Interpretation Heinrich Heine – Nachtgedanken Das Gedicht

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Interpretation Heinrich Heine – Nachtgedanken Das Gedicht
Interpretation Heinrich Heine – Nachtgedanken
Das Gedicht “Nachtgedanken” von Heinrich Heine ist ein Werk des Vormärz.
Als Heine dieses Gedicht geschrieben hat, lebte bereits 2 Jahre im
französischen Exil. Seine Werke wurden in Deutschland verboten. Für Heine
als Lyriker Schreib- und Redeverbot zu erhalten war es das schlimmste, was
ihm in Deutschland passieren konnte. Um seiner Berufung weiter nachgehen
zu können, musste er das Land verlassen.
Das lyrische Ich, welches übrigens stark mit der Person Heines korrespondiert,
setzt sich mit seiner Situation eines im Exil lebenden Deutschen auseinander.
Es befasst sich mit seiner Verantwortung gegenüber seinen Freunden und
seiner Familie, die in Deutschland zurückgeblieben waren.
In der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich seine Schlaflosigkeit beim
nächtlichen Gedanken an das verlassene Vaterland. In der letzten Zeile wird
die gefühlsmäßige Bindung an die Heimat durch Verwendung von “heißen
Tränen” deutlich. Jemand, der über sein Vaterland, aus dem er vermutlich
vertrieben wurde, immer noch Tränen vergießt, muss eine sehr starke
emotionale Bindung an sein Vaterland haben. In der zweiten Strophe wird sich
das lyrische Ich seiner Verantwortung gegenüber seiner zurückglassenen
Mutter bewußt, es hat sie seit zwölf Jahren nicht gesehen. Im letzten Vers
drückt es seine Sehnsucht nach der Mutter aus ( -> “mein Sehnen und
Verlangen”).
Im ersten Vers der dritten Strophe wird diese Sehnsucht durch die Alliteration
von “Es wächst mein Sehnen und Verlangen” und “Mein Sehnen und
Verlangen wächst” noch verstärkt. Heine verwendet dann “die alte Frau” als
Anapher, um die Person der Mutter zu verdeutlichen. Die Mutter des lyrischen
Ichs ist folglich schon relativ alt, und das lyrische ich bittet im letzten Vers
sogar Gott um ihren Erhalt. In der nächsten Strophe folgt wieder eine
Alliteration “die alte Frau” als Sinnbild für die Mutter. Es wird deutlich, dass
nicht nur das lyrische Ich Sehnsucht nach der Mutter hat, sondern auch die
Mutter. Sie schreibt ihm Briefe und liebt ihn (Vers 1-2). Im letzten Vers wird
diese Sehnsucht besonders deutlich, denn das Zittern der Hand führt das
lyrische Ich auf die Trennung von Mutter und Sohn zurück.
In der fünften Strophe bringt der Sprecher zum Ausdruck, dass ihm seine
Mutter sehr am Herzen liegt und dass er sie seit zwölf Jahren vernachlässigt
sieht. Das wird durch die Anapher “Zwölf lange Jahre” in der zweiten und
dritten Zeile, aber auch durch die Änderung der Zeitform von Präsens zu
Präteritum in diesen Zeilen deutlich, welche seine vergessene Verantwortung
widerspiegeln und die Situation zuspitzen.
In der nächsten Strophe wird die Unsterblichkeit des deutschen Vaterlandes
deutlich, das lyrische Ich macht sich über die gesellschaftliche Gesundheit des
Landes keine Sorgen (“kerngesundes Land”), allerdings glaube ich, dass der
Sprecher sehr wohl die politische Gesundheit als auch die Gesundheit der
Mutter weniger in guter Verfassung sieht, was in der nächsten Strophe
verdeutlicht wird. Das lyrische Ich sagt, dass Deutschland niemals zerstört
werden kann, jedoch ist seine Mutter nicht unsterblich. Sie macht dem
lyrischen Ich sehr große Sorgen. Ohne sie wäre auch der Aufenthalt in der
Ferne leichter zu ertragen gewesen (“Nach Deutschland lechzt ich nicht so
sehr, Wenn nicht die Mutter dorten wär.”).
In der achten Strophe bekennt sich der Sprecher seiner Verantwortung,
welcher er sich mit dem Verlassen Deutschlands entzogen hat. Viele Freunde
sind in dieser Zeit schon gestorben (“viele sanken dort ins Grab”), und der
Sprecher hat ein schlechtes Gewissen deshalb (“verbluten meine Seele”).
In der neunten Strophe erkennt das lyrische Ich schließlich, dass es sich der
Qual der Verantwortung stellen muss (“und zählen muß ich”). Der Sprecher
kann zwar am Tod seiner Freunde nichts ändern, aber sein Gewissen plagt das
Gefühl, wenigstens im letzten Augenblick bei ihnen gewesen sein zu müssen.
Dadurch nimmt der Sprecher eine gewisse Teilschuld auf sich.
Nun kommt jedoch eine dramatische Wende – mit “als wälzten sich Leichen” “Gottlob – sie weichen!” beginnt der Sprecher aufzuwachen. In der letzten
Strophe bricht der Tag durchs Fenster herein und es strahlt ihn “heiteres
Tages licht” an – französisches wohlgemerkt. Und mit ihm kommt eine Frau,
welche wie der morgen sehr schön ist – und lässt den Sprecher die Sorgen
und das Gefühl der Verantwortung gegenüber seinen Freunden, seiner Familie
und dem Vaterland vergessen.
Ich denke, dass Heine mit diesem Gedicht versucht hat, den in Deutschland
Zurückgebliebenen einen Trost oder vielmehr eine Rechtfertigung zu geben,
warum Heine nach zwölf Jahren Exil immer noch nicht zurückgekehrt ist nach
Deutschland oder zumindest Deutschland einmal besucht hat, dass die
Schönheit Frankreichs ihn so lange darüber hinwegtrösten konnte. Aber Heine
stellt sich ja später der Verantwortung, bereist Deutschland und schreibt seine
Impressionen in “Deutschland – Ein Wintermärchen” nieder.