Bauernhahn statt Turbohuhn
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Bauernhahn statt Turbohuhn
Sonderausgabe • Schutzgebühr 2 € • C44904 Bauernhahn statt Turbohuhn 2 Kampagne 3 „Bauernhahn statt Turbohuhn“ – neue Kampagne von PROVIEH mehr mithalten können. Wenn es dagegen ums Eierlegen geht, werden nur die Hennen gebraucht. Die männlichen Geschwister der Turbo-Legehennen sind für die industrielle Fleischproduktion unwirtschaftlich. Deshalb werden allein in Deutschland pro Jahr rund 40 Millionen Küken vernichtet. Der Markt verlangt billige, schnell wachsende oder extrem viele Eier legende Turbohühner. Der Bauernhahn „Give me five“ – Der Hahn beschützt seine Hennen Das Turbohuhn Wir befinden uns im Jahre 2010 n. Chr. Ganz Deutschland ist von der Geflügelindustrie besetzt ... Ganz Deutschland? Nein! Eine wachsende Schar unbeugsamer Hühnerfreunde hört nicht auf, dem Imperium Widerstand zu leisten. Sie gehen mit gespornten Bauernhähnen und kräftigen Bürgerhennen gegen die Legionen schwächlicher Turbohühner vor. Und täglich werden es mehr ... Die Lust auf Eier und Hühnerfleisch wächst weiter. Die Hühnerhaltung ist fest in der Hand der Geflügelindustrie. Für die Hühner bedeutet das ein Leben in drangvoller Enge, bei Kunstlicht und ohne Möglichkeiten, ihre natürlichen Verhaltensweisen ausleben zu können. Außerdem leiden sie massiv an den Folgen der Hochleistungszucht. Für die Fleischproduktion gezüchtete Hühner wachsen so schnell, dass Knochen und Gelenke mit dem Zuwachs an Muskelmasse nicht Früher war es üblich, von derselben Hühnerschar die Hennen zum Eierlegen zu nutzten und die Hähne zum Braten. Einige dieser alten Hühnerrassen – so genannte Zweinutzungshühner – gibt es noch, doch sie sind vom Aussterben bedroht. Stolze Hähne sind selbst in der artgerechten Hühnerhaltung selten geworden. Dabei sind sie wichtig für die Hennen, denn sie schlichten Konflikte und erfüllen wichtige soziale Bedürfnisse. Angeborene Verhaltensweisen kann man nicht verdrängen. Das gilt auch für Hennen und Hähne. Glück ist für sie, sich im Sonnenlicht zu aalen, im Staub zu baden, nach Hühnerart zu ruhen und nach Herzenslust im Grünen zu scharren, zu picken und zu fressen. Wenn Menschen für ein gutes Leben Hühner nutzen wollen, dann müssen sie diesen Tieren auch ein glückliches, artgemäßes Leben bieten. Wer glückliche Hühner will, muss sich selbst darum kümmern. Doch was heißt „sich kümmern“? • Sich informieren. Viele Menschen ändern ihr Verhalten, wenn sie erst einmal einen Blick hinter die Kulissen werfen konnten. Zwei hübsche Wyandottenhennen • Produkte aus artgerechter Hühnerhaltung wertschätzen. Glückliche Hühner sind kostbare Hühner. • Selbst wieder Hühner halten. Etliche Menschen tun das schon und sind begeistert. Mit dieser neuen Kampagne will PROVIEH die Begeisterung schüren und möglichst ansteckend machen. 4 Kampagne „Give me five“ – vier Hennen und ein Bauernhahn in jeden Garten Wir dürfen die Hühner nicht länger der Industrie überlassen. Wir wollen sie als Bauernhähne und Bürgerhennen zurück auf die Höfe und in die Gärten holen. Wie das geht und wo es schon gelebt wird, zeigen die folgenden Beispiele: NEULAND-Bauer Niels Odefey setzt ausschließlich langsam wachsende, robuste Hühnerrassen ein. Turbohühner kommen ihm nicht auf den Hof. Nur maximal 500 Hühner leben in einer Herde zusammen. Die selbst entwickelten transportablen Ställe suchen die Hühner für die Übernachtung auf. Die meiste Zeit verbringen sie im Freiland unter natürlichem Busch- und Baumbestand mit Futtersuche, Sonnenbaden und Gefiederpflege. 5 Eichenwalds. Dort sind die „Bauerngockel“ bestens vor dem Habicht geschützt. (Niels Odefey, www.bauerngockel.de) Eine praxistaugliche Alternative für die artgerechte, gewerbliche Haltung von Legehennen ist das „Hühnermobil“ von Max und Iris Weiland. Hühner fressen für ihr Leben gerne Grünzeug. Es ist für eine artgerechte Hühnerhaltung unabdingbar, die Weideflächen der Tiere regelmäßig zu wechseln. Nur so kann sich die Pflanzendecke regenerieren, der Kot verteilt und der Infektionsdruck wirksam verringert werden. Legedurchgang keine Medikamente eingesetzt werden mussten. Die Tiere waren und sind völlig gesund.“ (Dr. agr. Iris Weiland, www.huehnermobil.de) Wer selbst Hühner bei sich zuhause halten möchte, kann auf mobile Kleinställe zurückgreifen. Sie eignen sich sehr gut als Unterkunft für eine kleine Hühnergruppe von vier Hennen und einem Hahn. Wenn die Pflanzendecke im Auslauf abgeweidet ist, kann man den Stall leicht in einen frischen Auslauf versetzen. Der Stall selbst dient als Nachtlager, zur Eiablage und als Schutz vor schlechtem Wetter. Der Manufactum-Hühnerstall Hühnermobil von Iris Weiland Nicht nur die Hühner sind glücklicher im mobilen Stall. Auch die Halter und ihre Kunden sind sehr zufrieden mit den „Camping-Hühnern“ und ihren Eiern der Premium-Klasse. „Hühnermobil-Eier schmecken besonders lecker und haben eine intensiv gelbe DotterfarNeuland System Stall von Bauer Odefey be durch das viele Grünzeug, was die Tiere im Auslauf fressen“, freut sich eine Nutzerin. Um anschaulich zu machen, dass HühEin anderer Halter berichtet: „Auf die Frage ner ihren Bedürfnissen nach Waldvögel der Amtsveterinärin nach der Medikation der sind, versetzte er seinen Maststall kurTiere konnte ich ihr sagen, dass im gesamten zerhand in die Deckung des hofeigenen HühnerHausMobil von Ralf Müller Ein weiteres Modell für einen gartentauglichen, mobilen Hühnerstall bietet Manufactum an. Im Innern des äußerst solide gebauten Stalls befinden sich gegenüber dem Fenster eine Sitzstange mit Kotbrett und ein Doppelnest. Über eine Hühnerleiter im Stallboden gelangen die Hühner zunächst in einen kleinen, verschließbaren Auslauf, durch dessen Tür sie weiter in die umzäunte Freifläche schlüpfen können. Auch dieser Stall ist als Unterschlupf für maximal fünf Hühner geeignet. (Manufactum, www.manufactum.de) Wer bereits einen eigenen mobilen HühnerRalf Müller will mit seinen nach Bioland-Richtstall gebaut oder Baupläne für einen solchen linien bemessenen, mobilen Hühnerhäusern Stall entwickelt hat, ist herzlich zur Mithilfe das Huhn wieder salonfähig machen. Sein eingeladen und kann sich in der BundesgeStall ist leicht zu handhaben, gut zu säubern schäftsstelle von PROVIEH melden (Tel. 0431 und bietet durch die Möglichkeiten zur Was– 24828 0 oder info@provieh.de). ser- und Futterbevorratung ein hohes Maß an Autonomie. Das macht ihn auch für Schulen, Machen Sie Hühner glücklich und unterKindertagesstätten und soziale Einrichtungen stützen uns bei unserer PROVIEH-Kaminteressant – vorausgesetzt, eine Auslaufflä- pagne „Bauernhahn statt Turbohuhn“. che ab 100 m² ist verfügbar. (Dipl.-Ing. agr. Stefan Johnigk, www.bauernhahn.de Ralf Müller, www.huehnerhaus-mobil.de) Haltung 7 gemeldet sein. Die Anmeldung muss nicht zwangsläufig Kosten verursachen, denn meist sind kleine Tierbestände beitragsfrei. Einmal jährlich müssen alle Hühner gegen die Newcastle Krankheit geimpft werden. Hühnerhaltung im eigenen Garten: Rechtliche Voraussetzungen Kathrin Kofent Dieser Beitrag kann nur einen kleinen Überblick über die wichtigsten Vorschriften bieten. Weitere Informationen erhalten sie unter www.bauernhahn.de/rechtsfragen. Auch kleine Hähne krähen laut Vogelgrippe und Stallpflicht Baurecht – mobile Ställe sind problemlos Hühnergerechte Gartenhaltung – spannend und herausfordernd Nachbarrecht – wenn krähende Hähne bellende Nachbarn wecken Die Hobby-Hühnerhaltung in Wohngebieten ist gesetzlich nicht eindeutig geregelt. Es ist aber ratsam, sich vor der Anschaffung von Hühnern mit der direkten Nachbarschaft abzustimmen. Empfindet ein Nachbar das Hahnenkrähen oder Hennengackern als Belästigung, greift aus juristischer Sicht das private Nachbarrecht. Zahlreiche Fälle belegen, dass sich die Gerichte im Streitfall fast immer gegen den Störenfried, also gegen die Hühner, entscheiden. Teilweise werden auch Stundenpläne festgelegt, wann ein Hahn krähen darf und wann er für die Nachbarn unhörbar, also im schalldicht isolierten Stall, einzusperren ist. Als Faustregel gilt: In der Zeit von 19 Uhr am Abend bis zum nächsten Morgen um 8 Uhr sollte kein Weckruf erschallen. Dafür kann ein automatischer Türöffner eine große Hilfe sein. Er wird am Hühnerhaus per Zeitschaltuhr gesteuert und lässt die Hühner erst hinaus, wenn der Hahnenschrei nicht stört. Mehr als ein Hahn und 20 Hennen werden als unangemessen für eine private Hühnerhaltung angesehen. Wer vier Hennen und einen Hahn im Garten halten will, kann das selbst in einem reinen Wohngebiet ohne baurechtliche Bedenken tun. Das erlaubt die Baunutzungsverordnung. Hühner gelten als „Kleintiere“, genau wie Kaninchen oder Meerschweinchen. Anlagen für die Kleintierhaltung sind in einem reinen Wohngebiet jederzeit zulässig. Kleine versetzbare Hühnerställe sind die beste Lösung für eine artgerechte Hühnerhaltung im Freiland, besonders im heimischen Garten. Sie können ohne weitere behördliche Baugenehmigung eingesetzt werden. Wer stattdessen eine „Immobilie“, also einen festen Hühnerstall errichten will, sollte die Maßgaben des öffentlichen Baurechts beachten. Seuchenrecht – jeder Vogel zählt Jedes einzelne Huhn muss beim zuständigen Veterinäramt gemeldet werden. Außerdem muss die Haltung bei der Tierseuchenkasse INFOBOX 6 Die Vogelgrippe wird von einem Virus namens A-H5N1 übertragen, der zu den Influenzaviren gehört. Er befällt zuerst die Lunge und breitet sich von dort aus im ganzen Körper des Vogels aus. Die Erkrankung verläuft in der Regel tödlich. Als Entstehungsort des Virus‘ werden einige Provinzen in Südchina vermutet. Das Virus wird unter anderem durch direkten Kontakt, infiziertes Futter, Kot oder verdreckte Arbeitskleidung übertragen. Die Annahme, dass im Freiland gehaltene Nutztiere von Wildvögeln angesteckt wurden, konnte bisweilen widerlegt werden. Vielmehr spielen hier Tiertransporte eine große Rolle. Einige Mutationen des H5N1 Virus sind auch für den Menschen gefährlich. Besteht in einer Region der Verdacht auf Vogelgrippe, wird in der Regel Stallpflicht für alles Geflügel ausgerufen. Geschichte / Vorbildlich 9 Harte Jungs und zarte Vögel Der rote Dschungelhahn als Stammvater aller Hühner unnatürliche Rekordhöhen getrieben: Ein Wildhuhn legt vielleicht 20 bis 60 Eier pro Jahr in mehreren Gelegen. Schon die robusten, freilaufenden Landhühner vergangener Jahrhunderte produzierten ein Vielfaches davon, bis zu 180 Eier pro Jahr. Die Hochleistungszucht im industriellen MaßAls Urvater aller Hühnerrassen gilt der Rote stab hat die Leistung noch einmal gesteigert Dschungelhahn Südostasiens, der Bankiva. – das „moderne“ Huhn leistet eine JahresproNoch heute findet man den scheuen Vogel duktion von 250 bis 320 Eiern. in den Wäldern dieser Region. Die braunen Wildhennen sind im Unterholz gut getarnt. Susanne Kopte Auch der Hahn hat den Sommer über ein schlichtes Kleid und schmückt sich erst im Haben Hühner Ohren? Winter mit einem bunten Prachtgefieder. Hühner haben zwar keine OhrHühner sind Waldtiere. Das ist auch heute muschel, dennoch haben sie ein noch für eine artgerechte Freilandhaltung ausgesprochen gutes Gehör. Das wichtig. Für ihr Wohlbefinden und ihre Siäußere Ohr ist von kleinen Federn cherheit brauchen Hühner Bäume, Sträucher verdeckt und deshalb nicht mit oder Hecken. Offenes Freiland versetzt sie in bloßem Auge erkennbar. Dass sie Panik und aus Furcht vor dem Habicht drängut hören können, zeigt die Vergeln sie sich am Stallausgang. ständigungsvielfalt: Mit mehr als 30 verschiedenen Lautäußerungen Vor über 4.000 Jahren begann die Domestikönnen Hühner miteinander komkation der Hühner und von Asien aus verbreimunizieren. Auch tritt die Henne tete sich das Geflügel über die ganze Welt. mit ihren Küken schon 24 Stunden Im 15. Jahrhundert begann die systematische vor dem Schlupf in Kontakt. Rassezucht. Dabei wurde die Legeleistung in INFOBOX 8 Wie jugendliche Gefangene für seltene Hühner sorgen lernen Das Thema Jugendkriminalität sorgt immer wieder für Schlagzeilen, oft verbunden mit der Forderung nach schärferen Strafen. Doch der Jugendstrafvollzug dient nicht nur dazu, die Allgemeinheit vor weiteren Delikten zu schützen. Jugendliche Straftäter sollen lernen, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Für Tiere zu sorgen und sich um ihr tägliches Wohlergehen zu kümmern kann dabei helfen. PROVIEH besuchte ein vorbildliches Projekt im Offenen Vollzug in der Jugendanstalt Schleswig (JA). Die Hühnerställe der JA Hohe graue Betonmauern mit Stacheldraht umgeben die JA. Dahinter sitzen 73 jugendliche Gefangene eine Haftstrafe ab. Auf der anderen Straßenseite sieht es freundlicher aus: Rote Backsteinbauten in offenem Gelände, ein Fußballplatz, Gewächshäuser und Wiesen. Zwei junge Männer mähen den Rasen und grüßen freundlich. Ein Hahn kräht. Ein zweiter antwortet laut und kräftig. Kein Zweifel: Da rufen gesunde Bauernhähne, keine schlappen Turbohühner. Jugendlichen anvertraut. Als Lohn für die tägliche Tierpflege winken schmackhafte Eier von glücklichen Hühnern. „Die Eier sind hier sehr begehrt“, freut sich der Leiter des Offenen Vollzugs, Herr Beyer. Ebenfalls beliebt bei den Hühnerpflegern ist die Teilnahme an öffentlichen Wettbewerben. Schon an die 30 Pokale stehen überall auf Regalbrettern und Tischen. Die Gefängnishühner haben es zu viel Ruhm und Ehre gebracht – sogar als Sieger im Wettkrähen. Das lässt sich hören. Sieger im Wettkrähen Hühner als Resozialisierungshelfer Im Offenen Vollzug der JA sollen die jungen Männer das Leben in Freiheit üben. Rund 10 Gefangene verbringen hier unter gelockerten Bedingungen den Rest ihrer Haftzeit. Gemeinsam bereiten sie die Mahlzeiten zu, kaufen die Vorräte ein und übernehmen Dienste in Haus und Garten. Die Fürsorge für die Hühner wird nur besonders geeigneten Zwei Mitarbeiter der JA, Frau Jessen und Herr Klotzsch, haben das Hühnerprojekt im Jahr 2004 mit viel persönlichem Engagement ins Leben gerufen. Bis dahin gab es im Offenen Vollzug nur Arbeitsplätze in der Gärtnerei und im Hausbereich. Die Erhaltung 10 Vorbildlich alter und seltener Hühnerrassen öffnete ganz neue Felder, auf denen die Gefangenen ein größeres Verantwortungsbewusstsein entwickeln können. Sich um die tägliche Pflege der Tiere, um das Füttern und Ausmisten zu kümmern, vermittelt den Jugendlichen das Gefühl des Gebrauchtwerdens. Der junge Mann, der zurzeit die Verantwortung für das Wohlergehen der Hühner trägt, erzählt mit leuchtenden Augen, was ihm am meisten Spaß bei der Arbeit macht: „Wenn sie beim Füttern alle auf mich zugelaufen kommen. Das ist toll!“. Auch das Ausmisten sei ihm nicht unangenehm. Anstrengend findet er lediglich, wenn der Auslauf um die Ställe mit der Forke mal wieder umgegraben werden muss, um Parasiten zu bekämpfen. Die Jugendlichen haben alle Arbeiten beim Aufbau der Hühnerhaltung selbst durchgeführt, unter fachlicher Anleitung der Betreuer. Mit einer kleinen Herde von Vorwerkhühnern begann die Zucht. Sie sehen wunderschön aus mit ihren tiefschwarzen Köpfen und Schwanzfedern sowie den goldgelb schillernden Rümpfen. Die Hähne sind deutlich größer als die Hennen, ihr buntes Federkleid tragen sie aber passend im Partnerlook. Heute bereichern auch einige auffällig große, in allen Farben schillernden Brahma-Hähne und ihre liebevoll brütenden Partnerinnen die kleine Hühnerfarm. Waldbewohner mit Freiheitsdrang Die Hühner der Jugendanstalt führen ein gutes Leben. Ihre Ställe sind geräumig, der Auslauf mit Büschen und Bäumen strukturiert. Ohne Deckungsmöglichkeiten würden die Hühner nur ungern den Stall verlassen, aus 11 Angst vor dem Habicht. In den Brutställen kann man munter herumhüpfende Küken verschiedenen Alters bewundern. Alles ist sauber und frisch eingestreut. Die Tiere sehen gesund aus. Was fehlt, ist frisches Grün im Auslauf. Die Hühner haben jedes Kraut und jeden Grashalm abgeweidet. Das ist zwar gut zum Staubbaden, aber schlecht für die Futtersuche. Doch ohne einen regelmäßigen Wechsel der Auslaufflächen kann kein Gras nachwachsen. Das Problem kennen alle Hühnerfreunde, die ihre Tiere in festen Ställen halten. Die Mitarbeiter des Hühnerprojekts füttern deshalb Grasschnitt vom Rasenmähen hinzu und legen ausgestochene Grassoden in die Gehege. Lange vorhalten würde das leider nicht, bedauert Herr Klotzsch. Er öffnet eine Gehegetür. Eine Vorwerkhenne nach der anderen hüpft über die Einrahmung, während der Hahn wachsam daneben steht. Zielsicher streben die Tiere durch ein Gebüsch dem frischen Grün auf der benachbarten Schafkoppel zu. Hier soll einmal eine große Streuobstwiese als Auslauf entstehen, erfahren wir. Das wäre optimal für die Hühner. Noch fehlt es allerdings an Geld für die Anschaffung der Bäumchen. Unterstützung von den Tierschützern bei PROVIEH könnte dem Vorhaben weiter helfen. Gleiche Interessen verbinden Seit 2005 ist die JA Mitglied im Rassegeflügelzuchtverein Süderbrarup. Für die Gefangenen ist diese Zusammenarbeit mit anderen Hühnerfreunden wichtig. Sie nehmen an Ausstellungen teil und bereiten diese mit vor. Das erfordert Fachwissen und schult den Gemeinschaftssinn. Die vielen gewonnenen Preise sind sichtbare Beweise dafür, dass Vorwerkhühner zählen zu den alten und seltenen Hühnerrassen man Erfolge erzielen kann, wenn man sich für etwas einsetzt. Und nach Ende der Haftzeit bleiben die sozialen Kontakte aus dem Vereinsleben oft bestehen. Das kann den Start in ein normales Leben jenseits der Mauern erleichtern. Die Leiterin der JA, Frau Damberg, ist vom Erfolg des Hühnerprojekts überzeugt, ohne in Euphorie zu verfallen. „Wir sind keine Wunderheiler“, sagt die Psychologin. Sie erklärt uns, wie mühevoll es ist, straffällig gewordene Jugendliche zu motivieren und für ein Leben jenseits der Gefängnismauern zu erziehen. „Bei manchen ist schon viel erreicht, wenn sie sich den Wecker stellen und morgens eigenständig aufstehen. Andere wiederum büffeln konzentriert für einen Schulabschluss. Wir benötigen hier eine breite Palette von Motivationsmöglichkeiten. Das Hühnerprojekt ist sehr erfolgreich und wird von den Gefangenen gut angenommen. Es ist allerdings sehr arbeitsintensiv und steht und fällt mit dem Engagement unserer Mitarbeiter.“ Ein ehemaliger Hühnerpfleger des Projekts hat mittlerweile eine Ausbildung zum Tierpfleger aufgenommen. Ein anderer kommt auch Jahre nach Ende seiner Zeit in der JA zu allen Ausstellungen und Wettkämpfen, auf denen die Gefängnishühner und ihre Züchter um Anerkennung kämpfen. In der heutigen Arbeitswelt der Landwirtschaft aber sind Erfahrungen mit artgerechter Hühnerhaltung nur noch wenig gefragt. Die Industrialisierung und Intensivierung hat tausende von Arbeitsplätzen auf den Betrieben vernichtet. Die Mitarbeiter der JA bedauern das sehr, denn „wir brauchen auch für einfach strukturierte Jugendliche Arbeit.“ Nutztiere ihren Bedürfnissen gerecht aufzuziehen würde solche Arbeitsmöglichkeiten wieder schaffen. Ein Grund mehr sich für den Nutztierschutz zu engagieren, meint PROVIEH. Susanne Kopte, Stefan Johnigk, www.provieh.de/downloads/provieh_ magazin_2010_02.pdf 12 Haltung 13 Hühnerhaltung leicht gemacht – Tipps zur Anschaffung eigener Hühner Wenn Sie Lust bekommen haben, nun selbst Hühner zu halten, haben wir hier die wichtigsten Fragen für Sie zusammengestellt. Wir sind zu Besuch bei Mathias Güthe, einem anerkannten Hobbygeflügelzüchter und Mitglied von PROVIEH. Herr Güthe, was muss man bei der ersten Anschaffung von Hühnern bedenken? Vor der Anschaffung einer kleinen Hühnerschar ist es erforderlich, sich zu überlegen, woran einem in der Haltung gelegen ist. Möchte ich lieber züchten oder geht es mir um Eier oder Fleisch? Wie sieht es mit der Umzäunung des Geländes aus? Tolerieren die Nachbarn meine Hühnerhaltung? Wer wird die Urlaubsvertretung übernehmen? Welche Rassen sind für Anfänger geeignet, welche für Eier-, bzw. Fleischliebhaber? Ein Hobbyhalter kann mit jeder Rasse glücklich werden. Wer Wert auf Leistung legt, sollte nicht zu Exoten wie Seidenhühnern, Langschwanzhühnern o.ä. greifen, sondern möglichst „normale“ Hühner aussuchen. Hühner des Legetyps (z.B. Leghorn, Italiener, Rheinländer) sind oft am geringeren Gewicht, weißen Ohrscheiben und der langgestreckten Figur zu erkennen. Sie sind lebhafter, schwerer zu zähmen und fliegen gerne. Die Legehühner-Rassen weisen eine hohe Legeleistung auf. Welche Bedingungen müssen für Hühner gegeben sein? Hühner des Masttyps (z.B. Brahma, Cochin, Jersey Giant) sind ruhiger, werden schnell zahm und fliegen gar nicht. Sie wirken eher schwerfällig denn elegant, haben kurze Schwanzfedern und rote Ohrlappen. Bei fünf Hühnern sollten etwa 100 m² Fläche vorhanden sein – wer weniger Platz hat, kann Zwerghühner halten. Das Gelände sollte strukturiert sein: eine Sandecke zum Staubbaden, Sträucher und Bäume als Schattenspender und Deckung. Der Zaun muss mindestens eine Höhe von 1 bis 1,50 m haben. Zwiehühner liegen sowohl in den Merkmalen als auch im Verhalten zwischen beiden Typen (z.B. Wyandotten, New Hampshire, Australorps). Diese Rassen sind am weitesten verbreitet, weil die Summe der Merkmale für sie spricht. Einem Anfänger würde ich immer raten, mit Zwiehühnern anzufangen – überdies kann man sie am einfachsten erwerben. Natürlich brauchen die Hühner auch einen gut verschließbaren Stall, der nachts Schutz bietet. Woher bekomme ich die Hühner? Diese Fragen sollten Sie im Vorhinein klären. Wenn es eine Brüterei in der Nähe gibt, kann man sich die Bruteier zuschicken lassen. Die Hühner sind auf Rassegeflügelschauen – z.B. der Landesgeflügelschau, der Deutschen Junggeflügelschau oder der nationalen Rassegeflügelschau zu finden. Adressen findet man in der Fachpresse, wie der Geflügelbörse oder der Deutschen Kleintierzeitung. Wie viel Platz brauchen meine Hühner? Nach der Hennenhaltungsverordnung sind 4 m² pro Tier zwar genug, werden dem Hobbyhalter aber wenig Spaß machen, wegen des verkoteten, grasfreien Geländes. Großen Hühnern würde ich mindestens 20 m² pro Tier zur freien Verfügung stellen. Wie sichere ich meine Hühner vor ihren Feinden ab? Raubvögel greifen normalerweise nur die leichten Rassen an. Hähne von Kampfhuhnrassen sind ein guter Schutz, denn sie verteidigen ihre Hennen vor dem Greifvogel. Auch mitlaufende Gänse und Truthähne gelten als Abschreckung. Ansonsten muss der gesamte Auslauf mit Netzen überspannt werden. Gegen den Fuchs hilft ein Weidezaungerät am Geflügelnetzzaun. Ratten und Marder hält man durch rechtzeitiges Verschließen des Stalls fern. Die kleinsten, hartnäckigsten Feinde sind Milben, Flöhe und Federlinge. Gegen die Vogelmilbe hilft das Einstreichen der Stalleinrichtung mit einem Öl (Kiefernöl, aber auch Petroleum, Leinöl, Balsamterpentin). Milben sitzen nicht am Tier, sondern in allen möglichen Ritzen und überfallen die Hühner nur nachts. Vogelmilben können Hühner bei starkem Befall sogar töten. Ein versetzbarer Zaun ist unerlässlich Gegen Federlinge und Flöhe helfen Sprays, besonders auf Basis von Margeriten. Kann ich Hühner zu jeder Jahreszeit draußen halten? Ja. Manche Hühnerrassen sind jedoch frostempfindlicher als andere und leiden unter Kammerfrierungen (Rassen mit großen Kämmen und Kehllappen). Aus diesem Grund sollten Hühner im Winter eine isolierte Rückzugsmöglichkeit haben. Wie viel Zeit muss man in die Hühnerhaltung investieren? Je nach Menge und Organisation von Stall, Auslauf und Fütterung ist die Zeitinvestition sehr unterschiedlich. Eine halbe Stunde morgens und abends ist jedoch einzuplanen. Das ist kein „Muss“ sondern ein „Darf“, da die Beschäftigung mit den Tieren eine sehr schöne und angenehme Aufgabe ist. Herr Güthe, PROVIEH dankt Ihnen für das Gespräch. Das Interview führte Verena Stampe Kampagne Aufbegehren gegen Masthuhn-Massenschlachthof nen Hähnchen wöchentlich“, teilte das zuständige Gewerbeaufsichtsamt im Juli 2010 mit. Der Wietzer Bürgermeister Wolfgang Klußmann (CDU) ist auf ganzer Linie den finanziellen Verlockungen der Hühnerindustrie erlegen, verspricht er sich doch Gewerbesteuern und Arbeitsplätze für seine Freilandhühner lieben die Deckung unter Obstbäumen hoch verschuldete GeStellen Sie sich vor, Sie fahren auf der A7 meinde. Dafür wischte der Wietzer Verwaldurch Deutschland, von Österreich bis nach tungsausschuss ein Bürgerbegehren von 818 Dänemark, fast tausend Kilometer weit. Ne- aufrechten Einwohnern der nur rund 8.000 ben Ihnen auf der ganzen Strecke hocken Köpfe zählenden Gemeinde vom Tisch. Aus Masthühner hintereinander aufgereiht. Im formalen Gründen. Doch die Ignoranz der Vorbeifahren allein zwischen zwei Lichtpfo- Kommunalpolitiker heizt den bürgerlichen sten zählen Sie 135 Tiere. Und es nimmt kein Widerstand weiter an. „Das Projekt ist noch Ende: Schlachtreife Masthühner entlang der längst nicht durch“, sagt der BI-Vorsitzende ganzen A7, von Bregenz bis Padborg! Ein Norbert Juretzko. „Die Wasserversorgung Wahnsinn? Gewiss. Doch so sähe es aus, des Megaschlachthofs ist ebenso fragwürwürde man all die Hühner hintereinander dig wie die Gebietsausweisung.“ Doch nicht aufreihen, die der emsländische Hühnerindu- nur auf die Menschen in Wietze kommen strielle Franz-Josef Rothkötter jede Woche im Lärm und Geruchsbelästigungen zu. Damit niedersächsischen Wietze schlachten lassen die Schlachtfabrik ausgelastet werden kann, will. Und das mit massiver Unterstützung der müssen mehr als 400 neue Intensiv-HühnerPolitik und gegen den entschiedenen Wi- mastanlagen in der Region gebaut werden. derstand von Anwohnern, Tier- und Umwelt- PROVIEH ruft dazu auf, die Bürgerinnen und Bürger von Wietze nach Kräften bei ihrem schützern. Protest zu unterstützen. Eine Klage der BI vor „Genehmigt werden zwei Schlachtlinien mit Gericht braucht dringend finanzielle Hilfe. einer Gesamtkapazität von 2,592 Millio- 15 An finanzieller Hilfe für Europas größte Hühnerschlachtfabrik mangelt es dagegen nicht. Rund sieben Millionen Euro hat die niedersächsische Landesregierung für das irrwitzige Projekt bereitgestellt. Die Bauern, die sich als Lohnmäster für den industriellen Größenwahn anwerben lassen, müssen das finanzielle Pleiterisiko dagegen weitgehend alleine tragen. „Auch die Bauern gehören letztlich zu den Leidtragenden der verfehlten Agrarpolitik“, erklärt der Vorsitzende von PROVIEH, Prof. Sievert Lorenzen. „Die Preise für Fleisch fallen weiter, und wenn diese Spekulationsblase platzt, dann gehen nur ein paar Konzerne mit Gewinn aus dem Rennen, während die Ställe der Bauern leer bleiben.“ Doch das meiste Elend müssen die über 130 Millionen Masthühner ertragen, die pro Jahr für Rothkötters Schlachtbänder im Turbo-Verfahren hochgemästet werden sollen. Dabei wäre ein Gegenmodell leicht umzusetzen. Für den Baupreis von nur drei neuen Intensiv-Hühnermastanlagen ließen sich über 350 mobile Kleinställe für die artgerechte Aufzucht von je 500 Hühnern auf Obstwiesen und an Waldrändern errichten und dazu ein mobiler Hühnerschlachthof, der am Ende der extensiven Mastzeit von 100 Tagen zu den Bauern auf den Hof kommt und vor Ort schlachtet. So bliebe den artgerecht gehaltenen Hühnern viel Leid erspart, und über 2.000 von ihnen könnten im Landkreis Celle pro Tag geschlachtet werden. Die Region könnte sich zu einem Zentrum für artgerechte Hühnerhaltung mausern. Der Konzern teilte hingegen mit, dass er den Schlachthof im Spätsommer 2011 in Betrieb nehmen will. Stefan Johnigk, www.provieh.de/downloads/provieh_magazin_2010_03.pdf Antibiotika-Missbrauch INFOBOX 14 50 Jahre lang wurden Antibiotika als „Leistungsförderer“ legal in der Intensivtierhaltung eingesetzt. Seit 2006 ist das offiziell verboten, es gibt jedoch ein Schlupfloch: die „Metaphylaxe“. Tritt ein Erreger bei einzelnen Tieren im Stall auf – und das ist keine Seltenheit – wird der gesamte Tierbestand mit Antibiotika behandelt. Das soll die Verbreitung der Keime in der Herde hemmen, fördert aber zugleich die Resistenzbildung. Antibiotika werden über das Trinkwasser oder Futter verabreicht. So ist es unmöglich, sicher zu stellen, dass jedes Tier eine ausreichend hohe Dosis aufnimmt, um alle Bakterien abzutöten. Mit dem Kot und über verspritztes Trinkwasser gelangen Antibiotika in die Einstreu und damit in die Umwelt. Resistent gewordene Keime werden auch über den Staub aus dem Stall hinaus verbreitet. Sie können ihre Resistenzen jederzeit auf andere Bakterienstämme übertragen. Mehrfach resistente Krankheitserreger breiten sich in erschreckendem Maße aus. Das Robert-Koch-Institut konnte sie bereits im Auftauwasser von Hähnchenfleischprodukten aus Intensivtierhaltungen nachweisen. Solche Keime können bei Menschen schwere Entzündungen verursachen, die nicht mehr mit Antibiotika zu behandeln sind. www.bi-wietze.de, www.bauernhahn.de 16 Forschung 17 Zweinutzungshuhn – Traum oder bald Wirklichkeit? Eine Hühnerrasse kann entweder viele Eier legen oder viel Fleisch ansetzen. Will man beides in einem Tier, muss man sowohl bei der Zahl der Eier als auch beim Gewicht der Brust Abstriche machen. Doch die Aussicht auf höhere Gewinne ließ die Züchter schnell dazu übergehen, spezialisierte Rassen heranzuzüchten. Ein Teil der Hühnerindustrie konzentrierte sich auf die Mast, ein anderer Teil auf die Zucht von Turbo-Legehennen. Vom aufgenommenen Futter wird bei den männlichen und weiblichen Tieren aus den Turbo-Legelinien nur noch wenig in den Aufbau von Körpermasse investiert. Beide Geschlechter bleiben deshalb mager und dürr. Aus diesem Grund kommen die Hähnchen der Hybrid-Legelinien nicht für eine Mast in Frage. Sie haben für die Legehennenbetriebe keinerlei ökonomischen Nutzwert. Darum werden die Tiere kurz nach dem Schlüpfen mit CO2 vergast oder im sogenannten „Homogenisator“ geschreddert. So sterben in Europa jedes Jahr 280 Millionen Küken, davon ca. 40 Millionen in Deutschland. Forschungsprojekte in Deutschland In der ökologischen Geflügelzucht sucht man seit Jahren nach einem Zweinutzungshuhn. So wurden zum Beispiel in dem von Bioland durchgeführten Geschwisterküken-Projekt im Jahre 2004 männliche Küken von Legehybriden auf ihre Masteigenschaften hin untersucht. PROVIEH unterstützte dieses Vorhaben Langsam wachsende Hühnerrassen gehören noch längst nicht zum „alten Eisen“ Bitte nicht wegwerfen! finanziell. Leider war das Ergebnis mager: Bei keiner der untersuchten Hybridlinien waren die Männchen als Masthähnchen geeignet. Auch Demeter-Züchter suchen schon seit Jahren nach dem optimalen Zwiehuhn. So kreuzte der Geflügel-Züchter Hans-Joachim Schleicher Sulmtaler Hühner mit Bresshennen. Beide Rassen können bis zu 250 Eier im Jahr legen. Mit einem Schlachtgewicht zwischen 1,7 und 2,3 kg je Tier eignen sie sich zudem hervorragend für die Direktvermarktung. 2009 startete Demeter auch sein „Stubenküken-Projekt“: Dabei werden die Hähnchenküken der Legehennenhybriden ein paar Wochen lang gemästet und dann als kleine Brathühner verkauft. Aber gibt es auf einem hart umkämpften und gesättigten Markt noch genügend Käufer für zusätzliche 40 Millionen Stubenküken? Forschung im Ausland Rassegeflügel Züchtungsversuche liefen auch in der Schweiz: KAGfreiland und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) suchten eine Henne, die 260 Eier im Jahr legt. Der Hahn dazu sollte in 84 Masttagen ein Gewicht von 2,3 kg erreichen. So kreuzte man das ungarische Tetra H-Hybrid-Huhn, das fast 3 kg auf die Waage bringt, mit dem holländischen Bovans-Nera-Huhn. Im Ergebnis war der Futterverbrauch beider Rassen zu hoch und die Legeleistung der Tetra H-Henne mit 240 Eiern im Jahr zu gering. Den aktuellen Zuchtbemühungen stehen die alten Rassen gegenüber, die vor vielen Generationen gehalten und genutzt wurden. Viele dieser alten Hühnerrassen stehen heute auf der Roten Liste der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH). Die Legeleistung dieser Rassehühner ist mit ca. 180 Eiern im Jahr geringer als die moderner Legehybriden. Dafür glänzen die bodenständigen Hennen mit hoher Fruchtbarkeit und guter Gesundheit. Für gewinnmaximierte Legehennenbetriebe sind diese Tiere nicht geeignet. Sie garantieren jedoch den Erhalt eines Gen-Pools, der für die Geflügelzüchtung unabdingbar ist. Das FiBL ist Partner in einem EU-Projekt zu extensiven Legelinien. Esther Zeltner (Projektleiterin FG Tierhaltung) hält die Legeleistung des Huhnes für wichtiger als die Mastleistung. Denn, so ihr Argument, die Schweizer Bauern verdienten an den Eiern mehr als am Hühnerfleisch. Die tschechische Kreuzung namens „Sussex“ kommt diesen Anforderungen sehr nahe: Ihre Legeleistung liegt nur etwa 5 Prozent unter den moderner Hybriden. Da es sich auch als Masthuhn eignet, wird mit diesem Huhn nun weiter gezüchtet. Der Markt wird mit billigen Eiern überschwemmt. Das optimale Zweinutzungshuhn ist noch nicht gefunden. In dieser Situation sind alte Hühnerrassen eine wirkliche Alternative, denn sie sind ein erhaltenswertes Kulturgut – und davon profitieren alle. Susanne Aigner, www.provieh.de/downloads/provieh_ magazin_2010_01.pdf 18 International 19 Der IWF als Totengräber von Ghanas Hühnerindustrie (Noch) tiefgefrorenes Huhn auf einem Markt in Accra Heute ist ihr letzter Tag auf dem HühnerMarkt in Accra. Zwei Wochen lang hat die 40-jährige Rachel Osabutey mitten auf einer Straße in Ghanas Hauptstadt Accra Hühner verkauft. Der Erfolg der Verkaufsoffensive hält sich in Grenzen. Jetzt macht sie dicht. Noch vor sechs Jahren hatte Rachel zusammen mit ihrem Mann Edward drei große Farmen mit über 10.000 Hühnern und einigen hundert Truthähnen. Die Familie besaß eine eigene Schlachterei sowie eine Verpackungsanlage. Doch das importierte gefrorene Geflügel aus Europa, Nord- und Südamerika war und ist einfach unschlagbar billig. Wurden im Jahr 2001 noch 11.000 Tonnen Hühnchen importiert, waren es 2007 schon 75.000 Tonnen (FAO-Statistik). Viele Hühnerfarmer mussten in den letzten Jahren Konkurs anmelden. „Ich verstehe nicht, warum unsere Regierung das zulässt”, fragt sich Rachel. Es ist eine Institution im fernen Washington, die für den Niedergang der Hühnerindustrie von Familie Osabutey ein gerütteltes Maß an Mitverantwortung trägt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) war es, der ghanaische Schutzzölle zum Schutz der heimischen Hühnerbauer untersagte. Ansonsten hätte Ghana einen Millionenkredit nicht bekommen. nerfleisches im Land produziert wurde. Deshalb, auf Druck von Kenneth Kwarty, seinem Geflügelbauernverband und den Reisbauern, beschloss die eigentlich liberale Regierung unter John Nur noch aufgerissene Futtersäcke erinnern an die Geflügelzucht Agyekum Kufuor, Zölle für importierte GeBei Preisen von 5 Cedi pro Huhn – umgerech- frierhühner, Hühnerteile und Reis wieder zu net 2,50 Euro – können Rachel und Edward erhöhen. heute nicht mehr mithalten. Ihre Gegner auf dem Hühnermarkt in Ghana sind unsichtbar. Dann geschah jedoch das Überraschende. Es sind große Mastbetriebe in Deutschland, Das Gesetz war im Februar schon vom ParFrankreich, den Niederlanden, Brasilien und lament ratifiziert und musste nur noch umgeKanada. Mit den durchrationalisierten Pro- setzt werden, doch der große IWF schaltete zessen in den riesigen Betrieben, in denen sich ein. Er bat die ghanaische Regierung, schon mal eine Million Hühner gleichzeitig das Gesetz noch einmal zu überdenken: Die großgezogen werden, können sie nicht kon- Zölle für Hühner und Reis würden nicht mit dem Ziel der Armutsbekämpfung übereinkurrieren. stimmen. Dadurch, dass die Leute billige Kenneth Kwarty war zur Jahrtausendwende Hühnchen kaufen könnten, würde mehr EinVorsitzender des ghanaischen Verbandes der kommen für andere Dinge bleiben. Sollten Geflügelfarmer. Er brauchte elf Jahre, um die die Zölle doch eingesetzt werden, würde es Regierung zu überreden, die Zölle auf den keine neuen Kredite für Ghana geben. Import von Hühnern und Hühnerteilen von 20 auf 40 Prozent zu erhöhen. „Wir waren Ghanas Regierung knickte ein, um den Milschon gewarnt“, erzählt der aufgeweckte Un- lionenkredit des IWF zu erhalten. Kenneth ternehmer. „Vor den Geflügelimporten stie- Kwarty war damals völlig überrascht: „Mit gen die Rindfleischimporte, so dass hier fast allem hätten wir gerechnet, als wir der Rekeine Kühe mehr auf der Weide standen. Un- gierung den Zoll vorschlugen, mit Widerseren Hühnern soll nicht dasselbe passieren.“ stand aus den Ministerien und Banken, mit Protesten der Importeure, der Geberländer Anfang der 90er konnten die ghanaischen oder auch der WTO. Aber dass sich der IWF Geflügelbauern noch das ganze Land mit einmischt, damit hatten wir niemals gerechihren Produkten versorgen. Nachdem 1994 net.“ Dass der IWF mit seiner Einmischung Einfuhrzölle gesenkt wurden, sank die Pro- Arbeitsplätze in der Hühnerindustrie, ja einer duktion von Jahr zu Jahr, so dass 2003 kompletten Industrie den Todesstoß versetzt nur noch die Hälfte des konsumierten Hüh- International / Haltung 21 ten. Auf vielen Märkten gammelt das Fleisch bei 30 Grad einen Tag vor sich hin, bevor es einen Käufer findet. Es gibt zunehmend Fälle von Lebensmittelvergiftungen. Doch das hält bislang niemanden ab, das billige Importhuhn zu kaufen. Denn importiertes Fleisch kann portionsweise gekauft werden, und das lästige Schlachten zu Hause entfällt. Die Zeit arbeitet gegen Hühnerfarmer wie Rachel und Edward Die Importhühner kommen unter anderem aus Holland, Osabutey. Durch den ZusammenDeutschland, Frankreich und Polen bruch der Hühnerproduktion wird die Zucht für die verbliebenen Farhatte, war den Verantwortlichen in Washingmer teurer. Die Küken schlüpfen längst nicht ton damals nicht bewusst gewesen. mehr im Land, sondern müssen importiert Jetzt haben sie es gemerkt. In einer internen werden. Große Verpackungs- und TiefkühlEvaluation des IWF vom 21. Mai 2009 anlagen werden unrentabel. Daher wird die heißt es: „Der Hühnerzollvorfall war eine Hühner-Produktion wie früher wieder lebend unglückliche Ausnahme. […] Im Nachhinein auf der Straße verkauft. stellt sich der Hühnersektor viel verletzbarer So baut Rachel Osabutey ihren Stand direkt durch Importe dar, als unsere Mitarbeiter vor dem Landwirtschaftsministerium wieglaubten.“ der ab. „Reingehen und sich beschweren?“ Die Handelsministerin der neuen Regierung, Nein, auf diesen Gedanken sei sie noch nie Hannah Tetteh, ist sich des Problems bewusst. gekommen, erklärt sie verwundert. „Was Anders als die Vorgängerregierung unter können die denn für mich tun?” Das EhePräsident John Kufour, die sehr handelslibe- paar Osabutey geht pragmatisch mit dem ral war, versucht sie, in den Verhandlungen Niedergang um. Rachels Mann Edward hat mit der EU, Spielräume für Schutzzölle her- inzwischen eine neue Firma aufgebaut: Er importiert Reis. auszuschlagen. Die Ghanaer kaufen inzwischen fast nur noch tiefgefrorene Hühner aus den Legebatterien in Europa und Südamerika. Doch importiertes gefrorenes Geflügel kann auch gesundheitliche Risiken bergen, denn oftmals wird die Kühlkette in Ghana nicht eingehal- Johan von Mirbach Den vollständigen Artikel finden sie unter: www.provieh.de/downloads/provieh_ magazin_2010_02.pdf Einigkeit macht käfigfrei Eine koordinierte Zusammenarbeit zwischen den Organisationen der deutschen Tierschutzbewegung ist wertvoll. Das beweisen erneut die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes vom 22.02.2011: In nur vier Jahren sank die Anzahl der Käfighennen in Deutschland von über 22 Millionen auf unter fünf Millionen. Das ist ein großartiger Erfolg, doch der Weg dahin war lang und ist noch längst nicht zu Ende. Blick zurück in den Käfig Im Jahr 1999 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Haltung von Hennen in Legebatterien gegen das Grundgesetz verstößt. Doch der Handel mit Käfigeiern hielt zunächst unvermindert an. 2002 wurde das Bündnis „Deutschland wird käfigfrei“ gegründet (siehe Infobox). Supermarktketten wurden nachdrücklich dazu aufgefordert, Käfigeier aus dem Sortiment zu nehmen. Mit großem Erfolg: Schon gegen Ende 2008 knickten die Verkaufszahlen der Käfighalter dramatisch ein. Nur zwei Jahre später, im Jahr 2010, waren praktisch keine Eier aus Käfighaltung mehr im Lebensmitteleinzelhandel erhältlich. beitet. Die millionenschweren Käfigbarone blockieren seit langem mit ihrer Lobbyarbeit eine verbindliche Kennzeichnung der Herkunft von Eiprodukten in verarbeiteten Lebensmitteln. Dagegen setzt das Bündnis wirksame Mittel: Transparenz der Produkte und Aufklärung der Kunden, vor allem über das Internet. Die unangenehme Aussicht, als Blockierer von tierschutzrelevanten Verbesserungen öffentlich bekannt zu werden, motivierte selbst große Unternehmen zu einem Umdenken in ihrer Einkaufspolitik. Etliche Supermarktketten, Lebensmittelproduzenten und Gastronomieunternehmen wurden bereits überzeugt, auf Käfigeier zu verzichten. PROVIEH wird weiter dafür kämpfen, Seite an Seite mit guten Partnern. Stefan Johnigk Gegen versteckte Käfigeier Im Frühjahr 2009 bestand der Kreis der Bündnispartner bereits aus 13 Organisationen. Unter der bewährten Leitung der Albert Schweitzer Stiftung wurde nun auch die Eier verarbeitende Industrie höflich, aber bestimmt aufgefordert, in Zukunft keine Käfigeier mehr in ihren Produkten zu verwenden. Billige Qualeier sind allzu oft versteckt in Backwaren, Feinkost oder Eiscremes verar- INFOBOX 20 Bündnis „Deutschland wird käfigfrei“: Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Arbeitskreis für humanen Tierschutz und gegen Tierversuche e.V., Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., Deutsches Tierschutzbüro, Politischer Arbeitskreis für Tierrechte in Europa PAKT e.V., PETA, pro iure animalis, PROVIEH – VgtM e.V., Tier und Mensch e.V., Menschen für Tierrechte / Tierversuchsgegner Baden-Württemberg e.V., Vegetarierbund Deutschland, Vier Pfoten und Vegeterra. www.kaefigfrei.de www.provieh.de/downloads/provieh_magazin_2011_01.pdf 22 s t? s u w e g s e e i S n e t t ä H Informationen Warum leg en Hühner andauernd Eier ? d Mauser un Was is t d ie ie gut? wofür is t s erarten müsle anderen Ti al ie w au en G Abständen regelmäßigen in r ne üh H Hühner würde dern se “, also ihr Fe n normaler w eise, genau ihre „Körperbehaarung wie alle ande sie einmal im ren Vogelarte n, nur so lan- kleid erneuern. Das tun ge Eier legen n stoßen sie bis ihr Nest Mauser. Dan r voll ist. Das de it m wäre in etwa hr Ja ab und es bei 10 bis 12 nutzten Federn ge Eiern der Fall. ab n, te al Da der Mensc re ih Zeit legen h die Eier isst nach. In dieser ue ne und sie desen hs halb täglich au ac w weniger Eier s dem Nest en ine oder viel ke r tfernt, wird ne üh das Nest niem H e di derwechsel als voll. Das H sie für den Fe da , uhn hat also al rm weiterhin das no s al uchen. Bedürfnis Eier Energie verbra zu legen. schon genug r Hühne n e d a b Warum d? n der r Gefie im Sa d, um ih eln im San ern ries baden die Fed uth m c r h u c Hühner s d und . Der n te e b g e le fl erk t Unzu p ckert v d nimm m lo n u d f n u a a ru de S ieder mit. Da dern w ilben, M hen c . li zige Fe r .B natü wie z m u r, z fe d ie nd ist gez dba ühner u as San H d r t e r d ö geh rtoire slich. ensrepe unerläs n e d Verhalt n fi ohlbe für ihr W Können Hühner fl iegen? Es gibt heute nur wenig e Hühnerrassen, die richtig fliegen kön nen. Ein Huhn, das „fliegt“, macht eig entlich eher große Luftsprünge. Sie sind bodenorientierte Laufvögel und legen weite Strecken lieber zu Fuß zurück. 23 r n Hühne e l l a f Warum vo n f nicht a l h c S im ge? der Stan s krümmen des Huhne t h ic m. w e G tange heru Durch das um die S n n h e u h e H Z das sich die enn sich W e r: e rs u e a F n seine Noch ge tzt, wird se e e g in n e ta nt sich auf die S bei span a e D h . lc lt e e k in, w abgewin Hühnerbe n re rte e in rp h ö K Das Sehne am menzieht. m e sa n u h z e S n ie die Zehe Haltung. D chert die allein, es it e rb gewicht si anze A g ie d und o ls gestrengt macht a uskeln an M e icht n in e h k auc werden et deshalb d ü rm das e n n n e rst w das Huh mmern. E la k st nnt e a F p s ts a tet, en durch d er aufrich d ie die w n n h c a uhn k Huhn si und das H e n h e S sich die . der öffnen Krallen wie ung ichn e oten nnz e verb K 9 9 r r3 19 Eie Ziffe seit ie – atter b Käfig en – rupp g Klein n ng i Ei haltu g fi dem ä f i K u E a em fer 2 auf d m Ei – Zif g n uf de u t a l a 1 nh iffer Bode g–Z Ei n u t l dem ha f d u n a a l Frei fer 0 – Zif g n u t al Bioh Warum hac ken Hühne r aufeinand er ein? In der Natur leben Hühner in kleinen Gruppen mit fünf bis zehn Hennen und einem Hahn. In dieser Gru ppe herrscht eine genau festgelegte Ra ngordnung und es komm t nur äußers t selten zu Aggressionen. In der industrie llen Intensivtierhaltung werden sie je doch zu Tausenden gehalte n, so dass sich hier keine stabile Rangor dnung bilden kann. Immer wieder stehen sie einem frem den Tier gegenüber. Nor maler weise ha lten Hühner einen Respekt-A bstand zum N achbartier ein und wei chen ranghö heren Tieren aus. Im vollges topften Stall is t das nicht möglich … Außerdem lie ben Hühner di e Farbe Rot. Sehen sie etw as Rotes, pick en sie darauf herum. Manch mal mit grausi gen Folgen: ist ein Huhn verletzt und bl utet, picken die anderen die Wunde au f. Es kommt zu schlimmeren Verletzungen oder auch zu Kannibalis mus. Susanne Kopte und Verena Stampe 24 Unterricht 25 Nur ein dummes Huhn? „Was macht Annette?“ Eine ganz normale Henne war in einem erbarmungswürdigen Frage zu Beginn einer Unterrichtsstunde. Zustand, hatte zerrupftes, teilweise an GitUngewöhnlich ist vielleicht nur, dass es terstäben abgescheuertes Gefieder, einen sich bei besagter „Annette“ um ein Huhn nackten Hals und konnte mit ihren überlanhandelt. Die Lehrerin Frau Bickenbach, seit gen Krallen kaum einen Schritt normal gehen Jahren Mitglied bei PROVIEH, leitet zusam- – ganz normale Folgen der Käfighaltung. Die men mit ihrer Kollegin Frau Brabender die Mädchen und Jungen reagierten sehr beAG „Rund um Haus und Garten“ an der stürzt, wurden sie doch noch nie so direkt GGS Steinenbrück in Gummersbach. Für mit Massentierhaltung konfrontiert. Sofort ein „Hühnerprojekt“ bot sich zudem Frau gründeten sie einen „Hühnerclub“ und verBickenbachs eigener Hühnerhof an, und teilten selbstgestaltete Flugblätter zum Thema so entstand das Projekt „Nur ein dummes Legebatterie. „Annette“ wurde zu Artgenossen auf Frau Bickenbachs Hühnerhof, der Huhn?“. ohnehin für die Zeit des Projektes zweites Die meisten an dem Projekt teilnehmenden Klassenzimmer geworden war, gebracht. Kinder, die die 3. und 4. Klasse besuchten, Jeden Tag erkundigten sich die Kinder nach wussten nicht allzu viel über Hühner und so „Annette“, wollten wissen, wie es ihr geht und ging es mit ihren gesammelten Fragen im Ge- welche Fortschritte sie macht. Ein weiteres päck zu Frau Bickenbachs Hühnerhof. Hier Highlight des Projektes war das Ausbrüten tummeln sich ca. 30 Hühner und 4 Hähne von Eiern im Brutapparat. Zweimal am Tag verschiedener Rassen auf einem 1.300 qm wendeten die eifrigen Projektteilnehmer die großen Grundstück. Die Kinder beobachte- Eier und besprühten sie mit Wasser. An den ten die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung Wochenenden musste der Brutapparat sogar bei der Futtersuche und der Eiablage, be- mit nach Hause genommen werden, eine sichtigten den Stall und stellten eine Menge äußerst verantwortungsvolle Aufgabe. Leider neuer Fragen. Ein Film über die Aufzucht von blieb der große Bruterfolg aus – von 13 EiKüken durch eine Glucke steigerte ihr Interes- ern schlüpften nur zwei Küken, von denen se noch: „Hühner sind ja richtig interessant!“ nur eins überlebte. Die Kinder waren so beDoch leider geht es nicht allen Hühnern so trübt über den Tod des Kükens, dass die beigut wie bei Frau Bickenbach. In der indus- den Lehrerinnen einige Eintagsküken kauften, triellen Massentierhaltung leiden Lege- und die die Kinder dann beim Heranwachsen auf Masthühner dicht gedrängt in engen Käfigen dem Hühnerhof beobachten konnten. und Hallen, der Auslebung ihrer natürlichen Bedürfnisse völlig beraubt. Frau Bickenbach Auch in den theoretischen Teilen des Pround Frau Brabender konfrontierten die Kin- jektes zeigten sich die Kinder kreativ und der mit einer Henne aus der Legebatterie. interessiert: Sie bastelten aus verschiedenen Die von den Kindern „Annette“ getaufte Materialien Hühner-Haltungsformen nach, Ihre Bestürzung gaben die Kinder des „Hühnerclubs“ in Wort und Bild wieder sortierten Eier anhand ihrer Codezahl und erstellten ein eigenes „Hühnerbuch“. In Eigeninitiative organisierten die Schülerinnen und Schüler eine Hühnerausstellung in der Schule, bei der die 9- bis 10-jährigen ProjektteilnehmerInnen ihre Mitschüler auf die Käfighaltung von Hühnern aufmerksam machten und auch „Annette“ präsentierten. Alle Besucherkinder, einschließlich der Erstklässler, zeigten sich äußerst interessiert und für die Mitglieder der Projektgruppe war diese Ausstellung eine gute Gelegenheit, ihr Wissen weiter zu geben – und die Anerkennung ihrer Mitschüler erfüllte sie mit Stolz. Fernab jeglicher Bauernhof-Romantik, wie sie in Kinderbüchern oft dargestellt wird, haben Frau Bickenbach und Frau Brabender das Projekt „Nur ein dummes Huhn?“ gestaltet. Begeisterungsfähige, wissbegierige und aktive Kinder sprechen eine deutliche Sprache: Interessanter kann man den Unterricht nicht gestalten. Kinder reagieren, wie PROVIEH bereits aus dem Pilotprojekt „Schweinetag in der KiTa“ weiß, äußerst sensibel auf die Bedürfnisse von Tieren. In unserer modernen, industrialisierten Welt haben sie jedoch kaum noch die Möglichkeit, Tiere und Natur hautnah zu erleben und mit unseren sogenannten Nutztieren in Kontakt zu treten. Dabei gibt es viele Gründe beim Einsatz für ein besseres Leben für Huhn, Schwein & Co. bereits bei Kindern anzufangen – die Ethik ist einer davon. Ein weiterer Grund ist die erhebliche Umweltbelastung, die mit der Massentierhaltung einhergeht und den Klimawandel begünstigt. Wenn wir möchten, dass unsere Kinder, Enkel und Urenkel in einer gerechteren Welt leben können, in der es noch intakte Ökosysteme gibt und in der das Mitgeschöpf Tier nicht nur eine Ware ist, sollten wir jetzt anfangen, Projekte wie dieses von Frau Bickenbach und Frau Brabender auf den Lehrplan zu setzen. Kerstin Tofte, www.provieh.de/downloads/ provieh_magazin_2010_01.pdf 26 Rassen 27 Rassehühner – Ein kleiner Einblick Viele Rassen entsprechen in ihrer Leistungsfähigkeit heute nicht mehr den meist über 100 Jahre alten Standardbeschreibungen. Das liegt daran, dass bei der Zucht über viele Jahre nicht mehr wirtschaftliche Interessen, sondern oftmals nur die „Schönheit“ der Tiere im Vordergrund stand. Beispielsweise wurden Hühner gezüchtet, die auf der Schau zwar die höchste Note erreichten, aber nur noch 50 Eier im Jahr legten. Deshalb sollte heute nicht mehr die Rassebeschreibung als Orientierungshilfe beim Kauf dienen, sondern die Erfahrung der einzelnen Züchter mit ihren jeweiligen Linien – die sich zum Teil sehr unterscheiden. Gerade die Legeleistung kann stark variieren. Trotzdem weisen verschiedene Rassen natürlich auch verschiedene Merkmale auf. Wir wollen an dieser Stelle nur einige Beispiele vorstellen, die die große Vielfalt der Hühnerrassen zeigen. Antwerpener Bartzwerge Die Antwerpener Bartzwerge gehören zu den Urzwergrassen. Ihr durchschnittliches Gewicht liegt zwischen 600 und 700 g. Ihre Eier wiegen nicht mehr als 34 g. Die Bartzwerge haben ein ruhiges Wesen, werden sehr zutraulich und sind zudem hochmobil. Als äußerlich auffälligstes Merkmal ist der volle Backen- und Kinnbart zu nennen. Die Antwerpener Bartzwerge legen im Verhältnis zu ihrer Körpergröße relativ große Eier. 2,5 kg. Das Fleisch ist sehr gut. Die Legeleistung ist mit über 200 weißen Eiern im Jahr beachtlich. Vorwerkhühner – Goldvögel im Partnerlook Gut zehn Jahre lang hat Oskar Vorwerk heimische Lakenfelder, mit den aus England importierten Gelben Orpington, Gelben Ramelslohern sowie blauen Andalusiern gekreuzt. Das Ergebnis waren die schnell sehr beliebten „Goldvögel“, mit gleichen Farb- und Zeichnungsanlagen bei beiden Geschlechtern. Bartzwerge: der „Federbart“ ist ihr Markenzeichen Ostfriesische Möwe – silberfarben und schlank Wie kommt ein Huhn zu dem Namen Möwe? Zum einen können diese Tiere – verglichen mit anderen Hühnern – sehr gut fliegen. Zum anderen haben sie den Namen erhalten, weil die Daunenzeichnung der Möwenküken sehr ähnlich ist wie bei den Hühnerküken. Die Ostfriesische Möwe gehört zu den ältesten Hühnerrassen in Deutschland. Erste Beschreibungen tauchen bereits 1816 auf. Den Namen Ostfriesische Möwe erhielt sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als in Ostfriesland eine systematische Züchtung einsetzte. Das Gewicht liegt bei Hähnen zwischen 2,5 kg und 3 kg, bei Hennen zwischen 2 kg und Sowohl der Kopf als auch der Schwanz sind ganz schwarz. Der Rumpf ist goldgelb, das Untergefieder grau. Auffallend sind die mittelgroßen weißen Ohrscheiben, manchmal mit einem roten Rand versehen. Vorwerkhähne erreichen ein Gewicht von 2,5 bis 3 kg, die Hennen zwischen 2 und 2,5 kg. Das Vorwerkhuhn ist ausgesprochen gutmütig, selbst die Hähne vertragen sich untereinander. Dabei sind sie lebhaft und nicht scheu, wetterfest und bei freiem Auslauf gute Futtersucher. Wyandotten Wyandotten sind eine nordamerikanische Rasse und seit 1883 in Deutschland. Der erste Farbschlag war silber-schwarzgesäumt, heute gibt es über 20 Farbschläge. Optisch herausragende Merkmale sind das flaumreiche Gefieder, das die Hühner recht dick erscheinen lässt, sowie der Rosenkamm. Es gibt sie in vielen verschiedenen Farbschlägen, mit der auffälligen „Bänderung“ der einzelnen Federn. Der Rosenkamm ist flach, Ein stolzer Brahma-Hahn ohne die üblichen Zacken, aber dadurch können die Kammspitzen auch nicht abfrieren. Diese Hühner sind extrem wetterfest und suchen selbst noch bei minus 20 Grad den Freilauf auf. Der Gefiederwechsel erfolgt sehr schnell alljährlich im Herbst. Ausgewachsen wiegen die Hennen 3 kg, die Hähne knappe 4 kg. Sie können etwa 10 Jahre alt werden. Brahma Brahma-Hühner zählen zu den größten Rassen Europas. Die Riesenhühner erreichen ein Gewicht von 3,5 bis 5 kg. Aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Größe und dem kräftigen Erscheinungsbild zählen Brahmas zu den Fleischrassen. Sie haben einen geringen Bruttrieb, aber wenn es zur Brut kommt, sind die Hennen gute Glucken. Sie zeichnen sich durch ein ruhiges Wesen aus. Besondere Merkmale sind die befiederten Läufe und die, im Verhältnis zur Körpergröße, relativ kleinen Eier. Zudem sind sie mit einem üppigen Feder- und Daunenkleid ausgestattet. M. Güthe / V. Stampe / S. Kopte PROVIEH – Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V. • Küterstraße 7–9 • 24103 Kiel Gefällt Ihnen die Arbeit von PROVIEH? Dann lesen Sie doch regelmäßig unser PROVIEH-Magazin. Denn für den jährlichen Mindestbeitrag von 24,- € (nur 2 € pro Monat) erhalten Sie auch unser Mitgliedermagazin vier Mal im Jahr frei Haus. Zum Lesen und Weiterverschenken, als Ihr Beitrag zum Nutztierschutz. 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Ihr persönlicher Einsatz für die Nutztiere ist uns hochwillkommen. www.provieh.de Impressum Herausgeber: PROVIEH – Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V., Küterstraße 7–9, 24103 Kiel, Telefon 0431. 2 48 28-0, Telefax 0431. 2 48 28-29, info@provieh.de, www.provieh.de Redaktion: Prof. Dr. Sievert Lorenzen (V.i.S.d.P.), Christina Petersen, Verena Stampe, Susanne Kopte, Stefan Johnigk Gestaltung und Realisation: Petra Gosienicki-Gussow, Grafik-Design, Kiel Druck, Verarbeitung: Pirwitz Druck & Design, Kronshagen Auflage: 3.000 Exemplare © 2011 PROVIEH – Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich die Kürzung und redaktionelle Überarbeitung von Manuskripten und Leserbriefen vor. 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