Rechtsdienst - Bundesvereinigung Lebenshilfe
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Rechtsdienst - Bundesvereinigung Lebenshilfe
Rechtsdienst der Lebenshilfe Praxis gestalten – Innovation wagen Nr. 2/04, Juni 2004 ISSN 0944–5579 Postvertriebsstück: D 13263 F Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz in der Endabstimmung der Ministerien Anfang Mai 2004 ist ein interministeriell noch nicht abgestimmter erster Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung bekannt geworden. Mit dem Gesetz sollen drei EU-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt werden, die zum Ziel haben, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu beseitigen oder zu verhindern. Neu in die Diskussion eingeführt wird mit Artikel 1 des Entwurfs die Schaffung einer Bundesstelle zum Schutz vor Diskriminierungen. Diese Stelle soll die Aufgabe erhalten, von Diskriminierung betroffene Menschen hinsichtlich ihrer Ansprüche und des rechtlichen Vorgehens zu beraten. Artikel 2 enthält ein Gesetz zum Schutz vor Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf. Die Regelungen entsprechen weitgehend der Vorschrift des § 81 SGB IX. In Artikel 3 des Entwurfs wird in das Bürgerliche Gesetzbuch ein fünfter Untertitel „Unzulässige Benachteiligung“ (§§ 319a bis 319g) eingefügt. § 319a enthält ein allgemeines Benachteiligungsverbot aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft oder wegen einer Behinderung. Ein besonderes Benachteiligungsverbot (§ 319 d) wegen einer Behinderung soll für Unternehmer gegenüber Verbrauchern bei der Begründung, Ausgestaltung, Durchführung und Beendigung von rechtsgeschäftlichen und rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnissen gelten, die regelmäßig in einer Vielzahl von Fällen zu gleichen Bedingungen zustande kommen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen einer Behinderung soll jedoch zulässig sein, wenn sie der Verhütung von Schäden, der Berücksichtigung eines Risikos oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient. Aus dem Inhalt: Rechtlicher Meinungsstreit und bioethische Debatte - Anmerkungen von Robert Antretter Hat die Eingliederungshilfe eine Zukunft? Neuordnung gerichtlicher Zuständigkeiten durch das 7. Sozialgerichts-Änderungsgesetz Neue Heilmittel-Richtlinien ab 01. Juli 2004 Erstattung von Entgelt für Verpflegung bei Heimbewohnern mit Sondenernährung Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates über die Arbeitszeit bei Freizeitmaßnahmen Stichwortregister Das Stichwortregister des Rechtsdienstes der Lebenshilfe 2003 kann ab sofort gegen Einsendung von 1,44 EURO in Briefmarken bei der Redaktion des Rechtsdienstes angefordert werden oder ist im Internet unter www.lebenshilfe.de in der Rubrik „Publikationen/Medien“ - Rechtsdienst Rechtsdienst-Jahresregister 2003 - abrufbar. Erfahrungsgemäß wird sich dieser erste Entwurf im Laufe der Diskussion noch verändern. Vorsichtiger Optimismus sollte jedoch zulässig sein. Herausgegeben von der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 geistiger Behinderung e. V. Unter Beteiligung von: Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e. V. (CBP) Bundesverband Evangelische Behindertenhilfe e. V. (BEB) Verband für Anthroposophische Heilpädagogik 49 Sozialtherapie und Soziale Arbeit e. V. INHALT Rechtspolitik Rechtlicher Meinungsstreit und bioethische Debatte Anmerkungen (auch über den „Stil im Recht“) von Robert Antretter ....................................................................... 51 Sozialpolitik Hat die Eingliederungshilfe eine Zukunft? von Klaus Lachwitz ........................................................................ 52 Die Sozialhilfe steht vor großen Veränderungen - Teil 2 Rentenversicherung Änderungen im Rentenrecht ....................................... 77 Betreuungsrecht Gesetzesänderungen mit Auswirkungen im Betreuungsrecht ......................................................................... 77 Arbeitsrecht Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates über die Arbeitszeit bei Freizeitmaßnahmen ..................... 79 von Dr. Sabine Wendt .................................................................... 55 Berichtigung zu dem Verhältnis der Geldleistungen gem. SGB XII und SGB II zueinander, RdLh 1/2004, S.8 .......................................................... 59 Kein Wohngeld für Bezieher von unterhaltssichernder Sozialhilfe ................................................................ 60 Neuordnung der gerichtlichen Zuständigkeit für Verfahren nach dem SGB XII und SGB II durch das 7. Sozialgerichts-ÄnderungsG (7. SGGÄndG) von Dr. Sabine Wendt .................................................................... 60 Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Kraft .......... 62 Heimgesetz Erstattung von Entgelt für Verpflegung bei Heimbewohnern mit Sondenernährung von Prof. Dr. Peter Trenk-Hinterberger ..................................... 81 Zur Abgrenzung eines Heimes vom Betreuten Wohnen ............................................................................ 83 Grundsicherung Kindergeldanrechnung auf die Grundsicherung weiter im Streit ............................................................... 63 Kindergeld Hilfe zum Lebensunterhalt ist beim Kindergeld anrechenbar ......................................................................... 85 Beim Kindergeld für volljährige behinderte Kinder ist auf den Kalendermonat abzustellen ..................... 85 Sozialhilfe Vorleistungspflicht für Leistungen eines Familienentlastenden Dienstes (FED) ..................................... 64 Zum Verhältnis von Entlastungspflege zur Inanspruchnahme eines Familienentlastenden Dienstes nach BSHG und Leistungen der Pflegeversicherung ....... 65 Neue Regelsatzverordnung: Senkung des Existenzminimums? ..................................................................... 66 Anspruch auf gekürztes Pflegegeld auch bei häuslicher Pflege rund um die Uhr ..................................... 67 Kostenübernahme für die Urlaubspflege durch Sozialhilfeträger ............................................................. 67 Pflegeversicherung Richterliche Schätzung des Hilfebedarfs der Pflegeversicherung, Anerkennung von Wegen zur Ergotherapie ........................................................................... 68 Gesetzliche Krankenversicherung Neue Heilmittel-Richtlinien ab 01. 07. 2004 von Norbert Schumacher ............................................................... 70 Lagerungsrollstuhl als Hilfsmittel der Krankenversicherung ............................................................................ 72 Petö-Therapie ist keine Kassenleistung ..................... 74 Behindertengerechter Umbau eines KFZ ist kein Hilfsmittel i. S. von § 33 SGB V ................................. 76 50 Steuerrecht Aufwendungen für Aufzug keine „außergewöhnliche Belastung“ im Sinne des Einkommenssteuergesetzes ........................................................................... 84 Recht und Ethik Übersicht: Parlamentarisch-politische Beratungen im Bereich Gentechnik und (Bio-)Medizin ............. 87 Therapeutisches Klonen - verfassungsrechtliche und verfassungsprozessuale Interventionsmöglichkeiten (des Bundespräsidenten)? von Margareta Burgard .................................................................. 89 Internationales Die Vereinten Nationen arbeiten zügig an einer Konvention für behinderte Menschen ....................... 91 Bücherschau ................................................................. 93 Impressum .................................................................... 95 Dieser Ausgabe liegt eine Beilage für Abonnementwerbung für die Zeitschrift „Praxishandbuch Sozialmanagement“, Bonn, (Postvertriebskennzeichen: G 48794) bei. Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 RECHTSPOLITIK Rechtlicher Meinungsstreit und bioethische Debatte – Anmerkungen (auch über den ”Stil im Recht”) von Robert Antretter I. Juristische Diskussionskultur Juristen, so sagt man, können alles – dazu gehört die Fähigkeit, alles in Frage zu stellen. Häufig zu vernehmen ist zudem der Hinweis, man könne zu einem Problem zwei Juristen befragen und erhalte (mindestens) drei Auffassungen. Also: Vagheit, mangelnde Verbindlichkeit als Primär(un)tugenden der Juristen? Diese Behauptung wäre allzu oberflächlich. Und doch weisen solche Vorurteile auf Fragen hin, deren Betrachtung lohnt. Ist es eine Schwierigkeit der modernen Juristerei, angesichts aktueller Problemlagen klare Antworten zu geben? Verdeckt die juristische Diskussionskultur klare Maßstäbe, und erschwert das ”ewige” Debattieren eine klare Orientierung? Diese schwierigen Fragen, zumal konkretisiert für den rechtlichen Bereich der modernen Ethikdebatte, sind kaum in einigen Zeilen zu beantworten. Zu erkennen sind aber die Schwierigkeiten, die sich den Juristen stellen. In dieses Bild passt, dass die (verfassungs-)rechtlichen Schranken, die der Laie als ethische Grenzen gegenüber medizinischem Fortschrittsstreben zu erkennen glaubt, niemals sicher davor sind, von Juristen in ihrer Verbindlichkeit in Zweifel gezogen zu werden. Dieser ”Stil im Recht” ist meiner Meinung nach in dem hier interessierenden Bereich der juristisch geführten Biomedizindebatte in einem besonderen Zusammenhang zu sehen. Einige Gründe: Aus dem breiten Spektrum der Fachdisziplinen ragt die Jurisprudenz in diesem Diskurs als Entscheidungswissenschaft heraus. Die Gentechnikdebatte ist (zumeist) normativ angelegt. Sie sucht nach Regeln, nach Grenzen für den gentechnischen Fortschritt und weist diese Aufgabe in letzter Konsequenz dem Recht zu, weil nur dieses Steuerungsinstrument allgemein anerkannt oder zumindest qua Verfassung anzuerkennen ist (vgl. Verbandsdienst 2/02, S. 27 ff.). Der inhaltliche Streit um die ”richtige” juristische Auslegung und die argumentativen Grundlagen ihrer Durchführung haben also gerade im Bereich der Bioethik große Bedeutung. Es lohnt sich deshalb, den skizzierten ”Stil im Recht” allein schon wegen seiner Konsequenzen näher zu betrachten. Der Nichtjurist ist dabei ”im Vorteil”, weil er nicht der Gefahr einer ”Betriebsblindheit” unterliegt und Fragen stellt, die dem Juristen vielleicht so nicht in den Sinn kommen. Dieser ”Vorteil” gilt aber nur dann, wenn der juristisch interessierte Laie seine eigenen Grenzen achtet: Es geht im Folgenden daher nicht um eine kaum leistbare fachliche Auseinandersetzung mit den Prinzipien juristischer Auslegungs- und Argumentationstechnik. Aufgegriffen wird vielmehr ein Beispiel aus Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 dem Katalog juristischer Beiträge innerhalb der Biomedizindebatte, nämlich Prof. Matthias Herdegens Ausführungen zum Menschenwürdeschutz des menschlichen Embryos. Ziel meiner Ausführungen ist eine Differenzierung, eine Abgrenzung der Felder eines notwendig kontroversen rechtsethischen Diskurses von solchen ”Positionen”, die meinungsunabhängig außerhalb (auch rechtlich) akzeptabler und tolerabler Kategorien liegen. II. Diskussion über den Schutz des menschlichen Embryos Im Februar 2003 erregte die Neukommentierung der Menschenwürdevorschrift in dem führenden Grundgesetzkommentar (”Maunz-Dürig”) Aufsehen. ”Art und Maß des Würdeschutzes” in Art. 1 GG, so die neue Botschaft von Bearbeiter Matthias Herdegen, seien – ”trotz des kategorischen Würdeanspruchs aller Menschen” – ”für Differenzierungen durchaus offen, die den konkreten Umständen Rechnung tragen.” (Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 1, Rdnr. 50). Für Prof. Ernst-Wolfgang Böckenförde, ehemaliger Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe, ist dieser Schlüsselsatz das zentrale Indiz für einen Paradigmenwechsel innerhalb des juristischen Standardwerks, da sich die dort nun vorgenommene Gegenüberstellung (Würdeschutz geborener Menschen einerseits, pränataler Würdeschutz andererseits) bewusst von einem traditionellen Diskurs ”verabschiedet”, wobei es Herdegen mit seiner relativierenden Interpretation des Art. 1 GG letztlich ”um den Freiraum für die Gewährung und den Abbau von Würdeschutz nach Angemessenheitsvorstellungen” gehe (Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Würde des Menschen war unantastbar, FAZ vom 3. September 2003, S. 33). Nun sind weder die Ansicht Herdegens (vgl. Herdegen, Die Menschwürde im Fluß des bioethischen Diskurses, JZ 2001, S. 774) noch dessen grundsätzliche Argumentationslinien (vgl. Verbandsdienst, a. a. O., S. 29) wirklich neu. Gleichwohl: Der Kritik Böckenfördes ist in ihrem Kern zuzustimmen. Zu Recht weist er auf die Konsequenzen einer folgenorientierten Auslegung des Menschenwürdeschutzes hin, die sich kurzsichtigen Forderungen nach ”Liberalisierung” und ”Machbarkeit” verschreibt (= Folgenorientierung), ohne die damit drohenden Erosionen der Verfassungsordnung (etwa für Ewigkeitsgarantie) im Blick zu haben (vgl. Böckenförde, a. a. O., S. 35). 51 RECHTSPOLITIK/SOZIALPOLITIK Beispielhaft benannt ist damit auch das mich an dieser Stelle interessierende Problem: Natürlich bewegt sich die skizzierte Auseinandersetzung um Artikel 1 GG trotz aller Heftigkeit auf der Ebene eines klassischen (rechtswissenschaftlichen) Diskurses. Ich sage dies, obwohl auch ich Positionen, wie die von Herdegen, massiv kritisiere und als nicht tragbar ablehne. Ich gehe noch weiter: Da es hier um wirklich drängende, um elementar wichtige Problemstellungen geht, halte ich es auch für legitim, Fragen aufzuwerfen und kontrovers Debatten mit klaren Positionen zuzuspitzen. Bei dieser Erkenntnis kann man aber nicht stehen bleiben; denn ”Herdegensche Ansätze” entwickeln – ob bewusst oder unbewusst – auch außerhalb des unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten natürlich zu akzeptierenden Diskurses weitere Botschaften. Folgendes Problem schließt sich nämlich an: Die scheinbar voraussetzungslose Art der juristischen Diskussion verschleiert, dass bereits gewisse Fragestellungen per se ein Präjudiz enthalten. Differenzierungen in Bezug auf den Menschenwürdeschutz des Embryos (in vitro) formulieren eben nicht nur ein Bemühen um eine wissenschaftlich tragfähige Definition des Schutzbereichs, sondern stellen auch in Frage, ob eine Rechtsordnung zu demjenigen steht, über dessen Schutzwürdigkeit gestritten wird. Anders formuliert: Eine verkürzte Darstellung rechtsethischer Streitpunkte als klassischer ”Meinungsstreit” (geführt wie z. B. die Debatte um die Frage, ob der Bundespräsident bei neuen Gesetzen ein Prüfungsrecht hat) berücksichtigt zu wenig die Konsequenzen, die allein schon die Diskussion als solche hervorruft. Gemeint sind damit die Auswirkungen auf diejenigen, über die in der Bioethikdebatte (auch immer) gesprochen wird. Es ist also nicht die Existenz des ”abweichenden Arguments” kritikwürdig, sondern die Unbedarftheit oder Blindheit einzelner Meinungsäußerungen hinsichtlich ihrer Auswirkungen. Herdegens Flucht aus diskursethischen Deutungen (vgl. Maunz/Dürig-Herdegen, Art. 1, Rdnr. 55), genauer: seine Umdeutungen des Würdeschutzes hin zu einem flexiblem Instrumentarium, berühren allein schon durch ihre Formulierungen das gesellschaftliche Bild vom ungeborenen Menschen und die Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderungen, über deren Menschenwürdeschutz (im vorgeburtlichen Stadium) – natürlich rein ”wissenschaftlich” – ”diskutiert” wird. Dieser Tatsache muss sich bewusst werden, wer an der Debatte teilnimmt. Gefordert ist – unabhängig von der eingenommenen Position – eine Sensibilität und ein Verantwortungsbewusstsein. Das heißt auch: Wer einer relativierenden Definition des Menschenwürdeschutzes das Wort redet, der muss sich jenseits des Kriteriums wissenschaftlicher Konsistenz den ethischen Auswirkungen seiner Position stellen. Hier hat die juristische Argumentationstechnik meines Erachtens Nachholbedarf. III. Abgrenzung: Keine latente Diskussion über den ”Lebenswert” menschlichen Lebens! Ich fasse zusammen und formuliere ein Ergebnis: Ausdrücklich anzuerkennen ist die zentrale Bedeutung kontroverser Diskussionen im juristisch-wissenschaftlichen Bereich. Zu berücksichtigen bleibt aber auch: Bei allen Unterschieden innerhalb ethisch-rechtlicher Positionsbestimmungen existiert eine ausnahmslos gültige Wertentscheidung unserer Rechts- und Verfassungsordnung, die Zurückhaltung verlangt. Diese Grenze dessen, was erlaubt ist, das Unverfügbare definiert Art. 1 GG. Deshalb liegen relativierende Überlegungen über die Existenzberechtigung menschlichen Lebens außerhalb des Wertesystems unseres Grundgesetzes und damit auch außerhalb dessen, was diskursfähig sein kann. Diese Grenze ist zu achten, und bei Diskussionen über die Grenzbestimmung muss deshalb sensibel und mit Rücksicht auf die besondere Bedeutung dieser Wertentscheidung vorgegangen werden. Für den juristisch-wissenschaftlichen Diskurs muss somit unabhängig von inhaltlichen Positionen gelten: Eine (latente) Diskussion über den ”Lebenswert” menschlichen Lebens darf es nicht geben. Hat die Eingliederungshilfe eine Zukunft? CDU/CSU-regierte Bundesländer wollen im Herbst 2004 ein eigenes Leistungsgesetz für behinderte Menschen vorstellen von Klaus Lachwitz Noch ist das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts (SGB XII) nicht in Kraft getreten. Noch steht in den Sternen, ob es bis zum 01. Januar 2005 gelingt, die im vergangenen Jahr im Vermittlungsausschuss beschlossene Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslo52 senhilfe in einem Sozialgesetzbuch-Zweites Buch (SGB II) rechtzeitig und praxisgerecht umzusetzen. Dennoch zeichnet sich schon jetzt ein neues Gesetzesvorhaben ab, das auf eine Beteiligung des Bundes an der Finanzierung der Eingliederungshilfe zielt und derzeit in eiRechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 SOZIALPOLITIK ner im Sozialministerium des Landes Baden-Württemberg angesiedelten Arbeitsgruppe vorbereitet wird. Die inzwischen bekannt gewordenen Überlegungen der Arbeitsgruppe lassen erkennen, dass weniger die Inhalte der Eingliederungshilfe als die Finanzierungsprobleme die Kommunen im Blickpunkt der Reformüberlegungen stehen. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Zahl der Leistungsbezieher von Eingliederungshilfe zwischen 1995 und 2002 von 405.146 Personen auf 578.320 Personen gestiegen ist. Dem steht ein Kostenanstieg von 1995 bis 2002 von 47 % gegenüber, nämlich von 6,171 Milliarden EURO auf 9,071 Milliarden EURO. Damit stehe fest, dass seit 2001 bundesweit mehr für die Eingliederungshilfe aufgewendet wird als für die Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU), die bislang immer als der klassische Aufgabenbereich der Sozialhilfe galt. Für die kommenden 10 – 15 Jahre wird mit einer Verdoppelung der Zahl der Leistungsempfänger gerechnet. Bei einer angenommenen Kostensteigerung von rund 4 % und einer Preissteigerung von 1,5 % pro Jahr wird ein Anstieg der Aufwendungen der Eingliederungshilfe von derzeit 9,1 Milliarden auf 12,6 Milliarden im Jahr 2008 prognostiziert. Als Ursachen der progressiven Kostenentwicklung werden u. a. benannt: - Demografische Gründe: Aufgrund der Euthanasie, die während der Zeit des Nationalsozialismus bis zu 300.000 behinderten Menschen das Leben gekostet hat, liegt das Durchschnittsalter der behinderten Leistungsempfänger, die Eingliederungshilfen erhalten, erheblich unter dem Altersdurchschnitt der Gesamtbevölkerung. Die Zahl der behinderten Menschen, die im Erwachsenenalter ambulante, teilstationäre und vollstationäre Eingliederungshilfe benötigen, wächst deshalb in den nächsten Jahren kontinuierlich. - Die Lebenserwartung behinderter Menschen gleicht sich der steigenden allgemeinen Lebenserwartung an. - Aufgrund des medizinischen Fortschritts steigt die Lebenserwartung und nimmt der Anteil behinderter Menschen und hier insbesondere der schwer mehrfach behinderten Menschen zu. Die Arbeitsgruppe, der insbesondere Vertreter der CDU/CSU-regierten Bundesländer, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, der Deutsche Landkreistag und – bisher allerdings nur als Beobachter – auch SP D-regierte Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und das BMGS angehören, befasst sich deshalb vor allem mit der Neuordnung der Finanzierungsgrundlagen. Dazu wird kri- Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 tisch angemerkt, dass die Eingliederungshilfe bisher ausschließlich aus kommunalen Mitteln (z. B. Bayern, Baden-Württemberg), Landesmitteln (z. B. Berlin) oder quotal aus Kommunal- und Landesmitteln (z. B. Niedersachsen) finanziert wird, eine direkte Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliederungshilfe jedoch bislang nicht vorgesehen sei. Es müsse deshalb vorrangig an einem Modell gearbeitet werden (Modell I), das folgende Ziele verfolge: - Finanzbeteiligung des Bundes, - Verbesserung der Steuerungsmöglichkeiten in der Eingliederungshilfe und - Stärkung des Nachrangs. Ein Leistungsgesetz zur Neuregelung der Eingliederungshilfe in der Ausgestaltung als einkommensund vermögensunabhängiges Leistungssystem wird von der Arbeitsgruppe derzeit nicht für durchsetzbar gehalten. Aufbauend auf der im Bereich der Fürsorge verhafteten Eingliederungshilfe soll eine aus Bundesmitteln finanzierte Teilhabeleistung unter dem Begriff ”Bundesbehindertengeld” eingeführt werden. Dieser Geldbetrag soll bedürftigen volljährigen wesentlich behinderten Menschen nach Abschluss der Schulausbildung in Höhe von 600 EURO monatlich zustehen. In Anlehnung an die Strukturen der Sozialhilfe soll eine volle Anrechnung des Behindertengeldes erfolgen, wenn zweckgleiche Leistungen vom Träger der Sozialhilfe erbracht werden. Außerdem sei eine Nachrangigkeit im Verhältnis zu zweckgleichen Leistungen anderer Rehabilitationsträger vorzusehen. Eine Prüfung der zweckentsprechenden Verwendung des Behindertengeldes soll entfallen. Sofern verfassungsrechtlich möglich, soll die Administration durch die Stadt- und Landkreise erfolgen. In einem Modell II soll geprüft werden, ob es möglich ist, die Aufgaben- und Finanzverantwortung für die gesamten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, also z. B. auch für die Werkstätten für behinderte Menschen, auf den Bund zu verlagern. Einzelheiten zu diesem Modell sind bisher nicht bekannt geworden. Die Arbeitsgruppe hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, sich bereits im Juni 2004 für ein Modell zu entscheiden, im Juli 2004 einen konkreten Gesetzentwurf zu erarbeiten und diesen möglichst noch im Oktober 2004 über den Bundesrat in die politische Diskussion einzubringen. 53 SOZIALPOLITIK Auch der Deutsche Verein arbeitet an neuen Finanzierungskonzepten für die Eingliederungshilfe Der Vorschlag der Arbeitsgruppe der CDU/CSU-regierten Bundesländer, die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliederungshilfe über die Gewährung eines Behindertengeldes aus Bundesmitteln sicherzustellen, ist im Herbst 2003 in einer Arbeitsgruppe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge: ”Finanzierungsfragen der Eingliederungshilfe” erarbeitet worden. Er geht auf die Überlegung zurück, dass der Bund Menschen, die infolge von Kriegsereignissen behindert sind, die notwendigen Hilfen, die in ihrer Substanz häufig den Leistungen der Eingliederungshilfe gleichen, über die Versorgungsämter nach Maßgabe des Bundesversorgungsgesetzes gewährt. Diese aus rechtlicher Sicht als ”Entschädigungsleistungen” qualifizierten Hilfen werden aus Bundesmitteln finanziert. Da die Zahl der leistungsberechtigten Kriegsopfer kontinuierlich abnimmt, sei es gerechtfertigt, Überlegungen anzustellen, die vom Bund im Bereich des Entschädigungsrechts eingesparten Mittel zur Entlastung der Eingliederungshilfe einzusetzen. Die Zahlung eines ohne großen bürokratischen Aufwand festzusetzenden Behindertengeldes an wesentlich behinderte Menschen i. S. d. § 39 BSHG entspreche der Grundidee einer Behindertenrente, die in einer ganzen Reihe von europäischen Ländern an behinderte Menschen ausgezahlt wird und aufgrund des Einigungsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik auch behinderten Bürgern aus der früheren DDR zusteht, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Einigungsvertrages einen Rechtsanspruch auf Invalidenrente erworben hatten. Das Behindertengeld sei als Teilhabeleistung zu qualifizieren, weil es – vergleichbar mit dem persönlichen Budget nach § 17 SGB IX – den behinderten Leistungsberechtigten zur eigenverantwortlichen Verwendung überlassen werde. Position der Fachverbände für Menschen mit geistiger Behinderung Die an der Herausgabe des Rechtsdienstes der Lebenshilfe beteiligten Fachverbände für Menschen mit geistiger Behinderung haben sich bereits in den 90-iger Jahren gemeinsam mit anderen Behindertenverbänden in ”Denkanstößen für ein eigenes Leistungsgesetz” dafür ausgesprochen, die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung aus der Sozialhilfe (Fürsorge) 54 herauszulösen und in einem eigenständigen Bundesgesetz zu regeln. Maßgebend dafür war insbesondere die Überlegung, dass das seit 1994 in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verankerte Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen den Gesetzgeber dazu aufruft, einen Beitrag dazu zu leisten, dass behinderte Menschen als vollwertige Bürger am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen lasse sich nur verwirklichen, wenn Nachteile, die auf eine Behinderung zurückzuführen sind, beseitigt werden. Ein Leistungsgesetz für behinderte Menschen müsse deshalb künftig auf den Grundgedanken des Nachteilsausgleichs und der Teilhabe gestützt werden. In einer gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe veröffentlichten Presseerklärung vom 03. Juni 2003 haben die Fachverbände erklärt, dass der aufgrund wachsender Fallzahlen bis zum Jahr 2008 zu erwartende erhebliche Kostenanstieg in der Eingliederungshilfe finanziell nur zu bewältigen ist, wenn die Eingliederungshilfe als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anerkannt wird. Insofern sei es folgerichtig, auch den Bund an der Finanzierung der Eingliederungshilfe beteiligen zu wollen. Der Gedanke, ein Behindertengeld einzuführen, sei eine von mehreren Optionen, die inhaltlich geprüft werden müssen. Die Fachverbände stehen deshalb den Beratungen in der Arbeitsgruppe des CDU/CSU-regierten Bundesländer grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber: Die Initiative der CDU/CSU-regierten Länder kann auch einen Beitrag dazu leisten, die Ursachen der Kostenentwicklung in der Eingliederungshilfe in der Öffentlichkeit darzustellen. Auf keinen Fall kann ein schleichender Abbau von Leistungsstandards in der Eingliederungshilfe hingenommen werden, indem in den nächsten Jahren steigende Fallzahlen in der Eingliederungshilfe von den Kommunen einfach ignoriert werden und die Kostenentwicklung ”gedeckelt” wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Städte und Gemeinden im Bereich der Sozialhilfe nicht nur durch die Einführung der Sozialen Pflegeversicherung erheblich entlastet worden sind, sondern auch durch die Zusammenführung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe und die Zahlung eines Arbeitslosengeldes II (ALG II) aus Bundesmitteln vor einer weiteren finanziellen Entlastung im Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt für Langzeitarbeitslose stehen. Dies wird zwar von den kommunalen Spitzenverbänden vehement bestritten, ist aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Verhandlungen nicht völlig auszuschließen. Es geht um behinderte Menschen, ihre Zukunftschancen und um die Verwirklichung der im SozialRechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 SOZIALPOLITIK gesetzbuch-Neuntes Buch (SGB IX) gesetzten Ziele: Selbstbestimmung und Teilhabe! Es muss verhindert werden, dass diese Ziele durch Standardabsenkungen und Qualitätsabbau unterlaufen werden, wie dies in einigen Bundesländern bereits praktiziert wird (Beispiel: Das Standardflexibilisierungsgesetz des Saarlandes, Landtags-Drs. 12/755 vom 28.10.2002). Stattdessen muss ein auf den Grundgedanken der Teilhabe und des Nachteilsausgleichs gestütztes Leistungssystem geschaffen werden, das dem Prinzip folgt, Bewährtes zu erhalten, aber auch Innovation und flexibles Reagieren auf zukünftige Entwicklungen ermöglicht. Weitgehend unstrittig ist, dass sich die als offenes Leistungssystem kon- struierte Eingliederungshilfe als eine der anpassungsfähigsten Anspruchsgrundlagen des Sozialrechts erwiesen hat. Dieses ”Gut” gilt es abzusichern. Ob es gelingen kann, die Leistungen der Eingliederungshilfe zukunftsfest zu gestalten, indem sie in ein Leistungssystem eingebracht werden, das mehr und mehr auf sog. persönliche Budgets i. S. d. § 17 SGB IX setzt und verstärkt dem Grundsatz ”ambulant vor stationär” Folge leistet, muss in den nächsten Jahren sorgfältig erprobt werden. Aus der Sicht von Menschen mit geistiger bzw. mehrfacher Behinderung sind dazu noch viele Fragen offen (vgl. RdLh 4/03 S. 149 ff., RdLh 1/04 S. 9 ff.). Die Sozialhilfe steht vor großen Veränderungen – Teil II Neuregelung des Übergangs von Unterhaltsansprüchen gegen Eltern behinderter Kinder im Gesetz zur Reform der Sozialhilfe (SGB XII) von Dr. Sabine Wendt Der Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen in § 91 BSHG ist ab 01.01.2005 in § 94 SGB XII geregelt. Während § 94 Abs. 1, 4 und 5 SGB XII die Regelungen aus § 91 Abs. 1, 3 und 4 BSHG übernimmt, weicht der Unterhaltsregress gegenüber Eltern behinderter Kinder in § 94 Abs. 2 von § 91 Abs. 2 BSHG ab. Der Unterhaltsbeitrag wird nicht nur für die Eingliederungshilfe und die Hilfe zur Pflege auf 26 EURO begrenzt, sondern auch für die Hilfe zum Lebensunterhalt auf 20 EURO (§ 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Diese Beträge verändern sich zum gleichen Zeitpunkt um denselben Vomhundertsatz, um den sich das Kindergeld verändert (§ 94 Abs. 2 S. 3 SGB XII). Die erst im Zuge der Gesetzgebung des SGB IX umgestaltete Unterhaltsregressregelung in § 91 Abs. 2 BSHG vom 01.01.2002 war in die Kritik geraten, weil sie zwar den Unterhaltsbeitrag für die vollstationäre Heimbetreuung mit nur noch monatlich 26 EURO erheblich absenkte, aber den Unterhaltsanspruch im ambulant betreuten Wohnen nicht durch einen Festbetrag beschränkte. Dies war als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz angesehen worden1 . Diesem Anliegen hat der Gesetzgeber jetzt dadurch Rechnung getragen, dass er die Begrenzung des Unterhalts auf einen Festbetrag nicht mehr an der Art der Betreuung (vollstationär oder ambulant) orientiert, sondern an der Eigenschaft der volljährigen unterhaltsberechtigten Person, die behindert im Sinne von § 53 SGB XII oder pflegebedürftig im Sinne von § 61 SGB XII sein muss. In der Gesetzesbegründung2 wird ausgeführt, das Hauptziel der Neuregelung sei die damit erreichte Gleichbehandlung bei ambulanter und stationärer Unterbringung. Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Beschränkung des Forderungsübergangs wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit Der Begriff der Behinderung in § 53 Abs. 1 SGB XII entspricht der Regelung in § 39 Abs. 1 BSHG und knüpft an die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX an, wonach Personen behindert sind, deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht, und daher in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sind. Liegt eine wesentliche Behinderung i. S. d. Verordnung zu § 60 SGB XII vor oder droht sie, gibt es einen Rechtsanspruch auf eine Eingliederungsmaßnahme, bei einer leichteren Behinderung wird sie als Ermessensleistung gewährt. Da § 94 SGB XII beide Varianten umfasst, wird bereits bei einer leichten Behinderung (z. B. Lernbehinderung) der Anspruchsübergang nicht nur für die Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege, sondern auch für die Hilfe zum Lebensunterhalt beschränkt. Einbezogen sind alle Inhaber eines Schwerbehindertenausweises, §§ 2 Abs. 2, 69 SGB IX, was den begünstigten Personenkreis gegenüber dem bisher geltenden Recht des § 91 BSHG erheblich ausweitet. Dieser wird aber häufig die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II erhalten, wenn er mehr als drei Stunden unter Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, § 8 Abs. 1 SGB II. Liegt hingegen eine dauerhafte Erwerbsminderung vor, hat der Bezug der Grundsicherung nach §§ 41 ff SGB XII Vorrang vor der Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Forderungsübergang für die Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen des Kindesunterhalts für Volljährige setzt 55 SOZIALPOLITIK daher zunächst die Prüfung voraus, ob die unterhaltsberechtigte Person behindert oder pflegebedürftig ist. Erst nach dieser Feststellung lässt sich die Aussage treffen, ob die Festbetragsregelung nach § 94 Abs. 2 SGB XII anzuwenden ist, oder der volle Unterhaltsregress geltend gemacht werden kann. Wird Unterhalt für eine Eingliederungshilfeleistung verlangt, erübrigt sich die Prüfung der Behinderteneigenschaft der unterhaltsberechtigten Person, weil diese sich inzidenter aus der Gewährung der Eingliederungshilfe ergibt, die gewährt wird, um einen behinderungsbedingten Bedarf abzudecken. Das Gleiche gilt für den Forderungsübergang für Pflegeleistungen. Pflegebedürftigkeit i. S. v. § 61 SGB XII ist gegeben, wenn die Person wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monaten in erheblichen oder höherem Maße der Hilfe bedarf. In aller Regel wird das Vorliegen eines Schwerbehindertenausweises aber den Nachweis der Pflegebedürftigkeit überflüssig machen. Anspruchsübergang für die Eingliederungshilfe Nach § 94 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ist der Unterhaltsregress auf eine Höhe von 26 Euro für alle Leistungen der Eingliederungshilfe im 6. Kapitel begrenzt. Bei der Regelung in § 91 Abs. 2 BSHG galt diese Festbetragsbegrenzung nur für die Eingliederungshilfe in stationären Einrichtungen, für alle anderen Eingliederungsmaßnahmen wurde geprüft, ob eine „unbillige Härte“ vorlag. Dabei wurden nach Empfehlungen der überörtlichen Sozialhilfeträger für behinderte Kinder von 22 bis 27 Jahren der dreifache Einkommensund Vermögensfreibeitrag nach § 81 BSHG und der VO zu § 88 BSHG angerechnet, und ab Vollendung des 27. Lebensjahres der sechsfache Freibetrag.3 Eltern mit höherem Einkommen und Vermögen waren daher im vollen Umfang für die ambulante Eingliederungshilfe unterhaltspflichtig. Diese Ausweitung der Festbetragsregelung auf alle Eingliederungshilfemaßnahmen soll den Anreiz beenden, wegen der günstigeren Unterhaltsregelung eine stationäre statt einer ambulanten Betreuungsform für das Wohnen zu wählen. Damit werden jedoch auch die Hilfe zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nach §§ 55 Abs. 2 Nr. 7, 58 SGB IX i. V. m. § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII oder die Inanspruchnahme eines familienentlastenden Dienstes nach § 65 Abs. 1 SGB XII erheblich verbilligt: gleich, wie hoch das von dem Sozialhilfeträger als Eingliederungshilfe oder Hilfe zur Pflege bewilligte Stundenkontingent ist, mehr als 26 EURO müssen un56 terhaltspflichtige Eltern nicht zahlen, deren volljähriges Kind eine solche Leistung in Anspruch nimmt. 4 Es ist zu befürchten, dass diese Kostensteigerung von den Sozialhilfeträgern mit einer Kürzung der Leistungszusagen beantwortet werden wird, und vermehrte Rechtsstreitigkeiten um die Bedarfsfeststellung die Folge sind. Der Unterhaltsübergang für die vollstationäre Eingliederungshilfe unterscheidet sich von der Pauschalierung des Unterhalts in gleicher Höhe nach § 91 Abs. 2 Satz 3 BSHG dadurch, dass der Leistungskatalog der Eingliederungshilfe in Einrichtungen im SGB XII enger gefasst ist. Die Regelung des § 27 Abs. 3 BSHG, wonach die Hilfe in besonderen Lebenslagen auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt umfasst, wurde nicht in das SGB XII übernommen. Dies hat zur Folge, dass neben der Pauschale für die Eingliederungshilfe in Höhe von 26 EURO zusätzlich die Pauschale für den Lebensunterhalt in der Einrichtung von bis zu 20 EURO monatlich geltend gemacht werden kann, und sich der Unterhaltsbeitrag für vollstationäre Betreuung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand damit fast verdoppelt. In der Gesetzesbegründung5 wird jedoch darauf hingewiesen, dass dieser Betrag weniger als 1/3 des Kindergeldes ausmacht, das den Kindergeldberechtigten bei vollstationärer Betreuung verbleibt. Da die meisten vollstationär in der Eingliederungshilfe Betreuten auch leistungsberechtigt für die Grundsicherung sind, wird für sie wegen der Verrechnung mit der Hilfe zum Lebensunterhalt in der Regel kein Unterhaltsbedarf in Höhe von 20 EURO nachweisbar sein, wie später darzustellen sein wird. Anspruchsübergang für die Hilfe zur Pflege Da Bedarfe aus der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Pflege nach § 55 SGB XII einheitlicher Bestandteil der vollstationären Hilfe sind, erübrigt sich eine Aufgliederung in Anteile der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege für den Bereich des Unterhalts. Für den vollstationären Bereich spielt es daher auch keine Rolle, dass nach dem gegenwärtigen Wortlaut von § 94 Abs. 2 SGB XII nur Leistungen nach dem 5. und 6. Kapitel SGB XII berücksichtigt sind, also nicht Leistungen nach dem 7. Kapitel, Hilfe zur Pflege. Es ist nach Verlautbarungen des für diese Gesetzgebung zuständigen Ministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung davon auszugehen, dass es sich hierbei um ein gesetzgeberisches Versehen handelt, das noch vor Inkrafttreten des SGB XII bereinigt werden soll.6 Dies ergibt sich daraus, dass in dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN7 die in § 89 Abs. 2 Satz 1 SGB XII benannten 5. und 6. Kapitel noch die Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege umfassten. Durch die Einfügung der Grundsicherung Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 SOZIALPOLITIK als 4. Kapitel im Rahmen des Vermittlungsverfahrens hat sich die Nummerierung der Kapitel geändert. Dabei wurde übersehen, dass die Hilfe zur Pflege als 7. Kapitel nicht mehr in den begrenzten Unterhaltsregress einbezogen war, sondern statt dessen die Hilfe zur Gesundheit als 5. Kapitel. Der Anwendungsbereich des Anspruchsübergangs des Unterhalts für die Hilfe zur Pflege für volljährige Kinder ist erheblich kleiner als im Rahmen der Eingliederungshilfe. Dies ergibt sich daraus, dass der ambulante Pflegebedarf vorrangig über Leistungen der Pflegeversicherung abgedeckt wird, und die Betreuung behinderter Menschen in Pflegeeinrichtungen, für die ergänzend Sozialhilfe erbracht wird, nach § 55 Satz 2 SGB XII nur ausnahmsweise erfolgen soll, wenn die Pflege in der Eingliederungshilfeeinrichtung nicht sichergestellt werden kann. Ergänzende Assistenzpflege durch die Sozialhilfe für Pflegekräfte zu Hause (§ 65 Abs. 1 S. 2 SGB XII) fällt in der Regel nur für volljährige körperbehinderte Menschen an, die selbstständig leben können und diese Pflegekräfte als Arbeitgeber beschäftigen. In diesem Fall kann es zu einem Übergang der Unterhaltsforderung kommen. Wird die häusliche Pflege hingegen durch Unterhaltspflichtige in Natura geleistet, fehlt es insoweit an einem Unterhaltsbedarf8 für das Pflegegeld, einem Aufwendungsersatz der Pflegeperson oder für die Übernahme von Beiträgen für die Alterssicherung, § 65 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Dies gilt jedoch nicht für die Inanspruchnahme eines familienentlastenden Dienstes (§ 65 Abs. 1 S. 2 SGB XII), weil diese Dienstleistung zusätzlich zu der Pflegetätigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils erbracht wird. Anspruchsübergang für die Hilfe zum Lebensunterhalt Ein Anspruchsübergang für den Unterhaltsbedarf „Lebensunterhalt in Einrichtungen“ setzt voraus, dass der Unterhaltsgläubiger einen entsprechenden Bedarf nachweist. Der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen ist in § 35 SGB XII beschrieben, er umfasst den darin erbrachten sowie den weiteren notwendigen Lebensunterhalt, insbesondere Kleidung und einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (§ 35 Abs. 2 SGB XII). Auf diesen Unterhaltsbedarf werden jedoch die Grundsicherungsleistungen angerechnet. Diese umfassen bei Leistungen in stationären und teilstationären Einrichtungen nach § 42 Nr. 2 SGB XII neben dem maßgebenden Regelsatz Unterkunftskosten in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines EinPersonen-Haushaltes im Bereich des zuständigen Trägers der Sozialhilfe. Der Sozialhilfeträger als Unterhaltsgläubiger muss also nachweisen, dass die verRechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 einnahmte Grundsicherungsleistung den notwendigen Lebensunterhalt in der Einrichtung nicht abdeckt. Es ist davon auszugehen, dass die Sozialhilfeträger nicht den hohen Verwaltungsaufwand betreiben werden, solche Einzelnachweise für einen offenen Unterhaltsbedarf zu erbringen. Denn der Bedarf des Lebensunterhalts in der Einrichtung muss aus der Vergütung ermittelt werden, die die Einrichtung nach § 75 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII erhält, zuzüglich des individuell gewährten Barbetrags und der Bekleidungshilfe. Nach § 76 Abs. 2 SGB XII bestehen die Vergütungen mindestens aus den Pauschalen für Unterkunft und Verpflegung (Grundpauschale) für die Maßnahme (Maßnahmepauschale) sowie aus einem Betrag für die betriebsnotwendigen Anlagen einschl. ihrer Ausstattung (Investitionsbetrag). Die Höhe der für den Leistungsberechtigten gezahlten Vergütung ergibt sich aus dem individuellen Kostenanerkenntnis für die vollstationäre Hilfe und dem Heimvertrag, § 4 Abs. 2 HeimG. Heimbewohner können verlangen, dass dort getrennte Positionen für die Eingliederungshilfe, Unterkunft und Verpflegung ausgewiesen werden, wenn es Streit um den Nachweis des Unterhaltsbedarfs für den Lebensunterhalt gibt. Unklar ist allerdings, wie der in der Vergütung enthaltene Investitionsbetrag (§ 76 Abs. 2 SGB XII) anteilig in Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Eingliederungshilfe aufzugliedern ist. Für den Nachweis eines Unterhaltsbedarfs für die Hilfe zum Lebensunterhalt kann dies jedoch nur dann von Bedeutung sein, wenn die Differenz zwischen der in Anspruch genommener Grundsicherungsleistung und der Grundpauschale und damit der ungedeckte Unterhaltsbedarf höher ist als 20 EURO: Nur in diesen Fällen müsste dann der Nachweis erbracht werden, dass auch in dem Investitionsbetrag neben der Unterkunft etwa für eine Küche oder eine Wäscherei Positionen enthalten sind, die der Hilfe zum Lebensunterhalt zuzuordnen wären. Soweit bei vollstationärer Unterbringung Krankenversicherungsbeiträge nach § 13 BSHG von dem Sozialhilfeträger entrichtet wurden, hat die Rechtsprechung9 entschieden, dass diese in vollem Umfang im Rahmen des Unterhalts zu berücksichtigen seien, weil sie nicht § 27 Abs. 3 BSHG und somit der Unterhaltsbegrenzung in § 91 Abs. 2 BSHG unterfallen, sondern der Hilfe zum Lebensunterhalt. Werden diese Beiträge in Zukunft nach § 32 SGB XII von der Sozialhilfe im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt übernommen, kann der bisher geleistete Unterhaltsbeitrag auf 20 EURO abgesenkt werden, wenn die versicherte Person behindert oder pflegebedürftig ist. Der Lebensunterhalt unterliegt dem Unterhaltsregress nur für Leistungen nach dem dritten Kapitel, § 94 Abs. 2 S. 1 SGB XII. Er umfasst nicht die Grundsicherung aus dem 4. Kapitel des SGB XII, weil dort bereits bei der Leistungsgewährung besondere Regelungen für den 57 SOZIALPOLITIK Unterhaltsanspruch gelten, die Vorrang haben. In § 43 Abs. 2 SGB XII wurde die Regelung aus dem Grundsicherungsgesetz übernommen, dass Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern unberücksichtigt bleiben, sofern deren jährliches Gesamteinkommen i. S. d. § 16 SGB IV unter einem Betrag von 100.000 EURO liegt. Für den Lebensunterhalt außerhalb von Einrichtungen kann es also nur um Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für volljährige Kinder gehen, die zwar behindert oder pflegebedürftig sind, aber nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert. Für Werkstattbeschäftigte wurde in § 45 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII die Vermutungsregelung über das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung ohne Überprüfung durch die Rentenversicherung jetzt gesetzlich normiert, die bisher nur den Auslegungshinweisen des zust ändigen Fachministeriums zu entnehmen war. Es reicht jetzt die Abgabe einer Stellungnahme des Fachausschusses aus, der jetzt bereits vor Aufnahme in die Werkstatt nach § 2 Abs. 2 Werkstättenverordnung angehört werden muss, so dass bereits vor der Kostenzusage Grundsicherungsleistungen bezogen werden können.10 Wer allerdings mehr als drei Stunden unter Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann und als erwerbsfähig gilt, wird Grundsicherung für Arbeitsuchende nach §§ 1 ff SGB II statt der Hilfe zum Lebensunterhalt beanspruchen können. Diese unterliegt dem vollen Unterhaltsregress, wenn die unterhaltsberechtigte Person mit dem Verpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, bei Unterhaltsansprüchen Minderjähriger oder von Hilfebedürftigen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben, § 33 Abs. 2 Nr. 1 SGB II. Für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem dritten Buch SGB XII bleibt somit der Personenkreis übrig, der vorübergehend (z. B. wegen Krankheit) nicht erwerbsfähig sein kann, und bei dem eine dauerhafte Erwerbsminderung noch nicht festgestellt werden kann oder der auf eine solche Erwerbsfähigkeit erst durch Maßnahmen der Rehabilitation vorbereitet werden muss. Es wird wesentlich auf die Auslegung von § 11 Abs. 4 Nr. 1 SGB XII ankommen, wonach dem Leistungsberechtigten eine Tätigkeit nicht zugemutet werden darf, wenn er wegen Erwerbsminderung, Krankheit, Behinderung oder Pflege hierzu nicht in der Lage ist. Hinzu kommt der Personenkreis mit Kleinkindern, § 11 Abs. 4 Nr. 3 SGB XII. Diese Rechtslage macht es wahrscheinlich, dass Eltern nach Möglichkeit versuchen werden, eine Aufnahme ihres behinderten Kindes in die Werkstatt zu erreichen, um somit für Leistungen zum Lebensunterhalt nicht unterhaltspflichtig zu werden, was ihnen nur die Grundsicherung einräumt. 58 Ein weiteres ist zu Beachten: Besteht aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung oder eines gerichtlichen Titels eine Pflicht zur Unterhaltszahlung, gilt dieser Unterhalt als Einkommen, der nach § 82 SGB XII bedarfsmindernd auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel und die Grundsicherung, und nach § 11 SGB II auf die Grundsicherung für Erwerbsfähige angerechnet wird. Unterhaltspflichtige werden daher begünstigt, wenn sie gegenüber einem erwachsenen behinderten Kind Unterhaltszahlungen verweigern, da sie bei einer Leistungsgewährung durch den Sozialhilfeträger nur die verminderten Beträge aus dem übergegangenen Unterhaltsanspruch schulden, bei Grundsicherungsbezug sogar garnichts zahlen müssen.11 Dies gilt zwar nur befristet, weil der Unterhaltsberechtigte im Rahmen der Selbsthilfe (§ 2 SGB XII) verpflichtet ist, solche Unterhaltsansprüche einzuklagen. Dennoch ist es unbefriedigend, dass dieser „Mangel an bereiten Mitteln“ letztlich denjenigen begünstigt, der sich rechtswidrig verhält. Kein Forderungsübergang bei unbilliger Härte Nach § 94 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII gehen Ansprüche nach § 94 Abs. 1 und 2 nicht über, soweit eine unbillige Härte vorliegt. Für behinderte und pflegebedürftige Kinder wird dies wohl bei der Begrenzung des Unterhalts auf Festbeträge von 26 bzw. 20 EURO zumeist nicht in Frage kommen, da diese Begrenzung selbst einer Konkretisierung dieser unbilligen Härte, die durch den Gesetzgeber vorgegeben ist, angesehen werden kann. Durch die ausdrückliche Einbeziehung des § 94 Abs. 2 in § 94 Abs. 3 Satz 1 ist aber eine Härtefallprüfung jedenfalls vom Gesetzeswortlaut nicht ausgeschlossen. Dennoch wird deutlich, wenn man sich die Ausführungen des BGH zu Härtefällen im Rahmen des Unterhalts für behinderte Kinder in einem Urteil vom 23.07.2003, Az. XII ZR 339/0012 vergegenwärtigt, dass damit doch eine erhebliche finanzielle Unterhaltslast gemeint ist, die vermieden werden soll. In dem zu entscheidenden Fall hatte das Sozialamt Unterhaltsansprüche in Höhe von insgesamt 50.021,55 DM geltend gemacht, wovon bereits 32.000 DM von der unterhaltspflichtigen Mutter erstattet worden waren. Der BGH kam daher zu dem Ergebnis, dass es als unbillige Härte anzusehen sei, wenn die Mutter auch für die Zeit nach dem Eintritt in den Ruhestand in voller Höhe Unterhalt zahlen müsse, so dass der Restbetrag von 18.027 DM wegen Vorliegens einer unbilligen Härte nicht gefordert werden könne. Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 SOZIALPOLITIK Leistungsfähigkeit der unterhaltspflichtigen Eltern Nach § 1603 Abs. 2 BGB ist die Gefährdung des angemessenen Eigenunterhalts die Leistungsgrenze, die nach den Selbstbehalten (Eigenbedarfen) der OLG-Unterhaltstabellen und nicht anhand des Sozialhilfebedarfs ermittelt werden. § 94 Abs. 3 SGB XII hat in Nr. 1 einen Forderungsübergang ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person Leistungsberechtigte nach dem 3. Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt) ist oder bei der Erfüllung des Anspruchs würde. Gegenwärtig beträgt der angemessene Eigenbedarf (Selbstbehalt) nach der Düsseldorfer Unterhaltstabelle13 gegenüber volljährigen Kindern monatlich 1.000 EURO, in denen eine Warmmiete bis 440 EURO enthalten ist. Im Regelfall liegt der angemessene Eigenbedarf daher über dem Sozialhilfebedarf, so dass die Leistungsfähigkeit neben der Regelung des § 94 Abs. 3 SGB XII gesondert zu überprüfen ist. Nach den Unterhaltsempfehlungen des Deutschen Vereins14 haben die Eltern nach Rnr. 19 b ihre Leistungsunfähigkeit nachzuweisen. Dies entspricht der Regelung in § 94 Abs. 2 S. 2, wonach eine widerlegliche Vermutung für den Anspruchsübergang vorgesehen ist. Zu beachten ist, dass nach § 94 Abs. 2 S. 2 SGB XII mehrere Unterhaltspflichtige nicht mehr anteilig (§ 1606 Abs. 3 BGB), sondern zu gleichen Teilen haften. Durch diese Formulierung ist zugleich klargestellt, dass der Betrag von 26 EURO nicht von jedem Elternteil, sondern nur einmal von beiden gefordert werden kann. 1) Zeitler, Die Heranziehung behinderter Menschen und ihrer Eltern zu den Kosten der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, NDV 2001, 320; Wendt: Ambulant vor stationär: Reformbedarf für die Rechtsgrundlagen ambulanter Dienste der Eingliederungshilfe, ZfSH/SGB IV 2000, S. 195 ff., 197 sowie Wendt: Neuregelung des Kindesunterhalts für ambulante, teil- und vollstationäre Hilfen durch das SGB IX (§ 91 Abs. 2 BSHG) RsdE Heft 53 2003 S. 27 ff., 36. 2) BT-Drucksache 15/1514 S. 66 zu § 89 3) Siehe Berechnungsbeispiele bei Wendt, Neuregelung des Kindesunterhalts für ambulante, teil- und vollstationäre Hilfen durch das SGB IX (§ 91 Abs. 2 BSHG) RsDE Heft 53 2003, S. 27 ff., S. 33-35 4) Die damit verbundene Frage, ob die Leistungen von Familienentlastenden Diensten der Pflege oder der Eingliederungshilfe zuzuordnen sind, verliert damit für den Unterhaltsregress an Bedeutung, siehe Schleswig-Holsteinisches VG, Urteile vom 11.05.2000, RdLh 3-2000, S. 125 5) BT-Drucksache 15/1514 zu § 89 6) Mitteilung des Parlamentarischen Staatssekretärs F. Thönnes vom 17.03.2004 an die Lebenshilfe 7) BT-Drucksache 15/1514 vom 05.09.2003 8) Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe NDV 5-2002, S.161 f. Rdnr. 7 9) OLG Stuttgart, Urteil vom 28.11.2000 Az. 18 UF 329/00, RdLh 2-01, S. 69 f. 10) § 2 WVO wurde durch Art.4 des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.4.04 geändert. Da die Stellungnahme des Fachausschusses schon vor dem Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich eingeholt werden muss, ist damit auch die Frage überholt, ob für diese Zeit eine Feststellung durch die Rentenversicherung getroffen werden muss, ob von einer dauerhaften Erwerbsminderung ausgegangen werden kann. Die Stellungnahme reicht jetzt aus, wobei ihr Inhalt ohne Belang ist: auch für eine zeitlich befristete Aufnahme muss Grundsicherung gewährt werden. 11) Schoch, Unterhaltspflicht und Grundsicherung, ZfF 03, S. 1 f. 12) FamRZ 19-2003, S. 1468, RdLh 4/03, S. 178 13) Stand: 01.07.2003, FamRZ 2003, 811 14) NDV 2002, S. 161 ff. 15) Groß in HK SGG, Baden-Baden 2003 § 19 Rn.7 16) Geiger, in Eyermann, VwGO, § 19 Rdnr. 1 Berichtigung zu dem Verhältnis der Geldleistungen gem. SGB XII und SGB II zueinander, RdLh 1/2004, S. 8 In dem Beitrag von Klaus Lachwitz, „Die Sozialhilfe steht vor großen Veränderungen!“ RdLh 1/2004 wurde auf S. 8 ausgeführt, der Ausschluss eines Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt durch den Bezug von Grundsicherung für Arbeitssuchende gelte nach § 5 Abs. 2 SGB II nicht für Leistungen nach § 35 Abs. 2 SGB XII, den in der Einrichtung erbrachten notwendigen Lebensunterhalt. Rechtsanwalt Conradis (Duisburg) weist in einer Zuschrift darauf hin, dass insoweit ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers vorliegen müsse, da statt § 35 Abs. 2 SGB XII § 34 SGB XII in § 5 Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Abs. 2 SGB II aufgenommen werden müsse. Dies ergebe sich aus § 21 SGB XII, Sonderregelungen für Leistungsberechtigte nach dem Zweiten Buch, in dem auf § 34 Bezug genommen werde. Diese Vorschrift entspreche in ihrem Regelungsgehalt § 5 Abs. 2 SGB II. Das Versehen sei dadurch zu Stande gekommen, dass in der früheren Gesetzesfassung des SGB XII die Nachfolgeregelung für Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen (ehemals § 15 a BSHG) in § 35 SGB XII geregelt war, und die Verschiebung in § 34 SGB XII nicht in § 5 Abs. 2 SGB II nachvollzogen wurde. 59 SOZIALPOLITIK Ein weiteres Indiz für das gesetzgeberische Versehen sei der Sachverhalt, dass in § 5 Abs. 2 S. 2, zweiter Halbsatz SGB II auf die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II Bezug genommen werde. Mietschulden seien aber in § 34 SGB XII, nicht in § 35 SGB XII geregelt. Kein Wohngeld für Bezieher von unterhaltssichernder Sozialhilfe Mit dem Inkrafttreten des SGB XII und des SGB II am 1. Januar 2005 ändert sich auch das Wohngeldgesetz. Nach § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes findet das Wohngeldgesetz auf Bezieher von unterhaltssichernder Sozialhilfe keine Anwendung. Die tatsächlichen angemessenen Unterkunftskosten werden jeweils nach dem entsprechenden Leistungsgesetz (SGB II, SGB XII) übernommen. Ein Nachteil für bisherige Wohngeldempfänger ist hiermit nicht verbunden, da das Wohngeld lediglich einen Zuschuss zu den Unterkunftskosten darstellt, das bei Sozialhilfebeziehern auch bisher schon aus Mitteln der Sozialhilfe aufgestockt wurde. Neuordnung der gerichtlichen Zuständigkeit für Verfahren nach dem SGB XII und SGB II durch das 7. Sozialgerichts-ÄnderungsG (7. SGGÄndG) von Dr. Sabine Wendt Die Zusammenlegung der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe zu der Grundsicherung für Erwerbsfähige durch die Hartz-Reformen hat einen Streit darüber ausgelöst, welche Gerichtsbarkeit die Zuständigkeit für Rechtstreitigkeiten erhalten soll. Die Bundesregierung hatte in ihrem Gesetzentwurf zur Einordnung der Sozialhilfe in das Sozialgesetzbuch (SGB XII) zunächst die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgesehen. Der Bundestag entschied sich aber dann für eine Zuordnung zu der Sozialgerichtsbarkeit. In dem Vermittlungsverfahren im Dezember 2003 wurde dies bestätigt: In § 51 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wurde durch die Einfügung von Nr. 6 a die Anwendung des Sozialgerichtsgesetzes für die Angelegenheiten der Sozialhilfe festgelegt. In einer Protokollnotiz wurde die Bundesregierung jedoch aufgefordert, bis zum 30.06.2004 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der es zum Ausgleich von Auslastungsunterschieden zwischen Verwaltungsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit den Ländern ermöglicht, die Sozialgerichtsbarkeit durch besondere Spruchkörper der Verwaltungsgerichte und der Oberverwaltungsgerichte auszuüben. Für diese gilt dann das SGG. Zu den Auslastungsunterschieden trug die Bundesministerin für Justiz, Brigitte Zypries, bei einer Fachveranstaltung am 24.04.2004 auf Einladung des DGB folgende abgerundeten Zahlen vor: 2.700 Verwaltungsrichter sind durch die gesunkenen Fallzahlen der Asylbewerber von 40.000 Klageverfahren entlastet, während 1.200 Sozialrichter mit einem Verfahrensanstieg von 30.000 konfrontiert sind. Durch das Inkrafttreten des S GB I I rechnet man mit einem Anstieg der Sozialgerichtsverfahren um 25 % und eine Minderung solcher Verfahren um 15 % bei den Verwaltungsgerich60 ten. Besonders betroffen von dieser Problematik seien die kleinen Flächenstaaten. Ein Ausgleich dieser Diskrepanzen durch eine Richterversetzung verbietet der Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs.1 GG) und das Deutsche Richtergesetz (DRiG): Nach Art. 97 Abs. 2 GG, §§ 30, 32 DRiG kann ein Richter nicht gegen seinen Willen in eine andere Gerichtsbarkeit versetzt werden. Die dringend benötigten neuen Richterstellen bei den Sozialgerichten können daher nur durch freiwillige Versetzungsanträge von Richtern geschaffen werden, für zusätzliche neue Richterstellen fehlt den Landesjustizministerien das Geld. In dieser Situation bildete sich eine große Koalition von einer Mehrheit der Länderjustizministerien und der Bundesjustizministerin, die die Schaffung einer einheitlichen öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit, gebildet aus Verwaltungsgerichten, Sozialgerichten und Finanzgerichten, vorschlug. Dr. Jürgen Kühling, Richter am Bundesverfassungsgericht a. D., machte bei der o. g. Fachveranstaltung verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine solche Zusammenlegung deutlich. Art. 95 Abs. 1 GG sehe fünf Säulen der Gerichtsbarkeiten vor und verpflichte den Bund, als oberste Gerichtshilfe den Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, den Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht zu errichten. Es sei zwar eine Zusammenlegung für Sachgebiete denkbar, nicht aber eine Änderung der Kernzuständigkeit der einzelnen Gerichtszweige. Dazu sei eine Verfassungsänderung notwendig. Diesen Bedenken hat sich das Bundesjustizministerium angeschlossen, durch einen Kabinettsbeschluss vom 21.04.2003 wurde dieser sog. „großen Lösung“ eine Absage erteilt, und die „kleine Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 SOZIALPOLITIK Lösung“ des Vermittlungsausschusses befürwortet. Es wurde in Folge ein Gesetzentwurf der Bundesregierung eines siebten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetz vorgelegt (7. SGGÄndG), der folgenden Inhalt hat (Stand: April 2004, Volltext: www.bmj.bund.de): Länderoption der Bildung besonderer Spruchkörper bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit Befristet bis 2008 (Art. 4 Abs. 4 SGGÄndG) können durch Landesgesetze besondere Spruchkörper für Verfahren nach dem SGB II und SGB XII bei den Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten gebildet werden (5. Abschnitt SGG, §§ 50 a-d). Dies gilt nach § 50 a SGG für Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes (§ 51 Abs.1 Nr. 6 a SGG n. F.) und für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Nach Ablauf dieser Frist ist also eine alleinige Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit vorgesehen, mit der Möglichkeit, dass bis dahin eine einheitliche öffentliche Gerichtsbarkeit nach einer Änderung des Art. 95 GG geschaffen wird. Diese neuen Spruchkörper werden wie bei den Sozialgerichten mit einem Berufsrichter und zwei Laienrichtern besetzt, § 12 Abs.1 SGG. Damit werden Richterkapazitäten frei, weil bisher Kammern mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern vorgesehen sind, § 5 Abs. 3 VwGO. Dies schafft für bisher für Sozialhilfeangelegenheiten zuständige Verwaltungsrichter die Möglichkeit, sich nach § 11 Abs. 4 SGG n. F. für die jetzt bei den Sozialgerichten zu bildenden Kammern für Sozialhilfeangelegenheiten (§ 10 Abs. 1 S. 1 SGG n. F.) für mindestens zwei Jahre, längstens jedoch bis 2008 (siehe oben) als Richter im Nebenamt ernennen zu lassen, oder durch Versetzungsantrag die Gerichtsbarkeit dauerhaft zu wechseln. Ihr Zuständigkeitsbereich bliebe der gleiche, da auch bei den Sozialgerichten Kammern mit identischen Zuständigkeiten wie bei den besonderen Spruchkörpern der Verwaltungsgerichte geschaffen werden, § 10 Abs. 1 S. 1 SGG n. F. Ansonsten wäre der mit dem Gesetzentwurf beabsichtigte bundesweite gleichwertige Rechtsschutz (so die Begründung, allg. Teil) nicht zu gewährleisten. Analog dazu werden auch die Fachsenate des LSG in § 31 Abs. 1 S. 1 SGG n. F. erweitert, die in der Besetzung und Zuständigkeit ihre Entsprechung in befristet eingerichteten Spruchkörpern der OVG haben, § 50 a SGG n. F. Allerdings entscheidet für beide Gerichtszweige das BSG in Revisionsverfahren, § 52 SGG n. F. Dies hat zur Folge, dass das BVerwG ab 2005 nur noch für Verfahren zuständig ist, die vor dem 30.04.2004 bei Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit anhängig geworden sind, da alle Verfahren danach in dem Stadium, in Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 dem sie sich befinden, auf die Sozialgerichtsbarkeit übergehen, § 206 Abs. 1 SGG n. F. Dies bedeutet den Verlust des hohen Sachverstands der Richter des BVerwG in den Sozialhilfeangelegenheiten und eine große Verantwortung für die Richter des BSG, eine Rechtsprechung in gleicher Qualität zu entwickeln. Ein Novum ist, dass ein Revisionsgericht damit Entscheidungen bewerten muss, die in einer anderen Gerichtsbarkeit getroffen wurde: Sozialrichter bewerten Entscheidungen von Verwaltungsrichtern, wenn auch nur drei Jahre lang. Da bei dem BSG die Senate in gleicher Weise wie bei dem LSG besetzt werden, wirken dort neben den drei Berufsrichtern auch zwei ehrenamtliche Richter mit, während im BVerwG fünf Berufsrichter entscheidungsbefugt sind. Das Element der ehrenamtlichen Richter in Angelegenheiten der Sozialhilfe wird damit erheblich gestärkt. Ausweitung der Einbeziehung ehrenamtlicher Richter in Sozialhilfeangelegenheiten Die verstärkte Einbeziehung ehrenamtlicher Richter in Angelegenheiten, die zuvor maßgeblich von Berufsrichtern entschieden wurden, wirft die Frage auf, welchen Einflüssen die Rechtsprechung damit ausgesetzt wird. Nach § 19 SGG haben die ehrenamtlichen Richter die gleichen Rechte bei der Amtsausübung wie die Berufsrichter, und können somit in der ersten Instanz den Berufsrichter überstimmen. Sie sind in ihrer Mitwirkung allerdings auf die mündliche Verhandlung beschränkt: Zwar können Akten vor der Sitzung eingesehen werden, aber nicht nach Hause mitgenommen werden.1 Bei Beschlüssen außerhalb von mündlichen Verfahren, also in Eilverfahren, wirken sie demnach nicht mit. Da bisher 70 v. H. der Rechtsstreitigkeiten der Hilfe zum Lebensunterhalt als Eilverfahren entschieden wurden, obliegt diese Rechtsprechung in Zukunft einem Einzelrichter, und nicht mehr drei Berufsrichtern. Da die Ehrenamtlichen in Kammern der Grundsicherung für Arbeitssuchenden auf Vorschlagslisten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgewählt werden und die Ehrenamtlichen in Kammern der Sozialhilfe durch Vorschlagslisten der Kreise und kreisfreien Städte2 (§ 12 Abs. 5 SGG n. F.), wird deutlich, dass die klassische Hilfe zum Lebensunterhalt in Zukunft von zwei verschiedenen Kammern bewertet werden wird, mit Ehrenamtlichen, die aus unterschiedlichen Lebensbereichen kommen. Soweit die Grundsicherung für Arbeitssuchende daraus geworden ist, haben die Gewerkschaften an Einfluss gewonnen, soweit Leistungen für nicht erwerbsfähige Personen betroffen sind, von den Städten und Landkreisen benannte Vertreter, wobei diese zugleich die Leistungsträger für Sozialhilfeleistungen sind! Die Regelung aus § 12 Abs. 61 SOZIALPOLITIK 2 SGG für Kammern der Arbeitsförderung und Sozialversicherung, die Ehrenamtliche aus dem Kreis der Versicherten und Arbeitgeber vorsieht, wurde für die Grundsicherung für Erwerbsfähige nicht übernommen, da es sich nicht um eine Versicherungsleistung handele, und Arbeitnehmer betroffen seien, so die Gesetzesbegründung. Diese Regelung soll über die Existenz der besonderen Spruchkörper bei den Verwaltungsgerichten hinaus andauern. Für diese gibt es nach § 50 d SGG n. F. eine Übergangsregelung: bis zum 31.12.2005 sollen die bereits gewählten ehrenamtlichen Richter bleiben. Das Auswahlverfahren für Ehrenamtliche nach § 28 VwGO bleibt also erhalten, wobei allerdings nicht mehr für vier Jahre gewählt wird, sondern für 5, wie in § 13 Abs.1 SGG vorgesehen. Da §§ 45, 46 SGG nicht geändert wurden, bleibt es (vorbehaltlich von Änderungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens) hinsichtlich der Berufung ehrenamtlicher Richter an dem Bundessozialgericht beim geltenden Recht, ohne Berücksichtigung von Vorschlägen der Städte und Landkreise, die Ernennung erfolgt durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zulassung der Berufung entfällt In der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist eine Berufung nur nach einem besonderen Zulassungsverfahren bei dem OVG zulässig. Diese müssen sich jetzt für vier Jahre wieder auf erheblich mehr Verfahren einstellen, weil durch die Geltung des S GG kein gesondertes Zulassungsverfahren für Berufungen mehr vorgesehen ist, sofern das Bundesland von der Bildung von Spruchkörpern bei den VG und OVG Gebrauch gemacht hat. Nach § 206 SGG n. F. gelten fristgerecht vor dem 01.01.2005 eingereichte Anträge auf Zulassung der Berufung in Sozialhilfeangelegenheiten als durch das OVG zugelassen. Gerichtskosten in Sozialgerichtsverfahren drohen Hinzu kommt, dass dem Bundestag ein Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17.03.2004 vorliegt (BT-Drs. 15/2722). Ziel des Gesetzesentwurfs der Bundesländer ist die Änderung der kosten- rechtlichen Vorschrift des Sozialgerichtsgesetzes, um die Eingangs- und Kostenflut der sozialgerichtlichen Verfahren bewältigen und zumutbare Verfahrenslaufzeiten gewährleisten zu können. Neu vorgesehen sind Pauschalgebühren, die im Unterliegensfall von den Klägern zu zahlen sind. Diese Gebühren sollen zusätzlich zu den Pauschalgebühren erhoben werden, die bereits nach geltendem Recht von den am Verfahren beteiligten Sozialleistungsträgern zu entrichten sind. Zwar erstreckt sich die Prozesskostenhilfe auch auf diese neuen Gerichtsgebühren, die aber ebenfalls nur bei hinreichenden Erfolgsaussichten des Rechtschutzbegehrens gewährt wird. Diese Regelung wird auch auf die gesonderten Spruchkörper für Sozialhilfeverfahren bei den VG und OVG Anwendung finden, so dass damit auch für Verwaltungsgerichtsverfahren in diesem Bereich, die bisher kostenfrei waren, Gerichtsgebühren erhoben werden können. Die Justiz vor großen Herausforderungen Da gegenwärtig bereits Mängel in der Umsetzung der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Hilfe zum Lebensunterhalt in der Grundsicherung für Arbeitssuchende deutlich werden, ist abzusehen, dass Pannen in der Organisation zu einer Flut von Gerichtsverfahren führen können. Fehler in der Leistungsberechnung werden Rechtsmittel zur Folge haben, die die Gerichte so umfänglich beschäftigen werden, dass für Rechtsfragen behinderter Menschen aus dem Bereich der Eingliederungshilfe kaum Kapazitäten frei sein werden. Die Verteilung von Rechtsstreitigkeiten gleicher Art auf verschiedene Gerichtszweige, je nach dem, ob das Bundesland neben den Sozialgerichten befristet eine Zuständigkeit eines Teils der Verwaltungsgerichtsbarkeit gesetzlich regelt, lassen Befürchtungen für eine divergierende Rechtsprechung aufkommen, die die Bürger weiter verunsichern werden. Die Erfahrungen mit der Pflegeversicherung zeigen, dass es vier Jahre lang dauern kann, bis diese Divergenz in der Rechtsprechung durch eine Entscheidung des BSG geklärt ist. 1) Groß in HK SGG,Baden-Baden 2003 § 19 Rdnr. 7 2) Geiger, in Eyermann, VwGO, § 19 Rdnr. 1 Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen in Kraft Nach Einigung im Vermittlungsausschuss ist das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigter schwerbehinderter Menschen am 23.04.2004 in Kraft getreten (Bundesgesetzblatt I S. 106). Die Neuregelung 62 für Werkstätten (Regeldauer des Eingangsverfahrens 3 Monate, § 40 Abs. 2 SGB IX, obligatorische Einschaltung des Fachausschusses nach einem Jahr Berufsbildungsbereich, § 40 Abs. 3 SGB IX) wurden bereits Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 SOZIALPOLITIK/GRUNDSICHERUNG ausführlich in RdLh 1/2004, S. 15 ff. dargestellt; hierzu haben sich durch das Vermittlungsverfahren keine Änderungen ergeben. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt des Gesetzes ist die Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten schwerbehinderter Jugendlicher. So sieht das Gesetz vor, betriebliche und überbetriebliche Ausbildungen besser miteinander zu verzahnen: Durch eine Änderung in § 35 Abs. 2 SGB IX sollen möglichst viele Jugendliche, die sich in überbetrieblichen Ausbildungen befinden (z. B. in einem Berufsbildungswerk), in Zukunft Teile ihrer Ausbildung in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes absolvieren. Durch eine Änderung der Schwerbehindertenausgleichsabgabenverordnung (SchwbAV) können Arbeitgeber Zuschüsse zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen erhalten, die mit der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im Anschluss an eine Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen verbunden sind. Dies gilt auch für Probebeschäftigungen und Praktika dieser Personen (§ 27 Abs. 1 SchwbAV). Eine Änderung von § 6 Abs. 2 der Schwerbehindertenausweisverordnung ermöglicht die unbefristete Ausstellung eines solchen Ausweisen in Fällen, in denen eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, nicht zu erwarten ist. Wesentliche Änderungen betreffen die Integrationsfachdienste, für die die Bundesagentur für Arbeit nur noch bis zum 31.12.2004 die Strukturverantwortung trägt. Diese geht dann über auf die Integrationsämter (Änderungen in §§ 109, 111 und 113 SGB IX). Außerdem wird der Aufgabenkreis der Integrationsfachdienste erweitert: Nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 a sollen sie die Bundesagentur für Arbeit auf deren Anforderung bei der Berufsorientierung und Berufsberatung in den Schulen, einschließlich der auf jeden einzelnen Jugendlichen bezogenen Dokumentation der Ergebnisse unterstützen und nach Nr. 1 b die betriebliche Ausbildung Schwerbehinderter, insbesondere seelisch- und lernbehinderter Jugendlicher, begleiten. Die Finanzierung wird neu geregelt: Bis zum 31.12.2004 gilt noch die mit der Bundesagentur für Arbeit abgeschlossene Mustervereinbarung, danach gelten Empfehlungen zur Inanspruchnahme der IFD durch die Reha-Träger zur Zusammenarbeit und zur Finanzierung der Kosten, die unter Federführung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen gegenwärtig bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation verhandelt werden. Durch eine Änderung von § 68 Abgabenverordnung wird sichergestellt, dass Integrationsbetriebe als gemeinnützige Zweckbetriebe angesehen werden können, wenn mindestens 40 v. H. der Beschäftigten besonders betroffene schwerbehinderte Menschen i. S. v. § 132 Abs. 1 SGB IX sind (s. dazu auch RdLh 4/2003, S. 177 ff.) Kindergeldanrechnung auf die Grundsicherung weiter im Streit In Sachen Anrechnung des Kindergeldes auf die Grundsicherung entwickelt sich eine divergierende Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte, so dass Rechtsklarheit erst durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts erzielt werden kann. Die Mehrheit der Oberverwaltungsgerichte lehnt die Anrechnung ab. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in drei Entscheidungen (Urteile vom 05.02.2004 – Az: 12 BV 03.3282; vom 09.02.2004 – Az: 2 B 03.2219; vom 19.02.2004 – Az: 12 BV 03.2219) folgendes entschieden: Das Kindergeld sei nicht als Einkommen des Kindes, sondern als Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteils zu bewerten. Einkommen des Kindes könne es nur dadurch werden, dass der Kindergeldberechtigte das Kindergeld oder Teile dessen durch einen weiteren Zuwendungsakt an das Kind zweckorientiert weitergebe. Dafür genüge es nicht, es Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 dem Kind durch das Wirtschaften ”aus einem Topf” zugute kommen zu lassen. Erforderlich sei viel mehr, dass durch den Zuwendungsakt der notwendige Lebensbedarf des Kindes gerade mit Rücksicht auf das für das Kind gewährte Kindergeld gedeckt werde. Das Kind müsse den weitergegebenen Betrag zur Abdekkung seines Bedarfs benötigen. Zwar bewirke diese Wirtschaftweise, dass dem Kind auch anteiliges Kindergeld letztlich zugewendet werde. Dies reiche jedoch nicht für die Feststellung aus, dass durch die Befriedigung des notwendigen Lebensbedarfs gerade anteiliges Kindergeld zugewendet worden sei. Jedenfalls sei dies nicht mit der Bestimmtheit möglich, die nach Art und zeitlicher Zurechenbarkeit bei der Feststellung von anrechenbarem Einkommen nach dem 4. Abschnitt des BSHG zu fordern sei (BVerwG vom 07.02.1980, BVerwGE 60,7). 63 GRUNDSICHERUNG/SOZIALHILFE Die Zuwendung an das Kind könne auch nicht gem. § 16 BSHG vermutet werden. Eine derartige Regelung sei zwar zunächst im Entwurf des Grundsicherungsgesetzes vorgesehen gewesen, aber nicht durch das Gesetz übernommen worden. Es liege daher keine Gesetzeslücke vor, die durch eine entsprechende Anwendung des § 16 BSHG geschlossen werden könnte. Aus der Nichtanwendung des § 16 BSHG auf die Grundsicherung schließt der VGH auch, dass nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 GSiG ”die tatsächlichen Aufwendungen” für Unterkunft als Grundsicherungsleistung zu berücksichtigen seien und zwar bis zur angemessenen Höhe, unbeschadet dessen, ob sie sich aus einer Aufteilung nach Köpfen oder aus einem Mietvertrag ergeben (so in der Entscheidung, Az. 12 BV 03.3282, vom 05.02.2004). Dieser Auffassung folgt auch das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 08.01.2004, Az. 2 MB 168/03). Das Kindergeld kann demnach nur dann als Einkommen auf die Grundsicherungsleistung des Kindes angerechnet werden, wenn es als Geldbetrag an das Kind weitergeleitet wird, da nur tatsächliche Zuflüsse berücksichtigt werden könnten. Zum gleichen Ergebnis kommt auch das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25.02.2004, Az. 3 L 386/03. Mangels zielgerichteter Zuwendungen sei das Kindergeld nicht auf die Grundsicherung anrechenbar. Die Wirtschaftsweise der Mutter des Klägers sei von der Vermischung verschiedener Einkünfte einschl. des Kindergeldes und von einem undifferenzierten Bestreiten des eigenen und des Lebensunterhalts des Klägers geprägt, ohne dass eine spezifische, dem Kindergeld entsprechende Sachzuwendung stattfinde. Diesem Ergebnis stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger im Hause seiner Mutter eine abgeschlossene Wohnung für sich alleine habe. Er werde auch dort umfassend betreut. Das OVG NRW kommt durch seinen Beschluss vom 02.04.2004, Az. 12 B 1577/03 jedoch zu einer anderen Bewertung. Die tatsächliche Unterhaltsgewährung in einer Haushaltsgemeinschaft sei zwar nicht als Einkommenszufluss nach § 3 Abs. 2 GSiG i. V. m. § 76 BSHG zu berücksichtigen. Sie decke aber bei lebensnaher Betrachtung unmittelbar den entsprechenden Bedarf, für den die Leistungen der Grundsicherung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 bestimmt seien. Insoweit gelte nichts anderes als im Bereich des Sozialhilferechts (BVerwGE 108, 36). Eine andere Beurteilung führe zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung gegenüber Antragsberechtigten, an die nach § 74 Abs. 1 EStG das Kindergeld unmittelbar ausgezahlt werde, weil ihre Eltern ihre grundsätzliche Unterhaltspflicht nicht erfüllten, und die entsprechend geringere Grundsicherungsleistungen erhalten. Daher komme es nicht entscheidungserheblich darauf an, dass eine Anrechnung des Kindergelds als Einkommen des nichtbezugsberechtigten Kindes im Bereich des Sozialhilferechts nach § 76 BSHG einen zweckorientierten Zuwendungsakt voraussetze. Anmerkung Die Entscheidung des OVG NRW vermag nicht zu überzeugen. Es schließt, wie die anderen Oberverwaltungsgerichte, eine Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen des Kindes aus, setzt sich aber nicht mit der Frage auseinander, ob dann eine Anrechnung über § 16 BSHG in analoger Anwendung erfolgen könne, was mit guten Gründen von den anderen OVG abgelehnt wurde. Allein der Hinweis, es komme sonst zu einer Ungleichbehandlung mit Grundleistungsbeziehern, an die das Kindergeld direkt ausgezahlt werde, beantwortet diese Frage nicht. Billigkeitserwägungen helfen nicht über die Tatsache hinweg, dass es gegenwärtig an einer eindeutigen Rechtsgrundlage für die Anrechnung des Kindergeldes auf die Grundsicherung fehlt. (We) Vorleistungspflicht für Leistungen eines Familienentlastenden Dienstes (FED) VG Lüneburg, Beschluss vom 08.03.2004 – Az: 6 B 21/04 Der Antragsteller zu 1) lebt mit seinem mehrfach behinderten Bruder, dem Antragsteller zu 2), gemeinsam im Haushalt der Eltern. Der Sozialhilfeträger bewilligte die Übernahme der Betreuungskosten durch einen FED für 8 Stunden pro Woche, verlangte jedoch einen Eigenanteil von den Eltern in Höhe von 344 EURO. 64 Diesbezüglich ist ein Klagehauptsacheverfahren anhängig. Das VG entschied, dass im Rahmen von § 29 BSHG die Hilfe auch dann bewilligt werden könne, wenn den Eltern im Rahmen von § 28 BSHG nach Abschluss des Klageverfahrens die Zahlung eines Eigenbeitrags zuRechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 SOZIALHILFE zumuten sei. Es liege ein begründeter Fall der Vorleistung vor, da die Eltern geltend gemacht hätten, finanziell nicht in der Lage zu sein, die Eigenleistung zu erbringen. Die Lebenshilfe als Maßnahmeträger wolle die Betreuungsleistung nur gegen Zahlung im vollen Umfang erbringen, nachdem die seit Gewährung der Hilfe ab Oktober 2003 vom Antragsgegner bezahlten Kosten nur in der um den geforderten Eigenanteil verringerten Höhe übernommen worden sei. Es stehe zwar grundsätzlich im Ermessen des Trägers der Sozialhilfe, ob er erweiterte Hilfe i. S. v. § 29 BSHG leiste. Würde die Hilfe aber ohne die Kostenübernahme gefährdet, so sei es im Hinblick auf die in §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 und 4 BSHG enthaltenden Grundsätze ermessensfehlerhaft, wenn von der Möglichkeit des § 29 BSHG kein Gebrauch gemacht würde. Da die Hilfe für den Antragsteller zu 1). gefährdet wäre, wenn die Übernahme der Kosten für seine ambulante Betreuung zunächst nicht im vollen Umfang gewährleistet würde, sei das Ermessen des Antragsgegners dahingehend reduziert, dass er die erweiterte Hilfe leisten müsse. Diese Verpflichtung könne jedoch lediglich für die Zeit seit Antragstellung bei Gericht ausgesprochen werden. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei es nicht möglich, den Träger der Sozialhilfe zu verpflichten, Sozialhilfe für die Vergangenheit zu bewilligen, da es für die vergangenen Zeiträume an einer gegenwärtigen Notlage fehle. Der Zeitraum davor könne daher lediglich im Hauptsacheverfahren zum Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung gemacht werden. Im Rahmen dieses Verfahrens sei zu klären, ob und welcher Höhe von den Eltern Eigenanteil zu fordern sei. Anmerkung Nach Inkrafttreten des SGB XII wird eine solche Vorleistung der Hilfe nicht mehr möglich sein. Mit dem Wegfall der Hilfe in besonderen Lebenslagen ist auch diese Sonderregelung des § 29 BSHG zur Vermeidung von Notlagen durch Vorleistungen für Leistungsberechtigte der Eingliederungshilfe, die erst in langwierigen Rechtstreitigkeiten die Zulässigkeit eines Eigenanteils klären lassen, gestrichen worden. Die Erhebung eines Eigenanteils für Personen der Bedarfsgemeinschaften ist jetzt in § 19 SGB XII für alle Hilfen zusammengefasst. Dies schränkt den Rechtsschutz und die Bedarfsdeckung für Leistungen der Eingliederungshilfe ein. Nur noch für die in § 43 Abs. 2 BSHG genannten Hilfen (in Zukunft: § 92 Abs. 2 SGB XII) bleibt die Vorleistungspflicht des Trägers der Sozialhilfe erhalten. (We) Zum Verhältnis von Entlastungspflege zur Inanspruchnahme eines Familienentlastenden Dienstes nach BSHG und Leistungen der Pflegeversicherung OVG Lüneburg, Beschluss vom 17.09.2002 – Az: 4 ME 407/02 Ein Anspruch auf Gewährung von Entlastungspflege für die Inanspruchnahme eines Familienentlastenden Dienstes gem. § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG kann nicht erst dann im Verfahren auf Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes durchgesetzt werden, wenn der seitens der Pflegekasse für die Ersatzpflege max. zu übernehmende Betrag der Ersatzpflege nach § 39 SGB XI aufgebraucht ist. Dem Antragsteller sei es im Hinblick auf die Schwere seiner Behinderung und das hohe Maß an Pflege, das er benötigt, nicht zuzumuten, eine mögliche akute Erkrankung der Mutter vorzutragen, um Leistungen der Entlastungspflege von der Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu können. Es könne von dem Antragsteller nicht verlangt werden, eine solche Situation abzuwarten, da die Entlastungspflege den Zweck habe, einer Erkrankung der Pflegeperson in Folge von Belastungen, die mit der Pflege verbunden seien, vorzubeugen. Der Antragsteller dürfe deshalb auch nicht darauf verwiesen werden, zunächst die Leistungen der Pflegekasse nach § 39 SGB XI auszuschöpfen, weil die Ersatzpflege der Pflegeversicherung und die EntlastungsRechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 pflege der Sozialhilfe nicht der Deckung des gleichen Bedarfs zu dienen bestimmt seien. Wortlaut und Systematik des § 39 SGB XI zeigten, dass der Gesetzgeber die Situation der vorübergehenden, zeitlich begrenzten Verhinderung der Pflegeperson vor Augen hatte und regeln wollte. Angesichts der zeitlichen und betragsmäßigen Deckelung der Leistung nach § 39 SGB XI sei eine nicht nur für einen kurzen Zeitraum erforderliche, regelmäßige tägliche Entlastung der Pflegeperson gerade nicht durch die Ersatzpflege sicherzustellen. Die Leistungen der Sozialhilfe nach den §§ 69 Satz 1, 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG seien also unbeschadet ihrer Subsidiarität gegenüber den Leistungen nach dem SGB XI in solchen Fällen neben den Leistungen nach § 39 SGB XI zu gewähren und nicht erst dann, wenn es darum gehe, die Leistungen der Pflegekasse aufzustocken. Aus diesem Grund dürfe der Antragssteller erst recht nicht auf die Inanspruchnahme von vollstationärer Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI als vorrangiger Leistung verwiesen werden. 65 SOZIALHILFE VG Lüneburg, Beschluss vom 10.03.2004 – Az: 6 B 26/04 Nach Ansicht des VG Lüneburg darf das Pflegegeld der Pflegeversicherung nicht auf Leistungen des Familienentlastenden Dienstes als Eigenanteil angerechnet werden. Die Antragstellerin erhält im Rahmen der Pflegestufe III Pflegeleistungen in Höhe von 695 EURO. Sie erhält von einem Familienentlastenden Dienst 15 Wochenstunden als Dienstleistung, und muss einen Eigenanteil in Höhe von 129 EURO aus dem Pflegegeld zahlen. Das VG Lüneburg stellt fest, dass entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin die Antragstellerin nicht verpflichtet sei, nach § 69 c Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz BSHG das Pflegegeld, das sie gem. § 37 SGB XI er- hält, anteilig zur Finanzierung der Betreuungsstunden einzusetzen. Nach dieser Vorschrift sei ein nach dem SGB XI geleistetes Pflegegeld vorrangig auf die Leistungen nach § 69 b Abs. 1 BSHG anzurechnen, wenn der Pflegebedürftige seine Pflege durch von ihm beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstelle. Diese Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor, da die Antragstellerin ihre Pflege nicht durch von ihr beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstelle, sondern durch ihre Mutter. Diese sei nicht als Beschäftigte anzusehen. Einer solchen Wertung stehe auch die Vorschrift des § 77 Abs. 1 SGB XI entgegen, wonach die zuständige Pflegkasse zur Sicherung der häuslichen Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung einer Einzelperson Verträge mit Verwandten des Pflegebedürftigen bis zum 3. Grad sowie mit Personen, die mit dem Pflegebedürftigen in häuslicher Gemeinschaft leben, nicht schließen dürfe. (We) Neue Regelsatzverordnung (RSV): Senkung des Existenzminimums ? Der Bundesrat hat am 14.05.2004 der im Januar 2004 von der Bundesregierung vorgelegten Regelsatzverordnung (R SV) zugestimmt, die damit zum 01.01.2005 in Kraft tritt. Damit erhalten 2 Mio. Langzeitarbeitslose, 2,7 Mio. Bezieher von Hilfe zum Lebensunterhalt und 327.000 Leistungsempfänger der Grundsicherung Leistungen, der als Referenzgröße für das Existenzminimum der Regelsatz von 345 EURO (im Westen) und 331 EURO (im Osten ) für den Haushaltsvorstand zu Grunde liegt (diese Beträge stehen nicht in der RSV, die nur die Bemessungsgrundlage benennt, sondern wurden bereits in § 20 Abs. 2 SGB II für das Arbeitslosengeld II festgelegt). Kinder bis 14 erhalten 60 v. H., Haushaltsangehörige ab 14 80 v. H. des Regelsatzes (§ 3 Abs. 2 RSV). Grundlage der Bemessung ist nicht mehr der sog. „Warenkorb“, sondern die Einkommens- und Verbrauchstichprobe (EVS) von 1998, (§ 5 RSV), die alle 5 Jahre erhoben wird. Der höchste Regelsatz für den Hauhaltsvorstand liegt seit Juli 2003 je nach Bundesland zwischen 297 und 282 EURO, für 2004 ist keine Anhebung vorgesehen, da es keine Rentensteigerung gibt, an die die Regelsätze jährlich angeglichen wurden. Bei einem Plus von 48 EURO für den Höchstsatz scheint die Bundesregierung auf den ersten Blick Recht zu haben, die mit einer Pressemeldung vom 16.05.2004 den neuen Regelsatz als Verbesserung preist. Demgegenüber sehen Wohlfahrtsverbände und Wissenschaftler ein Absenken des Existenzminimums, und nennen dafür u. a. folgende Gründe: 66 - Der Wegfall der bisher zusätzlich zum Regelsatz geleisteten einmaligen Leistungen wird durch die Anhebung der Regelsätze nicht kompensiert. So werden z. B. die seit Januar 2004 eingetretenen Mehrausgaben in Folge der Gesundheitsreform (Steigerung um 17,6 v. H. gegenüber dem Vorjahresmonat) erst 2008 in der EVS erfasst: die letzte EVS von 2003 berücksichtigt sie noch nicht. Demgegenüber ist die EVS von 1998, die mangels Auswertung der EVS von 2003 der Regelsatzbemessung zu Grunde gelegt wurde, veraltet. - Von den einzelnen in Abteilungen zusammengefassten Bedarfspositionen der EVS werden willkürliche Abschläge vorgenommen. So werden nach § 2 Abs. 2 RSV für die bisher als einmalige Beihilfe bedarfsdeckend angesetzte Abteilung Bekleidung und Schuhe nur 89 v. H. anerkannt, weil in der EVS auch die Ausgaben für Maßkleidung und Pelze enthalten seien. - Nach § 2 Abs. 1 RSV bestimmen die Länder, ob sie bundeseinheitliche oder regionale Auswertungen der EVS zu Grunde legen. Damit kann z. B. der Regelsatz im Osten auch unter 331 EURO abgesenkt werden, wenn das Bundesland zu einer niedrigeren Auswertung kommt, was dann auch ein niedrigeres Arbeitslosengeld II und Grundsicherungsleistungen zu Folge hätte. (We) Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 SOZIALHILFE Anspruch auf gekürztes Pflegegeld auch bei häuslicher Pflege rund um die Uhr Hessischer VGH, Beschluss vom 03.02.2004 – Az: 10 UZ 2985/02 Der VGH hat die Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil zugelassen, da er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils für begründet hält. Der Kläger erhält volle häusliche Pflege rund um die Uhr durch professionelle Pflegekräfte nach § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG. Den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf ein gekürztes Pflegegeld nach §§ 69 a Abs. 3, 69 c Abs. 2 Satz 2 BSHG lehnte der Sozialhilfeträger und ihm folgend das VG ab (VG Darmstadt, Urteil vom 07.08.2002, Az: 9 E 625/01 (2)). Nach Auffassung des VGH hat das VG zu Unrecht den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf das gekürzte Pflegegeld verneint. Neben den Leistungen für eine besondere Pflegekraft nach § 69 b Abs. 1 Satz 2 BSHG besteht gemäß § 69 c Abs. 2 Satz 1 BSHG auch der Anspruch auf Pflegegeld nach § 69 a BSHG, das aber nach § 69 c Abs. 2 Satz 2 BSHG um bis zu zwei Drittel gekürzt werden kann. Das VG habe zwar zunächst zutreffend anerkannt – so der VGH -, dass auch bei einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung ein Anspruch auf das Pflegegeld bestehen könne, verweise jedoch auf § 69 a Abs. 5 Satz 1 BSHG, wonach der Anspruch auf das Pflegegeld voraussetze, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Pflege in geeigneter Weise selbst sicherstellen könne. Dabei müsse – so die Auffassung des VG - die konkrete Notwendigkeit, die Pflegebereitschaft dritter Personen zu fördern bzw. zu erhalten, nachgewiesen werden. Dieser Ansicht des VG widerspricht der VGH. Bei der Auslegung des § 69 a Abs. 5 Satz 1 BSHG sei auf den Charakter des Pflegegeldes abzustellen, das nicht auf die Entlohnung von Pflege- personen ziele. Mit ihm solle auch nicht unmittelbar der Pflegebedarf gedeckt werden. Wirtschaftlich messbare Belastungen durch die Pflege selbst stünden nicht im Vordergrund. Der Gesetzgeber gehe vielmehr davon aus, dass die Pflege durch nahestehende Personen unentgeltlich geleistet werde. Nur für die erforderliche Heranziehung einer besonderen Pflegekraft sei vom Gesetz eine Kostenübernahme vorgesehen. Das pauschalierte Pflegegeld des § 69 a BSHG diene folglich dazu, es dem Pflegebedürftigen zu ermöglichen, sich die unentgeltliche Pflegebereitschaft einer nahestehenden Person durch Übernahme von deren Aufwendungen oder auch durch kleinere Zuwendungen zu erhalten. Die tatsächliche Inanspruchnahme der Pflege durch nahestehende Personen sei nicht Voraussetzung (OVG Münster, Urteil vom 20.06.2001). Dementsprechend könne vom Hilfesuchenden nicht verlangt werden – so führt der VGH weiter aus -, konkret und im Einzelnen nachzuweisen, ob, in welcher Weise und mit welchen Aufwendungen der Bedarf bisher gedeckt worden sei. Die eigenverantwortliche Sicherstellung der Pflege im Sinne von § 69 a Abs. 5 Satz 1 BSHG könne dann nur so verstanden werden, dass dem Pflegebedürftigen die Organisation seiner Pflege durch das Pflegegeld möglich sein müsse. Er müsse die Fähigkeit besitzen, sich mit dem Pflegegeld gegenüber pflegenden und auf andere Art engagierten Verwandten, Nachbarn und Laienhelfern erkenntlich zu zeigen. (Di) Das Berufungsverfahren wird nicht fortgesetzt, da der Sozialhilfeträger dem Antrag des Klägers inzwischen statt gegeben hat. Mitgeteilt von Rechtsanwalt Gottfried Krutzki, Frankfurt Kostenübernahme für Urlaubspflege durch Sozialhilfeträger BSG, Urteil vom 01.07.2003 – Az: B 1 KR 13/02 R Streitig ist, ob der Sozialhilfeträger gegenüber der Krankenkasse des Versicherten einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der auswärtigen Unterbringung und Pflege eines behinderten Menschen hat. Ein 1967 geborener geistig und körperlich behinderter Mann war im Jahre 1996 vorübergehend in einem Wohnpflegeheim untergebracht. Die Unterbringung war erforderlich geworden, weil die Mutter als Pflegeperson kurbedingt von zu Hause abwesend war. Die Pflegekasse hat von den Kosten auf der Grundlage des § 39 Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 SGB XI (Verhinderungspflege) einen Teilbetrag von 2.800 DM (jetzt 1.432 EURO) übernommen. Dieser Betrag entspricht dem jährlichen Höchstbetrag für Urlaubspflege. Die restlichen Kosten in Höhe von ca. 4.000 EURO hatte der überörtliche Sozialhilfeträger im Rahmen der vorläufigen Hilfeleistung gemäß § 44 BSHG zunächst übernommen. Die beklagte Krankenkasse hat den Antrag der Pflegeperson und Mutter, die verbleibenden Kosten als Haushaltshilfe nach § 38 SGB V zu erstatten, abgelehnt. 67 SOZIALHILFE/PFLEGEVERSICHERUNG Das SG München hat die Klage abgewiesen, da es sich bei der auswärtigen Unterbringung und Pflege um Eingliederungshilfe gemäß § 39 BSHG handele. Da die Haushaltshilfe nach SGB V keine gleichartige Leistung sei, fehle es an einem Vorrang/Nachrang-Verhältnis (Az. S 18 KR 188/97). Die Berufung beim Bayerischen LSG hatte keinen Erfolg. Nach Wortlaut und Zweck der Haushaltshilfe habe die Krankenkasse nur die Weiterführung des Haushalts, nicht aber eine auswärtige Unterbringung der bisher im Haushalt betreuten Person zu ermöglichen. Seit der Einführung der Pflegeversicherung, die für die in Rede stehende Bedarfssituation in der Gestalt der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege adäquate Leistungen vorsehe, gebe es für eine Ausweitung des krankenversicherungsrechtlichen Anspruchs auf Haushaltshilfe keine Notwendigkeit (Az. L 4 KR 128/99). Mit der Revision trägt der Sozialhilfeträger vor, dass der Erstattungsanspruch nicht an fehlender Gleichartigkeit der beiderseitigen Leistungen scheitere. Die lediglich als Vorleistung gemäß § 44 BSHG erbrachte Sozialhilfe habe schon wegen der kurzen Zeitdauer von vier Wochen keine Eingliederung des behinderten Menschen, sondern lediglich eine vorübergehende Hilfestellung in einer Notsituation bezweckt. Das BSG hat die vorinstanzlichen Urteile bestätigt und die Klage abgewiesen. Die Krankenkasse habe für die Kosten einer außerhäuslichen Pflege und Betreuung des von dem krankheitsbedingten Ausfall der Pflegeperson betroffenen behinderten Menschen nicht aufzukommen. Die Krankenkasse müsse somit den vorübergehenden Ausfall nicht als Ersatz für eine Haushaltshilfe bezahlen. Die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistung machten deutlich, dass dem Versicherten speziell die Weiterführung seines Haushalts und nicht allgemein irgendeine Versorgung seiner Kinder ermöglicht werden solle. Da sich die Regelungen des § 38 SGB V ausschließlich auf die durch den Krankenhaus- bzw. Kuraufenthalt nicht mehr sichergestellte Haushaltsführung bezögen, wäre eine Ausdehnung der Leistungspflicht der Krankenkasse auf die auswärtige Unterbringung und Pflege des behinderten Kindes nur im Wege einer Analogie möglich. Dafür fehle es aber an der erforderlichen Regelungslücke. Das speziell bei Menschen mit Behinderung eine Versorgung außerhalb des Haushaltes notwendig werden könne, sei dem Gesetzgeber seit langem bekannt gewesen. Wenn er im SGB V von weiterreichenden Regelungen abgesehen habe, könne das nur bedeuten, dass dies bewusst geschehen sei, damit die Krankenversicherung nicht mit zusätzlichen Kosten belastet werden sollte. Anmerkung Für den vorübergehenden, durch den Ausfall der Pflegeperson bedingten Heimaufenthalt eines pflegebedürftigen behinderten Menschen sind die Pflegekassen und ergänzend die Sozialhilfeträger zuständig. Das BSG hat allerdings offen gelassen, ob es sich bei der Haushaltshilfe nach § 38 SGB V und der als Leistung der Eingliederungshilfe nach § 39 ff. BSHG gewährten auswärtigen Unterbringung und Pflege um inhaltlich gleichartige Leistungen handelt. Richterliche Schätzung des Hilfebedarfs der Pflegeversicherung, Anerkennung von Wegen zur Ergotherapie BSG, Urteil vom 28.05.2003 – Az: B 3 P 6/02 R (SGb 3-2004 S. 194 ff.) Der 6 Jahre alte Kläger leidet an einer schwer einstellbaren Zuckerkrankheit und einer Entwicklungsstörung, wegen der er zweimal wöchentlich eine Ergotherapie besucht. Im Streit ist die Gewährung von Pflegegeld der Pflegestufe I. Während der MdK einen Grundpflegebedarf von nur 30 Minuten täglich annahm, hat das Sozialgericht nach Einholung eines Gutachtens von Dr. D. einen täglichen Hilfebedarf bei der Grundpflege von 81 – 104 Minuten angenommen, zzgl. 30 Minuten für die hauswirtschaftliche Versorgung. Das LSG vertrat die Auffassung, dass das Gutachten von Dr. D. insgesamt nicht brauchbar sei und kam nach Anhörung der Mutter des Klägers und darauf gestützte eigene Schät68 zung des Zeitaufwands zu geringeren Zeiten für die Pflegestufe I, die nur für die von dem Gericht benannten Zeiträume erreicht werde. Die beklagte Pflegekasse legte gegen das Urteil Revision ein, da das LSG gegen die Grundsätze der Amtsermittlung und der freien richterlichen Beweisführung verstoßen habe. Es habe sich nicht mit dem Gutachten des MdK auseinander gesetzt, die Abweichung von diesem nicht ausreichend begründet und sich ausschließlich auf die Angaben der Mutter des Klägers gestützt und den Pflegebedarf selbst geschätzt. Bei der Feststellung des Pflegebedarfs sei eine besondere Sachkunde erforderlich, über die das LSG nicht verfüge. Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 PFLEGEVERSICHERUNG Das BSG gab der Revision teilweise statt und verwies den Rechtsstreit an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Nach Ansicht des BSG war das LSG im Rahmen seiner freien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 128 Abs. 2 SGG) berechtigt, weder dem Gutachten des Dr. D. noch dem MdK-Gutachten zu folgen. Die vom LSG vorgenommene Schätzung des Zeitaufwands aufgrund einer Anhörung der Pflegeperson ohne erneute Untersuchung im häuslichen Bereich sei grundsätzlich ein zulässiger Weg zur Ermittlung des Pflegebedarfs, weil konkrete Zeitermittlungen über die Dauer der Hilfe bei zahlreichen Verrichtungen besondere Sachkunde nicht erfordern. Das Gericht müsse aber in den Entscheidungsgründen seines Urteils nachvollziehbar darlegen, warum es einen bestimmten Weg eingeschlagen, andere Wege verworfen habe und warum es zu welchem Ergebnis gekommen sei. Die Feststellung eines Pflegebedarfs ohne Heranziehung von Fachkräften (Ärzte, Pflegefachkräfte usw.) sei dabei besonders sorgfältig zu begründen. Diesen Begründungsanforderungen sei das LSG nicht durchweg gerecht geworden, weil die mit Hilfe der Mutter des Klägers ermittelten Hilfebedarfszeiten von den bisher durch ärztliche Gutachten ermittelten Werten teilweise stark abwichen, ohne dass die jeweiligen zeitlichen Anhaltspunkte dafür genannt würden. Bevor eine Schätzung zu vertreten sei, müsste versucht werden, die erforderlichen Zeiten für die einzelnen Verrichtungen so genau wie möglich zu ermitteln. Diese Zeiten seien daher grundsätzlich zu messen. Dafür reiche es aus, wenn die Pflegeperson selbst die Messung vornehme und dies dem Gericht nachweise. Nur wenn sich Zweifel an der Richtigkeit ergäben, könne es sich anbieten, weitere, auch sachverständige, Zeugen dazu zu hören. Es sei unverzichtbar, dass von der Pflegeperson ein minutiös geführtes Pflegetagebuch mit konkreten Zeitmessungen vorgelegt werde. Die Auswertung des Tagebuchs, die Feststellung des Pflegebedarfs und die Gegenüberstellung mit dem Pflegebedarf gesunder Kinder sei von dem LSG vorzunehmen. (.....) Bei der vom Kläger besuchten Ergotherapie entstehe wegen der Notwendigkeit der Begleitung ein Hilfebedarf, der als Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI) berücksichtigt werden könne. Das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung müsse für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zuhause unerlässlich sein. Dazu zählen Arztbesuche, aber auch Wege zur Krankengymnastik oder zum Logopäden, soweit sie der Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Behandlung einer Krankheit dienen und nicht die Stärkung oder Verbesserung der Fähigkeiten zur eigenständigen Lebensführung im Vordergrund stehen. Maßnahmen der sozialen oder beruflichen Rehabilitation seien daher nicht zu berücksichtigen; bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation komme es darauf an, dass sie der notwendigen Behandlung einer Krankheit dienen. Im vorliegenden Fall diene die Ergotherapie nach Feststellung des LSG einer vom Arzt verordneten Behandlung einer Entwicklungsstörung. Es bestünden deshalb keine Bedenken, den dadurch erforderlichen Pflegeaufwand zu berücksichtigen, soweit er mindestens einmal wöchentlich anfalle. (.....) (Gekürzte Wiedergabe der Entscheidungsgründe auf die genannten Aspekte). Anmerkung Das Urteil stärkt den Tatsachenvortrag der Klagepartei, die Pflegegeld begehrt. Indem es das Pflegetagebuch zu einem ausschlaggebenden Beweismittel macht, erkennt es an, dass die Langzeitbeobachtung durch die Pflegeperson mit genauen Zeitangaben den Pflegebedarf plausibler ermitteln kann als die Momentaufnahme des Gutachtens des Medizinischen Dienstes, das sich sehr stark an der Tagesform orientiert. Es ist daher notwendig, dass den Betroffenen Anleitungen an die Hand gegeben werden, solche Pflegetagebücher für eine gerichtliche Verwertung zu erstellen (siehe dazu Wendt: Richtig begutachten, gerecht beurteilen. Die Begutachtung geistig behinderter Menschen zur Erlangung von Pflegeleistungen. 6. Auflage 2003, S. 37 ff.). Weiter ist bedeutsam, dass die Anerkennung von Wegezeiten für die Ergotherapie eines Kindes aufgrund der ärztlichen Verordnung jetzt verbesserte Möglichkeiten schafft, die Wegezeiten zu ähnlich gelagerten Frühfördermaßnahmen anerkannt zu bekommen. Dabei wird die Rechtsprechung des BSG nicht aufgegeben, dass bei Maßnahmen der sozialen und beruflichen Rehabilitation solche Wegezeiten nicht anzuerkennen sind (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 5, 6 u. 8). Bei Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation, wozu nach dem SGB IX auch die Frühförderung zählt, kommt es darauf an, dass sie der notwendigen Behandlung einer Krankheit dienen. Für Personen, die im ländlichen Bereich gleichgelagerte Frühfördermaßnahmen mit erheblichen Wegezeiten in Anspruch nehmen, könnte es daher lohnend sein, für die Anerkennung dieser Wegezeiten als Pflegezeiten zu streiten. (We) 69 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG Neue Heilmittel-Richtlinien ab 01.07.2004 von Norbert Schumacher Der gemeinsame Bundesausschuss hat im März 2004 die Neufassung der Heilmittel-Richtlinien (HMR) beschlossen. Die Richtlinien bilden die Grundlage für die gesamte Versorgung mit Heilmitteln (z. B. Physiotherapie, Sprachtherapie, Ergotherapie). Sie sind für alle an der gesundheitlichen Versorgung beteiligten Leistungserbringer (Ärzte und Therapeuten) verbindlich. Damit haben die Richtlinien auch unmittelbare Auswirkungen für die Versicherten. Weil der Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln in §§ 27 Abs. 1, 32 SGB V nur dem Grunde nach geregelt ist, kommt den HMR eine herausragende Bedeutung für die Versorgung zu. Überarbeitung wegen gestiegener Ausgaben Nach Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung (BMGS) war eine Neufassung notwendig geworden, weil es seit der letzten Änderung im Jahre 2001 einen überproportionalen Ausgabenanstieg der Kosten bei der Heilmittelversorgung gegeben habe. Diese seien um mehr als 20 % gestiegen, ohne dass hierfür medizinische Gründe erkennbar seien. Ursächlich seien vielmehr Probleme in der praktischen Anwendung der Heilmittel-Richtlinien. Das Bundesgesundheitsministerium habe daraufhin den gemeinsamen Bundesausschuss aufgefordert, die Ursachen des Ausgabenanstiegs zu analysieren und entsprechende Konsequenzen in den Heilmittel-Richtlinien zu ergreifen. Bedingt durch diese Vorgabe (Begrenzung des Ausgabenanstiegs) hat der Bundesausschuss zunächst einen Entwurf vorgelegt, der bei allen Menschen, die auf Versorgung mit Heilmitteln angewiesen sind, größte Besorgnis hervorrufen musste. Aufgrund des massiven Protestes von Seiten der Behindertenverbände, von Selbsthilfegruppen und Verbraucherschutzorganisationen sowie auch von Seiten der Leistungserbringer hatte das Bundesgesundheitsministerium zu Beginn d.J. den gemeinsamen Bundesausschuss aufgefordert, den Entwurf in mehreren Punkten zu ändern bzw. zu ergänzen. Insgesamt betrachtet handelt es sich auf der einen Seite vom Umfang her besehen um relativ geringfügige Änderungen. Dies erklärt sich vor allem aus der Tatsache, dass die Heilmittel-Richtlinien infolge der Abtrennung von den Hilfsmittel-Richtlinien im Jahre 2001, also vor relativ kurzer Zeit, völlig neu bearbeitet worden sind. Auf der anderen Seite können auch kleine 70 Änderungen große Auswirkungen im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung haben. Die Heilmittel-Richtlinien sind weiterhin zweigeteilt: Der erste Teil enthält den Richtlinientext, der zweite Teil den Katalog verordnungsfähiger Heilmittel nach § 92 Abs. 6 SGB V. In einer Anlage sind Heilmittel aufgeführt, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnungsfähig sind. Grundsätze der Heilmittel-Verordnung In den ”Allgemeinen Grundsätzen” hat der Verordnungsgeber nur geringfügige Änderungen vorgenommen. Die bisher bekannten drei Heilmittel der Physikalischen Therapie, der Ergotherapie und der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie sind um die Podologische Therapie ergänzt worden. Die Richtlinien regeln ausschließlich die Verordnung von Heilmitteln im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung. Heilmittel müssen als medizinische Leistung persönlich erbracht werden und dürfen nur verordnet werden, wenn sie notwendig sind - eine Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern - eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen - einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken oder - Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu mindern. Regelfall Ausgangspunkt und Grundlage für eine Heilmittel-Verordnung ist ein definierter Regelfall, dem somit eine hohe Bedeutung zukommt. Dieser Regelfall geht von der Vorstellung aus, dass mit dem Heilmittel im Rahmen der Gesamtverordnungsmenge des Regelfalls das angestrebte Therapieziel erreicht werden kann. Die Gesamtverordnungsmenge und die Anzahl der Behandlungen je Verordnung im Regelfall ergeben sich aus dem Heilmittelkatalog. Die Verordnungsmenge hat sich nach dem medizinischen Erfordernis des Einzelfalls zu richten (vgl. Ziff. 11). Heilmittel-Verordnungen außerhalb des Regelfalls sind bis auf die in den Richtlinien genannten Ausnahmen nicht zulässig. Die Ausnahmen sind im Heilmittelkatalog aufgeführt. Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG Erst- und Folgeverordnungen Die Heilmittel sind im Regelfall nunmehr nur noch als Erst- oder Folgeverordnung verordnungsfähig (vgl. Ziff. 11.2.). Hierbei gilt nach einer Erstverordnung jede weitere Verordnung zur Behandlung der selben Erkrankung als Folgeverordnung. Sowohl bei Erst- wie auch bei Folgeverordnungen beträgt die jeweilige maximale Verordnungsmenge in der Physikalischen Therapie bis zu sechs und in der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie bis zu zehn und in der Ergotherapie ebenfalls bis zu zehn Einheiten. Folgeverordnungen sind nur zulässig, wenn sich der behandelnde Vertragsarzt zuvor erneut vom Zustand des Patienten überzeugt hat. Bei der Entscheidung des Vertragsarztes über Folgeverordnungen sind der bisherige Therapieverlauf sowie zwischenzeitlich erhobene Befunde zu berücksichtigen. Längerfristige Verordnung Als Ausnahme, also außerhalb des Regelfalls, sind über die im Heilmittelkatalog begrenzten Folgeverordnungen hinaus auch längerfristige Verordnungen möglich (vgl. Ziff. 11.3.). Dies setzt voraus, dass sich die Behandlung mit der nach Maßgabe des Heilmittelkataloges bestimmten Gesamtverordnungsmenge nicht abschließen lässt. Längerfristige Verordnungen bedürfen einer besonderen Begründung mit prognostischer Einschätzung. Die Verordnungsmenge ist abhängig von der Behandlungsfrequenz so zu bemessen, dass mindestens eine ärztliche Untersuchung innerhalb einer Zeitspanne von zwölf Wochen nach der Verordnung gewährleistet ist. Das Gesagte bedeutet auch, dass bei längerfristigen Verordnungen der Arzt die sonst geltende maximale Verordnungsmenge überschreiten darf, damit der Patient nicht mehr als einmal im Quartal die ärztliche Praxis aufsuchen muss. Bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls hat der Vertragsarzt zudem störungsbildabhängig eine weiterführende Diagnostik durchzuführen, um auf der Basis des festgestellten Therapiebedarfs, der Therapiefähigkeit, der Therapieprognose und des Therapieziels die Heilmitteltherapie fortzuführen. Keine Unterbrechung der Behandlung Damit sichergestellt ist, dass durch das Genehmigungsverfahren bei der Krankenkasse keine Behandlungsunterbrechungen entstehen, übernimmt die Krankenkasse nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten die Kosten des Heilmittels bis zum Zugang einer Entscheidung über die Ablehnung der Genehmigung beim Versicherten. Eine Rückforderung der Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Kosten bereits erbrachter Leistungen ist in diesem Zusammenhang unzulässig (vgl. Ziff. 11.5.). Abgabe von Heilmitteln nur bei Wirtschaftlichkeit Der Vertragsarzt hat wie bisher vor jeder Verordnung zu prüfen, ob entsprechend dem Gebot der Wirtschaftlichkeit das angestrebte Behandlungsziel auch durch eigenverantwortliche Maßnahmen des Patienten, durch eine Hilfsmittelversorgung oder durch Verordnung eines Arzneimittels qualitativ gleichwertig und kostengünstiger erreicht werden kann. Für diesen Fall haben die genannten Maßnahmen Vorrang gegenüber einer Heilmittel-Verordnung (vgl. Ziff. 13.) Keine Hausbesuche in Einrichtungen Behandlungen sind grundsätzlich in der Praxis des Therapeuten durchzuführen. Die Richtlinien schließen jedoch nicht aus, dass der Therapeut die Leistung außerhalb seiner Praxisräume erbringt. Die besondere Verordnung der Heilmittelerbringung außerhalb der Praxis als sog. Hausbesuch ist nur dann zulässig, wenn der Patient aus medizinischen Gründen den Therapeuten nicht aufsuchen kann oder wenn der Hausbesuch aus sonstigen medizinischen Gründen zwingend notwendig ist (vgl. Ziff. 16.2.). Die Behandlung in einer Einrichtung (z. B. Tagesstrukturierende Fördereinrichtung) allein ist nach dem Richtlinientext keine ausreichende Begründung für die Verordnung eines Hausbesuches. Das Gleiche gilt für Gründe wie die Vermeidung organisatorischer Unannehmlichkeiten oder fehlende Gelegenheit zur Begleitung des Patienten. Mangels medizinischer Notwendigkeit ist die Verordnung von Hausbesuchen für die Behandlung behinderter Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Schulen i.d.R. somit nicht mehr möglich. Durch die Neuregelung insbesondere für die Therapeuten entstehende finanzielle Nachteile (z. B. Wegfall der Hausbesuchspauschalen, Fahrtkostenerstattung) müssen entweder von diesen selbst oder von den Einrichtungen getragen werden. In vielen Fällen werden individuelle Regelungen vor Ort erforderlich sein. Auswahl der Heilmittel Die Wahl der (zu verordnenden) Heilmittel richtet sich nach dem therapeutisch im Vordergrund stehenden Behandlungsziel. 71 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG Abgrenzung zu heil- und sonderpädagogischen Maßnahmen Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit zentralen Bewegungsstörungen In der Vergangenheit wurden behinderten Menschen immer wieder notwendige Heilmittel von den Krankenkassen mit der Begründung verweigert, dass die Behandlung behinderungsbedingt, aber nicht krankheitsbedingt notwendig sei. Die Richtlinien geben nunmehr vor, dass Heilmittel bei Kindern nicht verordnet werden dürfen, wenn an sich störungsbildspezifische heilbzw. sonderpädagogische Maßnahmen zur Beeinflussung von Schädigungen geboten sind. Neben heil- bzw. sonderpädagogischen Maßnahmen dürfen Heilmittel nur bei entsprechender medizinischer Indikation außerhalb der pädagogischen Maßnahmen verordnet werden. Falls pädagogische Maßnahmen nicht durchführbar sind, dürfen Heilmittel auch nicht an deren Stelle verordnet werden. Kinder und Jugendliche mit zentralen Bewegungsstörungen erhalten eine spezielle auf ihre Altersgruppe ausgerichtete Krankengymnastik nach Bobath oder Vojta (KG-ZNS-Kinder). Nach den Richtlinien soll ausgeschlossen werden, dass anstelle notwendiger heil- bzw. sonderpädagogischer Maßnahmen medizinisch-therapeutische Maßnahmen eingesetzt werden. Das bedeutet zugleich, dass behinderte Kinder, die Einrichtungen oder Schulen besuchen und dort heil- oder sonderpädagogische Maßnahmen erhalten, daneben auch Heilmittel der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet bekommen können. Wechselwirkung mit Frühförderung Heilmittel dürfen nicht verordnet werden, soweit diese im Rahmen der Früherkennung und Frühförderung gemäß § 30 SGB IX i. V. m. der Frühförderungsverordnung als therapeutische Leistungen bereits erbracht werden (vgl. Ziff. 16.3.). Die Heilmittel-Richtlinien schließen damit nur den denkbaren doppelten Leistungsbezug aus. Kleinkinder, die Leistungen der Frühförderung erhalten, haben danach auch weiterhin Anspruch auf Versorgung mit einem Heilmittel, wenn die Versorgung mit diesem Heilmittel im Rahmen der Frühförderung nicht sichergestellt ist. Die Krankengymnastik für Kinder unterscheidet sich von der Erwachsenenform durch längere Richtwerte für die Regelbehandlungszeit (30 bis 45 Minuten statt 25 bis 35 Minuten) und eine höhere Qualifikation des Therapeuten (spezielle Weiterbildung). Da der Therapeut mit Qualifikation für die kindgerechte Form auch immer die Qualifikation für die Erwachsenenform der Krankengymnastik hat, kann ein Patient auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres durch seinen bisherigen Therapeuten weiterbehandelt werden. Ausblick Die Richtlinien treten zum 1.7.2004 in Kraft. Ob sich aus den Neuregelungen im praktischen Alltag konkrete Benachteiligungen für Menschen mit Behinderung ergeben, lässt sich daher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Nach den Bekundungen des BMGS ist mit der Neufassung der Heilmittel-Richtlinien eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit Heilmitteln gewährleistet, wobei den besonderen Erfordernissen der Versorgung behinderter Menschen Rechnung getragen werde. Vieles wird vom richtigen Verordnungsverhalten der Ärzte abhängen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Ärzte neben den Richtlinien aus ihrer Sicht auch die Vergütung der Leistung im Blick haben müssen. Behauptete Einschränkungen in der Heilmittelversorgung durch die neuen Richtlinien können daher ihre Ursache auch in der Budgetierung der ärztlichen Leistungen haben. Bestehen Zweifel, sollte bei der Krankenkasse nachgefragt werden. Lagerungsrollstuhl als Hilfsmittel der Krankenversicherung LSG NRW, Urteil vom 26.02.2003 – Az: L 5 KR 33/02 Streitig ist die Versorgung der in einem Pflegeheim lebenden 1912 geborenen Klägerin mit einem Lagerungsrollstuhl. Die Klägerin leidet an einer fortgeschrittenen senilen Demenz und ist in die Pflegestufe III als Härtefall eingestuft. Mit einer vertragsärztlichen Verordnung beantragte die Klägerin die Versorgung mit einem 72 Faltrollstuhl mit verstellbarer Rückenlehne und Fußstützen sowie mit einer Fixationsweste für den Oberkörper. Ausweislich des ärztlichen Attestes wird die Klägerin zur Dekubitus- und Pneumonieprophylaxe regelmäßig in einen Rollstuhl gesetzt. Ein Lagerungsrollstuhl sei erforderlich, da die Klägerin aus einem Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG herkömmlichen Faltrollstuhl mehrfach herausgefallen sei. Nach Auskunft des Pflegeheimes verbringt die Klägerin täglich fünf bis sechs Stunden im Rollstuhl. zurückzulegenden Weg selbst zu bestimmen, aber zu verneinen, wenn diese geistige Fähigkeit nicht mehr vorhanden sei, sei nicht erkennbar. Das SG Duisburg hat die Klage mit Urteil vom 28.01.2002 abgewiesen (Az. S 7 (9) KR 91/00). Zur Begründung hatte das Gericht ausgeführt, der Rollstuhl zähle zu den Hilfsmitteln, die der Träger des Heimes zur Verfügung zu stellen habe, da der Rollstuhl ausschließlich innerhalb des Heims benötigt werde. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihren Vortrag wiederholt, dass sie nur mittels dieses Rollstuhls am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könne. Sie benötige einen speziell an ihre Behinderung angepassten Rollstuhl, ohne den sie das Zimmer nicht verlassen könne. Der Klägerin sei eine Teilnahme am Leben im Heim nur mittels des in Frage stehenden Rollstuhls möglich gewesen. Im Zeitpunkt der Beschaffung des Rollstuhls sei die Klägerin mehrfach wöchentlich vormittags und nachmittags für jeweils ein bis eineinhalb Stunden mittels des Rollstuhls in den Gemeinschaftsraum gebracht worden. Ihr Sohn habe mit ihr die Cafeteria und den Garten des Pflegeheimes aufgesucht. Die Klägerin habe zwar aktiv mit anderen nicht mehr kommunizieren können, sie habe aber sichtbar durch ihre Mimik auf die Anwesenheit anderer Personen reagiert. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und dem Klageantrag stattgegeben. Das Gericht hält es für zutreffend, dass ungeachtet eines Heimaufenthalts die Krankenkassen dem Versicherten die Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen haben, die wesentlich der Befriedigung von Grundbedürfnissen dienten. Das sei hinsichtlich des Lagerungsrollstuhls der Fall, auch wenn die Klägerin sich nicht mehr aktiv am Gemeinschaftsleben beteiligen könne. In der Auseinandersetzung mit den Urteilen des BSG vom 6.6.2002 (vgl. RdLh 4/2002, S. 168 ff.) und vom 24.9.2002 (vgl. RdLh 1/2003, S. 24 f.) führt das Gericht aus, dass seiner Ansicht nach bei Versicherten, die aktiv am Leben in der Gesellschaft nicht mehr teilnehmen könnten, nicht zwangsläufig immer die Pflege im Vordergrund stehe. Bei der Beschaffung des Rollstuhls habe die Pflegeerleichterung schon deshalb nicht im Vordergrund gestanden, da die Pflege auch im Bett hätte durchgeführt werden können. Auch wenn der Rollstuhl nicht im Sinne der Urteile des BSG als individuell angepasstes Hilfsmittel anzusehen sei, sei er doch speziell an die Bedürfnisse der Klägerin angepasst worden und für keinen anderen Heimbewohner einsetzbar. Es bedürfe keiner näheren Begründung, dass angesichts einer erforderlichen Umrüstzeit von mind. 60 Minuten es nicht möglich gewesen sei, jeweils im Einzelfall ein Grundmodell an die Bedürfnisse der Klägerin anzupassen. Rollstuhl und Fixationsweste seien zur Herstellung der Mobilität und zur Ermöglichung eines Aufenthalts in der Gesellschaft erforderlich gewesen. Anspruch auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft Auch wenn mangels Erfolgsaussicht eine Rehabilitation nicht mehr in Betracht komme, bedeute dies nicht, dass damit das Grundbedürfnis auf Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entfallen wäre. Auch die Gruppe der geistig verwirrten oder hirnorganisch geschädigten Versicherten habe Anspruch auf ein Zusammensein mit anderen und eine Teilhabe an gesellschaftlichen Veranstaltungen. Das Gericht hält es ausdrücklich für den Leistungsanspruch für irrelevant, ob die Klägerin selbst noch über die Wege und Aufenthaltsorte im Heim entscheiden könne oder vom Pflegepersonal bzw. Angehörigen mit Mitbewohnern zusammengebracht werde. Ein sachlicher Grund dafür, die Leistungspflicht der Krankenkasse für einen im individuellen Fall erforderlichen Rollstuhl zu bejahen, nur wenn der Versicherte geistig noch in der Lage sei, den Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Anmerkung Die Entscheidung verdient volle Zustimmung. Überzeugend führt das Gericht aus, dass es für den Anspruch auf einen individuell angepassten Rollstuhl weder darauf ankommen könne, ob der Rollstuhlfahrer das Heim noch verlassen könne, noch ob er in der Lage sei, Aufenthaltsorte und Wege innerhalb des Heimes selbst und aktiv zu bestimmen. Schließlich dürfe die Versorgung mit einem individuell angepassten Rollstuhl nicht davon abhängen, ob der Versicherte zu rehabilitativen Maßnahmen noch in der Lage sei. Das Grundbedürfnis auf Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft sei nicht davon abhängig, ob der behinderte Mensch noch Leistungen der Rehabilitation in Anspruch nehmen kann. Eine andere Betrachtung würde vielen Menschen, die eine schwere geistige Behinderung haben oder schwerstpflegebedürftig sind, den Anspruch auf Zusammensein mit Anderen verneinen oder zumindest unmöglich machen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits hat das Gericht die Revision zugelassen (Az. beim BSG B 3 KR 5/03 R). (Sch) 73 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG Petö-Therapie ist keine Kassenleistung BSG, Urteile vom 03.09.2003 – Az: B 1 KR 34/01 R und B 1 KR 19/02 R Das BSG hatte in zwei Verfahren darüber zu entscheiden, ob die sog. konduktive Förderung nach Petö als Kassenleistung von den Krankenkassen zu finanzieren ist. Im Verfahren B 1 KR 34/01 R klagte ein 1992 geborenes Kind, das an einer infantilen Cerebralparese leidet und spastisch gelähmt ist. Neben den üblichen krankengymnastischen Übungsbehandlungen hat sie sich zur Verbesserung insbesondere ihrer motorischen Fähigkeiten mehrfach der konduktiven Förderung nach Petö in Budapest (Ungarn) unterzogen. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Nach Auffassung des LSG München (Az. L 4 KR 35/ 99) kommt eine Kostenerstattung nicht in Betracht, weil der Klägerin im Inland ausreichende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Im Übrigen sei bei der Behandlung nach der Petö-Methode der Arztvorbehalt des § 15 Abs. 1 SGB V nicht gewahrt. Die Therapie werde unbeschadet der ärztlichen Leitung des Institutes von den Konduktorinnen selbstständig und ohne Überwachung durch einen Arzt geplant und durchgeführt. Die Klägerin ist der Auffassung, die konduktive Förderung nach Petö müsse als Heilmittel i. S. v. § 32 SGB V aufgefasst werden. Entgegen dem angefochtenen Urteil handele es sich auch um medizinische Behandlung und nicht um rein pädagogische Leistungen. Ungeachtet der erzieherischen Elemente und Zielsetzungen erfülle die konduktive Förderung die Voraussetzungen einer neuro-physiologisch begründeten Behandlungsmethode bei cerebralen Paresen. Behandlungsmöglichkeit in Deutschland schließt Behandlung im Ausland aus Nach Ansicht des BSG haben die Vorinstanzen einen Kostenerstattungsanspruch zu Recht verneint. Bei einer Behandlung, zu der sich der Versicherte ins Ausland begebe, komme eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 SGB V erfüllt seien und der Versicherte die Kostenübernahme vor Behandlungsbeginn beantragt und der Kasse Gelegenheit zur Prüfung und Entscheidung gegeben habe. Auch für Behandlungen im Ausland bleibe es somit bei dem allgemein für außervertragliche Behandlungen geltenden Grundsatz, dass der Krankenkasse eine Möglichkeit zur Überprüfung des Leistungsbegehrens einzuräumen sei, bevor dem Versicherten erlaubt werde, sich die benötigte Leistung außerhalb des Sachleistungssystems selbst zu beschaf74 fen. Dass dies gerade bei Auslandsbehandlungen auch zum eigenen Schutz des Versicherten sinnvoll sei, liege auf der Hand. Werde die vom Versicherten beanspruchte Therapie auch im Inland angeboten, scheide eine Erstattung der für die Auslandsbehandlung aufgewendeten Kosten aus, und zwar nach dem klaren Wortlaut der Regelung in jedem Fall, also auch dann, wenn die Behandlung im Inland ebenfalls nur als außervertragliche Leistung erhältlich sei. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn die in Deutschland bestehenden Kapazitäten nicht ausreichten und der Versicherte gezwungen sei, für einzelne Behandlungsabschnitte ins Ausland auszuweichen. Vorliegend bestehe schon deshalb kein Erstattungsanspruch, weil die konduktive Förderung nach Petö nicht zu den Behandlungsmethoden gehöre, auf die sich die Leistungspflicht der Krankenkassen erstrecke. Die konduktive Förderung nach Petö sei unabhängig von den speziellen Voraussetzungen einer Kostenerstattung bei Auslandsbehandlungen keine Kassenleistung, weil ihr therapeutischer Nutzen bisher nicht auf dem vom Gesetz vorgeschriebenen Weg durch den gemeinsamen Bundesausschuss festgestellt worden sei. Förderung nach Petö kann medizinische Leistung sein Das Gericht teilt allerdings nicht die Einschätzung, dass die konduktive Förderung wegen ihrer vorwiegend pädagogischen Ausrichtung nicht als medizinische Behandlung oder Rehabilitation einzustufen sei und deshalb von vornherein nicht zum Versicherungsgegenstand der Krankenversicherung gehören könne. Für die Abgrenzung zwischen medizinischen und nichtmedizinischen Maßnahmen und damit für die Zuständigkeit der Krankenversicherung komme es in erster Linie auf die Zielsetzung der Maßnahme an. Falls eine Methode eines der in den §§ 27 oder 11 Abs. 2 SGB V genannten Ziele (z. B. Erkennen oder Heilen einer Krankheit; Vermeidung, Beseitigung oder Besserung einer Behinderung) verfolge und dabei an der Krankheit selbst bzw. an ihren Ursachen ansetze, verliere der Umstand an Bedeutung, dass bei der konduktiven Förderung für die Behandlung vorwiegend pädagogische Mittel eingesetzt würden und das Berufsbild des Therapeuten eher dem eines Lehrers und Erziehers als dem eines klassischen Heil-Hilfsberufes ähnele. Ein derartiger unmittelbarer Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG Krankheitsbezug sei ein hinreichendes Indiz dafür, dass keine anderen Zwecke wie die soziale Eingliederung oder die Verbesserung schulischer oder beruflicher Fähigkeiten im Vordergrund stünden. Medizinische und nichtmedizinische Behandlungszwecke ließen sich gerade bei komplexen Rehabilitationsangeboten oft nur schwer oder gar nicht voneinander abgrenzen, wie der Senat im Zusammenhang mit der Förderung behinderter Kinder in Sozialpädiatrischen Zentren im Urteil vom 31.03.1998 (Az. B 1 KR 12/96 R) näher dargelegt habe. Wesentlich sei in diesem Zusammenhang, welche Erwartungen der Leistungserbringer selbst mit seinem Vorgehen verbinde. Die Petö-Methode erhebe den Anspruch, durch einen aktiven Lernprozess die motorischen Fähigkeiten der cerebralgeschädigten Kinder zu verbessern und dabei physiologische und anatomische Veränderungen im Zentralnervensystem zu bewirken. Da es nicht darum gehe, lediglich Auswirkungen der Behinderung auf die Lebensgestaltung aufzufangen oder abzumildern, sei von einem medizinischen Charakter der Fördermaßnahmen auszugehen. Petö-Therapie ist Heilmittel Da es sich bei ihnen nicht um ärztliche Behandlung, sondern um medizinische Dienstleistungen handele, die auf Verordnung eines Arztes erbracht würden, seien sie rechtlich als Heilmittel i.S. des § 32 SGB V einzustufen. Neue Heilmittel dürfen die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte nur verordnen, wenn der gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V Empfehlungen für die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung abgegeben habe. Die konduktive Förderung nach Petö sei in der Vergangenheit keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen und unterliege deshalb als ”neues” Heilmittel dem Erlaubnisvorbehalt. Soweit die Krankenkasse einen Teil der Kosten übernommen habe, ließen sich hieraus keine weitergehenden Ansprüche herleiten. Der Versicherte könne aus einer früheren rechtswidrigen Handhabung der Krankenkasse keine Rechte in einem neuen Leistungsfall herleiten. Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Anmerkung Das Urteil ist in seiner rechtlichen Argumentation nicht zu beanstanden. Es ist nachvollziehbar, dass das höchste deutsche Sozialgericht die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der Petö-Therapie dem hierfür gesetzlich vorgesehenen Expertengremium im gemeinsamen Bundesausschuss überlässt. Die konduktive Förderung nach Petö ist in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen sowohl der Verwaltungs- als auch der Sozialgerichtsbarkeit gewesen. Nach Ansicht des BVerwG kann die Petö-Therapie als heilpädagogische Maßnahme im Rahmen der Eingliederungshilfe eine Leistung der Sozialhilfe sein, wenn die Therapie erforderlich und geeignet ist, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.2002, Az. 5 C 36/01 in RdLh Nr. 3/ 02, S. 110 f.). Das Beispiel der konduktiven Förderung nach Petö belegt einmal mehr die Notwendigkeit der Erbringung medizinisch-therapeutischer und heilpädagogischer Leistungen im Rahmen einer ganzheitlich ausgerichteten Komplexleistung, bei der nicht Fragen der Zuständigkeit des richtigen Leistungsträgers im Vordergrund stehen. Für die Behandlung und Betreuung von behinderten Kindern müsste dies eigentlich längst selbstverständlich sein. Auf Initiative mehrerer Krankenkassen ist das Behandlungskonzept der Petö-Methode zwischen 1996 und 2001 in einem Modellvorhaben erprobt und begutachtet worden. Der Abschlussbericht kommt zu der Einschätzung, dass rund 70 % der Arbeit mit den behinderten Kindern auf eine Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, also ein therapeutisches Ziel, gerichtet sei (Blank/von Voss, Konduktive Förderung nach Petö, München 2002). Seit dem Jahr 2002 ist beim gemeinsamen Bundesausschuss ein Antrag auf Anerkennung der Petö-Methode als therapeutisch wirksames Heilmittel anhängig, über den noch in diesem Jahr entschieden werden soll. Das BSG hat mit dem hier vorgestellten Urteil den Weg für eine Anerkennung der Petö-Methode als Heilmittel i.S. des SGB V geebnet. Nun hängt alles vom Votum des gemeinsamen Bundesausschusses ab. (Sch) 75 GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG Behindertengerechter Umbau eines KFZ ist kein Hilfsmittel i. S. von § 33 SGB V VGH Mannheim, Urteil vom 13.02.2003 – Az: 7 S 1952/01 In einem Kostenerstattungsverfahren zwischen einem Sozialhilfeträger und der Krankenkasse des Versicherten hatte das Gericht die Frage zu entscheiden, ob der behindertengerechte Umbau eines KFZ zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehören könne. Der im Jahre 1986 geborene Versicherte ist schwerbehindert, er kann weder frei gehen noch stehen, ist inkontinent und benötigt für alle Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremde Hilfe. Er ist dauerhaft auf die Benutzung eines Rollstuhls mit Sitzschale angewiesen, wobei sein Oberkörper in einer Haltevorrichtung fixiert werden muss. Die Eltern des Versicherten beantragten im Jahre 1998 beim Sozialhilfeträger die Übernahme der Kosten für den behindertengerechten Umbau eines KFZ. Das Fahrzeug sollte mit einer Absenkhydraulik umgebaut werden, so dass ein Rollstuhl in das Auto gerollt werden kann. Der Sozialhilfeträger forderte die Eltern des Versicherten auf, wegen des Nachrangprinzips der Sozialhilfe bei der Krankenkasse einen Leistungsantrag zu stellen. Diese lehnte jedoch ab. Daraufhin bewilligte der Sozialhilfeträger gemäß §§ 39, 40 i. V. m. § 44 BSHG im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten für den KFZ-Umbau. Mit Schreiben vom gleichen Tag machte der Sozialhilfeträger gegenüber der Krankenkasse des Versicherten die Erstattung der von ihm seiner Auffassung nach nur vorläufig übernommenen Kosten geltend. Das VG hat die Klage abgewiesen, auch das Berufungsverfahren blieb aus Sicht des klagenden Sozialhilfeträgers ohne Erfolg. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Sozialhilfeträger zwar nach § 44 Abs. 1 BSHG, also aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung, vorläufig Sozialhilfeleistungen erbracht. Er könne aber mit seinem Erstattungsbegehren nicht durchdringen, weil die beklagte Krankenkasse nicht verpflichtet gewesen sei, die KFZ-Umrüstung als Sachleistung der Krankenversicherung zu gewähren. Nach der allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des § 33 Abs. 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen. Der Umbau eines KFZ stelle kein zum Ausgleich einer Behinderung erforderliches Hilfsmittel i. S. d. § 33 Abs. 1 SGB V dar. Ein Hilfsmittel sei nur dann ”erforderlich”, wenn sein Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen (elementaren) 76 Grundbedürfnisse benötigt werde. Wenn und soweit Hilfsmittel nur mittelbar bzw. teilweise Organfunktionen ersetzten, würden sie nur dann als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkung der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich, sondern im gesamten Leben beseitigten oder zumindest milderten. Der behindertengerechte Umbau des KFZ und die sich daraus ergebende Möglichkeit des Mitfahrens diene nicht der Befriedigung eines derartigen Grundbedürfnisses. Der behindertengerechte Umbau sei zunächst nicht notwendig, um das elementare Grundbedürfnis des Versicherten im Rahmen seiner Fortbewegungsmöglichkeiten zu gewährleisten. Das Grundbedürfnis der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraumes sei nur im Sinne eines Basisausgleichs zu verstehen. Dieser umfasse insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang an die frische Luft zu gelangen. Der Versicherte vermöge – mit fremder Hilfe – mittels seines Rollstuhls das Grundbedürfnis auf Fortbewegung hinreichend zu befriedigen. Der Wunsch der Familie, das Kind auch in die außerhäuslichen Aktivitäten der Familie einzubinden, möge geeignet sein, eine Maßnahme der sozialen Rehabilitation zu rechtfertigen (vgl. §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG). Es könne aber nicht zur Verpflichtung der GKV führen, die Kosten für die behindertengerechte Fahrzeugumrüstung als Maßnahme der medizinischen Rehabilitation zu übernehmen. Anmerkung Das Urteil des VGH liegt auf der Linie der Rechtsprechung des BSG. Das BSG hat am 06.08.1998 (Az. B 3 KR 3/97 und B3 KR 8/97 R) entschieden, dass der behindertengerechte Umbau eines KFZ grundsätzlich nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre. Im Urteil vom 26.02.1991 (Az. 8 RKN 13/90) hatte das BSG dargelegt, dass ein schwenkbarer Autositz ein Hilfsmittel sein könne, wenn erst durch ihn die Benutzung eines PKW zur Befriedigung der elementaren Grundbedürfnisse und Lebensbetätigungen möglich werde. Das OVG Lüneburg hat mit Urteil vom 12.12.2001 (Az. 4 LB 1133/01) entschieden, dass der behindertengerechte Umbau eines KFZ ein Hilfsmittel der GKV sein könne, wenn das KFZ der Ermöglichung des Schulbesuchs eines schulpflichtigen Kindes diene (vgl. RdLh 2002, S. 75 und 116). (Sch) Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 RENTENVERSICHERUNG/BETREUUNGSRECHT Änderungen im Rentenrecht Der Gesetzgeber hat im Zuge der beabsichtigten Rentenreform erneut einige rentenrechtliche Vorschriften geändert, die bereits am 01.01.2004 und am 01.04.2004 wirksam geworden sind oder in Kürze in Kraft treten werden. Mit Wirkung zum 01.04.2004 haben Rentner den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 % der monatlichen Bruttorente zu tragen. Auch der Auszahlungsmodus der Renten hat sich geringfügig verändert. So wird die Rente nicht mehr wie bisher am vorletzten Banktag des Monats dem Konto gutgeschrieben, sondern erst am letzten. Bei Rentnern, die ab dem 01.04.2004 Rente beziehen, wird die Rente nicht mehr monatlich im Voraus gezahlt, sondern erst am Ende des Monats. Bereits seit dem 01.01.2004 müssen Rentner auf ihre Betriebsrenten den vollen Krankenversicherungsbeitrag entrichten. Dem Ziel der Verminderung von Ausgaben der Rentenversicherung dient auch die Streichung der rentenrechtlichen pauschalen Bewertung der ersten 36 Monate von Zeiten einer schulischen Ausbildung. Bisher wurden nach Vollendung des 17. Lebensjahres drei Ausbildungsjahre (Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung) pro Jahr mit 0,75 Entgeltpunkten bewertet. Mit einer Übergangszeit bis 2008 wird nunmehr nur noch die berufliche Ausbildung berücksichtigt. Zeiten einer Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung werden lediglich als bewertungsfreie Anrechnungszeiten anerkannt. Nach der Gesetzesbegründung soll damit eine bestehende Privilegierung der akademischen Ausbildung beseitigt werden. Anhebung des Renteneintrittsalters Absenkung des Rentenniveaus In dem vom Bundestag am 11.03.2004 verabschiedeten Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz – BT-Drs. 15/2149, 15/2678) hat der Gesetzgeber gravierende Einschnitte in das bisherige Rentenrecht vorgenommen. Mit diesem Gesetz wird ein sog. Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenformel eingeführt, der die Relation zwischen Rentnern und Beitragszahlern wiedergibt. Durch das Ansteigen der Rentenbezieher und die gleichzeitige Abnahme der Beitragszahler wird eine allmähliche Absenkung des Rentenniveaus bewirkt. Die Absenkung des Rentenniveaus wirkt sich auch auf die Renten die wegen voller Erwerbsminderung gezahlt werden, aus, da die Berechnung der Erwerbsminderungsrenten mittels der Rentenformel einschließlich des Nachhaltigkeitsfaktors erfolgt. Um das tatsächliche Renteneintrittsalter zu erhöhen, sollen Anreize zur Frühverrentung vermindert werden. Daher wird ab 2006 bis 2008 die Altersgrenze für die frühest mögliche Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit in Monatsschritten von 60 auf 63 Jahre angehoben. Aus Gründen des Vertrauensschutzes können Versicherte die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit weiter mit 60 Jahren in Anspruch nehmen, wenn sie am 01.01.2004 arbeitslos waren oder die zu diesem Stichtag verbindlich Altersteilzeit vereinbart hatten. Dieses Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die Neuregelungen inhaltlich unverändert in Kürze in Kraft treten werden. (Di) Gesetzesänderungen mit Auswirkungen im Betreuungsrecht Unabhängig von dem kontrovers diskutierten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts (2. BtÄndG, BT-Drs. 15/2494 vom 12.02.2004; aktuell dazu unter www.lebenshilfe.de) sind in verschiedenen Gesetzgebungsverfahren Regelungen mit Auswirkungen für das Betreuungswesen beschlossen worden. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz Der Bundesrat hat am 12.03.2004 dem vom Deutschen Bundestag am 20.02.2004 beschlossenen KostenrechtsRechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 modernisierungsgesetz (BGBl. I 2004, S. 718) zugestimmt, welches am 01.07.2004 in Kraft tritt. Es führt zu Änderungen beim Aufwendungsersatz, der Aufwendungspauschale sowie bei der Vergütung für Betreuer, Vormünder und Pfleger. In § 1835 BGB wurde bei den Fahrtkosten der Verweis auf § 9 ZSEG durch einen Verweis auf § 5 des neue Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) ersetzt. Diese Vorschrift regelt in Abs. 2 Nr. 1 mit Wirkung vom 01.07.2004 die Erhöhung der Kilometerpauschale bei Benutzung eines Privat-PKW von 0,27 EURO 77 BETREUUNGSRECHT auf 0,30 EURO. Die Höchstbegrenzung zulässiger PKW-Nutzung auf Dienstreisen von 230 km entfällt. Dies gilt entsprechend den Übergangsvorschriften für alle Fahrten nach dem 30.06.2004 (§§ 24, 25 JVEG). Die Aufwendungspauschale für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer nach § 1835 a BGB beträgt bislang das 24-fache des Höchstsatzes der Zeugenentschädigung von 13 EURO, also 312 EURO pro Betreuungsjahr. Mit § 22 JVEG wird der Höchstsatz ab 01.07.2004 auf 17 EURO erhöht. Zugleich wird jedoch der Multiplikator in § 1835 BGB auf den 19-fachen Betrag gesenkt. Dieses bedeutet eine Erhöhung der Aufwandspauschale auf 323 EURO pro Jahr, soweit diese nach dem 30.06.2004 fällig wird. Gestrichen wurde Artikel 4 des 1. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes von 1999. Dies führt zum Wegfall des ”Ostabschlag” in Höhe von 10 % der Vergütung für berufliche Betreuung hinsichtlich aller Tätigkeiten, die nach dem 30.06.2004 geleistet werden. Sozialgesetzbuch XII Die Vorschrift des § 1836 c BGB über die Heranziehung des betreuten Menschen zu den Kosten der Betreuung wird mit Wirkung vom 01.01.2005 auf die §§ 82, 85 – 87 sowie 90 Sozialgesetzbuch XII (SGB XII) verweisen. Der Einkommensfreibetrag (zuzüglich Unterkunftskosten) für den betreuten Menschen wird sich danach auf den 2-fachen Eckregelsatz der Sozialhilfe reduzieren, der in den westlichen Bundesländern ab 01.01.2005 zunächst 690 EURO und in den östlichen Bundesländern 662 EURO betragen wird. Auch der Familienzuschlag für Ehegatten, Lebenspartner und überwiegend unterhaltene Personen wird von derzeit 80 % des Regelsatzes auf 70 % gesenkt. Demgegenüber erhöht sich der Vermögensfreibetrag des betreuten Menschen von bisher 2.301 EURO ab dem 01.01.2005 auf 2.600 EURO. Weil in der derzeit geltenden Fassung des § 1836 c BGB allgemein auf die Anwendbarkeit des § 88 BSHG verwiesen wird, gilt nach herrschender Rechtsprechung bei der Frage der Heranziehung des Vermögens des betreuten Menschen für die Betreuungskosten gemäß § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG der erhöhte Vermögensfreibetrag von 25.311 EURO, soweit die oder der Betreute in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt ist. Im Sozialhilferecht wird bereits nach § 43 Abs. 2 Nr. 7 auf die Heranziehung der Betroffenen zu den Kosten der Werkstatt verzichtet. Diese Ausnahme von der Heranziehung zu Kostenbeiträgen aus eigenem Vermögen wird künftig in § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII geregelt sein, auf den die Neufassung des § 1836 c BGB nicht verweist. Damit entfällt ab 2005 der erhöhte Vermögensfreibetrag für 78 Werkstattbeschäftigte im Hinblick auf die Heranziehung zu den Kosten der rechtlichen Betreuung. Der Regress der Staatskasse gegen den Erben des betreuten Menschen ist bislang in § 1836 e BGB mit Verweis auf § 92 c Abs. 3 BSHG (Beschränkung auf den Wert des Nachlasses) geregelt. Gegenwärtig beträgt der Erbenfreibetrag 1.706 EURO (2-fache Summe des Freibetrages nach § 81 Abs. 1 BSHG). Ab 01.01.2005 bemisst sich der Freibetrag nach § 102 Abs. 1 auf den dreifachen Grundbetrag nach § 85 Abs. 1 SGB XII. Daher erhöht sich der Freibetrag in den westlichen Bundesländern auf 2.070 EURO und in den östlichen Bundesländern auf 1.986 EURO. Der besondere Freibetrag von 15.340 EURO für den bisherigen pflegenden Angehörigen bleibt unverändert. Zentrales Vorsorgeregister, elektronische Vordrucke für Vergütung Durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes, zur Registrierung von Vorsorgeverfügungen und zur Einführung von Vordrukken für die Vergütung von Berufsbetreuern (BGBl. I Nr. 18 v. 28.04.2004) werden weitere Bestimmungen mit Auswirkungen für das Betreuungswesen geändert. Der § 69 e FGG wird um einen Absatz 2 ergänzt, mit dem die Landesregierungen ermächtigt werden, ”durch Rechtsverordnung für Anträge und Erklärungen auf Ersatz von Aufwendungen und Bewilligung von Vergütung Vordrucke einzuführen. Soweit Vordrucke eingeführt sind, müssen sich Personen, die die Betreuung innerhalb der Berufsausübung führen, ihrer bedienen und als elektronisches Dokument einreichen, wenn dieses für die automatische Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Anderenfalls liegt keine ordnungsgemäße Geltendmachung i. S. v. § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB vor. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltung übertragen. Bislang liegen keine Informationen darüber vor, ob in einzelnen Bundesländern Rechtsverordnungen zur Einführung solcher Vordrucke auf der Grundlage dieser am 30.04.2004 wirksam gewordenen Gesetzesänderung in Vorbereitung sind. Mit Wirkung vom 31.07.2004 wird die Bundesnotarordnung um die §§ 78 a bis 78 c ergänzt. Nach § 78 a Abs. 1 führt die Bundesnotarkammer ein automatisches Register über Vorsorgevollmachten (zentrales Vorsorgeregister) ein. In dieses Register dürfen Angaben über Vollmachtgeber, Bevollmächtigten, die Vollmacht und Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 BETREUUNGSRECHT/ARBEITSRECHT deren Inhalt aufgenommen werden. Das Bundesministerium der Justiz führt die Rechtsaufsicht über die Registerbehörde. Nach § 78 a Abs. 2 wird dem Vormundschaftsgericht auf Ersuchen Auskunft aus dem Register erteilt. Das Bundesministerium der Justiz hat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die näheren Bestimmungen über die Einrichtung und Führung des Registers, die Auskunft aus dem Register und über Anmeldung, Änderung, Eintragung, Widerruf und Löschen von Eintragungen zu treffen. Die §§ 78 b sowie 78 c beinhalten Regelungen über Gebühren sowie über Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Bundesnotarkammer. Zwecks Förderung der Aufnahme von Vorsorgevollmachten in das zentrale Vorsorgeregister wurde das Urkundungsgesetz um einen § 20 a ergänzt. Nach dieser Vorschrift soll der Notar auf die Möglichkeit der Registrierung bei dem zentralen Vorsorgeregister nach § 78 a Abs. 1 Bundesnotarordnung hinweisen, wenn er eine Vorsorgevollmacht beurkundet. Das zentrale Vorsorgeregister ist bereits voll funktionsfähig und verzeichnet monatlich mehr als 10.000 Neueinträge – mit steigender Tendenz. Nach derzeitiger Rechtslage können nur Notare Registereintragungen anmelden. Die Bundesnotarkammer hat erklärt, keine Einwände gegen die Ermöglichung der Eintragung auch privatschriftlicher Vollmachten zu erheben. Es bleibt abzuwarten, ob mit einer durch das BMJ zu erlassenden Rechtsverordnung auch die Hinterlegung von nicht notariell beglaubigten Vorsorgevollmachten ermöglicht wird. Nach dem Wortlaut der endgültigen Fassung des § 78 a Abs. 1 BNotO können ausdrücklich nur Vorsorgevollmachten registriert werden, also keine Betreuungsverfügungen oder Patientenverfügungen. Demgegenüber wird auf der Homepage der Bundesnotarkammer (www.vorsorgeregister.de) nach wie vor über die Registrierfähigkeit auch von Betreuungsverfügungen informiert. Unproblematisch dürfte dies sein, soweit eine Betreuungsverfügung als nachrangige Option in die Vorsorgevollmacht integriert wird. Im übrigen bleibt abzuwarten, ob und wie auch die zentrale Registrierung von anderen Vorsorgeverfügungen eröffnet wird. In mehreren Bundesländern ist die Hinterlegung einer Betreuungsverfügung beim zuständigen Amtsgericht möglich. (He) Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates über die Arbeitszeit bei Freizeitmaßnahmen LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.01.2004 – Az 15 TaBV 6/03, Bestätigung von ArbG Ulm, Beschluss vom 03.06.2003 - Az 5 BV 1/03 Der Betriebsrat einer Lebenshilfe-Einrichtung hatte beim Arbeitsgericht die Feststellung beantragt, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht zusteht bezüglich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen für die vom Arbeitgeber bei Ferien-, Wochenendund Kurzfreizeiten eingesetzten Arbeitnehmer. Der Verein führt u. a. Freizeiten zwischen 3 und 15 Tagen für behinderte Menschen durch, bei denen diese mit ihren Betreuerinnen und Betreuern gemeinsam am jeweiligen Urlaubsort untergebracht werden und ihre Freizeit verbringen. In einer Betriebsvereinbarung waren dafür konkrete Regelungen über Freizeitausgleich und finanzielle Vergütung festgelegt. Der Betriebsrat hat geltend gemacht, bei der Teilnahme an diesen Freizeiten handele es sich für die Arbeitnehmer des Vereins nicht um Freizeit im arbeitsrechtlichen Sinne. Die Betreuung während der Ferienfreizeiten stelle eine Arbeitsleistung dar und damit die Erfüllung der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenen Arbeitspflicht, auch wenn die Teilnahme an der Freizeit freiwillig sei. Die Situation sei vergleichbar mit der bei freiwillig erbrachten Überstunden. Der Betriebsrat sieht einen Regelungsbedarf Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 für Schichtpläne, um die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitbestimmungen sicherzustellen und die Verantwortlichkeiten der im Dienst befindlichen Arbeitnehmer zu regeln. Eine Einschränkung des Mitbestimmungsrechts nach den einschlägigen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes sei nicht gegeben. Der Arbeitgeber hat sich demgegenüber auf den Tendenzschutz nach § 118 BetrVG aufgrund seiner ausschließlich karitativen Zielsetzung berufen. Die Teilnahme der Arbeitnehmer an den Freizeiten sei kein Dienst und erfolge freiwillig. Für die Dauer der Teilnahme an diesen Freizeiten würden die Beschäftigten unter Fortzahlung der Bezüge von ihrer sonstigen Arbeit freigestellt. Ein besonders Merkmal der Freizeiten sei, dass die beteiligten behinderten Menschen und die Betreuer Urlaub gemeinsam erlebten. Dienstpläne könnten sinnvollerweise für die Freizeit nicht erstellt werden, weil vor dem Hintergrund der sozialen Ausrichtung dieser Veranstaltungen die Betreuer praktisch immer für die benötigte Hilfe zur Verfügung stehen müssten. Die Gestaltung des Tagesablaufes werde von 79 ARBEITSRECHT Betreuern und behinderten Menschen jeweils selbst vor Ort unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten, insbesondere auch des Wetters, festgelegt. Die Aufstellung eines festen Dienstplanes würde den Charakter als Ferienfreizeit völlig zerstören. Der karitative Zweck der Freizeiten würde aufgrund eines Mitbestimmungsrechts vereitelt. Der Arbeitgeber meint darüber hinaus, die Betreuer und die behinderten Menschen lebten für die Dauer der Freizeit in einer häuslichen Gemeinschaft, so dass das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung finde. Das LAG hat die erstinstanzliche Zurückweisung des Antrages des Betriebsrates bestätigt. Der Arbeitgeber sei nach den abgeschlossenen Heimverträgen nicht zur Durchführung von Freizeitmaßnahmen verpflichtet. Es unterliege damit allein der unternehmerischen Entscheidung, ob solche Maßnahmen durchgeführt werden und wie viele behinderte Menschen jeweils von einem an der Freizeit teilnehmenden Mitarbeiter betreut werden. Entgegen der Auffassung des Betriebsrates erfolge die Betreuung während der Freizeiten nicht in Erfüllung der sich aus § 611 BGB ergebenden Arbeitspflicht. Wenn auch die Betreuer auf den Freizeiten teilweise ähnliche Leistungen wie im betrieblichen Bereich erbrächten, sei das Spektrum der Tätigkeiten für alle Betreuer unabhängig davon, in welchem betrieblichen Bereich sie ihre vertragliche Arbeitsleistung ansonsten erbringen, auf Freizeiten erheblich weiter. Ein Vergleich der freiwilligen Teilnahme an Freizeiten mit freiwillig erbrachten Überstunden sei verfehlt. In dem rein karitativen Tendenzunternehmen hätten die zur Freizeitbetreuung – bei Freistellung von ihren üblichen arbeitsvertraglichen Pflichten unter Fortzahlung der Vergütung – eingesetzten Beschäftigten einen der Tendenzträgereigenschaft entsprechenden Gestaltungsspielraum, weil der gesamte Tagesablauf von den betreuten Personen und ihren Betreuern jeweils vor Ort unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten festgelegt werde. Zutreffend verweise die Arbeitgeberin darauf, die Aufstellung eines festen Dienstplanes für die Betreuer würde den Charakter einer Ferienfreizeit zerstören. Soweit der Betriebsrat meine, Wanderungen, Gaststättenbesuche und sonstige Aktivitäten könnten auch innerhalb einer geregelten Arbeitszeit durchgeführt werden, verkenne er zum einen, dass es sich bei den von den Betreuern anlässlich der Freizeiten erbrachten Leistungen nicht um die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung handele, und dass sich zum anderen die auf den Freizeiten durchgeführten Aktivitäten hinsichtlich ihres zeitlichen Ablaufes nicht wie eine betriebliche Arbeit planen ließen. Das LAG folgt der Einschätzung des ArbG Ulm, bei den Freizeiten handele es sich um tendenzbezogene 80 Maßnahmen im Sinne von § 118 BetrVG: Dem Antragsgegner müsse die Entscheidung vorbehalten bleiben, wie er seinem satzungsgemäßen Auftrag, der „Förderung aller Maßnahmen und Einrichtungen, die eine wirksame Lebenshilfe für geistig und körperlich Behinderte aller Altersstufen bedeuten“, nachkomme. Die Entscheidung zum Angebot der Freizeitmaßnahmen stelle eine tendenzbezogene Maßnahme dar, da sie der Erfüllung des karitativen Satzungszweckes diene. Die Ausübung des Beteiligungsrechts des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG würde die Tendenzverwirklichung ernstlich beeinträchtigen. Im Falle der vorherigen Festlegung der Arbeitszeit der teilnehmenden Betreuer durch Schichtpläne müssten die Freizeiten in Arbeitszeiten und Erholungszeiten geteilt werden. Dies widerspreche jedoch gerade dem Konzept, ein gemeinsames Urlaubserlebnis von behinderten und nicht behinderten Menschen zu ermöglichen. Wann eine tatsächliche Arbeitsleistung und wann lediglich Bereitschaft zur Erbringung von Arbeitsleistung erforderlich sei, lasse sich aufgrund des Charakters der Ferienzeiten, in denen jeden Morgen erst entschieden werde, was tagsüber gemacht werde, nicht „vorhersagen“. Der Urlaubscharakter, der gerade nicht auf einen durchgeplanten Tagesablauf ziele, wie er zu Hause in den Einrichtungen des Vereins erforderlich sei, würde schwinden, wenn Dienst- und Schichtpläne, die Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie Pausen regelten, vom Betriebsrat durchgesetzt werden könnten. Wenn der Arbeitgeber sich vor dem Hintergrund, dass er gerade keinen Ablauf - weder in arbeitszeitrechtlicher noch in finanzieller Hinsicht - wie in den Einrichtungen anbieten könne, dazu entscheide, die Freizeiten nur dann anzubieten, wenn die Bereitschaft von Arbeitnehmern besteht, in einer gemeinsamen Freizeit mit behinderten Menschen keine Arbeitsleistung, sondern ein gemeinsames Urlaubserlebnis zu sehen, bei dem die Betreuung in Anlehnung an § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG zum Miteinanderleben gehöre, so könne dieses Konzept nur aufrecht erhalten werden, wenn dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zustehe. In der Tatsache, dass der gemeinsame Urlaub als Arbeitszeit angerechnet wird und zudem Ausgleichstage sowie finanzielle Entschädigungen gewährt werden, sieht das ArbG auch keine Umgehung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Das Anbieten eines Anreizes an die Arbeitnehmer, an diesen Freizeiten teilzunehmen, ändere nichts an der Entscheidung des Arbeitgebers, behinderten Menschen ein Urlaubserlebnis überhaupt erst zu ermöglichen, indem behinderte und nicht behinderte Menschen gemeinsam verreisen. Das hierfür über die bloße Arbeitspflicht hinausgehende und erforderliche soziale Engagement der Arbeitnehmer solle diesen dabei nicht nachteilig werden, indem sie finanzielle Einbußen zu gewärtigen hätten. (He) Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 HEIMGESETZ Erstattung von Entgelt für Verpflegung bei Heimbewohnern mit Sondenernährung Anmerkung zum Urteil des BGH vom 22. Januar 2004, Az. III ZR 68/03 von Prof. Dr. Peter Trenk-Hinterberger Leitsatz Zum Anspruch des Heimträgers auf Entgelt für Verpflegung, wenn der Heimbewohner die angebotene Kostform nicht entgegennimmt, weil er auf Sondennahrung angewiesen ist, die von der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert wird. A. Problemstellung Die wichtigsten Finanzierungsquellen für die betriebsnotwendigen Aufwendungen der Pflegeheime sind - der Pflegesatz (mit dem die allgemeinen Pflegeleistungen einschließlich medizinischer Behandlungspflege und sozialer Betreuung vergütet werden, § 84 Abs. 1 SGB XI; zahlungspflichtig ist die pflegebedürftige Person oder ihr Kostenträger, insbesondere die Pflegekasse bzw. der Sozialhilfeträger), ferner - das (vom Pflegesatz abgegrenzte) Entgelt für Unterkunft und Verpflegung (sog. Hotelkosten, § 87 SGB XI; zahlungspflichtig ist die pflegebedürftige Person bzw. bei Bedürftigkeit der Sozialhilfeträger), wobei für beide (Pflegesatz und Hotelkosten) in Rahmenverträgen zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen und den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen Mindeststandards vereinbart sind (§ 75 SGB XI). Rechtsgrundlage für die Geltendmachung des Pflegesatzes und der Hotelkosten gegenüber der pflegebedürftigen Person sind zum einen der Heimvertrag (vgl. § 4e HeimG; ab 01.01.2002 § 5 Abs. 5 HeimG) für Versicherte der sozialen Pflegever-sicherung), zum anderen die genannten Rahmenverträge sowie die Pflegesatzvereinbarung (§ 85 SGB XI) und die Hotelkostenvereinbarung (§ 87 SGB XI), die sämtlich für die Pflegeheimträger verbindlich sind. Zahlreiche Pflegeheimbewohner können die übliche Verpflegung („Vollpension“) nicht in Anspruch nehmen, sondern müssen (nach ärztlicher Verordnung) über eine Magensonde ernährt werden, weil sie gesundheitlich oder behinderungsbedingt nicht mehr in der Lage sind, Nahrung auf dem üblichen Weg zu sich zu nehmen. Die Kosten für diese Sondenernährung werden von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen (vgl. § 31 Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Abs. 1 Satz 2 SGB V); in der Praxis erfolgt dies so, dass die Heimträger die Sondennahrung unter Nachweis der ärztlichen Verordnung auf Kosten der zuständigen Krankenkasse kaufen. Gleichwohl lassen sich die Heimträger die nicht erbrachte Verpflegungsleistung (im Rahmen der oben genannten Rechtsgrundlagen) vergüten. So war es auch im vorliegenden Fall: Der (inzwischen verstorbene) Ehemann der Klägerin konnte - als Bewohner eines Pflegeheims - rund 2 1/2 Jahre behinderungsbedingt nur über eine Magensonde ernährt werden. Das Pflegeheim erwarb die Sondennahrung zu Lasten der Krankenkasse (also ohne eigene Kosten) und erbrachte dann die Sondenernährung durch das Pflegepersonal, berechnete aber dem Ehemann die üblichen Verpflegungskosten. Der BGH hatte sich nunmehr mit der Frage zu befassen, ob die Zahlung für eine Leistung (hier: Verpflegung), die gar nicht erbracht wird, rechtmäßig ist. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Klägerin macht als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes wegen ersparter Verpflegung für 900 Tage gegen die Beklagte (Trägerin eines Pflegeheims) einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) in Höhe von 3.150 Euro nebst Zinsen geltend, weil ihr Ehemann von Beginn seines Heimaufenthalts an - wegen der Sondenernährung - nicht die normale Verpflegung in Anspruch genommen hatte. Der III. Zivilsenat des BGH sieht den Anspruch - gemessen an den Normen des BGB, des HeimG und des SGB XI - für begründet an; nicht gelten lässt er das Vorbringen der Beklagten, die maßgeblichen Bestimmungen des SGB XI (§ 75 SGB XI: Rahmenvertrag für die Hotelkosten; § 87 S G B X I: Hotelkostenvereinbarung) sähen eine Entgeltreduzierung wegen der pauschalen Verabredung der Leistungsinhalte nicht vor und gestatteten dem Pflegeheim keinen Preisnachlass für nicht in Anspruch genommene Leistungen: - Der maßgebliche Rahmenvertrag enthalte zwar - in Erfüllung des § 75 Abs. 2 Nr. 5 SGB XI - eine Regelung über Abschläge des Entgelts für Unterkunft und Verpflegung in Fällen vorübergehender ganztätiger Abwesenheit. Es bestünden aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten des Rahmenvertrages über die ausdrückliche Regelung dieses Vertrages hinaus die hier 81 HEIMGESETZ zu entscheidende Frage hätten regeln wollen, ob auch im Falle einer von der Krankenkasse finanzierten Sondennahrung Abschläge beim Entgelt für Verpflegung zu machen seien. - Ferner würden die hier maßgeblichen Vereinbarungen über Pflegesätze und über Hotelkosten keine Abreden darüber enthalten, wie zu verfahren sei, wenn die normale Verpflegung aus gesundheitlichen oder behinderungsbedingten Gründen durch eine Sondenernährung ersetzt werden müsse. - Den Vorschriften des SGB XI lasse sich schließlich nicht entnehmen, dass im Interesse der Wirtschaftlichkeit und Berechenbarkeit der Kosten ein System pauschaler Berechnungsgrößen vereinbart sei, für dessen Anwendung es keine Rolle spiele, ob bestimmte angebotene Leistungen nachgefragt werden oder nicht. Es sei vielmehr sehr wohl entscheidend, dass der Heimbewohner die benötigten Leistungen tatsächlich erhält, wobei speziell für die Verpflegungsaufwendungen Folgendes zu beachten sei: Das Heim sei, um geordnet wirtschaften zu können, nicht darauf angewiesen, dass jeder Heimbewohner seine Mahlzeiten täglich einnimmt. Könne das Heim sich, wie in Zeiten längerer Abwesenheit, darauf einstellen, dass die Verpflegung nicht abgenommen wird, erleide es bei einer Reduzierung des Entgelts keine Einbußen, weil es sich beim Einkauf der Lebensmittel entsprechend einrichten könne. Gleiches gelte, wenn - wie hier - aus gesundheitlichen Gründen über eine längeren Zeitraum nur eine Sondenernährung vorgenommen und die im Heimvertrag vorgesehene Kostform nicht verabreicht werden könne. - Auch wenn der vorliegende Heimvertrag die Hotelkosten (Unterkunft und Verpflegung) in einem Kostenblock (vgl. § 4e HeimG; ab 01.01.2002 § 5 HeimG) zusammenfasse, käme es sehr wohl darauf an, ob in diesem einheitlichen Kostenblock überhaupt Verpflegung gewährt werde. - Würden mithin die Vorschriften des HeimG und des SGB XI die hier zu entscheidende Frage nicht zum Nachteil der Klägerin beantworten, sei der Rückgriff auf § 615 Satz 2 BGB nicht verschlossen, weil der Schwerpunkt der im Heimvertrag übernommenen Pflichten im dienstvertraglichen Bereich liege. Aus § 615 Satz 2 BGB folge aber, dass sich die Beklagte die Ersparnisse bei der Verpflegung anrechnen lassen müsse. Auch wenn man den hier maßgeblichen Heimvertrag dahin auslege, dass er eine Klausel enthalte, die eine Entgeltreduzierung ausschließe, so sei diese vorformulierte Vertragsklausel (im Sinne einer allgemeinen Geschäftsbedingung) aufgrund der dann gebotenen Inhaltskontrolle unangemessen und unwirksam, weil dieser Klausel Grundprinzipien des bürgerlichen Rechts entgegenstünden und der durch § 87 SGB XI 82 grundsätzlich vorgesehene Schutz des Heimbewohners unvollkommen wäre. - Schließlich bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin und ihrem Ehemann die im Hinblick auf das Zusammenwirken der Vorschriften des BGB, des Heimgesetzes und des SGB XI komplizierte Rechtslage im Zeitpunkt der Zahlung des Heimentgelts bereits bekannt war; für die Prüfung eines Ausschlusses des Bereicherungsanspruchs nach § 814 BGB bestünde damit kein Anlass. C. Kontext der Entscheidung Das Urteil des III. Zivilsenats, das zum ersten Mal höchstrichterlich die komplexe Gemengelage zwischen Heimvertragsrecht, BGB und SGB XI sehr sorgfältig analysiert und elementaren Grundprinzipien des BGB im Rahmen des heim- und sozialrechtlichen Normengefüges zum Durchbruch verhilft, gelangt zu einer überzeugenden Lösung, die der bislang gängigen Praxis einen Riegel vorschiebt: Obwohl viele Pflegebedürftige auf die „Vollpension“ verzichten mussten und ihre Sondennahrung von der Krankenkasse bezahlt wurde, verweigerten die Heimträger eine selbst geringe Kostenreduzierung kategorisch und berechneten hilflosen, meist bettlägerigen Menschen eine Verpflegungsleistung, die gar nicht erbracht wurde. D. Auswirkungen für die Praxis Die Pflegeheime müssen künftig darauf verzichten, bei sondenernährten pflegebedürftigen Heimbewohnern Verpflegungskosten zu verlangen. Die Heimverträge werden entsprechend geändert werden müssen; denkbar wäre auch eine entsprechende Ergänzung der Rahmenverträge (§ 75 Abs. 2 SGB XI). Offen bleibt freilich, in welchen Fällen, für welche Zeiträume und in welchem Umfang allgemein (also unabhängig von Sondenernährung) nicht in Anspruch genommene Verpflegung vom Pflegeheim gutzuschreiben ist. Darüber hinaus werden sich die Pflegeheime zahlreichen Klagen auf Rückerstattung für die Vergangenheit (von gezahlten, aber nicht in Anspruch genommenen Verpflegungskosten) wegen ungerechtfertigter Bereicherung ausgesetzt sehen, die sie in nicht geringe finanzielle Schwierigkeiten bringen dürften: Es gibt Pflegeheime, in denen 100 und mehr sondenernährte Heimbewohner leben. Man kann sich vorstellen, welche Summen auf die Heimträger hier zukommen. (Der Beitrag wurde zuerst veröffentlicht in Juris Praxisreport Sozialrecht, Ausgabe 14/2004 vom 01.04.2004) Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 HEIMGESETZ Zur Abgrenzung eines Heimes vom Betreuten Wohnen VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.06.2003 – Az: 14 S 2775/02 Streitig ist, ob der Betrieb der Klägerin unter den Geltungsbereich des Heimgesetzes fällt. Bei Besichtigungen durch die Heimaufsichtsbehörde hatte diese festgestellt, dass in der Einrichtung auch pflegebedürftige und bettlägerige Personen untergebracht sind. Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass die überwiegende Zahl der Bewohner nicht pflegebedürftig sei und die Pflegeleistungen von auswärtigen Pflegediensten erledigt würden. Sie biete lediglich ”Betreutes Wohnen” an. Daraufhin untersagte die zuständige Behörde der Klägerin den Betrieb, der hiergegen erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Einrichtung um ein Heim i.S. von § 1 Heimgesetz handele. Nach der Neufassung des Heimgesetzes sei für Kurzzeitheime nicht erforderlich, dass dort auch gepflegt werde. Es genüge, dass eine heimmäßige Betreuung und Verpflegung zur Verfügung gestellt oder vorgehalten würde. Die Betreuungsleistungen der Klägerin gingen über den sog. Grundservice, wie er für Einrichtungen des Betreuten Wohnens typisch sei, hinaus. Das VG Stuttgart hat mit Urteil vom 08.11.2002 (Az. 10 K 1340/02) die Klage gegen die Untersagungsverfügung abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht u.a. ausgeführt, dass für das Vorliegen eines Heimes bereits Alter und Gesundheitszustand der Bewohner sprächen. Hinsichtlich der Pflege und der Betreuung bestünde eine Situation wie im Heim. Die Bewohner seien darauf angewiesen, Leistungen zu erhalten, die erheblich über die beim Betreuten Wohnen zu erwartenden Leistungen hinausgingen. Dem entspreche auch das von den Bewohnern zu leistende Entgelt. In der Berufungsbegründung hat die Klägerin vorgetragen, dass eine Betreuungspauschale nicht vereinbart sei. Das Haus weise keine heimmäßige Ausstattung auf, noch finde eine Tagesstrukturierung statt. Für die Einordnung einer Einrichtung als Heim seien schließlich die Pflegestufen der Bewohner irrelevant. Ihren Bedürfnissen werde durch die von diesen eingeschalteten ambulanten Pflegediensten Rechnung getragen. gesetz für ein Heim konstitutiven Merkmalen wären die Entgeltlichkeit des Betriebs und die Unabhängigkeit von Wechsel und Zahl der Bewohner erfüllt. Eine Wohngemeinschaft liege nicht vor, denn diese beruhe immer auf einem gemeinsamen Willensentschluss ihrer Mitglieder. Im vorliegenden Fall hätten die Bewohner des Hauses auf die personelle Zusammensetzung keinen bestimmenden Einfluss. Der Einrichtungszweck ist entscheidend Der Einrichtungszweck sei unter Beachtung der konkreten Betriebsform nach objektiven Merkmalen, die den schutzwürdigen Erwartungshorizont der Bewohner und der Angehörigen maßgeblich mitbestimmen, festzustellen. Subjektive Vorstellungen und Selbsteinschätzungen der Betreiber seien unerheblich. Es komme auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Danach sei die Einrichtung der Klägerin auf den in § 1 Abs. 1 Heimgesetz genannten Personenkreis zugeschnitten und die Einrichtung decke das gesamte für ein Heim kennzeichnende Leistungsspektrum ab. Zum Leistungsumfang der Klägerin gehöre auch Betreuung. Betreuung sei als Oberbegriff zu verstehen und schließe die Pflege ein. Eine andere Beurteilung sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, soweit die pflegebedürftigen Bewohner externe Pflegedienste in Anspruch nähmen. Denn hierdurch sei der allgemeine Betreuungs- und Pflegebedarf noch nicht vollständig gedeckt. Die Klägerin selbst habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie den Bewohnern ein Zuhause gebe. Dies sei bei pflegebedürftigen und behinderten Menschen ohne individuelle Betreuung nicht möglich. Zudem bestehe im Haus der Klägerin nicht einmal ansatzweise die Möglichkeit einer eigenständigen Haushaltsführung. Schließlich übersteige der Kostenanteil für die Betreuung den in der Gesetzesbegründung als Orientierungswert genannten Prozentsatz von 20 % bei weitem. Bei einer Gesamtwürdigung sei festzuhalten, dass die von der Klägerin erbrachten Betreuungsleistungen deren Einrichtung das für ein Heim bestimmende Gepräge geben. Anmerkung Der VGH hat die Berufung zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Die Untersagung des Heimbetriebs sei rechtmäßig, da die von der Klägerin betriebene Einrichtung dem Anwendungsbereich des Heimgesetzes unterfalle. Diese erfülle die in § 1 Abs. 1 Heimgesetz genannten tatbestandlichen Voraussetzungen eines Heims. Von den gemäß § 1 Abs. 2 HeimRechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Mit mehreren rechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber im Rahmen des dritten Gesetzes zur Änderung des Heimgesetzes zum 01.01.2002 Heime vom Betreuten Wohnen abgegrenzt. Im Interesse einer Entwicklungsoffenheit hat der Gesetzgeber allerdings auf eine klare Definition des Begriffs des Betreuten Wohnens verzichtet. 83 HEIMGESETZ/STEUERRECHT Nach der Abgrenzungsvorschrift des § 1 Abs. 2 Heimgesetz begründet die Tatsache, dass ein Vermieter von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten werden, noch nicht die Anwendung des Heimgesetzes. Selbst die vertragliche Verpflichtung, allgemeine Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen, führt nicht zur Anwendung des Heimgesetzes, wenn das dafür zu zahlende Entgelt (Pauschale für Betreuungsleistungen) im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist. Das Heimgesetz ist allerdings ausnahmslos dann anzuwenden, wenn eine vertragliche Verpflichtung der Mieter besteht, sowohl die Verpflegungs- als auch andere Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern abzunehmen. (Sch) Aufwendungen für Aufzug keine ”außergewöhnliche Belastung” im Sinne des Einkommenssteuergesetzes FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.01.2004 – Az: 2 K 1430/03 Gegenstand der Klage ist, ob Aufwendungen von 182.482,11 DM für eine Fahrstuhlanlage im selbstbewohnten Einfamilienhaus als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig sind. Der Kläger erhält als Ruhestandsbeamter Versorgungsbezüge von 152.566 DM. Er ist mit einem GdB von 100 ständig hilflos und pflegebedürftig. Zusammen mit seiner Ehefrau bewohnt er seit 1971 ein in steiler Hanglage gelegenes Einfamilienhaus, das etwa 10 m über Straßenniveau liegt. Der Hauszugang von der Straße aus ist nur über eine steile und schmale Außentreppe zu erreichen. Der Kläger ist außer Stande, die Außentreppe zu benutzen. Nach Ausschluss aller anderen Möglichkeiten errichteten die Eheleute einen Außenaufzug, der mit einem Gewicht bis zu 250 kg belastet werden kann. Er ist zum Transport entweder für eine Person sowie für eine weitere Person mit einem Rollstuhl oder für drei Personen zugelassen. Die gesamten Baukosten einschließlich umfangreicher Hangsicherungsmaßnahmen beliefen sich auf 187.482,11 DM. Der Kläger machte im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2001 vergeblich den Betrag von 182.482,11 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Die beim Finanzgericht erhobene Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die geltend gemachten Aufwendungen für die Fahrstuhlanlage sind danach steuerlich nicht zu berücksichtigen. Nach Auffassung des Gerichts sind die Voraussetzungen der Anspruchsnorm des § 33 Abs. 1 EStG nicht erfüllt, da es an einer ”Belastung” sowie an der ”Außergewöhnlichkeit” der Aufwendungen fehlt. Nach st. Rechtsprechung - so das Gericht - liege eine ”Belastung” im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Gegenstände anschaffe oder herstellen lasse, die einen wirtschaftlich messbaren Gegenwert oder einen nicht nur vorübergehenden wirtschaftlichen Vorteil zu den aufgewandten Kosten 84 darstellten, also eine gewisse Marktfähigkeit besäßen. Dies sei bei medizinischen Hilfsmitteln nicht der Fall, da diese ausschließlich dem Erkrankten zu dienen bestimmt seien und nicht auch von Dritten benutzt würden. Dagegen könnten die Mehraufwendungen wegen der behindertengerechten Gestaltung eines für den eigenen Wohnbedarf errichteten Hauses nur dann ”außergewöhnliche Belastungen” sein, wenn eine eindeutige und anhand objektiver Merkmale durchgeführte Unterscheidung zwischen den steuerlich irrelevanten Motiven für die Errichtung und Gestaltung eines Hauses und den ausschließlich durch eine Krankheit oder einen Unfall verursachten Aufwendungen möglich sei, und wenn ausgeschlossen sei, dass die durch diese Aufwendungen geschaffenen Einrichtungen jeweils wertbildende Faktoren für das Haus darstellen könnten. Dies werde etwa bei einem Treppenschräglift anerkannt, da dieser quasi Ersatz für einen Rollstuhl auf einer Treppe, also medizinisches Hilfsmittel darstelle. Für den hier streitbefangenen Fahrstuhl komme dies allerdings nicht in Betracht. In Anbetracht der Steilheit der Treppe und ihrer Vielzahl von Stufen sei davon auszugehen, dass zumindest im Winter bei Schnee oder Glatteis oder bei einem Einkauf der Fahrstuhl auch von der Ehefrau des Klägers bzw. auch von Besuchern des Grundstücks genutzt werde. Um ein rein medizinisches Hilfsmittel allein für den Kläger handele es sich bei dieser Anlage nicht. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Fahrstuhl einen werterhöhenden Faktor bilde, der sich bei Verkauf des Grundstücks entsprechend auswirke. Denn hierdurch werde auch älteren und gehbehinderten Menschen das dortige Wohnen, nämlich in Hanglage, erst ermöglicht. Die Aufwendungen seien auch nicht ”außergewöhnlich” - so fährt das Gericht fort -, denn viele ältere Menschen veräußerten schwer zugängliche Wohngebäude mit großen Gartengrundstücken, um ebenerdig wohnen zu können, weil ihnen das Ersteigen von TrepRechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 STEUERRECHT/KINDERGELD pen bzw. die Gartenpflege aus Altersgründen nicht mehr möglich sei. Daher erscheine unabhängig von der Krankheit des Klägers der Einbau eines Fahrstuhls im Hinblick auf das Alter der Ehefrau des Klägers von 68 Jahren nicht außergewöhnlich. Schließlich werde hierdurch auch der Klägerin ermöglicht, im Alter das Wohngebäude weiter nutzen zu können. Eine Berufung wurde nicht zugelassen. (Di) Hilfe zum Lebensunterhalt ist beim Kindergeld anrechenbar BFH, Urteil vom 26.11.2003 – Az: VIII R 32/02 Streitig ist, ob für ein erwachsenes behindertes Kind (Grad der Erwerbsminderung 80 v.H.), das bei seinem Vater lebt und Sozialhilfeleistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt erhält, Anspruch auf Kindergeld besteht. Die Familienkasse hatte dies verneint, das FG Münster den Anspruch mit Urteil vom 26. März 2002 bejaht (Az. 15 K 5612/98 KG). Nach Ansicht des FG führt die Sozialhilfe nicht dazu, dass der Kindergeldanspruch entfällt. Hilfe zum Lebensunterhalt stelle nach der Systematik des Einkommenssteuerrechts keinen anrechenbaren Bezug dar. Der Bundesfinanzhof hat die Vorentscheidung aufgehoben. Ein Anspruch auf Kindergeld bestehe nicht, da das behinderte Kind imstande sei, sich selbst zu unterhalten. Der Qualifizierung einer Sozialleistung als Bezug i. S. d. § 32 Abs. 4 EStG stehe nicht entgegen, dass die Sozialleistung nicht in § 32 b Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführt sei. Die steuerfreie Hilfe zum Lebensunterhalt sei den eigenen Bezügen des Kindes zuzuordnen. Etwas anderes müsse unter Berücksichtigung des Zweckes des Kindergeldes nur dann gelten, wenn die Eltern des Kindes vom Sozialhilfeträger in Regress genommen würden. Das Kindergeld diene der steuerlichen Entlastung der Eltern. Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn bei den Bezügen eines Kindes dessen Rechtsanspruch gegen seine Eltern auf Zahlung von Unterhalt erfasst würde. Dann dürften auch sol- che Leistungen Dritter nicht als Bezüge des Kindes angesehen werden, die zu einer Belastung der Eltern führten, weil der Sozialleistungsträger aufgrund seiner Leistungen an das Kind einen Regressanspruch gegen die Eltern habe. Schließlich finde die Auffassung des Sozialhilfeträgers, die Hilfe zum Lebensunterhalt bei der Prüfung, ob ein volljähriges Kind außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, generell außer Acht zu lassen, weder im EStG noch im BSHG eine gesetzliche Grundlage. Sie lasse sich auch nicht aus der Gesetzessystematik ableiten. Da das erwachsene behinderte Kind aufgrund der Sozialhilfeleistungen (Hilfe zum Lebensunterhalt) imstande war, sich selbst zu unterhalten, habe dem Vater kein Anspruch auf Kindergeld zugestanden. Anmerkung Es ist davon auszugehen, dass für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Grundsicherungsgesetz die gleichen Grundsätze gelten. Die Grundsicherung ist an die Stelle der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG getreten. Die dem volljährigen behinderten Kind gewährten Grundsicherungsleistungen sind für die Prüfung, ob das Kind außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten, zu berücksichtigen. (Sch) Beim Kindergeld für volljährige behinderte Kinder ist auf den Kalendermonat abzustellen BFH, Urteil vom 04.11.2003 – Az: VIII R 43/02 Die seit 1990 verwitwete Klägerin bezieht für ihre 1964 geborene und seit Geburt dauerhaft behinderte Tochter Kindergeld. Die Tochter ist in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt und erhielt im Jahre 2001 ein monatliches Arbeitsentgelt von ca. 350 DM. Im Mai 2001 erhielt die Tochter rückwirkend eine Nachzahlung der ihr zustehenden Waisenrente für den Zeitraum Januar 1995 bis Dezember 2000 von insgesamt ca. 44.200 DM. Der Klägerin und ihrer Tochter Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 war zunächst nicht bekannt gewesen, dass der Tochter eine Halbwaisenrente zustand. Der Beklagte änderte daraufhin die bisherige Kindergeldfestsetzung und setzte das Kindergeld ab Januar 2001 auf 0 fest. Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung begründete der Beklagte damit, dass das Einkommen der Tochter aufgrund der Nachzahlung des Waisengeldes den kindergeldschädlichen Jahresgrenzbetrag übersteige. Angesichts der im Mai 2001 erfolgten Rentennachzahlung und des seit Januar 2001 monatlich laufend gezahlten Waisen85 KINDERGELD geldes in Höhe von ca. 715 DM brutto sei die Tochter fähig, sich selbst zu unterhalten. Die Einkommensgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) gelte auch für behinderte Kinder. Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, dass der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG genannte Jahresgrenzbetrag nicht behinderte Kinder erfasse. Zudem ergebe sich eine finanzielle Bestrafung, wenn die nachgezahlte Waisenrente bei der Einkommensgrenze berücksichtigt werde. Das Schleswig-Holsteinische FG hat mit Urteil vom 22. April 2002 (Az. II 319/01) der Klage stattgegeben. Es hatte entschieden, dass die behinderte Tochter außer Stande sei, sich selbst zu unterhalten, da die im Jahre 2001 erfolgte Nachzahlung der Waisenrente außer Ansatz bleiben müsse. Die Revision führte zur teilweisen Aufhebung der Vorentscheidung. Nach Ansicht des BFH hat der Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Monate Juni bis Dezember 2001 zu Recht aufgehoben. Der Klägerin stehe für diesen Zeitraum kein Kindergeldanspruch für ihre Tochter zu, da diese während dieser Monate nicht aufgrund ihrer Behinderung außer Stande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Nachzahlung der Waisenrente in voller Höhe im Jahr des Zuflusses zu erfassen. Eine Verteilung des Rentenbetrages auf den Zeitraum, für den er gezahlt wurde, komme nicht in Betracht. Insoweit gelte das Zuflussprinzip. Der gesamte existenzielle Lebensbedarf eines behinderten Kindes setze sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf ) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Für das Jahr 2001 sei der Grundbedarf mit 14.040 DM zu bemessen. Erbringe der Steuerpflichtige bezüglich des individuellen behinderungsbedingten Mehraufwandes keinen Einzelnachweis, könne der maßgebliche Behindertenpauschbetrag als Anhalt für den betreffenden Mehrbedarf dienen. Die in diesem Zusammenhang anzustellende Berechnung habe nach dem Monatsprinzip zu erfolgen. Zum einen werde die für behinderte Kinder maßgebliche Vorschrift des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG von der Jahresgrenzbetragsregelung nicht erfasst. Zum anderen sei das Kindergeld als ein Monatsbetrag bezeichnet und werde gemäß § 66 Abs. 2 EStG vom Beginn des Monats an gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen 86 wegfielen. Der erkennende Senat habe daraus den Schluss gezogen, dass der Gesetzgeber das für die Einkommensteuer grundsätzlich maßgebliche Jahressteuerprinzip für das Kindergeld durchbrochen habe, so dass auf das Monatsprinzip abzustellen sei. Das der 6. Senat des BFH in seinen Grundsatzurteilen vom 15.10.19 99 (RdLh 1/2 000, S. 42 ff.) den Jahresgrenzbetrag für entsprechend anwendbar erklärt habe, habe nicht zur Folge, dass die in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG angeordnete Abweichung vom Monatsprinzip auch für behinderte Kinder i. S. v. § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG gelten solle. Bei Anwendung dieser Grundsätze sei davon auszugehen, dass die Tochter im Jahre 2001 nur in den Monaten Januar bis einschließlich Mai zum Selbstunterhalt außerstande gewesen sei. Die ab Januar 2001 monatlich gewährte Waisenrente versetze die Tochter nicht in den Stand, sich selbst unterhalten zu können. Die Nachzahlung könne sich erst im Juni 2001 auswirken, weil das Kindergeld gemäß § 66 Abs. 2 EStG bis zum Ende des Monats gezahlt werde, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfielen. Anmerkung Die Entscheidung kann nur teilweise überzeugen. Zum einen spricht sich der 8. Senat des BFH für das Monatsprinzip aus, wenn es um die Prüfung geht, ob ein volljähriges behindertes Kind außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Auf der anderen Seite wird mittelbar das Jahresprinzip herangezogen, da das Gericht offensichtlich davon ausgeht, dass das Kind infolge der Rentennachzahlung bis zum Jahresende imstande ist, sich selbst zu unterhalten. Eine direkte oder analoge Anwendung des in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG angeordneten Jahresprinzips hätte zur Folge gehabt, dass der Klägerin für das gesamte Jahr 2001 kein Kindergeld für ihre behinderte Tochter zugestanden hätte. Diese Sichtweise führt dazu, dass es für Kindergeldberechtigte vorteilhaft ist, wenn ihre volljährigen behinderten Kinder größere Nach- oder Einmalzahlungen am Ende eines Kalenderjahres erhalten. Denn in den Folgejahren darf die Nachzahlung nicht mehr zum Ausschluss des Kindergeldanspruchs führen. Die Nachzahlung ist dann ggf. als nichtberücksichtigungsfähiges Vermögen zu bewerten (vgl. Urteile des BFH vom 19.08.2002 – Rechtsdienst der Lebenshilfe Nr. 1/03, S. 37 f.). Berücksichtigt werden dürfen jedoch Zinserträge, falls die Nachzahlung angelegt wurde. (Sch) Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 RECHT UND ETHIK Übersicht: Parlamentarisch-politische Beratungen im Bereich Gentechnik und (Bio-)Medizin Themenfelder im Überblick Die Dynamik der ”Bioethikdebatte” scheint ungebrochen, und die Bandbreite der im Bereich Gentechnologie und Biomedizin geführten Diskussionen ist kaum noch zu überschauen. Eine ”Übersicht” kann daher nicht vollständig sein, sie muss sich beschränken. Im Blick sind im Folgenden daher nur Themenfelder, die im politisch-parlamentarischen Diskurs verankert sind. Entsprechend behandelt werden derzeit Fragen der Stammzellforschung (hier: Erörterungen über den Bestand des Stammzellgesetzes), das geplante Gentestbzw. Gendiagnosegesetz (gekoppelt mit Detailfragen der Pränataldiagnostik; ein Regierungsentwurf soll im Herbst 2004 vorliegen), Diskussionen über die Forschung an Nichteinwilligungsfähigen (aktuell in der Zwölften Novelle des Arzneimittelgesetzes), die Problematik der ”Biopatente”, der Streit um eine Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (FDP-Gesetzentwurf vom 24.06.2003, BT-Drucks. 15/1234), Fragen der Verschärfung des Embryonenschutzgesetzes bzw. des Stammzellgesetzes, Gedanken über eine Reform der Regelungen zur Spätabtreibung (Antrag der CDU/CSUFraktion, BT-Drucks. 15/1566) und Debatten über (aktive) Sterbehilfe. Gemeinsame Klammer dieser Entwicklungen ist der offensichtliche Druck, den Forderungen nach ”Liberalisierung” und ”Marktöffnung” nachzugeben. Der Bestand einmal festgelegter Grenzen erscheint damit geschwächt, Kampagnen für eine restriktive Ausrichtung der Politik auf dem Gebiet der Genmedizin sind immer wieder in der Defensive (vgl. Gisela Klinkhammer, Klonen/Stammzellen II. Politische Trendwende [vorerst] nicht in Sicht, Deutsches Ärzteblatt vom 23. April 2004, A-1136 f.). Die Vielzahl der angesprochenen Fragestellungen täuscht über den Umstand hinweg, dass die parlamentarischen Aktivitäten auf dem Feld der Biomedizin die oben beschriebene Dynamik nur teilweise widerspiegeln. Ein Grund hierfür mag sein, dass die Gentechnikdebatte derzeit von den gesundheits- und sozialpolitischen Reformdiskussionen überlagert wird (vgl. Reinhard Damm, Gesetzgebungsprojekt Gentestgesetz – Regelungsprinzipien und Regelungsmaterien, MedR 2004, 19). Details Zu benennen sind zunächst aktuelle Gesetzgebungsvorhaben mit Bezügen zur Bioethikdebatte, so die Biopatentgesetzgebung und die Novelle des AMG. Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Mit dem ”Biopatent-Gesetz” (BT-Drucks. 15/1709, erste Lesung im Bundestag: 11. März 2004) soll die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen – EG-Biopatentrichtlinie – in nationales Recht umgesetzt werden. Die Richtlinienumsetzung ist in europäischen Ländern bis heute nur zögerlich erfolgt – umgesetzt haben etwa Dänemark, Spanien und Großbritannien, obschon nach der erfolglosen Nichtigkeitsklage der Niederlande bzw. mit dem entsprechenden EuGH-Urteil vom 9. Oktober 2001 (NJW 2002, 2455) die Rechtmäßigkeit der Richtlinie bestätigt und damit Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf die abgelaufene Umsetzungsfrist (30. Juli 2000, vgl. Artikel 15 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie) endgültig in Verzug geraten sind. Bislang haben nur sechs von 15 Staaten das Regelwerk entsprechend der Vorgaben in nationales Recht transformiert. Wachsender Druck, so das im Dezember 2002 von der Kommission gegen Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren, hat in Deutschland nicht zu einem Ende der Diskussion über die Umsetzung geführt. Im Kern ungeklärt ist die Auseinandersetzung um die Frage, inwieweit Erkenntnisse der gentechnischen Forschung patentierbar sind und sein sollen. Im Detail geht es um den patentrechtlichen Stoffschutz, ”der nicht […] auf die Patentierung eines technischen Procederes, sondern eines chemischen Stoffes als solchem zielt”, und der für die Genforschung die Frage aufwirft, ob ”auch ein Gen oder eine Gensequenz unter bestimmten Voraussetzungen patentiert werden kann” (Tade M. Spranger, Die Biopatent-Debatte – kein Ende in Sicht?, in: Zeitschrift für Biopolitik 2003, 85 f.). Unter dem Schlagwort ”Patente auf Leben” sehen die Kritiker in der Patentrichtlinie eine Monopolisierung des Humangenoms und deshalb eine Gefährdung individueller Rechtspositionen. Gerade in diesem wesentlichen Punkt konnte bisher keine Einigung erzielt werden. Die Frage des Stoffschutzes wird daher im weiteren parlamentarischen Verfahren, dessen Ende nicht absehbar ist, eine Rolle spielen. Mit der aktuellen Novelle des Arzneimittelgesetzes (vgl. RdLh 2003, 185; 2004, 42) wird die EU-Richtlinie über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der klinischen Prüfung von Humanarzneimitteln umgesetzt. Umstritten in dem Gesetz war und ist vor allem die Aufnahme der ”gruppennützigen Forschung” und in diesem Zusammenhang die Entwürfe der neuen §§ 4042 AMG, mit denen die Anforderungen an die Zulässigkeit klinischer Prüfung von Arzneimitteln am Menschen umgesetzt werden (Einzelheiten: RdLh 2003, a. a. O.). 87 RECHT UND ETHIK Bedeutsam sind darüber hinaus geplante, genauer: noch nicht konkretisierte Gesetzesvorhaben. An erster Stelle zu nennen ist das Konzept für ein Gentest- bzw. Gendiagnostik-Gesetz (dazu RdLh 2003, 85; Damm, a. a. O., 1 ff.). Das Gesetz soll die Zulässigkeit und Durchführung genetischer Untersuchungen am Menschen sowie die Erhebung und Weitergabe genetischer Daten regeln. Das fachlich in dieser Sache federführende Ministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat einen entsprechenden Entwurf mehrfach angekündigt. Der zuletzt aktuelle Termin (April 2004) ist jedoch nicht eingehalten worden; neuerdings wird auf den Herbst dieses Jahres verwiesen, wenngleich die Fülle der zu regelnden Sachfragen und gesetzgeberische Passivität im Bereich der Gentechnologie vermuten lassen, dass an einer Umsetzung des Projekts noch in dieser Wahlperiode zu zweifeln ist (vgl. auch Damm, a. a. O., 19). Eine Legalisierung der Präimplantationsdiagnostik (PID) ist derzeit nicht zu erwarten (Überblick zum aktuellen Diskussionsstand: Rudolf Ratzel, Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik?, GesR 2004, 77 ff.). In diesem Punkt scheint die FDP mit ihrem Gesetzentwurf (vgl. dazu RdLh 2003, 136) noch immer alleine zu stehen. An diesem Befund ändert auch nicht, dass sich der Nationale Ethikrat in seinem Mehrheitsvotum vom 23. Januar 2003 (vgl. RdLh 2003, 40 f.) für eine begrenzte Zulassung der PID ausgesprochen hat. Ebenfalls noch immer in der Diskussion ist das Projekt eines ”Fortpflanzungsmedizingesetzes”. Diese Debatte begann bereits vor zehn Jahren mit der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für die assistierten Reproduktionstechnologien von den Ländern auf den Bund im Jahre 1994 (vgl. Damm, a. a. O., 4). Dahinter stand die Absicht, ein umfassendes ”Fortpflanzungsmedizingesetz” zu erlassen, mit dem alle medizinrechtlichen Fragen der Reproduktionsassistenz geregelt werden. Bereits in den Jahren 1996/1997 befasste sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit mit der Erarbeitung eines solchen Gesetzes, ohne jedoch zu einem Ergebnis zu kommen. Das Bundesministerium für Gesundheit legte im Dezember 2000 ein ”Eckpunktepapier” für ein Fortpflanzungsmedizingesetz vor, das in der Folgezeit allerdings nicht weiter verfolgt wurde. Ungeachtet unterschiedlicher Stellungnahmen zu einzelnen Fragen der modernen Biomedizin haben zudem sowohl die Enquetekommission ”Recht und Ethik der Modernen Medizin” (2002) als auch der Nationale Ethikrat (2003) empfohlen, die Techniken assistierter Reproduktion in einem speziellen ”Fortpflanzungsmedizingesetz” zu regeln. Derzeit wird jedoch von keiner der im Bundestag vertretenen Fraktionen dieses Gesetzgebungsprojekt aktiv vorangetrieben (vgl. auch Klinkhammer, a. a. O., A. 1137). 88 Eine dritte Gruppe parlamentarischer Initiativen betrifft Debatten um die Revision bereits abgeschlossener Gesetzgebungen. Hierzu zählen der (wiederholte) Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion betreffend ”Spätabtreibung” (BT-Drucks. 15/1566), die Diskussionen um eine Novellierung des von manchen als zu streng kritisierten Embryonenschutzgesetzes (vgl. dazu Damm, a. a. O., 4) sowie immer neue Überlegungen, auch die erst 2002 im Stammzellgesetz erfolgten Regelungen einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen (auch hierzu: Klinkhammer, a. a. O., vgl. ferner: Friedhelm Hufen, Erosion der Menschenwürde?, in: JZ 2004, 318). So hat Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement erst vor wenigen Wochen (vgl. FAZ vom 3. Mai 2004, 39) die Überprüfung der im Stammzellgesetz (BGBl. 2002 I, 2277) festgelegten ”Stichtagsregelung” gefordert, in der die ausnahmsweise gestattete Verwendung embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken auf solche Zelllinien beschränkt wird, ”die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden” (§ 4 Abs. 2 Ziffer 1. a] StZG). Auch wenn, wie auch schon bei entsprechenden Überlegungen der Bundesjustizministerin im Oktober letzten Jahres (vgl. RdLh 2003, 189), auf den Charakter als Einzelmeinung zu verweisen ist, zeigt sich an dem Beispiel der Stammzellenforschung erneut die Tendenz, beschränkende Standards politisch unter Druck zu setzen. In die dritte Kategorie gehört schließlich auch die Diskussion über eine Lockerung des Verbots aktiver Sterbehilfe. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass derzeit kein politischer Wille erkennbar ist, die bestehenden rechtlichen Regelungen zu revidieren. Gleichwohl: In Deutschland wird die Sterbehilfe-Debatte zunehmend institutionalisiert. So ist im vergangenen Jahr durch das Bundesministerium der Justiz eine Arbeitsgruppe eingerichtet worden. Ziel der Kommission ist (neben der Klärung einer rechtlichen Klarstellung der Patientenverfügung) auch, ob und inwieweit ein gesetzgeberischer Bedarf für eine (Neu-)Regelung ärztlicher Maßnahmen am Lebensende besteht. Zudem hat nunmehr der Bundestagsabgeordnete Rolf Stöckel am 31. März 2004 den Entwurf eines Antrags vorgelegt, der unter dem Titel ”Autonomie am Lebensende” Ideen für eine Art ‚Liberalisierung des Sterbehilferechts’ auf der parlamentarischen Ebene präsentiert. In strafrechtlicher Hinsicht stellt der Stöckel-Antrag darauf ab, § 216 StGB um einen neuen Abs. 3 zu erweitern. Danach soll gelten: ”Ein Unterlassen oder Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen, der auf Wunsch der/des Verstorbenen beruhte, ist nicht rechtswidrig, wenn dieser Verzicht von der/dem Gestorbenen ausdrücklich oder durch eine gültige Patientenverfügung erklärt ist.” Beachtlich in diesem Zusammenhang ist zudem, dass die Bundesärztekammer Anfang Mai dieses Jahres neue Richtlinien zur Sterbebegleitung vorgelegt hat (Deutsches Ärzteblatt vom 7. Mai 2004, A-1298). Einerseits Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 RECHT UND ETHIK wird darin das gesetzliche Verbot aktiver Sterbehilfe hervorgehoben, andererseits stärkt das Papier die Bindungswirkung des Patientenwillens, ”selbst wenn sich dieser Wille nicht mit den aus ärztlicher Sicht gebotenen Diagnose- und Therapiemaßnahmen deckt.” Patientenverfügungen sind danach ”eine wesentliche Hilfe für das Handeln des Arztes.” Latent wird mit den Richtlinien der in der ”Sterbehilfedebatte” häufig zu hörende Vorwurf aufgegriffen, Ärzte nähmen den Willen der Patienten nicht ernst genug (siehe taz vom 5. Mai 2004, 1). Gleichzeitig reagiert die Bundesärztekammer damit indirekt auch auf die oben genannten Diskussionen und auf Forderungen, die Verbindlichkeit der Patientenverfügung zu fixieren, wobei jedoch klar bleibt: ”Die deutsche Ärzteschaft hält […] an ihrem strikten ‚Nein’ zur aktiven Sterbehilfe fest” (Eggert Beleites, Bundesärztekammer: Grundsätze zur Sterbebegleitung neu gefasst, Deutsches Ärzteblatt vom 07. Mai 2004, A-1297). Therapeutisches Klonen – verfassungsrechtliche und verfassungsprozessuale Interventionsmöglichkeiten (des Bundespräsidenten)? von Margareta Burgard Bundespräsident Johannes Rau hat sich im vergangenen Jahr gegen eine rechtliche Zulassung des therapeutischen Klonens ausgesprochen und darüber spekuliert, ein solches Gesetz, sollte es ihm vorgelegt werden, wahrscheinlich nicht unterzeichnen zu können.1 Diese hypothetischen Überlegungen geben Anlass, einen genaueren Blick auf die Hintergründe und die Zulässigkeit einer solchen präsidialen Weigerung zu werfen. Ausgangslage Unterzeichnung und Ausfertigung von Gesetzen durch den Bundespräsidenten sind Bestandteile des Gesetzgebungsverfahrens. Gemäß Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG werden die nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und verkündet. Ohne die Gegenzeichnung und Ausfertigung kann das Gesetz also nicht in Kraft treten. Inwieweit hierbei dem Bundespräsidenten ein Recht zusteht, das Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen und aus welchen Gründen er die Unterzeichnung verweigern darf, ist nicht ausdrücklich geregelt und Gegenstand eines „klassischen“ Meinungsstreites unter Juristen. Einigkeit herrscht dahingehend, dass der Bundespräsident jedenfalls keine politische Prüfungskompetenz besitzt.2 Aus rein politischen Erwägungen darf er die Ausfertigung von Gesetzen nicht verweigern. Ebenfalls weitgehend einig ist man sich darüber, dass er ein Gesetz auf seine formelle Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen darf.3 Dies folge schon eindeutig aus der Formulierung des Art. 82 GG, wonach er die „nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze“ ausfertige.4 Der Bundespräsident wendet sich jedoch inhaltlich gegen eine Zulassung des therapeutischen Klonens. Dies betrifft das materielle Prüfungsrecht. Ob auch eine solche materielle Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten besteht, wird kontrovers diskutiert. Dabei wird Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 das Wortlautargument sowohl für als auch gegen das Bestehen eines materiellen Prüfungsrechts vorgebracht. Nach Art. 82 Abs. 1 GG werden die „nach dem Grundgesetz zustande gekommenen Gesetze“ vom Bundespräsidenten unterzeichnet. Von einigen wird diese Formulierung dahingehend ausgelegt, dass damit eindeutig nur die Vorschriften, die das Gesetzgebungsverfahren betreffen, gemeint sind,5 andere wiederum weisen darauf hin, dass der Wortlaut auch in einem weiteren Sinn verstanden werden kann und damit sämtliche Bestimmungen des Grundgesetzes, also auch die materiellen, gemeint sein können.6 Die herrschende Meinung befürwortet ein materielles Prüfungsrecht. Hauptargument ist die Bindung aller Staatsorgane und damit auch des Bundespräsidenten an die Verfassung nach Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 1 Abs. 3 GG. Würde dem Bundespräsidenten als Verfassungsorgan keine materielle Prüfungskompetenz zustehen, wäre er gezwungen, „sehenden Auges“ ein verfassungswidriges Gesetz auszufertigen.7 Die materielle Prüfungskompetenz soll jedoch auf evidente Verfassungsverstöße begrenzt sein;8 es müssen zumindest Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestehen. In einem solchen Fall ist der Bundespräsident also – so die herrschende Meinung – berechtigt, die Ausfertigung des Gesetzes zu verweigern. Verletzung materiellen Verfassungsrechts? Um auf dieser Grundlage hinsichtlich eines Gesetzes zur Zulassung des therapeutischen Klonens ein Weigerungsrecht des Bundespräsidenten bejahen zu können, müssten Zweifel an der sachlichen Vereinbarkeit dieses Gesetzes mit der Verfassung bestehen bzw. vertretbar erscheinen. Zur Klärung dieser Frage ist zunächst das Prinzip des therapeutischen Klonens näher zu betrachten. Im Rahmen dieses Verfahrens wird das Erbgut aus der Körperzelle eines Menschen in eine entkernte Eizelle über89 RECHT UND ETHIK tragen, wodurch eine neue embryonale Entwicklung einsetzt.9 Dieser Embryo im Frühstadium hat nun die Anlage, sich zu einem vollständigen Organismus zu entwickeln (sogenannte Totipotenz). Beim therapeutischen Klonen wird – im Gegensatz zum reproduktiven Klonen – diese Entwicklung dann gestoppt, indem dem Embryo Stammzellen entnommen werden, die man in bestimmte Zelltypen ausdifferenzieren lässt. Ziel ist es, so Zellen oder sogar Organe zu gewinnen, die im Falle einer Transplantation beim Patienten keine Abstoßreaktion hervorrufen würden, da sie genetisch identisch mit den Zellen des Patienten wären. Der Embryo selbst stirbt bei der Entnahme der Stammzellen ab. Im Zusammenhang mit der Zulassung dieses Verfahrens werden Verstöße gegen die Garantie der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG und gegen das Lebensrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG diskutiert. Eine Verletzung der Menschenwürde wird beim therapeutischen Klonen hauptsächlich darin gesehen, dass ein Embryo als menschliches „Ersatzteillager“ benutzt wird.10 Zentrales Problem in dieser Diskussion ist, ebenso wie in anderen Bereichen der Gentechnikdebatte, ob der im Wege des therapeutischen Klonens erzeugte Embryo im Frühstadium überhaupt Träger der Menschenwürde ist. Folgt man der einer häufig vertretenen Ansicht und erkennt den Embryo als Grundrechtsträger an, so könnte auf der Grundlage der sogenannten Objektformel – der Mensch darf nicht zum bloßen Objekt herabgewürdigt werden – hier ein Verstoß gegen die Menschenwürde angenommen werden. Der Embryo wird nämlich nur zu dem Zweck erzeugt, um ihn in bestimmte Zelltypen oder Organe und nicht als Mensch heranwachsen zu lassen. Er wird damit als Mittel zur Heilung von Krankheiten Anderer benutzt und sein Menschsein wird in schwerwiegender Weise missachtet. Da die Menschenwürde unantastbar ist und keinen Schranken unterliegt, kann auch der Zweck des therapeutischen Klonens keine Rechtfertigung darstellen. Ob darüber hinaus ein Verstoß gegen das Recht auf Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG vorliegt, hängt ebenfalls entscheidend von der Grundrechtsträgerschaft des Embryos ab. Hierzu werden ähnliche Positionen vertreten und Argumente vorgebracht wie bei der Diskussion in Bezug auf die Menschenwürde.11 Demnach ist es rechtlich vertretbar, auch eine Verletzung des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG zu erkennen. Die skizzierten Diskussionen zeigen, dass jedenfalls erhebliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zur Zulassung des therapeutischen Klonens bestehen. Sofern sich der Bundespräsident auf diese Zweifel stützt, steht ihm somit ein Verweigerungsrecht zu. 90 Verfassungsprozessuale Einzelfragen Unterstellt man nun, der Bundespräsident bekäme tatsächlich ein solches Gesetz vorgelegt, und er würde die Unterzeichnung verweigern, stellt sich die Frage, welche verfassungsrechtliche Möglichkeit besteht, um die Rechtmäßigkeit dieser Weigerung zu überprüfen. Bei Streitigkeiten über den Umfang der verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten oberster Bundesorgane ist das Organstreitverfahren im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG einschlägig. Der Bundestag könnte in einem solchen Verfahren durch das Bundesverfassungsgericht prüfen lassen, ob seine Rechte durch die Weigerung des Bundespräsidenten verletzt sind. Unterstellt man weiter, dass trotz aller Bedenken das Gesetz eines Tages in Kraft getreten sein sollte, ist zu fragen, welche Möglichkeiten der verfassungsgerichtlichen Überprüfung des Gesetzes dann bestehen würden. In Betracht kommt eine abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. Bei Zweifeln oder Meinungsverschiedenheiten über die formelle oder sachliche Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz können die Bundesregierung, Landesregierungen sowie ein Drittel der Mitglieder des Bundestages die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht beantragen. Problematischer ist dagegen, ob auch der einzelne Bürger eine Überprüfung des Gesetzes veranlassen könnte. Eine grundsätzliche Möglichkeit hierzu ist die Verfassungsbeschwerde. Eine solche kann aber nur derjenige einlegen, der selbst unmittelbar durch die Regelung in seinen Grundrechten betroffen ist. Daher käme hier nur die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde durch den Embryo in Betracht. Bejaht man die Grundrechtsträgerschaft des Embryos, so muss man ihn konsequenterweise auch als beschwerdeberechtigt ansehen;12 praktisch ist die Einlegung einer solchen Verfassungsbeschwerde jedoch kaum vorstellbar. 1) Vgl. dpa Pressemitteilung vom 16.06.2003, AOL-NewsBote. 2) Michael Brenner, in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG-Kommentar, Art. 82, Rdnr. 22; Hartmut Bauer, in Dreier, GG- Kommentar, Art. 82, Rdnr. 12. 3) Brun-Otto Bryde, in v. Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 82, Rdnr. 3; Brenner (Fn. 2), Art. 82, Rdnr. 23. 4) Brenner (Fn. 2), Art. 82, Rdnr. 23. 5) Z. B. Jörg Lücke, in Sachs, GG-Kommentar, Art. 82, Rdnr. 3. 6) Z. B. Bryde (Fn. 3), Art. 82, Rdnr. 4. 7) Klaus Stern, Staatsrecht Bd. II, 30 III 4. 8) Brenner (Fn. 2), Art. 82, Rdnr. 27; Ulrich Ramsauer, in AKGG, Art. 82, Rdnr. 17a; Wolfgang Heyde, Zum Umfang der materiellen Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten, DÖV 1971, 797 (800). Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 RECHT UND ETHIK/INTERNATIONALES 9) Vgl. zum Verfahren des therapeutischen Klonens: Jeanne Nicklas-Faust, Risiken und Chancen diverser Therapien und gentechnischer Verfahren, Verbandsdienst der Lebenshilfe 2002, 10; Hans-Georg Dederer, Menschenwürde des Embryo in vitro, AöR 127 (2002), 1 (2 f.). 10) Dederer (Fn. 9), S. 4; vgl. auch Jochen Taupitz, Der rechtliche Rahmen des Klonens zu therapeutischen Zwecken, NJW 2001, 3433 (3438). 11) Vgl. z. B. Horst Dreier, Stufungen des vorgeburtlichen Lebensschutzes, ZRP 2002, 377; Rainer Beckmann, Embryonenschutz und Grundgesetz, ZRP 1987, 80. 12) Vgl. Bruno Schmidt-Bleibtreu, in Maunz/Schmidt-Bleibtreu/ Klein/Bethge, BVerfGG-Kommentar, § 90, Rdnr. 23; Christian Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 3. A., München 1991, § 12, Rdnr. 18. Die Vereinten Nationen arbeiten zügig an einer Konvention für behinderte Menschen! Bemerkenswerte Vorschläge zum Schutz von Menschen mit geistiger Behinderung von Klaus Lachwitz Für viele Beobachter überraschend und unter dem skeptischen Blick insbesondere der Vertreter der Industrienationen hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 19.12.2001 auf der Grundlage einer Initiative des Staates Mexico beschlossen, ein Ad-hocKomitee einzusetzen, das eine umfassende und vom Leitgedanken der Integration geprägte Internationale Konvention zum Schutz und zur Förderung der Rechte und der Würde von behinderten Menschen erarbeiten soll (”Draft Comprehensive and Integral International Convention on the Protection and Promotion of the Rights an Dignity of Persons with Disabilities”). Dieses mit Regierungsvertretern aus aller Welt besetzte internationale Gremium hat bisher zweimal getagt und sich im Juni 2003 darauf verständigt, eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung von Experten der Internationalen Behindertenbewegung einzusetzen, die den Auftrag erhalten hat, einen Entwurf für eine völkerrechtlich verbindliche Konvention zum Schutz behinderter Menschen vorzulegen. Die Arbeitsgruppe ist Anfang Januar 2004 für zwei Wochen in New York zusammengetreten und hat einen bemerkenswerten Entwurfstext erarbeitet, der ab 23. Mai 2004 von dem von der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingesetzten Ad-hoc-Komitee weiter beraten wird. An der Arbeitsgruppe sind 27 Regierungsvertreter aus allen Erdteilen beteiligt (Deutschland war im Januar 2004 durch Frau Prof. Dr. Theresia Degener, Universität Bochum vertreten). Außerdem konnten 12 Vertreter internationaler Behindertenorganisationen teilnehmen, darunter Klaus Lachwitz, Justitiar der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Marburg, als Vertreter von Inclusion International, dem Internationalen Dachverband aller Vereinigungen für Menschen mit geistiger Behinderung, London, und Robert Martin, Neuseeland, der die Interessen geistig behinderter Menschen im Vorstand von Inclusion International repräsentiert und selbst 20 Jahre in einer Großeinrichtung in Neuseeland untergebracht war. Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Der Entwurf der Konvention umfasst nach dem gegenwärtigen Stand der Beratungen in der Arbeitsgruppe insgesamt 25 Artikel. Fast genauso wichtig wie die Textentwürfe zur Gestaltung der einzelnen Artikel sind die über 100 Fußnoten, deren Inhalt widerspiegelt, dass die Bedeutung der einzelnen Rechte zum Teil unterschiedlich gewichtet wird, und die häufig in konkrete Empfehlungen an das Ad-hoc-Komitee einmünden, die Diskussion entweder neu aufzurollen oder fortzuführen. So verzichtet der Entwurf z. B. auf eine Definition des Begriffs der ”Behinderung” und stellt in einer Fußnote die Argumente ”Pro und Contra” Behindertendefinition zusammen, allerdings mit dem Hinweis, dass in der Arbeitsgruppe Übereinstimmung darüber bestand, den Begriff der Behinderung nur auf der Grundlage eines sozialen Modells, nicht aber nach Maßgabe medizinischer Kriterien zu definieren. Wie in allen Menschenrechtskonventionen üblich, beginnt der Text mit einer umfangreichen Präambel, die teilweise auf bereits bestehende Menschenrechtskonventionen Bezug nimmt, teilweise aber auch als ”Auffangbecken” für Grundsatzfragen dient, die möglicherweise in der Konvention selbst nicht detailliert geregelt werden sollen. Dies gilt insbesondere für den Hinweis unter Buchstabe i) der Präambel, in der ”die Wichtigkeit von internationaler Zusammenarbeit” betont wird, „um den vollen Genuss der Menschenrechte und Grundfreiheiten für Menschen mit Behinderungen zu fördern“. Hinter dem Begriff „Internationale Zusammenarbeit“ (International Cooperation) verbirgt sich eine Grundsatzdiskussion, von deren Ausgang das ”Wohl und Wehe” der Konvention abhängen kann. Im Völkerrecht findet der Begriff ”International Cooperation” vor allem dann Anwendung, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Verwirklichung des internationalen Schutzes von Menschenrechten in vielen Teilen der Welt (Afrika, Südamerika, Asien u. a.) da91 INTERNATIONALES von abhängt, dass die Industrienationen einen Beitrag zum Abbau der Armut in Entwicklungsländern leisten. Während die Vertreter der Europäischen Union, Nordamerikas u. a. finanzielle Verpflichtungen aus der Konvention möglichst vermeiden wollen, verweisen insbesondere die Vertreter der afrikanischen Länder darauf, dass die Schaffung von ”Barrierefreiheit” z. B. für körperbehinderte Menschen, die auf dem Land leben, mit ungeheuren finanziellen Kosten verbunden ist. Auch könne sich kein „armes Land” verpflichten, behinderte Kinder zu beschulen, wenn nicht zugleich das NordSüd-Gefälle zwischen ”Arm und Reich” abgebaut werde. Aus der Sicht von Menschen mit geistiger Behinderung verdient insbesondere Art. 9 des Entwurfs besondere Erwähnung, der folgenden Wortlaut hat: Art. 9 (Gleiche Anerkennung als Person vor dem Gesetz) Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich (a) Menschen mit Behinderung als Individuen anzuerkennen, die in der Rechtsordnung die gleichen Rechte haben wie alle anderen Menschen; (b) zu akzeptieren, dass Menschen mit Behinderungen die volle Rechtsfähigkeit auf der gleichen Basis wie andere Menschen besitzen und sicherzustellen, dass diese volle Rechtsfähigkeit auch finanzielle Angelegenheiten einschließt (Anmerkung: Der im englischen Originaltext verwendete Begriff ”Full Legal Capacity” ist weitergehend als der deutsche Begriff der Geschäftsfähigkeit; er umschließt alle Rechtsbereiche und bringt zum Ausdruck, dass behinderte Menschen rechtlich gleich zu behandeln sind. Beispiele, die über die Geschäftsfähigkeit hinausgehen: Die Deliktsfähigkeit, die Prozessfähigkeit usw. In der Fußnote zu Art. 9 heißt es, die Einfügungen des Begriffs ”volle Rechtsfähigkeit auf gleicher Basis” z. B. bedeute, dass behinderte Kinder rechtlich grundsätzlich nicht schlechter und nicht besser gestellt werden sollten als nichtbehinderte Kinder. Der Sinn des Begriffs ”volle Rechtsfähigkeit” bestehe darin, deutlich zu machen, dass Personen mit Behinderungen so zu behandeln sind, dass keine Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung eintritt); (c) sicherzustellen, dass immer dann, wenn zur Ausübung der vollen Rechtsfähigkeit Assistenz notwendig ist; i) diese Assistenz so zu gestalten ist, dass sie den notwendigen Assistenzbedarf unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles deckt und nicht 92 die volle Rechtsfähigkeit, die Rechte und Freiheiten der Personen beeinträchtigt; ii) Entscheidungen, die auf die Errichtung von Assistenz gerichtet sind, nur in Übereinstimmung mit entsprechenden prozessualen Regelungen und unter Anwendung entsprechender Schutzvorschriften für behinderte Menschen getroffen werden; (Anmerkung: In der Fußnote zu dieser Vorschrift wird ausdrücklich klargestellt, dass die Assistenz ausschließlich darauf zielt, dem behinderten Menschen die Ausübung seiner vollen Rechtsfähigkeit zu ermöglichen und auf der Annahme beruht, dass jeder Mensch volle Rechtsfähigkeit besitzt, und zwar auch dann, wenn er zur Geltendmachung seiner Rechte Unterstützung benötigt). d) sicherzustellen, dass behinderte Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre Rechte geltend zu machen, Informationen zu verstehen und ihre Anliegen zu kommunizieren, Zugang zu einer Assistenz haben, die es ihnen ermöglicht, Informationen, die ihnen unterbreitet werden, aufzunehmen und zu verarbeiten und ihre Entscheidungen, Wünsche und Präferenzen auszudrükken sowie in bindende Vereinbarungen und Verträge einzutreten, Dokumente zu unterzeichnen und als Zeugen aufzutreten; e) alle notwendigen und effektiven Maßnahmen einzuleiten, die gewährleisten, dass behinderte Menschen das gleiche Recht wie andere besitzen, Eigentums- oder Erbrechte auszuüben, ihre eigenen finanziellen Angelegenheiten zu kontrollieren und Zugang zu haben zu Darlehen, Hypotheken und anderen Formen finanzieller Kredite; f) sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen nicht willkürlich ihr Eigentum entzogen wird. Diese Formulierung des Artikel 9 ist eine klare Absage an jede Form der Entmündigung und an althergebrachte Vormundschaftsrechte, die Menschen im Rechtsverkehr für ”unfähig” oder für ”beschränkt rechtsfähig” erklären. Insoweit kann darauf verwiesen werden, dass das deutsche Betreuungsrecht, das 1992 in Kraft getreten ist und das Vormundschaftsrecht alter Prägung abgelöst hat, Pate gestanden hat für die Formulierung des Artikel 9! Andererseits darf nicht verkannt werden, dass der Begriff der ”Assistenz” wesentlich deutlicher als der Begriff der ”Betreuung” zum Ausdruck bringt, dass auch bei einer geistigen Behinderung oder psychischen Erkrankung jede Form von Ausgrenzung zu vermeiden und stattdessen auf die ”Befähigung” des Menschen abzustellen ist, so selbstbestimmt wie möglich am Leben der Gesellschaft teilzuhaben. Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 INTERNATIONALES/BÜCHERSCHAU Unvereinbar mit dem Grundgedanken des Art. 9 des Entwurfs ist das in § 104 f. BGB geregelte Recht der Geschäftsfähigkeit, das die Willenserklärungen geschäftsunfähiger Menschen für nichtig ansieht. Daran ändert auch nichts, dass der Gesetzgeber inzwischen Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens und von geringfügigem Wert unter bestimmten Voraussetzungen für gültig erklärt, wenn die Person, die sich rechtlich binden will, geschäftsunfähig ist (§ 105 a BGB). Das letzte Wort zur Konvention ist noch lange nicht gesprochen. Ähnlich wie die Vorschrift des Art. 9 werden auch alle anderen Rechte, z. B. die Sozialen Rechte (Art. 17 – Erziehung, Art. 22 – Recht auf Arbeit, Art. 23 – Soziale Sicherheit und adäquater Lebensstandard) noch große Diskussionen auslösen. Unbearbeitet ist bisher die Fragestellung, inwieweit die Konvention Regelungen enthalten soll, die gewährleisten, dass die Unterzeichnerstaaten die rechtlichen Verpflichtungen, die sie mit der Ratifizierung einer Konvention eingehen, auch einlösen. Unter dem Begriff ”Monitoring” (Überwachung, Kontrolle) wird das Adhoc-Komitee vor allem diskutieren, ob Individual- beschwerden ermöglicht werden sollen und ob ein internationales Komitee zum Schutz der Rechte behinderter Menschen durch die Generalversammlung der Vereinten Nation etabliert werden soll, das die Umsetzung der Konvention weltweit begleitet. Noch liegt ein langer Weg vor der Konvention. Die internationalen Mühlen mahlen langsam. So hat z. B. die Erarbeitung der Kinderkonvention 10 Jahre gedauert. Der eigentliche Wert des Auftrags der Generalversammlung der Vereinten Nationen liegt darin, der Weltöffentlichkeit vor Augen geführt zu haben, dass Millionen von Menschen aufgrund ihrer Behinderung noch immer diskriminiert werden und deshalb eine eigene – völkerrechtlich verbindliche – Konvention zum Schutz und zur Förderung ihrer Rechte benötigen. Deutschland unterstützt die Konvention. Das federführende Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die den Entstehungsprozess der Konvention mit eigenen Vorschlägen begleitet und an der u. a. Vertreter des Deutschen Behindertenrates beteiligt sind. Bücherschau Gutachten „Die Hilfekonferenzen der Region Hannover als Instrument zur Hilfebedarfsfeststellung bei Menschen mit seelischer Behinderung“ (Autorin: Frau Prof. Pöld-Krämer) 30163 Hannover, Tel. 0511-66 3 0 6 0, VereinzFsB@aol.com zum Versand- und Druckkostenpreis von 10,— EURO bezogen werden. Wegen der gesetzlich geforderten Zuordnung des hilfebedürftigen Menschen in Gruppen von Hilfeempfängern mit vergleichbarem Hilfebedarf (vgl. § 93a Abs. 2 BSHG) hat die Frage nach einer verlässlichen Feststellung des Hilfebedarfs an Gewicht gewonnen. In den letzten Jahren sind bundesweit Aktivitäten der Sozialhilfeträger zur Neugestaltung des Verfahrens zur Feststellung des individuellen Hilfebedarfs behinderter Menschen zu verzeichnen. Für diesen Personenkreis gibt es – anders als bei pflegebedürftigen Menschen – bisher kein vorgeschriebenes oder allgemein anerkanntes Instrumentarium zur Hilfebedarfsfeststellung. Das Gutachten, das im Auftrag des Vereins zur Förderung seelisch Behinderter e.V. erstellt wurde, prüft die Fragestellung, ob das vom Niedersächsischen Ministerium angedachte und in der Region Hannover bereits umgesetzte Verfahren der „Hilfekonferenzen“ mit den geltenden sozialrechtlichen Bestimmungen im Einklang steht. Rainer Wagner, Daniel Kaiser: Einführung in das Behindertenrecht; Berlin 2004: Springer Verlag, 219 Seiten, 24,95 EURO, ISBN 3-540-20367-2 Das Gutachten kann beim Verein zur Förderung seelisch Behinderter e.V., Ferdinand-Wallbrecht-Str. 28, Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Rainer Wagner ist als Oberrechtsrat beschäftigt im Bischöflichen Ordinariat Mainz, Daniel Kaiser ist Rechtsanwalt. Die Einführung in das Behindertenrecht bietet eine gestraffte Übersicht über das auf die unterschiedlichsten Rechtsgebiete verteilte Recht der behinderten Menschen. Der Schwerpunkt liegt dabei weniger im Sozialrecht, das SGB IX wird nur im Bezug auf das Schwerbehindertenrecht wiedergegeben. Wertvoll ist das zivilrechtliche Kapitel, das sich neben dem Erbrecht, und dem zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetz auch mit dem Behindertengleichstellungsgesetz befasst sowie mit den Landesgesetzen zur Gleichstellung behinderter Menschen. Außerdem wird im Bereich öffentlichen Rechts über das Baurecht, Nachbarrecht und Schulrecht informiert. Im Anhang ist eine Integrationsvereinbarung für den kirchlichen Bereich wiedergegeben. 93 BÜCHERSCHAU Rolf Winkel: Sozialhilfe - Der Ratgeber zum Umgang mit dem Sozialamt, Frankfurt/M. 2003: Bund-Verlag, 2. Auflage, 139 Seiten, 8,90 EURO, ISBN 3-76633495-6 Das Buch informiert über die Antragstellung im Rahmen der Sozialhilfe sehr praxisnah, der Autor ist Journalist. Schwerpunkt sind die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt gekoppelt mit der Perspektive, wie Sozialhilfebedürftigkeit überwunden werden kann durch Aufnahme einer Beschäftigung. Hilfreich ist auch das Kapitel ‚Datenschutz konkret’ über die datenschutzrechtlichen Schutzvorschriften bei Sozialhilfebezug. Das Buch ist daher eine Hilfe für alle, die sich über die Leistungsgewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt informieren wollen. Claus Loos: Die Sozialhilfe, der Tod und das Recht Schriften zum deutschen und europäischen Sozialrecht 4; Baden-Baden 2 00 4: Nomos-Verlagsgesellschaft, 167 Seiten, 34,– EURO, ISBN 3-83290473-5 Die Dissertation von Claus Loos befasst sich mit der Übernahme von Bestattungskosten gem. § 15 BSHG, offenen Ansprüchen des Verstorbenen auf Sozialhilfe sowie offene Ansprüche des Sozialhilfeträgers (Erbenhaftung) einschl. des Rückforderungsanspruchs auf Schenkungen. Besonders bedeutsam ist das Kapitel über erbrechtliche Gestaltung zugunsten behinderter Kinder und zulasten der Sozialhilfe. Es wird ausführlich über die Debatte um das Behindertentestament informiert, wobei der Stand der Rechtsprechung bis Dezember 2002 berücksichtigt wurde. Die Schrift ist daher eine wichtige Hilfe für alle diejenigen, die Erbrechtsberatung für behinderte Menschen betreiben. Otto Jehle, Helmut Linhard, Olgierd Adolph, Olaf Gröschel-Gundermann: Bundessozialhilfegesetz mit Asylbewerberleistungsgesetz und Grundsicherungsgesetz. 27. Aktualisierung, Stand: Dezember 2003, Heidelberg, 2003: Verlagsgruppe Hüthig-Jehle-Rehm, 94 Seiten, 26,80 EURO, ISBN 3-7825-0160-8 Die Autoren sind Richter in der Bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Kernstück der Aktualisierung ist die Überarbeitung des 11. Abschnitts Bundessozialhilfegesetz, §§ 119-122 a. Hinzugefügt ist eine vollständige Neubearbeitung des Schrifttumsverzeichnisses. Axel Hollenbach: Grundrechtsschutz im Arzt-Patienten-Verhältnis - Eine Untersuchung zur Umsetzung verfassungsrechtlicher Vorgaben im einfachen Recht; Berlin 2003: Duncker & Humblot Verlag, 413 Seiten, 94 Schriften zum Öffentlichen Recht –Band 920, 76 EURO, ISBN 3-428-11040-4 Hollenbachs Dissertation stellt darauf ab, dass zwischen Arzt und Patient nicht nur eine rechtliche Beziehung, sondern im Kern zunächst ein auf die Heilung des Patienten gerichtetes Vertrauensverhältnis besteht. Bei der Verfolgung dieses Ziels kommt in der denkbaren zivilund strafrechtlichen Arzthaftung allerdings ein „latenter Interessengegensatz“ zum Vorschein, der einer rechtlichen Ordnung bedarf. Die einschlägigen einfachgesetzlichen und auf verschiedene Rechtsgebiete verteilten Vorschriften entziehen sich bislang einer systematischen Erfassung. Diese entwickelt Hollenbach unter dem vereinheitlichenden Leitgedanken einer „grundrechtlichen Schutzpflicht“, über die er die Rolle des Staates und dessen Verantwortung für das ArztPatienten-Verhältnis bestimmt. Der Autor macht zahlreiche Vorschläge zur verfassungskonformen Schutzgestaltung des einfachen Rechts, die auch durch die weitreichende Judikatur der Fachgerichte bislang nicht gegeben ist. Die aktuelle und materialreiche Untersuchung bezieht weiter den Schutz Ungeborener und die Sterbehilfe sowie das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung mit ein. Deinert/Lütgens/Meier: Die Haftung des Betreuers – Ein Praxishandbuch für Betreuer, Köln 2004: Bundesanzeiger Verlag, 360 Seiten, 39 EURO, ISBN 389817-304-6 Dieses Handbuch bereitet ausführlich und auf der Grundlage der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung den Themenkomplex der zahlreichen Haftungsrisiken auf, denen Betreuer in ihrer Amtsausübung unterliegen. Die Autoren stellen neben den einschlägigen Rechtsgrundlagen auch ausgewählte Haftungssituationen aus typischen Aufgabenbereichen der Betreuung dar und geben wertvolle Hinweise, wie Haftungsrisiken wirksam begegnet werden kann. Das Buch geht auch auf die Bandbreite von Haftpflichtversicherungen ein und ist damit ein empfehlenswertes Nachschlagewerk für alle im Betreuungsrecht tätigen Personen. Franz Otto Kierig, Jutta Kretz: Formularbuch Betreuungsrecht; München 2004: Verlag C. H. Beck, 2. überarbeitete Auflage, 424 Seiten mit CD-ROM, 38 EURO, ISBN 3-406-51868-0 Dieses Buch bietet eine reiche Auswahl an Formularmustern und erläutert diese allgemeinverständlich unter Zitierung der wichtigsten Rechtsvorschriften und einschlägiger Gerichtsentscheidungen. In der Neuauflage finden insbesondere Aspekte des Vorgehens eines Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 BÜCHERSCHAUEDITORIAL Betreuers bei Vorliegen einer Patientenverfügung, die neueste Rechtsprechung zur Sterbehilfe, die Notwendigkeit der Anhörung des Betroffenen in der eigenen Wohnung, Mittel zur Verhinderung einer Unterbringung, ambulante Zwangsmedikation nicht untergebrachter Betreuter, die Begründung des erhöhten Stundensatzes wegen schwieriger Betreuungsaufgaben sowie der Umfang der Vorsorgevollmacht besondere Berücksichtigung. Das Buch ist für alle Personen geeignet, die sich beruflich oder ehrenamtlich intensiv mit rechtlichen Betreuungen befassen. Andreas Jürgens/Thomas Niermann: Handbuch für Pflegeeinrichtungen, Gesetze, Erläuterungen, Musterverträge für Pflegeheime, Pflegedienste, Pflegekräfte, Loseblatt-Ausgabe, Starnberg: RS Schulz Verlag, 27. Ergänzungslieferung mit CD-ROM, Stand März 2004, 84 EURO, ISBN 3-7962-0434-1 Mit der 27. Ergänzungslieferung wird das Standardwerk zum Pflegerecht auf den Stand März 2004 gebracht. Umfangreiche Änderungen im Gesetzesteil wurden auf- genommen. Damit steht den Nutzern des Handbuches wieder die aktuellste Information zu allen einschlägigen Rechtsvorschriften zur Verfügung. Das Landesrecht ist ebenfalls weiter aktualisiert worden. Das Handbuch kann daher weiterhin uneingeschränkt für die Praxis empfohlen werden. Karl Hauck/Wolfgang Noftz: Sozialgesetzbuch SGB III – Arbeitsförderung, Kommentar, Berlin: ErichSchmidt Verlag, 36. – 38. Lieferung 2004, 5411 S. einschl. 3 Ordnern, 138 EURO, ISBN 3-503-04341-1 Der Kommentar verfolgt das Ziel, alle mit dem SGB III Befassten methodisch und inhaltlich optimal zu bedienen. Das Werk wird durch Ergänzungslieferungen zügig und zuverlässig fortgeführt. Die 36. und 37. Lieferung fügt zahlreiche neue Kommentierungen (z.B. §§ 140 und 376 ff.) in das Werk ein. Zugleich werden mehrere Kommentierungen aktualisiert. Die 38. Lieferung enthält u.a. die Neufassung des Gesetzestextes. Dem Nutzer steht somit eine aktuelle und kompetente Kommentierung zu allen Fragen der Arbeitsförderung zur Verfügung. Gestaltung: Dieter Jeuck Druck: Andreas Seip, Hausdruckerei Vertrieb: Lahn-Werkstätten Marburg Rechtsdienst der Lebenshilfe (RdLh) Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e. V. Raiffeisenstr. 18 35043 Marburg Telefon: (06421) 491-0 Telefax: (06421) 491-167 Internet: http://www.lebenshilfe.de E-mail: rechtsdienst-redaktion@Lebenshilfe.de Vorsitzender: Robert Antretter Bundesgeschäftsführer: Dr. Bernhard Conrads Chefredakteur: Klaus Lachwitz (La), Justitiar Redaktion: Ulrich Hellmann (He), (geschäftsführender Redakteur) Peter Dietrich (Di) Renate Heinz-Grimm (HG) Norbert Schumacher (Sch) Dr. Sabine Wendt (We) Mit Autorennamen ausgewiesene Beiträge geben die Meinung der Verfasser/-innen wieder und sind urheberrechtlich geschützt. Außerhalb der Grenzen des Urheberrechts sind Reproduktionen - durch Fotokopie, Nachdruck oder andere Verfahren - bzw. die Übertragung oder Veröffentlichung dieser Beiträge in Datenverarbeitungsanlagen ohne Einwilligung der Autoren nicht statthaft. Im Übrigen ist der Nachdruck von Beiträgen mit Quellenangabe honorarfrei gestattet - zwei Belegexemplare erbeten. Rechtsdienst der Lebenshilfe 2/04 Postvertriebsstück: D 13263 F Auflage: 5.150 Redaktionsschluss: 10.05.04 Erscheinungsweise: 1 x pro Quartal ISSN: 0944 - 5579 Jahresabonnement einschl. Zustellgebühr und gesetzlich vorgeschriebener MwSt. 20,00 EURO, für Mitglieder der Lebenshilfe 15,00 EURO; Einzelheft 6,00 EURO; Mitglieder der Lebenshilfe 4,00 EURO. Sparkasse Marburg-Biedenkopf 60070 BLZ 533 500 00 Am Rechtsdienst der Lebenshilfe sind ebenfalls beteiligt: Verband für Anthroposophische Heilpädagogik Sozialtherapie und Soziale Arbeit e. V. Tel.: (0 60 35) 81-1 90, Bundesverband Evangelische Behindertenhilfe e. V. Tel.: (07 11) 2159-425 Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie CBP e. V. Tel.: (07 61) 2 00-0 Die vier Fachverbände repräsentieren über 90 % der Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung und treffen sich regelmäßig in einem gemeinsamen Arbeitskreis Behindertenrecht sowie in Kontaktgesprächen. Dieser Rechtsdienst ist auf chlorfrei gebleichtem Papier gedruckt. 95 Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. ISSN: 0944 – 5579 Raiffeisenstr. 18 35043 Marburg Telefon: (06421) 491-0 Telefax: (06421) 491-167 Postvertriebsstück: D 13263 F Entgelt bezahlt SOMMER-ANGEBOTE Das Rudi-T-Shirt für Erwachsene in 100 % Baumwolle, Größen: M, L, XL und XXL. statt 14,90 Euro nun 11,90 Euro! Rudi-Mousepad Holen Sie sich und Ihrer Maus ein wenig Urlaubsstimmung auf den Schreibtisch. Mit dem Mousepad „Rudi surft“! Maße: 240 x 190 x 3 mm. statt 4,90 Euro nun 3,90 Euro! Gerne informieren wir Sie über das komplette Angebot unserer Lebenshilfe-Kollektion. 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