werden. Es kann sein, dass die größten Unternehmen in Zukunft gesetzlich verpflichtet sind, über diese Angelegenheiten zu berichten. In manchen Ländern ist es bereits gesetzlich geregelt, dass nichtfinanzielle Leistungskennzahlen ausgewiesen werden müssen. 2.8 Eine Politik der unternehmerischen Sozialverantwortung kann durch die Strategie eines Unternehmens, dem Bedarf an Zuschüssen und Finanzierung oder durch Druck seitens der Investoren, Kunden sowie anderen veranlasst worden sein. Eine klare Stellungnahme über die diesbezüglichen Gründe des Unternehmens wird nötig sein, wenn man ihre Auswirkungen beurteilen will. 2.9 Manche Unternehmen fassen die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekte der Nachhaltigkeit mit dem Konzept der „Triple Bottom Line“ (dritte Bilanzsumme) zusammen, bei dem für jeden Oberbegriff die entsprechende Leistung untersucht und erläutert wird. Dies ist notwendigerweise ein Ansatz, der sich kontinuierlich weiterentwickelt, und Nachhaltigkeit könnte tatsächlich auf die Berücksichtigung der technischen und funktionellen Qualität ausgedehnt werden. 2.10 Die verantwortungsvolle Immobilieninvestition (Responsible Property Investment – RPI) ist ein Rahmen für Investoren, innerhalb dessen die positiven Effekte des Immobilieneigentums, ihrer Bewirtschaftung und Entwicklung für die Gesellschaft und die Umwelt maximiert und die schädlichen Auswirkungen minimiert werden. Die Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) hat Prinzipien für die verantwortungsvolle Investition aufgestellt, welche ökologische und soziale sowie Fragen der Unternehmensführung (Environmental, Social and Corporate Governance – ESG) in Leitlinien und die Praxis in Unternehmen integrieren und eine Reihe von Instrumenten für diesen Zweck anbieten. In der Erklärung werden Unternehmen aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die „Anbieter von Investmentleistungen [des Unternehmens] (…) ESG-Faktoren in entstehende Forschung und Analyse integrieren.“ Unter Anerkennung der Grenzen, die Mietern aufgrund der Eigentumsverhältnisse gesetzt sind, sieht sie die Rolle des Investors als besonders entscheidend für den Bau, die Modernisierung und die Bewirtschaftung des gemeinsamen Raums und die Chancen, die bei Beendigung eines Mietverhältnisses bestehen, weil er – im Gegensatz zu Investoren, die in Anteilen anlegen (einschließlich REITs) – an jedem Punkt mehr Kontrolle über Nachhaltigkeitsfragen hat. Der verantwortungsvolle Investor sollte sich mit seinem Mieter über den Umgang mit ökologischen und sozialen Auswirkungen einer Immobilie einigen, wenn auch nur wenige bestehende Mietverträge überhaupt über Bestimmungen verfügen, die auf Nachhaltigkeitsfragen eingehen. Teil 3 – Weitere Fachtexte 213 2.11 Wird ein Erwerb beabsichtigt, können Immobilien nach folgenden Gesichtspunkten gegliedert werden: Lage – Aus Gründen der Nachhaltigkeit mag man auf Lagen mit besserer Anbindung an den öffentlichen Personenverkehr oder auf Brachen zurückgreifen. Bauliche Merkmale – Erfüllen die Gebäude Umweltstandards wie beispielsweise BREEAM, LEED, Green Star oder CASBEE (siehe Punkt 3.2 unten)? Dies kann die Wahlmöglichkeiten für die Investition begrenzen, eine Diversifizierung des Portfolios einschränken und durch die Konzentration der Nachfrage auf solche Immobilien ihre Preise und somit ihre Renditen beeinflussen. Mieterstruktur – Unterscheidung unter Umständen nach der Art ihrer Geschäftstätigkeit. Die Datenlage, mit der eine solche Filterung unterstützt werden kann, ist oft begrenzt und deckt nur einen Teil der in Frage kommenden Faktoren ab. In manchen Märkten sind unter Umständen fast gar keine Informationen vorhanden. 2.12 Ein alternativer Ansatz ist die Suche nach Immobilien, die zu den besten ihrer Art gehören. Dies hängt jedoch ebenso von anerkannten Bescheinigungen und Einstufungssystemen ab, wie beispielsweise BREEAM oder die Energieausweise (EPC). Obwohl hilfreich, um Immobilien zu finden, die in der Zukunft wertbeständiger sind, sind solche Zertifikate unter Umständen lediglich für neue Immobilien erhältlich bzw. im Fall der Energieausweise sind es Bestandsgebäude, die verkauft oder vermietet werden sollen. 2.13 Umweltmanagementsysteme (Environmental Management Systems – EMS) bieten Unternehmen Instrumente an, mit denen Nachhaltigkeitsgesichtspunkte durch das Streben nach ständiger Verbesserung auf Grundlage von vier Planungsstufen berücksichtigt werden können: Was ist zu erledigen, erledige es, prüfe, dass es erledigt wurde und handele, um Verbesserungen zu erreichen unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Umwelt und der Tätigkeit, die diese Änderung verursacht. Diese Grundsätze können Unternehmen bei der Prüfung von Kostensenkungen, dem Umgang mit rechtlichen, finanziellen und rufschädigenden Risiken (einschließlich der Ermittlung von möglichen rechtlichen Anforderungen), Marketingchancen und der Erwartungen von Anteilseignern unterstützen. Man kann mit einer Überprüfung der aktuellen Situation (als Grundlage) anfangen, die aufzeigen kann, wie viel bereits getan wurde, ohne dass man das als „umweltfreundlich“ klassifiziert hätte, und dann eine Umweltpolitik entwickeln, die Impulse für zukünftige Schritte gibt. 214 Europäische Bewertungsstandards 2012 2.14 ISO 14001 legt die Normen für Umweltmanagementsysteme fest, nach denen Unternehmen sich prüfen lassen können. Sie berücksichtigen fünf Aspekte oder Stufen: Umweltleitlinien Handlungsplanung Umsetzung und Durchführung von Projekten Prüfung und Korrekturmaßnahmen Management Reviews (Überprüfungen) 2.15 Das Umweltmanagement- und Auditprogramm (Eco Management and Audit Scheme – EMAS) bietet einen europäischen Standard, der zwar freiwillig ist, jedoch obligatorischen Audits unterliegt, sobald es eingeführt wurde (anders als ISO 14001). Da manche der Anforderungen durch die Gesetzgebung unterstützt werden, kann es anspruchsvoller als die ISO 14001 sein, obwohl das Programm der ISO-Norm im Wesentlichen ähnelt. Es geht darum, dass Unternehmen ihre mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen auf die Umwelt ermitteln und ihre Bedeutung bewerten. Interne Audits müssen den Umgang mit einem Thema, das Ergebnis und die Einhaltung prüfen. Im Rhythmus von drei Jahren ist ein externes Audit durchzuführen. 2.16 Kosten während des Lebenszyklus – Eine Beurteilung der Nachhaltigkeit einer Immobilie kann sich auf ihren Lebenszyklus zusammen mit damit verbundenen externen Faktoren beziehen. Wird bei einer Bewertung nach dem Ertragswertverfahren vorgegangen, müssen Kosten und Einnahmen überprüft und deren Barwert (Present Value) ermittelt werden. Eine Analyse der Kosten über den Lebenszyklus (Life Cycle Cost Analysis – LCCA) führt zu dem Barwert aller Kosten über die Restnutzungsdauer eines Gebäudes einschließlich Bau, Bewirtschaftung, Instandhaltung und Kosten am Ende der Lebensdauer. 2.17 Einige Länder in Europa verfügen über eigene nationale Standards und Leitlinien zur Durchführung dieser Kostenanalyse über den Lebenszyklus, wobei die internationale Norm ISO 15686-5 Buildings and constructed assets – Service life planning – Part 5: Maintenance and life cycle costing (Gebäude und bauliche Vermögenswerte – Planung der Nutzungsdauer – Teil 5: Instandhaltung und Kalkulation über den Lebenszyklus) das Rahmenwerk bildet. Die ISO 15686-5 schreibt jedoch keine feste Vorgehensweise für diese Analyse vor und lässt unterschiedliche Ansätze in der Praxis zu. Teil 3 – Weitere Fachtexte 3. Entwicklung von „grünen“ Normen für Immobilien 3.1 „Grüne Gebäude“ (Green Buildings) 215 3.1.1 Ein „grünes“ oder „nachhaltiges Gebäude“ nutzt Ressourcen wie Energie, Wasser, Materialien und Boden in effizienterer Weise als Gebäude, die nach heutigen Mindeststandards gebaut wurden. Es produziert weniger Abfall und geringere Emissionen und bietet ein potenziell besseres Arbeitsumfeld. Da unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten erwartet wird, dass die Bedürfnisse der Gegenwart nicht die Fähigkeit zukünftiger Generationen einschränken soll, ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, sollten grüne Gebäude auch soziale, wirtschaftliche und ökologische Gesichtspunkte berücksichtigen. Zu dieser weiter gefassten Definition gehören auch schädliche Effekte und die Auswirkungen über Generationen hinweg. 3.1.2 RICS definiert ein „grünes Gebäude“ wie folgt (Bewertungsstandards 2008): Eine Immobilie, die „Merkmale aufweist, die die Auswirkungen auf die Umwelt über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes hinweg minimiert und sich auf eine verbesserte Gesundheit für ihre Nutzer konzentriert, seinen Wert für Eigentümer, Nutzer und die Allgemeinheit optimiert, während gleichzeitig die Verwendung von natürlichen Ressourcen und die schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt minimiert werden“. 3.1.3 Die American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers (ASHRAE) hat in Zusammenarbeit mit der Illuminating Engineering Society of North America (IES) und dem U.S. Green Building Council (USGBC) im Februar 2010 einen Standard für die Konstruktion von grünen Hochleistungsgebäuden veröffentlicht. Darin heißt es in Standard 189.1 – Standard for the Design of High-Performance Green Buildings Except Low-Rise Residential Buildings (Standard für die Konstruktion von grünen Hochleistungsgebäuden mit Ausnahme von niedrigen Wohngebäuden): „Ein grünes Hochleistungsgebäude ist ein Gebäude, welches so konzipiert und konstruiert ist und betrieben werden kann, dass sich seine Leistung für die Umwelt und sein wirtschaftlicher Wert im Laufe der Zeit erhöht, es bestrebt ist, eine Innenraumatmosphäre zu schaffen, die zum Vorteil der Gesundheit der Nutzer ist, und es die Zufriedenheit und Produktivität der Nutzer durch Integration von ökologisch wertvollem Baumaterial sowie wasser- und energieeffizienten Systemen fördert.” 3.1.4 Diese Definitionen zeigen, dass das Konzept der Nachhaltigkeit von Präzision weit entfernt ist, wenn es um die Anwendung auf Gebäude geht, die selbst in enormer Vielfalt hinsichtlich Design, Bauweise und Nutzung vorhanden sind und ihre unter- 216 Europäische Bewertungsstandards 2012 schiedlichen Nutzer wiederum ihre eigenen Interessen haben, die sich im Laufe der Zeit ändern können. 3.1.5 3.2 Die folgende Aufstellung kann als allgemeine Checkliste dienen: Lage – soweit relevant: Ist der Standort an öffentliche Transportmittel angebunden bzw. über welche Infrastruktur verfügt er? Aktuelle Flächennutzung bei einem Standort für ein Entwicklungsvorhaben – es kann Probleme mit Kontaminationen oder dem Wassermanagement geben Risiken durch die Lage eines Gebäudes hinsichtlich Gefährdungen durch Hochwasser oder Erdbeben sowie solchen, die durch die Standortwahl und die Bauweise verursacht werden (wie bei Überschwemmungen von dichten Oberflächen) Bauweise und Grundriss des Gebäudes, wobei die hier behandelten Themen von der erwarteten Lebensdauer bis hin zu seinem Energiemanagement einschließlich des Materials (Quelle, Recycling, Art, Haltbarkeit) und der Ressourceneffizienz reichen Seine Qualität als Arbeitsumfeld und somit seinen Auswirkungen auf die Gesundheit und Effizienz seiner Nutzer, wobei hier auch Lüftung und Beleuchtung mit einbezogen werden können Energieeffizienz und Energiequellen (Bezug) Wassereffizienz Abfallmanagement Wie flexibel kann das Gebäude auf möglicherweise steigende Kosten für Energie, Wasser und Abfallmanagement reagieren? Zertifizierung von Gebäuden und grüne Ratinginstrumente 3.2.1 Es wurden eine Reihe von Ansätzen eingeführt, mit denen Gebäude anhand von definierten Umweltstandards eingestuft werden können, wobei einige dieser Standards gesetzlich vorgeschrieben und andere freiwillig sind, wodurch eine standardisierte Beurteilung und Zertifizierung von grünen und energieeffizienten Gebäuden angeboten wird. Insgesamt gibt es weltweit rund 30 freiwillige Ratingsysteme, mit denen versucht wird, die Komplexität des Konzepts der Nachhaltigkeit einzufangen. Vermutlich ist es unausweichlich, dass sich diese Instrumente hauptsächlich auf neue oder umfangreich modernisierte Gebäude konzentrieren. Teil 3 – Weitere Fachtexte 217 3.2.2 International anerkannte Zertifizierungssysteme, die einen gemeinsamen Standard mit höherem Nutzwert für internationale Investoren bieten, sind folgende: BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) – Mit dieser Beurteilungsmethode wird die Effizienz eines Gebäudes nach Punkten für insgesamt acht Kriterien bewertet (Energie, Transport, Umweltverschmutzung, Landnutzung und Ökologie, Gesundheit und Wohlergehen sowie Bewirtschaftung). Die erreichten Punktzahlen werden addiert und mit einem Rating versehen. Das Programm verfügt über verschiedene Schemata je nach Nutzung der Immobilien, z. B. für Produktionszwecke, Gewerbe oder Schulen. Ein neues Gebäude kann erstmals in der Entwurfsphase beurteilt werden (mit einem Zwischenzertifikat) und nach Fertigstellung. Die Methode kann auch für Modernisierungen verwendet werden. Es gibt fünf Stufen, nach denen ein Gebäude die Beurteilung bestanden hat. LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) – Das Programm wurde vom US Green Building Council (USGBC) aufgesetzt und findet auf Neubauten und Modernisierungen Anwendung, für die insgesamt 100 Punkte vergeben werden können, auch hier mit vier verschiedenen Zertifizierungsendstufen. Die Hauptbewertungskriterien sind nachhaltige Standorte, Wassereffizienz, Energie und Atmosphäre, Materialien und Ressourcen sowie ökologische Innenraumqualität, die ergänzt werden durch Punkte für Konstruktionsinnovationen und regionale Priorität. Der USGBC hat im Jahr 2008 folgende Daten zu Merkmalen von Gebäuden, die die LEED-Standards erfüllen, veröffentlicht: – 8–9 % geringere Betriebskosten – 3,5 % höhere Belegungsquoten – 3 % höhere Mieten – eine 6,6 % höhere Investitionsrendite – einen 7,5-prozentigen Anstieg des Marktwertes Wie schon an anderer Stelle ausgeführt, können jedoch zahlreiche Faktoren dieses Ergebnis beeinflussen. 3.2.3 Weitere Standards mit internationaler Bedeutung sind insbesondere der DGNB-Standard in Deutschland, CASBEE in Japan sowie Green Star und NABERS in Australien. Dazu kommen noch andere, eigene Standards oder Vorschriften in einzelnen Ländern. Jedes Programm unterscheidet sich in der Art, auf welche Weise welche Faktoren beurteilt werden. Alle Programme werden regelmäßig überarbeitet. Die Bewertungsmethoden sind oftmals eher beschreibend und wenden keine zugrundeliegenden Prinzipien zur Bildung einer Beurteilung an. 218 Europäische Bewertungsstandards 2012 3.2.4 Es gibt nur wenige Grundlagen zur Beurteilung von Bestandsgebäuden. In der EU bieten Energieausweise einen beschreibenden Ansatz für Effizienzratings, wohingegen die US Building Owners and Managers Association das Programm „Go Green“ entwickelt hat. 3.2.5 Alle Ansätze werden in den einzelnen Ländern unterschiedlich angewandt, so dass sich sogar die Energieausweise in den verschiedenen Mitgliedsländern voneinander unterscheiden, womit sich auch das Problem ergibt, wie sie jeweils international von anderen gelesen und bei Vergleich der Informationen beurteilt werden (Hinweis – Die Richtlinie zur Energieeffizienz von Gebäuden von 2010 trägt der Europäischen Kommission auf, ein freiwilliges EU-Zertifizierungsprogramm für Gebäude aufzusetzen, die nicht für wohnwirtschaftliche Zwecke benutzt werden (Artikel 11(9)), welches 2012 fertig gestellt sein soll (siehe EVA8)). 3.2.6 Die politischen Linien und Erwartungen hinsichtlich des Themas der Nachhaltigkeit ändern und entwickeln sich kontinuierlich. Daher können sich verbindliche Standards für neue Gebäude, die durch Raumplanungs- bzw. Bauvorschriften auferlegt werden, vermehrt auf stetig anspruchsvollere Niedrigenergie- oder Passivhausstandards und der Nutzung von erneuerbaren Ressourcen sowie eher allgemeinen Nachhaltigkeitskriterien konzentrieren. In einigen Bereichen kann es sein, dass diese regulären Anforderungen entweder durch freiwillige Ratinginstrumente für grüne Gebäude ersetzt werden, oder durch sie die Festlegung von noch höheren Standards gefördert wird. Die Richtlinie über die Energieeffizienz von Gebäuden legt für Neubauten einen „Niedrigstenergiestandard“ bis 2018 (öffentliche Gebäude) und 2020 (private Gebäude) fest (siehe EVA8). 3.3 „Grüne Mieten“ 3.3.1 Immer zahlreicher werdende Debatten befassen sich mit dem Konzept der „grünen Mieten“, die wiederum Auswirkungen auf die Bewertung einiger Immobilien haben können. Sie sind jedoch noch in den Kinderschuhen und in Australien vielleicht am weitesten entwickelt, von daher gibt es keine präzise Definition des Begriffs der „grünen Miete“, die auf dem Markt allgemein akzeptiert wird. 3.3.2 Die Diskussion über grüne Mieten ist als Reaktion auf das häufige Ungleichgewicht der Interessen zwischen Mieter und Vermieter im Hinblick auf Umweltfragen entstanden. Zur Verbesserung der Energieeffizienz eines Gebäudes sind oftmals Kapitalinvestitionen mit unter Umständen mit langen Laufzeiten bis zur Amortisation erforderlich. Vermieter bzw. Investoren schrecken häufig davor zurück, diese Kosten ohne eine angemessene Rendite auf sich zu nehmen, während Mieter vorsichtig bei Investitionen in eine Immobilie sind, deren Eigentümer sie nicht sind und die sie sogar Teil 3 – Weitere Fachtexte 219 oft für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum anmieten. Die grüne Miete, die in der Praxis lediglich zwischen Parteien vereinbart werden kann, die ein gemeinsames Interesse an dem Thema aus eigenen wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen haben, nimmt bereits identifizierte Nachhaltigkeitsthemen in Angriff und versucht, wachsende, gesetzliche Anforderungen zu erfüllen. 3.3.3 Im Allgemeinen bezieht sich eine grüne Miete auf eine nachhaltige/energieeffiziente Immobilie zu Bedingungen, die die Nachhaltigkeit fördern. Diese Bedingungen, die in der Praxis beträchtlich variieren, können sich häufig auf ökologische bzw. energieeffiziente Standards, betriebliches Kontrolling und Auditverfahren hinsichtlich der Messgrößen für Energieeffizienz beziehen. Manche Vermieter vereinbaren grüne Mieten mit lediglich einigen grundsätzlichen ökologischen Verpflichtungen, beispielsweise Kooperation bei Initiativen zu Energieeinsparungen, Zurverfügungstellung von Informationen über Energie, Wasser und Abfall, die Verwendung nachhaltiger Materialien sowie Verbote, die Energieeffizienz des Gebäudes zu beeinträchtigen. Solche grundsätzlichen Vereinbarungen sind manchen auch als „Light Green Leases” bekannt. Am anderen Ende des Spektrums kann es sich um Vereinbarungen handeln, mit denen Ziele für die Nutzung von Energie, Abfall und Wasser einschließlich separater Zählung und Auswertungen, Voraussetzungen für Mietanpassungen, baulicher Veränderungen sowie Wiederherstellung eines bestimmten Zustandes festgelegt werden, den sogenannten „Dark Green Leases“. Ihre Bestimmungen können sich mit Themen wie Abfallentsorgung oder der Vermeidung von flüchtigen organischen Substanzen in Reinigungsmitteln befassen. Die Mietvereinbarungen können Anreizklauseln und Klauseln bei Nichteinhaltung beinhalten, die auf vereinbarten Leistungs- oder Effizienzniveaus beruhen, die die Miete beeinflussen können oder die als mieterseitige Verbesserungs- oder Verschlechterungsmaßnahme bei Beendigung des Mietverhältnisses berücksichtigt werden können. 3.3.4 Die australische Regierung hat eine Reihe von Modellen für mögliche grüne Mieten für die unterschiedlichen Mietarten veröffentlicht, mit denen der Mieter verpflichtet wird, die Immobilie wirtschaftlich zu betreiben und den größtmöglichen ökologischen Nutzen aus ihr zu ziehen, beispielsweise durch Nutzung der effizientesten Ausstattung in Bezug auf Installationen, Beleuchtung und Heizsystemen mit einem Energiemanagementplan und einem Rahmen für Berichterstattung und Prüfung, der Strafen unterliegt. Erste Präzedenzfälle gibt es bereits in anderen Rechtssystemen, z. B. in Großbritannien. Sie können Bestimmungen für eine Reihe an Themen vorsehen, derer sich Mieter und Vermieter annehmen müssen. Zum Beispiel kann es sich um Folgendes handeln: 220 Europäische Bewertungsstandards 2012 Der Vermieter übergibt dem Mieter ein Handbuch zur energetischen und ökologischen Funktionsweise der Immobilie. Energieeffizienzziele – Wahrung und Verbesserung der Einstufung im Energieausweis, in dem bei Verfehlen eines Ziels die verantwortliche Seite zu finanziellen Bußen herangezogen werden kann. Versäumt der Vermieter die Einhaltung einer vereinbarten Verpflichtung zur Verbesserung der Energieeffizienz kann es Mietminderungen geben. Der Mieter hat sicherzustellen, dass der Energieverbrauch effizient ist, und dem Vermieter alle Daten über Energie- und Wassernutzung zu übergeben. Mieter und Vermieter erstellen Berichte zu Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Umbauten, die die ökologische Leistung einer Immobilie wesentlich reduzieren, können vollständig untersagt werden. Da der Mieter unter Umständen diejenige Person ist, die am besten geeignet ist, um Umbauten zur Verbesserungen der ökologischen Effizienz der Immobilie durchzuführen, kann man Bestimmungen vereinbaren, die es ihm erlauben, die Änderung im Sinne eines Ein- oder Umbaus nach Beendigung des Mietverhältnisses in der Immobilie zu belassen, wobei der Vermieter darauf verzichtet, sich auf Verschlechterung der Mietsache zu berufen. Eine Reduzierung in der Einstufung laut Energieausweis kann als Verschlechterung der Mietsache angesehen werden. Grundgebühren für Versorgungsleistungen – Bei einer Immobilie mit mehreren Mieter kann sich der Vermieter das Recht vorbehalten, die Grundgebühren zu gewichten bzw. die Gewichtung zu ändern, so dass sie das relative ökologische Verhalten des Mieters wiederspiegeln, und dieses kann wiederum ein Vergleichsmaßstab bei einer Mietanpassung sein. Eine Immobilie mit mehreren Nutzern kann einen Verwaltungsbeirat haben, in dem auch der Vermieter vertreten ist. 3.3.5 Wird die Einführung einer grünen Miete beabsichtigt, ist es sinnvoll, den aktuellen Zustand mit Hilfe einer Energie- und Umweltprüfung festzustellen und zu dokumentieren, damit man über eine Ausgangbasis verfügt, von der aus die diversen Aspekte und Verpflichtungen des Mietverhältnisses beurteilt werden können. 4. Bewertung und Nachhaltigkeit 4.1 Ein Gutachter kann immer nur seine eigene Einschätzung des Objektwertes auf der Grundlage der verfügbaren Nachweise liefern und somit die Erfahrungen am Markt wiedergeben. Bei dieser Einschätzung kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine bestimmte Sache einen bestimmten Wert haben sollte, sondern lediglich, Teil 3 – Weitere Fachtexte 221 dass ein Wert durch die Beurteilung bzw. auf der Basis der verfügbaren Informationen ermittelt wurde. Diese Einschätzung ist zu belegen und so darzustellen, dass sich der Kunde im Rahmen der verfügbaren Nachweise auf diese Beurteilung für den Zweck, zu dem die Bewertung in Auftrag gegeben wurde, verlassen kann. 4.2 Es kann keine allgemeine Regel bezüglich typischer Muster für Zu- oder Abschläge geben, die für bestimmte Umweltthemen in Ansatz gebracht werden. Selbst wenn solche Faktoren auf dem jeweiligen Markt von Bedeutung sind, hängt vieles noch von anderen Aspekten, wie beispielsweise der Lage auf dem Immobilienmarkt, der Transparenz von Informationen, der Lage und Art des Objektes, der Gefährdung durch Umweltrisiken in der Region und dem Bewusstsein der Konsumenten ab. 4.3 Es ist möglich, dass die Märkte mit der Zeit aus Umweltgesichtspunkten unterscheiden hinsichtlich des Wertes von Immobilien. Daher kann es sein, dass Gebäude mit hoher Energieeffizienz und niedrigem Energieverbrauch oder Immobilien mit einem anerkannten ökologischen Zertifikat beginnen, auf manchen Märkten einen zusätzlichen Wert zu genießen. Obwohl dies dann für eine Weile zutreffend sein mag, kann es dann sein, dass der Markt anfängt, solche Standards zu erwarten bzw. diese von entsprechenden Vorschriften verlangt werden, wodurch der Wertaufschlag durch einen Abschlag bei den anderen Immobilien ersetzt wird. Bei solchen Veränderungen wird es sich um Markterscheinungen handeln, daher kann es keine allgemeine Regel für den Effekt dieser Faktoren auf Immobilienwerte, Mieten und Erträge geben. 4.4 Die Fragen, auf die sich das Konzept der Nachhaltigkeit konzentriert, können für eine Werteinschätzung sowohl von Relevanz sein, als auch keine Relevanz haben. Dies hängt von der Art des Objektes, den jeweiligen Umständen und dem Verhalten möglicher Käufer ab. Verschiedene Faktoren können für ihre Bedeutung ausschlaggebend sein, beispielsweise in welchem Maße es sich bei den ökologischen Aspekten nicht um schädliche Effekte handelt, die jedoch für den Preis, den ein Käufer zahlt, relevant sind; um Faktoren handelt, die als Anreiz oder Abschreckung von Käufern von Interesse sind. Im Wesentlichen handelt es sich um die Frage, inwieweit nachgewiesen werden kann, dass kaufbereite, marktkundige und umsichtige Bieter diese bei ihren Überlegungen zum Preis oder der Miete für eine Immobilie berücksichtigen. Einkäufer von gewerblichen Immobilien, die im Namen von Unternehmen kaufen, können diese Fragen unter ganz anderen Gesichtspunkten sehen als jemand, der ein Haus zu eigenen Wohnzwecken kauft. 222 Europäische Bewertungsstandards 2012 4.5 Dies kann ebenfalls durch bestimmte Marktverhältnisse beeinflusst werden. Wo es einen starken Markt mit einem begrenzten Angebot an Gebäuden gibt, unterscheidet der Markt aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten möglicherweise nicht besonders zwischen verschiedenen Immobilien. Werden diese Fragen jedoch zu einem Thema für Käufer und Nutzer und je mehr Immobilien, die die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, vorhanden sind, umso mehr kann es sein, dass der Markt hier differenzieren wird, möglicherweise insbesondere dann, wenn die Marktstimmung schwach ist. 4.6 Es kann auch den besonderen Fall von Bietern geben, für die Nachhaltigkeitsfragen von größerer Bedeutung sind. Dabei handelt es sich natürlich um diejenigen Käufer, für die ethische Aspekte wichtiger sind, sei es aus persönlicher Überzeugung oder aufgrund von Vorschriften, die für einen bestimmten Investmentfonds von Belang sind. Einige sind möglicherweise auch grundsätzlich an Innovationen interessiert – sie sind „Trendsetter“. 4.7 Andere können die Nachhaltigkeit als Kriterium sehen, das für eine mögliche zukünftige Wertentwicklung relevant ist. Sie können der Ansicht sein, dass Immobilien, die bestimmte Standards erfüllen, eher im Wert steigen, oder dass Immobilien, die es versäumen, diese Standards zu erfüllen, riskieren, in der Zukunft nur mit Abschlägen verkauft werden zu können. Nur die Zukunft wird zeigen, welche Ansichten zu diesem Thema richtig oder falsch sind, sei es in Bezug auf künftige Reaktionen am Markt oder bezüglich der von ihnen spezifisch ausgewählten Kriterien. Hat ein Käufer die richtigen Kriterien gewählt und die Märkte entsprechend der Erwartungen reagiert, kann er die anderen Marktteilnehmer übertreffen, sei es durch Ankauf von vorteilhaften Immobilien oder durch Verkauf derjenigen Immobilien, die aus Umweltgesichtspunkten ein größeres Risiko darstellen. Natürlich können sich die Märkte auch in eine unvorhergesehene Richtung bewegen oder andere Faktoren als relevant ansehen. 4.8 Eine Möglichkeit, dieses Verhalten zu analysieren, ist die Beobachtung, dass sich die Marktteilnehmer für sich selbst und in der Verfolgung ihrer Ziele bei ihren Entscheidungen über den Wert einer Immobilie oftmals nach dem Investitionswert (siehe EVS2 und EVA5) richten. Wo dieser Wert der Immobilie für den Marktteilnehmer selbst, nach seinen Kriterien, deutlicher höher ist als der Marktwert, nimmt er das unter Umständen als Chance wahr. 4.9 Ist eine Immobilie zu bewerten, die vermietet werden soll, sind Nachhaltigkeitsfragen dann von größerer Relevanz, wenn sie dazu führen, dass Mieter höhere Mieten zahlen oder der Markt dadurch zu der Meinung gelangt, dass die Einkommensströme auf diese Weise sicherer sind. Ersteres wird vom Nutzen einer solchen Immobilie für den Mieter gegenüber anderen Immobilien abhängen – ein Mieter wird kaum ein Interesse am zukünftigen Kapitalwert einer Immobilie haben. Es kann bedeutende Teil 3 – Weitere Fachtexte 223 Unterschiede bei Energie- oder anderen Kosten geben; die Immobilie kann ein attraktiveres Arbeitsumfeld für die Mitarbeiter anbieten; sie kann den Mieter darin unterstützen, sein bevorzugtes Image gegenüber seinen Kunden darzustellen. Manche dieser Aspekte können sich überschneiden und es ist wahrscheinlich, dass es sich bei den Gebäuden mit der höchsten Nachhaltigkeit um vor kurzem erstellte Gebäude handelt, die somit auch andere aktuelle Standards erfüllen und in nächster Zukunft kaum modernisiert werden müssen. Immobilien, die die Standards weniger einhalten, können mit höheren Kosten für eine Anpassung durch „Nachrüstung“ zur Erfüllung der steigenden Ansprüche einhergehen, je nachdem ob und wann dies erforderlich wird, sei es durch Markterwartungen oder im Laufe der Entwicklung der Gesetzgebung, oder sie nehmen einen Abschlag von ihrem Wert gegenüber Immobilien in Kauf, die die Standards in höherem Maße erfüllen. 4.10 Falls ein solcher Ansatz von den Marktteilnehmern in Bezug auf bestimmte Kriterien größere Akzeptanz erfährt, wird er mit der Zeit die Marktwerte beeinflussen. Wenn sich die fraglichen Kriterien jedoch nicht auf breiter Basis durchsetzen, bleiben sie für eine lediglich begrenzte Anzahl einzelner Akteure ein Faktor, der wenig oder keinen Einfluss auf den Verkehrs- bzw. Marktwert hat. 4.11 Nachhaltigkeitsbelange können schwieriger zu berücksichtigen sein, wenn es sich um ein Gebäude mit unterschiedlichen Nutzungen handelt, wo Eigentümer und die jeweiligen Nutzer sehr unterschiedliche Verpflichtungen, Interessen und Ziele haben. 4.12 Wo sich die Märkte einer größeren Wertschätzung von Nachhaltigkeit zuwenden, ob es nun Energie- oder eine ganze Reihe anderer Themen sind, wird solches für die Ermittlung des Marktwertes relevant. In der Praxis ist eine Auswertung dieser Faktoren nicht allein eine Angelegenheit der allgemeinen Nachhaltigkeit, sondern es kann sich um die Bewertung der Rolle, die ein spezifisches Thema (z. B. Energie) spielt, handeln, welches wiederum einen Einfluss auf die Betriebskosten hat, oder wenn es sich um das aktuell relevante Thema auf dem Markt handelt. 4.13 Es wird häufig gesagt, dass man bereit sei, einen Aufschlag für die Einhaltung bestimmter allgemeiner Standards wie beispielsweise BREEAM zu zahlen, aber dies geht nicht unbedingt aus dem tatsächlichen Marktverhalten hervor. Auf der Grundlage von Marktnachweisen bezüglich echter Transaktionen ist das schwer zu belegen, denn dort sind es oft herkömmliche Faktoren, die das Ergebnis scheinbar erklären. 4.14 Umgekehrt kann es in dem Maße, in dem die Gesetzgebung, die Marktlage und möglicherweise die Besteuerung vermehrt die Durchsetzung von Nachhaltigkeits- 224 Europäische Bewertungsstandards 2012 fragen einfordern, sein, dass die Kosten für ihre Einhaltung und Verbesserung bei vielen Bestandsimmobilien bzw. für komplexere Planungsvorhaben (beispielsweise Stadtsanierung) einen negativen Effekt auf die Werte von Immobilien haben. 4.15 „Green Value“ – Manchmal wird das Konzept des „green value“ bzw. des ökologischen Wertes angeführt. Es gibt zwar verschiedene Definitionen für den Begriff des grünen Gebäudes, aber keine generell akzeptierte Definition des „ökologischen Wertes“. Manchmal kann sich der Begriff lediglich darauf beziehen, dass die „nachhaltigen“ Merkmale von Grundstücken und Gebäuden sich in ihrem Wert wiederspiegeln können. 4.16 Konkret ist der „grüne“ Wert der zusätzliche Wert, den ein ökologisches Gebäude im Vergleich mit einem herkömmlichen Gebäude haben kann. Obwohl dies eine insbesondere zu Vergleichszwecken nützliche Kurzbeschreibung ist, steht ein solcher ökologischer Wert nicht für sich, sondern er bildet einen integrierten Bestandteil des gesamten Marktwertes einer Immobilie und stellt getrennt davon lediglich ein theoretisches Konstrukt dar. 4.17 Ansätze – Obwohl sich immer größere Aufmerksamkeit den Themen der Nachhaltigkeit zuwendet, wird doch oftmals festgestellt, dass sich solches häufig nicht in den Marktpreisen wiederspiegeln. Sobald ein bestimmtes Thema das allgemeine Interesse der Käufer erlangt, wird es einfach Teil der gesamten Matrix an Faktoren, die dem Marktwert zugrunde liegen. Im Ergebnis zeigt sich nicht notwendigerweise ein Aufschlag gegenüber anderen Immobilien, sondern dass Immobilien, die die Standards nicht in dem Maße einhalten, mit einem Abschlag angeboten werden. 4.18 Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und ökologische Merkmale können nur dann in der Bewertung wiedergegeben werden, wenn sie sich durch beobachtbare Hinweise aus dem Markt belegen lassen. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass das Erreichen oder Nicht-Erreichen eines Aspektes der Nachhaltigkeit auch notwendigerweise zu einem Zu- oder Abschlag beim Wert einer Immobilie führt. Die Auswirkungen eines Merkmales können sich im Laufe der Zeit, zwischen verschiedenen Branchen, Nutzungsarten und Regionen verändern. 4.19 Alle heutigen Bewertungsmethoden – hauptsächlich das Ertragswertverfahren, das direkte Vergleichswertverfahren und das Sachwertverfahren – sind für die Bewertung von nachhaltigen Gebäuden geeignet. Vergleichbare Transaktionen sind der beste Beweis für die Bereitschaft des Marktes, für bestimmte Gebäudemerkmale zu zahlen. Teil 3 – Weitere Fachtexte 225 4.20 In einigen Märkten kann der Gutachter versuchen, weiterentwickelte statistische Methoden zur Ermittlung des „ökologischen Wertes“ als Teil seiner Analyse zu benutzen. Dies ist unter Umständen abhängig von der Qualität und der Bandbreite der verfügbaren Daten. Anspruchsvollere Kunden könnten sich durch die Verwendung von multipler Regressionsanalyse überzeugen lassen. Die kontingente Bewertungsmethode, die hedonische Preisfindung oder sogar die Kosten-Nutzen-Berechnung können einen ersten Ansatz bieten, jedoch geht man mit ihnen das Risiko ein, Ergebnisse zu produzieren, die instabil und übermäßig sensitiv sind, gegenüber Annahmen, die sich in einer großen Bandbreite bewegen und für die sich keine deutlichen Anzeichen auf dem Markt finden. 4.21 Die Methode des Discounted Cash Flow (DCF) kann eine Möglichkeit sein, wie man verschiedene Modelle von Betriebs- und Modernisierungskosten berücksichtigen und miteinander vergleichen kann. 4.22 Ein praktisches Problem liegt darin, dass Nachhaltigkeitsfragen nicht isoliert allein für sich stehen, sondern, wie schon oben erwähnt, sich mit anderen Faktoren überschneiden können. Beispielsweise kann Energieeffizienz ein Vorteil und eine Kostenersparnis sein, mit der das Arbeitsumfeld eine höhere Qualität erlangt. Sie kann auch Ausdruck für modernes Bauen mit geringeren Energiekosten sowie weniger Modernisierungsbedarf sein, und möglicherweise handelt es sich um ein Gebäude, das sich an einem attraktiveren Standort befindet. 4.23 Als praktischer Beruf beschäftigt sich die Bewertung mit der Beobachtung und Beurteilung. Unter den gegenwärtigen Umständen erfordert die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfragen in Bezug auf eine Immobilie eine sorgfältige Analyse. Unter Umständen ist es nur selten so, dass Nachhaltigkeitsfragen als allgemeine Regel von Relevanz sind, sondern es geht oftmals um spezifische Fragen und insbesondere spezifische Standards. Standards, Zertifizierungen und Ratingsysteme können Informationen, beispielsweise über Energie, in einer Weise sammeln und zusammenfassen, mit der sie einfacher auf dem Markt Berücksichtigung finden können. Daher erlangen folgende Kenntnisse wachsende Bedeutung: Identifizierung, Beschreibung und Beurteilung der relevanten Merkmale einer Immobilie Auslegung und Beurteilung der Bewertung dieser Merkmale Überlegungen, ob diese bereits berücksichtigt wurden, insofern als sie den Wert betreffen Auswahl einer angemessenen Methode, alle verbleibenden Punkte ohne Doppelzählung zu berücksichtigen 226 Europäische Bewertungsstandards 2012 4.24 Sobald die relevanten Faktoren identifiziert und in solcher Weise beurteilt wurden, können sie im Prinzip in das Gutachten in der gleiche Weise aufgenommen werden, wie jegliche andere spezifische Faktoren sonst auch. Sie erfordern keine neuen Bewertungsmethoden, sondern vielmehr eine besonnene, praktische Beurteilung unter Zugrundelegung des Zweckes des in Auftrag gegebenen Gutachtens. Im Gutachten sind diese Faktoren dann in angemessenem Maß und auf angemessene Weise zu behandeln. 4.25 Inwieweit sich ein Gutachten auf das Thema der Nachhaltigkeit bezieht, wird von der Beurteilung der gegebenen Umstände abhängen. Zum einen wird diese das Ausmaß, in dem Nachhaltigkeitsfragen für den Wert relevant sind, wiedergeben, und zum anderen die Interessen des Auftraggebers. Diese beiden Punkte laufen zusammen, wo ein Kunde, der an Nachhaltigkeitsfragen interessiert ist, ein Gutachten auf Grundlage des Investitionswertes in Auftrag gibt. 4.26 Anerkannte Zertifikate oder Ratings, die für die Immobilie ausgestellt wurden, sind generell im Gutachten aufzuführen. 4.27 Trend zu Checklisten – Wo Nachhaltigkeitsfragen für ein Gutachten relevant sind, muss der Gutachter die entsprechenden Informationen zusammentragen, sie beurteilen und sie in seinem Gutachten entweder als Teilaspekte in der ansonsten üblichen Struktur des Gutachtens, oder in separaten Abschnitten, mit oder ohne Anhängen je nach Fall aufführen. Die Vielfalt an Immobilien und die wachsende Anzahl an Nachhaltigkeitsthemen führen dazu, dass keine allgemein gehaltene Checkliste alle Themen erschöpfend erfassen kann, aber je nach Immobilie kann es sinnvoll sein, einen oder mehrere der folgenden Punkte der unten aufgeführten Liste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, zu berücksichtigen. 4.28 Neben der üblichen Beschreibung der Immobilie können unter anderem folgende Faktoren Berücksichtigung finden: Baumaterialien Jegliche Kontamination von Gebäude und Grundstücken, z. B. bei Industriebrachen, die zur Entwicklung anstehen Gefährdungen durch Naturkatastrophen, z. B. Hochwasser, Erdbeben oder Erdrutsche Einhaltung von einschlägigen Baunormen Dämmung und ähnliche Merkmale, besondere Merkmale (z. B. Wärmebrücken oder Fenstertyp) und verbleibende Haltbarkeitsdauer, regionale und gesetzliche Baunormen Art und Komplexität der Gebäudeausstattung Teil 3 – Weitere Fachtexte 227 Alter und Qualität (Effizienz) der Installationen im Gebäude bezüglich Heizung, Kühlung und andere Zwecke, und somit die Machbarkeit des Erhalts oder des Ersatzes von spezifischen Gebäudeelementen (z. B. ölbefeuerte Heizanlagen im Vergleich zu einem alternativen System, das die allgemeinen Betriebskosten senken könnte) Energieeffizienz, Einstufung im Energieausweis und empfohlene Verbesserungsmaßnahmen, Energiequellen (erneuerbar?) und Nettoenergieverbrauch Wassereffizienz, insbesondere an Standorten mit knappen Wasservorräten, Nutzung von Grauwasser, Wasserrückgewinnung, Regenwassersammlung etc.) Betriebskosten Grundfläche hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit, Anpassbarkeit und Kosteneffizienz Auswirkungen auf die Produktivität und das Wohlbefinden der Nutzer Wahrscheinlicher Zeitrahmen und Kosten für Modernisierungen Haltung des Marktes gegenüber Nachhaltigkeit und Bereitschaft, für grüne (ökologische) Merkmale zu zahlen Gesetzliche Anforderungen Mögliche finanzielle Förderungen Einschlägige Zertifizierungen oder Ratings Mietbestimmungen (grüne Mieten) Allgemeiner Überblick über die Immobilie: 4.29 Erlaubt das Gebäude optimale Abläufe (Best Practice)? Können Mängel wirtschaftlich behoben werden? Wie ist das Gebäude im Vergleich mit anderen Gebäuden in der Region zu beurteilen? Beeinflussen Nachhaltigkeitsthemen die Nachfrage seitens potenzieller Mieter? Und welche Mieten würden sie zahlen? Beeinflussen diese Themen die Erträge so, wie andere Investoren es erwarten? Welches sind die laufenden Kosten und der voraussichtliche Zeitrahmen sowie der Umfang von Modernisierungskosten? 4.30 Obwohl sich diese Schrift hauptsächlich mit Nachhaltigkeit im Sinne des Umweltschutzes befasst hat, welches ein Hauptthema in aktuellen Debatten ist, gibt es noch weitere, praktische Fragen der Anpassungsfähigkeit und Flexibilität einer Immobilie sowie ihres Raumangebots und anderer Ausstattungsmerkmale, die sie anbietet, die ebenfalls ein Aspekt für ihre Fähigkeit sein können, ohne größere Veränderungen ihren Nutzen erbringen zu können. Handelt es sich um große Grundstücksflächen, wie beispielsweise in der Landwirtschaft oder bei Entwicklungsvorhaben, können sich andere relevante Themen ergeben, z. B. hinsichtlich der biologischen Vielfalt oder der Umweltverschmutzung. Ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich, müssen zahlreiche Nachhaltigkeitsfragen überprüft werden. 228 Europäische Bewertungsstandards 2012 Teil 3 – Weitere Fachtexte 229 Sammlung von Definitionen und Aufmaßvorschriften von Strecken, Flächen und Rauminhalten Hinweis – In dieser Sammlung wird nicht definiert, wie das Aufmaß bei unterschiedlichen Objektarten durchzuführen ist, da dies vom jeweiligen lokalen Markt abhängig ist. Sie führt aus, was mit einer bestimmten Aufmaßgrundlage gemeint ist, und für welche Objektarten und Bewertungen man sie im Normalfall verwenden kann. Die deutsche Übersetzung der englischen Begriffe erfolgt dabei in Anlehnung an die DIN 277. 1. 2. 3. 4. 5. Einleitung Anwendungsbereich Allgemeine Definitionen Ermittlung der Grundflächen in der Praxis Weiterführende Literatur 1. Einleitung 1.1 Jüngste Studien des Europäischen Rates der Bauökonomen (European Council of Construction Economists – CEEC) haben gezeigt, dass obwohl alle europäischen Länder ähnliche Grundlagen für das Aufmaß von Flächen in Gebäuden verwenden, sich die Eingruppierung und Kodierung dieser Gebäudebestandteile stark zwischen den Ländern unterscheidet. Dies heißt, dass Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Flächen oft sehr irreführend sein können. 1.2 Den Autoren ist es bei dieser Sammlung natürlich bewusst, dass es gegenwärtig unmöglich ist, eine Verallgemeinerung hinsichtlich grenzübergreifender Regeln und üblicher Praxis bei der Berechnung von Flächen und Raum zu treffen. Der Inhalt dieser Zusammenfassung ist daher als Leitfaden über die Grundlagen und Methoden gedacht, die bei dem Aufmaß und der Berechnung von Flächen und Rauminhalten von Immobilien zum Zwecke der Bewertung Anwendung finden. 230 Europäische Bewertungsstandards 2012 1.3 Die in dieser Sammlung vorgestellten Ansätze beruhen auf der Euronorm 15221-6, die 2011 im Zusammenhang mit Gebäudemanagement von CEN (Comité Européen de Normalisation – Europäisches Komitee für Normung) veröffentlicht wurden. Darüber hinaus existieren andere Regelwerke, die zum Teil im letzten Absatz dieses Informationspapiers als weiterführende Lektüre genannt werden. 2. Anwendungsbereich 2.1 Diese Sammlung befasst sich mit dem Aufmaß und der Berechnung von Strecken, Flächen und Rauminhalten von Grundstücken und Gebäuden als Leitfaden für den Gutachter in Europa, da in vielen europäischen Ländern gegenwärtig unterschiedliche Regeln und Definitionen zur Berechnung dieser Kennziffern verwendet werden, beispielsweise bei der Grundfläche von Gebäuden. Dies führt zu Problemen bei Vergleich und Auslegung der Gebäudedaten zwischen verschiedenen Ländern in einer für Gutachter und Kunden präzisen oder brauchbaren Weise. Daraus ergeben sich wiederum weitreichendere Konsequenzen in Bezug auf Vergleiche, die von verschiedenen anderen Entscheidungsträgern getroffen werden können, beispielsweise von Planern und Architekten, Ökonomen und Investoren, Eigentümern und Mietern, Politikern und Verwaltern. 2.2 Diese Sammlung listet Definitionen auf, die üblicherweise Verwendung finden, und stellt einige Immobilien- und Bewertungsarten vor, wo diese normalerweise benutzt werden können, so dass der Gutachter ein Verständnis dafür erlangen kann und damit Ergebnisse erzielt, die sich auch unter verschiedenen Ländern vergleichen lassen, und für die Immobilienbewertung und dem Leistungsvergleich zwischen vergleichbaren Immobilien in verschiedenen Ländern damit von Vorteil sind. 2.3 In dieser Sammlung wird nicht vorgegeben, wie das Aufmaß von unterschiedlichen Immobilienarten auszuführen ist, denn das hängt von den Konditionen, den Normen und Bestimmungen vor Ort ab. Gutachten sollten dort, wo relevant, deutlich auf die Aufmaß- und Berechnungsgrundlagen hinweisen und diese erläutern, sowie alle unüblichen Ansätze oder Abweichungen von den hier beschriebenen Verfahren nennen. 3. Allgemeine Definitionen 3.1 Aufmaße und Berechnungen werden üblicherweise mit dem metrischen System durchgeführt und aufgezeichnet, obwohl nicht immer mit Einheiten nach dem Internationalen Einheitensystem (Système International) gearbeitet wird. In einzelnen Länder und Branchen können traditionell übliche Maßeinheiten verwendet werden, die dort gängige Praxis sind oder den Marktgepflogenheiten entsprechen. Teil 3 – Weitere Fachtexte 231 3.2 Vorbehaltlich der gesetzlichen Bestimmungen oder Anweisungen des Auftraggebers, kann die Wahl der verwendeten Einheit und der Anzahl an Dezimalstellen für den Gutachter praktische Gründe haben, die von den Gegebenheiten der Immobilie und den eventuellen Bedürfnissen des Kunden abhängen. 3.3 3.4 Einheiten Strecken werden nach der Länge in einer Dimension berechnet und sollten in Metern (m) ausgedrückt werden. Flächen werden in zwei Dimensionen berechnet und sollten in Quadratmetern (m2) ausgedrückt werden, obwohl in manchen Märkten, beispielsweise auf dem Büromarkt in Großbritannien, der Quadratfuß (ft2) benutzt wird. Größere Flächen, ländliche Immobilien und ältere Gebäude haben häufig unregelmäßige Formen. Beim genauen Abmessen solcher Flächen sollte man Umsicht walten lassen, beispielsweise mittels einer Landvermessung oder der Verwendung von daraus erzeugten digitalen Karten. Die Flächen können in Hektar ausgedrückt werden; in Großbritannien werden üblicherweise Acres benutzt und andere Länder können in manchen Regionen nochmals andere traditionelle Maßeinheiten verwenden. Inhalte werden in drei Dimensionen berechnet und sollten in Kubikmeter (m3) ausgedrückt werden. Strecke Die Bruttolänge wird als der waagerechte Abstand zwischen entweder den Außenseiten der Außenwände oder zwischen den Mittelpunkten der Innenwände berechnet. Die Wahl der Berechnungsgrundlage sollte im Gutachten aufgeführt werden. Die Nettolänge wird als der waagerechte Abstand zwischen den Innenseiten der Außenwände berechnet, ohne Berücksichtigung baulicher Innenraumkomponenten, wie beispielsweise Säulen oder Stützpfeiler, bei denen es sich nicht um vollständige Wände handelt. Die Bruttohöhe wird als der senkrechte Abstand zwischen der Oberseite eines Fertigfußbodens und der Oberseite des Fertigfußbodens, der sich in der Ebene darüber befindet bzw. der Oberseite der darüber liegenden Dachkonstruktion berechnet. Die Nettohöhe wird als der senkrechte Abstand zwischen der Oberseite eines Fertigfußbodens und der Unterseite der darüber liegenden Decke, des Bodens oder der Dachkonstruktion berechnet, ohne Berücksichtigung baulicher Innenraumkomponenten, bei denen es sich nicht um vollständige Wände handelt. 232 Europäische Bewertungsstandards 2012 Die lichte Höhe wird als der senkrechte Abstand zwischen der Oberseite eines Fertigfußbodens und der Unterseite einer darüber befindlichen abgehängten Decke berechnet. Flächen und Rauminhalte Bruttoflächen werden mittels Bruttolängen berechnet. Nettoflächen werden mittels Nettolängen berechnet. Bruttoinhalte werden mittels Bruttolängen berechnet. Nettoinhalte werden mittels Nettolängen berechnet. 3.5 Grundstücksgrenzen und Grundstücksflächen Die Grundstücksfläche ist die Fläche der Immobilie innerhalb ihrer Grenzen. Hierzu kann auf amtliche Quellen verwiesen werden (beispielsweise Grundbuchamt, Katasteramt oder eine andere lokale Behörde). Sie wird in der Waagerechten vermessen. Die Grundstücksfläche kann dann entsprechend in die bebaute und die unbebaute Fläche unterteilt werden: – Die bebaute Fläche ist der Teil der Grundstücksfläche, der mit Gebäuden in fertigem Zustand sowohl auf als auch unterhalb der Erdoberfläche bedeckt ist. – Die unbebaute Fläche ist der verbleibende Teil der Grundstücksfläche, der nicht als bebaute Fläche klassifiziert wurde. 3.6 Ermittlung der Außengrenzen – Gutachter sollten sich sorgfältig davon überzeugen, dass sie die Grenzen des Grundstückes präzise erfasst haben. Es ist wichtig, festzustellen, ob und welche Begrenzungsmerkmale zu einer Immobilie gehören, und man mit Sicherheit sagen kann, welches der Grundstücksverlauf zum Nachbargrundstück ist. Dies gilt ebenso für Trennwände zwischen zwei Gebäuden. 3.7 Eine bereits dokumentierte Grundstücksfläche kann unter Umständen für den Gutachter nicht korrekt sein. Ältere Nachweise können überholt sein. 3.8 Land kann beispielsweise einer Zwangsversteigerung unterlegen haben oder unterteilt worden sein. Grundstücksflächen können sich ebenfalls ändern, wenn Grenzverläufe aufgrund von Vereinbarungen zwischen benachbarten Parteien geändert wurden, die ihre Vereinbarung nicht unbedingt auch formell haben registrieren lassen. 3.9 Grenzverläufe, dokumentiert beispielsweise durch Waldrand, Baumgrenzen, Hecken und Flüsse, können sich gegebenenfalls nicht als präzise Beschreibung erweisen und sie können sich mit den Jahren ändern. Zäune und andere Markierung kön- Teil 3 – Weitere Fachtexte 233 nen falsch platziert oder bewegt worden sein, und in Schlussfolgerung wird bei GPSMessungen, die bei der Erstellung von digitalen Karten verwendet werden, nicht immer der eigentliche Standort wiedergegeben. 3.10 Wo Grenzverläufe nicht präzise aufgezeichnet sind bzw. über die es Streitfälle gibt, kann es örtliche Gepflogenheiten und Auslegungen geben, die Annahmen über die Identifizierung der Grenzverläufe zulassen. 3.11 Vermessung von Grenzverläufen – Die herkömmliche Methode zur Vermessung von Boden ist das Metes- (Richtung und Strecke) und Bounds-(Referenzpunkte-)System. Ein Grundstück wird mittels Vermessung und einer Beschreibung seiner Grenzen identifiziert, wie es nach Vereinbarung zwischen den interessierten Parteien geschieht, die die äußerste Umgrenzungslinie eines Grundstückes abgehen und Grenzsteine bzw. -markierungen entlang dieser Linie entweder festlegen oder aufzeichnen. Bei den Grenzmarkierungen kann es sich um Steine, Bäume, Baumgrenzen, Hecken, Gräben, Flüsse, Bäche und sonstige Wasserläufe, die äußeren Ecken anderer Grundstücke oder künstliche Vermessungspunkte handeln. Metes beschreibt die Richtung von einem Referenzpunkt zum nächsten und den Abstand zwischen beiden Punkten. 3.12 Die Methoden zur Aufzeichnung von Grundstücksgrenzen und Vermessung der Flächen haben sich seither von der ursprünglichen Vermessung von Abständen und Winkeln beträchtlich weiterentwickelt – heute nutzt man globalen Positionierungssysteme und elektronische Kartenerstellung. Nichtsdestotrotz ist eine Vermessung immer nur so gut wie die verwendete Methode und ihre Beschränkungen es erlauben – sogar die globalen Positionierungssystem für gewerbliche Zwecke arbeiten innerhalb bestimmter Toleranzen und können aus militärischen oder anderen Gesichtspunkten Beschränkungen unterliegen. 3.13 Das Internet bietet heute viele Möglichkeiten, sich eine Immobilie anzusehen, sei es aus der Luft oder von der Straße. Dies kann ein nützliches Instrument sein, unter Umständen insbesondere, um einen vorläufigen oder allgemeinen Eindruck zu gewinnen. Die Bilder können jedoch älteren Datums sein und die Immobilie könnte seither verändert worden sein. Besondere Probleme gibt es, wenn man Maßangaben aus diesen Services entnehmen will, auf die man sich nicht verlassen sollte. 3.14 Arbeitet man mit Aufzeichnungen jeglicher Art, wie beispielsweise bei Bewertungen vom Schreibtisch aus ohne Besichtigung, können sich die Daten zu den Maßangaben lediglich auf den Zeitpunkt ihrer Aufzeichnung beziehen und sie können nicht nur Änderungen unterliegen, die seither vorgenommen wurden, sondern es kann auch Lücken und Fehler bei ihrer Erfassung geben. 234 Europäische Bewertungsstandards 2012 3.15 Obwohl sich die Genauigkeit der Vermessung beträchtlich verbessert hat, können die Grundstücksgrenzen, auf denen sie beruhen, manchmal nicht zweifelsfrei festgelegt worden sein. Streitfälle in Bezug auf Grenzverläufe beschäftigen so manches Gericht in ganz Europa. 3.16 Gutachter sollten die Quelle (und das Datum) für die Grundstücksfläche, die sie in ihrem Gutachten ausweisen, nennen. 3.17 In manchen Fällen kann der Wert eines Grundstücks von der Topographie des Geländes beeinflusst werden, wodurch es eine größere oder kleinere Nutzfläche erhält – abfallende und wellige Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung können eine größere bebaubare Fläche ergeben als flacher Boden. 3.18 Klassifizierung der Flächenarten bei Grundstücken a) Naturlandschaft: – Wälder – Grünflächen einschließlich einzelner Pflanzen – Bepflanzte Flächen – Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung, die weiter nach Nutzungsart, Qualität oder anderen Merkmalen unterschieden werden können, unter anderem nach ihrer Eignung gemäß den spezifischen Regeln von Subventionsprogrammen – Natürliche Wasserflächen – Andere natürliche Landschaften (Sand, Felsen) – Land angrenzend am bzw. im Vorland von Gezeitengewässern b) Befestigte Flächen: – Fuß- und Radwege – Straßen für leichte und schwere Fahrzeuge – Parkplätze einschließlich innerer Zuwegungen – Sport- und Spielplätze einschließlich Spielfelder und Schwimmbecken – Eisenbahnstrecken c) Bautechnische (strukturelle) Einheiten: – Mauern und andere innere Grenzmerkmale – Schutzsysteme (gegen Schall und Licht) – Rampen, Treppen, Stufen – Brücken, Stege – Vordächer, Unterstände, Pergolas – Wasserbecken, Springbrunnen Teil 3 – Weitere Fachtexte 235 d) Technische Einheiten: – Wasserversorgung – Abwasser – Gasversorgung – Versorgungsleitungen für Heizung und Kühlung – Erdwärmetauscher – Andere technische Einheiten Spezifische Definitionen von Gebäudeflächen 3.19 Baufläche (Site Area) ist derjenige Teil einer Grundstücksfläche, der für eines oder mehrere Gebäude genutzt wird bzw. zur Bebauung vorgesehen ist. 3.20 Gebäudehülle (Building Envelope – BEA) ist derjenige Teil der Baufläche, der physisch von einem Gebäude oberhalb und unterhalb der Erdoberfläche besetzt wird, unter Verwendung ihrer maximalen Abmessungen. 3.21 Gebäudegrundfläche (Building Footprint – BFA) ist derjenige Teil der Baufläche, der physisch von einem Gebäude oberhalb der Erdoberfläche besetzt wird, unter Verwendung ihrer maximalen Abmessungen. 3.22 Bruttogrundfläche, BGF (Gross External Area bzw. Gross Floor Area – GFA) ist die Fläche innerhalb der Außenseiten der Außenmauern der Gebäudehülle und schließt nach dieser Definition die Dicke der Umfassungsmauern mit ein („extra muros“). 3.23 In Frankreich entspricht die „Surface Hors Œuvre Nette (SHON)“ im weitesten Sinne der Bruttogrundfläche nach Abzug der Fläche von vertikalen Hohlräumen, wie beispielsweise Treppen- und Aufzugschächte. Das Maß wird zur Flächenentwicklungsplanung und für behördliche Bewilligungen benötigt. 3.24 Äußere Konstruktionsfläche (Exterior Construction Area – ECA) ist die Fläche der Umfassungsmauern selbst. 3.25 Innere Bruttogrundfläche (Gross Internal Area – GIA bzw. Internal Floor Area – IFA) ist die Bruttogrundfläche nach Abzug der äußeren Konstruktionsfläche („intra muros“). Daher entspricht GIA = GFA – ECA. 3.26 Innere Konstruktionsfläche (Interior Construction Area – ICA) ist die Fläche der innenseitigen baulichen Komponenten des Gebäudes innerhalb der Umfassungsmauern, d. h., sie bezeichnet die von tragenden Säulen und tragenden Wänden beanspruchte Fläche. 236 Europäische Bewertungsstandards 2012 3.27 Die Nettogrundfläche (auch effektive Grundfläche oder vermietbare Grundfläche) (Net Floor Area bzw. Effective Floor Area bzw. Rentable Floor Area) ist die innere Bruttogrundfläche nach Abzug der inneren Konstruktionsfläche. Daher entspricht NFA = IFA – ICA. 3.28 Flächen für technische Installationen (Technische Funktionsfläche) (Technical Services – TA), gemeinsame Verkehrsflächen (Circulation – CA), Einrichtungen (Amenities – AA) etc. sind alles Flächen zur gemeinschaftlichen Nutzung, gemessen als Nettogrundfläche. 3.29 Primäre Fläche (Primary Area – PA) ist derjenige Teil der Nettogrundfläche (NGF), die dem Hauptnutzungszweck dient, bestehend beispielsweise aus Technikräumen (TA), Verkehrsflächen (CA), Einrichtungen (AA). 3.30 In Frankreich entspricht die Surface Loi Carrez der primären Fläche von Wohnimmobilien, jedoch ausschließlich der Flächen mit einer lichten Höhe von weniger als 1,8 Metern. Bei Nutzung als Bürofläche kann die Angabe auch die Waschräume umfassen, die dem jeweiligen Nutzer zur alleinigen Verfügung stehen. Je nach Land gibt es Unterschiede hinsichtlich der Frage, ob Einrichtungen dieser Art mit zur Mietfläche gehören oder nicht. Abbildung 1 – Darstellung der verschiedenen Flächenarten und ihrer Beziehung untereinander Grundstücksfläche (Plot area) Nicht bebaubare Fläche (Non buildable area) Baufläche (Site area) Grundstücksfläche für mögliche Anbauten (Plot area for Possible extensions) Gebäudehülle (The Building Envelope – BEA) Gebäudegrundfläche (The Building Footprint – BFA) Überkragende Flächen oberhalb der Erdoberfläche (Protruding areas above ground level) Bruttogrundfläche (Gross Floor Area – GFA) Äußere Konstruktionsfläche (Exterior Construction Area – ECA) Innere Bruttogrundfläche (Internal Floor Area – IFA) Innere Konstruktionsfläche (Interior Construction Area – ICA) Nettogrundfläche (Net Floor Area – NFA) Gemeinschaftliche technische Installationen, Verkehrsflächen, gemeinschaftliche Einrichtungen (TA), (CA), (AA) Primäre Fläche (Primary Area – PA) Teil 3 – Weitere Fachtexte 4. 237 Ermittlung der Grundflächen in der Praxis 4.1 Diese Aufmaßdimensionen beziehen sich auf den verfügbaren Raum in einem Gebäude je Stockwerk unter Einhaltung der obigen Definitionen. 4.2 Bruttogrundfläche (Gross Floor Area – GFA) a) Jedes Stockwerk sollte einschließlich der äußeren Seiten und Vorsprünge der Umfassungsmauern vermessen werden. Dies umfasst ebenfalls die volle Dicke der Gebäudetrennwand. Nicht-funktionale Flächen, wie beispielsweise große, offene Bereiche (ohne Boden) sollten nicht erfasst werden – wenn solche Flächen in die Berechnung einfließen sollen, muss der Bereich deutlich bezeichnet sein. b) Das Aufmaß sollte Bereiche, die wie folgt besetzt sind, umfassen: – Innenwände, Trennwände, Säulen, Treppenschächte, Aufzüge, Rolltreppen, Luft- (oder andere) vertikale Schächte/Röhren – Räume für Aufzuggeneratoren, Zentralheizung und Klimaanlage (Kühlung), Tankräume, Stromtransformatoren bzw. Niederspannungsräume, Korridore und andere Verkehrsflächen, alle Sanitärbereiche – Seitlich offene, bedeckte Flächen, Rampen, umschlossene Parkflächen, Lagerräume, Archivräume (Untergeschoß) 4.3 Innere Bruttogrundfläche (Internal Floor Area – IFA) a) Die innere Bruttogrundfläche sollte bei jedem Stockwerk zwischen den inneren Oberflächen der äußeren Gebäudemauern berechnet werden. Die innere Grundfläche (IGF) entspricht der Bruttogrundfläche nach Abzug der äußeren Konstruktionsfläche. b) Aufmaße sind auf einer bestimmten Höhe über dem Boden durchzuführen. Gibt es Decken mit Neigungen, sollte der Gutachter erklären, wie er die Fläche berechnet hat. Der internationale Verband der Gebäudeeigentümer und Verwalter (Building Owners and Managers Association International – BOMA) hat hierzu bereits Orientierungshilfen gegeben. 4.4 Nettogrundfläche (Net Floor Area – NFA) Hierbei handelt es sich um die Nutzfläche auf allen Stockwerken innerhalb eines Gebäudes unter folgenden Voraussetzungen: a) Jedes Stockwerk sollte auf allen Ebenen zwischen den inneren Oberflächen der äußeren Gebäudemauern berechnet werden. Die Nettogrundfläche entspricht der inneren Bruttogrundfläche nach Abzug der inneren Konstruktionsfläche. 238 Europäische Bewertungsstandards 2012 b) Aufmaße sind auf einer bestimmten Höhe über dem Boden durchzuführen. Gibt es Decken mit Neigungen, sollten die Regeln, nach denen bei der Flächenberechnung vorgegangen wurde, erläutert werden. c) Die folgenden Flächen sind in jedem Geschoß von der Berechnung auszunehmen: – Tragende Innenwände – Vertikale Lüftungs-, Kabel- oder Rohrschächte und tragende Säulen (normalerweise werden lediglich bauliche Elemente, die größer als ein Quadratmeter in der Fläche sind, ausgelassen, aber je nach Land kann es hier unterschiedliche Gepflogenheiten geben) – Treppen- und Aufzugschächte – Räume für Aufzuggeneratoren, Tankräume (anders als Räume, die für betriebliche Abläufe benutzt werden), Transformatorenräume, Bereiche mit Hoch- und Niedrigspannung – Raumangebot, das für Installationen für permanente Klimaanlagen, Heizung oder Kühlung genutzt wird, sowie für Leitungen auf Oberflächen (Putz), wodurch die Fläche mit Ausnahme der vorgesehenen Zweckdienlichkeit nicht mehr nutzbar ist. Dies bezieht sich nicht auf Apparaturen, die vom Mieter bzw. in seinem Namen installiert wurden, oder welche in dem Gebäude zu einem bestimmten Zweck benutzt werden, wie beispielsweise Computerräume, Datenverarbeitung oder Produktion. Bei der Berechnung dieser Flächen für Bürogebäude sollten folgende Flächen auf allen Stockwerken nicht berücksichtigt werden: a) Flächen, die für die Versorgungseinrichtungen bzw. den Installationen des Gebäudes vorgesehen sind, die nicht nur einem Nutzer des Gebäudes zur exklusiven Nutzung zur Verfügung stehen. b) Flächen, die als öffentlicher Raum für Verkehrsflächen vorgesehen sind und nicht nur einem Nutzer des Gebäudes zur exklusiven Nutzung zur Verfügung stehen (Hinweis: Zusätzliche Gemeinschaftsbereiche, die eventuell durch Aufteilung eines Geschoßes zur Unterbringung von mehr als einem Mieter entstanden sind, sind in die Berechnung einzubeziehen). c) Gebäudeflächen wie beispielsweise Eingangshallen, Treppenabsätze und Balkone, die gemeinsam mit anderen Nutzern genutzt werden. In manchen Fällen können solche Flächen zwischen den Gebäudenutzern aufgeschlüsselt werden. Teil 3 – Weitere Fachtexte 239 Abbildung 2 – Darstellung der Grundlagen zur Flächenmessung von Gebäuden Außenmauern Innere tragende Elemente Nettolänge Bruttolänge Abbildung 3 – Darstellung der Grundlagen zur Höhenmessung von Gebäuden * ABo = Fertigfußboden/Abgeschlossene Bodenoberdecke 240 Europäische Bewertungsstandards 2012 Zoneneinteilung 4.5 Bei einigen Immobilien, insbesondere im Einzelhandel, kann die Fläche innerhalb einer, von der Gebäudefront gemessen, vorgegebenen Tiefe ein wichtiger Faktor für eine Wertermittlung sein. Es ist üblich, die Fläche, die dem Frontbereich am nächsten liegt, als Zone A zu beschreiben, und dieser Bereich hat auch den höchsten Wert pro Flächeneinheit – im Einzelhandel kann sich hier die größte Umsatzdichte ergeben. Die Flächen in größerer Tiefe dahinter (Zonen B, C und so weiter) haben jeweils selbst einen bestimmten Wert, der normalerweise anteilig zu dem Betrag von Zone A ausgewiesen wird und sich im Allgemeinen mit wachsender Distanz zur Frontseite (Tiefe) verringert. Mit dieser Einteilung kann man sowohl den kommerziellen Nutzwert des Bewertungsobjektes beurteilen als auch Vergleichswerte zur Analyse heranziehen. 4.6 Die Festlegung der Zoneneinteilung kann abhängig von der „Bautiefe“ sein, d. h. die Tiefe eines Gebäudes von seiner gewerblichen Vorderfront aus bis zu einer Verkehrsfläche, innerhalb derer die betreffenden Zonen festgelegt werden. 4.7 Es ist wichtig, dass bei einer Auswertung von vergleichbaren Immobilien und dem Gutachten über das Bewertungsobjekt die gleichen Zonentiefen benutzt werden. Die verwendeten Tiefen können sich von Land zu Land und je nach Objektart unterscheiden, in Großbritannien werden jedoch häufig Tiefen von 6 Metern verwendet. Besondere Bestimmungen 4.8 Wo relevant, sollte die Raumhöhe im Gutachten angegeben werden. Die für Räume mit schrägen Wände verwendete Aufmaßmethode sollte ebenfalls im Gutachten aufgeführt werden. 4.9 Vorläufige oder permanente Zwischengeschosse (Mezzanine) sollten ebenso wie die lichte Höhe ober- und unterhalb der Zwischengeschosse im Gutachten aufgeführt werden. 4.10 Flächen für besondere Zwecke, beispielsweise Flächen und Höhen, die für Paletten in spezieller Größe und ähnliches konzipiert wurden, sollten ebenfalls im Gutachten aufgeführt werden. 4.11 Die Höhe bis zur Dachtraufe eines Gebäudes bzw. die Höhe der Eingänge ist ein Hauptmaß bei Gebäuden, die für Fahrzeuge oder Maschinen in Branchen wie Transport, Lagerwesen oder Landwirtschaft benutzt werden. Teil 3 – Weitere Fachtexte 241 Anwendung von spezifischen Aufmaßgrundlagen 4.12 Bruttogrundfläche (GFA) – Baukosten (auch zum Zwecke der Ermittlung des Versicherungswertes) – Grundstücksausnutzung – Planung – Zoneneinteilung 4.13 Innere Bruttogrundfläche (IFA) – Baukostenkalkulation – Makler für Industrie-, Einzelhandels- und Lagerimmoblien – Bewertungspraxis 4.14 Nettogrundfläche (NFA) – Makler und Bewertungspraxis – Betriebskostenschlüssel 4.15 Gebäudegrundfläche – Flächennutzung 4.16 Gebäudehülle – Flächennutzung 5. Weiterführende Literatur ASTM (ehemals American Society for Testing and Materials – Amerikanische Gesellschaft für Prüfung und Materialien) – E 1836/E 1836M-09e1 – Standard Practice for Building Floor Area Measurement for Facilities Management Hinweis: Diese Praxisschrift wurde für die Vereinigten Staaten verfasst. In Anhang A1 gibt sie Hinweise zu Bürogebäuden, sie ist jedoch ausdrücklich nicht anwendbar bei Mietverhandlungen. Für diese wird der Leser auf den amerikanischen Nationalstandard verwiesen, der vom amerikanischen Institut für nationale Normung (American National Standards Institute) unter ANSI/ BOMA Z65.1-2010 veröffentlicht wird (BOMA-Standard). BOMA (Building Owners and Managers Association International) – Sechs Normen zum Flächenaufmaß: – Office Buildings: Standard Methods of Measurement (ANSI/BOMA Z65.1 – 2010) E-Book 242 Europäische Bewertungsstandards 2012 – Retail Buildings: Standard Method of Measurement E-Book (ANSI/BOMA Z65.5-2010) – Multi-Unit Residential Buildings: Standard Methods of Measurement (ANSI/ BOMA Z65.4-2010) E-Book – Gross Areas of a Building: Standard Methods of Measurement (ANSI/BOMA Z65.3 – 2009) E-Book – Industrial Buildings: Standard Methods of Measurement (ANSI/BOMA Z65.2– 2009) E-Book – Mixed Use Properties: Standard Methods of Measurement E-Book CEN (Comité Européen de Normalisation – Europäisches Komitee für Normung) – EN 15221-6 – Flächenbemessung im Facility Management – veröffentlicht am 19. Oktober 2011 (die Mitgliedstaaten des CEN sollen diese neue Fassung bis April 2012 veröffentlichen und vorherige Normen innerhalb von zwei Jahren zurückziehen) IPD (Investment Property Databank) – Space Code ISO 9836 – Performance-Normen im Bauwesen – Definition und Berechnung von Flächen- und Raumkennzahlen Beispiele für praktisch bewährte, optionale bzw. vorgeschriebene, Normen in ausgewählten Ländern: – Deutschland = DIN 277 und GIF Mietflächenrichtlinie für gewerblichen Raum (MF-G) – Norwegen – Flächen und Inhalte von Gebäuden (Norsk Standard NS 3940:2007 Areal- volumberegning av bygninger) – Richtlinien zur Berechnung von Flächen in Wohngebäuden für den Berufsstand der Gutachter (Takstbransjens Retningslinjer ved Arealmåling av Boliger – 2009) – Spanien – Asociación Profesional de Sociedades de Valoración (ATASA). „Estándar ATASA de Medición de Superficies de Inmuebles“. ATASA. Madrid, 2011. – Großbritannien – RICS Code of Measuring Practice Teil 3 – Weitere Fachtexte 243 Informationsschrift Aufteilung in Grundstücke und Gebäude 1. 2. 3. 4. Einleitung Anwendungsbereich Definitionen Erläuterungen 1. Einleitung 1.1 Gutachter sehen sich oft der Situation gegenüber, dass der Wert einer Immobilie zwischen ihren verschiedenen Komponenten aufgeschlüsselt werden muss. EVA1 „Bewertung zum Zwecke von Finanzberichten“ nimmt bereits Bezug auf dieses Thema. 1.2 In dieser Informationsschrift wird erläutert, wie bei einer Aufteilung eines Wertes in Grundstück und Gebäude vorzugehen ist, wobei das Grundstück im Normalfall nicht separat vermarktet werden kann. Daher handelt es sich hier also um etwas anderes als die Bewertung von ungeteilten Anteilen an einer Immobilie. Manchmal müssen auch Anlagen und Maschinen bzw. immaterielle Anlagen aufgeschlüsselt werden. 2. Anwendungsbereich 2.1 Der Zweck dieser Informationsschrift ist eine Überprüfung, welchen Ansatz ein Gutachter bei der Aufteilung eines Objektwertes benutzt. Dies kann für Bilanzierungszwecke, zum Zwecke der Klassifizierung von Mieten nach IFRS oder der Besteuerung erforderlich sein. Unter Umständen muss der Immobilienwert auch aufgrund von Mietprüfungen oder in Anwendung von Vereinbarungen zwischen den Parteien aufgeschlüsselt werden. Alle EU-Richtlinien sowie alle internationalen und nationalen Rechnungslegungsstandards verlangen eine Aufteilung zu Abschreibungszwecken. 244 Europäische Bewertungsstandards 2012 2.2 Gemeinsame Begriffe, die bei einer Aufteilung des für eine Immobilie festgesetzten Wertes in Grundstück und Gebäude verwendet werden, sind folgende: Wiederbeschaffungskosten (zum Neuwert oder indexierte Wiederbeschaffungskosten) Abschreibung Sachwert Nutzungsdauer Eine Definition dieser Begriffe befindet sich unten. Die Verwendung der Begriffe hängt jedoch vom Urteilsvermögen des Gutachters sowohl im Hinblick auf die angewandte Methode als auch, ob weitere Anpassungen notwendig sind, ab, um ein Ergebnis zu erzielen, das eine angemessene Aufteilung des Wertes in die verschiedenen Bestandteile unter Berücksichtigung der Situation der Immobilie darstellt. 3. Definitionen 3.1 Einige der Ansätze zur Aufteilung des Wertes einer Immobilie auf Grundstück und Gebäude auf dem Grundstück beruhen auf dem Konzept der Wiederbeschaffungskosten für das Gebäude. Die verschiedenen Definitionen der Wiederbeschaffungskosten beruhen auf der wichtigsten Nutzungsform des Gebäudes unter Berechnung der Kosten für den Wiederaufbau, wie beispielsweise für Versicherungszwecke. Mit Ausnahme der abgezinsten Wiederherstellungskosten (d. h. dem Sachwert) bezieht sich diese Definition nicht unbedingt auf einen präzisen Ersatz für das Gebäude, so wie es ist, sondern um ein angemessenes, zeitgemäßes Gebäude für den jeweiligen Zweck, welches eine dem Zweck entsprechende Größe hat und mit Materialien und Techniken nach den heute erwarteten Standards gebaut wurde. 3.2 Die Wiederbeschaffungskosten eines Gebäudes sind diejenigen Kosten, die entstehen, wenn man es ersetzt, so dass es die Funktionen erfüllen kann, für die es benutzt wird. Sie können entweder als Wiederbeschaffungskosten zum Neuwert oder indexierte Wiederbeschaffungskosten ermittelt werden. Sie sind einschließlich der Nebenkosten, die beim Bau anfallen, zu ermitteln. 3.3 Wiederbeschaffungskosten zum Neuwert („Neu für Alt“) – Wiederbeschaffungskosten zum Neuwert für die baulichen Strukturen unter Verwendung der Wiederaufbaukosten zum Bewertungsstichtag. Diese Berechnung beruht auf den heutigen technischen Baustandards mit aktuellen Materialien. Veränderte Baustandards können es erfordern, dass der als Ersatz gedachte Baukörper teurer ist als wenn das alte Gebäude einfach durch ein neues ersetzt wird (EVA4). Teil 3 – Weitere Fachtexte 245 3.4 Das alte Gebäude kann weniger nützlich oder effizient als ein modernes sein. Wenn daher das Gebäudealter, seine Bauweise oder seine Konstruktionsweise bedeuten, dass es normalerweise heute nicht noch einmal in dieser Form gebaut würde, kann der Gutachter stattdessen die Kosten eines modernen Ersatzgebäudes ermitteln. Der Zweck, zu dem das Gebäude gebraucht wird, kann heute beispielsweise einen anderen Maßstab, eine andere bauliche Einteilung oder andere Versorgungsleistungen erfordern, wie sie beispielsweise für IT gebraucht werden. Das alte Gebäude hat möglicherweise höhere Decken, einen ungewöhnlichen Grundriss oder Verzierungen sowie andere Merkmale, die bei einem neuen Gebäude nicht reproduziert würden. Wo man von einem solchen modernen, gleichwertigen Gebäude ausgeht, muss es von einer baulichen Ausführung mit entsprechenden Spezifikationen und Versorgungsleistungen sein, die für die aktuelle Nutzung des Gebäudes erforderlich wären. 3.5 Indexierte Wiederbeschaffungskosten zum Neuwert – Hier handelt es sich um eine Anpassung der neuen Wiederbeschaffungskosten mittels anerkannter Bauindizes (EVA4). 3.6 Sachwert – Dieser entspricht den Wiederbeschaffungskosten zum Neuwert, jedoch unter Ansatz von Abzügen für Alterung und Verschleiß der baulichen Struktur. Dieser Betrag berücksichtigt lediglich den Ersatz des Gebäudes in seinem gegenwärtigen Zustand, nicht aber den Ersatz des Gebäudes mittels eines neuen Gebäudes (EVA4). 3.7 Abschreibung (Alterswertminderung) wird als das Maß für den Verschleiß, den Verbrauch oder eine andere Art des Wertverlustes bei einem Anlagegegenstand definiert, sei es durch Gebrauch, den Zeitverlauf oder Überalterung durch technologische oder marktbedingte Veränderungen. 3.8 Nutzungsdauer ist der Zeitraum, über den das Gebäude wirtschaftlich für seinen Zweck genutzt werden kann. 3.9 Nicht betriebsnotwendiges Grundstück bezeichnet den Teil des Grundstücks der Immobilie, der für die betrieblichen Zwecke von Gebäuden nicht erforderlich ist. In vielen Fällen ergibt es sich, dass moderne gleichwertige Gebäude anders errichtet werden und die Wiederbeschaffungskosten anstelle von den Gebäuden, so wie sie aktuell sind, vorzugsweise ermittelt werden. Damit kann sich die Fläche des nicht betriebsnotwendigen Grundstücks ändern, und es kann sogar eine zusätzliche Fläche dieser Art entstehen. 246 Europäische Bewertungsstandards 2012 4. Erläuterungen 4.1 Die Aufteilung des Wertes zwischen den Bestandteilen einer Immobilie ist keine Bewertung. Das Ergebnis der Aufteilung in die Bestandteile sollte nicht als der Marktwert dieser Bestandteile gesehen werden. 4.2 Bei der Aufteilung liegt es am Urteilvermögen und an der gewählten Methodologie des Gutachters, welche notwendigen Anpassungen vorgenommen werden müssen, um eine realistische und vertretbare Einschätzung der Aufteilung zu erhalten. 4.3 Der Ausgangspunkt für eine Aufteilung ist gemeinhin entweder der Marktwert der Immobilie, der unter angemessener Verwendung der drei international anerkannten Bewertungsmethoden festgestellt wurde; oder der Transaktionspreis. 4.4 In manchen Rechtsprechungen kann es Regeln zur Aufteilung bei bestimmten Objektkategorien geben, die von der Gesetzgebung, den Behörden oder durch lokale Gepflogenheiten vorgegeben werden. Wo es solche Vorschriften gibt, müssen oder können sie, je nachdem, was angemessen ist, verwendet werden. Unter Umständen muss der Gutachter die Methode, die er verwendet hat, erklären oder rechtfertigen. 4.5 Wo es erforderlich ist, ist eine Aufteilung des Wertes zwischen Grundstück und dem darauf befindlichen Gebäude vorzunehmen und es sollte nach einem der folgenden Verfahren vorgegangen werden: a) Abzug des Grundstückswertes hinsichtlich seiner aktuellen Nutzung zum entsprechenden Datum vom Wert oder Preis der Immobilie b) Abzug des Sachwertes der Gebäude zum entsprechenden Datum vom Wert oder Preis der Immobilie Es ist auch möglich, eine Komponentenanalyse von vergleichbaren Immobilien und vergleichbaren Grundstücken vorzunehmen, wenn es gute Nachweise gibt. Obwohl das Ergebnis dann von Marktwerten abgeleitet wurde, führt es zwar zu einer vergleichenden Beurteilung der Komponenten, jedoch nicht zu einem Marktwert für jede einzelne Komponente. 4.6 Verwendet man für das Gebäude das Sachwertverfahren, kann der anzuwendende Wert unterschiedlich sein, je nachdem ob eine mögliche wirtschaftliche Überalterung in irgendeiner Weise berücksichtigt wurde. Dieses Problem kann größere Auswirkungen auf die Aufteilung haben als da, wo beispielsweise für eine Fabrik heute ein Teil 3 – Weitere Fachtexte 247 kleineres Gebäude gebaut werden würde, in dem unter Nutzung von modernen Maschinen der gleiche Produktionsausstoß erzielt werden würde, daher ein kleineres Grundstück benötigt wird und das überschüssige Grundstück nicht betriebsnotwendig wäre (siehe 4.8 unten). 4.7 Das Grundstück – Der Grund und Boden in unerschlossenem Zustand, jedoch mit geltendem Planungsrecht für Bau und Nutzung von Gebäuden, wird als das Grundstück einer Immobilie angesehen. Es wird davon ausgegangen, dass alle erforderlichen Versorgungseinrichtungen angeschlossen werden können, alle baulichen Maßnahmen wie interne Erschließungswege, Zäune, gepflasterte Flächen und andere Erschließungsarbeiten sind jedoch auszuschließen, da sie abgeschrieben werden müssen. Ein Wertgutachten wird daher die Vor- und Nachteile des Grundstückes und des Standortes wiedergeben. Es sollte nicht aufführen, ob es ein Entwicklungspotenzial gibt, welches über das hinausgeht, was für das geplante Gebäude erforderlich ist. 4.8 Das überschüssige „nicht betriebsnotwendige Grundstück“ wird bei der Aufteilung nicht berücksichtigt. Falls ein solches, nicht betriebsnotwendiges Grundstück vorhanden ist, sollte es dargestellt werden und separat im Marktwert einschließlich seines möglichen Entwicklungspotenzials bewertet werden. 4.9 Aufteilung in der Praxis – Die Wahl des Verfahrens hängt in jedem Fall davon ab, welche Bedeutung und Schlüssigkeit die verfügbaren Informationen haben. Es ist unwahrscheinlich, dass man mit beiden Methoden, selbst wenn sie durch gute Belege nachweisbar sind, zu demselben Ergebnis kommen wird, da sie sich jeweils auf unterschiedliche Konzepte beziehen und sich der Wert der Immobilie insgesamt von der Summe seiner separaten Bestandteile unterscheiden kann. Selbst wenn man nur eine Methode benutzt, wird der Gutachter mit Hilfe seines professionellen Urteilsvermögens begründen, warum er sich für ein bestimmtes Aufteilungsverfahren und seine Anwendung sowie nachfolgende Anpassungen zur Erzielung seines Endergebnisses entschieden hat. 4.10 Falls der Wert, der dem Gebäude nach der unter 4.5 (a) beschriebenen Methode zugeschrieben wurde, höher ist als die Wiederbeschaffungskosten des Gebäudes, nach Berücksichtigung der baulichen Wertminderung und wenn die Aufteilung zum Zwecke der Abschreibung erforderlich ist, wird empfohlen, dass der Gutachter den von ihm ermittelten Wert noch einmal gründlich überprüft. Es ist möglich, dass dieser Wert den wirtschaftlichen Vorteil von immateriellen Vermögenswerten oder persönlichem Eigentum berücksichtigt. Es kann von Bedeutung sein, dass immaterielle Anlagewerte einer Aufteilung oder einer jährlichen Prüfung auf Beeinträchtigung 248 Europäische Bewertungsstandards 2012 unterliegen und dass die Nutzungsdauer der immateriellen Komponenten oftmals anders ist als die Nutzungsdauer von Gebäuden. 4.11 nutzt: Das Verfahren nach Punkt 4.5 (b) wird üblicherweise in folgenden Fällen be- a) Es gibt wenige oder keine Vergleichsfälle für gleichwertige Grundstücke. b) Bei Gesetzgebungen, die eine Gebäudesteuer auf den Buchwert des Gebäudes erfordern. c) Wenn andere Eigentümer des Gebäudes bestehen und es möglicherweise Rechte von gemeinsamem Interesse gibt. d) Wenn sich bei Anwendung des Verfahrens unter Punkt 4.5 (a) ein Gebäudewert ergibt, der auch immaterielle Vermögenswerte oder persönliches Eigentum umfasst, wodurch die Qualität des abgeleiteten Wertes eingeschränkt werden kann. 4.12 Eine gutachterliche Bewertung von Komponenten, die mit vergleichbaren Immobilien wie das Bewertungsobjekt (Gebäude und Grundstück) durchgeführt wird, kann bei der Ermittlung des aufgeteilten Wertes der einzelnen Bestandteile hilfreich sein. Hierbei handelt es sich um eine Berechnungsmethode mittels Vergleich von Objekten, die nicht mit der Bewertung eines Objekts zu verwechseln ist, welches in Grundstückseinheiten aufgeteilt ist. Die Beurteilung der anderen Immobilien sollte in einer Weise erfolgen, die auf das Bewertungsobjekt passt, so dass eine nachhaltige Ermittlung des Wertes von folgenden Punkten erleichtert wird: Das vergleichbare Potenzial des Grundstücks, unentwickelt jedoch erschlossen; die Art und die Größe der Gebäude; der relative Nutzen und die Nachteile; Aufteilung und Standort. Der Gutachter sollte nach einem insgesamt durchgängigen Ansatz vorgehen. Hierbei gilt das Prinzip, dass die Aufteilung nur ein Mittel zum Vergleich darstellt. Die Komponenten können nicht separat vermarktet werden und daher ist es wenig wahrscheinlich, dass sie den ihnen zugeschriebenen Wert erzielen könnten. Es geht hierbei um die Aufgabe, die Werte von Vergleichsobjekten mittels ihrer Komponenten zu analysieren, und dann, ausgehend von diesen Werten (die für sich allein genommen niedrig erscheinen können) den entsprechenden Anteil zu bewerten. Mit anderen Worten sollte die Vorgehensweise der Bewertung derjenigen in der Analyse entsprechen. Teil 3 – Weitere Fachtexte 249 4.13 In manchen Fällen muss der Gutachter den Wert eines Immobilienportfolios zwischen Grundstücken und den auf ihnen befindlichen Gebäuden aufschlüsseln. Ein möglicher Ansatz besteht darin, eine angemessene Zuteilung für eine repräsentative Stichprobe an Objekten festzustellen, und dann dieses auf das betreffende Portfolio umzulegen, insofern als die in ihm enthaltenen Immobilien vergleichbar sind. Dieser auf Stichproben basierende Ansatz sollte nicht ohne Kontrolle auf Immobilien aus dem Portfolio angewandt werden, die unbebaut sind oder beträchtlich von der Stichprobe abweichen. 4.14 Manche Bewertungen für IFRS-Zwecke können es erforderlich machen, dass der aufgeteilte Gebäudewert weiter in Anteile mit unterschiedlichen Nutzungsdauern und daher verschiedenen Abschreibungssätzen aufgeteilt werden muss. Da es hier deutliche Einschränkung im Hinblick auf eine korrekte Aufteilung des Wertes der gesamten Immobilie gibt, wird dem Gutachter empfohlen, falls es keine anderen Anweisungen gibt, dies in praktischer Weise anzugehen und lediglich diejenigen entscheidenden Merkmale zu identifizieren, die sich in ihrer Art beträchtlich unterschieden. Eine exzessive Unterteilung führt sehr wahrscheinlich zu Werten, die nicht plausibel und von geringer Hilfe für den Kunden oder andere Berater sind, und die Ergebnisse hervorbringen können, die natürlich je nach den getroffenen Annahmen und Auslegungen beträchtlich von anderen Bewertungen abweichen. 4.15 Insbesondere ist es von Bedeutung, präzise Aufzeichnungen zu der Ermittlung der Aufteilung anzufertigen und aufzubewahren. Wird die Aufteilung für Bilanzierungszwecke verwendet, wie beispielsweise bei Behörden als Auftraggeber, wird sie mit großer Wahrscheinlichkeit einer Buchprüfung unterzogen, daher erleichtern die Aufzeichnungen eine Interpretation der Zahlen bei einer möglichen weiteren Aufteilung zu einem späteren Zeitpunkt. 250 Europäische Bewertungsstandards 2012 Teil 3 – Weitere Fachtexte 251 Informationsschrift Zertifizierung von Gutachtern 1. Die gutachterliche Praxis beruht in einigen europäischen Ländern auf Personenzertifizierungen, die der Sicherstellung und Förderung der beruflichen Qualifizierung von Gutachtern dienen. Die maßgebliche europäische Regelung (Euronorm EN 45013) wurde vor kurzem mit dem internationalen Standard ISO/IEC 17024 zusammengeführt. Sein Ziel ist die Erreichung und Förderung eines weltweit anerkannten Vergleichsmaßstabes für Organisationen, die sich mit der Zertifizierung von Personen befassen (Zertifizierungsstellen). Die Personenzertifizierung ist ein Instrument, mit dem zugesichert werden kann, dass die zertifizierte Person die Anforderungen des Zertifizierungsprogramms erfüllt. Vertrauen in das betreffende Zertifizierungsprogramm wird mittels eines weltweit anerkannten Prüfungsprozesses, nachfolgender Überwachung und regelmäßigen Folgeprüfungen der Kompetenz der zertifizierten Personen geschaffen. 2. Der Standard enthält Anforderungen, die sicherstellen, dass die Zertifizierungsstellen mit Zertifizierungsprogrammen für Personen (z. B. Gutachter) in konsistenter, vergleichbarer und verlässlicher Weise verfahren. Diese Anforderungen sind als Mindestanforderungen anzusehen und müssen daher unter Umständen in Reaktion auf Marktbedürfnisse bzw. -wünsche, die sich zusätzlich zeigen, oder in Reaktion auf besondere behördliche Anforderungen ergänzt werden. 3. Die Zertifizierungsstellen müssen eine Akkreditierungsprüfung in Übereinstimmung mit ISO/IEC 17024 durch eine Akkreditierungsstelle aus ihrem eigenen Land oder aus einem anderen europäischen Land bestehen. Die nationale Akkreditierungsstelle muss Mitglied der Europäischen Kooperation für Akkreditierung (EA) sein; es muss sich bei der Akkreditierungsstelle jedoch nicht zwingend um diejenige des Heimatlandes der Zertifizierungsstelle handeln. Mindestanforderungen 4. ISO/IEC 17024 adressiert die Organisationsstruktur und die unternehmerische Leitung der Zertifizierungsstelle, die Merkmale des Zertifizierungsprogramms, die Informationen, die den Antragstellern zur Verfügung stehen müssen, sowie die Re- 252 Europäische Bewertungsstandards 2012 Zertifizierungstätigkeiten der Zertifizierungsstelle. Im Einzelnen muss eine Zertifizierungsstelle eine Reihe von Anforderungen einhalten, um akkreditiert zu werden, und sie muss für ihre Kandidaten eine bestimmte Anzahl an Mindestanforderungen in Bezug auf ihre berufliche Aus- und Fortbildung aufstellen. Der genaue Wissensstand und die beruflichen Fähigkeiten sind von der nationalen Zertifizierungsstelle zu definieren. 5. Auf der Ebene des Gutachters umfasst der Nachweis seiner persönlichen Kompetenz Anforderungen an Ausbildung, Wissen, Fähigkeiten und Erfahrung, die von einer zertifizierten Person erfüllt werden müssen und deren Erfüllung auch von ihr erwartet werden würde. Zulassungsvoraussetzungen 6. Um akkreditiert werden zu können, muss eine nationale Zertifizierungsstelle die Anforderungen einer nationalen Akkreditierungsstelle erfüllen; insbesondere muss sie ein Handbuch zum Qualitätsmanagement vorlegen. 7. Nationale Zertifizierungsstellen verlangen von ihren Antragstellern regelmäßig die Einhaltung folgender Mindestanforderungen: Einschlägige Universitätsabschlüsse und berufliche Erfahrung in der Immobilienbewertung Ein fehlender Universitätsabschluss kann durch längere berufliche Erfahrung im Immobilienwesen bzw. in der Immobilienbewertung ausgeglichen werden. Vorlage von Immobilienbewertungen (Gutachten), die sich mit verschiedenen Objektarten beschäftigen Zertifizierungsprüfung 8. Die Prüfung muss unabhängig und ein überzeugender Test der gutachterlichen Kompetenz sein. Nationale Zertifizierungsstellen verlangen von ihren Kandidaten: eine schriftliche Prüfung, in der mindestens eine vollständige Bewertung angefertigt wird; und eine mündliche Prüfung des Kandidaten (einzeln oder in einer Gruppe von Kandidaten). Teil 3 – Weitere Fachtexte 253 Prüfstoffverzeichnis 9. Alle Zertifizierungsstellen müssen ein Prüfstoffverzeichnis vorlegen, das im Allgemeinen folgende Themen abdeckt: Nationaler Immobilienmarkt und/oder europäische Immobilienmärkte (Grundlagen) Nationale Bewertungsmethoden bzw. europäische Bewertungsmethoden (Grundlagen) Grundlagen an technischen Kenntnissen und Bauökonomie Grundbuch (falls es im betreffenden Land existiert) Wirtschaft/Betriebswirtschaftslehre Mathematik/Statistik Systeme der größeren Gutachterorganisationen, Schulung etc. (national und international (Europa)) Einschlägiger gesetzlicher Rahmen Berufsethik 10. Zertifizierungsstellen fordern generell von ihren zertifizierten Gutachtern, dass sie berufsethische Grundsätze beachten und einhalten. Dabei geht es unter anderem um folgende Aspekte: Diskretion/Vertraulichkeit – Gutachter sind verpflichtet, alle Unterlagen und Information mit Diskretion zu behandeln und die Informationen ausschließlich für das zu erstellende Gutachten zu verwenden. Objektivität – Gutachter sind verpflichtet, Gutachten in einer unvoreingenommenen und objektiven Weise nach bestem Wissen und Gewissen zu erstellen. Unparteilichkeit/Unabhängigkeit – Die Tatsache, dass ein Gutachter erwerbstätig angestellt ist, schließt eine Unparteilichkeit und Unabhängigkeit nicht automatisch aus. Es muss gewährleistet sein, dass der Gutachter keinen Weisungen hinsichtlich des fachlichen Inhalts seiner Feststellungen unterliegt. Fachliche Kompetenz und Ansehen – Gutachter sind verpflichtet, nur denjenigen Anweisungen Folge zu leisten, für die sie über die notwendigen fachlichen Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen verfügen. 254 Europäische Bewertungsstandards 2012 Überwachung und ständige berufliche Weiterbildung (Continuing Professional Development – CPD) 11. Während der Gültigkeitsdauer des Zertifikats werden zertifizierte Gutachter fortlaufend überwacht. Die Zertifizierungsstellen verpflichten ihre zertifizierten Gutachter prinzipiell, jedes Jahr an einer festgelegten beruflichen Weiterbildung teilzunehmen. Zusätzlich verlangen sie die Vorlage von Gutachten, um die Einhaltung mit den festgelegten Qualitätsstandards zu verifizieren. Maximale Gültigkeit von Zertifikaten/Folgezertifizierung 12. Die von den Zertifizierungsstellen ausgestellten Zertifikate haben keine unbegrenzte Gültigkeit. Die Gültigkeit der Zertifikate ist auf eine bestimmte Anzahl Jahre beschränkt, normalerweise auf fünf Jahre. 13. Vor Ablauf eines Zertifikats muss sich der Gutachter einer Folgezertifizierung unterziehen. Die Zulassung zur Erneuerung der Zertifizierung setzt eine positive Beurteilung des zertifizierten Gutachters während des Überwachungsprozesses voraus, d. h. Nachweis der jährlichen beruflichen Weiterbildungsmaßnahme und positive Beurteilung der geleisteten gutachterlichen Tätigkeit. Die Folgezertifizierung beruht auf einer mündlichen Prüfung. Überwachung 14. Die Zertifizierungsstellen werden kontinuierlich durch die zuständige Akkreditierungsstelle beaufsichtigt. Die Beaufsichtigung umfasst normalerweise folgende Aspekte: Änderungen der Zertifizierungsunterlagen Verlässlichkeit des Zertifizierungsverfahrens Qualität der Prüfungen Qualifizierung der Prüfer Teil 3 – Weitere Fachtexte 255 Europäisches Objekt- und Marktrating: Ein Leitfaden für Gutachter 1. 2. 3. 4. 5. Einleitung Definitionen Ratingsystem Rating von Projekten Ratingvorlagen 1. Einleitung 1.1 In einem zunehmend risikosensitiven Umfeld – nicht zuletzt getrieben durch den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht und die europäischen Institutionen – haben Ratingsysteme stark an Bedeutung gewonnen und zwar nicht nur für Investoren auf den Kapitalmärkten, sondern auch im Bereich des Bankenaufsichtsrechts. Ein Rating wird im Allgemeinen als eine Bewertung oder Beurteilung eines Sachverhalts hinsichtlich Qualität, Quantität oder einer Kombination von beidem definiert. 1.2 Die Ratinginstrumente wurden von den Ratingagenturen zunächst zum Zwecke der Risikobeurteilung im Auftrag von Wertpapieremittenten auf den Kapitalmärkten entwickelt. Seit der Einführung der Baseler Abkommen spielen auch externe und interne Bankratingsysteme eine herausragende Rolle bei der Bankenaufsicht. In jüngster Zeit haben sich die Ratingsysteme auch auf andere Bereiche wie den Immobiliensektor ausgebreitet. 1.3 2004 entwickelte TEGoVA das Objekt- und Marktrating (Property and Market Rating – PaM) zur Beurteilung der Qualität von Immobilien. Mit dem Objekt- und Marktrating kann eine standardisierte und objektive Risikobeurteilung von Immobilien durchgeführt und Risiken und Chancen identifiziert werden. Dieses Instrument bietet nicht nur Transparenz in Bezug auf Immobilienrisiken, sondern kann auch für eine Reihe von anderen Zwecken benutzt werden, beispielsweise der Analyse und Überwachung von Immobilienportfolios, der Risikobeurteilung von Immobilienportfolios für Verbriefungszwecke oder der Analyse von Investitionsentscheidungen bei Immobilien. Da das Objekt- und Marktratingrating das „Chancen- und Risikoprofil“ von Immobilien aufzeigt, ist es besonders als Portfoliomanagementtool geeignet, mit dem das Kreditri- 256 Europäische Bewertungsstandards 2012 siko von Finanzdienstleistern oder Immobilieninvestoren gemessen werden kann. Hierdurch leistet es auch einen Beitrag zu einem hohen Transparenzniveau in der Immobilienbewertung. 1.4 Seit 2004 haben Themen rund um Klimawandel und Nachhaltigkeit für die Immobilienbranche an Bedeutung gewonnen, und dies gilt entsprechend auch für den Berufsstand des Gutachters. Von Gutachtern wird erwartet, dass sie die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsfragen auf den Wert von Immobilien beurteilen. Mit dem Objekt- und Marktrating können diese Fragen über das Unterkriterium „Umweltverträglichkeit“ in der Kriteriengruppe „Objekt“ wiedergespiegelt werden, es liefert jedoch keine neue spezifische Kriterienkategorie für „Nachhaltigkeit“ oder den „ökologischen (grünen) Wert“. Das Rating gibt aber Hilfestellungen, wie die Frage der Nachhaltigkeit mittels der zugrundeliegenden Messverfahren auf nationaler Ebene berücksichtigt werden können. 1.5 Das Objekt- und Marktrating wurde konzipiert, um die Qualität von Immobilien in ihren jeweiligen Märkten standardisiert zu messen. Sein Ansatz beruht dabei auf dem Marktwert von Immobilien. 2. Definitionen 2.1 Ratingdefinition für Bestandsobjekte 2.1.1 Das Objekt- und Marktrating ist ein standardisiertes Verfahren, um die nachhaltige Qualität einer Immobilie in ihrem relevanten Markt darzustellen. Maßstab der Qualität ist die mittelfristige Verkäuflichkeit der Immobilie zu einem Preis, der zwischen Parteien vereinbart werden würde, denen alle Objekt- und Marktinformationen zur Verfügung stehen. Das Rating orientiert sich demzufolge in die Zukunft. 2.2 Ratingdefinition für Projekte 2.2.1 Das Rating eines zu entwickelnden Projektes ist ein standardisiertes Verfahren, um die Qualität eines Projektes in seinem relevanten Markt unter Berücksichtigung der nachhaltigen Qualität der fiktiv fertig gestellten Immobilie sowie der Entwicklungsrisiken und -chancen darzustellen. Maßstab der Qualität ist die Verkäuflichkeit des Projektes am Ratingstichtag zu einem angemessenen Preis zwischen Fachleuten, denen alle Projekt- und Marktinformationen zur Verfügung stehen. Teil 3 – Weitere Fachtexte 257 2.2.2 Ein Projekt ist durch permanente Änderung seiner Rahmenbedingungen während der Projektentwicklungsphase gekennzeichnet (z. B. Genehmigungsstand, Baufortschritt, Verkaufsstand usw.). Aus diesem Grund kann die Verkäuflichkeit des Projektes auch nur zum Ratingstichtag ermittelt werden. 3. Ratingsystem 3.1 Ratingskala 3.1.1 Für das Objekt- und Marktrating wird eine Skala in Anlehnung an die Skalen der Ratingagenturen und die internen Ratingskalen der Banken genutzt. Sie hat 10 Stufen, wobei 1 für ein exzellentes, 5 für ein durchschnittliches und 10 für ein katastrophales Rating steht. Ein Rating unter 5 bedeutet Chancen für die Immobilie, ein Rating über 5 bedeutet Risiken. 3.1.2 Das Rating unterscheidet zwischen vier Objektarten nach ihrer Nutzungsart: Wohnen, Handel und Büro sowie die Kategorie Lager, Logistik und Produktion. 3.2 Kriteriengruppen 3.2.1 Die wesentlichen Einflussfaktoren auf die nachhaltige Qualität einer Immobilie sind den folgenden vier Kriteriengruppen Markt, Standort, Objekt und Qualität des Cash-Flows zugeordnet. 3.2.2 Jede Kriteriengruppe setzt sich aus mehreren Teilkriterien zusammen, die hinsichtlich ihres Einflusses auf die mittelfristige Verkäuflichkeit des individuellen Objektes in seinem relevanten Markt gewichtet sind. Objektive oder messbare Teilkriterien sind beispielsweise Angaben zur Kaufkraft oder Effizienz in der Raumnutzung. Bei den subjektiven Teilkriterien handelt es sich beispielsweise um die Architektur bzw. Bauweise oder die Lage des Grundstücks. Die Gewichtung der einzelnen Teilkriterien kann je nach Objektart unterschiedlich sein. 3.3 Messstandards 3.3.1 Von entscheidender Bedeutung beim Objekt- und Marktrating ist ein einheitliches Verständnis der Immobiliengutachter in Bezug auf das Rating der subjektiven Teilkriterien, während die messbaren Teilkriterien auf Basis von standardisierten Vergleichskriterien leicht zu klassifizieren sind. Um dieses einheitliche Verständnis zu erreichen, sind die Messstandards auf nationaler Ebene für jedes Teilkriterium, getrennt nach Objektarten, zu definieren. Der Ratingleitfaden selbst enthält keine solchen Messstandards. In den Standards muss festgelegt werden, welcher Grad der Kriterienerfül- 258 Europäische Bewertungsstandards 2012 lung für das betreffende Objekt Durchschnitt im relevanten Markt ist, so dass festgestellt werden kann, ob die Immobilie über oder unter dem Durchschnitt liegt. 3.3.2 Nachhaltigkeitsfragen stehen insofern nicht für sich selbst, sondern sie überschneiden sich mit vielen anderen Faktoren. Obwohl dies im Teilkriterium „ökologische Nachhaltigkeit“ innerhalb der Kriteriengruppe „Objekt“ berücksichtigt wird, haben Fragen der Nachhaltigkeit auch eine Auswirkung auf die Qualität des Arbeitsumfeldes, des Standortes und den Immobilienmarkt selbst. Dies erklärt, warum das Objekt- und Marktrating keine separate Kriteriengruppe für „Nachhaltigkeit“ anbietet. 3.3.3 Gutachter sollen Nachhaltigkeitsfragen stattdessen dort, wo sie eine Rolle spielen, mit Hilfe der zugrundeliegenden Messstandards berücksichtigen. Umweltfragen müssen z. B. in der Kriterienkategorie „Markt“ über das Teilkriterium „Höhere Gewalt“ beurteilt werden. Ebenso haben Nachhaltigkeitsfragen eine Auswirkung auf das Teilkriterium „Soziodemographische Entwicklung“. Weiterhin müssen Nachhaltigkeitsaspekte unter den „Standort“-Kriterien über das Teilkriterium „Qualität der Verkehrsanbindung“ und „Qualität der Nahversorgung“ berücksichtigt werden. Zwei weitere, wichtige Bereiche, wo Nachhaltigkeit eine Rolle spielt, sind die „Drittverwendungsfähigkeit“ und „umlagefähige und nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten“ in der Kriteriengruppe „Qualität des Immobilien-Cashflow“. Die zukünftigen Marktentwicklungen werden die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf Messstandards und auch auf Vergleichsgrößen weiter entwickeln. 4. Rating von Projekten 4.1 Kriteriengruppen für Projekte 4.1.1 Um zu einem Rating für ein zu entwickelndes Projekt zu gelangen, müssen alle oben genannten Kriteriengruppen so beurteilt werden, als ob das Projekt bereits fertiggestellt wäre. Die Beurteilung muss sich auf die Verkäuflichkeit der fiktiv fertiggestellten Immobilie konzentrieren, denn darum geht es den Investoren bei einem Projektvorhaben letztendlich. 4.1.2 Zur Beurteilung der Entwicklungsrisiken und -chancen, die in einem Projekt angelegt sind, muss jedoch noch eine fünfte, besondere Kriteriengruppe hinzugefügt werden. Unter Projekt wird an dieser Stelle die Planung, Errichtung und Vermarktung eines Gebäudes (gewerbliche und wohnungswirtschaftliche Nutzung) auf einem Grundstück mit bestehenden baurechtlichen Vorschriften verstanden. Nicht beinhaltet ist hier die Entwicklung von Baurecht auf unbeplanten Grundstücken. Teil 3 – Weitere Fachtexte 259 Fünfte Kriteriengruppe „Entwicklungsrisiken und -chancen eines Projektes“ Teilkriterien Gewichtung Teilkriterium 5.1 Vermietung und Verkauf 60 % 5.2 Planung und Genehmigungen 15 % 5.3 Herstellung und Kosten 25 % Ergebnis für das Rating der Entwicklungsrisiken und -chancen Kriteriengruppe Siehe Matrix unten 100 % 4.2 Verkäuflichkeit eines Projektes Das Rating für die Verkäuflichkeit des Projektes am Ratingstichtag wird über die folgende Matrix ermittelt. In ihr sind alle möglichen Kombinationen des Ratings für die fiktiv fertiggestellte Bestandsimmobilie und des Ratings für die Risiken und Chancen der Entwicklung berücksichtigt. Rating des Bestandsobjektes katastrophal 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10 sehr schlecht 9 9 9 9 9 10 10 10 10 10 10 schlecht 8 8 8 8 8 9 9 10 10 10 10 mäßig 7 7 7 7 7 8 8 8 9 10 10 leicht unterdurchschnittlich 6 5 5 5 6 6 7 7 8 9 10 durchschnittlich 5 4 4 4 5 5 6 7 8 9 10 leicht überdurchschnittlich 4 3 3 3 4 4 5 6 7 8 10 gut 3 3 3 3 3 4 5 6 7 8 10 sehr gut 2 2 2 2 3 3 4 5 6 8 10 exzellent 1 1 1 2 2 3 4 5 6 8 10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Rating der Entwicklungsrisiken und - chancen 260 5. Europäische Bewertungsstandards 2012 Ratingvorlagen 5.1 Die beigefügten Ratingvorlagen führen sämtliche Kriteriengruppen mit ihren Teilkriterien für alle vier Objektarten auf und zeigen die Gewichtung, die jedem Teilkriterium sowohl innerhalb seiner Kriteriengruppe zugeschrieben wurde, sowie seinen Anteil an der Gesamtbewertung. 5.2 Es würde den Markt nicht widerspiegeln, wenn ein sehr schlechtes Rating bei einem Teilkriterium nur in Bezug auf seine Gewichtung im Ergebnis enthalten wäre. Dieses sehr schlechte Rating muss stattdessen in der Beurteilung für die gesamte Kriteriengruppe wiedergegeben werden. Ein einzelnes Rating von 10 für ein Teilkriterium würde daher dazu führen, dass seine gesamte Kriteriengruppe mit 10 bewertet werden muss. 5.3 Handelsflächen 1. Kriteriengruppe „Markt“ (national und regional) – Handel Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 1.1 national/ Kriterienregional gruppe national 1.1.1 Höhere Gewalt 5% 1.1.2 Soziodemographische Entwicklung 20 % 1.1.3 Allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und internationale Attraktivität 20 % 1.1.4 Politische, rechtliche, steuerliche und monetäre Bedingungen 15 % 1.1.5 Immobilienmarkt: Handel 40 % Kriteriengruppe 1 5% 20 % 1.2 30 % regional 1.2.1 Höhere Gewalt 1.2.2 Soziodemographische Entwicklung 25 % 1.2.3 Wirtschaftliche Situation und Attraktivität 25 % 1.2.4 Immobilienmarkt: Handel 45 % Ergebnis für das Markt-Rating 70 % 100 % Teil 3 – Weitere Fachtexte 261 2. Kriteriengruppe „Standort” – Handel Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 2.1 Eignung des Mikrostandorts für die Objektart und die Nutzerzielgruppe 30 % 2.2 Image/Ruf des Quartiers und der Adresse 20 % 2.3 Qualität der Verkehrsanbindung von Grundstück und Quartier 15 % 2.4 Qualität der Nahversorgung von Grundstück und Quartier für die Nutzerzielgruppe 15 % 2.5 Höhere Gewalt Ergebnis für das Standort-Rating Kriteriengruppe Kriteriengruppe 2 30 % 20 % 100 % 3. Kriteriengruppe „Objekt” – Handel Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 3.1 Architektur/Bauweise 20 % 3.2 Ausstattung 10 % 3.3 Baulicher Zustand 15 % 3.4 Grundstückssituation 25 % 3.5 Umweltverträglichkeit 10 % 3.6 Rentabilität des Gebäudekonzepts Ergebnis für das Objekt-Rating Kriteriengruppe Kriteriengruppe 3 20 % 20 % 100 % 4. Kriteriengruppe „Qualität des Immobilien Cash Flow” – Handel Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 4.1 Mieter-/Nutzersituation 20 % 4.2 Mietsteigerungspotenzial/Wertsteigerungspotenzial 30 % 4.3 Vermietbarkeit 20 % 4.4 Leerstand/Vermietungsstand 10 % 4.5 Umlagefähige und nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten 10 % 4.6 Drittverwendungsfähigkeit 10 % Ergebnis für das Rating der Qualität des Immobilien Cash Flow 100 % Kriteriengruppe Kriteriengruppe 4 30 % 262 5.4 Europäische Bewertungsstandards 2012 Wohnen 1. Kriteriengruppe „Markt“ (national und regional) – Wohnen Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 1.1 national 1.1.1 Höhere Gewalt 5% 1.1.2 Soziodemographische Entwicklung 30 % 1.1.3 Allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und internationale Attraktivität 15 % 1.1.4 Politische, rechtliche, steuerliche und monetäre Bedingungen 10 % 1.1.5 Immobilienmarkt: Wohnen 40 % 1.2 national/ Kriterienregional gruppe Kriteriengruppe 1 20 % 20 % regional 1.2.1 Höhere Gewalt 5% 1.2.2 Soziodemographische Entwicklung 35 % 1.2.3 Wirtschaftliche Situation und Attraktivität 15 % 1.2.4 Immobilienmarkt: Wohnen 45 % Ergebnis für das Markt-Rating 80 % 100 % 2. Kriteriengruppe „Standort” – Wohnen Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 2.1 Eignung des Mikrostandorts für die Objektart und die Nutzerzielgruppe 30 % 2.2 Image/Ruf des Quartiers und der Adresse 20 % 2.3 Qualität der Verkehrsanbindung von Grundstück und Quartier 15 % 2.4 Qualität der Nahversorgung von Grundstück und Quartier 15 % 2.5 Höhere Gewalt 20 % Ergebnis für das Standort-Rating 100 % Kriteriengruppe Kriteriengruppe 2 30 % Teil 3 – Weitere Fachtexte 263 3. Kriteriengruppe „Objekt” – Wohnen Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 3.1 Architektur/Bauweise 20 % 3.2 Ausstattung 10 % 3.3 Baulicher Zustand 15 % 3.4 Grundstückssituation 25 % 3.5 Umweltverträglichkeit 10 % 3.6 Rentabilität des Gebäudekonzepts 20 % Ergebnis für das Objekt-Rating Kriteriengruppe Kriteriengruppe 3 20 % 100 % 4. Kriteriengruppe „Qualität des Immobilien Cash Flow” – Wohnen Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 4.1 Mieter-/Nutzersituation 20 % 4.2 Mietsteigerungspotenzial/Wertsteigerungspotenzial 30 % 4.3 Vermietbarkeit/Marktgängigkeit 20 % 4.4 Leerstand/Vermietungsstand 10 % 4.5 Umlagefähige und nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten 10 % 4.6 Drittverwendungsfähigkeit 10 % Ergebnis für das Rating der Qualität des Immobilien Cash Flow 100 % Kriteriengruppe Kriteriengruppe 4 30 % 264 5.5 Europäische Bewertungsstandards 2012 Büro 1. Kriteriengruppe „Markt“ (national und regional) – Büro Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 1.1 national 1.1.1 Höhere Gewalt 5% 1.1.2 Soziodemographische Entwicklung 10 % 1.1.3 Allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und internationale Attraktivität 30 % 1.1.4 Politische, rechtliche, steuerliche und monetäre Bedingungen 15 % 1.1.5 Immobilienmarkt: Büro 40 % 1.2 national/ Kriterienregional gruppe Kriteriengruppe 1 30 % regional 20 % 1.2.1 Höhere Gewalt 5% 1.2.2 Soziodemographische Entwicklung 15 % 1.2.3 Wirtschaftliche Situation und Attraktivität 35 % 1.2.4 Immobilienmarkt: Büro 45 % Ergebnis für das Markt-Rating 70 % 100 % 2. Kriteriengruppe „Standort” – Büro Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 2.1 Eignung des Mikrostandorts für die Objektart und die Nutzerzielgruppe 25 % 2.2 Image/Ruf des Quartiers und der Adresse 15 % 2.3 Qualität der Verkehrsanbindung von Grundstück und Quartier 25 % 2.4 Qualität der Nahversorgung von Grundstück und Quartier für die Nutzerzielgruppe 15 % 2.5 20 % Höhere Gewalt Ergebnis für das Standort-Rating 100 % Kriteriengruppe Kriteriengruppe 2 30 % Teil 3 – Weitere Fachtexte 265 3. Kriteriengruppe „Objekt” – Büro Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 3.1 Architektur/Bauweise 20 % 3.2 Ausstattung 10 % 3.3 Baulicher Zustand 15 % 3.4 Grundstückssituation 25 % 3.5 Umweltverträglichkeit 10 % 3.6 Rentabilität des Gebäudekonzepts 20 % Ergebnis für das Objekt-Rating Kriteriengruppe Kriteriengruppe 3 20 % 100 % 4. Kriteriengruppe „Qualität des Immobilien Cash Flow“ – Büro Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 4.1 Mieter-/Nutzersituation 20 % 4.2 Mietsteigerungspotenzial/Wertsteigerungspotenzial 30 % 4.3 Vermietbarkeit 20 % 4.4 Leerstand/Vermietungsstand 10 % 4.5 Umlagefähige und nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten 10 % 4.6 Drittverwendungsfähigkeit 10 % Ergebnis für das Rating der Qualität des Immobilien Cash Flow 100 % Kriteriengruppe Kriteriengruppe 4 30 % 266 5.6 Europäische Bewertungsstandards 2012 Lager, Logistik und Produktion 1. Kriteriengruppe „Markt“ (national und regional) – Lager, Logistik und Produktion Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 1.1 national 1.1.1 vHöhere Gewalt 5% 1.1.2 Soziodemographische Entwicklung 15 % 1.1.3 Allgemeine wirtschaftliche Entwicklung und internationale Attraktivität 25 % 1.1.4 Politische, rechtliche, steuerliche und monetäre Bedingungen 15 % 1.1.5 Immobilienmarkt: Lager, Logistik und Produktion 40 % 1.2 national/ Kriterienregional gruppe Kriteriengruppe 1 30 % regional 20 % 1.2.1 Höhere Gewalt 5% 1.2.2 Soziodemographische Entwicklung 20 % 1.2.3 Wirtschaftliche Situation und Attraktivität 30 % 1.2.4 Immobilienmarkt: Lager, Logistik und Produktion 45 % 70 % Ergebnis für das Markt-Rating 100 % 2. Kriteriengruppe „Standort” – Lager, Logistik und Produktion Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 2.1 Eignung des Mikrostandorts für die Objektart und die Nutzerzielgruppe 10 % 2.2 Nutzungsrelevante Rahmenbedingungen (Auflagen, Vorschriften etc.) 25 % 2.3 Qualität der Verkehrsanbindung von Grundstück und Quartier 40 % 2.4 Wirtschaftliche Rahmenbedingungen des Standorts 20 % 2.5 Höhere Gewalt Ergebnis für das Standort-Rating 5% 100 % Kriteriengruppe Kriteriengruppe 2 40 % Teil 3 – Weitere Fachtexte 267 3. Kriteriengruppe „Objekt“ – Lager, Logistik und Produktion Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 3.1 Architektur/Bauweise 10 % 3.2 Ausstattung 10 % 3.3 Baulicher Zustand 20 % 3.4 Grundstückssituation 25 % 3.5 Umweltverträglichkeit 10 % 3.6 Rentabilität des Gebäudekonzepts 25 % Ergebnis für das Objekt-Rating Kriteriengruppe Kriteriengruppe 3 20 % 100 % 4. Kriteriengruppe „Qualität des Immobilien Cash Flow” – Lager, Logistik und Produktion Unterkriterien Gewichtung Teilkriterium 4.1 Mieter-/Nutzersituation 20 % 4.2 Mietsteigerungspotenzial/Wertsteigerungspotenzial 25 % 4.3 Vermietbarkeit 25 % 4.4 Leerstand/Vermietungsstand 10 % 4.5 Umlagefähige und nicht umlagefähige Bewirtschaftungskosten 10 % 4.6 Drittverwendungsfähigkeit 10 % Ergebnis für das Rating der Qualität des Immobilien Cash Flow 100 % Kriteriengruppe Kriteriengruppe 4 20 % 268 Europäische Bewertungsstandards 2012 Teil 3 – Weitere Fachtexte 269 Europäischer Hypothekenverband Immobilienrisikoprofil für Bewertungen für Beleihungszwecke Empfehlung – Profil für risikorelevante Kriterien bei Bewertungen Einleitung Der Europäische Hypothekenverband (EHV) empfiehlt, dass bestimmte risikorelevante Kriterien (siehe beigefügtes Risikoprofil) bei der Erstellung und Auswertung von Immobilienbewertungen zu Beleihungszwecken verwendet werden sollen. Diese Kriterien beziehen sich auf Gutachten über den Beleihungs- oder Marktwert und können unabhängig von dem jeweiligen Bewertungsansatz angewendet werden. Außerdem gibt es noch andere Kriterien, die bei der Beurteilung von Risiken berücksichtigt werden können, beispielsweise unternehmerische und finanzielle Risiken. Ein solches Risikoprofil kann auch von Darlehensgebern genutzt werden, um zu zusätzlichen Erkenntnissen zu gelangen, die die Einschätzung ihres Risikos und den Umgang damit verbessern würden. Das Profil dient dem Zweck, die Qualität von Gutachten im Interesse von Hypothekarkreditgebern zu verbessern. Gründe für ein Risikoprofil Das Risikoprofil basiert auf den Ergebnissen der vergleichenden Studie des EHV zur Bewertung von Immobilien für Beleihungszwecke in der Europäischen Union in ihrer nunmehr 6. Auflage, insbesondere in Bezug auf die nationale und grenzüberschreitende Verwendung von Gutachten unter Berücksichtigung einschlägiger Vorschriften und/oder von Selbstregulierung. Die Immobilienbewertung wird in wachsendem Maße als wichtiges Instrument für die bestmögliche Beurteilung von und den Umgang mit Kreditrisiken durch Hypothekarkreditgeber anerkannt, insbesondere auch vor dem Hintergrund des risikosensiblen Ansatzes von Basel II und der Eigenkapitalrichtlinie. In dieser Hinsicht kann das Risikoprofil als Instrument angesehen werden, mit dem Risiken kontrolliert und vermindert werden können. Es sollte sich als nützlich für die Verbesserung der Qualität von Gutachten erweisen und die Glaubwürdigkeit von Bewertungen bei den Bankaufsichtsbehörden erhöhen. 270 Europäische Bewertungsstandards 2012 Bewertung und Beleihungspraxis In einigen Mitgliedsländern ist die Bewertung von Immobilien ein von der Risikobewertung bei einem Kreditvergabeprozess getrennter Prozess, selbst wenn sie diese ergänzt. Ein unabhängiges Bewertungsunternehmen kann z. B. eine Immobilienbewertung vornehmen, wohingegen die Risikobewertung intern durch den Kreditgeber durchgeführt wird. Dies spiegelt die unterschiedlichen Bewertungstraditionen in der Europäischen Union wider. In manchen Mitgliedsländern ist die Bewertung ein bankeninterner Vorgang und somit integraler Bestandteil des Risikomanagementprozesses. In anderen agiert der Berufsstand des Gutachters unabhängig vom Darlehensgeber. Im letzteren Fall verfügen die Gutachter über keine Informationen zu den Kreditkonditionen oder zum Käufer. Der Beleihungsauslauf ist z. B. unter der Überschrift „Finanzielles Risiko“ aufzuführen. Gutachter sollten den Beleihungsauslauf bei der Ermittlung des Wertes im Normalfall nicht berücksichtigen. Kreditsachbearbeiter verfügen über entsprechende Informationen, die sie zusammen mit dem Gutachten verwenden können. Daher sollte der Gutachter, wenn er ein Gutachten für Beleihungszwecke erstellt, die Markt- und Standortrisiken, bau-bedingte Immobilienrisiken, die Qualität der Mieter und der Mietverträge sowie finanzielle und rechtliche Risiken berücksichtigen. Der Kreditsachbearbeiter sollte bei der Bearbeitung von Hypothekarkreditanträgen auch andere Risiken als lediglich die finanziellen Risiken berücksichtigen. Unterschiedliche Bewertungsansätze Das Risikoprofil ist nicht an einen bestimmten Bewertungsansatz gebunden (z. B. Vergleichswertmethode, Ertragswertmethode etc.). Dadurch können die Nutzer von Gutachten aus anderen Bewertungstraditionen ein solches Profil für die Auswertung von Gutachten jeglicher Art verwenden. Wird eine Bewertung unter Ansatz des Marktwertes erstellt, kann kenntlich gemacht werden, dass die Bewertung zu Zeiten eines Konjunkturhochs angefertigt wurde und der ermittelte Wert eventuell nicht nachhaltig ist. Es ist unter Umständen nicht möglich, die Immobilie zu diesem Preis zu verkaufen/zu kaufen. Handelt es sich um eine Bewertung nach dem Beleihungswert, kann signalisiert werden, dass es sich um einen nachhaltigen Wert handelt. Teil 3 – Weitere Fachtexte 271 Profile für risikorelevante Kriterien bei Bewertungen Alle Objektarten Ein Gutachten über eine Immobilie zum Zwecke der Kreditvergabe sollte folgende Risikokriterien wiedergeben: 1. Marktrisiken Zeitrahmen/Timing (aktuelle Marktbedingungen) Konjunkturzyklus Marktvolatilität/Stabilität/Liquidität Angebot und Nachfrage Wirtschaftliche Stabilität des Marktes Marktstrukturen Attraktivität regionaler Märkte von Investoren oder Eigennutzern gesteuerter Markt Verhalten der Marktteilnehmer Demographische Trends Arbeitskräfteangebot Sonstige Investitionsmöglichkeiten 2. Standortrisiken Planungs- und Entwicklungsstand in der unmittelbaren Nachbarschaft und im größeren Umfeld (Mikro- und Makrolage) Entwicklung der Region, der Stadt und des Bezirks Wettbewerb: Mikrotrends in der örtlichen Wirtschaft/andere alternative Investitionsmöglichkeiten auf lokaler Ebene Eignung des Standortes für Investitionen, Erträge und Wertsteigerungen Infrastruktur Öffentliche Versorgungsstrukturen/Nahversorgung Attraktivität des Standortes für Unternehmen 3. Bau-bezogene Immobilienrisiken Bauliche/architektonische Aspekte/Qualität der Immobilie (Ausstattung, Baujahr etc.) Instandhaltungserfordernisse Wirtschaftliche Effizienz 272 Europäische Bewertungsstandards 2012 Ökologische Effizienz Vermarktbarkeit und Drittnutzungsmöglichkeiten Flexibilität hinsichtlich anderer Nutzungsarten Kontamination/belastete Böden Wiederaufbaukosten 4. Mieter/Mietverhältnisse Bonität der Mieter Reputation der Mieter Cashflow-Risiken Bonität des Investors 5. Steuerliche Risiken Aktuelle steuerliche Situation Mögliche Änderungen zum Positiven/Negativen Örtliche Steuervorschriften Regionale Anreize 6. Rechtliche Risiken Eigentumsverhältnisse Bauplanungsrecht Landesspezifische Mietstrukturen Subventionen Effizienz von Verwertungsverfahren und Zwangsversteigerung Haftung bei Kontamination Teil 3 – Weitere Fachtexte 273 Übersicht über die fachlichen Dokumente von TEGoVA 1. Einleitung Diese Übersicht ist als strukturierter Katalog der verschiedenen fachlichen Dokumente gedacht, die von der TEGoVA für Gutachter herausgegeben wurden. 2. Anwendungsbereich Diese Übersicht bezieht sich auf alle Unterlagen, die von der TEGoVA zu den einzelnen Fachthemen erstellt wurden und die sowohl der internen Verwendung als auch der Verwendung unter den Mitgliedern dienen. Wo es jedoch angebracht erscheint, können manche fachlichen Dokumente auch außerhalb des Mitgliederkreises der TEGoVA verbreitet werden. 3. Definitionen 3.1 TEGoVA-fachliche Dokumente – schriftliche Arbeit, die von der TEGoVA bzw. mit Unterstützung der TEGoVA erstellt wurde, bei der es um alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit Gutachten, der Vorstellung von Standards, Orientierungshilfen, Informationen oder eine Stellungnahme gehen kann, die dem Zweck dienen sollen, die Qualität in der Arbeit von Gutachtern auf Grundlage von Resultaten, die wissenschaftlich, technisch und durch Erfahrungswerte belegt sind, zu verbessern. 3.2 TEGoVA-Standard – Fachliches Dokument der TEGoVA, in dem europaweit allgemein anerkannte Konzepte, Definitionen und Anforderungen aufgeführt sind, die auf die grundlegenden Elemente in der Bewertung Anwendung finden. Die TEGoVAStandards sind von der Generalversammlung zu verabschieden. 3.3 TEGoVA-Anwendung – Fachliches Dokument der TEGoVA, in dem erläutert wird, wie die Standards der TEGoVA bei bestimmten Bewertungszwecken zu integrieren sind. Die Anwendungen der TEGoVA sind vom TEGoVA-Vorstand zu verabschieden. 274 Europäische Bewertungsstandards 2012 3.4 TEGoVA-Leitfaden – Fachliches Dokument der TEGoVA, welches auf den Standards und Anwendungen beruht und welches zu verschiedenen Aspekten Ratschläge gibt, z. B. zu Bewertungsmethodologien, Szenarien, Verfahren oder Objektarten, die in Europa von Bedeutung sind. Die Leitfäden der TEGoVA sind vom TEGoVAVorstand zu verabschieden. 3.5 TEGoVA-Informationsschrift – Fachliches Dokument der TEGoVA, welches Informationen zu Fragen in der Bewertung liefert. Informationsschriften der TEGoVA sind vom TEGoVA-Vorstand zu verabschieden. 3.6 TEGoVA-Code – Systematische Sammlung von Regeln, Methoden bzw. Prinzipien, die von der TEGoVA erstellt werden. TEGoVA-Codes sind vom TEGoVAVorstand zu verabschieden. 3.7 TEGoVA-Positionspapier – Fachliches Dokument der TEGoVA, das auf Bewertungsfragen einschließlich eines Konsultationsprozesses eingeht und eine Stellungnahme zu den spezifischen Fragen enthält. Positionspapiere der TEGoVA sind vom TEGoVA-Vorstand zu verabschieden. 3.8 Europäische Bewertungsstandards (EVS) – Sammlung von fachlichen Dokumenten der TEGoVA, die in regelmäßigen Abständen aktualisiert wird und die alle TEGoVA-Standards sowie Anwendungen, Leitfäden und Informationsschriften wie im Verband vereinbart enthält. 4. Inhalt 4.1 Wo immer es umsetzbar ist, folgen die fachlichen Dokumente der TEGoVA der hier beschriebenen Struktur: 1. Einleitung 2. Anwendungsbereich 3. Definitionen 4. Inhalt 5. Sonstige Bestimmungen 4.2 Vor Genehmigung durchlaufen die fachlichen Dokumente der TEGoVA mehrere oder alle folgenden Phasen: Interner Entwurf des EVS-Redaktionsausschusses Beratungsentwurf des EVS-Redaktionsausschusses für entsprechende Mitglieder Beratungsentwurf des TEGoVA-Vorstandes Teil 3 – Weitere Fachtexte 5. 275 Beratungsentwurf für die TEGoVA-Mitglieder Entwürfe mit beschränkter Publizierung Offene Entwürfe Vorgeschlagenes fachliches Dokument der TEGoVA Genehmigte Version Schlussbestimmung Diese Übersicht ist von der Generalversammlung der TEGoVA genehmigt worden. Jegliche Änderung ist auf Wunsch des EVS-Redaktionsausschusses dem Verbandsvorstand vorzuschlagen. 276 Europäische Bewertungsstandards 2012 277 Glossar Alternativer Nutzwert (Alternative Use Value) Dies ist der Marktwert einer Immobilie ohne Annahme eines Fortbestands der aktuellen Nutzung. Annahme (Assumption) Eine Tatsache oder Voraussetzung im Hinblick auf die Immobilie, von der der Gutachter ausgeht (mit und ohne entsprechende Anweisung), von der er keine Kenntnis hat bzw. haben kann, bzw. über die er sich nicht im angemessenen Rahmen vergewissern kann. Asset Value Method – siehe Sachwert; äquivalent zu: Sachwertverfahren Beizulegender Zeitwert (Fair Value, General) Der Preis, der beim Verkauf eines Objekts oder Begleichung einer Verbindlichkeit in einer ordnungsgemäßen Transaktion zwischen vertragswilligen Marktteilnehmern, die ihre Entscheidung in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen Zielen treffen und in voller Kenntnis aller relevanten Fakten handeln, erzielt würde. Beizulegender Zeitwert (Fair Value, for Accounting Purposes) zum Zwecke der Rechnungslegung „Der Preis, den unabhängige Marktteilnehmer unter marktüblichen Bedingungen zum Bewertungsstichtag bei Verkauf eines Vermögenswertes vereinnahmen beziehungsweise bei Übertragung einer Verbindlichkeit zahlen würden.“ (International Accounting Standards Board (IASB), International Financial Reporting Standards (IFRS) 13, Absatz 1) Beleihungswert (Mortgage Lending Value) Der Begriff „Beleihungswert bezeichnet den Wert der Immobilie, der bei einer vorsichtigen Bewertung ihrer künftigen Marktgängigkeit unter Berücksichtigung ihrer dauerhaften Eigenschaften, der normalen und örtlichen Marktbedingungen, der derzeitigen Nutzung sowie angemessener Alternativnutzungen bestimmt wurde. Spekulative Elemente werden bei der Bestimmung des Beleihungswerts außer Acht gelassen.“ 278 Europäische Bewertungsstandards 2012 Bewertungsstichtag (Valuation Date) Das Datum, auf das die Wertermittlung zutrifft (und zu dem die entsprechenden Nachweise ebenfalls relevant sind), wobei dieser Zeitpunkt nicht nach dem Datum liegen kann, an dem das Gutachten fertig gestellt wurde. Höchste und beste Nutzung (Highest and Best Use ) Die zum Bewertungsstichtag zulässige Nutzung, mit der der höchste Preis auf der Grundlage von vernünftigen Erwartungen erzielt werden kann. Hoffnungswert (Hope Value) (auch Zukunftswert – Future Value) Der Preis, der auf dem Markt zum Bewertungsstichtag in der Hoffnung auf eine Wertsteigerung der Immobilie aufgrund möglicher Änderungen in den Umständen der Immobilie angeboten wird. Investitionswert (Investment Value oder Worth) „Der Wert eines Vermögensgegenstandes für ihren Eigentümer bzw. einen potenziellen Eigentümer zur Erfüllung spezifischer Investitions- oder Betriebsvorhaben.“ (IVSC, 2011, S. 12) Investitionswert (Worth) – siehe Investitionswert (Investment Value) Marktmiete oder marktkonformer Mietzins (Market Rent) „Der geschätzte Mietzins, zu dem eine Immobilie zum Bewertungsstichtag von einem mit den Bedingungen des Mietvertrages einverstandenen Vermieter an einen mit den Bedingungen des Mietvertrages einverstandenen Mieter gemäß dem Wortlaut des Mietvertrages nach angemessenem Vermarktungszeitraum in einer Transaktion auf Basis von Marktpreisen vermietet werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.“ Marktwert (Market Value) „Der Marktwert ist der geschätzte Betrag, zu dem ein Vermögensgegenstand in einem funktionierenden Markt zum Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber nach angemessenem Vermarktungszeitraum in einer Transaktion auf Basis von Marktpreisen verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.“ Richtlinie (Directive) Instrument der EU-Gesetzgebung. In Bezug auf das zu erzielende Ergebnis ist sie bindend, überlässt jedoch den nationalen Behörden die Wahl der Form und Methoden. Glossar 279 Sachwert (Depreciated Replacement Cost – DRC) – (auch unter dem Namen „Contractor’s Method“ bzw. in Deutschland unter Sachwertverfahren bekannt) Die aktuellen Kosten für den Ersatz eines bestehenden Objektes durch ein fiktives modernes und gleichwertiges Objekt, wobei die notwendigen Berichtigungen für die bauliche, funktionale und technische Überalterung durchgeführt werden. Spezielle Annahme (Special Assumption) Fakten oder Umstände in Bezug auf eine Immobilie, von denen der Gutachter ausgeht bzw. von denen er aufgrund entsprechender Anweisungen ausgehen kann, die nicht dem entsprechen, was zum Bewertungsstichtag verifizierbar ist. Spezieller Käufer (Special Purchaser) Ein Käufer, der den Nutzen einer Immobilie im Vergleich mit anderen Marktteilnehmern optimieren kann und dessen Wertbeimessung dem subjektiven Wert entspricht. Subjektiver Wert (Special Value) Eine Wertbeimessung, die Merkmale berücksichtigt, die für einen speziellen Käufer von besonderem Wert sind. Synergiewert (Synergistic Value bzw. auch Marriage Value) – „Ein zusätzliches Wertelement, das sich durch die Kombination von zwei oder mehreren Vermögenswerten oder Interessen ergibt, wobei der kombinierte Wert höher ist als die Summe der Werte getrennt voneinander.“ (IVSC, 2011, S. 12) Verordnung (Regulation) Instrument der EU-Gesetzgebung. Sie ist in jeder Hinsicht bindend und in allen Mitgliedsländern unmittelbar anwendbar. Verschmelzungswert (Marriage Value) – siehe Synergiewert (Synergistic Value) Versicherungswert (Insurable Value) „Die in der Versicherungspolice genannte Summe, die sich auf die betreffende Immobilie bezieht und die Haftung des Versicherungsgebers darstellt, falls dem Versicherungsnehmer durch ein im Versicherungsvertrag genanntes Risiko ein Schaden und somit finanzieller Verlust bezüglich der Immobilie entsteht.“ Erhält der Gutachter die Anweisung, einen Versicherungswert festzustellen, hat er denjenigen Betrag zu bestimmen, der eine angemessene Deckungssumme für die Immobilie darstellt. Es handelt sich hier um einen Ansatz, der nicht nur für den Versicherungsnehmer und die Versicherungsgesellschaft von Bedeutung ist, sondern auch für diejenigen, für die die Immobilie als Sicherheit für ein Darlehen dient. 280 Europäische Bewertungsstandards 2012 Wertgrundlage (Basis of Value) Eine Aussage bezüglich der grundsätzlichen Annahmen, von denen bei der Ermittlung eines Wertes für einen bestimmten Zweck ausgegangen wird. Wertgutachten (Valuation Report) Ein schriftliches Dokument, das den Umfang, die Hauptvoraussetzungen, die Bewertungsmethoden und die Schlussfolgerungen aus einem Auftrag detailliert aufführt. Zukunftswert (Future Value) – siehe Hoffnungswert (Hope Value) Zwangsverkaufswert (Forced Sale Value) Der Preis, der für die Immobilie erzielt werden könnte, wenn der Verkäufer – gleich aus welchem Grund – gezwungen ist, die Immobilie zu veräußern. 281 Mitglieder des Redaktionsausschusses der Europäischen Bewertungsstandards John Hockey – Vorsitzender INSTITUTE OF REVENUES RATING AND VALUATION (IRRV) (UK) Leandro S. Escobar Torres ASOCIACIÓN PROFESIONAL DE SOCIEDADES DE VALORACIÓN (ATASA) Professional Association of Valuation Companies of Spain Berufsverband der Bewertungsunternehmen in Spanien Wolfgang Kälberer VERBAND DEUTSCHER PFANDBRIEFBANKEN e.V. (vdp) Association of German Pfandbrief Banks Eric Larsen NORGES TAKSERINGSFORBUND (NTF) Norwegian Surveyors and Valuers Association Verband der norwegischen Sachverständigen und Gutachter Jeremy Moody CENTRAL ASSOCIATION OF AGRICULTURAL VALUERS (CAAV) UK Zentralverband der landwirtschaftlichen Gutachter Adrian Vascu ASOCIATIA NATIONALA A EVALUATORILOR DIN ROMANIA (ANEVAR) National Association of Romanian Valuers Nationaler Verband der rumänischen Gutachter 282 Europäische Bewertungsstandards 2012 283 Mitglieder der TEGoVA Albanien SHOQERIA E VLERESUESVE TE PASURIVE TE PALUAJTSHME (SVP) The Albanian Society of Real Property Valuers Albanische Gesellschaft der Immobiliengutachter Österreich VERBAND ÖSTERREICHISCHER IMMOBILIENSACHVERSTÄNDIGER Austrian Association of Real Estate Experts (ARE) Belgien FÉDÉRATION ROYALE DU NOTARIAT BELGE (FRNB)-KONINKLIJKE FEDERATIE VAN HET BELGISCH NOTARIAAT (KFBN) Royal Federation of Belgian Notaries Königlicher Dachverband der belgischen Notare Bulgarien КАМАРА НА НЕЗАВИСИМИТЕ ОЦЕНИТЕЛИ В БЪЛГАРИЯ (КНОБ) Chamber of Independent Appraisers in Bulgaria (CIAB) Kammer der unabhängigen Gutachter in Bulgarien Tschechische Republik CESKA KOMORA ODHADCU MAJETKU (CKOM) The Czech Chamber of Appraisers (CCA) Tschechische Gutachterkammer Dänemark DANSK EJENDOMSMAEGLERFORENING (DE) The Danish Association of Chartered Estate Agents Dänischer Verband der konzessionierten Immobilienmakler Frankreich ASSOCIATION FRANCAISE DES SOCIÉTÉS D’EXPERTISE IMMOBILIÈRE (AFREXIM) French Association of Property Valuation Companies Französischer Verband der Immobilienbewertungsunternehmen 284 Europäische Bewertungsstandards 2012 CHAMBRE DES EXPERTS IMMOBILIERS DE FRANCE (CEIF-FNAIM) Chamber of the Real Estate Valuers of France Kammer der Immobiliengutachter in Frankreich CONFÉDÉRATION DES EXPERTS FONCIERS (CEF) Confederation of Land Valuers Bund der Grundstücksgutachter CONSEIL SUPÉRIEUR DU NOTARIAT (CSN) High Council for the Notarial Profession Hoher Rat für den Berufstand der Notare INSTITUT FRANCAIS DE L’EXPERTISE IMMOBILIÈRE (IFEI) French Institute of Real Estate Valuation Französisches Institut für Immobilienbewertung SYNDICAT NATIONAL DES PROFESSIONNELS IMMOBILIERS (SNPI) National Association of Real Estate Professionals Nationaler Verband der Immobilienfachleute Deutschland BUND DER ÖFFENTLICH BESTELLTEN VERMESSUNGSINGENIEURE e.V. (BDVI) German Association of Publicly Appointed Surveyors BUNDESVERBAND ÖFFENTLICH BESTELLTER UND VEREIDIGTER SOWIE QUALIFIZIERTER SACHVERSTÄNDIGER (BVS) Association of Publicly Certified and Qualified Experts HypZert GmbH Certification Body Zertifizierungsstelle INGENIEURBÜRO WESELMANN GmbH Ship Valuation Company Schiffbewertungsunternehmen IMMOBILIENVERBAND DEUTSCHLAND IVD BUNDESVERBAND DER IMMOBILIENBERATER, MAKLER, VERWALTER UND SACHSVERSTÄNDIGEN e.V. (IVD) German Real Estate Professional Association VERBAND DEUTSCHER PFANDBRIEFBANKEN e.V. (vdp) Association of German Pfandbrief Banks BUNDESVERBAND ÖFFENTLICHER BANKEN DEUTSCHLANDS e. V. (VÖB) National Association of German Public Sector Banks Griechenland SOΜΑ ΟΡΚOΤOΝ ΕΚΤΙΜΗΤOΝ (SOE) Body of Sworn-in Valuers of Greece (SOE) Gesellschaft der vereidigten Gutachter in Griechenland Mitglieder der TEGoVA SΥΛΛΟGΟS ΕΚΤΙΜΗΤOΝ ΕΛΛΑΔΟS (SEKE) Association of Greek Valuers (AVAG) Verband der griechischen Gutachter Ungarn MAGYAR INGATLANSZÖVETSÉG (MAISZ) Hungarian Real Estate Association (HREA) Ungarischer Immobilienverband Italien CONSIGLIO NAZIONALE GEOMETRI E GEOMETRI LAUREATI (CNGGL) National Council of Surveyors Nationaler Sachverständigenrat CRIF Certification Services (CCS) Certification Body Zertifizierungsstelle ASSOCIAZIONE GEOMETRI VALUTATORI ESPERTI (GEOVAL) Association of Expert Valuers Verband der Fachgutachter ISTITUTO ITALIANO di VALUTAZIONE IMMOBILIARE (IsIVI) Italian Institute for Real Estate Valuation Italienisches Institut für Immobilienbewertung Kasachstan ПАЛАТА ПРОФЕССИОНАЛЬНЫХ ОЦЕНЩИКОВ КАЗАХСТАНА (ППОК) The Chamber of Professional Appraisers of Kazakhstan (CPA) Kammer des Berufsstandes der Gutachter von Kasachstan Kosovo SHOQATES SE VLERESUESVE TE KOSOVES (SHVK) Kosovo Appraisers Association (KAA) Gutachterverband Kosovo Lettland LATVIJAS IPASUMU VERTETAJU ASOCIACIJA (LIVA) Latvian Association of Property Appraisers Lettischer Verband der Immobiliengutachter 285 286 Europäische Bewertungsstandards 2012 Litauen LIETUVOS TURTO VERTINTOJU ASOCIACIJA (LTVA) Lithuanian Association of Property Valuers Litauischer Verband der Immobiliengutachter Norwegen NORGES TAKSERINGSFORBUND (NTF) Norwegian Surveyors and Valuers Association Norwegischer Sachverständigen- und Gutachterverband Polen POLSKA FEDERACJA STOWARZYSZEN RZECZOZNAWCÓW MAJATKOWYCH The Polish Federation of Valuers’ Associations (PFVA) Polnischer Dachverband der Gutachterverbände Portugal ASSOCIAÇÃO PROFISSIONAL DAS SOCIEDADES DE AVALIAÇÃO (ASAVAL) Professional Association of Valuation Companies of Portugal Berufsverband der Bewertungsunternehmen in Portugal Rumänien ASOCIATIA NATIONALA A EVALUATORILOR DIN ROMANIA (ANEVAR) National Association of Romanian Valuers Nationaler Verband der Rumänischen Gutachter Russische Föderation РОССИЙСКОЕ ОБЩЕСТВО ОЦЕНЩИКОВ (POO) Russian Society of Appraisers (RSA) Russische Gesellschaft der Gutachter ПАРТНЕРСТВО РОССИЙСКОГО ОБЩЕСТВА ОЦЕНЩИКОВ (ПРОО) Partnership of the Russian Society of Appraisers (PRSA) Partnerschaft der Russischen Gesellschaft der Gutachter РОССИЙСКАЯ КОЛЛЕГИЯ ОЦЕНЩИКОВ (РКО) Russian Board of Appraisers (RBA) Russischer Gutachterausschuss Mitglieder der TEGoVA Serbien NACIONALDO UDRUZENJE PROCENITELJA SRBIJE (NUPS) National Association of Valuers of Serbia (NAVS) Nationaler Gutachterverband Serbien UDRUZENJE SUDSKIH VESTAKA D.O.O. BEOGRADA (USVB) Association of Court Experts L.T.D. Belgrade Verband der Gerichtssachverständigen Belgrad Slowakei SLOVENSKÁ ASOCIÁCIA EKONOMICKÝCH ZNALCOV (SAEZ) Slovak Association of Economic Appraisers Slowakischer Verband der Wirtschaftsgutachter Spanien ASOCIACIÓN PROFESIONAL DE SOCIEDADES DE VALORACIÓN (ATASA) Professional Association of Valuation Companies of Spain Berufsverband der Bewertungsunternehmen in Spanien Schweden ASPECT/SFF The Swedish Society of Real Estate Valuation Schwedische Gesellschaft für Immobilienbewertung Vereinigte Arabische Emirate Dubai Land Department (TAQYEEM) Ministerium für Grund und Boden Dubai Vereinigtes Königreich CENTRAL ASSOCIATION OF AGRICULTURAL VALUERS (CAAV) Zentralverband der landwirtschaftlichen Gutachter INSTITUTE OF REVENUES RATING AND VALUATION (IRRV) United States APPRAISAL INSTITUTE (AI) 287 288 NOTIZEN Europäische Bewertungsstandards 2012