I. Europa als Kontext der Raumentwicklung

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I. Europa als Kontext der Raumentwicklung
I
I. Europa als Kontext der Raumentwicklung
I
1. Raumordnung in Europa
1.1 Metropolen als Motoren für Raumentwicklung
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts kann die
Entwicklung einer Region wie Berlin-Brandenburg nicht mehr in nur nationalen Dimensionen diskutiert werden. Im Gegenteil, an
der Grenze zu Polen wird die Spaltung Europas gerade jetzt beseitigt. Europa wird östlicher. Längst prägt auch Europapolitik als
Rahmenbedingung oder Impuls das landesplanerische Handeln.
Die Ministerkonferenz für Raumordnung
(MKRO) stellte 1997 fest, dass Deutschland
mit Berlin-Brandenburg, Hamburg , München,
Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Stuttgart und dem
Sachsendreieck über sieben Metropolregionen von europäischer Bedeutung verfügt,
die dezentral über das Bundesgebiet verteilt
sind. Die MKRO definierte Europäische Metropolregionen als „räumliche und funktionale
Standorte, deren herausragende Funktionen
im internationalen Maßstab über die nationalen Grenzen hinweg ausstrahlen.“ Die Metropolen sollen als „Motoren der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit Deutschlands und Europas
erhalten und dazu beitragen, den europäischen Integrationsprozess zu beschleunigen“.
Für Berlin-Brandenburg enthält der Metropolenbegriff mehr Verpflichtungen als Versprechen. Für die nächsten Jahrzehnte bleibt
die Aufgabe, die deutsche Hauptstadtregion
zu einem ökonomischen, gesellschaftlichen
und kulturellen Motor von internationaler
Bedeutung weiterzuentwickeln. Der Ausbau
Berlins als Hauptstadt mit dem Sitz von
Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und
wichtiger Vertretungen vieler Staaten ist ein
wichtiger Entwicklungsimpuls nach der
Herstellung der Einheit Deutschlands und –
mit Blick auf die EU-Erweiterung – auch zur
Überwindung der Spaltung Europas an einer
Nahtstelle. Ausgangslage ist jedoch ein großer
Abstand zu Gewicht und Dynamik anderer
westeuropäischer Großstadtregionen, die im
Gegensatz zur Region Berlin und Brandenburg
in den zurückliegenden Jahrzehnten weiter
erstarken und zusammenwachsen konnten.
Metropole ist mehr als eine große Stadt.
Im Vergleich weisen die deutschen Metropolen und ihre Regionen eine große Bandbreite an Strukturunterschieden auf, die
im Zusammenhang mit der polyzentralen
Entwicklung des deutschen Städtesystems
zu bewerten sind. Einerseits bildeten sich
besondere metropolitane Funktionen im
Städtesystem heraus, andererseits ist auch
zwischen ihnen eine funktionale Spezialisierung entstanden: Frankfurt als weltweit eingebundener Finanzstandort, Berlin als Hauptstadtregion mit hervorragender Kultur- und
Wissenschaftslandschaft, Stuttgart, RheinRuhr und München als herausragende Unternehmens- und Wissenschaftsstandorte.
In der Folge der deutschen Teilung hat Berlin
den überwiegenden Teil seiner metropolitanen Funktionen im nationalen Kontext
verloren. Im Banken-, Medien- und Industriesektor war Berlin in der Vorkriegszeit führend.
Nach dem Krieg und der Teilung Deutschlands
bestanden diese Funktionen nur noch im
Ostteil Berlins fort, während sie aus dem
Westteil wegen der geopolitischen und peripheren „Insel“-Lage überwiegend auf andere
Städte in Westdeutschland verlagert wurden.
Dies hatte zur Folge, dass das wiedervereinigte Berlin gegenwärtig nur noch drei Weltfirmenzentralen auf sich vereinigt. Für eine
Metropole europäischen Ranges ist dies ein
unhaltbarer Zustand.
Aufgabe der Zukunft ist, die Region in ihrer
europäischen Mittellage zu stärken und die
Kontakte mit den hinzukommenden MOEStaaten zu verstärken. Die Vermittlung dieser
europäischen Mittellage und die damit verbundenen Vorteile als Weg in das vereinigte
Europa auf allen Ebenen wird Wissenschaft,
Wirtschaft aber auch die Gesellschaften hierher ziehen. Dafür müssen die Voraussetzungen
geschaffen werden.
18 Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
I
Netz der europäischen Metropolen
Die Metropolregionen und großen Agglomerationen der Welt sind Spiegel ökonomischer,
ökologischer und sozialer Entwicklung. Sie sind
damit ebenso Orte des notwendigen und zu
verstärkenden Ausgleiches zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Belangen.
Die Europäische Regionalkonferenz zur Vorbereitung der Weltkonferenz zur Zukunft der
Städte URBAN 21, die im September 1999
in Essen unter dem Thema „Europäische
Metropolregionen – Strategien für eine nachhaltige Entwicklung“ stattfand, ging der Frage
nach, wie eine nachhaltige Entwicklung in
den Europäischen Metropolregionen erreicht
werden kann.
Moskau
London
Berlin
Im Ergebnis von Untersuchungen mit 16
Metropolregionen aus ganz Europa wurden
fünf Aufgabenfelder herausgearbeitet, die
in allen beteiligten Regionen, wenn auch
in unterschiedlicher Gewichtung für eine
auf Nachhaltigkeit gerichtete Entwicklung
von grundsätzlicher Bedeutung sind:
j Ausgleich der verschiedenen Nutzungsansprüche an den metropolitanen Raum
j Verbesserung der Lebensqualität in
den urbanen Zentren der Metropolregionen
j Wahrung und Wiederbelebung des
kulturellen Erbes
j Entwicklung kooperativer Infrastrukturnetzwerke auf regionaler Ebene
j Entwicklung neuer Partnerschaften für
eine ausgeglichene Regionalentwicklung.
Mit dem EXPO 2000-Projekt „Nachhaltige
Entwicklung des Metropolenraumes BerlinBrandenburg“ hat die gemeinsame Landesplanung die besondere Verantwortung
von Metropolregionen für eine nachhaltige
Entwicklung herausgestellt.
Paris
Istanbul
Stadtregionen
Netz der europäischen
Wirtschaftliche
und Städte
Metropolen
Entwicklungstendenz
über 5 Millionen
Einwohner
Kern- und
Ergänzungsnetz
3 bis 5 Millionen
Einwohner
Brücken und
Verbindungen
1,5 bis 3 Millionen
Einwohner
Ausdehnung bzw.
Wiederherstellung
hoher Entwicklungsstand
mit Wachstumstendenzen
im Süden
Kernbereich
(Europäische Metropolis,
Dorsale, Blaue Banane)
Wachstumsdynamik
auf unterschiedlichem,
teilweise sehr niedrigem
Ausgangsniveau
0,75 bis 1,5 Millionen
Einwohner
Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
19
I
1.2 INTERREG
1.2.1 Die Gemeinschaftsinitiative
INTERREG im Überblick
Zusätzlich zu den klassischen Strukturinterventionen der EU, die in erster Linie auf die
Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenhalts auf nationaler Ebene abzielen, wurde 1990 das Instrument der Gemeinschaftsinitiativen (GI) geschaffen. Dabei
stehen Transnationalität und Innovation im
Mittelpunkt. Ziel der Gemeinschaftsinitiativen
ist es, innovative Ansätze zu identifizieren
und deren grenzüberschreitende Vernetzung
und damit den Erfahrungsaustausch zwischen
Regionen bzw. die Zusammenarbeiten zwischen Mitgliedstaaten zu fördern.
Ziel dieser Gemeinschaftsinitiative ist die
Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen
Zusammenhalts in der Europäischen Union
anhand der Förderung grenzübergreifender,
transnationaler und interregionaler Zusammenarbeit und polyzentral ausgewogener
räumlicher Entwicklung. Der Einbeziehung
von Regionen in äußerster Randlage und
Regionen entlang der Grenzen zu den Beitrittsländern gilt besondere Aufmerksamkeit.
Ostsee-Kooperationsraum zur EU-Förderung durch Interreg II c / III B
Finnland
Norwegen
Estland
Schweden
Die 1990 beschlossene Gemeinschaftsinitiative INTERREG zielte darauf ab, die Grenzregionen auf das mit der Schaffung des Binnenmarktes forcierte „Europa ohne Grenzen“ vorzubereiten. Die im gleichen Jahr gestartete
Initiative REGEN sollte zur Fertigstellung einiger fehlender Verbindungen des transeuropäischen Energietransport- und Versorgungsnetzes in den Ziel 1-Regionen beitragen.
Mit der Strukturfondsreform 1994 wurden
diese beiden Initiativen in der Gemeinschaftsinitiative INTERREG II zusammengefasst
(INTERREG II a und II b), die 1996 um Teil II c
„Transnationale Zusammenarbeit auf dem
Gebiet der Raumordnung“ erweitert wurde.
Russland
Mit der Programminitiative INTERREG II c
wurde erstmalig im Zeitraum 1997 bis 2001
die transnationale Zusammenarbeit auf
dem Gebiet der Raumordnung gefördert
und damit die Möglichkeit eröffnet, Raumentwicklungspolitik mit dem Instrument der
Förderung zu unterstützen. Die Fortsetzung
erfolgt seit 2001 durch INTERREG III B.
Lettland
Dänemark
Litauen
Deutschland
Belarus
Polen
EU-Staat
Nicht EU-Staat
20 Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
I
Mittel- Südosteuropäischer Kooperationsraum zur EU-Förderung durch Interreg II c / III B
1.2.2 Bedeutung von INTERREG II c / III B
für Berlin-Brandenburg
Für Berlin und Brandenburg ist diese Zusammenarbeit von essentieller Bedeutung, denn
an der derzeitigen Außengrenze der EU
stoßen sehr unterschiedliche Verwaltungsstrukturen und Planungskulturen aufeinander.
Hier sind die sozioökonomischen, die infrastrukturellen und ökologischen Unterschiede
derzeit noch sehr groß. Diese Disparitäten
sollen abgebaut werden, um den EU-Erweiterungsprozess zu unterstützen.
Im Unterschied zur grenznahen, überwiegend
investiven Förderung (INTERREG II a und III A)
werden in INTERREG II c und III B Konzepte,
Strategien und Studien gefördert, die Partner
aus mehreren Staaten in großen EU-Kooperationsräumen zur transnationalen Raumentwicklung durchführen.
Berlin und Brandenburg gehören sowohl
zum Kooperationsraum Ostseeraum (Baltic
Sea Region - BSR) als auch zum südosteuropäischen Raum (Central Adriatic Danubian
South Eastern Space-CADSES).
Polen
Deutschland
Tschechien
Ukraine
Slowakei
Österreich
Italien
Moldawien
Ungarn
Slowenien
Kroatien
Rumänien
Bosnien und
Herzegowina
Jugoslawien
Bulgarien
Mazedonien
Albanien
Griechenland
Erforderlich für INTERREG -Projekte in beiden
Kooperationsräumen ist die transnationale
Kooperation von jeweils mindestens drei Partnern aus drei Staaten bei wichtigen
Fragen der europäischen Raumentwicklung
auf der Basis gemeinsamer EU-Förderanträge
und Kooperationsverträge.
Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
EU-Staat
EU-Beitrittsanwärter
Nicht EU-Staat
21
I
1.2.3 INTERREG II c- Projekte in Berlin
und Brandenburg
Die Gemeinsame Landesplanungsabteilung
der Länder Berlin und Brandenburg (GL) hat
unter Beteiligung der Gebietskörperschaften
die von der EU gebotene Chance zur Förderung von Kooperationsprojekten zur Raumentwicklung intensiv genutzt.
INTERREG II C: Projekte mit Beteiligung der Länder Brandenburg und Berlin
1. Metropolitan Areas
Metropolenräume im Vergleich,
Raumsysteme europäischer Hauptstädte zur nachhaltigen Raumentwicklung
........................................................................................ ........
Städte-Netzwerk
2. Waterfront Urban Development
Konversion von brachliegenden Arealen am Wasser
........................................................................................ ........
Transregionales Strukturentwicklungskonzept
3. Baltic Bridge
Berlin – Szczecin/Stettin (Polen) – Ska° ne/Schonen (Südschweden)
Städtenetz, Entwicklungskonzepte und Regionalmarketing
........................................................................................ ........
Vorbeugender transnationaler Hochwasserschutz im Oderraum
4. Oderregio
........................................................................................ ........
Modelle zur Stadt-Umland-Kooperation für Berlin, Budapest, Sofia und Prag
5. Implan
........................................................................................ ........
Intelligente Güterverteilsysteme
6. Translogis
........................................................................................ ........
Transnationale Strukturentwicklungskonzepte von Finnland über das
7. Via Baltica Development Zone
Baltikum, Warschau bis Berlin und Brandenburg
........................................................................................ ........
Nachhaltige räumliche Wassertourismus-Entwicklung im Ostseeraum
8. Suportnet
Anbindung der Binnengewässernetze an die Ostsee
........................................................................................ ........
Konzepte nachhaltiger Verkehrsentwicklung der Korridore
9. Sustrain
Wien – Prag – Brno/Brünn und Dresden – Cottbus – Berlin
als Verbindung vom CADSES-Raum zum Ostseeraum
........................................................................................ ........
10. Baltic Manual
Synopse von nationalen Planungsbegriffen und -systemen
Ostseeraum
CADSES-Raum
Bei der Projektentwicklung haben im Vorfeld
der EU-Erweiterung folgende drei Hauptthemen, als gemeinsame Interessen von Berlin
und Brandenburg, eine wichtige strategische
Bedeutung:
j Kooperation von Metropolenräumen
und Netzwerken von Hauptstädten
(z.B. Metropolitan Areas),
j Entwicklung und Erweiterung der bisher
unzureichenden Verkehrskorridore in Richtung
j Norden (Berlin/BrandenburgRostock - Skandinavien )
j Nord- Osten (Berlin/Brandenburg Szczecin/Stettin - Baltikum)
j Süd- Osten (Berlin/Brandenburg
Wrocĺaw/Breslau - Prag - Wien- Süd-OstEuropa) und Verknüpfung mit den
westeuropäischen Verbindungen,
j Entwicklung von Grenzräumen zu Verbindungsräumen (Städtenetze, Tourismus,
Infrastruktur).
Mit zahlreichen Partnern der Ostseeregion
und des Süd-Ost-Europäischen Raumes hat die
GL federführend vier INTERREG II c- Projekte
durchgeführt und an fünf weiteren Projekten
maßgeblich mitgewirkt (vgl. auch die Kurzdarstellung der Projekte im Kapitel III 9).
Die INTERREG II c- Projekte mit einer jeweils
zweijährigen Laufzeit wurden bis zum Juni
2001 erfolgreich abgeschlossen.
Einerseits hat die Beschäftigung mit Fragen
und Handlungserfordernissen der grenzübergreifenden und transnationalen Raumordung
durch diese Initiative einen enormen Schub
erhalten. Andererseits wurde in einer Vielzahl
von Projekten das Verständnis als gemeinsame Hauptstadtregionen aufgebaut und
nach außen sichtbar gemacht. Dies soll an
den folgenden Beispielen gezeigt werden:
j Metropolitan Areas: Die Gemeinsame
Landesplanung, ein Berliner Bezirk und die
Arbeitsgemeinschaft der Regionalen Entwicklungszentren präsentierten erstmals gemeinsam die Standortqualitäten im Metropolenraum. Infrastrukturausstattung und Verkehrsverbund, Lebensqualitäten, Siedlungssystem
und Landschaften, die Tätigkeit von Behörden
und Einrichtungen, die Verknüpfung kommunaler und Landesziele, Lebensweise - dies
waren und sind einige wichtige mit Interesse
von außen wahrgenommene Faktoren der
Standortwerbung.
j Implan: Die Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung und die Brandenburger
Umlandgemeinden eines Kooperationsraumes
der Nachbarschaftsforen haben im Erfahrungsaustausch mit den Metropolen Wien,
Budapest, Sofia und Prag zeigen können,
dass Kommunikationsfähigkeit und Interessenausgleich zwischen „großer Hauptstadt“
und „kleinen Nachbargemeinden“ unabdingbar gerade für eine freiraumschonende
Siedlungsflächenentwicklung notwendig ist.
22 Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
I
j OderRegio: Mit diesem Projekt wurde
die transnationale Zusammenarbeit in der
Raumordnung am Beispiel des Hochwasserschutzes in Verbindung mit der Regionalentwicklung beiderseits der Oder gefördert.
Mit Beteiligten aus Deutschland, Polen und
Tschechien wurden Methoden und Handlungsschwerpunkte zur raumordnerischen
Hochwasservorsorge für das gesamte Einzugsgebiet der Oder erarbeitet und transnational
abgestimmt. Im Ergebnis einer Problemund Gefährdungseinschätzung in den einzelnen Teileinzugsgebieten der Oder wurden
raumordnerische und wasserwirtschaftliche
Handlungsfelder differenziert nach Handlungsräumen beschrieben.
j Waterfront: Eines der wichtigsten Ziele
nachhaltiger Stadt- und Regionalentwicklung
ist die Begrenzung des Siedlungsflächenwachstums, also auch die Nutzung innerstädtischer Flächenreserven. Vor Städten,
die über attraktive Wasserlagen verfügen,
liegen besondere Herausforderungen funktioneller, gestalterischer, finanzieller und auch
planungsrechtlicher Art. Dies galt es zusammenzutragen, zu systematisieren und an
Beispielen zu erproben. Berlin und die Brandenburger Städte Potsdam, Werder repräsentieren wiederum gemeinsam ein Bild der
Region: „Region mit attraktiven Städten am
Wasser und hoher Lebensqualität“.
Auf zwei internationalen Symposien in Berlin,
2000 und 2001, wurde Bilanz gezogen über
die INTERREG II c-Projekte und Ausblick gegeben auf die neue Programminitiative Interreg
III B und die Handlungsfelder von neuen
Kooperationen. Ein Memorandum, verabschiedet von den Teilnehmern, dokumentiert das
Ziel einer gemeinsamen grenzübergreifenden
und transnationalen Raumentwicklung.
Memorandum – zur transnationalen Kooperation in der nordosteuropäischen Raumentwicklung
Vor dem Hintergrund der friedlichen Einigung Europas, der angestrebten Erweiterung der Europäischen Union nach
Mittel- und Osteuropa, der Globalisierung der Wirtschaft und gestützt auf das Europäische Raumentwicklungskonzept
vom Mai 1999 sowie auf die Gemeinschaftsinitiativen der Europäischen Kommission zur Förderung der regionalen
Strukturentwicklung erklären die Teilnehmer des Symposiums „Europäische Zusammenarbeit durch transnationale
Projekte zur Raumentwicklung in Mittel- und Osteuropa – Bilanz und Ausblick“:
•
die Kräfte auf dem Gebiet Raumentwicklung
künftig stärker zu bündeln, um im globalen
Wettbewerb mit anderen Regionen mehr
Gewicht zu erhalten,
•
die Stärkung der Kooperationen durch
Netzwerke soll zum Beispiel das Marketing,
den Wissenstransfer und die Analyse
gemeinsamer Potentiale und Problemlagen
mit Basisinformationen für großräumige
konzeptionelle Lösungsansätze verbessern,
•
die von der Europäischen Kommission geschaffenen Gemeinschaftsinitiativen zur großräumigen
Kooperation in der Raumentwicklung verstärkt
zu nutzen und in Interreg III weiter zu enwickeln,
•
die laufenden INTERREG II c- Projekte zu einem
erfolgreichen vorläufigen Abschluss zu bringen
als praktisch verwertbare, investitionsvorbereitende Planungsgrundlagen,
•
•
die Chancen für gemeinsame Folgeprojekte im
Programm Interreg III B (möglichst gekoppelt
mit III A) zu nutzen, um rechtzeitig unter
Einbeziehung regionaler und lokaler Willensbildungen Partnerschaften zu erneuern oder
neue zu entwickeln, Träger- und Finanzmodelle
aufzubereiten und entsprechende Antragsentwürfe auszuarbeiten,
•
die Kooperation und die Netzwerke von Städten
und Regionen zu vertiefen, und zur Bewältigung
der Disparitäten zwischen Städten und ländlich
strukturierten Räumen durch ein besseres
regionales Management beizutragen,
•
die nachhaltige Raumentwicklung gemäß den
Grundsätzen des Europäischen Raumentwicklungskonzeptes (EUREK) durch transnationale
Siedlungs-, Wirtschafts-, Infrastruktur-, Tourismusund Freiraumkonzepte zu unterstützen und
durch die Entwicklung dezentraler, auf einander
abgestimmter Handlungs- und Umsetzungskonzepte mit Investitionen vorbereitendem und
unterstützenden Charakter umsetzungsgerecht
unter Einbeziehung von z.B. EU-Strukturfonds
voranzubringen,
•
die transnationale Kommunikation durch raschen
Ausbau und Verbesserung abgestimmter umweltfreundlicher Transport- und Logistiksysteme
sowie durch transeuropäische und interregionale
Konzepte des Schienenverkehrs und der Verkehrssysteme aller Verkehrsträger in ihrer Verbindung
mit regionalen Schnittstellen zu Bahnhöfen,
Häfen, Wasserwegen, Straßen(-knoten) und Flughäfen zu verbessern,
•
die Gefahren von Hochwasser durch vorbeugende,
grenzüberschreitend abgestimmte raumordnerische
Maßnahmen abzubauen, die zur nachhaltigen
Raumentwicklung beitragen.
die Einbeziehung von Nicht-EU- bzw. NichtBeitrittsstaaten durch unterschiedliche
Kooperationsformen, die künftig verlässlicher
durch PHARE zu stützen sind, zu ermöglichen,
Die Teilnehmenden vereinbaren, ähnliche Netzwerk-Konferenzen von nun ab möglichst jährlich an
wechselnden Orten durchzuführen, um eine dauerhafte und regionalpolitisch wirksame Assoziation einzurichten,
die als Netzwerk der gemeinsamen Entwicklung unseres nordosteuropäischen Raumes im Wettbewerb zwischen
den europäischen Regionen größeres Gewicht und immer wieder neue Impulse geben soll.
Einvernehmlich angenommen am 3. Juli 2000 durch die Vertreter von neun Interreg II c-Projekten,
an denen die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg beteiligt ist.
Berlin, den 3. Juli 2000
Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
23
I
1.2.4 Ausblick auf INTERREG III B
INTERREG III B ist das EU-Nachfolge-Programm zu INTERREG II c im Zeitraum 20012006. Das INTERREG III B-Programm für den
Ostseeraum wurde am 14.09.2001 und das
für den CADSES-Raum am 27.12.2001 von der
EU-Kommission genehmigt. Die Operationellen Programme für INTERREG III B umfassen
den Zeitraum bis zunächst 2006 mit Option
der Verlängerung bis 2008.
Nach der erfolgreichen Bilanz der INTERREG
II c-Projekte wird die Gemeinsame Landesplanungsabteilung der Länder Berlin-Brandenburg die grenzüberschreitende und transnationale Arbeit mit Hilfe der weiterführenden
Programminitiative INTERREG III B verstärken.
Schwerpunkte werden dabei der vorbeugende
Hochwasserschutz, Kooperation von Metropolregionen, Verkehrsinfrastruktur und Sanierung von Bergbaufolgelandschaften sein .
Die Projekte Metropolitan Areas+ (Kooperation von Metropolenräumen zur Stärkung
ihrer Wettbewerbsfähigkeit), Oderregio II
(vorbeugender Hochwasserschutz) und
Baltic+ (Erarbeitung gemeinsamer Raumentwicklungsstrategien und Bildung von Raumpartnerschaften) wurden bereits genehmigt.
Hier ist die Gemeinsame Landesplanungsabteilung Lead-Partner bzw. Partner. Im März
2003 wurde für das Projekt Waterfront Urban
Development II ein Projektantrag mit dem
transnationalen Schwerpunktthema „Stadt
des Wissens“ eingereicht. Berlin und Potsdam
sind Projektpartner.
1.3 EUREK – Europäisches Raumentwicklungskonzept
Gewissermaßen ein konzeptionelles Dach
über die verschiedenen Aktivitäten der EU
zur Raumordnung und Regionalentwicklung
bildet das Europäische Raumentwicklungskonzept. Das EUREK bündelt gemeinsame
Grundsätze und Ziele für eine räumlich ausgewogene und nachhaltige Entwicklung
der Europäischen Union, ohne die staatliche
Kompetenz in Frage zu stellen. Es stellt eine
von den Mitgliedstaaten mit den Regionen
der EU und der Europäischen Kommission
gemeinsam erarbeitete und gemeinsam
getragene politische Einschätzung und Bestandsaufnahme der räumlichen Entwicklung
Europas dar.
Nach mehrjährigen Entwurfs-, Diskussionsund Beteiligungsprozessen wurde das
EUREK beim „Informellen Rat der für Raumordnung zuständigen Minister in Potsdam“
(EU-Raumordnungs-Minister-Konferenz)
im Mai 1999 angenommen.
Grundsätzlich wird mit dem EUREK eine
ausgewogene und nachhaltige Raumstruktur
der EU angestrebt. Dabei bezieht sich das
Dokument mit seinen Forderungen auf die
Verknüpfung der drei grundlegenden Ziele
der EU: Förderung des wirtschaftlichen
und sozialen Zusammenhaltes, Erhaltung
der natürlichen Lebensgrundlagen und des
kulturellen Erbes sowie Sicherung einer ausgeglicheneren Wettbewerbsfähigkeit des
europäischen Raumes.
24 Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
I
Diese Ziele sollen gemeinsam von den europäischen Institutionen sowie den nationalen,
regionalen und lokalen Akteuren verfolgt
und ihre Wechselwirkungen berücksichtigt
werden. Ausgehend von den räumlichen
Grundvorstellungen des EUREK
j Entwicklung eines polyzentrischen und
ausgewogenen Städtesystems und Stärkung
der Partnerschaft zwischen Stadt und Land,
j Förderung integrierter Verkehrs- und
Kommunikationskonzepte,
j Entwicklung und Pflege der Natur und
des Kulturerbes
werden zur Umsetzung der Ziele Handlungsoptionen zu verschiedenen Politikbereichen
mit Raumbezug benannt, wie z.B.:
j Stärkung einer polyzentrischen Raumund Siedlungsentwicklung und von ausgewogenen Städte- und Metropolenregionen sowie
von Städtenetzen,
j Engere Zusammenarbeit der Strukturpolitik und der Politik der Transeuropäischen
Netze durch nachhaltige Verbesserung der
Verbindungen zwischen internationalen/
nationalen und regionalen/lokalen Verkehrsnetzen in den betroffenen Räumen,
j Förderung diversifizierter Entwicklungsstrategien für ländliche Räume, die an deren
jeweilige Entwicklungspotentiale angepasst
sind und die eine eigenständige Entwicklung
ermöglichen,
j Ausbau der strategischen Rolle der
Metropolregionen, Städte und Gemeinden
als Motoren der Raumentwicklung in Europa,
j Förderung der Zusammenarbeit zwischen
Stadt und Land mit dem Ziel, die funktionale
Zusammenarbeit in den Regionen zu stärken,
j Bessere Koordinierung von Fachpolitiken
mit der Raum- und Siedlungsentwicklung in
den Staaten und Regionen,
j Förderung der transnationalen und
interregionalen Zusammenarbeit in der
Raumentwicklung, z.B. bei der Durchführung
integrierter Strategien für das Management
der Wasserressourcen insbesondere in dürreund hochwassergefährdeten Gebieten und
Küstenregionen.
Im Sinne dieser Grundsätze sollen Entwicklungs-, Ausgleichs- und Erhaltungsziele verknüpft und entsprechend der jeweiligen
Situation gewichtet werden. Hierin sieht man
u.a. die Möglichkeit positiv Kräfte zu bündeln,
die Effektivität von EU-Politiken zu steigern
und Doppelarbeit sowie sonstige negative
Effekte zu vermeiden. Gleichzeitig wird gefordert, für raumwirksame Politikbereiche die
ausgewogene Raumentwicklung zum grundlegenden Handlungsprinzip zu machen.
Mit dem EUREK haben die Mitgliedsstaaten
freiwillig und konsensual die politische
Zusammenarbeit in der europäischen Raumentwicklung auf Basis gemeinsamer
Grundsätze und Ziele durch die Raumordnungsminister und Parlamente vereinbart.
Mit der Osterweiterung der EU wird sich
ein neuer Bezugsraum für das EUREK bilden.
Darum wird im EUREK selbst bereits ein
Ausblick gegeben, welche nächsten Schritte
auf den unterschiedlichen Ebenen erforderlich
sind, um zu einer neuen Perspektive unter
Beteiligung der Beitrittsstaaten und ihrer
betroffenen Teilräume zu gelangen.
Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
25
2. Ost-Erweiterung der Europäischen Union
2.1 Impulse und Herausforderungen
I
Die westeuropäische Integration hat im
vergangenen Jahrzehnt drei große Impulse
erfahren. Dies sind erstens die Schaffung des
gemeinsamen Binnenmarktes 1992, zweitens
die EU-Norderweiterung 1995 und drittens
die Umsetzung der Währungsunion 2002.
Mit der EU-Osterweiterung, die im Mai 2004
zehn Staaten - Estland, Lettland, Litauen,
Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern – zu EU-Mitgliedern
machte, verbindet sich die Erwartung eines
neuen Impulses. Gleichzeitig markiert die
Aufnahme von ehemaligen ComeconLändern den fortschreitenden Übergang
von der westeuropäischen zur gesamteuropäischen Integration.
Europäische Union
Finnland
Schweden
Irland
Großbritannien
Estland
Lettland
Dänemark
Litauen
Niederlande
Deutschland
Polen
Belgien
Luxemburg
Tschechien
Slowakei
Frankreich
Im Zuge der EU-Osterweiterung erwarten
die meisten Politiker und Ökonomen eine
win-win-Situation, trotz mancher Zweifel.
Die neuen Mitgliedsländer erhoffen sich einen
beschleunigten ökonomischen Aufholprozess.
Die bisherigen Mitglieder setzen auf verbesserte Marktchancen durch den erweiterten
Binnenmarkt.
Angesichts der Lage im äußersten Osten
der bisherigen EU und der unmittelbaren
Nachbarschaft zu Polen ist für die Region
Berlin-Brandenburg zu erwarten, an den
anstehenden Entwicklungen besonders
intensiv Teil zu haben.
Bei der Analyse der Ausgangsvoraussetzungen sind immer wieder zwei Fragen zu stellen:
Erstens: Welche positiven Impulse und welche
zusätzlichen Belastungen wird die EU-Osterweiterung und für Berlin-Brandenburg besonders der Beitritt Polens bringen. Zweitens:
Wo werden die Effekte spürbar werden. Ist
Berlin-Brandenburg besonders betroffen,
weil dieser Wirtschaftsraum unmittelbar an
Polen grenzt und die östlichen Wirtschaftsräume relativ nah zu Berlin liegen? Oder wird
die ökonomische Integration eher strukturstabilisierend sein, so dass Unternehmen aus
den westdeutschen und westeuropäischen
Ballungsräumen engere Verbindungen in
den Osten entwickeln werden? Schon die
Fragestellungen zeigen, dass die Antworten
differenzierter ausfallen müssen.
Österreich
Italien
Portugal
Ungarn
Slowenien
Rumänien
Spanien
Bulgarien
Griechenland
Türkei
Zypern
Mitglieder
Beitrittsländer 2004
Beitrittskandidaten
Beitrittsverhandlungen ab 2005
26 Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
I
Einerseits kann auf die zumeist überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Wachstumsraten und Arbeitskostenvorteile bei den östlichen Nachbarn und die daraus erwarteten
neuen Synergien und Entwicklungsschübe
verwiesen werden. Beispielsweise ist absehbar, dass die Zahl der jungen Erwerbstätigen
auf Grund des demographischen Wandels
überall in Europa in Zukunft rasch abnehmen
wird. Arbeitskräftemangel wird ein zunehmendes Problem werden. In den östlichen
Staaten sind die demographischen Strukturen
zwar nicht deutlich anders als in Westeuropa.
Aber aufgrund der Wirtschaftsstruktur mit
einem hohen Anteil an Beschäftigten in der
Landwirtschaft bestehen zumindest quantitative Arbeitskräftepotenziale, die im doppelten
Strukturwandel von Demographie und Ökonomie genutzt werden können.
Andererseits können die bestehenden
Lohn- und Wohlstandsgefälle eine starke
Zuwanderung von Arbeitskräften auslösen,
die Arbeitsmarktprobleme im Wirtschaftsraum Brandenburg weiter verschärfen
könnten. Da die Wirtschaftskraft in den meisten Beitrittsländern weit unterdurchschnittlich ist, werden trotz stabiler BIP-Wachstumsraten auf lange Zeit noch keine besonders
belebenden Impulse aus dem Osten zu erwarten sein. Im Raum Berlin-Brandenburg
sind zudem auf Grund der Wirtschaftsstruktur
mit wenig Industrie, wenig Unternehmenssitzen und geringer Internationalisierung die
Anknüpfungspunkte für Impulse aus der Osterweiterung eher gering. Deswegen werden
voraussichtlich die positiven Effekte letztlich
in den etablierten Wirtschaftsräumen Südwestdeutschlands spürbar werden, während
für Berlin-Brandenburg vor allem die Anpassungs- und Transitlasten blieben.
Aus der Region Berlin-Brandenburg werden
vielfältige Kontakte und Markterfahrungen
mit Mittel- und Osteuropa eingebracht. Es
besteht ein beachtliches Potenzial an Fachleuten mit fremdsprachlichen Kenntnissen
und eine sehr gute Ausstattung mit kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen.
EU-Osterweiterung: Strukturdaten ausgewählter Beitrittsländer
Estland
Lettland
Litauen
Polen Slowakei Tschechien Ungarn EU 15
.................................................................................................
Einwohner 2001 (Mio.)
1,4
2,4
3,5
38,6
5,4
10,3
10,2
377,0
.................................................................................................
62,0
60,4
59,9
51,5
56,8
56,6
65,6
64,2
Beschäftigungsquote
2002 (%)
.................................................................................................
10,3
12,1
13,7
19,9
18,7
7,3
5,9
7,8
Arbeitslosenquote
2002 (%)
.................................................................................................
3,9
2,6
0,9
10,1
12,1
3,9
10,0
2,1
.................................................................................................
BIP 2000 in Mrd. EUR
5,5
7,7
12,2
171,0
20,9
55,0
49,5 8.510,2
.................................................................................................
BIP Wachstum 2000 (%)
6,9
6,6
3,3
4,0
2,2
2,9
5,2
3,3
.................................................................................................
BIP pro Kopf in KKS
38,5
33,4
37,3
40,9
44,7
60,4
51,5
100,0
Inflationsrate 2000 (%)
2001 (EU 15 = 100)
.................................................................................................
5,2
5,7
5,1
6,3
3,9
1,5
4,0
2,5
BIP Wachstum Mittel
1995 bis 2001 (%)
.................................................................................................
Quelle: Statistisches Bundesamt: Die Beitrittsländer der EU; Zahlen und Fakten 2000/2001; Eurostat;
3. Kohäsionsbericht der Europäischen Union
Daran wird die Erwartung geknüpft, dass der
Hauptstadtregion aus der neuen Lage eine
prägendere Mittlerrolle zwischen west- und
mittelosteuropäischen Regionen und Städten
zuwachsen wird. Das kann dem sozialen und
kulturellen Austausch neue Impulse geben
und den wirtschaftlichen Handel verstärken.
Dabei soll durchaus nicht übersehen werden ,
dass auch andere Großstädte an der alten
Nahtstelle zwischen Ost und West wie Kopenhagen und Wien, Prag und Budapest ebenfalls
aus der Randlage herausrücken und mit Berlin
im Wettbewerb stehen.
Diese Überlegungen zeigen: Die Zukunft ist
noch offen. Die Staaten Mittel- und Osteuropas befinden sich in einem Prozess der Konsolidierung ihrer demokratischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, bei dem die notwendigen Reformen und Anpassungen an die
EU ihnen wegen der beträchtlichen sozialen
und wirtschaftlichen Probleme viel abverlangen. Der Aufbau einer leistungsfähigen Marktwirtschaft in diesen Staaten und die positive
Entwicklung ihrer Beziehungen untereinander
liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse der
EU und der Region Berlin-Brandenburg.
Darüber hinaus wird der Wirtschaftsraum
Berlin-Brandenburg in der erweiterten EU
nicht länger am Rande liegen, sondern in
eine Mittellage rücken. Da Raumbilder durchaus politisches und wirtschaftliches Handeln
beeinflussen, kann auch dieser Faktor bedeutsam werden.
Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
27
I
2.2 Ansatzpunkte für die europäische
Raumentwicklung
Die Nachbarn in Mittel- und Osteuropa
sind reich an regionalen Kulturen, Entwikklungspotentialen, Ressourcen und wertvollen
Naturräumen. Ihre Städte gewinnen nach intensiver Aufbauarbeit und behutsamer Pflege
neue Anziehungskraft. Dem Nachholbedarf
bei Infrastrukturen und Wirtschaftsleistung
stehen vielfältig erweiterte neue Märkte und
das Know-how der Menschen gegenüber.
Es gilt, diese Chancen der Erweiterung der
Europäischen Union gemeinsam rechtzeitig
zu erkennen und auszubauen. Hierzu sind
insbesondere die regionalen Einbindungen
in die transeuropäischen Netze des Schienenverkehrs und der Verkehrsträger insgesamt
nachhaltig weiterzuentwickeln. Die bisher
vernachlässigten Korridore, wie z.B. BerlinSzczecin/Stettin-Gdańsk/Danzig in Richtung
Baltikum und über den Seehafen Szczecin/
Stettin über die nordöstliche Ostsee nach
Skandinavien und nach St. Petersburg, dem
wiedererwachenden Tor nach Russland, sowie
Berlin-Cottbus-Wrocĺaw/Breslau und über
Dresden nach Prag-Wien in Richtung SüdOsteuropa brauchen die tatkräftige Unterstützung durch die Europäische Union.
Ebenso stellt die europäische Achse ParisBerlin-Warschau-Moskau eine herausragende
Entwicklungsaufgabe der EU dar.
Berlin und Brandenburg müssen sich darauf
einstellen, dass vor allem technologisch fortgeschrittene und kapitalintensive Bereiche
von der EU-Osterweiterung profitieren. Wirtschaftsbereiche mit hohen Arbeitskostenanteilen und unterdurchschnittlichen Qualifikationen werden dagegen zunehmender
Konkurrenz aus den Beitrittsstaaten ausgesetzt sein.
Die möglichen Risiken, die mit dem sich verschärfenden wirtschaftlichen Wettbewerb,
der zunehmenden Mobilität hinsichtlich der
Wahl des Wohnstandortes und des Arbeitsplatzes und der wachsenden Transitverkehre
einher gehen, müssen aufmerksam untersucht
und auf sie ggf. rechtzeitig und mit wirksamen
Auffangstrategien reagiert werden. So kann
längerfristig wieder eine Balance zwischen
dem westlichen Europa und den dynamischen
Zukunftsregionen in Mittel-Ost-Europa hergestellt werden.
Aus der Sicht der Region Berlin-Brandenburg
ergeben sich folgende Ziele für die europäische Kooperation in der Raumentwicklung im
Kontext der EU-Erweiterung:
j Bildung einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Kooperationsregion in MittelOst-Europa; Abbau von Ungleichgewichten
und räumliche Integration mit Beitritts- und
Nachbarländern,
j Förderung der räumlichen Integration
in europäischen Grenz- und Kooperationsräumen, darunter als Schwerpunkte die
Euroregionen, der Ostseeraum und der
CADSES- Raum sowie die Kooperation der
Metropolenräume,
j Förderung der transnationalen Kooperation zwischen staatlichen, regionalen und
kommunalen Körperschaften sowie von
privaten Akteuren in Metropolen und Grenzräumen,
j Berücksichtigung des Europäisches
Raumentwicklungskonzeptes,
j Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der Grenz- und Kooperationsräume und
Stärkung ihrer Position in der Weltwirtschaft,
j Verminderung des sozioökonomischen
Gefälles zwischen Mitgliedstaaten und den
Beitrittsstaaten.
28 Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
I
2.3 Deutsch-Polnische Zusammenarbeit
2.3.1 Vom Nebeneinander zur Nachbarschaft
Im Zentrum des Berlin-Brandenburger
Interesses an der EU-Osterweiterung steht
der Beitritt Polens im Jahre 2004, wodurch
ohne Zweifel eine neue Phase der Nachbarschaft und Kooperation beginnen wird.
Polen ist das mit Abstand bevölkerungsreichste unter den Beitrittsländern und hat
zu Brandenburg eine 252 km lange gemeinsame Grenze.
Berlin und Warschau sind seit 1991 Partnerstädte, 61 Brandenburger Kommunen
haben entsprechende Verbindungen zu
polnischen Partnern geknüpft. Politische,
planerische und technische Kooperation
ergänzen einander. Dazu gehören Informationsaustausch und Zusammenarbeit der
grenznahen Kommunen, Kooperation in den
Euroregionen wie auch beim Ausbau der
verkehrlichen und technischen Infrastruktur.
Für die Region Berlin-Brandenburg und ihre
polnischen Nachbarregionen ist die Zusammenarbeit von ganz besonderer Bedeutung,
denn hier gilt es, die Barrieren zu überwinden,
die Kriegsfolgen und jahrzehntelange politische Teilung hinterlassen haben. Der Ausgleich der großen Wohlstandsunterschiede
und der Abbau der drückenden Mängel
in der Infrastruktur sowie auch der überkommenen Vorurteile und Klischees und das
Schaffen eines stabilen Vertrauens sind
langfristige Aufgaben. Auch die Zusammenarbeit in der Raumentwicklung kann hierzu
einen Beitrag leisten.
Grundlage der Zusammenarbeit ist der
zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik 1991 geschlossene Vertrag über
gute Nachbarschaft und freundschaftliche
Zusammenarbeit. Er hebt hervor, dass das
deutsch-polnische Grenzgebiet ein zentrales
Bindeglied zwischen West- und Mittel- bzw.
Osteuropa darstellt. Den im gemeinsamen
Grenzgebiet gelegenen Regionen, Städten
und Gemeinden und anderen Gebietskörperschaften kommt daher eine Vorreiterrolle in
der grenzübergreifenden Zusammenarbeit zu.
Einen besonderen Beitrag in der praktischen
Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften,
Verbände und Einrichtungen leisten dabei
die drei Euroregionen Pommerania, Viadrina
und Spree-Neiße-Bober, z.B. im Rahmen der
EU-Gemeinschaftsinitiative INTERREG.
2.3.2 Kooperation bei der Raumordnung
Wichtigstes Anliegen der 1992 eingerichteten
Deutsch-Polnischen Raumordnungskommission, die wesentliche Impulse für die Zusammenarbeit gesetzt hat, ist der gegenseitige
Informationsaustausch und die Abstimmung
raumrelevanter Fragen und Planwerke mit
grenzübergreifender Wirkung. Hierzu zählen
u.a. Bauleitpläne der Gemeinden sowie regionale und überregionale Planungen im Raum
entlang der deutsch-polnischen Grenze.
Die Verwaltungen auf Landes- und Regionalebene beteiligen sich seither gegenseitig
bei der Erarbeitung von Planwerken, wie z.B.
dem Landesentwicklungsplan für den Gesamtraum Berlin- Brandenburg und dem Regionalplan Oderland-Spree 1998/99 sowie dem
Wojewodschaftsplan von zachodniopomorskie/Westpommern und dem Raumordnungsplan der Wojewodschaft Lubuskie/Lebus 2002.
Zur Intensivierung des Informations- und
Erfahrungsaustausches und Sicherstellung
der rechtzeitigen Abstimmung über Fragen
der grenzübergreifenden Raumentwicklung
haben die gemeinsame Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg und die zuständigen Abteilungen der benachbarten
Wojewodschaften 1997 einen gemeinsamen
Arbeitskreis gebildet. Ein bedeutsames Ergebnis dieser grenzübergreifenden Zusammenarbeit war 1997 das gemeinsam erstellte
zweisprachige Kartenwerk über die Raumordnerischen Grundlagen für das Gebiet entlang der brandenburgisch-polnischen Grenze,
das eine gute Arbeitshilfe für die künftige
Zusammenarbeit darstellt.
Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
29
I
Berlin, Brandenburg und Nachbarwojeodschaften
Mecklenburg-Vorpommern
Szczecin
Woj. zachodniopomorskie
Westpommern
Gorzow
Wielkopolski
SachsenAnhalt
Woj. wielkopolskie
Berlin
Potsdam
Woj. Lubuskie
Lebus
Brandenburg
Zielona Gora
Woj. dolnoslaskie
0 10 20 30 40 50 km
Sachsen
Seit 2000 arbeitet die Deutsch-Polnische
Raumordnungskommission als Ausschuss
der Regierungskommission für regionale und
grenznahe Zusammenarbeit. Dieser Raumordnungsausschuss kam überein, die 1995
verabschiedeten „Raumordnerischen Leitbilder
entlang der deutsch-polnischen Grenze“ zu
aktualisieren und zu konkretisieren. In diesem
Rahmen soll die durch EU-Fonds geförderte
projektorientierte Zusammenarbeit durch eine
Arbeitsgruppe kritisch begleitet werden, um
dadurch gemeinsame Projekte der Raumentwicklung zu unterstützen. Darüber hinaus
soll versucht werden, eventuelle Hemmnisse
und Konflikte bei der Koordinierung der EUGemeinschaftsinstrumente INTERREG II c / III B
sowie Phare zu analysieren und auszuräumen.
Die Raumordnerischen Leitbilder für den
Grenzraum beinhalten räumliche Entwicklungsvorstellungen beider Staaten im engeren
Grenzraum und gemeinsame Entwicklungsstrategien, um die Wettbewerbsfähigkeit des
Grenzraumes im europäischen Maßstab
zu stärken. Mit ihren längerfristigen Zielen
zur Entwicklung der Siedlungsstruktur, der
Wirtschaft, der Verkehrsinfrastruktur und der
Umwelt, zum vorbeugenden Hochwasserschutz, zur Braunkohlesanierung sowie zur
Stadtentwicklung und Stadterneuerung,
bieten die Leitbilder den Kommunen und
Regionen eine Hilfe für die engere grenzüberschreitende und die interregionale Zusammenarbeit.
Die unmittelbare Nachbarschaft der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg mit dem
künftigen EU-Partner Polen erfordert besondere Entwicklungsansätze. Aus einer raumordnerischen Perspektive macht es deshalb
Sinn, nicht nur den unmittelbaren Grenzraum,
wie in den Raumordnerischen Leitbildern
bisher gehandhabt, zu betrachten, sondern
den Grenzraum so zu erweitern, dass die
Impulse benachbarter Großstadtregionen
für den weitgehend strukturschwachen Raum
genutzt werden können. Das kommt u.a. in
den Beschlüssen des Ausschusses Raumordnung der Deutsch-Polnischen Regierungskommission für regionale und grenznahe
Zusammenarbeit vom Mai 2002 zum Ausdruck, in denen das Leitbild einer gemeinsamen europäischen Verbindungsregion
angeregt wird .
1999 wurde in Polen eine Verwaltungsreform wirksam, die auch eine Neuordnung im
gesamten System der räumlichen Planung
mit sich brachte.
Eine grundlegende Änderung besteht in
der Übertragung einer Reihe von bisherigen
Regierungszuständigkeiten auf die Wojewodschaften. Die Ausdehnung des Aufgabenkreises stärkte ihre Selbstverwaltungskompetenz; durch die deutliche Reduzierung der
Anzahl vergrößerte sich auch ihre räumliche
Ausdehnung.
30 Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
3. Ebenen der internationalen Kooperation
Die Herausforderungen der zunehmenden
internationalen Integration und auch damit
die Ansatzpunkte für Kooperationen sind
vielfältig. Aus Sicht der Landesplanung sollte
unterschieden werden zwischen der Kooperation in Grenzräumen, der Kooperation in
multinationalen Großregionen und der Metropolenkooperation.
3.1 Kooperation in Grenzräumen
Als engeren Grenzraum kann man einen
50 bis 70 km breiten Streifen beiderseits der
Grenze bezeichnen, der durch lagebedingte
Strukturschwäche, ausgebliebene Infrastrukturinvestitionen, Lücken im Verkehrsnetz und
verschiedene andere grenzbegründete Hindernisse belastet ist. Der Grenzraum ist nicht
eindeutig territorial abgrenzbar, sondern kann
themenbezogen jeweils definiert werden.
In diesem Raum ist Kooperation „von unten“
erforderlich, wobei natürlich kommunale
und regionale Aktivitäten durch Landes- und
Bundespolitik begleitet und unterstützt werden müssen. Die Kooperation dient zunächst
dem gegenseitigen Kennenlernen und Vertrautwerden. Sie geht weiter über Information
und Abstimmung und gemeinsame Planung.
Bei günstigen Konstellationen führt sie letztlich zu gemeinsamen Projekten und weitergehenden Maßnahmen, die die Grenzräume
enger miteinander verbindet .
In diesem Sinne wurden im ersten Jahrzehnt
nach der Wende beachtliche Fortschritte
erzielt. Die gegenseitige Abstimmung von
Plänen ist gängige Praxis geworden. Unterstützt durch die EU-Gemeinschaftsinitiative
INTERREG wurden erfolgreich in gemeinsamen Projekten wichtige Themenfelder
bearbeitet; so zum Beispiel beim grenzübergreifenden vorbeugenden Hochwasserschutz
im Einzugsgebiet der Oder („Oderregio“).
Mit dem EU-Beitritt werden sich neue Möglichkeiten und Herausforderungen einstellen.
Die über Jahrzehnte gehenden Erfahrungen
aus anderen Grenzräumen der Bundesrepublik
– z.B. in der EUREGIO Westmünsterland oder
der EUREGIO Rhein-Maas – können hier optimistisch stimmen. Allerdings zeigen die Erfahrungen auch, dass die Integration von Grenzräumen eine politische und planerische
Daueraufgabe darstellt, die die Überwindung
von Sprachhürden, beiderseitigen Vorurteilen
und einer Vielzahl alltäglicher Regulierungen
voraussetzt.
I
3.2 Kooperation in multinationalen
Verbindungsregionen
Eine zweite Ebene der Kooperation sind
multinationale Verbindungsregionen. Sie
erstrecken sich jeweils auf mehrere Staaten,
haben mehrere Millionen Einwohner und ihre
größeren Städte sind verkehrlich mit guten
Tagesrandverbindungen erschlossen. Je nach
Siedlungsdichte, Verkehrsinfrastruktur und
„natürlichen“ Grenzen bzw. Gemeinsamkeiten
können sich solche Räume über mehrere
hundert oder auch weit über tausend Kilometer erstrecken. Die Kooperation in diesen
Räumen ist nur noch selten territorial organisiert – wie häufig bei der Grenzraumkooperation – sondern organisiert sich themenbezogen in Netzwerken.
Die im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative
INTERREG gebildeten Programmräume „Ostseeraum“ und „Mittel und Südosteuropa“
(CADSES) sind sicherlich die größten Varianten
solcher Räume. Auf der praktischen Arbeitsebene bilden sich eher kleinere Räume, wie
sich auch an INTERREG-Projekten zeigt. Ein
Beispiel dafür ist das grenzüberspannende
Städtenetz im Projekt „Baltic Bridge“.
Für den Raum Berlin-Brandenburg kann
in Zukunft auch die Kooperation in einer
europäischen Verbindungsregion zu einer
wichtigen Handlungsebene werden. Darunter
wird beispielsweise diejenige grenzübergreifende Zusammenarbeit verstanden, die
von den großstädtischen Entwicklungspolen
Berlin, Szczecin/Stettin, Poznań/Posen,
Wrocĺaw/Breslau und Dresden markiert wird.
Die Verflechtungsbeziehungen und die Stärke
der Zentren sollen entscheidende Entwicklungsimpulse an die umfassten Ober- und
Mittelzentren und an den weitgehend strukturschwachen ländlichen Raum geben und
so die Perspektiven für die insgesamt zehn
Millionen Menschen verbessern, die in dieser
multinationalen Verbindungsregion leben.
Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
31
I
Der Ausschuss für Raumordnung der
Deutsch-Polnischen Regierungskommission
hat im Frühjahr 2002 eine solche regionale
und grenznahe Zusammenarbeit , die hier
als „Deutsch-Polnisches Haus“ bezeichnet
wurde, ausdrücklich empfohlen und die
deutsch-polnischen Regierungskommission
hat diesen Ansatz gebilligt. Der Raumordnungsausschuss regte darüber hinaus an,
die EU-Gemeinschaftsiniative INTERREG sowie
das Phare-Programm zu nutzen, um Kooperationsprojekte finanziell zu unterstützen.
Für diesen Raum sollen gemeinsam räumliche
Szenarien mit dem Zeithorizont bis zum Jahr
2020 aufgestellt werden.
Kooperation in einer Großregion: Europäische Verbindungsregion
Mecklenburg-Vorpommern
420.000 EW
Szczecin
Woj. Zachodniopomorskie
Brandenburg
580.000 EW
Poznan
Gorzow
3.380.000 EW
Berlin
Frankfurt
(Oder)
Woj. Lubuskie
Woj. Wielkopolskie
Zielona Gora
Cottbus
Sachsen
470.000 EW
Dresden
0 10 20 30 40 50 km
Hoyerswerda
Legnica
Bautzen
Woj. Dolnoslaskie
650.000 EW
Wroclaw
3.3 Europäische Metropolenkooperation
Vollständig verschwindet der territoriale
Bezug bei der Metropolenkooperation.
Die Entwicklung der Metropolenräume ist
geprägt vom Zusammenspiel kooperativer
Netzwerke und der Profilierung von Standorten in gegenseitiger Konkurrenz. Jede
Metropole, so auch Berlin, versucht im sich
verschärfenden globalen Wettbewerb seine
Standortvorteile gegenüber anderen so zu
nutzen und zu vermarkten, dass sie der
Sicherung der vorhandenen, aber auch der
Erringung weiterer Funktionen, Unternehmen
und Organisationen dienen.
Wachsende internationale Produktions- und
Handelsverflechtungen sowie die enormen
Fortschritte im Bereich des Transportwesens
und der Kommunikationstechnologien verändern ständig die Wettbewerbsbedingungen
der Regionen. Damit verbunden ist eine
räumliche Spezialisierung, die Konzentration
wichtiger Funktionen auf immer weniger
Metropolenräume. Es haben sich ökonomische Kerne, in denen sich Unternehmenszentralen, Banken und hochrangige unternehmensbezogene Dienstleistungen vorzugsweise angesiedelt haben, herausgebildet.
Trotz der Konkurrenz ist Kooperation sinnvoll.
Die Europäische Kommission hat schon in den
90er Jahren die großen Städte zur Kooperation aufgefordert, um die Kohäsion in Europa
zu stärken, nationale Egoismen zu überwinden und um die Städte besser auf die Globalisierung vorzubereiten. Im Sommer 2001
haben sich die deutschen Metropolregionen
zu einem gemeinsamen Initiativkreis zusammengeschlossen. Alle beteiligten Metropolregionen haben unterstrichen, dass für sie die
Entwicklung eines regionalen Binnen- und
Außenmarketing eine vordringliche Aufgabe
ist. Darüber hinaus haben die Landesregierungen von Berlin und Hamburg vereinbart, auf
zahlreichen Politikfeldern eng zusammen
zu arbeiten.
32 Zweiter Raumordnungsbericht Berlin und Brandenburg
I
Berlin kooperiert darüber hinaus themenbezogen mit anderen Europäischen Metropolen in INTERREG-Projekten, wie beispielsweise dem Projekt Metropolitan Areas und in
einer Vielzahl von internationalen Partnerschaften und Netzwerken:
j Berlin ist in 17 weltweiten jeweils bilateralen internationalen Städtepartnerschaften
und Städtefreundschaften aktiv.
j Das Städtenetzwerk Eurocities ist seit
seiner Gründung 1986 zur wichtigsten
Interessenvertretung auf europäischer Ebene
für urbane Anliegen geworden. Aktuell wirken
97 Mitgliedsstädte aus West- und Osteuropa
mit. Die deutschen Mitgliedsstädte (Berlin,
Bonn, Chemnitz, Dortmund, Düsseldorf,
Frankfurt a.M., Hamburg (2002 ausgetreten),
Köln, Leipzig, München, Münster, Nürnberg)
haben sich im Jahr 2000 zum „German
Eurocities Dialogue (GED) zusammengeschlossen. Dort sollen insbesondere die
Interessen der deutschen Mitgliedsstädte
gebündelt und abgestimmt vertreten werden.
j Die „Vereinigung der Hauptstädte Europas“ wirbt gegenüber den europäischen
Institutionen für eine stärkere Berücksichtigung hauptstadtspezifischer Anliegen und
Probleme. Im Februar 2001 ist Berlin der
„Declaration of Helsinki“ beigetreten, in der
die Herausforderungen des Informationszeitalters für die großen Städte benannt werden.
j POLIS (Promotion Operational Links
with Integrated Services) ist ein Verband von
derzeit 61 europäischen Städten und Regionen, die zusammen an Verkehrs- und Umweltproblemen arbeiten. Er erarbeitet Prioritäten
für Maßnahmen und Strategien auf europäischer Ebene zur Zusammenarbeit, Gestaltung von Finanzierungsmechanismen und
Verbreitung neuer Lösungen.
j ERTICO (European Road Transport
Telematics Implementation Coordination
Organization) ist mit 81 beteiligten Organisationen von Produzenten, Anwendern
und Verwaltungen im Verkehrsbereich seit
1991 ein internationales Netzwerk zur
Förderung intelligenter Verkehrssysteme.
j IMPACTS (Information Management
Policies Assesment for City Transportation
Systems) ist in Europa und Nordamerika
ein Verband von Hauptstädten und großen
Metropolen, die es sich zum Ziel gesetzt
haben, ein Forum für politische Verantwortungsträger zu seine, um sich u.a. über
neue Technologien auszutauschen und
gemeinsame Strategien und deren Umsetzung zu organisieren.
j Auf Initiative von Berlin und Wien wurde
die Konferenzreihe „Capitals for Enlargement“
(Konferenz der Bürgermeister) ins Leben
gerufen. Bisher haben folgende Konferenzen
stattgefunden: Warschau(April 2001), Wien
(Juni 2001), Prag (März 2002), Berlin (August
2002), Budapest (März 2003).
j Berliner Initiative im Kontext der
Debatte über die Reform der Strukturfonds
(gemeinsames Memorandum Berlin, Brüssel,
Ile de France, Luxemburg, Wien, London,
Stockholm, Madrid, Kopenhagen, Amsterdam).
Auch mit MOE-Staaten ist Berlin ständig im
Kontakt (Warschau, Prag, Budapest) und
wirbt für seinen metropolregionorientierten
Ansatz eines neu zu definierenden Ziel-2
in der neuen Förderperiode ab 2007.
Handlungsfelder der Zusammenarbeit sind
der Erfahrungs- und Informationsaustausch,
die Zusammenarbeit bei ausgewählten
Projekten und eine gemeinsame Lobbypolitik.
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