Aurore Reinicke - zur Fotografieserie "Reminiscen

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Aurore Reinicke - zur Fotografieserie "Reminiscen
ELISABETH HÖLZL
Mit dem 1954 eröffneten Bristol, das unzählige Zeitungsartikel als das „modernste und
eleganteste Hotel Europas“ lobten, wollte der venezianische Reeder Arnaldo Bennati aus
Meran ein zweites St. Moritz schaffen. Er steckte ungeheure Summen in diesen Traum – und
scheiterte. Zurück blieb die Ruine eines ehemaligen Luxushotels, die ein Stück
Zeitgeschichte ist. Denn im Bristol spiegeln sich der Untergang der dekadenten HabsburgerMonarchie, der Größenwahn von Mussolinis Faschismus, das berüchtigte Abkommen von
1939 zwischen Hitler und Mussolini, das kurze Aufflackern des italienischen Nationalstolzes
in Südtirol nach dem Zweiten Weltkrieg, der Einfall des Massentourismus, der das Gesicht
der Alpen radikal veränderte. Stars und Sternchen, Spieler und Spekulanten, der
europäische Geldadel und ein späterer Papst – sie alle tauchten im Bristol auf und
verschwanden wieder.
Über zwei Jahre lang besuchte Elisabeth Hölzl das leer stehende Hotel Bristol in der Meraner
Otto-Huber-Straße. Dabei entstand weniger eine nüchterne Dokumentation des Gebäudes
als das Tagebuch einer Beziehung, die die Künstlerin zu einem rätselhaften Ort im Zentrum
ihrer Stadt aufbaute. Die Kamera streift aus geringer Entfernung über die Oberflächen der
Räume und bleibt an Details hängen – Stuhllehnen, Spiegel, samtenen Vorhängen und
weißen Schutzbezügen. Diese Nahsicht verleiht den Bildern eine sinnliche Natürlichkeit, als
könnte man mit dem Finger über den Staub fahren, der sich auf den Möbeln gesammelt hat.
Kommerzielle Bilder filtern Flecken aus Gesichtern und Risse aus Gebäuden, während diese
Fotos ihre mimetische Sinnlichkeit gerade über solche Fehler entfalten.
Ihre Annäherung an das Hotel Bristol folgt der Logik eines selbstreflexiven ethnografischen
Blicks. Ein verlassenes Hotel ohne offensichtliche architektonische Qualität ließe sich auch
als Synonym eines wertlosen Objekts betrachten, das der ungestraften Zerstörung
ausgeliefert ist. Elisabeth Hölzl lädt diese dem Vergessen preisgegebenen Räume
symbolisch auf, ihre Patina als besondere atmosphärische Qualität unterstreichend.
Zuerst legte sie einen Fundus von Fotografien an, dann folgten Überlegungen, nach welchen
Kriterien dieses Material geordnet und schließlich gezeigt werden soll. Sowohl durch das
Format der ausgesuchten Fotos als auch deren Reihenfolge interpretiert die Künstlerin das
Archiv, das darüber definiert ist, dass es lediglich ein Ordnungssystem, aber keine
semantische Klassifikation zur Verfügung stellt. In diese bis zum Layout des Buches
reichenden formalen Entscheidungen der Künstlerin fließt jenes Wissen ein, das sie bei dem
Verweilen an dem fotografierten Ort erwarb. Aus einer Architekturdokumentation wird somit
die Interpretation eines Gebäudes. Die mimetische Wirkung des vergrößerten Einzelbildes
steht im Kontrast zu den Bildserien, die eine strukturelle Aussage vermitteln. So reiht sie im
Buch Hotel Bristol Fotos von Stühlen aneinander, wodurch der Eindruck monotoner Serialität
entsteht. Stockwerk um Stockwerk wiederholt sich der selbe Grundriss und die selbe Abfolge
grün, rot, gelb und lila gestrichener Räume, sodass Zimmer Nummer 210 genau unter
Zimmer 310 liegt und ident ist mit Zimmer 410. Exklusivität, nicht serielle Austauschbarkeit,
ist das Dienstleistungsversprechen von Hotelbetrieben. Daher muss die standardisierte
Zellenstruktur des Gebäudes den Augen des Gastes verborgen bleiben; sie wird erst in
Elisabeth Hölzls Dokumentation sichtbar.
Die Reihung der Fotografien hat aber auch die Funktion, die voranschreitende Demolierung
des Hotels, seine allmähliche Entkleidung, chronologisch darzustellen. Langsam schält sich
der Rohbau heraus, entblößt sich die Tektonik unter jener durch Werbung und
Zeitungsberichten ästhetisch überhöhten Luxustextur der Anfangsjahre.
Fünfzehn Jahre steht das Bristol dann noch leer vor sich hin: der weiße Marmor
schmutziggrau, die Rollläden schief im Wind, die Fenster wie erblindete Augen. 2006 endlich
rücken Bagger und Presslufthämmer an, den letzten Rest eines Traumes zu zerstückeln –
und Platz zu schaffen für ein geschichtsloses Wohn- und Geschäftszentrum mit Supermarkt
und Einkaufspassagen.
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Gebäude sollen starke Bilder sein, die durch neue ersetzt werden, sobald sie ihren
Signalcharakter verloren haben; Las Vegas ist das bekannteste Beispiel dafür. Ähnlich wie
bei alten Ozeandampfern wird nicht an eine Sanierung oder Umrüstung gedacht. Nach ihrem
Gebrauch werden Schiffe zu Altmetall verarbeitet, Hotels ausgeweidet und abgerissen.
Elisabeth Hölzl setzt dieser konsumistischen Zeitlogik eine der kontemplativen
Raumbesetzung entgegen. Sie ruft damit allerdings nicht zu einer Rettung des Gebäudes
auf, sondern beschränkt sich auf die Geste des Zeigens. Sie nähert sich dem Hotel wie
einem gestrandeten Wal, dessen baldigen Tod sie nicht verhehlen kann. Ihre emphatischen
Fotos weisen darauf hin, dass eine Stadt, die Architektur nur als tote Baumasse betrachtet,
auch ihre Identität verliert.
Auszüge aus dem Buch „Hotel Bristol“
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Geboren 1962 in Meran
Lebt und arbeitet in Meran
Ausbildung
2004
2003
Stipendium der Kulturabteilung der Provinz Bozen für La Havanna, Kuba
Stipendium der Kulturabteilung der Provinz Bozen für New York
Studium der Skulptur an der Kunstakademie Bologna
Einzelausstellungen
2008
2007
2006
2004
2003
2002
2001
1997
1996
1994
1991
1990
1989
Hotel Bristol, Faszination einer Entkleidung, Antonella Cattani
Contemporary
Art, Bozen
Die Zeit der Anderen, Projekt im öffentlichen Raum (Postkarten, Plakate) im
Rahmen von time code, Bozen
Bristol Wallpapers Plakataktion im öffentlichen Raum, Vissidarte Festival,
Meran
The plot, Galerie Les Chances de L’Art, Bozen
focused 2, (mit / Werner Gasser) Galerie Walderdorff, Köln
focused 1, (mit Werner Gasser) Galerie Les Chances de L’Art, Bozen
Twilight, Galerie Museum, Bozen
Elisabeth Hölzl, neue Arbeiten Galerie Elisabeth und Klaus Thoman,
Innsbruck
mittag mitternacht morgen abend, artForum Gallery, Meran
nell’occhio del ciclope, Care of, Cusano Milanino
Arti visive proposte, Unione culturale, Turin
Care of, Cusano Milanino, (mit L. Scarabelli)
Galleria Mèta, Bolzano (mit F. Marziano)
Villa Traversi, Desio (Mi), Installationen
Gruppenausstellungen
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
solo 24 ore / nur 24 Stunden, Kunst und Performance im neuen Museion ,
Bozen
Rosengarten, Antonella Cattani Contemporary Art, Bozen
Die Kunst des Alterns/l’arte del invecchiare, ArgeKunst Galerie Museum,
Bozen
Suoni e visioni, Italienisches Kulturinstitut, Hamburg
Ti voglio bene, from Italy with love, Raid projects, Los Angeles
Fuori tema/italian feeling XIV Quadriennale di Roma,
Galleria Nazionale d’Arte Moderna, Rom
Suoni e visioni, Roberto Rotta Farinelli, Genua
In faccia al mondo, Museo d’Arte Contemporanea Vila Croce, Genua
Warm up, Galleria Neon, Bologna
Artsound, Festival Musica del ‚900, Trient
Projekt Schwaz Ost, Neue Stadtgalerie Schwaz
Künstlerbrücken, Installation Reschenbrücke, Bozen
Kunst und Kur / Arte e cura, Kunst Merano Arte, Meran
Radar, Fotografie und Video in Südtirol, Stadtgalerie, Bozen
Augenlust, Zimmer 204, Hotel Greif, Bozen
vette e orizzonti, Palazzo Trentini, Trient
eine woche, Studio Gerber 43, Bozen
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1999
1998
1996
1994
1993
1992
1990
1987
Atlante, Geografie, storia della giovane arte italiana; MACS, Sassari
42 videos d’Artistes Italiens, Galerie Esca, Milhaud (F);
Phänomen des Flüchtigen, kultur. raum. spitalskirche, Linz
Phänomen des Flüchtigen/ L’Effimero, Palais Esplanade, Meran
Laboratorio, Galleria Civica d’Arte Contemporanea, Trient
É una modesta proposta, rassegna di arte in video, Fabrika, Spazio
temporaneo d’Arte, Rovereto
Silence Age ,sei meditazioni oltere il rumore, Chiostri di San Domenico,
Reggio Emilia
ARTrans, Bestimmung des Zwischenraums, Kammerhofgalerie, Gmunden
Video 11 Ferdinandeum, Innsbruck
Aquart Palais Esplanade, Meran
Modernità, Progetto 2000, Fondazione Palazzo Bricherasio, Turin
Stanze, Villa Mazzotti, Chiari
Grosse Kunstausstellung Haus der Kunst, München
Nuova Officina Bolognese, Cankarjev Dom, Ljubljana
La scultura, uno scultore, un’opera , Studio G7, Bologna
Panorama, Messepalast, Bozen
Se una notte d’inverno un viaggatore Castel Nuovo di Noarna, Rovereto
Trattative con Euclide , Spazio Temporaneo, Mailand
Misure Perplesse/ Aus dem Staunen, ArgeKunst Galerie Museum, Bozen
Nuova Officina Bolognese Galleria d’Arte Moderna, Bologna
Villa Gioiosa Villa Gioiosa, Cormano
Opere su carta, Studio G7, Bologna
Under 35, Arte Fiera, Bologna
Projekte und Kunst im öffentlichen Raum
2005
2002
2001
2000
Fotografien im Roma Camp für „Sinti und Roma, eine Spurensuche“,
Arunda 67
ne stè a vene tüa tera, tüa vita Außengestaltung, Museum Ladin, Ciastèl
de Tor
acqua Wandgestaltung, Acquaprad, Nationalpark Stilfser Joch
escaping blue, Villen am Lohbach, Parkplatzgestaltung, Innsbruck
Bibliographie
Andreas Spiegl, die Ausnahme ist die Regel, cat. Ausstellung Focused, Galerie Les Chances
de L’Art, Bozen.
Letizia Ragaglia, frammentati ed emozionati, Edith Moroder Radar, cat. Ausstellung Radar,
Stadtgalerie Bozen.
Marion Piffer, Jeder Tag ist eine neue Welt, ein neuer Kalender; Luca Scarabelli e
Margaretha Zelle, in giro, quasi fine millennio, cat. Ausstellung Twilight, Galerie Museum,
Bozen 2001.
Giovanna Nicoletti, il luogo e la natura, la vetta e gli orizzonti, in cat. mostra vette e orizzonti,
Trento.
Marion Piffer Damiani, AltoAdige: ritratto introduttivo con opinioni e testimonianze, in cat.
mostra Atlante , G.Politi Editore 1999.
Paola Jori, L‘occhio del ciclope, in cat. Mostra Laboratorio, Trento 1998; M. Medaglia, F.
Tedeschi, Quí, lá, ovunque, cat. Viconago 1998.
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Valerio Dehó, Silenzio, sei meditazioni oltre il rumore, cat. Reggio Emilia 1997; Andreas
Hapkemeyer, Modernitá, cat.. Torino 1996.
Paola Jori, mittag mitternacht morgen abend, cat. ArtForum Gallery, Merano 1996.
Walter Guadagnini, Marion Piffer, Franz Thaler, Panorama, cat. Bolzano 1993.
Ginevra Grigolo, Rosalba Pajano, G7 presenta G7, La Scultura, cat. Bologna 1993.
Walter Guadagnini, Delle Differenze , Misure Perplesse, cat., Museumgalerie, Bolzano 1992.
Adriano Altamira, Trattative con Euclide, cat. Spazio Temporaneo, Milano 1992.
Roberto Daolio, Walter Guadagnini, Dario Trento, Nuova Officina Bolognese, cat. Galleria
d‘Arte Moderna, Bologna, 1991.
Francesco Poli, Unione Culturale, Torino, 1991.
Bianca Tosati, Villa Gioiosa, cat., Cormano, 1991.
Elisabetta Longari, Come salvaere lo spazio, cat. Galleria Méta, Bolzano 1990.
Patrizia Serra, Elisabeth Hölzl, Luca Scarabelli, cat. Care of, Cusano Milanino.
Camillo Ravasi, Accadimenti Silenti, Galleria La Meridiana, Agrate 1989.
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Ausgewählte Werke aus der Serie Hotel Bristol
Bristol, Digital C-Print auf Aluminium, Fotografie, 40x60 cm, 2006/8
Suite 316, Digital C-Print auf Aluminium, Fotografie, 100x145 cm, 2005/8
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Stühle weiß, Digital C-Print auf Aluminium, Fotografie, 40x60 cm, 2006/8
Salonmeer, Digital C-Print auf Aluminium, Fotografie, 70x100 cm, 2005/8
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