hirnorganische störungen - kinder
Transcription
hirnorganische störungen - kinder
HIRNORGANISCHE STÖRUNGEN Dr. Christoph Göttl kinder-jugendpsychiatrie.at Definition Organische psychische Störungen Definition: Als organische Psychosyndrome werden psychopathologische Syndrome/Erkrankungen bezeichnet, die durch krankhafte Veränderungen des Gehirns bzw. des Gesamtorganismus verursacht werden, d. h. durch eine diagnostizierbare zerebrale oder systemische Krankheit. Trotz unterschiedlicher körperlicher Ursachen können gleichartige psychopathologische Syndrome entstehen. Der empirische Gehalt des Begriffs „organisch" wird durch die Nachweisbarkeit einer körperlichen Ursache festgelegt und ist daher historisch wandelbar. z. B. die epileptischen Psychosen Bei einem Teil der Patienten ist es im klinischen Alltag unmöglich, die zugrunde liegende Abnormität des Gehirns oder Gesamtorganismus zu diagnostizieren (z.B. in der Frühphase der Alzheimer-Demenz). ICD-10 und DSM-IV Klassifikation organischer psychischer Störungen Die Klassifikation organischer Störungen basiert traditionell u.a. auf der Einteilung in: akute und chronische -hirnlokale und hirndiffuse -primäre und sekundäre Psychosyndrome. Die „akuten Psychosyndrome" sind in der Regel durch rasch einsetzende und nach einer gewissen Zeit wieder abklingende, die „chronischen Psychosyndrome„ dagegen meist durch schleichend beginnende, andauernde oder fortschreitende Krankheiten hervorgerufen. Bei der Festlegung der Syndrombegriffe im DSM-IV und in der ICD-10 wurden auch andere Kriterien herangezogen. Hierzu gehören z.B. Feststellungen über das Vorliegen organpathologischer Befunde, Verlaufscharakter oder Erkrankungsalter. Aus dieser Betrachtung mehrerer Ebenen entstanden komplexe Charakteristika psychoorganischer Syndrome. Im Zentrum der aktuellen Klassifikationen (ICD-10, DSM-IV) stehen die drei Syndrome, die durch das Vorherrschen von Störungen höherer kognitiver Funktionen gekennzeichnet sind: Delir, Demenz und Amnesie Übersicht organische psychische Störungen Delir ¨ amnestische Syndrome ¨ organische Halluzinosen ¨ organische wahnhafte St.rungen ¨ organische affektive St.rungen ¨ Epilepsie-assoziierte psychoorganische Störungen ¨ Untergliederung der Symptomatik in zwei Syndromgruppen: Psychoorganische Syndrome ersten Ranges: Störungen des Bewusstseins oder Beeinträchtigungen höherer kognitiver Leistungen stehen im Vordergrund. Hierzu gehören Delir,demenzielles Syndrom, und organisches amnestisches Syndrom Psychoorganische Syndrome zweiten Ranges: Gekennzeichnet durch Störungen von Wahnehmung, Denkinhalten, Emotionalität, Persönlichkeit und Sozialverhalten. Störungen des Bewusstseins oder Beeinträchtigungen höherer kognitiver Leistungen sind nur gering ausgeprägt oder nicht sicher nachweisbar: -organische Persönlichkeitsveränderungen -organische Halluzinose -organisches Wahnsyndrom -affektive Erscheinungsbilder -senile benigne Vergesslichkeit. Streng genommen gibt es keine psychopathologische Veränderung, die für organische psychische Störungen absolut spezifisch ist. Akute organische Psychosyndrome Definition: Die akuten organischen Psychosyndrome beruhen auf akuten organischen Veränderungen des Gehirns. Das Vollbild ist charakterisiert durch plötzlichen Beginn und fluktuierende Störungen der kognitiven Fähigkeiten, der Psychomotorik und der Affektivität. Sie sind gewöhnlich reversibel, wenn die Ursache wegfällt oder erfolgreich behandelt wird. Man unterscheidet akute organische Psychosyndrome: -mit Bewusstseinsveränderung (Delir) -ohne Bewusstseinsveränderung (z.B. Halluzinosen, amnestische Zustände, affektive Durchgangssyndrome). Historisches: Die Psychopathologie akuter organischer Psychosen wurde insbesondere durch Bonhoeffer geprägt. Er erkannte bei allen psychischen Veränderungen, die durch akute körperliche Krankheiten hervorgerufen werden, eine geringe Zahl immer wiederkehrender, ätiologisch unspezifischer Symptome und Verlaufsmuster. ¨ ¨ Akute organische Psychosyndrome Epidemiologie: Die Prävalenz akuter organischer psychischer Störungen zwischen dem 18. bis 64. Lebensjahr ist sehr gering und beträgt unter 1 %,. Bei den über 64-Jährigen schwanken die Angaben zwischen 1 bis 16%. Atiopathogenese: Die Ätiologie ist multifaktoriell. Patienten mit hirnorganischen Verletzungen, alkohol- oder drogenabhängige Patienten sind besonders gefährdet. Auch postoperativ kann es zu einem akuten organischen Psychosyndrom kommen. Psychopharmaka (z.B. mit anticholinerger Wirkung) aber auch nichtpsychoaktive Substanzen können zu einem akuten organischen Psychosyndrom führen Symptomatik und klinische Subtypen Das akute organische Psychosyndrom setzt gewöhnlich plötzlich ein. Häufig gibt es prodromale Symptome (z. B. Angst, Unruhe). -Zeitliche und örtliche Orientierung sind in der Frühphase zunehmend gestört. -Im Verlauf kommt es u. a. zu inkohärentem und verlangsamten Denken und Desorganisiertheit. -Wahrnehmungsstörungen, einschließlich Illusionen und Halluzinationen (meist visueller Art) sind häufig. -Auch die Psychomotorik ist gewöhnlich gestört (z.B. lethargisch oder hyperaktiv). -Die am häufigsten auftretenden Gefühle im Rahmen ausgeprägter Psychosyndrome sind Furcht und Angst. -Häufig kommt es auch zu autonomen Dysregulationen (z. B. Schwitzen, Erbrechen). Auch der Schlaf-Wach-Rhythmus ist meist gestört. Die Fluktuation der Symptomatik ist ein typisches Zeichen des akuten organischen Psychosyndroms. Für den Zeitraum des akuten organischen Psychosyndroms besteht partielle Amnesie. Akute organische Psychosyndrome mit Bewusstseinsstörung (Delir) Alle organischen Psychosyndrome, die mit einer Bewusstseinstrübung einhergehen werden als Delir bezeichnet. Die Bewusstseinsstörung kann mehr in einer quantitativen Herabsetzung der Bewusstseinshelligkeit (Somnolenz, Sopor, Koma) oder in einer mehr qualitativen Veränderung des Erlebens zum Ausdruck kommen. Weiterhin kommen Wahrnehmungsstörungen mit Illusionen und Halluzinationen (meist auf optischem Gebiet), Behinderungen des abstrakten Denkens mit Verwirrtheit des Gedankengangs, Veränderungen der Psychomotorik und des Schlaf-Wach-Rhythmus sowie emotionale Störungen (z.B. Angst, Reizbarkeit) vor. Nachträglich können alle Formen ausgeprägter akuter Psychosyndrome an der charakteristischen partiellen oder totalen Amnesie erkannt werden. Traditionelle Subsyndrome: -Bewusstseinsminderung verschiedenen Grades von Somnolenz bis Koma -Verwirrtheitszustand (amentielles Syndrom): Delir ohne Halluzination und Wahn. -Delir im engeren Sinn: Verwirrtheit, allgemeine Unruhe, vegetative Symptome und Halluzinationen stehen im Vordergrund. -Dämmerzustand: Änderung des Bewusstseinszustandes, der Patient ist nicht schläfrig oder benommen, es fehlt ihm aber die volle Bewusstseinsklarheit. Trotzdem besteht Handlungsfähigkeit. Da sich der Patient nach außen besonnen benimmt, werden Dämmerzustände häufig nicht erkannt. Akute organische Psychosyndrome ohne Bewusstseinsstörung Die Unterteilung erfolgt nach der vorrangigen Symptomatik: -organische Halluzinose -akutes amnestisches Syndrom -affektive, aspontane, paranoide und pseudoneurasthenische Psychosyndrome Diagnostik und Differenzialdiagnose Diagnostik: Die Diagnose wird gewöhnlich durch das Vorhandensein der typischen Symptome gestellt. Eine ausführliche klinische Diagnostik, einschließlich apparativer Verfahren und Labortests ist in jedem Fall erforderlich. Differenzialdiagnose: Sowohl Delir als auch Demenz zeigen kognitive Störungen, die Veränderungen sind bei der Demenz aber konstanter, zunehmend und fluktuieren nicht. Der demente Patient hat normalerweise keine Bewusstseinsstörung Die Demenz hat gewöhnlich einen schleichenden Beginn, die Dauer beträgt mehr als 6 Monate. Ganser-Syndrom: Pseudodementes Syndrom, gekennzeichnet durch Vorbeihandeln, Nichtwissenwollen. Bei der Schizophrenie sind die Patienten orientiert, zeigen typische Denkstörungen und die intellektuellen Fähigkeiten sind meist weniger beeinträchtigt Therapie Erkennen der Ursache und Einleitung der entsprechenden Therapie. Neben der kausalen Therapie sind allgemeine und symptomatische Maßnahmen nötig (z.B. geeignete Ernährung, ausgeglichener Elektrolyt- und Flüssigkeitshaushalt). Um dem Patienten zu helfen, die Orientierung aufrechtzuerhalten, kann es z.B. sinnvoll sein einen Fernseher aufzustellen oder den Patienten mit seinem Namen anzusprechen. Pharmakotherapie: Zur symptomatischen Behandlung von Unruhe und psychotischen Symptomen eignen sich stark antipsychotisch, aber möglichst wenig anticholinerg wirkende Neuroleptika (z. B. Haloperidol). Schlaflosigkeit und Unruhe können am besten mit Clomethiazol behandelt werden. Alternativen sind, besonders bei älteren Patienten, mittelpotente Neuroleptika wie Melperon oder Pipamperon. Bei akuten organischen Psychosyndromen ohne Bewusstseinsstörung wird eine syndromorientierte Therapie durchgeführt (z.B. Neuroleptika, Antidepressiva). Verlauf Das akute organische Psychosyndrom ist reversibel, wenn die Ursache behandelt wird. Unbehandelt kann es spontan abklingen oder in ein chronisches hirnorganisches Syndrom übergehen. Chronische organische Psychosyndrome Demenzielle chronische organische Psychosyndrome/ Demenzen Definition: Das Demenz-Syndrom ist durch das Fehlen einer Bewusstseinstrübung gekennzeichnet, charakteristisch ist eine objektiv nachweisbare erworbene Beeinträchtigung des Gedächtnisses, sowie ein zunehmender Verlust früherer intellektueller Fähigkeiten, Veränderungen der Persönlichkeit (Motivation, Psychomotorik, emotionale Kontrolle, Sozialverhalten). Hat das Psychosyndrom ein solches Ausmaß, dass Einschränkungen in der Alltagsbewältigung vorliegen, dann wird in den modernen Klassifikationssystemen von Demenz gesprochen. Historisches: Eugen Bleuler erkannte 1916 das ätiologisch unspezifische hirnorganische Psychosyndrom. Die moderne Definition des Demenzsyndroms bezeichnet jetzt ein erworbenes komplexes Störungsmuster höherer psychischer Funktionen. Die Störungen können reversibel oder irreversibel sein, müssen aber das Gedächtnis betreffen und dürfen nicht mit einer Bewusstseinsstörung einhergehen. ¨ Subtypen der Demenz: Je nach den führenden Symptomen kann man drei psychopathologische Subtypen unterscheiden: -Kortikale Demenz -Frontale Demenz -Subkortikale Demenz Weiterhin wird unterschieden zwischen: -primärer Demenz: Ursache der Erkrankung liegt direkt im Gehirn (degenerativ und/oder vaskulär) und -sekundärer Demenz: Folge einer anderen körperlichen Erkrankung. Epidemiologie: Jeder zehnte über 65-Jährige leidet an kognitiven Störungen bis hin zu einer Demenz. Die Prävalenz demenzieller Syndrome liegt im Alter von 65-70 Jahren bei 2-6%, bei über 85-Jährigen über 40% (Abb. 4.61). Weil die Zahl älterer Menschen ständig zunimmt, wird die Demenz ein Hauptproblem der öffentlichen Gesundheitsfürsorge. Die häufigste Form sind die primär degenerative Demenz vom AlzheimerTyp (60%) und mit 10-20% die Multiinfarkt-Demenz (Abb. 4.62). Verschiedene Ursachen der Demenz Störung der Hirndurchblutung, primär degenerative kortikale Erkrankungen, subkortikale Dystrophie, Systematrophien, Hirntraumen, Infektionen, Intoxikationen, Störung der Liguorzirkulation, intrakraniale Neoplasmen, extrazerebrale Tumoren, Vitaminmangelzustände, metabolische/endokrinologische Enzephalopathien Beispiele für zugrunde liegende Erkrankungen zerebrovaskuläre Erkrankungen, vaskuläre Demenz, senile und präsenile Demenz vom Alzheimer-Typ, Morbus Pick, präsenile argyrophile subkortikale Dystrophie (Seitelberger), progressive supranukleäre Blicklähmung, Morbus Parkinson, Chorea Huntington, Hirnkontusion, subdurales Hämatom, Enzephalitis, progressive Paralyse, Creutzfeldt-Jakob-Krankheit,Alkohol, Medikamente, CO, Schwermetalle, organische Lösungsmittel, Normaldruck-Hydrozephalus, Hirntumoren, Schädelbasistumoren, karzinomatöse Meningitis, paraneoplastisches Syndrom, Vitamin-B12 Mangel (Perniziosa), Nikotinsäuremangel (Pellagra), Folsäuremangel, Vitamin-B1 Mangel, Eiweißmangel, Hypoglykämie, Leberinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Hyperlipidämie, Morbus Addison, Schilddrüsenerkrankungen, Hypo- und Hyperparathyreoidismus Symptomatik In milden oder frühen Formen der Demenz bestehen Schwierigkeiten im Aufrechterhalten der geistigen Leistungsfähigkeit. Charakteristische Symptome der Demenz sind: Störungen des Gedächtnisses und der höheren intellektuellen Funktionen. Die Gedächtnisstörungen sind teilweise mitverantwortlich für räumliche und zeitliche Orientierungsstörungen. Eine Bewusstseinsstörung fehlt. Neuropsychologische Störungen: -Aphasien (z. B. Wortfindungsstörungen) -Agnosien (Nichterkennen von Gegenständen oder Personen) -Apraxien (komplexe Handlungsabläufe sind nicht durchführbar) -Alexie (Lesestörung) -Agraphie (Schreibstörung) -Akalkulie (Rechenstörung) -konstruktive Apraxie. Vermeidungsstrategien werden entwickelt, um kognitive Defizite nicht offensichtlich werden zu lassen (z. B. Witzemachen). Eine dritte Gruppe von Symptomen betrifft Veränderungen der Persönlichkeit (affektive Änderungen, Störungen der Impulskontrolle oder sonstige Persönlichkeitsveränderungen). Erscheinungsbild und Verhalten des Patienten können Hinweise geben (z. B. Gesichtsausdruck, unbeherrschte Ausdrucksart). Zum Teil kommt es zu paranoiden Einbildungen (z. B. Eifersuchtswahn). Als Folge der kognitiven Störungen kann es zudem zu Störungen der Kritik- und Urteilsfähigkeit kommen. Schwer demente Patienten können mutistisch werden Ein Verlust an Urteilskraft, Impulskontrolle und eine Missachtung sozialer Regeln finden sich häufig bei frontaler Demenz (z. B. Morbus Pick). Die subkortikale Demenz ist charakterisiert durch beeinträchtigte Aufmerksamkeit, Verlangsamung des psychomotorischen Tempos, erschwerte Umstellungsfähigkeit und affektive Störungen. Gedächtnisund Denkstörungen kommen, wenn überhaupt, nur in geringem Maß vor. Tritt häufig bei ParkinsonPatienten und beginnender Multiinfarkt-Demenz auf. Diagnostik und Differenzialdiagnose Diagnostik: Die Diagnose beruht auf der Anamnese und den Angaben aller verfügbaren Informanten (v. a. der Angehörigen), dem psychopathologischen Befund und dem Ergebnis der neuropsychologischen Untersuchung Zum Ausschluss behandelbarer Ursachen müssen laborchemische Untersuchungen sowie eine CCT oder MRT durchgeführt werden Die diagnostischen Kriterien der Demenz betrachten die Demenz als erworbenes Symptommuster, das aus kognitiven und nicht kognitiven Störungen zusammengesetzt sein kann. Die kognitiven Störungen müssen sich in einer reduzierten Alltagskompetenz niederschlagen. Um die Diagnose zu stellen müssen Gedächtnisstörungen vorliegen. Eine Bewusstseintrübung muss ausgeschlossen werden Veränderungen im Leistungsniveau und Verhalten Eine Verhaltens- oder Persönlichkeitsveränderung sollte v. a. bei Patienten über 40 Jahren die Frage nach einer Demenz aufwerfen. Klagen des Patienten über intellektuelle Einbußen und Vergesslichkeit müssen ernst genommen werden. Gedächtnisstörungen werden getestet, indem man das Lernen neuer Informationen (Kurzzeitgedächtnis) prüft und persönliche Daten oder allgemein bekannte Fakten abfragt (Langzeitgedächtnis) Als orientierender Test hat sich der Mini-Mental-Status-Test (MMSE) bewährt. Die neuropsychologische Testung zielt u.a. auf die Messung der Gedächtnisleistung (z. B. Benton-Test) und der Intelligenz (z. B. Hamburg-Wechsler-Intelligenztest Differenzialdiagnose: Das Delir unterscheidet sich von der Demenz u.a. durch: plötzliches Auftreten, Bewusstseinstrübung, relativ kurze Dauer, Schwankungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, auffällige Störung der Aufmerksamkeit,(visuelle) Halluzinationen u. a. Chronische organische psychische Störungen (z.B. organische affektive Erkrankungen, leichte kognitive Störungen) Die Unterscheidung zwischen Demenz und Depression ist oft problematisch Besonders kompliziert wird es, wenn sich ein depressives Syndrom in Form einer sogenannten „depressiven Pseudodemenz" äußert. Es handelt sich um ein depressives Bild, bei dem kognitive Leistungseinbußen eindeutig im Vordergrund stehen. Hier kann die Diagnose manchmal nur durch den weiteren Verlauf geklärt werden. Allgemeine Hinweise zur Therapie Die Ursachen behandelbarer demenzieller Zustände müssen frühzeitig erkannt und therapiert werden Die symptomatische Therapie erfolgt mit Nootropika/Antidementiva. Liegt eine depressive oder paranoide Symptomatik vor, wird zusätzlich mit Psychopharmaka behandelt. Wichtig ist die Aufklärung und Beratung der Patienten und ihrer Angehörigen. Verlauf Die Demenzerkrankung kann progredient, konstant oder reversibel sein. Ungefähr 10% aller Demenzen sind reversibel, wenn rechtzeitig mit der Behandlung begonnen wird. Spezielle Erkrankungen Alzheimer-Demenz Definition: Es handelt sich um eine primär degenerative, zerebrale Erkrankung mit typischen neuropathologischen Kennzeichen (Hirnatrophie, pathologische Fibrillenveränderungen, amyloide Plaques). Historisches: Das Krankheitsbild wurde 1906 von Alois Alzheimer erstmals als präsenile Demenz beschrieben. Epidemiologie: Häufigste Demenzform im Alter. Sie umfasst bis zu 60% der Demenzen im Alter. Ätiopathogenese: Eine multifaktorielle Genese mit einer genetischen Komponente ist wahrscheinlich die Ursache der Erkrankung. Heute sind verschiedene genetische Veränderungen bekannt (Veränderung bestimmter Proteine auf den Chromosomen 1 und 2 [Presenilin], 14 und Chromosom 21 [Amyloid-Precursor-Protein]). Es handelt sich um eine primär degenerative Erkrankung des Gehirns. Typisch sind Alzheimer-Fibrillen und amyloide Plaques. Alzheimer-Fibrillen sind neurofibrilläre Strukturen aus paarigen, spiraligen Proteinsträngen. Die amyloiden Plaques kommen hauptsächlich im zerebralen Kortex und Hippocampus vor, in geringerem Maß auch im Corpus striatum, in der Amygdala und im Thalamus. Alle derzeit bekannten genetischen Mutationen sind an einem gemeinsamen pathogenetischen Mechanismus beteiligt: Sie führen zu einer gesteigerten Ablagerung von Amyloid im Gehirn. Ein anderes für die Ätiopathogenese relevantes Protein ist das Tau-Protein. Der bedeutendste Risikofaktor für das Auftreten der Alzheimer-Erkrankung ist neben höherem Lebensalter und Demenz-Erkrankungen bei Verwandten 1. Grades das e4-Allel des Gens für Apolipo-Protein-E (Apo-E) auf Chromosom 19. Es müssen auch andere biologische Aspekte mit einbezogen werden (z. B. Transmitterveränderungen, ). Hypothetische Ursachen wie Aluminium-Belastung, entzündliche bzw. autoimmunologische Prozesse oder eine Slow-Virus-Infektion wurden bisher nicht bewiesen. Neben den beschriebenen neuropathologischen Veränderungen sind verschiedene Neurotransmitter-Systeme betroffen. Insbesondere besteht ein Mangel an Azetylcholin. Cholinerg wirksame Medikamente können die kognitiven Störungen von AlzheimerPatienten reduzieren. Symptomatik: Häufig ist eine schleichend zunehmende Vergesslichkeit erstes Symptom. Im Verlauf kommt es zu einem intellektuellen Abbau. Neuropsychologische Auffälligkeiten können hinzutreten (z. B. Wortfindungsstörungen,). Die Reaktion der Patienten ist unterschiedlich und kann von unangemessener Fröhlichkeit bis hin zu Depressivität und Suizidalität reichen Stadien der Alzheimer-Krankheit: -leichte Alzheimer-Krankheit (Stadium I) Gedächtnis, Orientierung, visuell-räumliche Fähigkeiten, Sprache, andere kognitive Funktionen, nicht kognitive Symptome, Motorik -mittelschwere Alzheimer-Krankheit (Stadium II) Gedächtnis, Orientierung, visuell-räumliche Fähigkeiten, Sprache, andere kognitive Funktionen, nicht kognitive Symptome, Motorik -schwere Alzheimer-Krankheit (Stadium III) Gedächtnis und kognitive Fähigkeiten, Sprache, persönliche Pflege, Motorik Diagnostik: Es sollten stets eine psychiatrische und neurologische Untersuchung, eine Fremdanamnese sowie eine neuropsychologische Testuntersuchung durchgeführt werden Der M. Alzheimer ist bis heute eine Ausschlussdiagnose. Zum Ausschluss behandelbarer Ursachen müssen laborchemische Untersuchungen sowie eine CCT oder MRT des Gehirns durchgeführt werden. Die Diagnose kann erst nach dem Tod des Patienten neuropathologisch gesichert werden. Differenzialdiagnose: Wichtig ist der Ausschluss von: anderen somatischen Erkrankungen (z. B. Hypothyreose, Vitamin-B12-Mangel, Depression, vaskuläre Demenz, Demenz bei Morbus Parkinson, Creutzfeldt-JakobErkrankung, progressive Paralyse, Korsakow-Syndrom, Morbus Pick, NormaldruckHydrozephalus Therapie: Beratung der Bezugspersonen. Im frühen und mittleren Stadium ist der Versuch einer kognitiven Leistungssteigerung und Einflussnahme auf die Progression sinnvoll, später rückt vor allem die Behandlung der Verhaltensstörungen in den Vordergrund. Die Beratung der Angehörigen ist in allen Verlaufsabschnitten notwendig. Pharmakotherapie kognitiver Symptome Die Pharmakotherapie von kognitiven Störungen arbeitet gegen den fortschreitenden Leistungsverlust an. Daher kann eine geringe Verbesserung oder sogar ein Gleichbleiben der Leistung über einen mehrmonatigen Zeitraum als Behandlungserfolg gelten. Die Wirksamkeit der älteren Präparate (z.B. Piracetam) ist weniger gut belegt als die der neueren Antidementiva. Bei den neuen Antidementiva, den Cholinesterasehemmern ist die Wirksamkeit überzeugender und konsistenter nachgewiesen worden. Die Behandlung sollte über mindestens 3 Monate durchgeführt werden. Nur ein Viertel der Patienten spricht deutlich auf die Behandlung an. Bei den Cholinesterasehemmern wurde erstmals auch ein deutlicher Effekt auf den Verlauf der Krankheit nachgewiesen Alle Cholinesterasehemmer rufen gastrointestinale Nebenwirkungen hervor, insgesamt werden sie gut vertragen. Die Behandlung mit entzündungshemmenden Substanzen, Antioxidanzien sowie die postmenopausale Östrogensubstitution bei Frauen können das Risiko offenbar senken. Pharmakotherapie nicht kognitiver Symptome Die Behandlung dieser Symptome (z.B. Unruhe) bessert das Befinden der Patienten und verringert die Belastung der Bezugspersonen. Zur Behandlung von z.B. Unruhe, Aggressivität und paranoider Symptomatik werden insbesondere niedrig- bis mittelpotente Neuroleptika, eingesetzt. Zunehmend werden auch die neuen atypischen Neuroleptika (z.B. Risperidon) genutzt. Zur Behandlung depressiver Verstimmungen sollten moderne Antidepressiva ohne anticholinerge Wirkung eingesetzt werden. Selektive serotonerge Antidepressiva scheinen auch bei Unruhe und Aggressivität wirksam zu sein. Kognitives Training Das bekannteste und am weitesten verbreitete Verfahren ist die Realitätsorientierung. Ihr Prinzip besteht darin, den Patienten nützliche Informationen über ihre Umgebung und Mitbewohner zu vermitteln. Programme zur kognitiven Aktivierung einschließlich des Gedächtnistrainings erreichen keine Verbesserung der kognitiven Leistungen. Positiver Beratung der Bezugspersonen Im frühen Krankheitsstadium brauchen die Angehörigen ebenso wie die Patienten eine Aufklärung über die Art der vorliegenden Krankheit und die Prognose. Später müssen die Angehörigen lernen, die zunehmende Hilfsbedürftigkeit des Patienten aufzufangen und mit den unspezifischen Symptomen (z. B. Aggressivität) zurechtzukommen. Sinnvoll ist der Besuch einer Angehörigengruppe. Verlauf: Die Patienten versterben ca. 10-12 Jahre nach Ausbruch der Demenz meist an interkurrenten Erkrankungen. Der präsenil auftretende Subtyp führt in der Regel schneller zum Tod. Eine Heimunterbringung ist bei mittelschweren bis schweren Demenzen oft erforderlich. Morbus Pick Definition: Subtyp der Frontotemporalen Demenz (FTD). Präsenile degenerative Hirnerkrankung, die bevorzugt das Frontal- und Temporalhirn betrifft. Sie beginnt mit Veränderungen der Persönlichkeit, des Sozialverhaltens und emotionalen Verhaltens. Im weiteren Verlauf kommt es zu einem fortschreitenden demenziellen Abbauprozess. Epidemiologie: Im Vergleich zum Morbus Alzheimer selten 1-2:100 000. Der Erkrankungsgipfel liegt im 5.-6. Lebensjahrzehnt. Ätiopathogenese: Hauptsächlich sind Frontal- und Temporallappen betroffen. Symptomatik: Primär Veränderungen der Persönlichkeit und des sozialen Verhaltens, später zusätzlich Beeinträchtigung kognitiver Funktionen, Sprachstörungen. Diagnostik: Typische Klinik, im CCT und MRT Nachweis einer fronto-temporal betonten Atrophie. Im HMPAO-SPECT fronto-temporale Hypoperfusion. Differenzialdiagnose: z. B. Demenz anderer Ätiologie (z. B. Morbus Alzheimer, Creutzfeldt-JakobErkrankung, Frontallappen-Demenz (FLD) Therapie und Verlauf: Eine kausale Therapie ist nicht möglich. Zur symptomatischen Therapie werden Nootropika und ggf. Antidepressiva bzw. Neurotropika eingesetzt Vaskuläre Demenz (Multiinfarkt-Demenz, Morbus Binswanger) Definition: Die Gruppe der vaskulären Demenzen ist durch multiple gefäßbedingte Hirnläsionen gekennzeichnet, die bei ihrem Auftreten zu vorübergehenden oder bleibenden neurologischen Defiziten geführt haben und bei denen es in zeitlichem Zusammenhang schrittweise zu kognitiven Einbußen kommt. Die Definition der vaskulären Demenzen ist auf den zeitlichen Zusammenhang der Symptomatik zu den vaskulär bedingten Hirnläsionen und der neurologischen Symptomatik bezogen. Vaskuläre Demenzen haben oft einen unstetigen Verlauf. Epidemiologie: Vaskuläre Demenzen stellen in westlichen Ländern eine im Vergleich zur AlzheimerDemenz wesentlich kleinere Gruppe dar. Der Begriff vaskuläre Demenz (VD) beinhaltet die Vorstellung, dass beim Vorliegen bestimmter Grunderkrankungen (z.B. Hypertonus), die Erkrankung ursächlich für die kognitiven Störungen in Betracht kommt. Die Verwendung verschiedener diagnostischer Kriterien führt zu sehr unterschiedlichen Prävalenzdaten. Ätiopathogenese: Histopathologisch liegen im Wesentlichen 3 zerebrovaskuläre Krankheitsbilder zugrunde: -multiple Infarkte -strategische Infarkte -Demyelinisierung des Marklagers. Verschlüsse kleiner Arterien (Mikroangiopathien) sind häufiger als Verschlüsse größerer Arterien (Makroangiopathien). Sie können auch kombiniert vorkommen. Mehrere pathogenetische Mechanismen sind an der Entstehung eines Demenzsyndroms beteiligt, so vor allem die Zerstörung von Hirngewebe und Unterbrechung neuronaler Verbindungsbahnen. Demenz auf der Basis multipler Infarkte: Diese Demenzsyndrome beginnen typischerweise plötzlich und schreiten in Form eines schrittweisen Abbaus fort. Die kognitiven Störungen können jedoch über einen längeren Zeitraum unverändert bleiben. Kortikale Territorialinfarkte sind selten die Ursache einer Demenz. Auch lakunäre Infarkte führen nur selten zu ausgeprägten kognitiven Defiziten. Demenz auf der Basis strategischer Infarkte: Infarkte von geringer Ausdehnung, aber bilateraler Lokalisation an strategisch wichtigen Stellen können zu einer Demenz führen. Das gilt besonders für bilaterale Infarkte im Hippocampus und Thalamus. Demyelinisierung des Marklagers: Ausgedehnte, meist periventrikulär oder okzipital lokalisierte Marklagerschäden kennzeichnen den Morbus Binswanger. Die Krankheit tritt bevorzugt bei über 50Jährigen auf. In der Vorgeschichte findet sich eine langjährig bestehende Hypertonie und eine Aufeinanderfolge von kleineren Schlaganfällen mit lediglich diskreten neurologischen Defiziten. Die Demenz beginnt in der Mehrzahl der Fälle schleichend und schreitet langsam fort. Das kognitive Ausfallsmuster entspricht einer subkortikalen Demenz mit Vorherrschen von Verlangsamung bei relativ gering ausgeprägten Gedächtnisstörungen. Symptomatik: Vaskuläre Demenzen haben aufgrund der verschiedenen Ursachen und Pathomechanismen keine einheitliche Symptomatik. Am besten untersucht ist die Multiinfarkt-Demenz Im Frühstadium treten häufig Verhaltensauffälligkeiten als Symptome einer subkortikalen Demenz auf, z.B. Antriebsstörungen, sozialer Rückzug, Interesselosigkeit, Apathie, Abnahme der Leistungsfähigkeit, Konzentrationsstörungen, Persönlichkeitsstörungen. Die Gedächtnisstörungen stehen im Frühstadium weniger im Vordergrund als bei der Alzheimer-Krankheit. In späteren Stadien kommen dann Gedächtnisstörungen und andere fokale neuropsychologische Ausfälle hinzu. Zudem treten häufig nächtliche Verwirrtheit und paranoid-halluzinatorische Episoden auf. Diagnostik: Klinische Informationen, Anamnese und Fremdanamnese haben gegenüber technischen Untersuchungen größere Bedeutung. Die Hachinski-Ischämie-Skala (HIS) kann die klinische Diagnose unterstützen (Tab. 4.54). Differenzialdiagnose: Im GCT-oder MRT lassen sich teilweise früh Hinweise auf eine zerebrovaskuläre Erkrankung finden. Zur Differenzialdiagnose s. a Therapie: Grundlage ist die Behandlung von Grunderkrankung und Risikofaktoren. Die Therapie beinhaltet folgende Interventionen: Behandlung von Risikofaktoren Wichtigster und am besten zu beeinflussender Risikofaktor ist der Bluthochdruck. Der Verzicht auf das Rauchen Bei schon aufgetretener Demenz die Vermeidung weiterer zerebraler Ischämien. Dies geschieh u.a. durch die Therapie mit Thrombozyten aggregationshemmern. Pharmakotherapie kognitiver Symptome Aus der Gruppe der Nootropika im engeren Sinne haben sich unter anderem Ginkgobiloba-Präparate, das Ergolinderivat Nicergolin sowie Piracetam und Pentoxifyllin als wirksam erwiesen Pharmakotherapie nicht kognitiver Symptome Prinzipiell gelten dieselben Empfehlungen zur Präparatewahl und Dosierung wie beim Morbus Alzheimer kognitives Training, Beratung der Bezugspersonen Verlauf: Der Verlauf der vaskulären Demenz ist unterschiedlich: Stillstand, langsame Progression oder auch eine schrittweise Verschlechterung sind möglich. Demenz bei Normaldruck-Hydrozephalus Definition: Der Normaldruckhydrozephalus ist gekennzeichnet durch die Trias Gangstörungen, demenzielles Syndrom und Urininkontinenz. Ursache ist eine Liquorzirkulationsstörung, die wahrscheinlich durch verminderte Liquorresorption ausgelöst wird. Epidemiologie: 6-12% aller demenziellen Prozesse sollen durch einen Normaldruck-Hydrozephalus verursacht sein. Ätiopathogenese: Liquorzirkulations-störungen und verminderte Liquorresorption werden als Ursachen vermutet. Der intrakranielle Druck liegt meist im Normbereich (< 15 mmHg). Symptomatik: Die typische klinische Trias besteht aus: -Gangstörung -Demenz -Inkontinenz Diagnostik: Die Diagnose wird auf Grund der Symptomtrias, der Ventrikelerweiterung im CCT und Liquorzirkulationsstörung in der Zisternographie gestellt. Differenzialdiagnose: Am schwierigsten ist die Abgrenzung vom Hydrocephalus ex vacuo bei Morbus Alzheimer. Therapie: Normalisierung der Liquorresorption durch Einbau eines Shuntsystems. Bis zu 35% der Patienten haben perioperative Komplikationen Verlauf: Eine günstige Prognose haben Patienten mit der vollständigen Symptom-Trias und kürzerer Dauer der Symptomatik Organische psychische Störungen im Rahmen traumatischer und entzündlicher Erkrankungen Organische psychische Störungen im Rahmen traumatischer und entzündlicher Erkrankungen Hirntraumatische Folgezustände Definition: Es werden offene von stumpfen (Dura mater intakt) Hirntraumata unterschieden. Bei den durch stumpfe Gewalteinwirkung auf den Schädel verursachten akuten Funktionsstörungen des Gehirns unterscheidet man die Commotio cerebri (ohne nachweisbare Hirnschädigung) von der Contusio cerebri (meist mit lokalisierter Hirnschädigung). Folge der akuten Schädigung sind akute hirnorganische Psychosyndrome mit Benommenheit, Erregung, Delirien und Dämmerzustände. Chronische Folgezustände können sich als psychoorganische Syndrome äußern, die vor allem durch Merkfähigkeits- und Auffassungsstörungen pseudoneurasthenische Beschwerden oder Zeichen einer Wesensänderung gekennzeichnet sind. Commotio cerebri Definition: Bei der Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) handelt es sich um eine funktionelle traumatische Hirnschädigung infolge stumpfer Gewalteinwirkung. Ätiopathogenese: Für die Entstehung ist die breitflächige Gewalteinwirkung auf den Schädel entscheidend. Die Schädigung ist mit konventionellen Untersuchungsmethoden nicht nachweisbar und voll reversibel. Symptomatik: Sofortiger Bewusstseinsverlust, Tonusverlust der Muskulatur und vegetative Reaktionen sind kennzeichnend. Bei Bewusstlosigkeit über eine Stunde oder Umdämmerung über einen Tag ist eine Contusio cerebri anzunehmen Sehr charakteristisch ist die Amnesie für die Dauer der Bewusstseinsstörung. Postkommotionelle Beschwerden wie Kofpschmerzen, Schwindel, vermehrtes Schwitzen, Kreislaufdysregulation, Überempfindlichkeit gegen Alkohol etc. gehen in der Regel innerhalb von Wochen bis Monaten zurück. Therapie: Bettruhe ist nur bei schweren Formen nötig. Evtl. sollte eine Krankschreibung mit dosierter Belastung erfolgen Contusio cerebri Definition: Bei der Contusio cerebri kommt es infolge stumpfer Gewalteinwirkung zu einer substanziellen Hirnverletzung mit Rindenprellungsherden (Coup und Contrecoup), sekundären Zirkulationsstörungen und perifokalem oder allgemeinem Hirnödem. Symptomatik: Die initiale Bewusstlosigkeit dauert meist Stunden bis Tage, eine Umdämmerung auch länger. Über ein reversibles hirnorganisches Psychosyndrom kann es zur völligen Restitution kommen. Gelegentlich tritt eine Kontusionspsychose mit deliranten, depressiven oder halluzinatorischen, wahnhaften Symptomen auf. Falls keine Remission eintritt, kommt es zu einem chronischen organischen Psychosyndrom. Nur selten kommt es durch ein Hirntrauma bzw. das traumatische Hirnödem zum apallischen Syndrom, einem Dezerebrations-Syndrom. Diagnostik: Wichtig sind die Dauer der Bewusstlosigkeit, neurologische Symptome, EEGund neuroradiologische Befunde, das Auftreten einer Kontusionspsychose oder von Psychosyndromen. Therapie: Die Behandlung erfolgt intensivmedizinisch. Wichtig ist hierbei die Therapie des Hirnödems. Zur Behandlung der Spätfolgen können Nootropika verordnet und Rehabilitationsmaßnahmen eingeleitet werden. Entzündliche Gehirnerkrankungen Enzephalitiden und Meningitiden jeder Ursache können zu exogenen Syndromen führen. Neurolues Definition: Durch die Spirochäte Treponema pallidum hervorgerufene Meningoenzephalitis, die im Spätstadium in eine chronische Enzephalopathie (progressive Paralyse) mit demenziellem Abbauprozess übergehen kann. Epidemiologie: Die Prävalenz der Neurolues beträgt 15/100000 Einwohner. Das Hauptmanifestationsalter liegt im 5. Lebensjahrzehnt. Bei der progressiven Paralyse überwiegt das männliche Geschlecht. Ätiopathogenese: Im Primärstadium entsteht ein ulzerierendes kleines Knötchen mit begleitender lokaler Lymphknotenschwellung am Infektionsort (Primäraffekt). Im Sekundärstadium kann es neben anderen Symptomen zur Meningitis oder Meningoenzephalitis kommen. Im Tertiärstadium kann sich eine Lues cerebrospinalis entwickeln. Man unterscheidet eine vaskuläre, meningitische und gummöse Form. Im Quartärstadium kommt es bei 2-5% aller Infizierten zur progressiven Paralyse, oft kombiniert mit einer Tabes dorsalis. Symptomatik: Die progressive Paralyse wird meist durch ein pseudoneurasthenisches Vorstadium oder eine organische Wesensänderung eingeleitet. Später entwickelt sich das Vollbild eines psychoorganischen Syndroms. Die Symptomatik ist oft i.S. e. Frontalhirnsyndroms durch Enthemmung, Verlust von Taktgefühl und kritiklose flache Euphorie geprägt. Andere Erscheinungsformen, vor allem maniforme, depressive, paranoide und akut delirante Bilder, kommen vor. Die psychopathologischen Auffälligkeiten werden von neurologischen Symptomen begleitet (z.B. Artikulationsstörungen, reflektorische Pupillenstarre, Faszikulieren der mimischen Muskulatur). Diagnostik: Der Nachweis der Infektion erfolgt durch den TPHA- und den FTA-ABS-Test, die ca. sechs Wochen nach Infektion positiv werden. Im Liquor sind eine lymphozytäre Pleozytose und oligoklonale Banden nachweisbar. CT und MRT zeigen bei der progressiven Paralyse hirnatrophische Veränderungen, das EEG unspezifische Allgemeinveränderungen. Therapie: Hochdosiert Penicillin G, z.B. 30-40 Mio. IE/die über 10 Tage. Verlauf: Die Erkrankung führt unbehandelt innerhalb weniger Jahre zur Demenz und zum Tod. AIDS-Demenz Definition: AIDS (acquired immune deficiency Syndrome) ist eine durch das Retrovirus HIV 1 oder 2 (human immunodeficiency virus) verursachte Erkrankung des Immunsystems. Das Virus ist lymphotrop und neurotrop. Es kann direkt das zentrale Nervensystem befallen und zu chronischen hirnorganischen Psychosyndromen, Psychosen, Myelopathien und Neuropathien führen. Epidemiologie: Weltweit nimmt die Zahl der Erkrankten ständig zu. 2004 gab es 5 Mio Neuinfizierte, davon 700 000 Kinder unter 15 Jahren. Bis zu 60% der an AIDS Erkrankten weisen ein chronisches hirnorganisches Psychosyndrom auf. Ätiopathogenese: Das Virus wird v. a. durch Geschlechtsverkehr und kontaminierte Nadeln übertragen. Es kommt zu im CCT oder MRT nachweisbarer Hirnatrophie, Ventrikelerweiterung und Vakuolen in der weißen Substanz. Symptomatik: Einige Infizierte zeigen zu Beginn der Erkrankung Symptome einer Meningoenzephalitis. Symptome der subakuten Enzephalopathie können allgemeine Müdigkeit, Lethargie, Gedächtnisstörungen, Kopfschmerzen, kognitive und aphasische Störungen sein. Diagnose und Oifferenzialdiagnose: Nachweis von Antikörpern im Blut oder Liguor. Differenzialdiagnostisch schwierig kann die Unterscheidung zwischen depressiver Symptomatik und subkortikaler Demenz sein. Außerdem muss eine Herpes-simplexlnfektion, Tuberkulose, Sarkoidose und multiple Sklerose ausgeschlossen werden. Therapie: Eine kausale Therapie der Erkrankung ist bisher nicht verfügbar. Die Patienten bedürfen einer intensiven Betreuung, evtl. einer psychotherapeutischen Behandlung. Diese Therapie kann durch den Einsatz von Antidepressiva und Nootropika unterstützt werden. Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Definition: Die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ist eine durch eine Prionerkrankung verursachte spongiforme Enzephalomyelopathie die durch pyramidale, extrapyramidale und zerebellare Symptomatik und Demenz gekennzeichnet ist. Epidemiologie: Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen liegt bei 1 pro 1 Million Einwohner. Ätiopathogenese: Die Erkrankung wird durch Prionen hervorgerufen. Es gibt eine sporadische, eine familiäre und eine iatrogene Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Zudem existiert eine Variante, die gehäuft bei jüngeren Patienten auftritt (vCJD). Weitere transmissible spongiforme Enzephalomyelopathien beim Menschen sind die Gerstmann-Straussler-Scheinker-Erkrankung, die Fatale familiäre Insomnie und die Kuru-Krankheit. Eine weitere spongiöse Enzephalopathie, die bovine spongiöse Enzephalopathie (BSE), ist anfangs hauptsächlich bei Rindern aufgetreten. Übertragen wurde sie durch das Verfüttern von mit Scrapie infiziertem Schafsmehl. Symptomatik: Kennzeichnend sind ein demenzieller Prozess, kombiniert mit multiplen neurologischen Auffälligkeiten, und eine rasche Progredienz der Erkrankung. Diagnostik: Neben dem klinischen Bild mit Myoklonien liefert das EEG mit charakteristischen triphasischen 1/s-Wellen diagnostische Hinweise. Differenzialdiagnose: Abzugrenzen sind vor allem ein Morbus Alzheimer und eine Demenz bei Morbus Parkinson. Therapie: Eine kausale Therapie ist nicht möglich. Verlauf und Prognose: Die Patienten versterben meist innerhalb 1 - 2 Jahren nach Krankheitsbeginn. Multiple Sklerose (Encephalomyelitis disseminata) Definition: Schubförmig oder chronisch progredient verlaufende Entmarkungskrankheit von Gehirn und Rückenmark unklarer Ätiologie. J. M. Charcot (1858) beschrieb erstmals die Trias: Nystagmus, skandierendes Sprechen und Intentionstremor. Neben diesen zerebellären Symptomen verursachen die disseminierten Entmarkungsherde vor allem spastische Paresen, Sensibilitätsund Blasenstörungen. In einem Drittel der Fälle manifestiert sich die multiple Sklerose initial mit einer Optikusneuritis. Symptomatik: Die MS kann zu verschiedenartigen psychischen Symptomen führen, meist zu hirnorganischem Psychosyndrom mit Reizbarkeit, Euphorie und Kritiklosigkeit. Persönlichkeitsveränderungen können den Umgang mit den Patienten deutlich erschweren. Depressive Zustände können organisch durch den Krankheitsprozess, pharmakologisch durch die Therapie oder psychogen verursacht werden. Therapie: MS-Kranke benötigen entsprechend dem Schweregrad ihrer Erkrankung viel Zuwendung; im Einzelfall heißt dies auch direkte psychotherapeutische Behandlung. Unter Kortisol-Behandlung kann das manische oder depressive Bild eine Nebenwirkung der Behandlung sein. Nicht demenzielle chronische organische Psychosyndrome Nichtdemenzielle chronische organische Psychosyndrome Leichte kognitive Störung Dieser Begriff kennzeichnet leichte kognitive Beeinträchtigungen (Mild Cognitive Impairment [MCI]), die organisch bedingt sind, aber nicht das Ausmaß der Kriterien eines demenziellen Syndroms erreichen. In der ICD-10 wird die „leichte kognitive Störung" als eine vorübergehende Störung der kognitiven Funktion beschrieben, die sich in verschiedenen Leistungsbereichen äußern kann und organisch begründet ist. Für die leichte kognitive Störung gelten die gleichen therapeutischen Prinzipien wie für die Demenz-Behandlung in abgewandelter Form. Allerdings ist die Wirksamkeit der Nootropika/Antidementiva nicht speziell für diese Indikation geprüft worden. Amnestisches Syndrom Isolierte hirnorganisch bedingte Störung des Kurzoder Langzeitzeitgedächtnisses ohne wesentliche Einbußen in anderen kognitiven Funktionen ¨ > d.h.: erhaltene Aufmerksamkeit, logisches Denkvermögen, basale Alltagskompetenz ¨ Amnestisches Syndrom: Ätiologie ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Klinisch relevantester Aspekt: Fehlende Erinnerung an vergangene Tatsachen oder Ereignisse (Störung des episodischen Gedächtnisses) Ätiologie: Störung des mesialen Temporallappens (Hippokampusformation) Thalamus (v.a. bilateral) Corpora mamillaria Organisches amnestisches Syndrom Dabei ist das Gedächtnis, vor allem das Erlernen und die Einprägung neuer Informationen, betroffen. Eine Bewusstseinstrübung ist nicht vorhanden (Abgrenzung Delir), intellektuelle Störungen stehen nicht im Vordergrund (Abgrenzung Demenz). Einige Amnesien (z.B. bei SHT) erstrecken sich nur auf kurze, vorübergehende Perioden. Andere, wie z. B. das „klassische" amnestische Syndrom i.S. der Korsakow-Psychose, sind zeitlich ausgedehnt und persistierend. Neben den Gedächtnisstörungen sind beim amnestischen Syndrom häufig Konfabulationen vorhanden. Oft treten zusätzlich emotionale Störungen auf. Dem organischen amnestischen Syndrom liegen meist Störungen bestimmter Hirnstrukturen zugrunde. Bei den chronischen amnestischen Zuständen betrifft die hauptsächliche Störung die Speicherung neuer Informationen. Dies führt zu einer anhaltenden und sich immer weiter ausdehnenden anterograden Amnesie. Zu diesen Störungen gehört insbesondere das Korsakow-Syndrom. Korsakow-Syndrom (chronisch) ¨ psychopathologische Trias: Orientierungsstörungen, ¨ anterograde Amnesie, Konfabulationen ¨ erhaltenes prozedurales und semantisches Gedächtnis ¨ oft zusätzlich frontale Symptome: Exekutivstörungen, ¨ Antriebsstörung, mangelnde Kritikfähigkeit und ¨ Krankheitseinsicht ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Ätiologie: mehrmonatiger Vitamin B1-(Thiamin-)Mangel bei Alkoholismus, Malnutrition (Anorexie, Schizophrenie, Hyperemesis) Therapie: Thiaminsubstitution (initial parenteral), Alkoholkarenz Prognose quoad functionem schlecht: Gedächtnisstörungen oft irreversibel, 25% benötigen Heimbetreuung Vincent van Gogh: Trinker (1889) Wernicke-Enzephalopathie (perakutes Delir) ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ oft Vorstadium des KorsakowSyndroms Ätiologie wie bei Korsakow-Syndrom (jedoch prinzipiell reversibel) Symptomatik: Bewusstseinstrübung, Ataxie, Augenmuskelparesen, Nystagmus (auch inkomplett!) Therapie: Thiaminsubstitution (parenteral); Cave: nicht mit Glucose zusammen (Coenzym bei Glykolyse!), allergische Reaktionen Prognose: 20% Mortalität (wird oft nicht erkannt) medialen Thalamuskernen und Corpora Mamillaria a) FLAIR und b) T1W Bildquelle: Thomas et al. Signalanhebungen in Nervenarzt 2010 Transiente globale Amnesie (TGA) ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Inzidenz ca. 5/100.000 Meist ältere Pat. (6. Lebensdekade) „vergessenes“ Krankheitsbild (kennen Ärzte nicht!!!) akut einsetzende anterograde Amnesie sonstige kognitive Funktionen intakt bis 24 h anhaltend gute Prognose mit Restitutio ad integrum Rezidive nicht selten oft nach körperlicher oder emotionaler Belastung insbesondere bei Frauen häufig assoziiert mit ängstlicher Persönlichkeitsstruktur Symptomatik ¨ wacher, ratloser Pat. mit Amnesie ¨ perseverierende Fragen: „Wo bin ich? Wer sind Sie?“ ¨ keine sonstigen kognitiven oder Verhaltensstörungen ¨ keine neurologische Herdsymptomatik! Transiente globale Amnesie (TGA) Ätiologie ¨ am ehesten multifaktoriell, letztlich noch unklar, diskutiert werden: ¨ cerebrale Ischämie ¨ Migräneäquivalent („spreading depression“) ¨ Epilepsie ¨ V. jugularis-Klappeninsuffizienz (venöse Abflussstauung) ¨ Dissoziativ Diagnostik / Differenzialdiagnosen ¨ bei typischer Klinik nicht zwingend (Anamnese!) ¨ dient dem Ausschluss ernsthafter Erkrankungen im Zweifelsfall ¨ (komplex-fokale Epilepsie, Ischämie, Enzephalitis) ¨ MRT: häufig Signalanhebungen in Diffusionswichtung ¨ EEG: epileptischer Anfall? ¨ LP: evtl. bei Fieber, Allgemeinsymptomen Therapie ¨ nicht zwingend stationär; möglichst Bezugspersonen, Beruhigung ¨ ggf. anxiolytisch, z.B. Lorazepam 1-2 mg p.o. oder i.v. Amnestische Syndrome: Limbische Encephalitis Ätiologie ¨ meist paraneoplastisch (Bronchial-, Hoden-, Mamma-, Thymus-Ca., HodgkinLymphome, Teratome) ¨ nicht selten mit großem zeitl. Abstand ¨ vor/nach Tumormanifestation Symptomatik ¨ „Limbisches Syndrom“ mit Trias: ¨ 1) Störung des episodischen Gedächtnisses („Neugedächtnis“) ¨ 2) Affektstörungen (Affektlabilität, Angstsymptome) ¨ 3) Temporallappenepilepsie ¨ weiterhin auch Kleinhirn-/ periphere Symptome (NP) Amnestische Syndrome: Limbische Enzephalitis Diagnostik ¨ MRT (mit DWI) ¨ ggf. LP (DD: erregerbedingte Enzephalitis) ¨ EEG (DD: Epilepsie) ¨ onkoneuronale Antigene: Anti-Hu, -Ma, ¨ -CV2/CRMP5, -Amphiphysin, -VGKC ¨ Tumorsuche! Therapie ¨ primär immunsuppressiv: Steroide, i.v.¨ Immunglobuline, (Plasmapherese, CPX) ¨ ggf. antidepressiv, antikonvulsiv ¨ ggf. Tumorentfernung (Restitutio ad integrum möglich) Organische Persönlichkeitsveränderungen Es handelt sich um Zustandsbilder bei denen der Wandel der charakterlichen Eigenschaften den einzigen Ausdruck einer zerebralen Schädigung darstellt. Eine therapeutische Beeinflussung organischer Persönlichkeitsstörungen ist nur sehr begrenzt möglich. Organische affektive Störungen Es gibt sowohl organisch bedingte depressive als auch manische Zustände. Die Behandlung ist symptomatisch und erfolgt im Sinne einer syndromorientierten Psychopharmakotherapie. Organische Angst- und Zwangsstörungen Angst- und Zwangsstörungen können im Rahmen verschiedener organischer Hirnkrankheiten auftreten (z.B. Panikattacken bei Erkrankungen des Temporallappens). Veränderungen nach cerebraler Schädigung Verhalten ¨ kognitive Fähigkeiten, ¨ z.B. Frontalhirnsyndrom ¨ Emotionen Beginn: ½-1½ Jahre nach der Schädigung Organische Persönlichkeitsstörung ¨ kognitiv: ¤ andauernd reduzierte Fähigkeit, zielgerichtete Aktivitäten über längere Zeiträume durchzuhalten und Befriedigungen aufzuschieben ¤ eingeengtes Sonderinteresse mit verstecktem Konflikt (z.B. Religion, Recht und Unrecht) ¤ Paranoia ¤ Sprache: zähflüssig, umständlich, unscharfe Begriffe Organische Persönlichkeitsstörung ¨ emotional: ¤ emotionale Labilität, ¤ flache und unbegründete Fröhlichkeit ¤ Reizbarkeit, Wutausbrüche ¤ Apathie Organische Persönlichkeitsstörung ¨ sozial: ¤ Impulskontrollstörung mit ¤ Stehlen ¤ sexuelle Grenzüberschreitung, vermindertes sexuelles Interesse oder Änderung der sexuellen Präferenz ¤ gierigem Essen ¤ Vernachlässigung der Körperpflege Organische Halluzinosen Organische Halluzinosen treten vor allem bei Epilepsie, Hirntraumen, progressiver Paralyse, Chorea Huntington und Narkolepsie häufiger auf. Optische Halluzinationen können im Rahmen struktureller Läsionen oder funktioneller Störungen der Sehbahn auftreten, akustische Halluzinosen werden vor allem im Zusammenhang mit einem chronischen Alkoholismus angetroffen. Meist bleibt ein relativ ausgeprägter Realitätsbezug erhalten. Organische wahnhafte Störungen Vermutlich spielt die Schädigung limbischer und subkortikaler Strukturen eine bedeutende Rolle. Organische Halluzinose anhaltende Trugwahrnehmungen vorwiegend in ¨ optischer, akustischer, taktiler Sinnesqualität ¨ ohne alltagsrelevante Störung des Bewusstseins ¨ allenfalls leichte kognitive Einschränkungen ¨ keine realistische Distanz durchgehend möglich ¨ hirnorganische / hirnmetabolische Ursache ¨ Organische Halluzinose: Phänomenologie und Ursachen ¨ akustische Halluzinationen (i.d.R. Stimmen, beschimpfend, grob beleidigend, herabsetzend-kränkend ¤ ¨ optische, szenische, oneiroide Halluzinationen ¤ ¤ ¤ ¤ ¤ ¨ ¨ Alkoholhalluzinose (bei chronischer Alkoholabhängigkeit) vaskuläre Schädigungen Läsionen der Sehbahn Augenerkrankungen M. Parkinson, Lewy-Körperchen-Krankheit, Alzheimer-Demenz Medikamentennebenwirkungen: L-Dopa, Dopaminagonisten, Digitalisglykoside, Psychostimulanzien taktile Halluzinationen ¤ ¤ Demenzerkrankungen Dermatozoenwahn Risikofaktoren Alter ¨ kognitive Störungen ¨ sensorische Defizite (Seh-/Hörbehinderung) ¨ soziale Isolierung (Deprivation / Reizabschirmung) ¨ Suchterkrankung ¨ Risikomedikation ¨ Organische Halluzinosen: Charles-Bonnet-Syndrom ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Erstbeschreibung im 18. Jahrhundert komplexe, farbige, bewegte, stereotype visuelle Halluzinationen auch Phosphene, Photopsien, Metamorphopsien, Palinopsien etc. immer Erleben als irreal (Distanz), kein Wahn (DD: bei Demenz) immer bei Sehbehinderung Schädigungen im Bereich der Sehbahn ¤ ¤ ¨ „peripher“: z.B. Makuladegeneration, Retinopathien, Katarakt „zentral“: Sehstrahlung, primärer visueller Kortex Ursachen multifaktoriell ¤ ¤ Deafferenzierung im visuellen Kortex (-> aktivierter Assoziationskortex) Neurotransmitterstörung: acetylcholinerges Defizit Organische Halluzinosen: Therapie Nichtmedikamentös ¨ ggf. Behandlung der Grunderkrankung ¨ Validierung Medikamentös ¨ Antipsychotika ¤ ¤ ¤ ¤ ¨ konventionell: Haloperidol 1 -2 mg Tagesdosis atypische: Risperidon 0,5 - 1 mg, Olanzapin 2,5 – 10 mg, Quetiapin 50 – 400 mg, Aripiprazol 5 – 10 mg kein Clozapin ! bei Unruhe, Angst: ggf. niedrigpotente Antipsychotika: Dipiperon bis 80 mg Acetylcholinesterasehemmer (bei Demenzerkrankung) ¤ z.B. Rivastigmin (transkutan) bis 9,5 mg/24 h, Donepezil bis 10 mg Organische wahnhafte Störungen ¨ anhaltende unkorrigierbare Überzeugung ¤ besonderer Wichtigkeit (Größenwahn) ¤ Besonderer Abstammung (Abstammungswahn) ¤ Liebeswahn, Eifersuchtswahn ¤ paranoid: Benachteiligung, Beeinträchtigung Auftreten im Zusammenhang mit einer hirnorganischen Erkrankung oder in deren Gefolge ¨ mit oder ohne begleitende / nachfolgende kognitive Defizite ¨ Organische wahnhafte Störung Syphilis (Lues) ¤ ¤ ¨ ¨ ¨ „Prototyp“ der organischen wahnhaften Störung psychiatrische Symptome in allen Stadien möglich, charakteristisch in Stadium IV (Neurolues) 10-20 Jahre post infectionem (bei ca. 10-20% der Patienten) häufig Größen-, Bestehlungs-, Verfolgungs-, Eifersuchtswahn paranoid: Benachteiligung, Beeinträchtigung HIV-Infektion ¤ ¤ ¤ „schizophreniforme“ wahnhafte Störung häufig Größenwahn paranoid: Benachteiligung, Beeinträchtigung Epilepsie ¤ v.a. in anfallsarmen Phasen Albrecht Dürer: Syphilitiker Organische wahnhafte Störung: Therapie Nichtmedikamentös ¨ ggf. Behandlung der Grunderkrankung ¨ Validierung Medikamentös ¨ Antipsychotika ¤ ¤ ¤ ¤ ¨ konventionell: Haloperidol 1 -2 mg Tagesdosis atypische: Risperidon 0,5 - 1 mg, Olanzapin 2,5 – 10 mg, Quetiapin 50 – 400 mg, Aripiprazol 5 – 10 mg kein Clozapin ! bei Unruhe, Angst: ggf. niedrigpotente Antipsychotika: Dipiperon bis 80 mg Acetylcholinesterasehemmer (bei Demenzerkrankung) ¤ z.B. Rivastigmin (transkutan) bis 9,5 mg/24 h, Donepezil bis 10 mg Organische affektive Störungen ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ abrupt oder schleichend auftretend zeitlich an organische Ursache gekoppelt auftretende manische oder depressive Auslenkung oft begleitet von Indifferenz / Affektlabilität kognitive Störungen stehen nicht im Vordergrund Auftreten bei vaskulären Störungen, demyelinisierenden und neurodegenerativen Erkrankungen differenzialdiagnostisch zu bedenken: ¤ ¤ Anpassungsstörungen oder depressive Reaktionen auf chronische Grunderkrankung Nebenwirkung von Arzneimitteln (z.B. Interferone) Vincent van Gogh An der Schwelle zur Ewigkeit (1890) Organische affektive Störung Bsp multiple Sklerose ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ > 20% der Pat. besonders Demyelinisierungen im Bereich des medialen präfrontalen Kortex → depressive Syndrome häufig Affektinkontinenz begleitende kognitive Störungen sind häufig (> 50% der MS-Pat.) auch medikamentös induziert: Kortikoide→ maniforme Syndrome; Interferone→ depressive Syndrome Auswirkung (Verschlechterung ) auf Schubrate, Krankheitsverlauf, Kognition Therapie: Optimierung der MS-Therapie, SSRI, Psychotherapie Organische affektive Störung Bsp Vaskuläre Depression grundsätzlich 2 Syndrome: ¤ ¤ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ exekutive Dysfunktion plus Depression Poststroke-Depression frontale Diskonnektionssyndrome bzw. Läsionen im „emotionalen Netzwerk“ (vmPC, AC, Amygdala, limbisches System und präfrontal-striatalen Netzwerk Affektinkontinenz / Affektlabilität Therapie: SSRI (Citalopram, Sertralin), Psychotherapie, funktionell-rehabilitative Therapie (KG, Logopädie etc.) Organische affektive Syndrome Bsp Mb. Parkinson M. Parkinson ¨ Angststörungen (GAD, Panikstörung) ¨ Depression (alle Schweregrade) ¨ Prävalenz ca. 40% (f > m) ¨ affektive Störungen treten häufig vor motorischen ¨ Störungen auf ¨ Pathogenese: biologisch/ neurodegenerativ und reaktiv ¨ Nervenzelluntergang nicht nur dopaminerg, sondern auch noradrenerg (L. coeruleus) und serotonerg (Nn. Raphe) ¨ Klinik: Apathie, Antriebsverlust, Anhedonie (weniger Stimmung↓) ¨ Therapie: SSRI (Citalopram, Sertralin), Psychotherapie, funktionell-rehabilitative Therapie (KG, Logopädie etc.) Epilepsieassoziierte psychoorganische Störung: Psychose Prävalenz 4-10 % der Pat., Inzidenz 0,3 % ¨ Dominieren von Positivsymptomen (Wahn, Halluzinationen) Manifestationsformen: ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ periiktal: auraähnlich; (religiöse) Wahnbildungen; Bewusstseinstrübung (Delir) iktal: als Anfallsäquivalent (z.B. nonkonvulsiver Status) postiktal: 2-7 d nach GTKA oder KFA-Serie (luzides Intervall!) interiktal: Schizophrenie-ähnlich mit „Erstrangsymptomen“ „Alternativpsychosen“: bei Anfallsfreiheit unter Behandlung (Ethosuximid, Phenobarbital, Primidon, Phenytoin, Topiramat u.a.) Therapie: ¨ ¨ ¨ periiktal, iktal→ antikonvulsiv, BZD postiktal→ i.d.R. selbst limitierend interiktal→ atypische Antipsychotika (CAVE: Interaktionen mit AED) Epilepsieassoziierte psychoorganische Störung: Affektive Störungen ¨ ¨ ¨ ¨ Depressionen, Angststörungen, seltener maniforme Syndrome Depressionen bei Epilepsiekranken häufiger als bei anderen chronischen Krankheiten wohl Zusammenhang mit Schwere der Epilepsie Stimmungslage hat auf Lebensqualität mehr Einfluss als Anfallsfrequenz Manifestationsformen: ¨ präiktal: Dysphorie, Ängste Reizbarkeit ¨ iktal: als Anfallsäquivalent: limbische Anfälle, (selten) komplex-fokale Anfälle ¨ Post- und interiktal: kurz anhaltend, selbstlimitierend, CAVE: Suizidimpulse ¨ „Alternativdepressionen“: medikamentös bedingt: v.a. bei GABAergen AED Therapie: ¨ periiktal, iktal → antikonvulsiv, BZD ¨ interiktal→ SSRI (Sertralin, Citalopram / CAVE: Interaktionen!) Psychische Auffälligkeiten und Verhaltensauffälligkeiten bei cerebralen Schädigungen Neurobiologie Definition markante Verhaltensänderung mit neurologischen, psychiatrischen und psychischen Symptomen in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer erworbenen Hirnschädigung Psychische Störungen aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit F06 Organische Halluzinose ¨ organische katatone Störung F06.1 ¨ organische wahnhafte, schizophreniforme Störung F06.2 ¨ organische affektive Störung F06.3 ¨ organische Angsstörung F06.4 ¨ leichte kognitive Störung F06.7 ¨ èselten Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen aufgrund einer Erkrankung, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns F07 Organische Persönlichkeitsstörung F07.0 ¨ Postenzephalitisches Syndrom F07.1 ¨ Organisches Psychosyndrom nach SHT F07.2 ¨ èhäufig Postenzephalitisches Syndrom ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ ¨ Unwohlsein, Apathie, Reizbarkeit kognitiv verlangsamt, Lernstörung bis zur Retardierung Ess-, Schlaf-, Sexualverhalten soziale Anpassung und Urteilsfähigkeit neurologische Symptome: Lähmung, Taubheit, Sprach- und Sprechstörung, Apraxie, Akalkulie zuvor bestehende Verhaltensauffälligkeiten werden verstärkt Psychosomatische Symptome Postenzephalitisches Syndrom ¨ viral: ¤ FSME ¤ Mumps ¤ Masern ¤ Pertussis ¤ Varizella-Zoster ¤ Röteln ¨ (speziell: Autismus) bakteriell Organisches Psychosyndrom nach SHT F07.2 ¨ vegetativ: ¤ Erschöpfbarkeit ¤ Kopfschmerzen ¤ Schlafstörungen ¤ Schwindel ¤ Wetterfühligkeit Organisches Psychosyndrom nach SHT F07.2 I° Gehirnerschütterung II° Gehirnprellung III° Gehirnquetschung Organisches Psychosyndrom nach SHT F07.2 ¨ kognitiv: ¤ Konzentration ¤ Gedächtnis ¤ Verlangsamung Organisches Psychosyndrom nach SHT F07.2 ¨ emotional: ¤ Verlangsamung ¤ Anpassungsstörung ¤ Ängstlichkeit ¤ Depressive Episode ¤ Reizbarkeit ¤ Hypochondrische ¤ verringertes Selbstwertgefühl Ängste