Bauernhahn statt Turbohuhn

Transcription

Bauernhahn statt Turbohuhn
Sonderausgabe • Schutzgebühr 2 € • C44904
Bauernhahn
statt Turbohuhn
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Kampagne
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„Bauernhahn statt Turbohuhn“
– neue Kampagne von PROVIEH
mehr mithalten können. Wenn es dagegen
ums Eierlegen geht, werden nur die Hennen
gebraucht. Die männlichen Geschwister der
Turbo-Legehennen sind für die industrielle
Fleischproduktion unwirtschaftlich. Deshalb
werden allein in Deutschland pro Jahr rund
40 Millionen Küken vernichtet. Der Markt
verlangt billige, schnell wachsende oder extrem viele Eier legende Turbohühner.
Der Bauernhahn
„Give me five“ – Der Hahn beschützt seine Hennen
Das Turbohuhn
Wir befinden uns im Jahre 2010 n. Chr.
Ganz Deutschland ist von der Geflügelindustrie besetzt ... Ganz Deutschland?
Nein! Eine wachsende Schar unbeugsamer Hühnerfreunde hört nicht auf, dem
Imperium Widerstand zu leisten. Sie gehen mit gespornten Bauernhähnen und
kräftigen Bürgerhennen gegen die Legionen schwächlicher Turbohühner vor. Und
täglich werden es mehr ...
Die Lust auf Eier und Hühnerfleisch wächst
weiter. Die Hühnerhaltung ist fest in der
Hand der Geflügelindustrie. Für die Hühner
bedeutet das ein Leben in drangvoller Enge,
bei Kunstlicht und ohne Möglichkeiten, ihre
natürlichen Verhaltensweisen ausleben zu
können. Außerdem leiden sie massiv an
den Folgen der Hochleistungszucht. Für die
Fleischproduktion gezüchtete Hühner wachsen so schnell, dass Knochen und Gelenke
mit dem Zuwachs an Muskelmasse nicht
Früher war es üblich, von derselben Hühnerschar die Hennen zum Eierlegen zu nutzten
und die Hähne zum Braten. Einige dieser
alten Hühnerrassen – so genannte Zweinutzungshühner – gibt es noch, doch sie sind
vom Aussterben bedroht. Stolze Hähne sind
selbst in der artgerechten Hühnerhaltung selten geworden. Dabei sind sie wichtig für die
Hennen, denn sie schlichten Konflikte und
erfüllen wichtige soziale Bedürfnisse. Angeborene Verhaltensweisen kann man nicht verdrängen. Das gilt auch für Hennen und Hähne. Glück ist für sie, sich im Sonnenlicht zu
aalen, im Staub zu baden, nach Hühnerart
zu ruhen und nach Herzenslust im Grünen
zu scharren, zu picken und zu fressen. Wenn
Menschen für ein gutes Leben Hühner nutzen
wollen, dann müssen sie diesen Tieren auch
ein glückliches, artgemäßes Leben bieten.
Wer glückliche Hühner will, muss sich selbst
darum kümmern. Doch was heißt „sich kümmern“?
• Sich informieren. Viele Menschen ändern
ihr Verhalten, wenn sie erst einmal einen
Blick hinter die Kulissen werfen konnten.
Zwei hübsche Wyandottenhennen
• Produkte aus artgerechter Hühnerhaltung
wertschätzen. Glückliche Hühner sind kostbare Hühner.
• Selbst wieder Hühner halten. Etliche Menschen tun das schon und sind begeistert.
Mit dieser neuen Kampagne will PROVIEH
die Begeisterung schüren und möglichst ansteckend machen.
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Kampagne
„Give me five“ –
vier Hennen und ein Bauernhahn in jeden Garten
Wir dürfen die Hühner nicht länger der Industrie überlassen. Wir wollen sie als Bauernhähne und Bürgerhennen zurück auf die
Höfe und in die Gärten holen. Wie das geht
und wo es schon gelebt wird, zeigen die folgenden Beispiele:
NEULAND-Bauer Niels Odefey setzt ausschließlich langsam wachsende, robuste
Hühnerrassen ein. Turbohühner kommen ihm
nicht auf den Hof. Nur maximal 500 Hühner
leben in einer Herde zusammen. Die selbst
entwickelten transportablen Ställe suchen
die Hühner für die Übernachtung auf. Die
meiste Zeit verbringen sie im Freiland unter
natürlichem Busch- und Baumbestand mit Futtersuche, Sonnenbaden und Gefiederpflege.
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Eichenwalds. Dort sind die „Bauerngockel“ bestens vor dem Habicht geschützt.
(Niels Odefey, www.bauerngockel.de)
Eine praxistaugliche Alternative für die artgerechte, gewerbliche Haltung von Legehennen ist das „Hühnermobil“ von Max und Iris
Weiland. Hühner fressen für ihr Leben gerne
Grünzeug. Es ist für eine artgerechte Hühnerhaltung unabdingbar, die Weideflächen der
Tiere regelmäßig zu wechseln. Nur so kann
sich die Pflanzendecke regenerieren, der Kot
verteilt und der Infektionsdruck wirksam verringert werden.
Legedurchgang keine Medikamente eingesetzt werden mussten. Die Tiere waren und
sind völlig gesund.“ (Dr. agr. Iris Weiland,
www.huehnermobil.de)
Wer selbst Hühner bei sich zuhause halten
möchte, kann auf mobile Kleinställe zurückgreifen. Sie eignen sich sehr gut als Unterkunft für eine kleine Hühnergruppe von vier
Hennen und einem Hahn. Wenn die Pflanzendecke im Auslauf abgeweidet ist, kann
man den Stall leicht in einen frischen Auslauf
versetzen. Der Stall selbst dient als Nachtlager, zur Eiablage und als Schutz vor schlechtem Wetter.
Der Manufactum-Hühnerstall
Hühnermobil von Iris Weiland
Nicht nur die Hühner sind glücklicher im mobilen Stall. Auch die Halter und ihre Kunden
sind sehr zufrieden mit den „Camping-Hühnern“ und ihren Eiern der Premium-Klasse.
„Hühnermobil-Eier schmecken besonders lecker und haben eine intensiv gelbe DotterfarNeuland System Stall von Bauer Odefey
be durch das viele Grünzeug, was die Tiere
im
Auslauf fressen“, freut sich eine Nutzerin.
Um anschaulich zu machen, dass HühEin
anderer Halter berichtet: „Auf die Frage
ner ihren Bedürfnissen nach Waldvögel
der
Amtsveterinärin nach der Medikation der
sind, versetzte er seinen Maststall kurTiere
konnte ich ihr sagen, dass im gesamten
zerhand in die Deckung des hofeigenen
HühnerHausMobil von Ralf Müller
Ein weiteres Modell für einen gartentauglichen, mobilen Hühnerstall bietet Manufactum an. Im Innern des äußerst solide gebauten Stalls befinden sich gegenüber dem
Fenster eine Sitzstange mit Kotbrett und ein
Doppelnest. Über eine Hühnerleiter im Stallboden gelangen die Hühner zunächst in einen kleinen, verschließbaren Auslauf, durch
dessen Tür sie weiter in die umzäunte Freifläche schlüpfen können. Auch dieser Stall ist
als Unterschlupf für maximal fünf Hühner geeignet. (Manufactum, www.manufactum.de)
Wer bereits einen eigenen mobilen HühnerRalf Müller will mit seinen nach Bioland-Richtstall gebaut oder Baupläne für einen solchen
linien bemessenen, mobilen Hühnerhäusern
Stall entwickelt hat, ist herzlich zur Mithilfe
das Huhn wieder salonfähig machen. Sein
eingeladen und kann sich in der BundesgeStall ist leicht zu handhaben, gut zu säubern
schäftsstelle von PROVIEH melden (Tel. 0431
und bietet durch die Möglichkeiten zur Was– 24828 0 oder info@provieh.de).
ser- und Futterbevorratung ein hohes Maß an
Autonomie. Das macht ihn auch für Schulen, Machen Sie Hühner glücklich und unterKindertagesstätten und soziale Einrichtungen stützen uns bei unserer PROVIEH-Kaminteressant – vorausgesetzt, eine Auslaufflä- pagne „Bauernhahn statt Turbohuhn“.
che ab 100 m² ist verfügbar. (Dipl.-Ing. agr.
Stefan Johnigk, www.bauernhahn.de
Ralf Müller, www.huehnerhaus-mobil.de)
Haltung
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gemeldet sein. Die Anmeldung muss nicht
zwangsläufig Kosten verursachen, denn
meist sind kleine Tierbestände beitragsfrei.
Einmal jährlich müssen alle Hühner gegen
die Newcastle Krankheit geimpft werden.
Hühnerhaltung im eigenen Garten:
Rechtliche Voraussetzungen
Kathrin Kofent
Dieser Beitrag kann nur einen kleinen Überblick über die wichtigsten Vorschriften bieten. Weitere Informationen erhalten sie unter
www.bauernhahn.de/rechtsfragen.
Auch kleine Hähne krähen laut
Vogelgrippe und
Stallpflicht
Baurecht –
mobile Ställe sind problemlos
Hühnergerechte Gartenhaltung – spannend und herausfordernd
Nachbarrecht –
wenn krähende Hähne
bellende Nachbarn wecken
Die Hobby-Hühnerhaltung in Wohngebieten
ist gesetzlich nicht eindeutig geregelt. Es ist
aber ratsam, sich vor der Anschaffung von
Hühnern mit der direkten Nachbarschaft
abzustimmen. Empfindet ein Nachbar das
Hahnenkrähen oder Hennengackern als Belästigung, greift aus juristischer Sicht das private Nachbarrecht. Zahlreiche Fälle belegen,
dass sich die Gerichte im Streitfall fast immer gegen den Störenfried, also gegen die
Hühner, entscheiden. Teilweise werden auch
Stundenpläne festgelegt, wann ein Hahn
krähen darf und wann er für die Nachbarn
unhörbar, also im schalldicht isolierten Stall,
einzusperren ist. Als Faustregel gilt: In der
Zeit von 19 Uhr am Abend bis zum nächsten Morgen um 8 Uhr sollte kein Weckruf
erschallen. Dafür kann ein automatischer
Türöffner eine große Hilfe sein. Er wird am
Hühnerhaus per Zeitschaltuhr gesteuert und
lässt die Hühner erst hinaus, wenn der Hahnenschrei nicht stört.
Mehr als ein Hahn und 20 Hennen werden
als unangemessen für eine private Hühnerhaltung angesehen.
Wer vier Hennen und einen Hahn im Garten
halten will, kann das selbst in einem reinen
Wohngebiet ohne baurechtliche Bedenken
tun. Das erlaubt die Baunutzungsverordnung.
Hühner gelten als „Kleintiere“, genau wie
Kaninchen oder Meerschweinchen. Anlagen
für die Kleintierhaltung sind in einem reinen
Wohngebiet jederzeit zulässig.
Kleine versetzbare Hühnerställe sind die
beste Lösung für eine artgerechte Hühnerhaltung im Freiland, besonders im heimischen
Garten. Sie können ohne weitere behördliche Baugenehmigung eingesetzt werden.
Wer stattdessen eine „Immobilie“, also einen
festen Hühnerstall errichten will, sollte die
Maßgaben des öffentlichen Baurechts beachten.
Seuchenrecht –
jeder Vogel zählt
Jedes einzelne Huhn muss beim zuständigen
Veterinäramt gemeldet werden. Außerdem
muss die Haltung bei der Tierseuchenkasse
INFOBOX
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Die Vogelgrippe wird von einem
Virus namens A-H5N1 übertragen,
der zu den Influenzaviren gehört.
Er befällt zuerst die Lunge und
breitet sich von dort aus im ganzen
Körper des Vogels aus. Die Erkrankung verläuft in der Regel tödlich.
Als Entstehungsort des Virus‘ werden einige Provinzen in Südchina
vermutet. Das Virus wird unter anderem durch direkten Kontakt, infiziertes Futter, Kot oder verdreckte
Arbeitskleidung übertragen. Die
Annahme, dass im Freiland gehaltene Nutztiere von Wildvögeln angesteckt wurden, konnte bisweilen
widerlegt werden. Vielmehr spielen
hier Tiertransporte eine große Rolle. Einige Mutationen des H5N1
Virus sind auch für den Menschen
gefährlich. Besteht in einer Region der Verdacht auf Vogelgrippe,
wird in der Regel Stallpflicht für
alles Geflügel ausgerufen.
Geschichte / Vorbildlich
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Harte Jungs und zarte Vögel
Der rote Dschungelhahn als
Stammvater aller Hühner
unnatürliche
Rekordhöhen getrieben: Ein
Wildhuhn legt vielleicht
20 bis 60 Eier pro Jahr
in mehreren Gelegen.
Schon die robusten,
freilaufenden Landhühner vergangener Jahrhunderte produzierten
ein Vielfaches davon,
bis zu 180 Eier pro
Jahr.
Die Hochleistungszucht
im
industriellen MaßAls Urvater aller Hühnerrassen gilt der Rote
stab
hat
die
Leistung
noch
einmal gesteigert
Dschungelhahn Südostasiens, der Bankiva.
–
das
„moderne“
Huhn
leistet
eine JahresproNoch heute findet man den scheuen Vogel
duktion
von
250
bis
320
Eiern.
in den Wäldern dieser Region. Die braunen
Wildhennen sind im Unterholz gut getarnt.
Susanne Kopte
Auch der Hahn hat den Sommer über ein
schlichtes Kleid und schmückt sich erst im
Haben Hühner Ohren?
Winter mit einem bunten Prachtgefieder.
Hühner haben zwar keine OhrHühner sind Waldtiere. Das ist auch heute
muschel, dennoch haben sie ein
noch für eine artgerechte Freilandhaltung
ausgesprochen gutes Gehör. Das
wichtig. Für ihr Wohlbefinden und ihre Siäußere Ohr ist von kleinen Federn
cherheit brauchen Hühner Bäume, Sträucher
verdeckt und deshalb nicht mit
oder Hecken. Offenes Freiland versetzt sie in
bloßem Auge erkennbar. Dass sie
Panik und aus Furcht vor dem Habicht drängut hören können, zeigt die Vergeln sie sich am Stallausgang.
ständigungsvielfalt: Mit mehr als
30 verschiedenen Lautäußerungen
Vor über 4.000 Jahren begann die Domestikönnen Hühner miteinander komkation der Hühner und von Asien aus verbreimunizieren. Auch tritt die Henne
tete sich das Geflügel über die ganze Welt.
mit ihren Küken schon 24 Stunden
Im 15. Jahrhundert begann die systematische
vor dem Schlupf in Kontakt.
Rassezucht. Dabei wurde die Legeleistung in
INFOBOX
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Wie jugendliche Gefangene für seltene Hühner
sorgen lernen
Das Thema Jugendkriminalität sorgt immer
wieder für Schlagzeilen, oft verbunden mit
der Forderung nach schärferen Strafen. Doch
der Jugendstrafvollzug dient nicht nur dazu,
die Allgemeinheit vor weiteren Delikten zu
schützen. Jugendliche Straftäter sollen lernen,
in sozialer Verantwortung ein Leben ohne
Straftaten zu führen. Für Tiere zu sorgen und
sich um ihr tägliches Wohlergehen zu kümmern kann dabei helfen. PROVIEH besuchte
ein vorbildliches Projekt im Offenen Vollzug
in der Jugendanstalt Schleswig (JA).
Die Hühnerställe der JA
Hohe graue Betonmauern mit Stacheldraht
umgeben die JA. Dahinter sitzen 73 jugendliche Gefangene eine Haftstrafe ab. Auf der
anderen Straßenseite sieht es freundlicher
aus: Rote Backsteinbauten in offenem Gelände, ein Fußballplatz, Gewächshäuser und
Wiesen. Zwei junge Männer mähen den Rasen und grüßen freundlich. Ein Hahn kräht.
Ein zweiter antwortet laut und kräftig. Kein
Zweifel: Da rufen gesunde Bauernhähne, keine schlappen Turbohühner.
Jugendlichen anvertraut. Als Lohn für die tägliche Tierpflege winken schmackhafte Eier
von glücklichen Hühnern. „Die Eier sind hier
sehr begehrt“, freut sich der Leiter des Offenen Vollzugs, Herr Beyer. Ebenfalls beliebt
bei den Hühnerpflegern ist die Teilnahme an
öffentlichen Wettbewerben. Schon an die 30
Pokale stehen überall auf Regalbrettern und
Tischen. Die Gefängnishühner haben es zu
viel Ruhm und Ehre gebracht – sogar als Sieger im Wettkrähen. Das lässt sich hören.
Sieger im Wettkrähen
Hühner als Resozialisierungshelfer
Im Offenen Vollzug der JA sollen die jungen
Männer das Leben in Freiheit üben. Rund
10 Gefangene verbringen hier unter gelockerten Bedingungen den Rest ihrer Haftzeit.
Gemeinsam bereiten sie die Mahlzeiten zu,
kaufen die Vorräte ein und übernehmen
Dienste in Haus und Garten. Die Fürsorge für
die Hühner wird nur besonders geeigneten
Zwei Mitarbeiter der JA, Frau Jessen und
Herr Klotzsch, haben das Hühnerprojekt im
Jahr 2004 mit viel persönlichem Engagement ins Leben gerufen. Bis dahin gab es
im Offenen Vollzug nur Arbeitsplätze in der
Gärtnerei und im Hausbereich. Die Erhaltung
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Vorbildlich
alter und seltener Hühnerrassen öffnete ganz
neue Felder, auf denen die Gefangenen ein
größeres Verantwortungsbewusstsein entwickeln können. Sich um die tägliche Pflege
der Tiere, um das Füttern und Ausmisten zu
kümmern, vermittelt den Jugendlichen das
Gefühl des Gebrauchtwerdens. Der junge
Mann, der zurzeit die Verantwortung für das
Wohlergehen der Hühner trägt, erzählt mit
leuchtenden Augen, was ihm am meisten
Spaß bei der Arbeit macht: „Wenn sie beim
Füttern alle auf mich zugelaufen kommen.
Das ist toll!“. Auch das Ausmisten sei ihm
nicht unangenehm. Anstrengend findet er lediglich, wenn der Auslauf um die Ställe mit
der Forke mal wieder umgegraben werden
muss, um Parasiten zu bekämpfen.
Die Jugendlichen haben alle Arbeiten beim
Aufbau der Hühnerhaltung selbst durchgeführt, unter fachlicher Anleitung der Betreuer.
Mit einer kleinen Herde von Vorwerkhühnern
begann die Zucht. Sie sehen wunderschön
aus mit ihren tiefschwarzen Köpfen und
Schwanzfedern sowie den goldgelb schillernden Rümpfen. Die Hähne sind deutlich
größer als die Hennen, ihr buntes Federkleid
tragen sie aber passend im Partnerlook. Heute bereichern auch einige auffällig große, in
allen Farben schillernden Brahma-Hähne
und ihre liebevoll brütenden Partnerinnen
die kleine Hühnerfarm.
Waldbewohner mit Freiheitsdrang
Die Hühner der Jugendanstalt führen ein
gutes Leben. Ihre Ställe sind geräumig, der
Auslauf mit Büschen und Bäumen strukturiert.
Ohne Deckungsmöglichkeiten würden die
Hühner nur ungern den Stall verlassen, aus
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Angst vor dem Habicht. In den Brutställen
kann man munter herumhüpfende Küken verschiedenen Alters bewundern. Alles ist sauber und frisch eingestreut. Die Tiere sehen
gesund aus. Was fehlt, ist frisches Grün im
Auslauf. Die Hühner haben jedes Kraut und
jeden Grashalm abgeweidet. Das ist zwar
gut zum Staubbaden, aber schlecht für die
Futtersuche. Doch ohne einen regelmäßigen
Wechsel der Auslaufflächen kann kein Gras
nachwachsen. Das Problem kennen alle Hühnerfreunde, die ihre Tiere in festen Ställen
halten. Die Mitarbeiter des Hühnerprojekts
füttern deshalb Grasschnitt vom Rasenmähen hinzu und legen ausgestochene Grassoden in die Gehege. Lange vorhalten würde
das leider nicht, bedauert Herr Klotzsch. Er
öffnet eine Gehegetür. Eine Vorwerkhenne
nach der anderen hüpft über die Einrahmung,
während der Hahn wachsam daneben steht.
Zielsicher streben die Tiere durch ein Gebüsch dem frischen Grün auf der benachbarten Schafkoppel zu. Hier soll einmal eine
große Streuobstwiese als Auslauf entstehen,
erfahren wir. Das wäre optimal für die Hühner. Noch fehlt es allerdings an Geld für die
Anschaffung der Bäumchen. Unterstützung
von den Tierschützern bei PROVIEH könnte
dem Vorhaben weiter helfen.
Gleiche Interessen verbinden
Seit 2005 ist die JA Mitglied im Rassegeflügelzuchtverein Süderbrarup. Für die Gefangenen ist diese Zusammenarbeit mit anderen Hühnerfreunden wichtig. Sie nehmen
an Ausstellungen teil und bereiten diese mit
vor. Das erfordert Fachwissen und schult den
Gemeinschaftssinn. Die vielen gewonnenen
Preise sind sichtbare Beweise dafür, dass
Vorwerkhühner zählen zu den alten und seltenen Hühnerrassen
man Erfolge erzielen kann, wenn man sich
für etwas einsetzt. Und nach Ende der Haftzeit bleiben die sozialen Kontakte aus dem
Vereinsleben oft bestehen. Das kann den
Start in ein normales Leben jenseits der Mauern erleichtern.
Die Leiterin der JA, Frau Damberg, ist vom
Erfolg des Hühnerprojekts überzeugt, ohne
in Euphorie zu verfallen. „Wir sind keine
Wunderheiler“, sagt die Psychologin. Sie
erklärt uns, wie mühevoll es ist, straffällig
gewordene Jugendliche zu motivieren und
für ein Leben jenseits der Gefängnismauern
zu erziehen. „Bei manchen ist schon viel
erreicht, wenn sie sich den Wecker stellen
und morgens eigenständig aufstehen. Andere wiederum büffeln konzentriert für einen
Schulabschluss. Wir benötigen hier eine
breite Palette von Motivationsmöglichkeiten.
Das Hühnerprojekt ist sehr erfolgreich und
wird von den Gefangenen gut angenommen.
Es ist allerdings sehr arbeitsintensiv und steht
und fällt mit dem Engagement unserer Mitarbeiter.“
Ein ehemaliger Hühnerpfleger des Projekts
hat mittlerweile eine Ausbildung zum Tierpfleger aufgenommen. Ein anderer kommt
auch Jahre nach Ende seiner Zeit in der JA
zu allen Ausstellungen und Wettkämpfen, auf
denen die Gefängnishühner und ihre Züchter
um Anerkennung kämpfen. In der heutigen
Arbeitswelt der Landwirtschaft aber sind Erfahrungen mit artgerechter Hühnerhaltung
nur noch wenig gefragt. Die Industrialisierung und Intensivierung hat tausende von
Arbeitsplätzen auf den Betrieben vernichtet.
Die Mitarbeiter der JA bedauern das sehr,
denn „wir brauchen auch für einfach strukturierte Jugendliche Arbeit.“ Nutztiere ihren
Bedürfnissen gerecht aufzuziehen würde
solche Arbeitsmöglichkeiten wieder schaffen.
Ein Grund mehr sich für den Nutztierschutz
zu engagieren, meint PROVIEH.
Susanne Kopte, Stefan Johnigk,
www.provieh.de/downloads/provieh_
magazin_2010_02.pdf
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Haltung
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Hühnerhaltung leicht gemacht –
Tipps zur Anschaffung eigener Hühner
Wenn Sie Lust bekommen haben, nun
selbst Hühner zu halten, haben wir hier
die wichtigsten Fragen für Sie zusammengestellt. Wir sind zu Besuch bei Mathias
Güthe, einem anerkannten Hobbygeflügelzüchter und Mitglied von PROVIEH.
Herr Güthe, was muss man bei der ersten
Anschaffung von Hühnern bedenken?
Vor der Anschaffung einer kleinen Hühnerschar ist es erforderlich, sich zu überlegen,
woran einem in der Haltung gelegen ist.
Möchte ich lieber züchten oder geht es mir
um Eier oder Fleisch? Wie sieht es mit der
Umzäunung des Geländes aus? Tolerieren
die Nachbarn meine Hühnerhaltung? Wer
wird die Urlaubsvertretung übernehmen?
Welche Rassen sind für Anfänger geeignet, welche für Eier-, bzw. Fleischliebhaber?
Ein Hobbyhalter kann mit jeder Rasse glücklich werden. Wer Wert auf Leistung legt,
sollte nicht zu Exoten wie Seidenhühnern,
Langschwanzhühnern o.ä. greifen, sondern
möglichst „normale“ Hühner aussuchen.
Hühner des Legetyps (z.B. Leghorn, Italiener, Rheinländer) sind oft am geringeren
Gewicht, weißen Ohrscheiben und der
langgestreckten Figur zu erkennen. Sie sind
lebhafter, schwerer zu zähmen und fliegen
gerne. Die Legehühner-Rassen weisen eine
hohe Legeleistung auf.
Welche Bedingungen müssen für Hühner
gegeben sein?
Hühner des Masttyps (z.B. Brahma, Cochin,
Jersey Giant) sind ruhiger, werden schnell
zahm und fliegen gar nicht. Sie wirken eher
schwerfällig denn elegant, haben kurze
Schwanzfedern und rote Ohrlappen.
Bei fünf Hühnern sollten etwa 100 m² Fläche vorhanden sein – wer weniger Platz
hat, kann Zwerghühner halten. Das Gelände sollte strukturiert sein: eine Sandecke
zum Staubbaden, Sträucher und Bäume als
Schattenspender und Deckung. Der Zaun
muss mindestens eine Höhe von 1 bis 1,50
m haben.
Zwiehühner liegen sowohl in den Merkmalen als auch im Verhalten zwischen beiden
Typen (z.B. Wyandotten, New Hampshire,
Australorps). Diese Rassen sind am weitesten
verbreitet, weil die Summe der Merkmale für
sie spricht. Einem Anfänger würde ich immer
raten, mit Zwiehühnern anzufangen – überdies kann man sie am einfachsten erwerben.
Natürlich brauchen die Hühner auch einen
gut verschließbaren Stall, der nachts Schutz
bietet.
Woher bekomme ich die Hühner?
Diese Fragen sollten Sie im Vorhinein klären.
Wenn es eine Brüterei in der Nähe gibt, kann
man sich die Bruteier zuschicken lassen.
Die Hühner sind auf Rassegeflügelschauen –
z.B. der Landesgeflügelschau, der Deutschen
Junggeflügelschau oder der nationalen Rassegeflügelschau zu finden. Adressen findet
man in der Fachpresse, wie der Geflügelbörse oder der Deutschen Kleintierzeitung.
Wie viel Platz brauchen meine Hühner?
Nach der Hennenhaltungsverordnung sind
4 m² pro Tier zwar genug, werden dem Hobbyhalter aber wenig Spaß machen, wegen
des verkoteten, grasfreien Geländes. Großen Hühnern würde ich mindestens 20 m² pro
Tier zur freien Verfügung stellen.
Wie sichere ich meine Hühner vor ihren
Feinden ab?
Raubvögel greifen normalerweise nur die
leichten Rassen an. Hähne von Kampfhuhnrassen sind ein guter Schutz, denn sie verteidigen ihre Hennen vor dem Greifvogel. Auch
mitlaufende Gänse und Truthähne gelten als
Abschreckung. Ansonsten muss der gesamte
Auslauf mit Netzen überspannt werden. Gegen den Fuchs hilft ein Weidezaungerät am
Geflügelnetzzaun. Ratten und Marder hält
man durch rechtzeitiges Verschließen des
Stalls fern.
Die kleinsten, hartnäckigsten Feinde sind
Milben, Flöhe und Federlinge. Gegen die
Vogelmilbe hilft das Einstreichen der Stalleinrichtung mit einem Öl (Kiefernöl, aber auch
Petroleum, Leinöl, Balsamterpentin). Milben
sitzen nicht am Tier, sondern in allen möglichen Ritzen und überfallen die Hühner nur
nachts. Vogelmilben können Hühner bei
starkem Befall sogar töten.
Ein versetzbarer Zaun ist unerlässlich
Gegen Federlinge und Flöhe helfen Sprays,
besonders auf Basis von Margeriten.
Kann ich Hühner zu jeder Jahreszeit
draußen halten?
Ja. Manche Hühnerrassen sind jedoch frostempfindlicher als andere und leiden unter
Kammerfrierungen (Rassen mit großen Kämmen und Kehllappen). Aus diesem Grund
sollten Hühner im Winter eine isolierte Rückzugsmöglichkeit haben.
Wie viel Zeit muss man in die Hühnerhaltung investieren?
Je nach Menge und Organisation von Stall,
Auslauf und Fütterung ist die Zeitinvestition
sehr unterschiedlich. Eine halbe Stunde morgens und abends ist jedoch einzuplanen.
Das ist kein „Muss“ sondern ein „Darf“, da
die Beschäftigung mit den Tieren eine sehr
schöne und angenehme Aufgabe ist.
Herr Güthe, PROVIEH dankt Ihnen für
das Gespräch.
Das Interview führte Verena Stampe
Kampagne
Aufbegehren gegen
Masthuhn-Massenschlachthof
nen Hähnchen wöchentlich“, teilte das
zuständige Gewerbeaufsichtsamt im Juli
2010 mit. Der Wietzer
Bürgermeister
Wolfgang Klußmann
(CDU) ist auf ganzer
Linie den finanziellen
Verlockungen der Hühnerindustrie erlegen,
verspricht er sich doch
Gewerbesteuern und
Arbeitsplätze
für seine
Freilandhühner lieben die Deckung unter Obstbäumen
hoch verschuldete GeStellen Sie sich vor, Sie fahren auf der A7 meinde. Dafür wischte der Wietzer Verwaldurch Deutschland, von Österreich bis nach tungsausschuss ein Bürgerbegehren von 818
Dänemark, fast tausend Kilometer weit. Ne- aufrechten Einwohnern der nur rund 8.000
ben Ihnen auf der ganzen Strecke hocken Köpfe zählenden Gemeinde vom Tisch. Aus
Masthühner hintereinander aufgereiht. Im formalen Gründen. Doch die Ignoranz der
Vorbeifahren allein zwischen zwei Lichtpfo- Kommunalpolitiker heizt den bürgerlichen
sten zählen Sie 135 Tiere. Und es nimmt kein Widerstand weiter an. „Das Projekt ist noch
Ende: Schlachtreife Masthühner entlang der längst nicht durch“, sagt der BI-Vorsitzende
ganzen A7, von Bregenz bis Padborg! Ein Norbert Juretzko. „Die Wasserversorgung
Wahnsinn? Gewiss. Doch so sähe es aus, des Megaschlachthofs ist ebenso fragwürwürde man all die Hühner hintereinander dig wie die Gebietsausweisung.“ Doch nicht
aufreihen, die der emsländische Hühnerindu- nur auf die Menschen in Wietze kommen
strielle Franz-Josef Rothkötter jede Woche im Lärm und Geruchsbelästigungen zu. Damit
niedersächsischen Wietze schlachten lassen die Schlachtfabrik ausgelastet werden kann,
will. Und das mit massiver Unterstützung der müssen mehr als 400 neue Intensiv-HühnerPolitik und gegen den entschiedenen Wi- mastanlagen in der Region gebaut werden.
derstand von Anwohnern, Tier- und Umwelt- PROVIEH ruft dazu auf, die Bürgerinnen und
Bürger von Wietze nach Kräften bei ihrem
schützern.
Protest zu unterstützen. Eine Klage der BI vor
„Genehmigt werden zwei Schlachtlinien mit Gericht braucht dringend finanzielle Hilfe.
einer Gesamtkapazität von 2,592 Millio-
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An finanzieller Hilfe für Europas größte
Hühnerschlachtfabrik mangelt es dagegen
nicht. Rund sieben Millionen Euro hat die
niedersächsische Landesregierung für das
irrwitzige Projekt bereitgestellt. Die Bauern,
die sich als Lohnmäster für den industriellen
Größenwahn anwerben lassen, müssen das
finanzielle Pleiterisiko dagegen weitgehend
alleine tragen. „Auch die Bauern gehören
letztlich zu den Leidtragenden der verfehlten
Agrarpolitik“, erklärt der Vorsitzende von
PROVIEH, Prof. Sievert Lorenzen. „Die Preise für Fleisch fallen weiter, und wenn diese
Spekulationsblase platzt, dann gehen nur ein
paar Konzerne mit Gewinn aus dem Rennen,
während die Ställe der Bauern leer bleiben.“
Doch das meiste Elend müssen die über 130
Millionen Masthühner ertragen, die pro Jahr
für Rothkötters Schlachtbänder im Turbo-Verfahren hochgemästet werden sollen.
Dabei wäre ein Gegenmodell leicht umzusetzen. Für den Baupreis von nur drei neuen
Intensiv-Hühnermastanlagen ließen sich über
350 mobile Kleinställe für die artgerechte
Aufzucht von je 500 Hühnern auf Obstwiesen und an Waldrändern errichten und dazu
ein mobiler Hühnerschlachthof, der am Ende
der extensiven Mastzeit von 100 Tagen zu
den Bauern auf den Hof kommt und vor Ort
schlachtet. So bliebe den artgerecht gehaltenen Hühnern viel Leid erspart, und über
2.000 von ihnen könnten im Landkreis Celle pro Tag geschlachtet werden. Die Region
könnte sich zu einem Zentrum für artgerechte
Hühnerhaltung mausern. Der Konzern teilte
hingegen mit, dass er den Schlachthof im
Spätsommer 2011 in Betrieb nehmen will.
Stefan Johnigk, www.provieh.de/downloads/provieh_magazin_2010_03.pdf
Antibiotika-Missbrauch
INFOBOX
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50 Jahre lang wurden Antibiotika
als „Leistungsförderer“ legal in der
Intensivtierhaltung eingesetzt. Seit
2006 ist das offiziell verboten, es
gibt jedoch ein Schlupfloch: die
„Metaphylaxe“. Tritt ein Erreger bei
einzelnen Tieren im Stall auf – und
das ist keine Seltenheit – wird der
gesamte Tierbestand mit Antibiotika
behandelt. Das soll die Verbreitung
der Keime in der Herde hemmen,
fördert aber zugleich die Resistenzbildung.
Antibiotika werden über das Trinkwasser oder Futter verabreicht. So
ist es unmöglich, sicher zu stellen,
dass jedes Tier eine ausreichend
hohe Dosis aufnimmt, um alle Bakterien abzutöten. Mit dem Kot und
über verspritztes Trinkwasser gelangen Antibiotika in die Einstreu und
damit in die Umwelt. Resistent gewordene Keime werden auch über
den Staub aus dem Stall hinaus verbreitet. Sie können ihre Resistenzen
jederzeit auf andere Bakterienstämme übertragen.
Mehrfach resistente Krankheitserreger breiten sich in erschreckendem
Maße aus. Das Robert-Koch-Institut
konnte sie bereits im Auftauwasser
von Hähnchenfleischprodukten aus
Intensivtierhaltungen nachweisen.
Solche Keime können bei Menschen
schwere Entzündungen verursachen,
die nicht mehr mit Antibiotika zu behandeln sind.
www.bi-wietze.de,
www.bauernhahn.de
16
Forschung
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Zweinutzungshuhn –
Traum oder bald Wirklichkeit?
Eine Hühnerrasse kann entweder viele Eier
legen oder viel Fleisch ansetzen. Will man
beides in einem Tier, muss man sowohl bei
der Zahl der Eier als auch beim Gewicht der
Brust Abstriche machen. Doch die Aussicht
auf höhere Gewinne ließ die Züchter schnell
dazu übergehen, spezialisierte Rassen heranzuzüchten. Ein Teil der Hühnerindustrie
konzentrierte sich auf die Mast, ein anderer Teil auf die Zucht von Turbo-Legehennen.
Vom aufgenommenen Futter wird bei den
männlichen und weiblichen Tieren aus den
Turbo-Legelinien nur noch wenig in den Aufbau von Körpermasse investiert. Beide Geschlechter bleiben deshalb mager und dürr.
Aus diesem Grund kommen die Hähnchen
der Hybrid-Legelinien nicht für eine Mast in
Frage. Sie haben für die Legehennenbetriebe
keinerlei ökonomischen Nutzwert. Darum
werden die Tiere kurz nach dem Schlüpfen
mit CO2 vergast oder im sogenannten „Homogenisator“ geschreddert. So sterben in Europa jedes Jahr 280 Millionen Küken, davon
ca. 40 Millionen in Deutschland.
Forschungsprojekte in
Deutschland
In der ökologischen Geflügelzucht sucht man
seit Jahren nach einem Zweinutzungshuhn.
So wurden zum Beispiel in dem von Bioland
durchgeführten Geschwisterküken-Projekt im
Jahre 2004 männliche Küken von Legehybriden auf ihre Masteigenschaften hin untersucht. PROVIEH unterstützte dieses Vorhaben
Langsam wachsende Hühnerrassen gehören noch längst nicht zum „alten Eisen“
Bitte nicht wegwerfen!
finanziell. Leider war das Ergebnis mager:
Bei keiner der untersuchten Hybridlinien waren die Männchen als Masthähnchen geeignet. Auch Demeter-Züchter suchen schon seit
Jahren nach dem optimalen Zwiehuhn. So
kreuzte der Geflügel-Züchter Hans-Joachim
Schleicher Sulmtaler Hühner mit Bresshennen. Beide Rassen können bis zu 250 Eier
im Jahr legen. Mit einem Schlachtgewicht
zwischen 1,7 und 2,3 kg je Tier eignen sie
sich zudem hervorragend für die Direktvermarktung. 2009 startete Demeter auch sein
„Stubenküken-Projekt“: Dabei werden die
Hähnchenküken der Legehennenhybriden
ein paar Wochen lang gemästet und dann
als kleine Brathühner verkauft. Aber gibt es
auf einem hart umkämpften und gesättigten
Markt noch genügend Käufer für zusätzliche
40 Millionen Stubenküken?
Forschung im Ausland
Rassegeflügel
Züchtungsversuche liefen auch in der
Schweiz: KAGfreiland und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) suchten
eine Henne, die 260 Eier im Jahr legt. Der
Hahn dazu sollte in 84 Masttagen ein Gewicht von 2,3 kg erreichen. So kreuzte man
das ungarische Tetra H-Hybrid-Huhn, das fast
3 kg auf die Waage bringt, mit dem holländischen Bovans-Nera-Huhn. Im Ergebnis war
der Futterverbrauch beider Rassen zu hoch
und die Legeleistung der Tetra H-Henne mit
240 Eiern im Jahr zu gering.
Den aktuellen Zuchtbemühungen stehen die
alten Rassen gegenüber, die vor vielen Generationen gehalten und genutzt wurden. Viele
dieser alten Hühnerrassen stehen heute auf
der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung
alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.
(GEH). Die Legeleistung dieser Rassehühner
ist mit ca. 180 Eiern im Jahr geringer als die
moderner Legehybriden. Dafür glänzen die
bodenständigen Hennen mit hoher Fruchtbarkeit und guter Gesundheit. Für gewinnmaximierte Legehennenbetriebe sind diese
Tiere nicht geeignet. Sie garantieren jedoch
den Erhalt eines Gen-Pools, der für die Geflügelzüchtung unabdingbar ist.
Das FiBL ist Partner in einem EU-Projekt zu
extensiven Legelinien. Esther Zeltner (Projektleiterin FG Tierhaltung) hält die Legeleistung
des Huhnes für wichtiger als die Mastleistung. Denn, so ihr Argument, die Schweizer
Bauern verdienten an den Eiern mehr als am
Hühnerfleisch. Die tschechische Kreuzung namens „Sussex“ kommt diesen Anforderungen
sehr nahe: Ihre Legeleistung liegt nur etwa
5 Prozent unter den moderner Hybriden. Da
es sich auch als Masthuhn eignet, wird mit
diesem Huhn nun weiter gezüchtet.
Der Markt wird mit billigen Eiern überschwemmt. Das optimale Zweinutzungshuhn
ist noch nicht gefunden. In dieser Situation
sind alte Hühnerrassen eine wirkliche Alternative, denn sie sind ein erhaltenswertes Kulturgut – und davon profitieren alle.
Susanne Aigner,
www.provieh.de/downloads/provieh_
magazin_2010_01.pdf
18
International
19
Der IWF als Totengräber
von Ghanas Hühnerindustrie
(Noch) tiefgefrorenes Huhn auf einem Markt in Accra
Heute ist ihr letzter Tag auf dem HühnerMarkt in Accra. Zwei Wochen lang hat die
40-jährige Rachel Osabutey mitten auf einer
Straße in Ghanas Hauptstadt Accra Hühner
verkauft. Der Erfolg der Verkaufsoffensive
hält sich in Grenzen. Jetzt macht sie dicht.
Noch vor sechs Jahren hatte Rachel zusammen mit ihrem Mann Edward drei große Farmen mit über 10.000 Hühnern und einigen
hundert Truthähnen. Die Familie besaß eine
eigene Schlachterei sowie eine Verpackungsanlage. Doch das importierte gefrorene
Geflügel aus Europa, Nord- und Südamerika war und ist einfach unschlagbar billig.
Wurden im Jahr 2001 noch 11.000 Tonnen
Hühnchen importiert, waren es 2007 schon
75.000 Tonnen (FAO-Statistik). Viele Hühnerfarmer mussten in den letzten Jahren Konkurs
anmelden. „Ich verstehe nicht, warum unsere
Regierung das zulässt”, fragt sich Rachel.
Es ist eine Institution im fernen Washington,
die für den Niedergang der Hühnerindustrie von Familie Osabutey ein gerütteltes
Maß an Mitverantwortung trägt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) war es, der
ghanaische Schutzzölle zum Schutz der heimischen Hühnerbauer untersagte. Ansonsten
hätte Ghana einen Millionenkredit nicht bekommen.
nerfleisches im Land
produziert
wurde.
Deshalb, auf Druck
von Kenneth Kwarty,
seinem Geflügelbauernverband und den
Reisbauern, beschloss
die eigentlich liberale
Regierung unter John
Nur noch aufgerissene Futtersäcke erinnern an die Geflügelzucht
Agyekum Kufuor, Zölle für importierte GeBei Preisen von 5 Cedi pro Huhn – umgerech- frierhühner, Hühnerteile und Reis wieder zu
net 2,50 Euro – können Rachel und Edward erhöhen.
heute nicht mehr mithalten. Ihre Gegner auf
dem Hühnermarkt in Ghana sind unsichtbar. Dann geschah jedoch das Überraschende.
Es sind große Mastbetriebe in Deutschland, Das Gesetz war im Februar schon vom ParFrankreich, den Niederlanden, Brasilien und lament ratifiziert und musste nur noch umgeKanada. Mit den durchrationalisierten Pro- setzt werden, doch der große IWF schaltete
zessen in den riesigen Betrieben, in denen sich ein. Er bat die ghanaische Regierung,
schon mal eine Million Hühner gleichzeitig das Gesetz noch einmal zu überdenken: Die
großgezogen werden, können sie nicht kon- Zölle für Hühner und Reis würden nicht mit
dem Ziel der Armutsbekämpfung übereinkurrieren.
stimmen. Dadurch, dass die Leute billige
Kenneth Kwarty war zur Jahrtausendwende Hühnchen kaufen könnten, würde mehr EinVorsitzender des ghanaischen Verbandes der kommen für andere Dinge bleiben. Sollten
Geflügelfarmer. Er brauchte elf Jahre, um die die Zölle doch eingesetzt werden, würde es
Regierung zu überreden, die Zölle auf den keine neuen Kredite für Ghana geben.
Import von Hühnern und Hühnerteilen von
20 auf 40 Prozent zu erhöhen. „Wir waren Ghanas Regierung knickte ein, um den Milschon gewarnt“, erzählt der aufgeweckte Un- lionenkredit des IWF zu erhalten. Kenneth
ternehmer. „Vor den Geflügelimporten stie- Kwarty war damals völlig überrascht: „Mit
gen die Rindfleischimporte, so dass hier fast allem hätten wir gerechnet, als wir der Rekeine Kühe mehr auf der Weide standen. Un- gierung den Zoll vorschlugen, mit Widerseren Hühnern soll nicht dasselbe passieren.“ stand aus den Ministerien und Banken, mit
Protesten der Importeure, der Geberländer
Anfang der 90er konnten die ghanaischen oder auch der WTO. Aber dass sich der IWF
Geflügelbauern noch das ganze Land mit einmischt, damit hatten wir niemals gerechihren Produkten versorgen. Nachdem 1994 net.“ Dass der IWF mit seiner Einmischung
Einfuhrzölle gesenkt wurden, sank die Pro- Arbeitsplätze in der Hühnerindustrie, ja einer
duktion von Jahr zu Jahr, so dass 2003 kompletten Industrie den Todesstoß versetzt
nur noch die Hälfte des konsumierten Hüh-
International / Haltung
21
ten. Auf vielen Märkten gammelt
das Fleisch bei 30 Grad einen
Tag vor sich hin, bevor es einen
Käufer findet. Es gibt zunehmend
Fälle von Lebensmittelvergiftungen.
Doch das hält bislang niemanden
ab, das billige Importhuhn zu
kaufen. Denn importiertes Fleisch
kann portionsweise gekauft werden, und das lästige Schlachten
zu Hause entfällt.
Die Zeit arbeitet gegen Hühnerfarmer wie Rachel und Edward
Die Importhühner kommen unter anderem aus Holland,
Osabutey. Durch den ZusammenDeutschland, Frankreich und Polen
bruch der Hühnerproduktion wird
die Zucht für die verbliebenen Farhatte, war den Verantwortlichen in Washingmer teurer. Die Küken schlüpfen längst nicht
ton damals nicht bewusst gewesen.
mehr im Land, sondern müssen importiert
Jetzt haben sie es gemerkt. In einer internen werden. Große Verpackungs- und TiefkühlEvaluation des IWF vom 21. Mai 2009 anlagen werden unrentabel. Daher wird die
heißt es: „Der Hühnerzollvorfall war eine Hühner-Produktion wie früher wieder lebend
unglückliche Ausnahme. […] Im Nachhinein auf der Straße verkauft.
stellt sich der Hühnersektor viel verletzbarer
So baut Rachel Osabutey ihren Stand direkt
durch Importe dar, als unsere Mitarbeiter
vor dem Landwirtschaftsministerium wieglaubten.“
der ab. „Reingehen und sich beschweren?“
Die Handelsministerin der neuen Regierung, Nein, auf diesen Gedanken sei sie noch nie
Hannah Tetteh, ist sich des Problems bewusst. gekommen, erklärt sie verwundert. „Was
Anders als die Vorgängerregierung unter können die denn für mich tun?” Das EhePräsident John Kufour, die sehr handelslibe- paar Osabutey geht pragmatisch mit dem
ral war, versucht sie, in den Verhandlungen Niedergang um. Rachels Mann Edward hat
mit der EU, Spielräume für Schutzzölle her- inzwischen eine neue Firma aufgebaut: Er
importiert Reis.
auszuschlagen.
Die Ghanaer kaufen inzwischen fast nur
noch tiefgefrorene Hühner aus den Legebatterien in Europa und Südamerika. Doch importiertes gefrorenes Geflügel kann auch gesundheitliche Risiken bergen, denn oftmals
wird die Kühlkette in Ghana nicht eingehal-
Johan von Mirbach
Den vollständigen Artikel finden sie unter:
www.provieh.de/downloads/provieh_
magazin_2010_02.pdf
Einigkeit macht käfigfrei
Eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen
den Organisationen der deutschen Tierschutzbewegung ist wertvoll. Das beweisen
erneut die jüngsten Zahlen des Statistischen
Bundesamtes vom 22.02.2011: In nur vier
Jahren sank die Anzahl der Käfighennen in
Deutschland von über 22 Millionen auf unter
fünf Millionen. Das ist ein großartiger Erfolg,
doch der Weg dahin war lang und ist noch
längst nicht zu Ende.
Blick zurück in den Käfig
Im Jahr 1999 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Haltung von Hennen
in Legebatterien gegen das Grundgesetz
verstößt. Doch der Handel mit Käfigeiern
hielt zunächst unvermindert an. 2002 wurde das Bündnis „Deutschland wird käfigfrei“
gegründet (siehe Infobox). Supermarktketten
wurden nachdrücklich dazu aufgefordert,
Käfigeier aus dem Sortiment zu nehmen. Mit
großem Erfolg: Schon gegen Ende 2008
knickten die Verkaufszahlen der Käfighalter
dramatisch ein. Nur zwei Jahre später, im
Jahr 2010, waren praktisch keine Eier aus
Käfighaltung mehr im Lebensmitteleinzelhandel erhältlich.
beitet. Die millionenschweren Käfigbarone
blockieren seit langem mit ihrer Lobbyarbeit eine verbindliche Kennzeichnung der
Herkunft von Eiprodukten in verarbeiteten
Lebensmitteln. Dagegen setzt das Bündnis
wirksame Mittel: Transparenz der Produkte
und Aufklärung der Kunden, vor allem über
das Internet. Die unangenehme Aussicht, als
Blockierer von tierschutzrelevanten Verbesserungen öffentlich bekannt zu werden, motivierte selbst große Unternehmen zu einem
Umdenken in ihrer Einkaufspolitik. Etliche
Supermarktketten, Lebensmittelproduzenten
und Gastronomieunternehmen wurden bereits überzeugt, auf Käfigeier zu verzichten.
PROVIEH wird weiter dafür kämpfen, Seite
an Seite mit guten Partnern.
Stefan Johnigk
Gegen versteckte Käfigeier
Im Frühjahr 2009 bestand der Kreis der
Bündnispartner bereits aus 13 Organisationen. Unter der bewährten Leitung der Albert Schweitzer Stiftung wurde nun auch die
Eier verarbeitende Industrie höflich, aber
bestimmt aufgefordert, in Zukunft keine Käfigeier mehr in ihren Produkten zu verwenden.
Billige Qualeier sind allzu oft versteckt in
Backwaren, Feinkost oder Eiscremes verar-
INFOBOX
20
Bündnis „Deutschland wird käfigfrei“: Albert Schweitzer Stiftung
für unsere Mitwelt, Arbeitskreis für
humanen Tierschutz und gegen
Tierversuche e.V., Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., Deutsches
Tierschutzbüro, Politischer Arbeitskreis für Tierrechte in Europa PAKT
e.V., PETA, pro iure animalis, PROVIEH – VgtM e.V., Tier und Mensch
e.V., Menschen für Tierrechte /
Tierversuchsgegner Baden-Württemberg e.V., Vegetarierbund Deutschland, Vier Pfoten und Vegeterra.
www.kaefigfrei.de
www.provieh.de/downloads/provieh_magazin_2011_01.pdf
22
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Susanne Kopte und Verena Stampe
24
Unterricht
25
Nur ein dummes Huhn?
„Was macht Annette?“ Eine ganz normale Henne war in einem erbarmungswürdigen
Frage zu Beginn einer Unterrichtsstunde. Zustand, hatte zerrupftes, teilweise an GitUngewöhnlich ist vielleicht nur, dass es terstäben abgescheuertes Gefieder, einen
sich bei besagter „Annette“ um ein Huhn nackten Hals und konnte mit ihren überlanhandelt. Die Lehrerin Frau Bickenbach, seit gen Krallen kaum einen Schritt normal gehen
Jahren Mitglied bei PROVIEH, leitet zusam- – ganz normale Folgen der Käfighaltung. Die
men mit ihrer Kollegin Frau Brabender die Mädchen und Jungen reagierten sehr beAG „Rund um Haus und Garten“ an der stürzt, wurden sie doch noch nie so direkt
GGS Steinenbrück in Gummersbach. Für mit Massentierhaltung konfrontiert. Sofort
ein „Hühnerprojekt“ bot sich zudem Frau gründeten sie einen „Hühnerclub“ und verBickenbachs eigener Hühnerhof an, und teilten selbstgestaltete Flugblätter zum Thema
so entstand das Projekt „Nur ein dummes Legebatterie. „Annette“ wurde zu Artgenossen auf Frau Bickenbachs Hühnerhof, der
Huhn?“.
ohnehin für die Zeit des Projektes zweites
Die meisten an dem Projekt teilnehmenden Klassenzimmer geworden war, gebracht.
Kinder, die die 3. und 4. Klasse besuchten, Jeden Tag erkundigten sich die Kinder nach
wussten nicht allzu viel über Hühner und so „Annette“, wollten wissen, wie es ihr geht und
ging es mit ihren gesammelten Fragen im Ge- welche Fortschritte sie macht. Ein weiteres
päck zu Frau Bickenbachs Hühnerhof. Hier Highlight des Projektes war das Ausbrüten
tummeln sich ca. 30 Hühner und 4 Hähne von Eiern im Brutapparat. Zweimal am Tag
verschiedener Rassen auf einem 1.300 qm wendeten die eifrigen Projektteilnehmer die
großen Grundstück. Die Kinder beobachte- Eier und besprühten sie mit Wasser. An den
ten die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung Wochenenden musste der Brutapparat sogar
bei der Futtersuche und der Eiablage, be- mit nach Hause genommen werden, eine
sichtigten den Stall und stellten eine Menge äußerst verantwortungsvolle Aufgabe. Leider
neuer Fragen. Ein Film über die Aufzucht von blieb der große Bruterfolg aus – von 13 EiKüken durch eine Glucke steigerte ihr Interes- ern schlüpften nur zwei Küken, von denen
se noch: „Hühner sind ja richtig interessant!“ nur eins überlebte. Die Kinder waren so beDoch leider geht es nicht allen Hühnern so trübt über den Tod des Kükens, dass die beigut wie bei Frau Bickenbach. In der indus- den Lehrerinnen einige Eintagsküken kauften,
triellen Massentierhaltung leiden Lege- und die die Kinder dann beim Heranwachsen auf
Masthühner dicht gedrängt in engen Käfigen dem Hühnerhof beobachten konnten.
und Hallen, der Auslebung ihrer natürlichen
Bedürfnisse völlig beraubt. Frau Bickenbach Auch in den theoretischen Teilen des Pround Frau Brabender konfrontierten die Kin- jektes zeigten sich die Kinder kreativ und
der mit einer Henne aus der Legebatterie. interessiert: Sie bastelten aus verschiedenen
Die von den Kindern „Annette“ getaufte Materialien Hühner-Haltungsformen nach,
Ihre Bestürzung gaben die Kinder des „Hühnerclubs“ in Wort und Bild wieder
sortierten Eier anhand ihrer Codezahl und
erstellten ein eigenes „Hühnerbuch“. In Eigeninitiative organisierten die Schülerinnen
und Schüler eine Hühnerausstellung in der
Schule, bei der die 9- bis 10-jährigen ProjektteilnehmerInnen ihre Mitschüler auf die Käfighaltung von Hühnern aufmerksam machten und auch „Annette“ präsentierten. Alle
Besucherkinder, einschließlich der Erstklässler, zeigten sich äußerst interessiert und für
die Mitglieder der Projektgruppe war diese
Ausstellung eine gute Gelegenheit, ihr Wissen weiter zu geben – und die Anerkennung
ihrer Mitschüler erfüllte sie mit Stolz.
Fernab jeglicher Bauernhof-Romantik, wie sie
in Kinderbüchern oft dargestellt wird, haben
Frau Bickenbach und Frau Brabender das
Projekt „Nur ein dummes Huhn?“ gestaltet.
Begeisterungsfähige, wissbegierige und aktive Kinder sprechen eine deutliche Sprache:
Interessanter kann man den Unterricht nicht
gestalten. Kinder reagieren, wie PROVIEH
bereits aus dem Pilotprojekt „Schweinetag
in der KiTa“ weiß, äußerst sensibel auf die
Bedürfnisse von Tieren. In unserer modernen, industrialisierten Welt haben sie jedoch
kaum noch die Möglichkeit, Tiere und Natur hautnah zu erleben und mit unseren sogenannten Nutztieren in Kontakt zu treten.
Dabei gibt es viele Gründe beim Einsatz für
ein besseres Leben für Huhn, Schwein & Co.
bereits bei Kindern anzufangen – die Ethik
ist einer davon. Ein weiterer Grund ist die
erhebliche Umweltbelastung, die mit der
Massentierhaltung einhergeht und den Klimawandel begünstigt. Wenn wir möchten,
dass unsere Kinder, Enkel und Urenkel in
einer gerechteren Welt leben können, in der
es noch intakte Ökosysteme gibt und in der
das Mitgeschöpf Tier nicht nur eine Ware
ist, sollten wir jetzt anfangen, Projekte wie
dieses von Frau Bickenbach und Frau Brabender auf den Lehrplan zu setzen.
Kerstin Tofte, www.provieh.de/downloads/
provieh_magazin_2010_01.pdf
26
Rassen
27
Rassehühner – Ein kleiner Einblick
Viele Rassen entsprechen in ihrer Leistungsfähigkeit heute nicht mehr den meist über
100 Jahre alten Standardbeschreibungen.
Das liegt daran, dass bei der Zucht über
viele Jahre nicht mehr wirtschaftliche Interessen, sondern oftmals nur die „Schönheit“ der Tiere im Vordergrund stand.
Beispielsweise wurden Hühner gezüchtet,
die auf der Schau zwar die höchste Note
erreichten, aber nur noch 50 Eier im Jahr
legten. Deshalb sollte heute nicht mehr die
Rassebeschreibung als Orientierungshilfe
beim Kauf dienen, sondern die Erfahrung
der einzelnen Züchter mit ihren jeweiligen
Linien – die sich zum Teil sehr unterscheiden. Gerade die Legeleistung kann stark
variieren.
Trotzdem weisen verschiedene Rassen natürlich auch verschiedene Merkmale auf. Wir
wollen an dieser Stelle nur einige Beispiele
vorstellen, die die große Vielfalt der Hühnerrassen zeigen.
Antwerpener Bartzwerge
Die Antwerpener Bartzwerge gehören zu
den Urzwergrassen. Ihr durchschnittliches
Gewicht liegt zwischen 600 und 700 g. Ihre
Eier wiegen nicht mehr als 34 g.
Die Bartzwerge haben ein ruhiges Wesen,
werden sehr zutraulich und sind zudem
hochmobil. Als äußerlich auffälligstes Merkmal ist der volle Backen- und Kinnbart zu
nennen. Die Antwerpener Bartzwerge legen
im Verhältnis zu ihrer Körpergröße relativ
große Eier.
2,5 kg. Das Fleisch ist sehr gut. Die Legeleistung ist mit über 200 weißen Eiern im Jahr
beachtlich.
Vorwerkhühner –
Goldvögel im Partnerlook
Gut zehn Jahre lang hat Oskar Vorwerk
heimische Lakenfelder, mit den aus England
importierten Gelben Orpington, Gelben
Ramelslohern sowie blauen Andalusiern
gekreuzt. Das Ergebnis waren die schnell
sehr beliebten „Goldvögel“, mit gleichen
Farb- und Zeichnungsanlagen bei beiden
Geschlechtern.
Bartzwerge: der „Federbart“ ist ihr Markenzeichen
Ostfriesische Möwe –
silberfarben und schlank
Wie kommt ein Huhn zu dem Namen Möwe?
Zum einen können diese Tiere – verglichen
mit anderen Hühnern – sehr gut fliegen. Zum
anderen haben sie den Namen erhalten,
weil die Daunenzeichnung der Möwenküken
sehr ähnlich ist wie bei den Hühnerküken.
Die Ostfriesische Möwe gehört zu den ältesten Hühnerrassen in Deutschland. Erste Beschreibungen tauchen bereits 1816 auf.
Den Namen Ostfriesische Möwe erhielt sie zu
Beginn des 20. Jahrhunderts, als in Ostfriesland eine systematische Züchtung einsetzte.
Das Gewicht liegt bei Hähnen zwischen 2,5
kg und 3 kg, bei Hennen zwischen 2 kg und
Sowohl der Kopf als auch der Schwanz sind
ganz schwarz. Der Rumpf ist goldgelb, das
Untergefieder grau. Auffallend sind die mittelgroßen weißen Ohrscheiben, manchmal
mit einem roten Rand versehen. Vorwerkhähne erreichen ein Gewicht von 2,5 bis 3 kg,
die Hennen zwischen 2 und 2,5 kg.
Das Vorwerkhuhn ist ausgesprochen gutmütig, selbst die Hähne vertragen sich untereinander. Dabei sind sie lebhaft und nicht
scheu, wetterfest und bei freiem Auslauf gute
Futtersucher.
Wyandotten
Wyandotten sind eine nordamerikanische
Rasse und seit 1883 in Deutschland. Der
erste Farbschlag war silber-schwarzgesäumt,
heute gibt es über 20 Farbschläge.
Optisch herausragende Merkmale sind das
flaumreiche Gefieder, das die Hühner recht
dick erscheinen lässt, sowie der Rosenkamm.
Es gibt sie in vielen verschiedenen Farbschlägen, mit der auffälligen „Bänderung“ der
einzelnen Federn. Der Rosenkamm ist flach,
Ein stolzer Brahma-Hahn
ohne die üblichen Zacken, aber dadurch
können die Kammspitzen auch nicht abfrieren. Diese Hühner sind extrem wetterfest und
suchen selbst noch bei minus 20 Grad den
Freilauf auf. Der Gefiederwechsel erfolgt sehr
schnell alljährlich im Herbst. Ausgewachsen
wiegen die Hennen 3 kg, die Hähne knappe
4 kg. Sie können etwa 10 Jahre alt werden.
Brahma
Brahma-Hühner zählen zu den größten Rassen Europas. Die Riesenhühner erreichen ein
Gewicht von 3,5 bis 5 kg. Aufgrund ihrer
überdurchschnittlichen Größe und dem kräftigen Erscheinungsbild zählen Brahmas zu
den Fleischrassen. Sie haben einen geringen
Bruttrieb, aber wenn es zur Brut kommt, sind
die Hennen gute Glucken.
Sie zeichnen sich durch ein ruhiges Wesen
aus. Besondere Merkmale sind die befiederten Läufe und die, im Verhältnis zur Körpergröße, relativ kleinen Eier. Zudem sind
sie mit einem üppigen Feder- und Daunenkleid ausgestattet.
M. Güthe / V. Stampe / S. Kopte
PROVIEH – Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V. • Küterstraße 7–9 • 24103 Kiel
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Wenn Sie selbst aktiv werden wollen, schreiben Sie uns oder rufen Sie uns an.
Ihr persönlicher Einsatz für die Nutztiere ist uns hochwillkommen.
www.provieh.de
Impressum
Herausgeber:
PROVIEH – Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.,
Küterstraße 7–9, 24103 Kiel, Telefon 0431. 2 48 28-0,
Telefax 0431. 2 48 28-29, info@provieh.de, www.provieh.de
Redaktion:
Prof. Dr. Sievert Lorenzen (V.i.S.d.P.), Christina Petersen,
Verena Stampe, Susanne Kopte, Stefan Johnigk
Gestaltung und Realisation:
Petra Gosienicki-Gussow, Grafik-Design, Kiel
Druck, Verarbeitung:
Pirwitz Druck & Design, Kronshagen
Auflage: 3.000 Exemplare
© 2011 PROVIEH – Verein gegen tierquälerische
Massentierhaltung e.V.
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine
Haftung übernommen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben
nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion
behält sich die Kürzung und redaktionelle Überarbeitung von
Manuskripten und Leserbriefen vor.
Fotonachweis:
S. 1 Titel: Ferdi Doussier; S. 2, 3, 7, 13, 22, 26: Christina
Petersen, PROVIEH; S. 4(u), 5 (u), 5 (o), 17: Stefan Johnigk, PROVIEH; S. 4 (o): Iris Weiland; S. 6: Janet Strahl; S. 8: de.wikipedia.
org; S. 9: Walter Vollertsen; S. 11: Tierpark Görlitz; S. 14: Judith
Handy, PROVIEH; S. 16: 324655_R_B_by_Thomas-Max-Müller_
pixelio.de; S. 18, 19: Johan von Mirbach; S. 23: 491142_R_
by_K.-T._pixelio.de; S. 25: PROVIEH, S. 27: Britta Petersen
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Postbank Hamburg, Konto 385 801 200, BLZ 200 100 20
Kieler Volksbank eG, Konto 54 299 306, BLZ 210 900 07
Bitte geben Sie bei Überweisungen Ihre Mitgliedsnummer an,
soweit vorhanden. Beiträge und Spenden sind steuerlich abzugsfähig. Erbschaften und Vermächtnisse zugunsten PROVIEH sind
von der Erbschaftssteuer befreit.
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