Abbildungsmuster menschlicher Figuren in Malerei
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Abbildungsmuster menschlicher Figuren in Malerei
Fakultät Informatik Institut für Software- und Multimediatechnik Lehrstuhl für Mediengestaltung "Abbildungsmuster menschlicher Figuren in Malerei, Fotografie und Computergrafik" Großer Beleg Katharina Maschke 2 Selbstständigkeitserklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Belegarbeit selbstständig verfasst habe. Es wurden keine anderen Quellen und Hilfsmittel als die angegebenen benutzt. ……………….. ………………………… Ort, Datum Unterschrift Katharina Maschke Matrikelnr.: 2872791 3 4 INHALTSVERZEICHNIS 1. 1.1. 1.2. 1.3. 2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 3. 3.1. 3.2. 4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5. 5. 5.1. 5.2. 5.3. 6. 6.1. 6.2. 6.3. 6.4. 7. 7.1. 7.2. 7.3. EINLEITUNG .................................................................................................... 7 MOTIVATION ........................................................................................................ 7 ZIELSTELLUNG ....................................................................................................... 9 GLIEDERUNG ......................................................................................................... 9 BEGRIFFE UND DEFINITIONEN ....................................................................... 10 GRUNDLEGENDE BEGRIFFE..................................................................................... 10 MALEREI ............................................................................................................ 13 FOTOGRAFIE ....................................................................................................... 14 COMPUTERGRAFIK ............................................................................................... 20 VERWANDTE ARBEITEN ................................................................................. 21 MULTIPERSPEKTIVE .............................................................................................. 21 ERWEITERTE PERSPEKTIVISCHE KORREKTUR ............................................................... 22 ABBILDUNGSMUSTER MENSCHLICHER FIGUREN ........................................... 24 MALEREI ............................................................................................................ 24 FOTOGRAFIE ....................................................................................................... 40 COMPUTERGRAFIK ............................................................................................... 42 BESONDERHEITEN DES MENSCHLICHEN SEHENS .......................................................... 44 ZUSAMMENFASSUNG ............................................................................................ 46 SYNTHESE ..................................................................................................... 46 RAUMDARSTELLUNG ............................................................................................. 47 MULTIPERSPEKTIVE .............................................................................................. 51 FAZIT ................................................................................................................. 52 PRAKTISCHE ERGEBNISSE .............................................................................. 53 TECHNIK............................................................................................................. 53 PRAKTISCHE VERSUCHE ......................................................................................... 54 FEHLERANALYSE ................................................................................................... 64 FAZIT ................................................................................................................. 65 ZUSAMMENFASSUNG ................................................................................... 66 INHALT .............................................................................................................. 66 FAZIT ................................................................................................................. 66 AUSBLICK ........................................................................................................... 67 ANHÄNGE ................................................................................................................. 68 A. B. C. D. GLOSSAR ............................................................................................................ 68 QUELLEN ............................................................................................................ 71 ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...................................................................................... 78 TABELLENVERZEICHNIS .......................................................................................... 81 5 6 1. Einleitung Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, in der zuerst die Motivation für das Thema der Abhandlung darlegt wird. Anschließend werden die Zielstellungen, die die Grundlage der folgenden Kapitel bilden, erläutert. Das Ende dieses Abschnittes bildet die detaillierte Auflistung der Gliederung der Arbeit. 1.1. Motivation Seit es Kunst gibt, ist es immer ein Wunsch vieler Künstler den Menschen darzustellen, sei es nun in Malereien, in Bildhauereien, mit Fotografien oder seit Mitte des 20. Jahrhunderts mit Hilfe des Computers. Die Ziele dieser Abbildungen sind so zahlreich wie deren Methoden der Herstellung. In einigen Kulturen und Epochen war und ist es nicht ausschlaggebend die Natur nachzubilden, vielmehr soll die Idee oder die Symbolik des dargestellten Objektes zum Vorschein kommen. So war es beispielsweise den alten Ägyptern kein Anliegen, dass ihre Porträts den wirklichen Menschen zeigten, sondern vielmehr ein idealisiertes Abbild von ihm. Diese Bilder wirken dadurch oft fremd auf den abendländischen Betrachter der Neuzeit, der mit der Anwendung der Zentralprojektion vertraut ist. So ist das linke Bild in Abbildung 1.1 ebenso ein Porträt eines Menschen, wie das rechte, hat aber eine vollkommen andere Wirkung auf den Betrachter. Das rechte Bild wirkt natürlicher und realitätsnaher, während das linke Bild eine zum Teil befremdliche Ausstrahlung hat. Die Malerei diente viele Jahrhunderte lang als Mittel Geschehnisse festzuhalten, sie sollte daher, besonders seit der Renaissance, so naturgetreu wie möglich sein. Die Maler schafften ein Abbild der Natur, so wie sie es sahen. Dabei missachteten sie zum Teil die mathematischen Regeln der Zentralprojektion, um Bilder zu schaffen, die der menschlichen Wahrnehmung ähnlicher sind. Die heutige Computergrafik kann von dieser Technik profitieren, um auf den Betrachter natürlicher wirkende Darstellungen zu schaffen. 7 Abbildung 1.1 links: karolingische Buchmalerei1; rechts: Renaissancegemälde2 Malerei, Fotografie und computergrafische Bilder haben eine große Gemeinsamkeit: sie bilden Dreidimensionales auf eine zweidimensionale Ebene ab. Ein Vergleich der Art und Weise dieser Abbildungen liegt also nahe. In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf der Darstellung von Menschen und deren Abbildungsmustern in den 3 genannten Bereichen. Es werden in der Malerei die verschiedenen Epochen und Länder untersucht, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, da es im Rahmen der Arbeit nicht möglich ist, diese Thematik allumfassend zu untersuchen. Des Weiteren werden Bilder und Charakteristika von Fotografie und Computergrafik analysiert. Ziel ist es möglichst wahrnehmungskonforme Darstellungen menschlicher Figuren zu finden (vgl. 1.2.). Grundlage dieser Arbeit sind die Forschungen des Lehrstuhls für Mediengestaltung an der TU Dresden, die sich unter anderem mit den Besonderheiten der Renaissancemalerei und deren Übertragbarkeit auf die Computergrafik beschäftigen. Diese Ausarbeitung soll eine ausführliche Analyse der Abbildungsmuster 1 „Der Evangelist Lukas“ (Meister der Ada Gruppe, um 800 n. Chr.) 2 „Doge Leonardo Loredan“ (Giovanni Bellini, 1501-1502) 8 menschlicher Figuren in zweidimensionalen Abbildungen darstellen und gleichzeitig die bereits gewonnenen Erkenntnisse des Lehrstuhls Mediengestaltung damit in Zusammenhang bringen. 1.2. Zielstellung Im Rahmen der Arbeit werden verschiedenen Arten der Darstellung menschlicher Figuren in der Malerei untersucht. Das Ziel ist eine möglichste umfangreiche Analyse der unterschiedlichen Stile und Techniken. Die Charakteristika fotografischer und computergrafischer Bilder werden anschließend erläutert. Die Erkenntnisse der Malerei und der Fotografie, die zu wahrnehmungskonformeren Bildern für den Betrachter beitragen könnten, werden dann in der Computergrafik versuchsweise umgesetzt. Ziel ist es, die störenden Verzerrungen bei menschlichen Figuren, die durch die Anwendung der mathematischen Zentralprojektion in der Computergrafik entstehen, zu mindern und damit dem Betrachter ein natürlicheres Bild zu bieten. Es werden Versuche in der Fotografie und der Computergrafik durchgeführt, um die Ergebnisse zu verdeutlichen. Die Arbeit soll damit zu den Forschungen zum Thema wahrnehmungskonforme Bilder des Lehrstuhls Mediengestaltung beitragen. 1.3. Gliederung In Kapitel 2 werden für die Arbeit relevante Begriffe erläutert oder definiert, beginnend mit einigen grundlegenden Begriffen (2.1.) danach folgen die Begrifflichkeiten der Malerei (2.2.), der Fotografie (2.3.) und der Computergrafik (2.4.). Das darauffolgende Kapitel befasst sich mit verwandten Arbeiten und deren Einfluss auf die Arbeit. Eine ausführliche Beschreibung der verschiedenen Abbildungsmuster menschlicher Figuren in der Malerei verschiedener Epochen und Länder erfolgt in Kapitel 4.1. Es schließen sich die Erkenntnisse aus der Fotografie (4.2.) und der 9 Computergrafik (4.3.) an, die Besonderheiten des menschlichen Sehens werden in 4.4. kurz erläutert, gefolgt von einer kurzen Zusammenfassung (4.5.). Die daraus resultierenden Ergebnisse werden in Abschnitt 5.1. nach ihrer Raumdarstellung (Aggregat- oder Systemraum) eingeordnet, darauf folgt (5.2.) eine Prüfung auf Multiperspektive. Anschließend werden diese Erkenntnisse zusammengefasst und deren Einfluss auf die praktische Arbeit erläutert (5.3.). Im 6. Kapitel werden die praktischen Arbeiten in den Bereichen Fotografie und Computergrafik vorgestellt. Einerseits wird der Einfluss von Bildwinkel und Aufnahmedistanz auf die Abbildungen menschlicher Figuren untersucht (6.1), andererseits wird die Wirkung der in 3.2. vorgestellten erweiterten perspektivischen Korrektur auf verschiedene computergrafische Szenen überprüft. Der Abschnitt wird mit einer Fehleranalyse und einem Fazit beendet. Abschließend werden in Kapitel 7 der Inhalt und die Erkenntnisse zusammengefasst (7.1./7.2.) und es wird ein Ausblick (7.3.) in diesen Forschungsbereich gegeben. 2. Begriffe und Definitionen Zu Beginn werden einige allgemeine Begriffe und solche aus den Bereichen Malerei, Fotografie und Computergrafik, die zum Verständnis der späteren Kapitel beitragen, erläutert. 2.1. Grundlegende Begriffe Im folgenden Abschnitt werden wesentliche Begriffe definiert, die die Grundlage für die anschließenden Kapitel bilden. 2.1.1. Figur CUMMING definiert den Begriff Figur als „Darstellung der menschlichen Gestalt in allen bildenden Künsten“ ([CUMMING 2005], Seite 483). Dies beinhaltet die Form, Größe, Proportionen, Bewegung, Aussehen und Farbe der abgebildeten Menschen. [CUMMING 2005] 10 Auf Grundlage dieser Definition werden in dieser Arbeit die figürlichen Darstellungen in Malerei, Fotografie und Computergrafik analysiert, wobei das Hauptaugenmerk auf der Form der Figuren liegt. 2.1.2. Projektion Allgemein ist eine Projektion eine Abbildung aus einem Raum in einen niedrigdimensionaleren Raum[BUNGARTZ ET AL 1996]. Im Rahmen der Arbeit ist jedoch die folgende, spezifischere Definition der Projektion relevant. Die Projektion bildet einen dreidimensionalen Raum auf eine zweidimensionale Ebene – die Projektionsebene – ab. Dies geschieht durch die Projektionsstrahlen, die vom Urbildpunkt aus in den Schnittpunkten mit der Projektionsebene die Bildpunkte bilden. Der Verlauf dieser Projektionsstrahlen richtet sich nach der angewandten Projektionsart. [WALSER 2010] Bei der Zentralprojektion verlaufen die Projektionsstrahlen von einem Projektionszentrum (auch Augpunkt) aus (Abbildung 2.1). [PE] [X] [X´] [PS] [PZ] [Y´] [Y] [X]/[Y]= Urbilder [X´][Y´]= Bildpunkte [PE]= Projektionsebene [PS]= Projektionsstrahlen [PZ]= Projektionszentrum Abbildung 2.1: Zentralprojektion Bei der Parallelprojektion verlaufen alle Projektionsstrahlen parallel zueinander, alle Parallelen im Urbild bleiben im Bild erhalten (Abbildung 2.2). Diese Projektion kann auch als Sonderfall der Zentralprojektion gesehen werden, mit einem im Unendlichen liegenden Projektionszentrum. [WALSER 2010] 11 [PE] [X] [X´] [PS] [Y] [Y´] [X]/[Y]= Urbilder [X´][Y´]= Bildpunkte [PE]= Projektionsebene [PS]= Projektionsstrahlen Abbildung 2.2: Parallelprojektion 2.1.3. Perspektive Die Perspektive ist eine Möglichkeit mittels Projektion (vgl. Abschnitt Projektion) dreidimensionale Räume und Objekte auf einer zweidimensionalen Bildfläche darzustellen, sodass der räumliche Eindruck für den Betrachter bestehen bleibt. Der entstehende Anschein von Raumtiefe wird durch die Form der Objekte und deren Beziehung untereinander (zum Beispiel Überdeckung, Größenveränderung, Verformung) erzeugt. [ARNHEIM 2003] Die jeweils angewandte Perspektive beeinflusst gerade in der Malerei die Darstellung menschlicher Figuren maßgeblich. 2.1.4. Multiperspektive Der Begriff Multiperspektive wird in [FRANKE ET AL. 2005] folgendermaßen definiert: „Multiperspektive ist eine grafische Darstellungsform, die in einem 3D-Bild mehrere verschiedene Blickwinkel beziehungsweise Ansichten vereint. Diese Visualisierung ermöglicht, mehr Informationen über ein Objekt sichtbar zu machen, als durch Zentralprojektion möglich ist.“ [FRANKE ET AL. 2005, Seite 3] 12 Im Kontext der Arbeit soll der Begriff Multiperspektive aber auch in der Malerei Anwendung finden, bei Bildern, die verschiedene Blickwinkel oder Ansichten innerhalb einer Ansicht aufweisen. Als Beispiel sei hier auf die Figurendarstellung der alten Ägypter verwiesen (Kapitel 4.). 2.2. Malerei Folgende Definitionen sind für die Analyse der Darstellung menschlicher Figuren in der Malerei von Bedeutung. 2.2.1. Aggregatraum / Systemraum In [PANOFSKY 1992] wird die Raumdarstellung des Mittelalters und der Antike als Aggregatraum bezeichnet. Charakteristisch für diese Darstellung ist die fehlende Verbindung zwischen Objekten und dem sie umgebenden Raum, es gibt keine einheitliche Perspektive, sondern eine Zusammensetzung verschiedener Ansichten in einem Bild. So ist beispielsweise in den Bildern der alten Ägypter der Mensch zum Teil im Profil und zum Teil frontal abgebildet und steht in keinem malerischen Zusammenhang mit dem ihn umgebenden Raum. Die Anwendung der Zentralprojektion auf den Raum und die sich in diesem befindlichen Objekte macht ihn nach [PANOFSKY 1992] zum Systemraum, Raum und Objekte werden nicht mehr isoliert betrachtet und bilden eine Einheit. „Im Systemraum gilt: Aus einem Element ist via Konstruktionsregel der Gesamtzusammenhang rekonstruierbar…“ [GROH 2007, Seite 40] Allerdings können einige Dialogobjekte gesondert behandelt und mit einer eigenen Perspektive, der sogenannten Binnenperspektive, versehen werden, einhergehend mit einem gesonderten Fluchtpunkt. [GROH 2007] definiert die Eigenschaften der Dialogobjekte folgendermaßen: „ a) Ummantelung durch geschlossene gekrümmte Flächen […] b) Singularität und Isoliertheit […] c) dialogische Bedeutsamkeit 13 Dialogobjekte sind konvex, singulär und anthropomorph.“ [GROH 2007, Seite 50] Des Weiteren spricht [GROH 2007] von Hybridität der Perspektive innerhalb des Systemraums, wenn sich diese Dialogobjekte nicht der im Raum angewandten Projektion unterordnen. In Kapitel 5 erfolgt eine Einordnung der in Kapitel 4 erläuterten Abbildungsmuster nach diesen Kategorien der Raumdarstellung. 2.3. Fotografie Die nachfolgenden Begriffe sind grundlegend für die Erläuterungen im Bereich der Fotografie und tragen zum allgemeinen Verständnis der theoretischen Ausführungen in Kapitel 4, sowie den praktischen Versuchen in Kapitel 6 bei. 2.3.1. Brennweite Die Brennweite eines Objektivs (vgl. 2.3.3.) bezeichnet den Abstand zwischen bildseitiger Hauptebene des Objektivs und dem Brennpunkt, wobei das Objektiv auf ein unendlich weit entferntes Objekt fokussiert ist. Damit können die Lichtstrahlen als parallel laufend angenommen werden. [FEININGER 2003] Abbildung 2.3. zeigt eine Darstellung der Brennweite bei einer Linse. Bei einem Linsensystem (beispielsweise ein Objektiv) berechnet sich die Brennweite analog, nachdem die Hauptebene des Systems bestimmt wurde. Diese befindet sich nicht zwangsläufig in der Mitte des Linsensystems (vgl. Glossar). Die Brennweite ist direkt proportional zum Abbildungsmaßstab, je größer sie eingestellt ist, desto größer wird das aufgenommene Objekt auf dem Film oder dem Sensor abgebildet. [FEININGER 2003] In Abschnitt 2.3.2. wird der Zusammenhang von Brennweite und Bildwinkel dargelegt, welcher dann in Kapitel 6 in der praktischen Arbeit umgesetzt wird. 14 [f] [L] [S] [P] [F] [O] [BE] [HE] [f]= Brennweite [F]= Brennpunkt [HE]= Hauptebene [BE]= Bildebene [O]= Optische Achse [P]= Hauptpunkt [S]= Lichtstrahl [L]= bikonvexe Linse Abbildung 2.3: Brennweite (nach [BROERES ET AL 2008]) 2.3.2. Bildwinkel In der Literatur gibt es verschiedene und zum Teil widersprüchliche Definitionen und Bezeichnungen des Bildwinkels (auch Öffnungswinkel, Formatwinkel). Im Zusammenhang dieser Arbeit wird, auf Basis der anschließenden Erläuterung, der Begriff Bildwinkel verwendet. Ein Objektiv erzeugt beim Auslösen ein rundes Bild, aus dem, je nach Aufnahmeformat, ein rechteckiges oder ein quadratisches Bild erschaffen wird, während der Rest des Kreisbildes wegfällt. Der Winkel zwischen dem Hauptpunkt des Objektivs und der Diagonale des nutzbaren Bildvierecks wird als (diagonaler) Bildwinkel bezeichnet (Abbildung 2.4). Wird anstelle der Diagonale die Höhe oder die Breite des Bildes zur Berechnung herangezogen, spricht man vom vertikalen (Abbildung 2.5) oder horizontalen Bildwinkel (Abbildung 2.6). [FEININGER 2003][SIGRIST ET AL 2001][BAUMANN] 15 [B] [D] [α] [O] [P] [B]= Bild auf dem Sensor/Film [P]= Hauptpunkt [O]= Optische Achse [α]= Bildwinkel [D]= Bilddiagonale Abbildung 2.4: Diagonaler Bildwinkel (nach [BAUMANN]) [B] [V] [O] [P] [α] [B]= Bild auf dem Sensor/Film [P]= Hauptpunkt [O]= Optische Achse [α]= Bildwinkel [V]= Vertikale/Bildhöhe Abbildung 2.5: Vertikaler Bildwinkel (nach [BAUMANN]) 16 [B] [H] [α] [P] [O] [B]= Bild auf dem Sensor/Film [P]= Hauptpunkt [O]= Optische Achse [α]= Bildwinkel [H]= Horizontale/Bildbreite Abbildung 2.6: Horizontaler Bildwinkel (nach [BAUMANN]) Im Laufe der Arbeit ist, die Fotografie betreffend, der diagonale Bildwinkel gemeint, da sich die Angaben der meisten Objektivhersteller auf diesen beziehen. [BOERES ET AL 2008]. Im praktischen Teil der Arbeit mit dem Programm Autodesk 3D Studio Max 2010 wird ebenfalls der diagonale Bildwinkel als Parameter angewandt, um eine bessere Vergleichbarkeit mit der Fotografie zu gewährleisten. [f] [BE] [G] [α] [α] [HE] a) Kleiner Bildwinkel, große Brennweite Abbildung 2.7 Teil 1 17 [O] [f] [G] [O] [α] [α] [BE] [HE] b) Großer Bildwinkel, kleine Brennweite [α]= Bildwinkel [HE]= Hauptebene [f]= Brennweite [BE]= Bildebene [O]= Optische Achse [G]= abzubildender Gegenstand Abbildung 2.7: Zusammenhang zwischen Brennweite und Bildwinkel [BAUMANN] [SIGRIST ET AL 2001] Der Bildwinkel ist vom zugrunde liegenden Aufnahmeformat und von der bei der Aufnahme verwendeten Brennweite abhängig (siehe Abbildung 2.7), je größer die eingesetzte Brennweite und damit der Abbildungsmaßstab, desto kleiner wird der Winkel und damit der gezeigte Bildausschnitt (Tabelle 2-1). Brennweite Bildwinkel (in Grad) 8 mm 180° 18 mm 100° 28 mm 74° 50 mm 46° 80 mm 28° 135 mm 18° 300 mm 8° 600 mm 4° 1200 mm 2° Tabelle 2-1: Brennweite und diagonaler Bildwinkel des Kleinbildformats (nach [ANG 2006], [SIGRIST ET AL 2001]) 18 2.3.3. Objektiv Nach [BOERES ET AL 2008] ist ein Objektiv eine Linsenkonstruktion, die das vom Motiv reflektierte Licht auffängt und dem Film oder dem Sensor zuführt. Auf dem Film oder dem Sensor wird dann das Abbild des Motivs abgebildet. Objektive können nach verschiedenen Merkmalen kategorisiert werden, für die nachfolgenden Ausführungen ist allerdings nur die Einordnung nach der jeweiligen Brennweite relevant. Tabelle 2-2 zeigt eine Möglichkeit die verschiedenen Objektive einzuordnen, in der nachfolgenden Arbeit beziehen sich alle Objektivangaben auf diese Zuordnung. Brennweite Objektiv < 50 mm Weitwinkel 50 mm Standard/Normal > 50 mm Tele Tabelle 2-2: Objektiveinteilung Kleinbildformat [FREIER 1992] Diese Einteilung gilt nur für das Kleinbildformat (24x36mm), so ist zum Beispiel beim Mittelformat (Bildabmessung 6x6 cm) ein Objektiv mit einer Brennweite von 80mm das Normalobjektiv. Die in den Digitalkameras verwendeten Bildsensoren haben bei den verschiedenen Herstellern eine unterschiedliche Größe, daraus resultieren diverse Bildformate und ihre Brennweitenangaben. Um einen einheitlichen Vergleichspunkt zu haben, ist auf den meisten Objektiven die Kleinbildbrennweite angegeben [SIGRIST ET AL 2001], die auch im Laufe der Arbeit als Bezugspunkt dient. Bei einem Sensor mit kleineren Maßen als das Kleinbildformat sind der nutzbare Bildkreis und damit der Bildwinkel kleiner. Um die korrespondierende eigentliche Brennweite des Sensorformats zu bestimmen, muss die auf dem Objektiv angegebene Brennweite mit einem entsprechenden Formatfaktor (auch Cropfaktor, Brennweitenverlängerungsfaktor) des Objektivherstellers multipliziert werden. [BAUMANN] [BROERES ET AL 2008] 19 Kleinbildformat 36mm [B] 24mm Sensorformat 24mm [H] 16mm 28,84mm [D] 43,27mm [B]= Breite [H]=Höhe [D]=Diagonale Abbildung 2.8: Formatfaktor (nach [BAUMANN]) In Abbildung 2.8 wird der Formatfaktor für einen Sensor der Größe 24 x 16 mm berechnet. Die Bilddiagonale des Kleinbildformats (43,27mm) wird durch die Bilddiagonale des Sensorformats (28,84mm) dividiert und das Ergebnis ist der Formatfaktor, im Beispiel beträgt dieser 1,5. Nach der Multiplikation dieses Faktors mit den Brennweitenangaben auf dem Objektiv erhält man die tatsächliche Brennweite des verwendeten Aufnahmeformats. [BAUMANN] 2.4. Computergrafik Zum Verständnis der Erkenntnisse über Abbildungsmuster menschlicher Figuren in der Computergrafik dient anschließende Definition. Virtuelle Kamera Die virtuelle Kamera ist ein Abbildungsverfahren der Computergrafik, mit dem eine dreidimensionale Szene in eine zweidimensionale überführt wird. Dazu werden die Regeln der jeweils verwendeten Projektion angewandt. Die Kamera wird durch ihre Positionskoordinaten im Raum, einen Richtungsvektor und 20 einen Öffnungswinkel charakterisiert. Die Werte dieser Kennzeichen bestimmen den Bereich der Szene, der dargestellt wird. [FRANKE 2007] In einem 3D- Grafikprogramm (wie das im praktischem Teil verwendete Autodesk 3D Studio Max) können die Werte des Öffnungswinkels und damit die zugehörigen Brennweiten wie bei einer optischen Kamera verändert werden. 3. Verwandte Arbeiten Kapitel 3 dient der Vorstellung einiger für diese Ausarbeitung relevanter Arbeiten. In [FRANKE 2007] und [GROH 2007] wird die Renaissancemalerei als mögliches Vorbild für die Computergrafik herangezogen. In diesem Zusammenhang wird die Multiperspektive als Lösungsweg erläutert (Abschnitt 3.1.). Ein Algorithmus zur Korrektur von unerwünschten Verzerrungen in der Computergrafik wird in [ZAVESKY 2006] und [ZAVESKY 2007] vorgestellt: die erweiterte perspektivische Korrektur (kurz: EPK). Die Beschreibung dieses Algorithmus (3.2.) trägt zum Verständnis der in Kapitel 6 durchgeführten Versuche bei. 3.1. Multiperspektive [PANOFSKY 1992] verwendet für die Beschreibung verschiedenartiger Raumdarstellungen vorrangig im Mittelalter und der Renaissance die Begriffe Aggregatraum und Systemraum. Hierbei ist der Aggregatraum (des Mittelalters) durch einen Mangel einer einheitlichen Projektion und der Isoliertheit einzelner Objekte in dem sie umgebenden Raum charakterisiert. Im Systemraum der Renaissance hingegen ordnen sich alle Objekte der (Zentral-)Projektion unter und bilden eine räumliche Einheit. In [GROH 2007] wird diese Einteilung erweitert, durch die Feststellung, dass die Renaissancemaler bewusst einige Dialogobjekte (vgl. 2.2.1.) aus der geometrischen Projektion herausstellten, um starke Verzerrungen am Bildrand zu vermeiden. Mit dieser hybriden Perspektive wird ein natürlicherer Bildeindruck beim Betrachter erzeugt. 21 In [FRANKE 2007] wird diese Besonderheit aufgegriffen und ihr Nutzen für die Computergrafik untersucht. Die Analogie von virtueller Kamera und Fotokamera wird dahingehend in Frage gestellt, als das mit ihrer Monoperspektive nicht immer wahrnehmungskonforme Bilder erzeugt werden. Die Multiperspektive (vgl. 2.1.4.) wird als Lösung in der Computergrafik vorgestellt. „Ein Eingriff beziehungsweise eine Erweiterung im computergrafisch perspektivischen Abbildungsverfahren (…) kann verzerrte Abbilder vermeiden. “ [FRANKE 2007, Seite 4] Unter Verwendung mehrerer Projektionszentren (Multiperspektive) werden einzelne Objekte im Bild zu Dialogobjekten (vgl. [GROH 2007] und 2.2.1.), ihre Darstellung wirkt auf den Betrachter dadurch natürlicher. In Kapitel 5 werden die untersuchten Abbildungsmuster menschlicher Figuren der jeweiligen Epochen und Länder im Hinblick auf die Raumdarstellung und Multiperspektive analysiert, in Vorbereitung auf die praktischen Versuche in Kapitel 6. Eine Möglichkeit Multiperspektive in computergrafischen Bildern zu erzeugen wird in Abschnitt 3.2 erörtert. 3.2. Erweiterte perspektivische Korrektur Mit dem Algorithmus der erweiterten perspektivischen Korrektur(EPK) wird in [ZAVESKY 2006] eine (weiterentwickelte) Möglichkeit vorgestellt, durch eine Zentralprojektion an den Bildrändern verzerrte Objekte in computergrafischen Bildern zu entzerren. Dabei wird eine virtuelle Kamera ausgewählt und die Korrektur kann danach auf alle Objekte innerhalb der für die Kamera sichtbaren Szene angewandt werden. Die Korrektur an den Objekten geschieht „durch geometrische Transformationen der Objektgeometrie wie Scherung und Rotation“ [ZAVESKY 2006, Seite 78]. Die verschiedenen Ergebnisse der Korrektur wurden beispielhaft an Kugeln und Quadern illustriert. Der Algorithmus ist als MAXScript implementiert und wurde in 3DS Max eingesetzt. In [ZAVESKY 2007] wird die Weiterentwicklung des EPK-Algorithmus präsentiert und erläutert, unter anderem werden die Defizite der Korrektur bei großen 22 Kameraöffnungswinkeln behoben. Der entwickelte Prototyp bietet verschiedenen Möglichkeiten die erweiterte perspektivische Korrektur auf Objekte anzuwenden, beispielsweise ist eine globale Korrektur möglich oder die separate Auswahl der zu korrigierenden Gegenstände. Für eine genaue Beschreibung und zur Einsicht des Quellcodes des Algorithmus sei auf [ZAVESKY 2006] und [ZAVESKY 2007] verwiesen. Abbildung 3.1: Oberfläche des EPK-Scripts Abbildung 3.1 zeigt die Oberfläche einer in dieser Arbeit verwendeten EPK Version, des Weiteren wurde „Version 2“ verwendet. In Kapitel 6 dieser Ausarbeitung wurde der Einfluss der erweiterten perspektivischen Korrektur auf menschliche Figuren in der Computergrafik untersucht, insbesondere bei großen Kamerawinkeln und kleiner Aufnahmedistanz. 23 4. Abbildungsmuster menschlicher Figuren Im folgenden Kapitel werden beispielhaft die verschiedenen Eigenheiten in der Darstellung der Abbildungen menschlicher Gestalten in Malerei, Fotografie und Computergrafik erläutert. Damit wird die Grundlage für die Synthese in Kapitel 5 geschaffen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Malerei, da in diesem Gebiet die meisten verschiedenen Darstellungsarten von Menschen zu finden sind. 4.1. Malerei In der Darstellung menschlicher Figuren findet man je nach Ursprungszeit des Bildes und nach Kulturkreis unterschiedliche Charakteristika. Im folgenden Abschnitt werden (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) beispielhaft verschiedene, typische Darstellungen von Menschen in der Malerei aus verschiedenen Epochen und Ländern beschrieben. Diese Beschreibung bildet die Grundlage für Kapitel 5, in dem die unterschiedlichen Darstellungsarten menschlicher Figuren kategorisiert werden. 4.1.1. Ägypten In Ägypten wurden zum Teil 5000 Jahre alte Wand- und Grabmalereien gefunden, welche auch die Darstellung von Menschen enthalten. Es sind einige der ältesten Fundstücke von Malerei, die bis heute erhalten sind. Es gab strenge Regeln über das Anfertigen eines Bildes, welche zu Beginn des ägyptischen Reiches festgelegt wurden und als geheiligte Überlieferung galten. Dies ließ den Künstlern keinen individuellen Spielraum beim Erschaffen ihrer Bilder und schloss eine naturalistische Wiedergabe aus. Viel mehr war das Ziel das Menschenbild zu idealisieren und die verschiedenen Körperteile von ihrer charakteristischsten Seite zu zeigen (vgl. [KAMMERLOHR 1 ] S. 130f). Der Kopf ist im Profil gezeichnet, um seine beiden repräsentativsten Merkmale Nase und Kinn besonders zur Geltung zu bringen. Das eine erkennbare Auge blickt allerdings nach vorn, weil es so am eindrucksvollsten ist. Der Oberkörper wird meist frontal dargestellt, während die Arme von der Seite gezeigt werden. 24 Die Beine, als deren typischste Eigenschaft die Bewegung galt, werden oft laufend von der Seite porträtiert, die Füße sind stilisiert und beide identisch, es fehlt meist die Unterscheidung zwischen rechtem und linkem Fuß. Die Figuren im Ganzen wirken verdreht und sehr flächig. [KAMMERLOHR 1 ] Häufig findet in ägyptischen Bildern die Bedeutungsperspektive Anwendung, besonders in der Darstellung der Pharaonen. [CUMMING 2006] Ein Beispiel für diese altägyptische Malerei mit ihren Merkmalen zeigt Abbildung 4.1. Abbildung 4.1: Nebamun hunting in the marshes (um 1350 v. Chr.) Die ägyptischen Künstler gaben im Allgemeinen nicht wieder, was sie sahen, sondern sie malten Dinge so, wie sie sie kannten, Ziel dieser Darstellung war nicht Naturalismus, sondern eine idealisierte Darstellung. [KAMMERLOHR 1] 4.1.2. Antike Das als Antike bezeichnete Zeitalter hat in den verschiedenen Quellen diverse zeitliche Eingrenzungen. In der Arbeit umfasst die Epoche nach [CUMMING 25 2006] die Malerei des griechischen und römischen Altertums vom 5. Jahrhundert v. Chr. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr.. Griechenland Von den Wand- und Tafelmalereien des alten Griechenlands ist kaum etwas erhalten, deshalb wird für die Betrachtung der griechischen Malweise die Vasenmalerei herangezogen, die als einzige über die Zeit erhalten blieb. Bei der Vasenmalerei unterscheidet man zwei Stilarten: den schwarzfigurigen und den rotfigurigen Stil. Der schwarzfigurige Stil wurde um 700 v. Chr. entwickelt, dabei wurden schwarze Figuren auf den roten Tongrund aufgebracht (Abbildung 4.2). [KAMMERLOHR 1] Abbildung 4.2: Panathenaische Amphora (unbekannt, um 530 v. Chr.) Die Menschen sind in diesem Stil entweder frontal oder von der Seite gezeichnet, die Körper der Figuren weisen kaum Räumlichkeit und eine plastische Darstellung auf, eine einheitliche Projektion wird nicht angewandt. [CONTI 2][KAMMERLOHR 1] Um 530 v. Chr. kam die rotfigurige Vasenmalerei auf, bei der im Gegensatz zum schwarzfigurigen Stil rote Figuren gezeichnet wurden und der Hintergrund mit Schwarz überdeckt wurde. Dieser Stil erlaubte dem Künstler größere zeichnerische Freiheiten, die Figuren wurden in Bewegung oder mit Drehungen gemalt, 26 die Darstellungen sind lebendiger und körperhafter als im schwarzfigurigen Stil. [CONTI 2] [KAMMERLOHR 1] Wie am Beispiel von Abbildung 4.3 ersichtlich, die eine Vase im rotfigurigen Stil zeigt, wurden in beiden Stilen zum Teil Weiß oder andere Farbpigmente zu den Illustrationen hinzugefügt. Abbildung 4.3: Rotfiguriger Volutenkrater (unbekannt, Mitte des 4. Jh. V. Chr.) Römisches Reich Die griechischen Maler und ihre Technik hatten großen Einfluss auf die römische Malerei der Antike, besonders seit Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr., als eine große Zahl dieser Maler in das römische Reich auswanderten. [CONTI 3] Es sind allerdings nicht viele römische Gemälde erhalten, einen Einblick in den Malstil der Zeit geben in Pompeji gefundene Wandmalereien. Um die Jahrtausendwende entstanden sehr naturalistische Malereien, die menschlichen Figuren wurden naturnah und lebendig dargestellt, unter anderem wurde dies durch Schattengebung und die Wiedergabe von Bewegung bei den Gestalten erreicht. [DUDEN 2003] In Abbildung 4.4 kann man erkennen, dass die Körper der beiden Personen sehr detailliert und natürlich gezeichnet sind, es entsteht dadurch ein besonders körperhafter Eindruck, im Gegensatz zur Malerei der vorangegangenen Zeital27 ter. Eine mathematische Projektion kam in den Bildern allerdings noch nicht zur Anwendung. Abbildung 4.4: Perseus und Andromeda (unbekannt, 68-79 n. Chr.) Die römischen Künstler entwickelten einen illusionistischen Malstil, der in dieser Form erst wieder in der Renaissance zu finden ist. [DUDEN 2003] 4.1.3. Frühchristliche Kunst / Karolingische Kunst Bereits in der Zeit der römischen Antike formierte sich eine neue Richtung der Kunst, die christliche Motive in den Mittelpunkt stellte. Diese frühchristliche Kunst kann zeitlich etwa 200 bis 600 n. Chr. eingeordnet werden und bildete für die folgenden Jahrhunderte die Grundlage für die Entwicklung der Malerei. Aus dieser Zeit sind wenige Bilder erhalten, diese zeigen sehr schlichte und einfache Figuren und Formen, die im Gegensatz zu den Illustrationen der römischen Antike wenig Naturalismus vorweisen. [KAMMERLOHR 1] Die karolingische Kunst3 (ca. 750 bis 900 n.Chr.), schließt sich thematisch der frühchristlichen Kunst an, die Motive sind zum größten Teil an die Bibel ange3 Bezeichnung nach Karl dem Großen 28 lehnt oder zeigen das christliche Leben. Wandgemälde aus dieser Zeit sind kaum vorhanden, die Buchmalerei ist allerdings gut erhalten und gibt Aufschlüsse über die damalige Malerei. [KAMMERLOHR 2] Abbildung 4.5: Die vier Evangelisten (Buchmalerei, um 820) Die Figurendarstellung dieser Epoche ist flächenhafter und die Gesichter sind oft weniger detailliert, als zu Zeiten der römischen Spätantike (vgl. Abbildung 4.5). Es gibt keine einheitliche Perspektive, der alle Objekte des Bildes unterworfen sind. Insgesamt entfernt sich die Malerei vom Naturalismus der Antike, eine Tendenz, die sich in der Romanik fortsetzte. 4.1.4. Romanik Aus der Zeit der Romanik (ca. 1020-1200)[KAMMERLOHR 2] ist hauptsächlich Buchmalerei erhalten, die einen Aufschluss über den Malstil der Zeit gibt. Die menschlichen Figuren sind größtenteils stilisiert und gerade in der Mimik auf das Wesentliche reduziert, die Gesamterscheinung soll das Typische der Person wiedergeben. Die Hände formen häufig eine gut erkennbare, ausdruck29 starke Geste. Die schwarzen Umrisslinien sind sehr stark gezeichnet und betonen die Figuren. Auf ausgewogene Proportionsverhältnisse wird meist verzichtet, des Weiteren findet oft die Bedeutungsperspektive Anwendung. Eine mathematische Projektion ist in Bildern dieser Zeit nicht zu finden. [CONTI 1][DUDEN 2003][HOFFMANN 2004]. Abbildung 4.6: Der Heilige Ildefons schreibt ein Buch (unbekannt) Abbildung 4.6 zeigt die typischen Merkmale eines romanischen Bildes auf, die Gesichter der Menschen sind einfach gezeichnet und mit deutlichen, schwarzen Linien begrenzt. Sie weisen kaum Körperhaftigkeit auf, es gibt keine Modellierung von Licht und Schatten. [CONTI 1] 30 Ziel romanischer Bilder war nicht die naturalistische Darstellung der Menschen, sondern eine Stilisierung. Erst in der Gotik wurden die Figuren wieder körperhafter. 4.1.5. Gotik Die Epoche der Gotik ist zeitlich schwer einzuordnen, da sie in verschiedenen Ländern unterschiedlich begann und endete. In dieser Arbeit wird die Gotik nach [SAGNER 2003] als Zeitalter zwischen 12. und 15. Jahrhundert eingeteilt, wenngleich sich so Überschneidungen mit Romanik und Renaissance ergeben. Abbildung 4.7: Crucifixion (Giotto4, 1330) Die Malerei der Gotik weist eine größere Naturnähe in der Abbildung menschlicher Gestalt auf, im Gegensatz zum „idealen Raum“ [SAGNER 2003, Seite 73] der Romanik wird nun der „wirkliche Raum“ [SAGNER 2003, Seite 73] gemalt. Mimik und Gestik der Figuren sind detaillierter, außerdem sind die Körper durch Licht- und Schattenmodellierung plastischer. [SAGNER 2003] 4 Giotto di Bondone (um 1266-1337) 31 Der Maler Giotto kann nach [KAMMERLOHR 2] „aufgrund seiner neuen Auffassung von Figur und Raum…als eigentlicher Begründer der neuzeitlichen Malerei bezeichnet werden“ [KAMMERLOHR 2, Seite 201]. Giottos Gemälde zeigen eine wirklichkeitsnahe Wiedergabe der Personen, selbst wenn die Szenen der Bilder fiktiv sind (vgl. Abbildung 4.7). Die Menschen wirken durch Bewegung in ihren Gesichtern sehr lebendig. Eine mathematische Projektion weisen seine Bilder noch nicht auf. [CUMMING 2006] Die naturnahe Abbildung menschlicher Figuren und eine einheitliche Perspektive des gesamten Bildes finden sich erst in der Renaissance. 4.1.6. Renaissance und folgende Epochen Mit dem Beginn der Renaissance (franz.: Wiedergeburt) in Italien um 1400 veränderte sich die Malerei und deren Technik grundlegend. Die Menschen dieser Zeit fingen an die Natur zu erkunden und die Vorstellungen des Mittelalters in Frage zu stellen, die griechische Antike diente dabei als Vorbild. In der Malerei wurde der Mensch in den Mittelpunkt gestellt, die symbolische Darstellung der vorangegangenen Epochen wich einer natürlichen und realistischeren Abbildung. [KAMMERLOHR 3] Um 1420 entwickelte Brunelleschi5 ein Verfahren zur mathematischen Raumkonstruktion, die Zentralprojektion, mit deren Hilfe die Künstler eine echte Abbildung der Realität planten und mehr Naturnähe für alle Bestandteile des Bildes, auch für die Personendarstellung, erreichen wollten. [KAMMERLOHR 3] beschreibt die in der Renaissance geschaffene Charakteristik der Zentralperspektive(beziehungsweise der Zentralprojektion) folgendermaßen: „Durch die Anwendung der mathematisch konstruierten Zentralperspektive […] verwandelt sich das Bild in ein Fenster, das uns den Blick auf einen scheinbar realen Raum freigibt. Das Auge wird dabei als ein feststehender Punkt angenommen, von dem die Sehstrahlen ausgehen. Die Bildfläche wird als planer Durchschnitt durch die Sehpyramide gedacht.“ [KAMMERLOHR 3, Seite 24,25] 5 Filippo Brunelleschi (1377-1446) 32 Masaccio war der erste Maler, der diese mathematische erzeugbare Perspektive konsequent in einem Gemälde anwandte. In der Hochrenaissance (Ende des 15. Jahrhunderts) entwickelten die Maler der Zeit die Bestrebungen nach Natürlichkeit immer weiter, es wurden unter anderem anatomische Studien an Leichen angestellt, um den Menschen und seine Beschaffenheit besser verstehen und malen zu können. [KAMMERLOHR 3] Abbildung 4.8: Die Schule von Athen (Raffael6, 1510-1511) Das in Abbildung 4.8 dargestellte Fresko von Raffael zeigt ein Beispiel für die Darstellungsweise menschlicher Figuren dieser Zeit. Die Personen wirken lebendig und durch ihre Bewegung erscheinen sie plastisch. Sie sind sehr detailliert und anatomisch korrekt gezeichnet. Die Entwicklungen der Renaissance brachten des Weiteren die Anwendung der Luft- und Farbperspektive hervor, sowie das Arbeiten mit Licht und Schatten um Körperlichkeit der Figuren zu erreichen. [DUDEN 2006] Die Abbildungsmuster menschlicher Figuren unterlagen in den folgenden Epochen bis zum 20. Jahrhundert kaum grundlegenden Änderungen, es blieb größtenteils bei der naturgetreuen Darstellung der Renaissance, weshalb an dieser Stelle auf eine ausführliche Beschreibung der Zeitalter im Einzelnen verzichtet wird. 6 Raffaello Sanzio (1483-1520) 33 Das folgende Beispiel zeigt die Illustration von Menschen in einer späteren Epoche, während des Impressionismus. Abbildung 4.9 zeigt ein Bild, das auf den ersten Blick von einem Foto kaum zu unterscheiden ist. Abbildung 4.9: Raboteurs de parquets (Caillebotte7, 1875) Das Gemälde zeigt die Personen im Bild mitten in der Bewegung angehalten, daher wirkt die Szenerie wie fotografiert und real für den Betrachter. Bereits während des Impressionismus besonders aber mit Beginn des 20. Jahrhunderts begannen die Maler nicht mehr nach einer möglichst naturgetreuen Abbildung zu streben, sondern setzten sich andere Ziele (vgl. 4.1.7) 4.1.7. 20. Jahrhundert Mit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten sich eine Vielzahl verschiedener Kunstrichtungen wie zum Beispiel Kubismus, Expressionismus, Surrealismus oder Fauvismus. Vielen gemeinsam ist eine Abkehr vom Naturalismus der vorangegangenen Epochen und der Wunsch neue Wahrnehmungsgewohnheiten zu schaffen. [PRESTEL 2002] 7 Gustave Caillebotte (1848-1897) 34 Wie in diesem Bild von Kirchner (Abb. 4.10) verzichteten die Expressionisten auf eine natürliche Wiedergabe von menschlichen Figuren, bezüglich Proportion, Farbe und Perspektive. Zur Steigerung des Ausdruckes wurden die Gestalten zum Teil deformiert oder ihre Umrisslinie stark betont. Abbildung 4.10: Fünf Frauen auf der Straße (Kirchner8, 1913) Von der naturalistischen Abbildung der Renaissance ist nichts mehr zu erkennen. [PRESTEL 2002] Der Kubismus, als Beispiel für eine weitere Kunstrichtung dieser Zeit, zeigt Objekte und Figuren gleichzeitig in verschiedenen, sich zum Teil überlagernden Ansichten. 8 Ernst Ludwig Kirchner (1880-1983) 35 Abbildung 4.11: Les Demoiselles d´Avignon (Picasso9, 1907) Im Bild der Abbildung 4.11 wurde sowohl auf eine perspektivische Darstellung als auf eine natürliche Wiedergabe der Figuren verzichtet. Die Individuen weisen verschiedene, kombinierte Ansichten auf, die Körperformen bestehen größtenteils aus geometrischen Formen. [PRESTEL 2002][CUMMING 2006] Auch viele andere Stilrichtungen des 20. Jahrhunderts können durch eine Abkehr vom Naturalismus charakterisiert werden. Ein Grund dafür war die Fotografie, welche die naturgetreue Abbildung von Menschen und Objekten übernahm und dadurch neue Wege der Darstellung in der Malerei hervorbrachte. Ferner findet sich allerdings auch in der modernen Kunst naturalistische Wiedergabe, beispielsweise beiden Künstlern des Fotorealismus, die nahezu fotografisch wirkende Bilder malten. Im Rahmen der Arbeit beschränkt sich die Betrachtung der Figurendarstellung in der Kunst der Moderne auf die beiden bereits erläuterten Kunstströmungen. 9 Pablo Picasso (1881-1973) 36 4.1.8. Weitere Stile der Malerei Der nachfolgende Abschnitt gibt einen Einblick in den Malstil einiger asiatischer Kulturen, allerdings ist es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich die Kunstgeschichte dieser Länder ausführlich zu betrachten. Die anschließenden Beispiele stellen nur eine kleine Auswahl dar und stehen als typisches Beispiel einer Epoche, aber nicht für die Malerei des Landes. China Die chinesische Malerei unterscheidet sich schon in den Grundlagen von der europäischen. Die Ausbildung der Maler war keine unmittelbare Beschäftigung mit der Natur und dem Studium selbiger, sondern eine Aneignung von festgelegten Formen, die über Generationen überliefert wurden. [FONTEIN 1985] Abbildung 4.12: Making the Bride's Gown (Anonym, 18. o. 19 Jh.) 37 Wie in Abbildung 4.12 erkennbar haben chinesische Bilder häufig keine einheitliche Projektion und die Größe der Figuren nimmt folglich mit zunehmender Tiefe des Raums nicht ab. Es wird mehr Wert auf die Gestaltung der Gewänder gelegt, als auf Details der Gesichter der Personen im Gemälde. Der Großteil der chinesischen Bilder ist aperspektivisch gestaltet, die Menschen in den Bildern wirken aber trotz mangelnder Projektion und fehlender einheitlicher Perspektive nicht so flächig wie beispielsweise die Figuren des europäischen Mittelalters. Japan Die Malerei Japans entwickelte sich größtenteils in verschiedenen Schulen10, welche jeweils ihre eigene Darstellungsweise entwickelten. Auffällig bei einem Großteil der japanischen Malereien ist die deutliche schwarze Umrisslinie (Abb. 4.13), die die Kleidung der Figuren (und damit zum Teil ihre plastische Wirkung) formt. Abbildung 4.13: Dai Nihon rokuju yo kyo no uchi (Kunikazu, 1857-61) 10 Gruppen von Künstlern, die nach einem bestimmten Stil malten 38 Wie in Abbildung 4.13 sind die Gesichtszüge der Personen häufig eher stilisiert wiedergegeben, als naturgetreu, um einen bestimmten Gesichtsausdruck zu erreichen. [FONTEIN 1985] Im Beispiel von Abbildung 4.13 wird eine Parallelprojektion angewandt, wie es gelegentlich, aber nicht ausschließlich, in der japanischen Malerei der Fall ist. Die Figur ist innerhalb dieses Raumes positioniert und wirkt größtenteils nur wegen ihres Gewandes etwas körperlich. Dieser japanische Malstil unterscheidet sich deutlich vom europäischen seit der Renaissance, besonders was die Projektion und die Veranschaulichung von Raum betrifft. Nach der politischen Öffnung des Landes Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Kunst stark von westlichen Stilrichtungen beeinflusst und hat überwiegend deren Technik aufgenommen. [FONTEIN 1985] Indien Indische Gemälde fallen oft durch ihre Farbigkeit auf, die Personen in den Bilder tragen bunte, reich geschmückte Gewänder, die zum Teil dazu beitragen einen körperlichen Eindruck zu erzeugen. Abbildung 4.14: A Popular Pleasure Pavilion (Anonym, ca. 1750) 39 Die Gesichter sind in vielen Bilder gleich gestaltet: halb geschlossene Augenlider mit mandelförmigen Augen, Profilansicht oder Dreiviertelansicht und stark betonte Augenbrauen. [HÄRTEL 1985] Auch im Bild Abbildung 4.14 sind die Figuren so gestaltet. Die Gesichter wirken stilisiert und sind kaum individuell gemalt. Das Bild wurde mittels Parallelprojektion konstruiert (erkennbar am Gebäude rechts), folglich ist die Figurengröße in allen Bildteilen gleich, es erfolgt keine Abstufung und es gibt keinen Tiefeneindruck. Daher wirken die Figuren kaum plastisch. Wie bei den anderen vorgestellten asiatischen Malstilen, ist es auch in der indischen Malerei weniger wichtig Personen naturgetreu wiederzugeben, sondern es steht im Vordergrund ein bestimmte Stimmung oder Idee zu vermitteln. 4.2. Fotografie „Die Wirklichkeit ist dreidimensional, ein Foto ist flach.“ [FEININGER 2009, Seite 276] Die Fotografie projiziert dreidimensionale Objekte auf die Bildebene. Dabei geht eine Dimension, die Tiefe verloren. Um trotzdem einen plastischen Eindruck zu erzeugen, gibt es verschiedene Möglichkeiten der Raumdarstellung, die [FEININGER 2009] folgendermaßen benennt: Perspektive (gemeint ist hier Konvergenz von nicht parallel zur Bildebene verlaufenden, gleichlaufenden Geraden und nicht die in 2.1.3 definierte Perspektive), Verjüngung, Verkürzung, Überdeckung, die Stellung des Objektes im Rahmen des Bildes, der Gegensatz zwischen Scharf und Unscharf und der Gegensatz zwischen Hell und Dunkel. [FEININGER 2009, Seite 276-283]. All diese Mittel haben Einfluss auf die Abbildung menschlicher Figuren in der Fotografie, werden aber im Rahmen dieser Arbeit nicht ausführlich erläutert. Vielmehr geht es im Folgenden um den Einfluss des Bildwinkels und der Aufnahmedistanz auf die fotografische Darstellung. Verzerrung ist in der Fotografie ein Mittel Perspektive zu erzeugen indem sie Tiefe suggeriert. Der Betrachter eines Fotos ist an ein gewisses Maß von Verzerrung gewöhnt. Ist diese durch Aufnahmefehler des Fotografen aber zu übertrie- 40 ben (Abb. 4.15), wird die Verzerrung als störend und unnatürlich empfunden. [FEININGER 2009] Bei Aufnahmen, die mit einem Weitwinkelobjektiv und mit geringem Abstand zum Objekt gemacht werden, kommt es, je weiter der abzubildende Gegenstand von der Bildmitte entfernt ist, zu starken Verzerrungen, d.h. der Bildebene nähere Dinge werden deutlich größer abgebildet als entfernte. Abbildung 4.15: Verzerrung [FEININGER 2009] In Abbildung 4.15 ist gut zu erkennen, dass im rechten Bild die Hand unnatürlich groß und verzerrt erscheint, während das linke Bild eher einem natürlichen Seheindruck entspricht. Abbildung 4.16 zeigt die schematisch das Beispiel einer fotografischen Projektion. In der Fotografie liegt das Projektionszentrum [PZ] zwischen den Urbildern [K 1-5] und der Projektionsebene [PE] (jedoch selten mittig zwischen den beiden wie in Abb. 4.16). Bei einem großen Bildwinkel [α] und kurzer Aufnahmedistanz kommt es bei dieser Projektion zu starken Verzerrungen am Bildrand (vgl. Abb. 4.16). Aufgrund des großen Winkels sind die äußeren Projektionsstrahlen viel länger, ehe sie auf die Projektionsebene treffen, runde Objekte beispielsweise werden deshalb, wie in Abbildung 4.16 dargestellt, elliptisch verzeichnet. Die Verzerrung tritt bei allen Objekten am Bildrand auf. Bei einem kleineren Winkel, einer größeren Aufnahmedistanz und in der Bildmitte treten diese Verzerrungen nicht auf. [DISERENS 1952] [FEININGER 2009] 41 [K1] [K2] [K3] [K4] [K5] [PZ] [α] [PS] [PE] [K´5] [K´4] [K 1-5]= Urbilder [K´3] [K´2] [K´1] [K´1-5]= Bilder [PZ]= Projektionszentrum [PE]= Projektionsebene [PS]= Projektionsstrahlen [α]=Bildwinkel Abbildung 4.16: Fotografische Projektion [nach DISERENS 1952] Um bei der Darstellung menschlicher Figuren ein dem Seheindruck ähnliches Ergebnis zu erreichen, sollten Weitwinkelobjektive nicht mit einer zu geringen Aufnahmedistanz eingesetzt werden. In Kapitel 6 wird dieser Zusammenhang an praktischen Beispielen gezeigt. 4.3. Computergrafik In der Computergrafik generierte 3D-Szenen werden durch eine virtuelle Kamera (vgl. 2.4.1) zu einem zweidimensionalen Bild, das dann auf zweidimensionalen Medien ausgegeben werden kann. Dies geschieht mittels mathematischer Projektionen, am häufigsten wird hierbei die Zentralprojektion (vgl. 2.1.2.) verwendet. [FRANKE 2007] Menschliche Figuren können in der Computergrafik vollkommen frei modelliert werden, häufig ist aber eine naturnahe Darstellung gewünscht. 42 Abbildung 4.17: Screenshot aus Second Life Abbildung 4.17 zeigt ein computergrafisches Bild, das unter Verwendung einer Zentralprojektion erzeugt wurde. Die Figuren in diesem Bild wirken plastisch und sind naturalistisch dargestellt. Bei der Verwendung einer virtuellen Kamera (2.4.1.) können ähnlich wie bei einer Fotokamera Bildwinkel und Aufnahmedistanz variiert werden. Dies bringt allerdings auch die in Abschnitt 4.2 beschriebenen Probleme mit sich, dass bei kurzer Aufnahmedistanz und kleiner Brennweite Objekte am Bildrand stark verzerrt wiedergegeben werden. [FRANKE 2007] Abbildung 4.18 zeigt zwei Bilder von vier Kugeln, die mit Hilfe einer virtuellen Kamera in 3D Studio Max erstellt wurden. Im linken Bild beträgt die Brennweite 15mm, der (diagonale)Bildwinkel 112 Grad und die Aufnahmedistanz ist beträgt etwa 2,5m (Kugeldurchmesser ca. 4,4m), die Kugeln werden daher an den Bildrändern elliptisch verzerrt. Abbildung 4.18: Kugeln - links mit Verzerrung, rechts ohne Verzerrung Das rechte Bild wurde mit einer Brennweite von 85mm (Bildwinkel 29 Grad) aufgenommen, die Aufnahmedistanz beträgt etwa 8,3 Meter, die Kameraeinstel43 lungen sind so gewählt, dass alle Kugeln im Bild zu sehen sind. Im rechten Bild werden die Kugeln aufgrund der angepassten Aufnahmedistanz nicht elliptisch verzeichnet. Diese störenden Verzerrungen gibt es auch bei Bildern menschlicher Figuren, die ansonsten fotorealistisch dargestellt werden können. [FRANKE 2007] In den Kapitel 6 werden diese Verzerrungen untersucht und anhand von Beispielen illustriert. 4.4. Besonderheiten des menschlichen Sehens Für den Verständnis der Arbeit sind zwei Kenngrößen des menschlichen Sehens wichtig: das Gesichtsfeld und das Blickfeld. Das Gesichtsfeld ist der mit unbewegten Augen gleichzeitig wahrnehmbare Bereich, während der Begriff Blickfeld den erfassbaren Bereich mit den natürlichen Augenbewegungen meint. Das Gesichtsfeld beider Augen umfasst horizontal etwas 180°. Ein komplett scharfes Bild wird jedoch nur im Bereich der Fovea (Punkt des schärfsten Sehens) erreicht, mit einer Größe von ca. 1,5° innerhalb des Gesichtsfeldes. Danach fällt die Sehschärfe zum Rand des Gesichtsfeldes hin stark ab. Die Augen sind ständig in Bewegung. Diese sogenannten Sakkaden sind schnelle, unbewusste Augenbewegungen. Dadurch entsteht der Eindruck eines größeren Bereiches, der scharf gesehen werden kann. [KRÖMKER 2007] Kopf +30° +10° -10° -30° Abbildung 4.19: Horizontales Blickfeld (nach [KRÖMKE 2007]) 44 +35° Kopf +25° -30° -45° Abbildung 4.20: Vertikales Blickfeld (nach [KRÖMKE 2007]) Abbildung 4.19 zeigt die schematische Darstellung des horizontalen Blickfelds, Abbildung 4.20 die des vertikalen Blickfeldes, bei binokularem Sehen. Bei Abbildung 4.19 bedeuten die Vorzeichen vor den Gradzahlen eine Trennung nach rechts und links, während sie in Abbildung 4.20 die Richtungen oben und unten verdeutlichen. Der Grau dargestellte Bereich zeigt das optimale Blickfeld (aus ergonomischer Sicht, die Belastung der Augen betreffend), der restliche Bereich stellt das maximale Blickfeld dar. [KRÖMKE 2007] Bei diesen Zahlen handelt es sich um Richtwerte und nicht um Absolutwerte. Verzerrungen am Bildrand, wie sie in 4.2 und 4.3 beschreiben wurden, sind für den Menschen während des Sehens kaum wahrnehmbar, da er einerseits innerhalb des Blickfelds keinen so großen Winkel scharf sehen kann und andererseits durch die Augenbewegungen der Fokus auf verschiedene Bildteile gelegt wird. In der Fotografie und der Computergrafik erzeugt die Zentralprojektion einen starren Blick mit nur einem Blickpunkt. [FRANKE 2007] Die Lösung der Maler in der Renaissance mehrere Blickpunkte zu schaffen, also multiperspektivische Bilder zu erzeugen, und damit die Verzerrungen bei einigen Objekten zu vermeiden, entspricht eher dem menschlichen Seheindruck (vgl.5.3). 45 4.5. Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden die unterschiedlichen Darstellungsarten menschlicher Figuren in Malerei, Fotografie und Computergrafik beschrieben und anhand von Beispielen illustriert. Dabei sind besonders in der Malerei große Unterschiede in den verschiedenen Epochen und Ländern zu erkennen. Während beispielsweise viele asiatische Künstler keine naturnahe Darstellung anstreben, war es für die Maler der Renaissance von großer Bedeutung so naturalistisch wie möglich zu zeichnen. Außerdem zeigten sich die Ähnlichkeiten in den Projektionen von Fotografie und Computergrafik und die daraus resultierenden Probleme. Von diesen Ausführungen ausgehend, werden in Kapitel 5 die beschriebenen Darstellungsweisen gegenübergestellt, es erfolgt hierbei eine Einordnung nach [PANOFSKY] und [GROH] in Aggregatraum und Systemraum. Des Weiteren wird die Multiperspektivität untersucht. In Kapitel 6 wird dann die praktische Arbeit erläutert und dazugehörige Beispiele präsentiert. 5. Synthese Nachdem in Kapitel 4 die verschiedenen Abbildungsmuster menschlicher Figuren beschrieben werden, beschäftigen sich die Ausführungen dieses Textabschnitts mit der Einordnung dieser Abbildungsmuster. Als erstes werden die Darstellungsarten nach [PANOFKSY 1992] und [GROH 2007] durch die Begriffe Aggregatraum, Systemraum (PANOFSKY) und Systemraum mit hybrider Perspektive (nach GROH) charakterisiert, die in Abschnitt 2.2.1. vorgestellt werden. Danach folgt eine Untersuchung auf das eventuelle Vorhandensein von Multiperspektive entsprechend der Definition 2.1.4.. Abschließend folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse als Grundlage für die praktische Arbeit in Kapitel 6. 46 5.1. Raumdarstellung Die in Kapitel 4 erläuterten Abbildungsmuster der Epochen werden nachfolgend tabellarisch den Raumdarstellungen nach [PANOFSKY 1992] und [GROH 2007] zugeordnet und anschließend wird diese Zuordnung begründet. Aggregatraum Systemraum Ägypten Fotografie Antike Bilder der Computergrafik (bei Anwendung einer Zentralprojektion) hybrider Systemraum Renaissance und folgende Epochen Bilder der Computergrafik (bei Anwendung von Techniken zur Erzeugung von Multiperspektive) Mittelalter (Frühchristliche Kunst/Karolingische Kunst, Romanik, Gotik ) 20. Jahrhundert China, Japan, Indien Tabelle 5-1: Raumdarstellung Aggregatraum: In den Bildern der Ägypter wird keine Zentralprojektion angewendet, die einzelnen Objekte in den Darstellungen befinden sich daher in keinem einheitlichen Raum, auf eine plastische Darstellung wird weitestgehend verzichtet. Die Raumdarstellung der Ägypter ist daher ein Aggregatraum, der verschiedene Blickwinkel vereint (vgl. 6.2.). Der schwarzfigurige Stil der griechischen Vasenmalerei ist aufgrund des fehlenden Raumgefüges ebenfalls dem Aggregatraum zuzuordnen. Obwohl in der Spätantike, gerade in Illustrationen römischer Künstler, die Objekte und Menschen in den Bildern deutlich plastischer und körperlicher wirken, müssen diese Darstellungen trotzdem noch dem Aggregatraum zugeordnet werden, es fehlt eine Projektion, der alle Bestandteile gleichzeitig unterliegen. Laut [PANOFSKY 1992] ist dies im Fehlen eines einheitlichen Fluchtpunkts und der nicht vorhandenen proportionalen Größenabnahme der Objekte in der Tiefe 47 begründet. Die Perspektive der Spätantike wird nicht, wie bei einer Perspektive durch Zentralprojektion, konsequent auf alle Teile des Raums angewandt. Die Kunst des Mittelalters (frühchristliche Kunst, karolingische Kunst, Romanik, Gotik) ist ein Paradebeispiel des Aggregatraums. Es wird besonders in romanischen Illustrationen vollkommen auf eine Raumillusion verzichtet, Flächigkeit bestimmt die Figuren. Die einzelnen Bildelemente sind nicht durch eine Projektion miteinander verbunden, wie es zum Beispiel in der Renaissance der Fall ist. Nach dem Aufkommen der Fotografie war das Ziel vieler Maler des 20. Jahrhunderts nicht mehr die naturnahe Darstellung der Figuren und Objekte. Somit setzten sie keine Zentralprojektion in ihren Bildern ein, sondern verzichteten häufig auf die Darstellung von Raumtiefe und Körperlichkeit. Damit wird der Raum in ihren Malereien zum Aggregatraum. Dies ist besonders im Kubismus und im Expressionismus zu beobachten. In der Malerei der in 4.1.8. beschriebenen asiatischen Kulturen findet sich keine Zentralprojektion (lässt man Bilder des letzten Jahrhunderts mit europäischem Einfluss außen vor), bei einigen Bildern wird eine Parallelprojektion angewandt, die jedoch nicht auf alle Objekte im Raum systematisch Einfluss nimmt. Daher ist der Raum in diesen asiatischen Bildnissen ein Aggregatraum. Systemraum Der „perfekte Systemraum“, wie [PANOFSKY 1992] ihn beschreibt, findet sich in der Fotografie und der Computergrafik (sofern eine Zentralprojektion vorliegt). Alle Teile des Bildes bilden eine Einheit, sie sind nach mathematischen Regeln vom dreidimensionalen Raum in den zweidimensionalen überführt worden. Dialogobjekte mit eigener Perspektive (vgl. 2.2.1.) sind nicht vorhanden. In diesem „perfekten Systemraum“ treten die in 4.2. und 4.3. erläuterten Verzerrungen auf, die unter bestimmten Bedingungen störend auf den Betrachter wirken. Die Maler der Renaissance lösten dieses Problem, indem sie einige Bildobjekte mit einer eigenen Perspektive ausstatteten (vgl. folgender Abschnitt). 48 Systemraum mit hybrider Perspektive In Gemälden der Renaissance und in den darauffolgenden Epochen wurde der Raum mit Hilfe der Zentralprojektion dargestellt. Trotzdem kommt es bei Bildern mit einer kurzen Distanz von Augpunkt und Bildebene nicht zu Verzerrungen am Bildrand bei runden/gebogenen Gegenständen oder Figuren, wie sie in Abschnitt 4.2./4.3. beschrieben wurden. Abbildung 5.1: Das Abendmahl in Emmaus (Caravaggio11, 1601) Die Maler der Renaissance versahen die von [GROH 2007] Dialogobjekte (2.2.1.) benannten Bildelemente mit einer eigenen Perspektive innerhalb der Zentralprojektion, um diese störenden Verzerrungen zu vermeiden. In Abbildung 5.1 müsste nach den Regeln der Zentralprojektion die Hand des Mannes rechts deutlich größer dargestellt sein als sein restlicher Körper, da sie näher am Augpunkt liegt. Durch die separate „Zuwendung“ des Malers zu dieser Figur tritt eine Verzerrung jedoch nicht auf. Die Raumbestimmung (die Art der Projektion) in diesem Bild ist relativ schwierig, da der Fluchtpunkt nur über die beiden seitlichen Tischkanten bestimmt werden kann, wobei der Verlauf der rechten Tischkante geschätzt werden muss (Abbildung 5.2). Die rechte Figur wird in diesem Bild zum Dialogobjekt, der Maler entfernt ihn aus dem Verband des Systemraums und versieht ihn mit einer eigenen Perspek11 Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571-1610) 49 tive innerhalb des Bildes. Dadurch entsteht ein natürlicherer Seheindruck für den Betrachter. Fluchtpunkt Abbildung 5.2: Caravaggios Bild mit eingezeichnetem Fluchtpunkt Es gibt nur wenige Gemälde, die mit einer sehr kleinen Distanz von Augpunkt und Bildebene gemalt sind, die Darstellung von menschlichen Figuren enthalten und deren Projektion sich anhand des sie umgebenden Raumes bestimmen lässt. Häufig ist wie in Abbildung 5.1 keine exakte Fluchtpunktbestimmung möglich. Es ist daher relativ schwierig geeignete Beispiele von Figuren zu finden, die nach mathematischen Projektionsregeln eine starke Verzerrung enthalten müssten, aber als Dialogobjekte behandelt werden. Das Verfahren der Maler seit der Renaissance Dialogobjekte mit einer gesonderten Perspektive zu versehen, kann sich die Computergrafik zu Nutze machen (vgl. 3.1.). Mit Hilfe der in 3.2. beschriebenen erweiterten perspektivischen Korrektur können menschliche Figuren aus dem „perfekten“ Systemraum herausgenommen werden und mit einer eigenen Perspektive versehen werden. Damit werden störende Verzerrungen durch den Einsatz von Multiperspektive (vgl. 2.1.4) unterbunden. In Kapitel 6 werden die Ergebnisse nach dem Einsatz der EPK in Bildern menschlicher Figuren in der Computergrafik betrachtet. 50 5.2. Multiperspektive In diesem Abschnitt wird das eventuelle Vorhandensein von Multiperspektive, wie sie in Abschnitt 2.1.4. definiert ist, in den in 4.1. beschriebenen Malereistilen untersucht. Multiperspektive In der Malerei der Ägypter finden sich verschiedene Ansichten innerhalb eines Bildes. 2 1 3 3 4 5 Abbildung 5.3: Multiperspektive der Ägypter In Abbildung 5.2 kann man erkennen, dass die Körperteile in den Bildteilen 2,3 und 5 den abgebildeten Menschen von der Seite zeigen, während in 1 und 4 die Frontalansicht zu sehen ist. Die Ägypter kombinierten mehrere Ansichten einer Figur in einem Bild. Dies entspricht der in Abschnitt 2.1.4. definierten Multiperspektive. Ähnliches findet sich in den Gemälden des 20. Jahrhunderts, insbesondere des Kubismus (4.1.7.), in denen die Maler Gegenstände und Figuren gleichzeitig in verschiedenen Positionen zeigten. Auch mittelalterliche Bilder weisen teilweise verschiedene Blickwinkel auf, die kombiniert wurden, allerdings nicht so ausgeprägt wie zum Beispiel in ägyptischen Illustrationen. 51 Diese Art der Multiperspektive, die verschiedene Ansichten einer Figur kombiniert, entspricht nicht dem natürlichen Sehen des Menschen. Sie ist daher wenig geeignet in der Computergrafik eine naturnähere Abbildung zu erzeugen. Die Multiperspektive der Renaissance ist durch ihre Dialogobjekte charakterisiert, die aus dialogischer Bedeutsamkeit eine eigene Perspektive vorweisen (vgl. 5.1). Dies kann in der Computergrafik durch das Verfahren der erweiterten perspektivischen Korrektur erreicht werden (vgl. 3.2. und 6.2.2). Mit Hilfe dieses Algorithmus können ausgewählte Objekte in der computergrafischen Szene hinsichtlich ihrer Ausrichtung verändert werden. Sie werden damit zu Dialogobjekten und das daraus resultierende Bild bietet eine multiperspektivische Ansicht. Diese Ansicht entspricht eher der menschlichen Wahrnehmung, als die monoperspektivischen Ansichten, besonders bei kurzem Abstand von virtueller Kamera und Objekt. Die Fotografie und die Computergrafik (mit Zentralprojektion) sind per se monoperspektivisch. 5.3. Fazit Durch die Besonderheiten des menschlichen Sehens (vgl. 4.4.) kommt es beim Betrachten einer Szene aus kurzer Distanz zu keinen störenden Verzerrungen. Die Maler der Renaissance beseitigten diese Verzerrungen bei konvexen, singulären und anthropomorphen [vgl. GROH 2007 und 2.2.1.] Objekten, indem sie ihnen eine eigene Perspektive gaben. Diese Multiperspektivität ähnelt dem menschlichen Sehen, die separate Behandlung dieser Dialogobjekte wirkt natürlicher auf den Betrachter. Menschliche Figuren wirken dadurch wahrnehmungskonformer. Fotografien sind durch die Zentralprojektion erst einmal monoperspektivisch. Aktuellen Forschungen (Stand 13.7.2010) zufolge gibt es einige Möglichkeiten Bilder und Fotografien nachträglich multiperspektivisch zu gestalten. So wird beispielsweise in [CARROLL ET AL 2010] eine Anwendung beschrieben, die unter anderem durch Punkt- und Linienverschiebungen neue Ansichten innerhalb des Bildes schafft. Im Rahmen der Ausarbeitung wird das Thema Multiperspektive in der Fotografie nicht weiter untersucht. 52 Computergrafische Szenen können durch den Einsatz von Multiperspektive, wie sie die Renaissancemaler anwandten, wahrnehmungskonformer gestaltet werden. In Kapitel 6.2. wird dies anhand von Beispielen illustriert. 6. Praktische Ergebnisse Die praktische Arbeit besteht aus einer Untersuchung der Auswirkungen der in 4.2. beschriebenen Faktoren Aufnahmedistanz, Brennweite und Bildwinkel auf menschliche Figuren in der Fotografie und in der Computergrafik. Des Weiteren werden die Ergebnisse der Anwendung der erweiterten perspektivischen Korrektur (vgl. 3.2.) auf menschliche Figuren in computergrafischen Bildern untersucht. Diese Bilder wurden mit Gliederpuppen gemacht, um eine bessere Vergleichbarkeit zwischen Fotografie und Computergrafik zu gewährleisten und eine gewisse Personenneutralität zu erlangen. Für den zweiten Teil der Untersuchung in der Computergrafik wurde darüber hinaus das Modell einer männlichen Figur verwendet, um die Erkenntnisse besser zu erläutern. In Abschnitt 6.1. wird die bei der praktischen Arbeit gebrauchte Technik vorgestellt, danach (6.2.) folgen die eigentlichen Ergebnisse, Abschnitt 6.3. enthält eine Fehleranalyse und abgeschlossen wird das Kapitel durch eine Zusammenfassung. 6.1. Technik Die Fotografien, die die in Kapitel 4.2. erläuterten Sachverhalte unterstützen sollen, wurden mit einer Nikon D40 Digitalspiegelreflexkamera gemacht. Die benutzten Objektive waren das AF-S DX Nikkor 18-55 und das AF-S DX Nikkor ED 55-200. Damit konnten sowohl Weitwinkel- als auch Teleaufnahmen angefertigt werden. Der Formatfaktor (vgl. 2.3.3.) dieser Kamera beträgt 1,512, die in 6.2. angebenden Brennweiten sind bereits mit diesem multipliziert. Die Vergleichsbilder der Computergrafik wurden mit von Autodesk 3D Studio Max 10 und dessen virtueller Kamera erzeugt. Die Modellierung der Glieder- 12 www.nikon.de 53 puppen erfolgte ebenfalls in 3DS Max. Die männliche Figur entstammt den Vorlagen des Programms Poser 7 der Firma Smith Micro und wurde dann in 3Ds Max importiert und weiter bearbeitet. 6.2. Praktische Versuche Der folgende Abschnitt zeigt und erläutert Bilder der Fotografie und der Computergrafik mit verschiedenen Brennweiten und Aufnahmeabständen um die theoretisch beschriebenen Phänomene in Kapitel 4 und Kapitel 5 zu untermauern. 6.2.1. Bildwinkel und Aufnahmedistanz In diesem Abschnitt werden die Effekte von Aufnahmedistanz und Bildwinkel (in 3DS Max Kameraöffnungswinkel genannt) auf Fotografien und computergrafische Bilder an Beispielen verdeutlicht. Dabei wurden 3 Gliederpuppen als anthropomorphe Figuren verwendet, Hinter- und Untergrund bildete ein quadratisches Raster, einerseits um die Anordnung der Figuren zu erleichtern, andererseits um gewisse Effekte besser zu verdeutlichen. Fotografie Die nachfolgenden Fotografien wurden mit der in 6.1. beschriebenen Kamera aufgenommen. Dabei wurden vier verschiedene Brennweiten eingestellt. Der Abstand zwischen Kamera und den Figuren wurde so gewählt, dass der Bildausschnitt ungefähr gleich blieb und dass alle Gliederpuppen im Bild waren. Die Position der Kamera wurde hierbei nur längs der y-Achse verändert. 54 Abbildung 6.1: Brennweite 27mm Abbildung 6.2: Brennweite 45mm Abbildung 6.3: Brennweite 82mm 55 Abbildung 6.4: Brennweite 135mm Im Rahmen dieses Versuches wurde mit einer kleinen Brennweite und einer kurzen Aufnahmedistanz begonnen. Die Brennweite wurde kontinuierlich gesteigert und der Abstand von Kamera und Figuren wurde so gewählt, dass der Bildausschnitt annähernd gleich ist. Dies war aufgrund des abnehmenden Bildwinkels nur bedingt möglich (siehe Tabelle 6-1). Brennweite Bildwinkel (in Grad) 27 mm ~ 77° 45 mm ~ 51° 82 mm ~ 27° 135mm ~ 18° Tabelle 6-1: Brennweiten und Bildwinkel des Versuches In Abbildung 6.1 lässt sich besonders an den Füßen erkennen, dass diese nach außen verzerrt werden. Auch die Parallelen des Untergrundrasters konvergieren stark nach hinten. Mit größer werdender Brennweite und damit steigender Distanz von Kamera und Figuren verliert sich dieser Effekt (Abbildungen 6.2 bis 6.4). Bei weiterer Steigerung der Brennweite (Abbildung 6.5) geht jedoch de Tiefeneindruck der Szene allmählich verloren, die konvergierenden Geraden sind kaum noch erkennbar und auch die Gliederpuppen wirken nicht mehr so plastisch. 56 Abbildung 6.5: Brennweite 168mm Die Bilder, die mit 45mm Brennweite beziehungsweise 82mm aufgenommen wurden, wirken auf den Betrachter am natürlichsten. Die Verzerrung am Rand ist nicht mehr so stark zu erkennen, trotzdem besteht ein räumlicher Eindruck innerhalb des Bildes. Nach [FEININGER 2009] ist es wichtig bei Fotografien, durch die Wahl des richtigen Abstandes und Bildwinkels, eine übermäßige Verzerrung zu vermeiden, da es als „“Verzerrung“ der Wirklichkeit empfunden“ [FEININGER 2009, Seite 320] werden kann. Die Anwendung einer zu großen Brennweite führt im Umkehrschluss zu Bildern, in denen der Raum und die sich in ihm befindlichen Objekte und Figuren, flach und ohne nennenswerte Tiefenwirkung dargestellt werden. Für den Tiefeneindruck und Körperlichkeit der fotografierten Szene ist ein gewisses Maß an Verzerrung gewünscht. Computergrafik Die mit der Fotokamera aufgenommene Szene wurde in 3DS Max nachgestellt und mittels einer virtuellen Kamera wurden die Bilder festgehalten. Dabei wurden dieselben Brennweiten angewandt und die Aufnahmedistanz so gewählt, dass alle Gliederpuppen im Bildausschnitt zusehen sind und die Kamera nur entlang der y-Achse bewegt werden musste. Die Kamera war mittig positioniert und frontal auf die Figuren gerichtet. 57 Abbildung 6.6: Brennweite 27mm Abbildung 6.7: Brennweite 45mm Abbildung 6.8: Brennweite 82mm 58 Abbildung 6.9: Brennweite 135mm Wie schon in den Fotografien sieht man die Verzerrung bei 27mm Brennweite (Abbildung 6.6) besonders deutlich, vor allem an den Füßen und am Kopf. Mit zunehmender Brennweite nimmt auch in der Computergrafik der räumliche Eindruck ab. Folgende Abbildung (6.10) verdeutlicht diesen Effekt. Aufgrund des kleinen Bildwinkels (ca. 8 Grad) konvergieren die Geraden des Untergrundrasters nicht mehr so steil, was den Tiefeneindruck abschwächt. Auch die Figuren wirken nicht mehr so plastisch wie bei kleinerer Brennweite. Für die Erzeugung eines tiefenräumlichen Effekts eignen sich große Brennweiten also weniger. Abbildung 6.10: Brennweite 300mm Ähnlich wie in der Fotografie wirken die Gliederpuppen bei 45mm und 82mm Brennweite am natürlichsten, aufgrund eines ausgewogenen Anteils an Verzerrung und Tiefeneindruck. Die Erkenntnisse der Fotografie über den Zusam- 59 menhang von Aufnahmedistanz und Bildwinkel auf die dargestellten Objekte und Figuren können also auch in der Computergrafik Anwendung finden. Abbildung 6.11: links: 15mm Brennweite; rechts: 85mm Brennweite Abbildung 6.11 illustriert ein weiteres Problem der computergrafischen Zentralprojektion bei kurzer Aufnahmedistanz und großem Kameraöffnungswinkel: obwohl im linken Bild der Blickrichtungsvektor aller drei Figuren identisch ist, scheinen die beiden äußeren Figuren von der Mitte weg zu blicken. Grund dafür ist die Verzerrung bei diesem Kameraöffnungswinkel von 112°. Im rechten Bild beträgt der Winkel nur noch 29°, die Blickrichtung der drei Figuren wirkt dadurch nahezu identisch. Eine Möglichkeit die Objekte in computergrafischen Bildern zu entzerren, ohne den Bildwinkel zu verändern wird in 6.2.2. gezeigt. 6.2.2. Erweiterte perspektivische Korrektur Die folgenden computergrafischen Bilder wurden mit einer virtuellen Kamera aus einer geringen Distanz und einem großen Bildwinkel aufgenommen. Die dadurch entstandenen Verzerrungen wurden mit Hilfe der erweiterten perspektivischen Korrektur (vgl. 3.2.) gemildert. Dadurch wird die Multiperspektive der Renaissancemaler simuliert. Die Figuren werden zu Dialogobjekten. Der erste Versuch wurde mit den in 6.2.1. vorgestellten Gliederpuppen und zwei verschiedenen Hintergründen gemacht. Dabei wurde die Kamera der Szene mit Hilfe der grafischen Oberfläche der EPK ausgewählt, und anschließend wurde die Korrektur separat auf die einzelnen Figuren angewendet. Dabei wurden nur die Scherungsoperation und keine Rotationsoperation ausgeführt, da das die 60 anschaulichsten Ergebnisse hervorbrachte. Die Kamera war mittig und frontal auf die Figuren gerichtet. Abbildung 6.12: Brennweite 10mm links: Bild ohne EPK, rechts: Bild mit EPK Abbildung 6.12 zeigt deutlich den Unterschied in der Figurendarstellung bei Anwendung der erweiterten perspektivischen Korrektur. Die beiden äußeren Gliederpuppen weisen im rechten Bild kaum noch Verzerrung auf, allerdings lässt sich durch das Raster des Untergrundes eine leichte Neigung der Füße der äußeren Figuren erkennen. In Abbildung 6.13. wurde die EPK erneut in der Szene ausgeführt, diesmal jedoch mit einem anderen Hintergrund und Untergrund. Die Figuren sind im rechten Bild annähernd verzerrungsfrei, auch ihre Fußstellung ist nahezu identisch. Die Ergebnisse der EPK hängen also auch von der die Figuren umgebenden Szene ab. Abbildung 6.13: Brennweite 10mm links: Bild ohne EPK, rechts: Bild mit EPK Bei einer größeren Brennweite (und damit einem kleineren Kameraöffnungswinkel) sind die Ergebnisse der EPK weniger deutlich (siehe Abbildung 6.14). 61 Abbildung 6.14: Brennweite 45mm links: Bild ohne EPK, rechts: Bild mit EPK Die Unterschiede zwischen den beiden Bildern der Abbildung 6.14 sind kaum noch sichtbar, die leicht nach außen zeigende Fußstellung der beiden äußeren Figuren ist allerdings noch erkennbar. Die erweiterte perspektivische Korrektur wurde in einem weiteren Versuch auf drei männliche Figuren angewendet, die mit Hilfe des Programms Poser 7 erstellt und danach in 3DStudio Max exportiert wurden. Der Szenenaufbau der wurde dabei nicht verändert. Der Abstand von virtueller Kamera und den Figuren wurde sehr klein gewählt, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Abbildung 6.15: Brennweite 10mm links: Bild ohne EPK, rechts: Bild mit EPK Die Verzerrungen an den beiden äußeren Figuren (Abbildung 6.15 rechts) sind durch die Korrektur nicht mehr vorhanden, nachdem die EPK mit einer Scherungsoperation und ohne Rotationen auf die Szene angewendet wurde. Allerdings haben sich die Blickrichtungsvektoren der Figuren verändert, alle drei blicken zwar nach der Korrektur in eine Richtung, jedoch deutlich weiter nach oben, als im linken Bild. Eine Veränderung des Pivotpunktes und eine erneute 62 EPK lieferte nicht die gewünschte Verbesserung. Der Versuch die Kamera neu zu positionieren ist in Abbildung 6.16. zu sehen. Abbildung 6.16: Änderung der Kameraposition Die Veränderung der Kameraposition führte zu neuen Verzerrungen, hatte aber kaum Einfluss auf die Blickrichtung. Der Hintergrund der Szene wurde in einem weiteren Versuch geändert (Abbildung 6.17). Abbildung 6.17: Brennweite 10mm links: Bild ohne EPK, rechts: Bild mit EPK Wie schon im Versuch mit den Gliederpuppen, führt die veränderte Umgebung der Figuren dazu, dass die leichte Neigung der Füße der äußeren Figuren nach der EPK weniger auffällt. Die unerwünschte Änderung des Blickrichtungsvektors ist jedoch deutlich zu erkennen. In einem weiteren Versuch wurde die Wirkung der EPK auf eine Szene mit nicht frontal auf die Figuren gerichteter Kamera untersucht (Abbildung 6.18.) 63 Abbildung 6.18: Szene mit gedrehter Kamera: links ohne EPK, rechts mit EPK Im linken Bild ist die Verzerrung der äußeren Figur sehr deutlich zu erkennen. Obwohl der Blickrichtungsvektor aller drei Figuren identisch ist, wirkt die Äußere gedreht, mit Blick nach rechts. Die Anwendung der EPK auf die Szene (rechtes Bild) entzerrt die Szene, allerdings wirkt die Fußstellung sehr unnatürlich. Die Versuche mit den Gliederpuppen, als abstrakte menschliche Figuren, führten zu akzeptablen Ergebnissen, während die Testszene mit den konkreten menschlichen Abbildern zu neuen Verzerrungen führte und damit nicht das gewünschte Resultat hervorbrachte. 6.3. Fehleranalyse Einige mögliche Fehlerquellen kristallisierten sich während und nach den Tests heraus und werden im Folgenden Abschnitt aufgelistet. Beim Fotografieren der Gliederpuppen gab es keinen einheitlichen Hintergrund und keine gleichmäßige Beleuchtung, die Bilder mussten daher mit Adobe Photoshop CS4 nachbearbeitet werden. Ein starkes Weitwinkelobjektiv mit Brennweiten unter 20mm war nicht verfügbar, deswegen waren die Versuche in der Fotografie nicht mit sehr kleinen Aufnahmedistanzen durchführbar. Dieses Vorhaben konnte nur in Computergrafik durchgeführt werden. Es wurden nur frontale Bilder gemacht, die Ergebnisse sind daher nicht allgemeingültig. 64 Die Ergebnisse der erweiterten perspektivischen Korrektur sind bei den Gliederpuppen deshalb gelungener sein, weil der Aufbau dieser bekannt ist, während die männlichen Figuren in einem anderen Programm (nicht in 3D Studio Max) erzeugt wurden und deren Beschaffenheit im Nachhinein auch nicht verändert wurde. Die Szenen müssten des Weiteren mit Licht und Schatten ausgestattet werden, um ein wahrnehmungskonformeres und natürlicheres Bild zu ergeben. Der Großteil der Versuche in 6.2.2. wurden nur mit einer frontal positionierten Kamera durchgeführt, so dass die Aussagekraft der Versuche nur auf diesen Kamerastandpunkt begrenzt ist. Die Anwendung der EPK auf eine Szene mit gedrehter Kamera führte nicht zum gewünschten Ergebnis, weitere Versuche mit verschiedenen Kamerapositionen wurden im Rahmen der Arbeit nicht durchgeführt. 6.4. Fazit Die Gegenüberstellung von Fotografie und Computergrafik bezüglich des Verhaltens der Kamera zeigt, dass die Darstellungen menschlicher Figuren in ähnlichem Maße von Veränderungen der Kameraeinstellungen betroffen sind. Eine Veränderung von Aufnahmedistanz und Brennweite führt in beiden Bereichen zu besseren und natürlicheren Ergebnissen bei den Bildern. Allerdings sind durch einen zu kleinen Winkel möglicherwiese nicht mehr alle gewünschten Objekte darstellbar. Bilder mit einer Brennweite von 40mm bis 80mm bieten den besten Kompromiss zwischen Verzerrung und Tiefeneindruck. Abbildungen von Menschen wirken in diesem Bereich plastisch und nicht zu verzerrt. Die erweiterte perspektivische Korrektur sorgt in computergrafischen Bildern für Multiperspektivität und kann damit eine wahrnehmungskonformere Darstellung der Figuren erzeugen. Allerdings hängt das Ergebnis von verschiedenen Faktoren ab: - der Aufbau und die Hierarchie der einzelnen Teile der Figur haben einen Einfluss auf die Korrektur - der Hintergrund der Szene beeinflusst die Ergebnisse 65 - die Einstellungen der einzelnen Transformationen (Scherung, Transformation etc.) des Algorithmus können nicht allgemeingültig angegeben werden - die Kameraposition und die Anordnung der Figuren haben einen Einfluss auf das Resultat. Die Ergebnisse der EPK variieren, was die Darstellung von menschlichen Figuren betrifft. Eine weitreichendere Untersuchung mit verschiedenen Szenen war im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht möglich. 7. Zusammenfassung Den Abschluss der Arbeit bildet eine Zusammenfassung, einerseits des Inhalts, andererseits der gewonnenen Erkenntnisse. Zum Schluss wird ein Ausblick in die mögliche, weitere Forschung gegeben. 7.1. Inhalt Zu Beginn der Arbeit wurde die Thematik und Problematik erläutert. Es folgte die Erklärung für die Ausarbeitung relevanter Begriffe und Definitionen. Im 3. Kapitel wurden für die Abhandlung wichtig verwandte Arbeiten vorgestellt und in Zusammenhang mit dem Inhalt gebracht. Anschließend erfolgte eine ausführliche Analyse der Abbildungsmuster menschlicher Figuren in Malerei, Fotografie und Computergrafik, mit einem Schwerpunkt auf dem Thema Malerei. In der Synthese wurden die gefunden Abbildungsmuster hinsichtlich ihrer Raumdarstellung und Multiperspektive analysiert. Die praktische Umsetzung einiger Erkenntnisse erfolgte dann in Kapitel 6, mit Versuchen in der Fotografie und der Computergrafik. 7.2. Fazit Nach der Analyse von Abbildungsmustern menschlicher Figuren in Malerei, Fotografie und Computergrafik mit dem Ziel wahrnehmungskonformere Dar66 stellungen zu finden, zeigte sich, dass Naturalismus besonders in der Malerei nur selten die Absicht der Maler war und ist. Die Vereinigung mehrerer widersprüchlicher Ansichten lässt sich mit dem menschlichen Sehen nicht vereinbaren. Der Ansatz der Renaissancemaler Gegenstände aus dem Gesamtverband der Projektion herauszunehmen und mit einer eigenen Perspektive zu versehen, wurde mit Hilfe des Algorithmus der erweiterten perspektivischen Korrektur in der Computergrafik umgesetzt, um wahrnehmungskonformere Bilder zu erreichen. Im Versuch mit Gliederpuppen als anthropomorphe Figuren sind die Ergebnisse zufrieden stellend, hinsichtlich der Verhinderung von Verzerrungen. Allerdings ist dieses Ergebnis nicht verallgemeinerbar, wie die Versuche mit den männlichen Figuren zeigten. In dieser Richtung sind weitere Versuche mit der EPK mit verschiedenen Szenen und Gestalten von Nöten. Die Umsetzung der Erkenntnisse der Fotografie in der Computergrafik gelang sehr gut, jedoch schränkt der mit zunehmender Brennweite immer kleiner werdende Bildausschnitt die Anwendbarkeit deutlich ein, da die gewünschten Bilder dahingehend nicht immer angepasst werden können. 7.3. Ausblick Die Forschungen am Lehrstuhl Mediengestaltung der TU Dresden wahrnehmungskonformere computergrafische Bilder zu erzeugen schließen auch die Abbildungsmuster menschlicher Figuren mit ein. So wird aktuell (Stand 7.7.2010) eine Studie zur „Wahrnehmung anthropomorpher Formen“ durchgeführt, in der Probanden anhand von Fotografien und computergrafischen Bildern Blickrichtung und Orientierung von Figuren einschätzen sollen. Von Interesse sind hierbei besonders Bilder mit großem Kameraöffnungswinkel, von denen ein Teil mittels erweiterter perspektivischer Korrektur verändert wird. Des Weiteren bietet eine ausgedehntere Ausarbeitung der Figuren, Kamerapositionen und Hintergrundszenen, für die Analyse der Wirkung der EPK auf menschliche Abbildungen, weiteren Raum für eine Untersuchung. Die in der Arbeit beschriebenen Phänomene beziehen sich nur auf statische Bilder und lassen Film und Animation außen vor. In dieser Richtung wären Analysen denkbar. 67 Anhänge A. Glossar Abbildung Eine Abbildung ist eine Projektion eines Gegenstands auf die Bildebene. In der Fotografie durchlaufen die Projektionsstrahlen dabei ein optisches Linsensystem, das Objektiv. [FREIER 1997] Abbildungsmaßstab Der Abbildungsmaßstab beschreibt das Verhältnis von ursprünglicher Größe des abgebildeten Gegenstands und dessen Abbildungsgröße. Bei einem Maßstab von 1:1 wird das Objekt beispielsweise maßstabsgetreu dargestellt. [FREIER 1997], [BOERES ET AL 2008] Anthropomorph Menschenähnlich (bezogen auf die Gestalt einer Figur oder eines Objektes) Bedeutungsperspektive Die Abbildungsgröße menschlicher Figuren im Bild unterliegt nicht einer perspektivischen Projektion, sondern ist von der Bedeutung der dargestellten Person abhängig: je bedeutender die Person, desto größer wird sie dargestellt. Diese Art der Perspektive ist besonders in mittelalterlichen Bildern zu finden. [LUCIE-SMITH 1997] Bildebene Die Bildebene ist der Projektionsort einer Fotografie, eines Gemäldes oder eines computergrafischen Bildes, an dem das Bild entsteht. Bildkreis Der Bildkreis bezeichnet den verwertbaren Teil des durch das Objektiv entstehenden kreisförmigen Bildes. Für ein vollständiges Bild muss der Durchmesser des Bildkreises mindestens so groß sein, wie die Diagonale des Aufnahmeformats. [FREIER 1997] 68 Brennpunkt Werden parallele Lichtstrahlen durch eine Sammellinse gebrochen, schneiden sie sich in einem Punkt, dem Brennpunkt, auch als Fokus bezeichnet. [FREIER 1997] Buchmalerei Buchmalerei bezeichnet die gemalte Illustration in Büchern zur Ausschmückung oder zur Erläuterung des Dargestellten. Sie ist besonders im Mittelalter aber auch in der asiatischen Malerei zu finden. [LUCIE-SMITH 1997] Fluchtpunkt Der Punkt, in dem sich parallele Geraden, die nicht gleichgerichtet zur Bildebene verlaufen, in einer perspektivischen Projektion (Zentralprojektion) treffen. [LUCIE-SMITH 1997] Hauptebene In einer Linse wird der Ort der Lichtbrechung mit der Lage der Hauptebene angegeben. Es gibt dabei eine dingsseitige und eine bildseitige Hauptebene. Die Lage dieser Ebenen hängt von der Brechzahl, der Dicke und Krümmung der Linse beziehungsweise des Linsensystems ab. [FREIER 1997] Hauptpunkt Als Hauptpunkt wird der Schnittpunkt von Hauptebene und optischer Achse bezeichnet. Demzufolge gibt es einen dingsseitigen und einen bildseitigen Hauptpunkt. [FREIER 1997] Illusionismus „Bezeichnung für die Versuche in der Malerei auf der zweidimensionalen Bildfläche einen möglichst hohen Grad optischer Realitätsnähe zu erzeugen…“ [LUCIE-SMITH 1997, Seite 127] Kleinbildformat Das bei Filmkameras am weitesten verbreitetste Filmformat ist das Kleinbildformat, mit einer Kantenlänge von 24mm und einer Kantenbreite von 36mm. 69 Naturalismus Malstil, in dem versucht wird, die Wirklichkeit möglichst naturgetreu wiederzugeben. [LUCIE-SMITH 1997], Proportion Die Proportion bezeichnet das Verhältnis aller Teile eines Objekts oder einer Figur zueinander und zu dem sie umgebenden Raum. [LUCIE-SMITH 1997] Optische Achse Die optische Achse bezeichnet die erdachte Linie durch die Mitte einer Linse beziehungsweise eines Linsensystems. [FREIER 1997] Scherung Eine Scherung ist eine geometrische Transformation, die eine Verzerrung des Objektes bewirkt. Sie bezieht sich auf den Koordinatenursprung und bewirkt bei Objekten, die nicht in diesem verankert sind, eine zusätzliche Verschiebung. [KLAWONN 2005] 70 B. Quellen [ANG 2006] Ang, Tom: „Fotografie“, Dorling Kindersley, Starnberg, 2006 ISBN: 3-8310-0952-X [ARNHEIM 2000] Arnheim, Rudolf: „Kunst und Sehen - Eine Psychologie des schöpferischen Auges“, Walter de Gruyter, Berlin, 2000 ISBN: 3-11-016892-8 [ARNHEIM 2003] Arnheim, Rudolf: „Die Macht der Mitte – Eine Kompositionslehre für die bildenden Künste“, DuMont Literatur und Kunst, Köln, 2. 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Auflage 1999 ISBN: 3-486-87522-1 [KAMMERLOHR 3] Kammerlohr, Otto: „Epochen der Kunst, Band 3 – von der Frührenaissance zum Rokoko“, neu bearbeitet und herausgegeben von Werner Broer, Walter Etschmann, Robert Hahne, Volker Tlusty, Oldenbourg Schulbuchverlag, München, 2. Auflage 1999 ISBN: 3-486-87523-X [KAMMERLOHR 4] Kammerlohr, Otto: „Epochen der Kunst, Band 4 – vom Klassizismus zu den Wegbereitern der Moderne“, neu bearbeitet und herausgegeben von Werner Broer, Walter Etschmann, Robert Hahne, Volker Tlusty, Oldenbourg Schulbuchverlag, München, 2. Auflage 1997 ISBN: 3-486-87524-8 [KAMMERLOHR 5] Kammerlohr, Otto: „Epochen der Kunst, Band 5 – vom Expressionismus zur Postmoderne“, neu bearbeitet und herausgegeben von Werner Broer, Walter Etschmann, Robert Hahne, Volker Tlusty, Oldenbourg Schulbuchverlag, München, 2. Auflage 1997 ISBN: 3-486-87525-6 [KLAWONN 2005] Klawonn, Frank: „Grundkurs Computergrafik mit Java“, Vieweg Verlag, Wiesbaden, 2005 ISBN: 3-528-05919-2 75 [KRÖMKER 2007] Krömker, Prof. Dr. Detlef: Vorlesung Grundlagen der Computergraphik „Elemente der Bildwahrnehmung“, Universität Frankfurt am Main, 2007 URL: http://www.gdv.informatik.unifrankfurt.de/lehre/ss2007/GDV/Folien/V05Elemente-der-Bildwahrnehmung.pdf Letzter Zugriff: 7.7.2010 [LUCIE-SMITH 1997] Lucie-Smith, Edward: „DuMontś Lexikon der Bildenden Kunst“, DuMont, Köln, 2. 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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1.1 links: karolingische Buchmalerei; rechts: Renaissancegemälde ... 8 Abbildung 2.1: Zentralprojektion ................................................................ 11 Abbildung 2.2: Parallelprojektion ................................................................ 12 Abbildung 2.3: Brennweite ......................................................................... 15 Abbildung 2.4: Diagonaler Bildwinkel .......................................................... 16 Abbildung 2.5: Vertikaler Bildwinkel ............................................................ 16 Abbildung 2.6: Horizontaler Bildwinkel ........................................................ 17 Abbildung 2.7: Zusammenhang zwischen Brennweite und Bildwinkel ............. 18 Abbildung 2.8: Formatfaktor ...................................................................... 20 Abbildung 3.1: Oberfläche des EPK-Scripts .................................................. 23 Abbildung 4.1: Nebamun hunting in the marshes ......................................... 25 Abbildung 4.2: Panathenaische Amphora .................................................... 26 Abbildung 4.3: Rotfiguriger Volutenkrater.................................................... 27 Abbildung 4.4: Perseus und Andromeda ...................................................... 28 Abbildung 4.5: Die vier Evangelisten ........................................................... 29 Abbildung 4.6: Der Heilige Ildefons schreibt ein Buch ................................... 30 Abbildung 4.7: Crucifixion .......................................................................... 31 Abbildung 4.8: Die Schule von Athen .......................................................... 33 Abbildung 4.9: Raboteurs de parquets ........................................................ 34 Abbildung 4.10: Fünf Frauen auf der Straße ................................................ 35 Abbildung 4.11: Les Demoiselles d´Avignon ................................................ 36 Abbildung 4.12: Making the Bride's Gown.................................................... 37 Abbildung 4.13: Dai Nihon rokuju yo kyo no uchi ......................................... 38 Abbildung 4.14: A Popular Pleasure Pavilion ................................................ 39 Abbildung 4.15: Verzerrung ....................................................................... 41 Abbildung 4.16: Fotografische Projektion .................................................... 42 Abbildung 4.17: Screenshot aus Second Life ................................................ 43 Abbildung 4.18: Kugeln - links mit Verzerrung, rechts ohne Verzerrung ......... 43 Abbildung 4.19: Horizontales Blickfeld ......................................................... 44 80 Abbildung 4.20: Vertikales Blickfeld ............................................................ 45 Abbildung 5.1: Das Abendmahl in Emmaus.................................................. 49 Abbildung 5.2: Caravaggios Bild mit eingezeichnetem Fluchtpunkt ................ 50 Abbildung 5.3: Multiperspektive der Ägypter ................................................ 51 Abbildung 6.1: Brennweite 27mm ............................................................... 55 Abbildung 6.2: Brennweite 45mm ............................................................... 55 Abbildung 6.3: Brennweite 82mm ............................................................... 55 Abbildung 6.4: Brennweite 135mm ............................................................. 56 Abbildung 6.5: Brennweite 168mm ............................................................. 57 Abbildung 6.6: Brennweite 27mm ............................................................... 58 Abbildung 6.7: Brennweite 45mm ............................................................... 58 Abbildung 6.8: Brennweite 82mm ............................................................... 58 Abbildung 6.9: Brennweite 135mm ............................................................. 59 Abbildung 6.10: Brennweite 300mm ........................................................... 59 Abbildung 6.11: links: 15mm Brennweite; rechts: 85mm Brennweite ............. 60 Abbildung 6.12: Brennweite 10mm links: Bild ohne EPK, rechts: Bild mit EPK . 61 Abbildung 6.13: Brennweite 10mm links: Bild ohne EPK, rechts: Bild mit EPK . 61 Abbildung 6.14: Brennweite 45mm links: Bild ohne EPK, rechts: Bild mit EPK . 62 Abbildung 6.15: Brennweite 10mm links: Bild ohne EPK, rechts: Bild mit EPK . 62 Abbildung 6.16: Änderung der Kameraposition ............................................ 63 Abbildung 6.17: Brennweite 10mm links: Bild ohne EPK, rechts: Bild mit EPK . 63 Abbildung 6.18: Szene mit gedrehter Kamera: links ohne EPK, rechts mit EPK 64 D. Tabellenverzeichnis Tabelle 2-1: Brennweite und diagonaler Bildwinkel des Kleinbildformats ....... 18 Tabelle 2-2: Objektiveinteilung Kleinbildformat ........................................... 19 Tabelle 5-1: Raumdarstellung..................................................................... 47 Tabelle 6-1: Brennweiten und Bildwinkel des Versuches ............................... 56 81