Vergleich eingeschränkte reVision zu reView nach Ps 910 welches

Transcription

Vergleich eingeschränkte reVision zu reView nach Ps 910 welches
e i n g e s c h rän kte r evi s i o n
michael annen
Vergleich eingeschränkte Revision
zu Review nach PS 910
Welches Instrument eignet sich für die
Schweizer Prüfungslandschaft?
Der Artikel zeigt die wesentlichen Aspekte des PS 910 auf und gibt einen Überblick
über die eingeschränkte Revision. Anschliessend werden die wichtigsten Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Prüfungsarten aufgezeigt. Das Fazit geht
der Frage nach, welches Instrument für die Schweizer Prüflandschaft geeigneter ist.
1. EINLEITUNG
Der PS 910 Review ist schon länger Bestandteil der Schweizer
Prüfungsstandards (PS) und international ein etabliertes Prü­
fungsprodukt. Mit der Einführung der neuen Revisionsart,
der eingeschränkten Revision und damit des Standards zur
Eingeschränkten Revision (SER), stellte sich in der Praxis die
Frage, was eigentlich der wesentliche Unterschied zwischen
diesen beiden Prüfungsarten ist. Die Diskrepanz hat viel mit
der historischen Entwicklung der eingeschränkten Revision
zu tun. Zu Beginn hatte der Bundesrat in der Botschaft den
international anerkannten Review im Sinne des PS 910 als
Lösung im Auge und nicht die heutige eingeschränkte Re­
vision. Davon zeugt noch der Gesetzestext, in welchem im
Randtitel des Gesetzes bei Art. 729 des Obliga­tionenrechts (OR)
zur Unabhängigkeit der Revisionsstelle in Klammer «Re­
view» steht. Der Review stand für das Konzept der einge­
schränkten Revision Pate. Ein wesentlicher Unterschied und
gleichzeitig auch Abgrenzung zum Review sind die zusätz­
lichen Prüfungshandlungen, welche in Form der angemes­
senen Detailprüfungen vorgesehen sind. Diese sind in PS 910
anlässlich einer prüferischen Durchsicht nicht vorgesehen.
Die eingeschränkte Revision fordert bei wesentlichen Posi­
tionen, dass diese nicht ausschliesslich mit Be­fragungen
und analytischen Prüfungshandlungen, sondern auch mit
angemessenen Detailprüfungen geprüft werden. Gemein­
sam ist beiden Prüfungsarten der Grad der Prüfungssicher­
michael annen,
dipl. wirtschaftsprüfer,
lic. oec. hsg, partner,
mitglied subkommission
eingeschränkte
revision der treuhandkammer, brag
buchhaltungs und
revisions ag, zug
910
heit, welche nur eine begrenzte («moderate») Prüfungssicher­
heit ist.
2. Schweizer Prüfungsstandard (PS) 910 –
Review [1] (prüferische Durchsicht)
Der PS 910 ist Bestandteil der fachlichen Verlautbarungen der
Treuhand-Kammer und gehört in die Gruppe der Prüfung und
Reviews von vergangenheitsorientierten Finanzinformatio­
nen. PS 910 setzt prinzipiell ISRE 2400 «Engagement to Review Financial Statements» um und ist Bestandteil der Trans­
formation der International Standards on Auditing (ISA) in die
Schweizer PS. Das Ziel des PS ist in erster Linie auf Abschlüsse
ausgerichtet, aber er ist auch anwendbar für den Review von
Finanzinformationen und anderen Informationen, soweit
dies praktikabel ist. Ein Review-Bericht kann bereits abge­
geben werden, ohne dass die gleichen umfangreichen Prü­
fungsnachweise geliefert werden müssen, wie dies bei einer
Abschlussprüfung verlangt ist. Dies führt dazu, dass die
Prüfungsaussage negativ formuliert sein muss.
Review-Aufträge sind im Normalfall ausserhalb des gesetz­
lichen Prüfungsbereichs, da es sich bei gesetzlich vorgeschrie­
benen Aufträgen meist um Abschlussprüfungen handelt, wäh­
rend es beim Review in aller Regel um Zwischenabschlüsse,
ad-hoc-Abschlüsse oder um Konsolidierungspackages nicht
wesentlicher Tochtergesellschaften geht. Die Standes- und
Berufsregeln sowie die Grundsätze für die verantwortungs­
volle Berufsausübung gelten bei einem Review genauso wie
bei einer Abschlussprüfung.
Der Wirtschaftsprüfer muss ausreichende Nachweise er­
langen, damit dieser eine Review-Aussage abgeben kann.
Dazu sind in erster Linie Befragungen und analytische Prü­
fungshandlungen vorzunehmen. Der PS 910 verweist dies­
bezüglich auf den separaten PS 520 «Analytische Prüfungs­
handlungen» sowie PS 580 «Schriftliche Erklärungen», wel­
che damit bei Anwendung des PS 910 ausdrücklich von
Relevanz sind. Der Anhang 2 des PS 910 zählt Beispiele mög­
licher Review-Handlungen auf, welche für eine solche prüfe­
rische Durchsicht geeignet sind. Diese beispielhafte Aufzäh­
D e r S c h w e i z e r T r e u h ä n d e R 2013 | 12
Ve r g le i c h e i n g e s c h rän kte R evi s i o n z u R evi ew nac h P S 910
lung geht doch auch bei Reviews relativ weit, so sind nicht
nur Befragungen und Jahres- und Kennzahlenvergleiche im
Vordergrund, sondern es wird verschiedentlich auch die Be­
standesabstimmung der Bilanzpositionen als Review-Hand­
lung erwähnt. Bei den flüssigen Mitteln wird sogar eine
Bankbestätigung als Review-Handlung aufgeführt. Die de­
taillierte Durchsicht der Buchhaltung ist auch bei einem Re­
view notwendig, damit die Review-Handlungen PS 910 kon­
form sind. Dazu gehören beispielsweise Feststellungen über
das Vorhandensein von Transaktionen mit nahestehenden
Parteien oder ob Gewinne und Verluste ordnungsgemäss er­
fasst worden sind bzw. der Anhang vollständig ist. Die Re­
view-Handlungen sind im PS 910 nur beispielhaft aufge­
zählt. Auch ein Review basiert im Wesentlichen auf dem Pro­
fessional Judgement des Prüfers. Dieser definiert, welche
Review-Handlungen notwendig sind und welche nicht, um
zu einer entsprechenden Review-Aussage zu gelangen. Von
der Natur der Sache her ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehl­
aussage bei einem Review grösser als bei einer Abschlussprü­
fung nach PS. Diese weniger hohe Urteilssicherheit kommt
in der negativen Prüfungsaussage zum Ausdruck.
Eine Auftragsbestätigung ist analog zu einer Abschluss­
prüfung nach PS erforderlich und definiert den Auftrag.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass keine Prüfung im Sinne
einer ordentlichen Revision stattfindet und somit kein Prü­
fungsurteil abgegeben wird.
12 | 2013 D e r S c h w e i z e r T r e u h ä n d e r
e i n g e s c h rän kte r evi s i o n
Ein Review-Auftrag wird im Grundsatz geplant wie eine
Abschlussprüfung, d. h. der Wirtschaftsprüfer muss sich
Kenntnisse über die Unternehmung, die Branche und die
Organisation des Kunden erwerben. Dabei sind die Organi­
sation und Systeme des Rechnungswesens von Interesse, die
Wesensmerkmale der Betriebstätigkeit und die Arten der
Vermögenswerte, Verpflichtungen, Aufwendungen und Er­
träge. Das Gesamtverständnis ist notwendig, damit die Ar­
beiten, insbesondere auch die Befragungen, für die ReviewHandlungen geplant werden können.
Der Review lässt zu, dass der Prüfer auf Arbeiten Dritter
zurückgreifen kann, wobei in diesem Fall nach den einschlä­
gigen PS vorzugehen ist. Die Wesentlichkeit ist analog zu
einer Abschlussprüfung nach PS zu berechnen und zu beur­
teilen. Diese dient als Basis für die Auswahl der zu prüfen­
den Transaktionen und Kontensalden. Damit ist PS 320 «Die
Wesentlichkeit bei der Planung und Durchführung einer
Abschlussprüfung» sinngemäss auch für den Review an­
wendbar, da der Wirtschaftsprüfer dieselben Überlegungen
anstellen muss.
Die Befragungen befassen sich typischerweise mit dem Er­
langen von Kenntnissen der Unternehmenstätigkeit, den an­
gewandten Grundsätze zum Rechnungslegung und -wesen,
aber auch mit Befragungen zu Abläufen im Unternehmen,
insbesondere wenn es um die Aufzeichnung und Dokumen­
tation von Transaktionen, die Abschlusserstellung und die
911
e i n g e s c h rän kte r evi s i o n
Offenlegung der Anhangsangaben geht. Das Verständnis der
Abläufe dient dazu, dass sich der Wirtschaftsprüfer ein ge­
wisses Grundverständnis über die internen Kontrollen erar­
beitet. Auf diese Weise wird er erfahren, wo operative Risiken
bestehen und welche Positionen schwergewichtig in die Prü­
fungsplanung aufzunehmen sind. Die analytischen Prü­
fungshandlungen als zweite wichtige Gruppe von Prüfungs­
handlungen umfassen Vorjahresvergleiche der Abschlüsse,
sowie Abgleich mit Finanzplänen und Budgets oder Bench­
marking mit erwarteten Richtgrössen und Relationen auf
Ebene einzelner Positionen oder Gruppen. Berichtigungen
aus früheren Jahren sind ebenso hilfreich wie die Befragung
der Finanz­verantwortlichen oder anderer Wirtschaftsprüfer
aus den Vorjahren.
Kommt der Wirtschaftsprüfer aufgrund seiner Befragun­
gen und analytischen Prüfungshandlungen im Rahmen des
Review-Auftrags zum Schluss, dass die durchgesehenen In­
formationen wesentliche Fehlaussagen beinhalten könnten,
muss er zusätzliche Review-Handlungen vornehmen, damit
er eine ausreichende Prüfungssicherheit erhält, um eine Re­
view-Aussage machen zu können.
Der PS 910 ist ein integraler Bestandteil der Schweizer PS
und verweist entsprechend häufig auf andere Prüfungsstan­
dards, so auch bei der Berichterstattung. Ist der PS 910 unge­
nügend in der Beantwortung von Fragen der Berichterstattung,
sind die PS 700, 701, 705 und 706 sinngemäss anzuwenden.
3. Standard zur Eingeschränkten
Revision
Der SER [2, 3] ist ein eigenständiger Standard, welcher Be­
standteil der fachlichen Verlautbarungen der TreuhandKammer ist. Dieser Standard ist nicht Bestandteil der Prü­
fungen im Sinne der PS wie der Review, sondern wird als ei­
genständiger Standard der Treuhand-Kammer geführt. Der
SER wurde in Zusammenarbeit mit Treuhand-Suisse er­arbeitet.
Da die eingeschränkte Revision Neuland war, gibt es keine
Verweise auf bestehende oder frühere Prüfungsstandards
und auch auf keine in der Welt der internationalen Stan­
dards, insbesondere die ISA. Bereits in der Einleitung des
SER wird auf den Ermessenspielraum des Prüfers (Professio­
nal Judgement) verwiesen. Der SER verzichtet bewusst auf
die Regelung jedes denkbaren Sachverhalts, um vorzugeben,
was zu tun ist. Diese Lücke soll nun mit dem neuen Schweizer
Handbuch der Wirtschaftsprüfer, Band «Eingeschränkte Revision»
(HWP-Band ER) soweit wie möglich geschlossen werden. Al­
lerdings wird auch mit dem neuen HWP-Band ER das Pro­
fessional Judgement des Prüfers gefragt sein, was die Arbeit
des Wirtschaftsprüfers schlussendlich auch spannend macht.
Die eingeschränkte Revision ist wie die ordentliche Revi­
sion eine gesetzliche Prüfung. Der SER ist für den Prüfungs­
fall der eingeschränkten Revision anwendbar, d. h. es ist
die Gesetzes- und Statutenkonformität der Jahresrechnung
und der Antrag über die Verwendung des Bilanzgewinnes
nach OR zu prüfen. In der Regel ist der SER nicht für die Prü­
fung anderer Rechnungslegungsstandards, wie Swiss GAAP
FER oder International Financial Reporting Standards
(IFRS) bestimmt. Bei Swiss GAAP FER gibt es insofern eine
Ausnahme, als die Kern-FER mittels eingeschränkter Revision
912
Ve r g le i c h e i n g e s c h rän kte R evi s i o n z u R evi ew nac h P S 910
geprüft werden können. Das Gleiche gilt für kleine Non-Pro­
fit-Organisationen, welche Swiss GAAP FER 21 anwenden.
Andere Prüfungen, insbesondere Zwischenbilanzprüfungen,
Kapitalherab- oder heraufsetzungsprüfungen, Gründungs­
«Dem Professional Judgement kommt
eine besondere Bedeutung zu; einfach
ausgedrückt, ist es die Erfahrung und
Professionalität des Prüfungsleiters,
welcher die Prüfungsplanung vornimmt,
die den Grad der Prüfungssicherheit
wesentlich beeinflussen kann.»
prüfungen oder Prüfungen von Fusionen oder anderen (Spe­
zial-)Prüfungen sind nicht Prüfungsgegenstände des SER.
Für die Prüfung besonderer Vorgänge sind die PS massge­
bend. Freiwillige Abschlussprüfungen sind nach PS abzu­
wickeln, wobei für die Berichterstattung PS 700 ff. anwend­
bar ist, respektive für weitere Dienstleistungen bzw. beson­
dere Bereiche die PS 800 ff.
Schliesslich kann eine (gesetzliche) eingeschränkte Re­
vision aufgrund einer Statutenbestimmung erfolgen oder
durch die Generalversammlung beschlossen werden.
Der SER hat das Rad der Prüfung nicht neu erfunden und
orientiert sich in den Grundlagen am PS 910. Gängige Kon­
zepte der Wirtschaftsprüfung finden auch bei SER Anwen­
dung: Der Umfang der Prüfungshandlungen der einge­
schränkten Revision wird durch die von der Revisionsstelle
erlangten Kenntnisse über die Tätigkeit und das Umfeld des
Prüfungskunden sowie der Risikosituation bestimmt. Die
Prüfungshandlungen sind so auszugestalten, dass das Ri­
siko von Fehlaussagen für den Grad der Prüfungssicherheit
einer eingeschränkten Revision vertretbar ist. Dabei haben
sich die Prüfungshandlungen nach den konkreten Umständen
in jedem Einzelfall zu richten. Neben Befragungen und ana­
lytischen Prüfungshandlungen, welche in etwa Deckungs­
gleich zum Review sind, werden zusätzlich angemessene
Detailprüfungen verlangt. Der SER teilt die Prüfungshand­
lungen in empfohlene und weitergehende Prüfungshand­
lungen ein, wobei die empfohlenen Detailprüfungen eben­
falls bei PS 910 als Review-Handlungen aufgeführt werden.
Unter angemessenen Detailprüfungen werden hauptsäch­
lich Bestandes- und Bewertungsprüfungen verstanden. Diese
sind bei wesentlichen Positionen fast unumgänglich. Kommt
der Prüfer zum Schluss, dass es sich um eine Position mit er­
höhtem Risiko handelt, sind zusätzlich die weitergehenden
Prüfungshandlungen durchzuführen, um das Risiko we­
sentlicher Fehlaussagen zu reduzieren.
Somit ist auch gesagt, dass die Wesentlichkeit eine zent­
rale Rolle bei der eingeschränkten Prüfung spielt. Die Be­
rechnung und Beurteilung der Wesentlichkeit erfolgt analog
zum Review respektive analog zu den PS. Die verlangte be­
grenzte Prüfungssicherheit wird nur erlangt werden können,
wenn eine effiziente Kombination aller drei Arten von Prü­
D e r S c h w e i z e r T r e u h ä n d e R 2013 | 12
Ve r g le i c h e i n g e s c h rän kte R evi s i o n z u R evi ew nac h P S 910
fungshandlungen (Befragungen, analytische Prüfungshand­
lungen und Detailprüfungen) zur Anwendung kommen.
Dabei hat die Revisionsstelle situativ zu entscheiden, welche
Art von Prüfungshandlung zum Einsatz kommt und in wel­
cher Reihenfolge.
Die eingeschränkte Revision grenzt sich strikte gegenüber
der Abschlussprüfung nach PS ab und verlangt explizit
keine Inventurbeobachtung des Warenlagers, keine Bankoder Drittbestätigungen sowie keine Prüfung des internen
Kontrollsystems (IKS). Auch wenn dies alles nicht Prüfungsge­
genstand der eingeschränkten Revision ist, wird der Prüfer
m.E. nicht darum herumkommen, allfällige Kontrollmass­
nahmen (wie z. B. das vorhandene Vier-Augen-Prinzip) bei
seiner Risikobeurteilung und Prüfungsplanung einzubezie­
hen, ohne allerdings das IKS explizit zu prüfen. Der Prüfer
stützt sich, im Gegensatz zur ordentlichen Revision, aus­
schliesslich auf die Unterlagen ab, welche im Hause des Kun­
den vorzufinden sind und durch das Unternehmen vor Ort
verfügbar gemacht werden können. Den erlangten Prü­
fungsnachweisen beim Revisionskunden kommt damit
eine erhöhte Bedeutung zu; dies ist bei einer Review nicht
anders. Weiter sind Prüfungen bezüglich doloser Handlun­
gen grundsätzlich nicht Prüfungsbestandteil. Bei Verstössen
gegen das Gesetz, die Statuten oder das Organisationsregle­
12 | 2013 D e r S c h w e i z e r T r e u h ä n d e r
e i n g e s c h rän kte r evi s i o n
ment besteht keine Anzeigepflicht, trotzdem handelt es sich
bei der eingeschränkten Revision um eine gesetzliche Prü­
fung. Obwohl von Gesetzes wegen kein gesetzlicher Auf­
trag zur Berichterstattung bei Gesetzesverstössen besteht,
hat sich in der Praxis eine beschränkte Hinweispflicht bei
der eingeschränkten Revision etabliert.
Der Grad an Prüfungssicherheit ist bei einer eingeschränk­
ten Revision identisch zum Review: eine begrenzte Prü­
fungssicherheit (moderate assurance). Die gegenüber dem
Review zusätzlich verlangten angemessenen Detailprüfun­
gen ändern an dieser Tatsache nichts. Durch die Vornahme
von zusätzlichen, angemessenen Detailprüfungen entsteht
der Eindruck, dass der Grad der Prüfungssicherheit bei einer
eingeschränkten Revision höher ist als bei einem Review. Da
die Wirtschaftsprüfung, wie die Betriebswirtschaft als sol­
ches, keine exakte Wissenschaft ist, lässt sich der Grad der
Prüfungssicherheit nicht exakt in Zahlen ausdrücken. Viel­
mehr hängt der Grad der Prüfungssicherheit von der spezifi­
schen Situation und den durchgeführten Prüfungshandlun­
gen ab. Dem Professional Judgement kommt daher eine be­
sondere Bedeutung zu. Einfach ausgedrückt ist es die
Erfahrung und Professionalität des Prüfungsleiters, welcher
die Prüfungsplanung vornimmt, die den Grad der Prüfungs­
sicherheit wesentlich beeinflussen kann. Mit Sicherheit
913
e i n g e s c h rän kte r evi s i o n
Ve r g le i c h e i n g e s c h rän kte R evi s i o n z u R evi ew nac h P S 910
Abbildung: UNTERSCHIEDE EINGESCHRÄNKTE REVISION – REVIEW
Eingeschränkte Revision (gemäss SER)
Review (gemäss PS 910)
Der SER ist auf die gesetzliche Revision von Jahresabschlüssen
von KMU anwendbar.
PS 910 ist auch auf Aufträge zur Review von Finanz­
informationen oder anderen Informationen anwendbar.
Prüfung (mit begrenzter Sicherheit), ob die Jahresrechnung
Gesetz und Statuten entspricht (Art. 729 a Abs. 1 Ziff. 1 OR).
Zusätzlich Prüfung (mit begrenzter Sicherheit), ob der Antrag
des Verwaltungsrats an die Generalversammlung über die Ver­
wendung des Bilanzgewinns den gesetzlichen Vorschriften und
den Statuten entspricht (Art. 729 a Abs. 1 Ziff. 2 OR).
Prüfung (mit begrenzter Sicherheit), ob der Abschluss den
anzuwendenden Rechnungslegungsnormen (bzw. den gesetz­
lichen oder statutarischen Regelungen) entspricht.
Befragungen, analytische Prüfungshandlungen und zusätzlich
vom Gesetz geforderte angemessene Detailprüfungen (Art. 729 a
Abs. 2 OR).
In erster Linie Befragungen und analytische
Prüfungshandlungen.
Kein Einholen von Bankbestätigungen vorgesehen (Anhang D,
Bst. b)).
Erlangung von Bankbestätigungen als mögliche Prüfungs­
handlung (PS 910, Anhang 2, Tz. 21).
SER enthält empfohlene Prüfungshandlungen für den Anhang
der Jahresrechnung.
PS 910 enthält keine Auflistung von empfohlenen Prüfungs­
handlungen für den Anhang (ausser zu den Ereignissen nach
dem Bilanzstichtag, PS 910, Anhang 2, Tz. 16).
Im Bericht ist darauf hinzuweisen, dass die gesetzlichen An­
forderungen an die Zulassung und Unabhängigkeit erfüllt sind.
PS 910 enthält keine entsprechende Regelung.
Im Fall der Mitwirkung bei der Buchführung eines Mitarbeiters
der Revisionsstelle ist eine entsprechende Offenlegung im Be­
richt erforderlich.
Mitwirkung bei der Buchführung durch den die Review durch­
führenden Wirtschaftsprüfer bzw. das Revisionsunternehmen
ist unter gewissen Bedingungen und in gewissen Grenzen zu­
lässig (sofern der Prüfer nicht Unterlagen prüft, an deren Er­
stellung er entscheidend mitgewirkt hat). Eine Offenlegung im
Bericht ist in diesem Fall vorzunehmen [5]
kann gesagt werden, dass die eingeschränkte Revision wie
der Review eine weniger hohe Prüfungssicherheit ergibt als
eine Abschlussprüfung nach PS und daher wie beim Review,
kein Prüfungsurteil, sondern eine (negative) Prüfungsaus­
sage abgegeben wird.
4. Gemeinsamkeiten von SER und PS 910?
Wie bereits einleitend erwähnt, war der PS 910 das Vorbild
für den Gesetzgeber der eingeschränkten Revision, aber
auch für den Standardsetter zur Erarbeitung des SER. Im
Unterschied zum SER ist der Review eine international aner­
kannte betriebswirtschaftliche Prüfung und in die PS einge­
bettet, welche gleichzeitig auch die aktuell gültigen inter­
nationalen Prüfungsstandards, die ISA, abbilden. Die einge­
schränkte Revision ist im Ausland tendenziell unbekannt.
Daher auch die Übersetzung der eingeschränkten Revision
als «limited statutory examination» oder prüferische Durch­
sicht in Deutsch. Der Begriff «Audit» (Prüfung) ist schon
für die Abschlussprüfung nach PS besetzt, und daher musste
ein anderer Begriff herhalten. Es wäre auch nicht sachge­
recht, wenn bei der eingeschränkten Revision von einer Re­
view im internationalen Kontext gesprochen würde, denn
wie oben beschrieben, ist der SER tatsächlich mehr als «nur»
ein Review. Dies trifft nach Meinung des Autors trotz der
Tatsache zu, dass die Prüfungssicherheit nur eine begrenzte
bleibt und die Prüfungsaussage in der Berichterstattung ne­
gativ formuliert ist. Letztere Tatsache ist m.E. auch gerade
das Störende an der Konzeption des SER, nämlich dass es
nicht möglich ist, eine positive Prüfungsaussage zu «kreie­
914
ren». Für diesen Fall hätte es aber einen höheren Grad an
Prüfungssicherheit bedingt, und man wäre wohl wiederum
bei der gesetzlichen Abschlussprüfung nach PS angelangt,
was man ja aber genau zur Entlastung der KMU nicht wollte.
Die Schwellenwerterhöhung hat die Bedeutung der ein­
geschränkten Revision in eine höhere Sphäre katapultiert,
denn ein Grossteil der Schweizer Unternehmen wird einge­
schränkt geprüft. Reviews kommen im Bereich der nicht
­gesetzlichen Prüfungsarbeiten zur Anwendung, beispiels­
weise bei Prüfung von Zwischenabschlüssen börsenkotierter
Unternehmungen, bei der Prüfung von Reporting Packages
in Konzernverhältnissen oder der Beurteilung von anderen
Finanzinformationen. Als gesetzliche Prüfung kommt nur
die eingeschränkte oder die ordentliche Revision infrage, für
welche eine Zulassung der Revisionsaufsichtsbehörde (RAB)
notwendig ist. Ein Review kann auch ohne Zulassung durch­
geführt werden. Hingegen sind im Falle eines Verweises auf
die PS zwingend die beruflichen und fachlichen Verlautba­
rungen der Treuhand-Kammer anwendbar. Nur mit der An­
wendung des PS 910 spricht man auch von einem Review,
welcher den Namen verdient.
Der grosse Vorteil von einem Review ist die Kompatibilität
mit den ISA und gleichzeitig mit den PS, was die einge­
schränkte Revision nicht vorzuweisen hat. Somit teilt die
eingeschränkte Revision mit den Swiss GAAP FER ein ähn­
liches Schicksal: Es fehlt an der internationalen Anerken­
nung. Je nach Kreis der Stakeholder und Aktionäre kann
dies ein wichtiges Argument sein, eine vollwertige gesetz­
liche Abschlussprüfung durchzuführen, statt «nur» eine
D e r S c h w e i z e r T r e u h ä n d e R 2013 | 12
e i n g e s c h rän kte r evi s i o n
Ve r g le i c h e i n g e s c h rän kte R evi s i o n z u R evi ew nac h P S 910
eingeschränkte Revision, welche im Ausland schwer ver­
ständlich zu machen ist.
Die eingeschränkte Revision hat aber gewichtige Vorteile
gegenüber der Review: Angemessene Detailprüfungen neh­
men einen wichtigen Stellenwert beim SER ein und führen
in der Praxis im Normalfall zu einer in der Tendenz höheren
Prüfungssicherheit gegenüber einer Review. Diese Überzeu­
gung teilt zumindest der Autor dieses Artikels mit anderen
Prüfern. Der SER ist bezüglich des Prüfungsumfangs abso­
luter gefasst und schränkt das Feld von Handlungen explizit
ein, während der Review-Standard offener formuliert ist. So
durchbrechen die Review-Handlungen konzeptionell die
Idee der begrenzten Prüfungssicherheit und sehen je nach
Situation das Einholen von Bankbestätigungen vor, während
der SER dies explizit ausschliesst. Trotz alledem vertritt der
Autor die Meinung, dass es auch bei einer eingeschränkten
Revision im Einzelfall sinnvoll sein kann, Bestätigungen
einzuholen, da diese zu einem schnelleren, d. h. effiziente­
ren Prüfungsnachweis führen können als eine Befragung
oder analytische Prüfungshandlungen. Also warum dann
nicht eine Bestätigung einverlangen, auch wenn dies der SER
explizit nicht vorsieht? Effizientes Arbeiten ist (heute noch)
nicht verboten. Zieht man einen Vergleich zwischen Review
und eingeschränkter Revision, stellt man unschwer fest,
dass die beiden Prüfungsarten auch gewisse Widersprüche
enthalten in Bezug auf die Prüfungshandlungen und den zu
erreichenden Grad an Prüfungssicherheit oder zumindest
nicht aufeinander abgestimmt sind. Dies hängt vor allem mit
dem Gesetzgebungsprozess der eingeschränkten Revision
zusammen. Der PS 910 Review ist sehr wohl im Rahmen der
PS abgestimmt.
Die Review- resp. Prüfungsaussage ist im Wesentlichen
deckungsgleich, was den Grad der Prüfungssicherheit wider­
spiegelt. Bei der Review gibt der Wirtschaftsprüfer eine Aus­
sage darüber ab, ob er auf Sachverhalte gestossen ist, dass der
Abschluss nicht in allen wesentlichen Punkten den anzuwen­
denden Rechnungslegungsnormen entspricht. Bei der ein­
geschränkten Revision wird die Gesetzes- und Statutenkon­
formität der Jahresrechnung in negativer Form bestätigt,
ebenso der Antrag des obersten Leitungsorgans über die
Verwendung des Bilanzgewinnes. Unterschiede zwischen
eingeschränkter Revision und Review ergeben sich bei der
Berichterstattung folgende: Aufgrund der Tatsache, dass die
eingeschränkte Revision eine gesetzliche Revisionsdienst­
leistung darstellt, bestimmt das Gesetz gewisse Inhalte des
Berichts, wohingegen für den Review-Bericht ausschliesslich
berufsständische Vorgaben existieren. So enthält der Re­
view-Bericht im Gegensatz zum Revisionsbericht bei der ein­
geschränkten Revision keine Aussagen zur Einhaltung be­
sonderer gesetzlicher Vorschriften (Zulassung, Unabhän­
gigkeit) oder eine negative Bestätigung, ob der Antrag des
Verwaltungsrats über die Verwendung des Bilanzgewinns
den gesetzlichen Vorschriften und Statuten entspricht.
Anmerkungen: 1) PS 910 Review, Seite 871, Schwei­
zer Prüfungsstandards (PS), Ausgabe 2013. 2) Stan­
dard zur Eingeschränkten Revision, TreuhandKammer und Schweizerischer Treuhänder-Verband,
12 | 2013 D e r S c h w e i z e r T r e u h ä n d e r
Im Prüfungsablauf gibt es einige Gemeinsamkeiten: Sowohl
beim Review wie auch bei der eingeschränkten Revision gel­
ten die beruflichen Verhaltensanforderungen (u. a. Objek­
tivität und Unabhängigkeit, (professionelle) Kompetenz,
Sorgfalt, Verschwiegenheit). Zu beachten ist jedoch, dass die
eingeschränkte Revision – als gesetzliche Revisionsart und
vom Gesetzgeber gewollt – die Unabhängigkeit auf die inner­
betriebliche Ebene verlagert und insoweit ein Mitwirken bei
der Buchführung durch eine nicht an der Revision beteiligte
Person oder Personengruppe innerhalb des Revisionsunter­
nehmens zulässt. Dies wurde bewusst so gewählt, da der Ge­
setzgeber dem Schweizer Umstand «Dienstleistung aus einer
Hand» Rechnung tragen wollte. Allerdings wird im neuen
HWP explizit erwähnt, dass auch bei Reviews das Erbringen
weiterer Dienstleistungen zulässig ist. Dies schliesst gegebe­
nenfalls auch eine gewisse Buchführungsunterstützung mit
ein, sofern der Prüfer nicht Unterlagen prüft, an deren Er­
stellung er entscheidend mitgewirkt hat.
Sowohl bei der eingeschränkten Revision als auch beim
Review erfolgt die Planung und Durchführung der Revi­
sionstätigkeit mit kritischer Grundhaltung sowie im Be­
wusstsein, dass die Finanzberichterstattung Fehlaussagen
enthalten kann. In beiden Fällen muss sich der Wirtschafts­
prüfer Kenntnisse über die Tätigkeit und das Umfeld des
Unternehmens aneignen. Hierbei sind Kenntnisse über die
Organisation, das Rechnungswesen-System, Wesensmerk­
male der Betriebstätigkeit sowie Arten von Vermögenswer­
ten, Verbindlichkeiten, Erträgen und Aufwendungen des
Unternehmens zu erlangen. Bei beiden Revisionsarten wird
jedoch darauf verzichtet, das Risiko von Fehlaussagen auf­
grund von mangelhaften oder lückenhaften internen Kont­
rollen zu bewerten. Eine Berücksichtigung des IKS zur Be­
stimmung der Prüfungsrisiken sowie zur Festlegung des
Prüfungsprogramms erfolgt weder bei der eingeschränkten
Revision noch beim Review.
In der Abbildung werden die wichtigsten Unterschiede
zwischen Review und eingeschränkter Revision nochmals
dargestellt [4].
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Review und
die eingeschränkte Revision viele Gemeinsamkeiten haben
und sich im gleichen Grad der Prüfungssicherheit bewegen.
Der Review hat den Vorteil der internationalen Anerken­
nung, während die eingeschränkte Revision als gesetzliche
Prüfung in der Schweiz etabliert ist. Für die Schweiz, als Son­
derfall in allen Belangen schlechthin, ist die eingeschränkte
Revision ein sinnvoller Kompromiss und Kontrapunkt zu
den explosionsartig zunehmenden Prüfungsstandards im
Bereich der gesetzlichen Abschlussprüfung nach PS/ISA. Die
eingeschränkte Revision hat mit der Anhebung der Schwel­
lenwerte eine erhebliche Bedeutung im Schweizer Prüfwe­
sen erlangt und ist eine massgeschneiderte Lösung für die
Schweizer KMU-Landschaft. n
1. Auflage 2007. 3) Verschiedentlich wird Bezug ge­
nommen auf das neue Schweizer Handbuch der
Wirtschaftsprüfer, Band eingeschränkte Revision,
Erscheinung geplant im Dezember 2013. 4) Aus
HWP, Band Eingeschränkte Revision. 5) Vgl. Treu­
hand-Kammer, Richtlinien zur Unabhängigkeit 2007, Abschnitt VIII B (2) in Verbindung mit
VIII B (1).
915