Integrative Sprechstunde für Gynäkologische Onkologie
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Integrative Sprechstunde für Gynäkologische Onkologie
FORTBILDUNG + KONGRESS KOMPLEMENTÄRMEDIZIN IN DER FRAUENHEILKUNDE Integrative Sprechstunde für Gynäkologische Onkologie Implementierung am Beispiel der Frauenklinik der Technischen Universität (TU) München D. Paepke, E. Klein, S. Paepke, J. Ettl, B. Schmalfeldt, M. Kiechle Integrative Medizin versteht sich als Zusammenspiel von wissenschaftlicher, evidenzbasierter und komplementärer, erfahrungsbezogener Medizin. Die komplementäre Medizin wird in das schulmedizinische Behandlungskonzept integriert im Sinne einer ganzheitlichen Behandlung. Wie ein solches Konzept umgesetzt werden kann, wird im Folgenden an einem Beispiel aus der Frauenklinik der TU München dargestellt. Die integrative Onkologie nutzt Er folge der modernen Medizin und erweitert sie um teilweise jahrhun dertealte Behandlungsmethoden der Naturheilkunde, Homöopathie, Anthroposophischen Medizin oder der Traditionellen Chinesischen Me dizin (TCM). An führenden Krebs zentren in den USA ist dieser Ansatz bereits seit vielen Jahren etabliert und über Leitlinien-Empfehlungen verankert. In Deutschland steckt die integrative Onkologie noch in den Kinderschuhen, wird zum Teil kon trovers diskutiert, mitunter noch ab gelehnt. Es gibt aber auch immer mehr Kliniken, die Interesse haben, diesen Bereich aufzubauen. Komple mentärmedizinische Verfahren kön nen und wollen dabei nicht die not wendigen schulmedizinischen Maß nahmen ersetzen. Sie dienen dazu, Lebensqualität zu verbessern, Hei lung zu fördern und Nebenwirkungen zu verringern. gerufen. Für diese Sprechstunde ste hen Ärzte mit den jeweils entspre chenden Zusatzqualifikationen (Klas sische Naturheilverfahren, Anthro posophische Medizin, Klassische Homöopathie und Phytotherapie) zur Verfügung. Somit beraten seit 2005 Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe, die die Patientin durch Operation und Chemotherapie begleiten, zusätzlich über sinnvolle komplementärmedizi nische Methoden. Der Erfolg dieser Arbeit führte im Mai 2013 zur Grün dung des Zentrums für Integrative Gynäkologie und Geburtshilfe in der Frauenklinik. Unseren Patientinnen kann jetzt ein strukturiertes integra tiv-onkologisches Programm angebo ten werden (s. Abb. 1). Den Patien tinnen stehen neben den Ärzten Breast Nurses mit Ausbildung in äu ßeren Anwendungen, ein Lymph therapeut, eine Diätassistentin sowie eine Psychoonkologin mit Ausbildung in Mind-Body-Medizin direkt in der Frauenklinik zur Seite. Zudem besteht eine enge Kooperation mit dem In stitut für Ernährung, dem Institut der Sportmedizin sowie umliegenden naturheilkundlichen und/oder anth roposophischen Krankenhäusern, Fachärzten, Therapeuten und RehaEinrichtungen. Regelmäßig finden durch die Frauenklinik koordinierte Weiterbildungen/Tagungen zum The Integrativ-onkologisches Programm des Zentrums für Integrative Gynäkologie und Geburtshilfe der TU München Komplementärmedizinische Sprechstunde seit 2005 Der Frauenklinik der Klinikums rechts der Isar war es schon früh ein Anliegen, integrative Behandlungs ansätze selbst zu etablieren. Dafür wurde im Jahr 2005 eine komple mentäre Sprechstunde ins Leben 674 FRAUENARZT 55 (2014) Nr. 7 Abb. 1: Das Zentrum für Integrative Gynäkologie und Geburtshilfe des Münchner Klinikums rechts der Isar bietet den Patientinnen durch ein breites Spektrum an sinnvollen komplementärmedizinischen Methoden eine ganzheitliche Therapie. ma Komplementärmedizin für Ärzte, Pflegepersonal und Patienten statt. wünschten Wirkung individuell vom Arzt gewählt. Seit Mai 2013 steht den Patien tinnen zur Entspannung ebenfalls ein Klang-Farbraum zur Verfügung (s. Abb. 2 und 3). Dieser KlangFarbraum ist nach den Grundsätzen der TCM entwickelt. Eine Liege wan delt Musik in sanfte Schwingungen um. Diese wohltuenden Vibrationen mit harmonischen Lichtnuancen füh ren zu tiefer mentaler Entspannung und unterstützen den Energiefluss im Körper. Musik und Färbung des Lichts werden entsprechend der ge Mithilfe von äußeren Anwendungen auf der Klangliege kann zudem die Therapie unterstützt werden. Insbe sondere ist hier der Leberwickel als äußere Anwendung zu nennen, der die Leber in ihrer Funktion als Stoff wechselorgan unterstützt (s. Abb. 4). Abb. 4: Anlegen eines Leberwickels Die integrative Behandlung findet auf Wunsch der Patientin präopera tiv, im Rahmen des stationären Auf enthalts oder unter der Chemothe rapie statt. Auch eine Beratung für Patientinnen, die primär nicht an der Frauenklinik rechts der Isar be handelt werden, wird ermöglicht. Abb. 2: Der Klang-Farbraum wurde nach den Grundsätzen der TCM entwickelt. Welche Möglichkeiten bietet die integrative Medizin? Anhand einer Kasuistik soll beispiel haft eine Behandlung im Sinne einer integrativen Medizin aufgezeigt wer den: 53-jährige Patientin mit Mammakar zinom rechts; cT2, cN0, G3, HR: pos, HER2: 3+. Primäre Chemotherapie mit 4 × EC und 4 × Docetaxel sowie Herceptin wurden empfohlen. Die Patientin wünschte eine komplementärmedizi nische Begleittherapie. Abb. 3: Musik, Vibrationen der Liege und Licht ergänzen sich in ihrer Wirkung. Unter dem Gesichtspunkt der Lebens qualität unter der Chemotherapie wurde eine Misteltherapie verordnet. Dabei kam bei einer pastösen über gewichtigen Patientin Helixor M zur FORTBILDUNG + KONGRESS Anwendung, die mit einer Dosierung von 0,01 mg 3 × pro Woche begonnen wurde. Die Dosis wurde im Lauf der Therapie auf 0,1 mg bis zu 10 mg pro Injektion gesteigert. Der Selenspiegel sowie der Vitamin-DSpiegel wurden bestimmt. Beides war defizitär und wurde unter KontrollLaboruntersuchungen auf die Norm angehoben durch Gabe von Natrium selenit und einem Vitamin-D-Präparat. Da die Patientin unter der Chemothe rapie mit EC über Übelkeit klagte, wurde ihr geraten, am Tag der Chemo therapie sowie fünf Tage danach Ing wertee zu trinken und den oben be schriebenen Schafgarben-Leberwickel durchzuführen. Als Bedarfsmedikation wurde Nux vomica comp. verordnet. Die Patientin klagte bei der zweiten Konsultation über Schlafstörungen. Passiflora Nerventonikum sowie eine Zwerchfelleinreibung mit Lavendelöl 10 % zur Nacht wurden empfohlen. Die Patientin berichtete über eine prompte Besserung. Die Patientin berichtete ebenfalls über Heißhungerattacken unter der Chemotherapie, die zu einer leichten Gewichtszunahme unter der Chemo therapie führten, was die schon leicht übergewichtige Patientin (1,67 m, 78 kg) beunruhigte. Eine Vorstellung im Institut für Ernährung wurde ver einbart. Die Patientin wurde daraufhin in ein strukturiertes Ernährungs- und Sportprogramm aufgenommen. Die vier Zyklen EC konnten ohne Ter minverschiebung bei guter Lebens qualität verabreicht werden. Das An sprechen des Tumors auf die Chemo therapie war im Sinne einer partiel len Remission gegeben. Zu der nun bevorstehenden Therapie mit Docetaxel wurde die Mistelthera pie beibehalten und um die Einnah me von Stibium metallicum praeparatum D6 Tit. 2 × 1 Messerspitze erwei tert. Ingwer und Nux vomica comp. wurden abgesetzt. Ein Vitamin-B12Präparat kam ebenfalls zum Einsatz. 676 FRAUENARZT 55 (2014) Nr. 7 Die vier Zyklen Docetaxel konnten ebenfalls termingerecht bei guter Lebensqualität verabreicht werden. Globuli und Aurum metallicum praeparatum 2 × 1 Messerspitze führten zu einer deutlichen Besserung. Eine Woche vor der geplanten brust erhaltenden Operation wurde die Misteltherapie abgesetzt. Zur Ope ration brachte die Patientin Arnika D6 Globuli und Arnika Gelat 10 % mit. Da die Patientin über Wundhei lungsstörungen und leichte Keloid bildung bei zuvor stattgefundenen Operationen berichtete, wurde die Einnahme von Natriumselenit 100 durch die Einnahme von Equizym über vier Wochen ersetzt. Ebenso wurde die konsequente Anwendung von Narbenbalsam, der direkt 2 × täglich auf die Narbe aufgetragen wird, nach Entfernung der SteriStrips geraten. Die Herceptin-Therapie sowie die an tihormonelle Therapie wurden gut vertragen und weitergeführt. Nach Beendigung der Herceptin-Therapie wird die Misteltherapie noch in der Nachsorge weitergeführt, zurzeit mit Helixor M 20 mg 2 ×/Woche s.c. Die Operation und die postoperative Phase der Wundheilung verliefen komplikationslos. Unter der Strahlentherapie und Herceptin-Therapie wurde die Mistelthe rapie fortgesetzt. Die Patientin hatte ihre Ernährung umgestellt und ging jetzt 3 × pro Woche zum Walken, was sehr zur Verbesserung des allgemei nen Wohlbefindens beitrug. Das Ge wicht ist jetzt bei 76 kg; eine lang same Gewichtsreduktion wird ange strebt. Die Einnahme von Natrium selenit wurde beendet, da eine aus reichende Selenaufnahme durch eine vernünftige Ernährung angestrebt wird (z. B. durch Paranüsse). Nach Beenden der Strahlentherapie begann die postmenopausale Patien tin mit der antihormonellen Therapie. Die Patientin berichtete nun über eine leichte Erschöpfungsdepression. Das Einschlafen sei erschwert und sie komme nur schwer in den Tag. Es wurden Wechselduschen am Mor gen und anschließend eine Einrei bung mit einem Rosmarin-KochsalzGemisch empfohlen, ebenso 2× pro Woche ein Öldispersionsbad mit Prunus spinosa e floribus W 5 % Oleum. Eine Therapie mit Meteoreisen 3 × 10 Diese Kasuistik zeigt, dass viele Ele mente der komplementären Medizin zum Einsatz kamen, von Kneippschen Wasseranwendungen und äußeren An wendungen bis hin zu Elementen aus der anthroposophischen Medizin, der Homöopathie und der orthomolekula ren Medizin. Die Patientin wurde aktiv in das Geschehen eingebunden. Eine Lebensstilintervention fand statt. AGIMed – die Arbeitsgruppe Integrative Medizin der AGO Im Juni 2013 wurde die Arbeitsgrup pe Integrative Medizin (AGIMed) der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologi sche Onkologie (AGO) gegründet. Die AGIMed wird sich mit klinischen, wissenschaftlichen und organisatori schen Anliegen aus dem Bereich in tegrative Medizin in der Onkologie befassen. Forschungsaktivitäten so wie die sinnvolle Einbindung der in tegrativen Medizin in die Systeme der Standardmedizin sollen mit das Anliegen dieser Arbeitsgruppe sein. Für die Autoren Dr. med. Daniela Paepke Zentrum für Integrative Gynäko logie und Geburtshilfe Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaningerstraße 22 81675 München daniela.paepke@t-online.de