bored to death - Kulturraum Hirzenberg Zofingen
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JETPACK BELLERIVE Noëlle-Anne Darbellay, Samuel Stoll & Francisco Sierra present BORED TO DEATH 1 Projektbeschrieb BORED TO DEATH Nach The Mistake I Am folgt nun das zweite Multimediale Projekt namens BORED TO DEATH des Kollektivs Jetpack Bellerive (Stoll/Darbellay/Sierra). Dieses Projekt besteht aus 2 Musikern, 9 KomponistInnen, 4 KünstlerInnen und einem Wissenschaftler, wobei die künstlerische Leitung bei den Musikern Noëlle-Anne Darbellay, Samuel Stoll und dem Künstler Francisco Sierra liegt. Noëlle-Anne Darbellay (*1980 CH), Violine Samuel Stoll (*1979 CH), Horn KomponistInnen: Stephen Crowe (*1979 UK) Timothy McCormack (*1984 USA) Aleksandra Gryka (*1977 PL) Juliana Hodkinson (*1971 UK) Max Murray (*1980 CAN) Michael Pelzel (*1978 CH) Niklas Seidl (*1983 D) Lars Werdenberg (*1979 CH) Stefan Wirth (*1975 CH) KünstlerInnen: Taus Makhacheva (*1983 RUS) Shana Moulton (*1976 USA) Camillo Paravicini (*1987 CH) Francisco Sierra (*1977 CH) Wissenschaftler: Dr. Philipp Schulte (*1978 D) Die KomponistInnen, Videokünstlerinnen und Künstler werden sich für BORED TO DEATH mit TV Serien beschäftigen und dies künstlerisch umsetzen. Mit der Thematik der TV Serie wird ein gesellschaftsrelevantes Thema behandelt und in einen völlig neuen Kontext gebracht. Die Art und Weise der Umsetzung ist den jeweiligen KomponistInnen und Künstlern überlassen. Nur eine Bedingung muss dabei erfüllt sein: Das Stück soll sich in irgendeiner Form mit den Produkten populärer TV-Serialität auseinandersetzen. Zeitgenössische Musik trifft auf zeitgenössisches Fernsehen, anti-narrative Formkunst auf epische Erzählformate, die akustische Suche nach dem Unvertrauten auf das visuelle Medium der permanenten Konstruktion und Wiederholung des nur allzu Vertrauten. Ungleicher könnte eine transformierende Gegenüberstellung nicht sein – und genau da liegt die Spannung des Projekts BORED TO DEATH. Im Zentrum des Projekts stehen die 9 Uraufführungen für Violine und Horn. Bereits im Vorfeld des Projektes wird intensiv mit den KomponistInnen zusammengearbeitet. Auch die Videokünstlerinnen Moulton und Makhacheva werden ihre Arbeiten mit den beiden Musikern als Akteure erstellen. Die Künstler Sierra und Paravicini erarbeiten Interventionen, welche dieses Performance-Konzert zu einem Ganzen werden lassen und im Programm live präsentiert werden. 2 Konzerttournee Herbst 2014 - Ende 2015 Schweiz: 31.10.2014 Basel, Kaskadenkondensator, www.kasko.ch 06.11.2014 St. Gallen, Kunsthalle www.kunsthallesanktgallen.ch 09.11.2014 Zofingen, Kulturraum Hirzenberg, www.hirzenberg.ch 13.11.2014 Bern, Festival l'art pour l'Aar, Kunsthalle Bern, www.kunsthalle-bern.ch www.artpourlaar.ch 22.11.2014 Luzern, Südpol, Forum neue Musik Luzern www.forumneuemusikluzern.ch 29.11.2014 Lausanne, Musée cantonal des Beaux-Arts, www.musees.vd.ch/musee-des-beaux-arts 24.04.2015 Biel, Festival l'art pour l'Aar, CentrePasquArt Biel, www.pasquart.ch 23.04.2015 Zürich, Walcheturm Ausland: 04.03.2015 London, Brunel University, www.brunel.ac.uk 21.04.2015 Berlin, Reihe unerhörte Musik, www.unerhoerte-musik.de nn.09.2015 Hannover, Sprengel Museum, www.sprengel-museum.de Projekt Vermittlung/Education: 01.03.2015 April 2015 Kinderkonzert Musikschule Region Bern im Rahmen des Festivals l'art pour l'Aar April 2015 Workshop für studierende KomponistInnen an der Brunel University London 3 4 Philipp Schulte Bored to Death Das Spiel mit Vertrautheit und Unerwartbarkeit in narrativer und anti-narrativer Serialität In ordinary life one has known pretty well the people with whom one is having the exciting scene before the exciting scene takes place and one of the most exciting elements in the excitement be it love or a quarrel or a struggle is that, that having been well known that is familiarly known, they all act in acting violently act in the same way as they always did of course only the same way has become so completely different that from the standpoint of familiar acquaintance there is none there is complete familiarity but there is no proportion that has hitherto been known, and it is this which makes the scene the real scene exciting, and it is that leads to completion, the proportion therefore it is completion but not relief. A new proportion cannot be a relief. Gertrude Stein, Plays „Bored to Death” – das ist der Titel einer den für sein Qualitätsfernsehen bekannten USamerikanischen Pay-TV-Sender HBO produzierten Fernsehserie, die von einem Schriftsteller mit Namen Jonathan Ames handelt, der beginnt, sich nebenberuflich als Privatdetektiv zu beschäftigen. Die Serie wird als noir-otic comedy, also einem Wortspiel aus dem Genre des Film Noirs und dem Adjektiv ‚neurotischʻ bezeichnet – und dieses Label trifft es auf den Punkt. Folge für Folge erlebt der Zuschauer den Anti-Helden Ames in einem schier endlosen Spiel aus Wiederholungslust und Wiederholungszwang – wobei letzterer, der Zwang, vor allem bei Ames zu beobachten ist und seinem beständigen Scheitern als ebenso erfolgloser Schriftsteller wie Privatdetektiv und folglich freilich gar Liebhaber; und erstere, die Lust, vor allem beim Zuschauer liegt, der trotz oder gerade aufgrund der beim Zuschauen stets anwachsenden Vertrautheit mit all den immerähnlichen Varianten des Scheiterns nicht müde wird, beim nächsten Mal wieder einzuschalten und wieder aufs Neue das Vertrauten in (noch) unvertrauter Form zu erleben. „Bored to Death“ – das klingt auch nach einem ermüdenden Vorwurf, der den Form- und Strukturexperimenten so genannter Neuer Musik immer noch hin und wieder entgegengebracht wird. Er ist sicherlich nicht jedes Mal unzutreffend, verkennt jedoch, worum es in diesem weiten Feld zeitgenössischer musikalischer Strömungen geht: um teils radikale Erweiterungen der klanglichen, harmonischen, melodischen Mittel und Formen, um die Suche nach neuen Klängen, neuen Formen oder nach neuartigen Verbindungen alter Stile – also gerade um das, was dem Hörer ja gerade am wenigsten langweilen können sollte: um das Unbekannte, das sich vom Vertrauten absetzt. „Bored to Death“ – das aber auch ist der Titel eines Projekts des Musikperformance-Duos „Jetpack Bellerive“, Noëlle-Anne Darbellay und Samuel Stoll, die neun Komponistinnen und Komponisten zeitgenössischer Musik dazu eingeladen haben, ihnen je ein Stück zu schreiben. Nur eine Bedingung musste dabei erfüllt sein: Das Stück soll sich in irgendeiner Form auseinandersetzen mit den Produkten populärer TV-Serialität. Zeitgenössische Musik trifft auf zeitgenössisches Fernsehen, anti-narrative Formkunst auf epische Erzählformate, die akustische Suche nach dem Unvertrauten auf das visuelle Medium der permanenten Konstruktion und Wiederholung des nur allzu Vertrauten. Ungleicher könnte eine transformierende Gegenüberstellung nicht sein – und genau deshalb ist dieses Projekt so spannend. 5 Es gibt wohl kein Genre narrativer Darstellungsformate, das sich in den vergangenen fünfzehn Jahren so sehr entwickelt hat wie das der Fernsehserie. Was vor Jahrzehnten erst im Radio, dann im Fernsehen als Fortsetzungsgeschichten mit Figurenkonstanz von der Stange mit je abgeschlossenen und stets ähnlichen, produktionsökonomisch standardisierten Einzelfolgen im Tages- oder Wochenrhythmus versendet wurde, avanciert etwa seit den späten 1990er Jahren zu oftmals mit filmähnlichem Aufwand gestalteten Serien, die hintergründiger, fesselnder und nachdenklicher sind, als man es früher von Telenovelas, Soaps und anderen Serien kannte. „Quality TV“ ist das Schlagwort, welches in diesem Kontext entwickelt wurde, und es bezeichnet auch, aber nicht nur Fernsehserien, die der US-amerikanische Pay-TV-Sender HBO gemäß seinem Slogan „Itʼs not TV. Itʼs HBO“ für ein anspruchsvolles, zahlendes Publikum produziert, darunter das Comedy-Format „Bored to Death“, aber auch zahlreiche weitere weltweit rezipierte Serien wie die von den Kritikern gefeierte „The Wire“, die Vampir-Hochglanz-Trash-Saga „True Blood“ oder das Mafia-Epos „Die Sopranos“. Serien wie diese, die längst nicht nur mehr im Fernsehen, sondern vor allem auch dank des DVD- und Online-Vertriebs rezipiert werden, fesseln mittlerweile eine riesige Zuschauerschaft. Doch so eindrücklich und rasant diese Entwicklung televisueller Erzählkunst in den letzten Jahren auch von statten gegangen ist und immer noch von statten geht, so wenig scheint, hört man einmal genauer hin, der Einsatz von Musik in dem Format der Fernsehserie damit Schritt halten zu können. Der Grund hierfür mag auf der Hand liegen: Denn es sind nach wie vor maßgeblich sprachkünstlerische Kompetenzen – das Verfassen geschliffener, pointierter Dialoge, das Entwerfen komplexer narrativer Muster –, welche die Produktion der Serienformate dominieren, dann erst oft wird auf filmisch-visuelle Mittel gesetzt, und dann erst der Einsatz von Musik konzipiert. Komponisten stehen also am Ende einer langen Kette in der Reihenfolge: Produzent – Autor – Regisseur – und schließlich dann der oft vom Cutter im Schneideraum festgelegte Einsatz in der Regel vorkomponierter Musikstückchen. Diesen Vorgang kann man auch bei „Quality-TV“Formaten wie beispielsweise der Serienmörderserie „Dexter“ beobachten – also einer Serie, deren Protagonist adäquater Weise ein Serienkiller ist und die somit eine immer wieder fesselnde Reflexion der Form auf der Ebene der Handlung vollzieht. So sehr diese sich im Dienste einer – zumindest angestrebten – Spannungssteigerung von Staffel zu Staffel varriierende Transformation vertrauter Motive und Abläufe aber auch gelingt, so wenig abwechslungsreich ist der Einsatz der Musik. Die wurde produziert, wie es in vielen Fernsehserien seit Jahrzehnten praktiziert wird: Ein Komponist schreibt einen Soundtrack bestehend aus einem Titelsong mit hohem Wiedererkennungswert und Stücken für unterschiedliche Standardsituationen – etwas für spannende Momente, etwas für nachdenkliche Momente, ein leichteres Motiv für komische Szenen, eines für eher leidenschaftliche Sequenzen –, und dieser Pool an Tracks wird im Laufe der Staffeln nur geringfügig ergänzt. Während also den handelnden Figuren und auch komplexen Handlungssträngen im Laufe der Jahre, die eine Serie wie „Dexter“ läuft, zumindest in vielen Produktionen der vergangenen fünfzehn Jahre eine erhebliche Möglichkeit der Entwicklung eingeräumt wird, wird beim Einsatz der Musik – meistens lediglich in untermalender Funktion verstanden – auf das von Staffel 1 an fast unveränderte Standardmaterial zurückgegriffen. Grund hierfür und zugleich Folge dessen ist ebenjene bereits angedeutete Dominanz des Narrativen in seriellen TV-Formaten. Die Handlung und von ihr erzeugte Stimmungen und Zusammenhänge dominieren, alle weiteren Darstellungsmittel und vor allem die Musik dienen vor allem ihrer Untermalung und dadurch allzu oft auch einfach der Affirmation des Erzählten. Das gilt für das Filmische, die Bilder, wobei festzustellen ist, wie viele Regisseure auf dieser Ebene immer mehr Emanzipation vom Plot und seinen konkreten Situationen gelingt – ein besonders rühmliches Beispiel in diesem Zusammenhang ist z. B. „Breaking Bad“, eine Serie um einen zum Superkriminellen avancierten Chemielehrer mit einzigartiger Bildsprache, in der man in zahlreichen Folgen beobachten kann, wie die Kamera oft Detailmotive und spezielle Perspektiven einnimmt, während die oft nur auffällig langsam von statten gehende Handlung fast nebenbei, fast anderswo passiert. 6 Selbstverständlich lebt auch diese Serie von ihren guten Drehbüchern und Schauspielern – aber eben auch von ihrer emanzipierten filmischen Bildsprache, ihrem intensiven Farbeinsatz und ihren überraschenden Kameraeinstellungen. Und auch beim Soundtrack wird stellenweise Ähnliches versucht, und es gelingt, aber es gelingt nur teilweise. Generell gilt, auch bei vielen HochglanzSerien: Überraschung durch Variation und Transformation ereignet sich auf der Ebene der Handlung, nicht aber der Ebene der Bilder oder gar der Musik. Letztere scheint immer noch einer Tradition klassischer Serienformate verpflichtet zu sein, die vor allem auf eines setzen: nämlich auf ein hohes Maß an Vertrautheit, freilich aus ökomischen Gründen – denn was in der Wiederholung funktioniert, muss nicht neu produziert werden –, aber auch aus der unter Programmmachern und Redakteuren offenbar verbreiteten Ansicht, dass das, was dem Publikum einmal gefällt, ihm auch zweimal gefallen muss und somit hohe Einschaltquoten garantiert – „Never change a winning programme!“ Die gegenteilige Tendenz kann beispielsweise für den Serialismus in der Neuen Musik geltend gemacht werden: Um eine hohes Maß an Vertrautheit ist es ihm gerade nicht zu tun. Was Ende der 1940er und in der ersten Hälfte der 1950er Jahre als Weiterentwicklung der Ansätze von Arnold Schönberg und Anton Webern durch Komponisten wie René Leibowitz, Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen aus dem Französischen in deutschsprachige Zusammenhänge übertragen wurde, ist weniger als Stil oder Technik zu begreifen, denn als Methode kompositorischen Denkens. Die Idee nichtlinearer Ordnungssysteme, die bei Webern und Schönberg noch vor allem auf die Struktur der Tonhöhen in ihren Stücken organisierten, wurde fortan auf alle weiteren musikalischen Parameter ausgedehnt, so auf Tondauer und Lautstärke, auf Klangfarbe, Spielweise, Rhythmus und Pausen. Alle musikalischen Eigenschaften sollten streng nach festgelegten Zahlen- und Proportionsreihen definiert sein, was gleichzeitig bedeutete, das schöpferische Ego des komponierenden Subjekts und dessen künstlerisch Intention und persönlichen Geschmack weitgehend zurückzudrängen. György Ligeti spricht einmal in Bezug auf Boulezʻ „Structures I“ von einer „Schönheit im Auftun von reinen Strukturen“. Damit verlöre „die Komposition ihr Wesen als ‚Kunstwerkʻ: Das Komponieren wird zugleich ein Erforschen der neugeahnten Zusammenhänge des Materials.“1 Radikaler kann sich dem Unvertrauten, dem Überraschenden und Unterwarteten nicht angenähert werden: Die Idee der Seriellen Musik steht für die Suche nach neuen, bislang unerhörten kompositorischen Resultaten, wie sie allein durch Ausschalten der Gewohnheiten des Künstlersujets erreicht werden können. Weder auf konventionelle dramaturgische Muster noch auf einen unterstellten Geschmack der Hörerschaft wird hier Rücksicht genommen. Und, es erklärt sich von selbst, das sich derart findende klanglich Unvertraute ereignet sich freilich im Hegelschen Sinne inhaltsleeren, inhaltlich unbestimmten Feld der instrumentalen Musik: keine Narration, nirgends, deren Regeln sich hier untergeordnet werden könnte – das stünde einer reinen Dominanz der Struktur entgegen. Wo im Format der TV-Serie also die Musik der Erzählung weitestgehend untergeordnet bleibt und sich als Garant von Wiedererkennbarkeit und Vertrautheit nach ihren Erfordernissen richtet, legen der Serialismus in seiner inhaltslosen Totalität und ihm verwandte Ansätze in der Neuen Musik größten Wert auf eine absolut freie, nur ihren strukturellen Eigengesetzen gehorchende Musikalität möglichst jenseits aller vertrauten Muster. Und genau hier setzt das Projekt „Bored to Death“ der Formation „Jetpack Bellerive“ an: NoëlleAnne Darbellay und Samuel Stoll machen sich auf die Suche nach dem Vertrauten im Feld des Unvertrauten – und verfahren daher ganz anders als die Fernsehserie, die Vertrautes auf immer wieder neue Weise darzustellen sucht, aber auch ganz anders als Serielle Musik, die auf das vollkommen Unvertraute und strukturell Neue aus ist. „Bored to Death“ setzt Vertrautes und Unvertrautes in ein geradezu dialektisches Verhältnis, unterwirft sich dabei niemals den nicht zuletzt auch ökonomischen Formkonventionen des Fernsehens, leugnet aber genauso wenig den unbestreitbaren Reiz, der von ihnen ausgeht. Und mehr noch: Musikalisch und instrumental, also prinzipiell anti-narrativ, wird sich in vielen der Kompositionen gezielt mit Phänomenen des Narrativen auseinandergesetzt, deren Grundgesetze und -strukturen auf diese Weise zugleich ausgehebelt und im selben Moment auslotet. ___________________________ 1 Ulrich Dibelius, Moderne Musik I: 1945-1965. Voraussetzungen, Verlauf, Material. München: Piper 1966, S. 121. 7 Hier ist es nicht die Musik, die sich wie in den allermeisten TV-Serienformaten der Narration unterordnet, sondern narrative Reste werden ins Reich musikalischer Struktur überführt und zersetzt. Damit findet eine seriell konsequente, weil an den Bedingungen des Ursprungsmediums orientierte Transformation und Variation eines Ausgangsmaterials statt, aber eben auf rein formaler, nicht auf inhaltlicher Ebene – und wer weiß, vielleicht findet ja einmal, sozusagen als nächste Folge, wieder eine Rückverwandlung ins Medium des Filmischen statt, die Erfindung eine neuen Art von Serie, die nicht mehr nach den Regeln des Narrativen funktioniert: to be continued. Vielleicht kommt „Jetpack Bellerive“ in ihrem Projekt also dem nahe, was Gertrude Stein, Erfinderin des seriellen „Fließbands in der Buchstabenproduktion“2, im Eingangszitat zu diesem Text als absolute Vertrautheit, die aber in einem bislang vollkommen unbekannten Verhältnis zum Anderen steht, bezeichnet. Excitement, Spannung macht hier nicht einer Erleichterung Platz, wie Stein schreibt, denn eine neue Proportion ermöglicht keine Erleichterung. Stattdessen wird sie komplettiert, erfüllt – auf den Höhepunkt getrieben: Denn alles ist so, wie es immer war, aber es findet sich in einem so ungewohnten, so neuen Umfeld wieder, dass dieses Verhältnis zwischen dem allzu Bekannten (ja: dem Langweiligen) und dem verstörend Anderen (und am verstörendsten ist immer noch der Tod) eine lustvolle Spannung erzeugt, die manchmal kaum auszuhalten ist. So wandeln Darbellay und Stoll auf ganz ähnlich dialektischen Pfaden wie Jonathan Ames aus der HBO-Serie, der sein vertrautes Umfeld als Schriftsteller verlässt, um die ersehnte Abwechslung, ein neues Leben als Privatdetektiv zu finden – und der sich dabei gleichzeitig eine Profession gewählt hat, deren edelste Aufgabe es ist, Ordnung im Chaos, vertraute Strukturen im Unvertrauten aufzudecken. Beide, Ames und „Jetpack Bellerive“, etablieren auf diese Weise neue Verhältnisse zwischen dem, was man zu kennen glaubt, und dem was als unbekannt zu gelten hat. Möge Stoll, Darbellay und Sierra dabei mehr Erfolg beschieden sein als ihrem neurotischen Vorgänger! _______________________________ 2 Klaus Theweleit, Buch der Könige 2y. Recording Angelsʻ Mysteries. Basel/Frankfurt am Main: Stroemfeld Roter Stern 1994, S. 430-434. 8 9 Werkkommentare: Niklas Seidl "SCHIFFE" für Violine und Horn Eine lange Überfahrt mit einem Schiff bietet die perfekte Grundlage für eine Fernsehserie, Romanhandlung und weitere Erzählformen, da eine kleine Gruppe von Menschen als Vertreter für die Gesamtgesellschaft gelten kann. Ähnliche Züge bekamen später Sendungen wie "Big Brother" oder "Ich bin ein Star, holt mich hier raus". Die bekannte Comedy-Serie "The Love Boat" aus den USA und der bundesrepublikanische etwas seriösere Nachfolger "Das Traumschiff" nutzen das Flair der Pseudo-High Society auf dem Kreuzfahrtschiff um die klassischen Probleme wie Liebe, Humor, Krankheit und Ehre vor die Kamera zu bringen, während die ältere Serie "Zur See" aus der DDR auf einem Frachtschiff spielt und die Themen etwas ernster nimmt. Statt Liebesabenteuern werden die Ehen der Seeleute betrachtet, wichtig sind auch Themen wie Kameradschaft, Berufsethos und Gerechtigkeit. Die Titelmelodien der drei Serien sind repräsentativ für den jeweiligen Charakter: Während der Love Boat-Song gesungen wird und der amerikanischen Big Band Entertainment Musik verhaftet ist, schwelgt das Traumschiff ein einlullenden Streicher-Synthi-Melodien von James Last und der Seekreuzer der DDR wird von einer kämpferischen Bläsercorps angefeuert. Mein Stück greift die Titelmelodien auf, verändert sie und stellt sie gegenüber. Zusätzliches Bildund Tonmaterial konfrontiert die nationalen Charakteristika auf O-Ton Ebene. Die Serien werden von mir als fernsehgeschichtlich und gesellschaftlich relevantes Ausgangsmaterial verwendet, um mit einem außermusikalischen Element meine Musik zu beeinflussen und zu stören. Ob die Verbindung zu den Serien nachher noch zu verstehen sein wird oder das Stück gar von sozialer Relevanz ist, bleibt ungewiß und nebensächlich. Es geht um die Verwendung von interessantem Material, um meine Musik zu verändern. Der Ansatz, die Serien im Vergleich einer regionalen und geschichtlichen Relevanz zuzuordnen ist die Motivation, um mich musikalisch und inhaltlich dem weiten Feld der TV-Serien zu nähern. Michael Pelzel "ALF SONATA" für Strohgeige und Horn Eine frei gewählte TV-Serie als Ausgangspunkt eines neu zu komponierenden Werkes zu nehmen, darauf wäre ich ehrlich gesagt, wäre hier nicht die Anfrage des Kollektivs Jetpack Bellerive gekommen, nicht gekommen. Sie lässt sich aber nun mit vielen meiner kompositorischen Ideen und Konzepte gerade im Bereich des Musiktheaters in idealer Weise verbinden und kombinieren. Grob gesagt sind TV Serien einfache, leicht erinnerbare Reihungsformen, welche wiederanknüpfen an vorhergehendes, es gibt also eine gewisse Schematisierbarkeit der Abläufe und auch Inhalte, die ich mir auch musikalisch zu Nutze machen möchte. Oft werden relativ banale Inhalte des täglichen Lebens als etwas grossartiges überhöht und aufgeblasen. Gewisse Formen von nicht realer oder künstlicher, gespielter Emotionalität ("Styroporemotionalität") sind typische Merkmale dieser Serien, ebenso wie "Slapstick"-Elemente und künstliche Lacheffekte auf Kommando (ich erinnere hier mit einem gewissen Schmunzeln zum Beispiel an die Kinderserie "Alf"). Ich möchte diese beschriebenen Rahmenbeobachtungen als Ausgangspunkte zu diesem miniaturopernhaften und cabaretmässigen Werk nutzen, welches durchaus witzig, ironisch und abstrus sein soll. Ein kleines musikalisch-cabaretistisches Kabinettstück sozusagen. Speziell hervorzuheben wäre, dass auch Bewegungs- und Mimikelemente "rhythmisiert" werden sollen, ebenso wie die gespielte Musik. Die theaterhaften Bewegungen, Gesten und Gesichtsausdrücke sollen ebenso teil der Rhythmisierung sein, nicht nur die musikalischen Parameter. 10 Lars Werdenberg "KOJAK – DECOMPOSED" für Violine und Horn Die Titelmelodie zur TV-Serie „KOJAK“ wähle ich aus 2 Gründen: Das Hauptthema wird original von einem Horn gespielt. Es existiert eine Dissertation über diese Musik mit einer exakten Hörpartitur und einem Schnittplan. Das Thema von 50 Sek. wird von mir zeitlich genau auf 2 Minuten gespreizt (also ca. ½ so schnell). Die Intervalle werden gleichzeitig verkleinert (um auch etwas mehr als die Hälfte, analog den Zeitfaktor). Diese nun „mikrotonale“ Melodie erfährt auf Grund des Schnittplanes ihre klangliche Veränderung. Jedes Objekt, welches in Vorspann vorkommt („Gesicht von Kojak Wolkenkratzer von Manhattan“ etc.) entspricht einer klanglichen Veränderung (Flageolett, Flatterzunge etc.). Stefan Wirth "BREAKING BAD" für Violine und Horn Die Serie «Breaking Bad» ist eine Art pervertierter Entwicklungsroman im TV-Format und beschreibt einen Familienvater, von Beruf Chemielehrer, der schwer erkrankt und daraufhin ein erfolgreicher Drogenproduzent wird. Das "Produkt" , das ich herstelle, das heisst mein Stück, wird auch von dieser Entwicklung gezeichnet sein, und aus der Harmlosigkeit des Anfangs heraus eine ins Bitterböse kippende Entwicklung beschreiben. Konkret könnte dies bedeuten, ein unspezifisches Anfangsmaterial in eine immer grössere Verzerrung und Verfremdung zu führen, dabei den Materialkern jedoch unangetastet zu lassen. In Europa hat sich die Wahrnehmung noch nicht durchgesetzt, dass einige zeitgenössische amerikanische TV-Serien differenzierte und ästhetisch anspruchsvolle Kunstwerke sind, die es verdienen, genau so ernst genommen zu werden wie die grossen, klassischen Spielfilme z.B. eines Robert Altman oder Wim Wenders. Ausserdem hat die Serie gegenüber dem Spielfilm den Vorteil , viel mehr Zeit mit den Charakteren verbringen zu können, und so tatsächlich ein äusserst schillerndes, Stereotypien meidendes Menschenbild zu vermitteln, ähnlich dem Roman im 19.Jahrhundert. Ein weiterer interessanter Aspekt einer Serie besteht darin, dass sie einen über eine längere Zeit im Alltag begleitet und so als virtuelle Parallelwelt das reale Leben gewissermassen in Echtzeit doppelt. Dies könnte sich musikalisch auch als sprunghaftes "zappen" zwischen bieder-gemütlichem Musizieren (gleichsam im Wohnzimmer) und plötzlicher Freischaltung krimineller Energien äussern (die Sendung im Fernsehen). Schliesslich ist auch die Eröffnungsmusik von "Breaking Bad" alles andere als banal und wird mit ihren tiefen Bluesglissandi und geisterhaften Perkussions-Sounds bestimmt auch Ihre Spuren hinterlassen. Juliana Hodkinson I want to work with text and subtext - i.e. using quite advanced poetic text (probably by Ursula Andkjær Olsen, translated to English) spoken, sung and shouted by Noëlle-Anne and Samuel in a range of clichéd styles ranging between melodrama and everyday articulation. So, the text is quite sophisticated, but its delivery is in a completely contrasted style to the content. This will be interpolated with audio triggered from their trustworthy friend the Footpedal, consisting of dialogue from TV soap ops and reality shows (sourced from a wide variety, so that not one particular show dominates). On their instruments Noëlle-Anne and Samuel will play a range of noises, music fragments and effects, and each of them will have one solo/aria accompanied by the other one. In the arias/solos, there will be a similar contrast between a popular idiom (e.g. pop melodies/ harmonies) in one part and a more obscurely advanced artistic idiom in the other part. I'll also be exploring inertia and tension-building, cuts and forced climaxes, glissandi and slides, episodic structures and formulaic repetitions. 11 Max Murray My composition for Samuel Stoll and Noëlle-Anne Darbellay is based on, and set to the accompaniment of an edited historic TV-interview with American author William Gaddis wherein he addresses, from within the flickering glow of the television set, in malaise ridden, irradiating paradox, the forever unrequited desire of the artist to ʻwake the world from its deathly sleepʼ – the two instruments are muted and narrowed, impossibly encircling that line in his voice which floats above and beyond the frame of the medium. Timothy McCormack The piece would be about the TV show „Tim and Eric Awesome Show Great Job!“ which is one of my favorite shows. It's a really jarring show, and they usually create the sense of discomfort through techniques of juxtaposition. So I would want to use material from the show to create a 5minute piece that is just as jarring but creates it through a continued, sustained block of sound. What I'm thinking is taking every episode they've ever made (10 episodes x 5 seasons = 50 episodes, each at about 11 minutes), and layering them on top of each other (both audio & visual), and then compressing that down to 5 minutes. So the composite image/sound of 50 episodes of the show would, I'd imagine, result in unrelenting audio & visual noise, under which Noëlle and Samuel would be playing. I'm thinking the video would be projected onto both players and the wall behind them as they play. It would be a loud, undifferentiated block of sound, noise and static. Stephen Crowe is planning a work based on the rhythmic interventions used in the TV show Seinfeld. He is also using the characterisation of the relationship between 'Jerry' and 'Newman' as part of of a musical investigation into the power struggle of duos. 12 13 Biografien KomponistInnen und KünstlerInnen Stephen Crowe geboren 1979, Kunststudium in Fine Art an der John Moores University in Liverpool und Kompositionsstudien an der Goldsmith University London. Seine experimentellen Werke wurden u.a. in der Queen Elizabeth Hall London, Camden Arts Center, The Vortex, Kingʼs Head Theatre, Brunel University, Riverside Studios und an Konzertreihen in ganz Europa aufgeführt. Er ist Gründer der Stephen Crowe Opera und erhielt 2011 die Förderung des British Arts Council sowie Aufträge u.a. für Tate Britain London und Konzertreihen in New York und Berlin. www.stephencroweopera.org Timothy McCormack geboren 1984. McCormacks Musik wurde von bedeutenden Spezialisten-Ensembles aufgeführt wie dem ELISION Ensemble, musikfabrik, Ensemble SurPlus, Jack Quartet und dem Ensemble Dal Niente. McCormack ist Doktorand an der Universität Harvard bei Chaya Czernowin, davor studierte er in Huddersfield bei Aaron Cassidy und Liza Lim. Wichtige Impulse erhielt er ausserdem durch Steven Takasugi, Roger Reynolds, Mark André, Claus-Steffen Mahnkopf, Amon Wolman, Jason Eckardt, Olga Neuwirth und Philippe Manoury. An der Hochschule für Musik Freiburg sowie an der Universität der Künste Berlin referierte er über seine Musik. Neben der Musik studiert McCormack auch zeitgenössischen Tanz mit Jill Johnson und arbeitete mit William Forsythe, John Jasperse, Christopher Roman und Riley Watts. www.timothy-mccormack.com Juliana Hodkinson geboren 1971, studierte an der Universität Kopenhagen bei Per Nørgård und Hans Abrahamsen und besuchte Meisterkurse bei Tristan Murail und Dieter Schnebel. Enge Zusammenarbeit mit dem Kammerensemble Neue Musik Berlin und Auftragskompositionen u.a. von Odense Symphony Orchestra, Lydenskab (Suså Festival, Denmark), Louisiana Museum of Modern Art, Konzerthaus am Gendarmenmarkt Berlin und Interfilm Short Film Festival. Preisträgerin der Danish Arts Foundation und des Berliner „Junge Ohren Preis 2011“. Sie ist Kuratorin des Spor Festivals, künsterlische Beraterin der Chamber Made Opera in Melbourne und Mitglied der dänischen Musikzeitschrift Seismograf. www.julianahodkinson.net Taus Makhacheva geboren 1983 in Dagastan, erhielt den BA Fine Art (Studio practice and contemporary critical studies) am Goldsmiths College, University of London und studierte weiter New Strategies in Contemporary Art am Institute of Contemporary Art in Moskau, 2013 erhielt sie den Master Fine Art am Royal College of Art London. Ausstellungen u.a. an der 55. Biennale Venedig 2013, 7. Liverpool Biennale 2012, Moskau Museum of Modern Art, Rizzordi Art Foundation St. Petersburg, Laura Bulian Galerie Mailand, Calvert 22 London, HERE Art Center New York, PERMM Museum of contemporary art Perm und dem Kalmar Konstmuseum Sweden. Sie ist Preisträgerin des Innovation Prize 2012, new generation category, winner, National Center for Contemporary Art, Moscow. Interview on Sotheby's TV: www.youtube.com/watch?v=vfBFDCF8_Ck 14 Shana Moulton geboren 1976, studierte an der University of California, Berkeley, CA, der MFA, Carnegie Mellon University Pittsburgh, der Skowhegan School of Painting and Sculpture und an den De Ateliers in Amsterdam. Zahlreiche Einzelausstellungen, u.a. im Yerba Buena Center for the Arts, San Francisco (2015), Smack Mellon Brooklyn NY, Fondazione Morra Greco Neapel, Galerie Crèvecœur Paris, Gimpel Fils Gallery London, Galeria Arsenał Białystok (PL), Galerie Gregor Staiger Zürich, white.fish.tank, Ancona, Galerie Fons Welters Amsterdam, The Wexner Center for the Arts in Cleveland und der David Castillo Gallery in Miami. Sie erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen wie den Creative Capital Grant / Finishing Funds, Experimental Television Center, New York, NY / Emergency Grant, The Foundation for Contemporary Arts, New York, NY / Kunsthuis SYB, Beetsterzwaag, The Netherlands / NYFA Grant, New York / Western Front, Vancouver, Canada und das Van Lier Fellowship, Harvestworks, New York. Ausführliche Künstlerbiografie und Dokumentation unter: www.shanamoulton.info Max Murray geboren 1980. Der Komponist und Tubist Max Murray schloss sein Diplom im Fach Komposition an der University of Victoria British Columbia Canada mit Auszeichnung ab. Danach führte er sein Studium an der Musikhochschule Berlin und an der Musikhochschule Leipzig weiter. Max Murray arbeitete beim Experimentalstudio des SWR, an der Staatskapelle Berlin und beim Lucerne Academy Orchestra. Schriften über Musik publizierte er in der Zeitschrift Kunstmusik. http://forma-leipzig.de/personen/max-murray/ Camillo Paravicini Bildender Künstler, geboren 1987 in Luzern. Studien an der Glasgow School of Arts und der écal Lausanne. Ausstellungen u.a. bei Arratia/Beer Berlin, Kunstmuseum Luzern, Roche Basel, Swiss Art Awards Basel, Northern Gallery for Contemporary Art in Sunderland, Kunsthaus Baselland, sic! Luzern. Preis der Kiefer Hablitzel Stiftung und Werkbeitrag von Stadt und Kanton Luzern. Ausführliche Künstlerbiografie und Dokumentation unter: www.camilloparavicini.com Michael Pelzel geboren 1978, Klavier-und Kompositionsstudien an den Musikhochschulen von Luzern, Basel, Stuttgart, Berlin und Karlsruhe. Kompositionsstudien bei Dieter Ammann, Detlev Müller-Siemens, Georg-Friedrich Haas, Hanspeter Kyburz und Wolfgang Rihm. Meisterkurse u.a. bei Tristan Murail, Michaël Jarrell, Klaus Huber, Brian Ferneyhough, György Kurtàg und Helmut Lachenmann. Seine Kompositionen werden beispielsweise interpretiert von Klangkörpern wie dem ensemble recherche, Freiburg im Breisgau; klangforum wien; Arditti Quartet, London; ensemble intercontemporain, Paris; Linea Ensemble; Collegium Novum Zürich; Ensemble Phoenix, Basel; Symphonieorchester des Bayrischen Rundfunks. Seine Werke erklingen an Festivals wie Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik, Donaueschinger Musiktage, Wien Modern, Lucerne Festival, Art on Main in Johannesburg. Michael Pelzel erhielt mehrere Preise und Auszeichnungen, u.a. ist er Preisträger des Kompositionswettbewerb der Musica Viva, München; der Stiftung Christoph Delz, Basel; Jurgenson Competition Moskau; Music Today Seoul; Busoni-Kompositionspreis und erhielt das Elsa-Neumann-Stipendium des Landes Berlin, UdK. www.michaelpelzel.ch Dr. Philipp Schulte geboren 1978, studierte Angewandte Theaterwissenschaft an der Universität Bergen (Norwegen) und an der Justus-Liebig_Universität Giessen, wo er 2005 als Diplom-Theaterwissenschaftler abschloss. Dort promovierte auch zum Thema "Identität als Experiment", unterstützt von der Graduiertenförderung des Landes Hessen. Die Dissertation ist 2011 in der Reihe „Studien zu den performativen Künsten“ im Verlag Peter Lang erschienen. Seit 2007 arbeitet Philipp Schulte als Referent für die Hessische Theaterakademie in Frankfurt/M. sowie als freier Autor und Dramaturg u. a. für das Performancekollektiv Monster Truck (Berlin), für Susanne Zaun (Frankfurt/ M.), Andreas Bachmaier (Amsterdam) und Mamoru Iriguchi (London). 15 Seit 2009 ist Philipp Schulte wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen, 2012 und 2013 leitete er den Internationalen Festivalcampus der Ruhrtriennale. Er hat zahlreiche Aufsätze veröffentlicht und ist Mitherausgeber der Bände Die Kunst der Bühne. Positionen des zeitgenössischen Theaters, erschienen 2011 bei Theater der Zeit, sowie Thinking – Resisting – Reading the Political, erschienen 2012 bei diaphanes. Niklas Seidl geboren 1983, studierte in Leipzig, Wien und Köln Komposition, Cello sowie Barockcello. Sein Interesse an der zeitgenössischen Musik brachte ihn als Cellist zu regelmäßigen Gastauftritten bei Ensembles wie Klangforum Wien, Ensemble musikFabrik, Stuttgarter Vocalsolisten, Ensemble ascolta, ensemble SurPlus, Thürmchen Ensemble, SCHOLA Heidelberg, dem HRSymphonieorchester sowie diversen Kammermusik- und Solokonzerten. Er ist Gründungsmitglied des Kammermusikensembles „hand werk“ in Köln sowie von „leise dröhnung“ in Frankfurt. Preise & Stipendien: 2012 Staubach-Honoraria Darmstadt; 2012 Bernd-Alois-ZimmermannStipendium der Stadt Köln; 2013 1.Preis Ensemblia-Wettbewerb der Stadt Mönchengladbach; 2014 Stipendiat Künstlerhof Schreyhahn. www.niklasseidl.eu Francisco Sierra Bildender Künstler und Musiker, geboren 1977 in Santiago de Chile. Violinstudium an der Hochschule Utrecht, Niederlande, Malerei im Selbststudium. Einzelausstellungen u.a. im Kunsthaus Aarau, Kunsthaus Langenthal, Kunstmuseum St. Gallen, Kunstmuseum Solothurn, Galeria Bacelos Madrid, Willhelm Hack Museum Ludwigshafen am Rhein und der Galerie Gregor Staiger in Zürich. Preise und Stipendien, Auswahl: Eidgenössicher Kunstpreis, Manor Kunstpreis St. Gallen, Atelierstipendium Landis&Gyr in London und mehrfacher Preisträger der Kiefer Hablitzel Stiftung. Ausführliche Künstlerbiografie und Dokumentation unter: www.fsierra.com Lars Werdenberg geboren 1979 in Basel. Früher Theorie- und Kompositionsunterricht und Studium an der Musikhochschule Basel bei Jürg Wyttenbach (Klavier) und Detlev Müller-Siemens (Komposition). Meisterkurse bei Pierre-Laurent Aimard, Helmut Lachenmann, Klaus Huber und Beat Furrer. 1998 und 2000 Besuch der Internationalen Ferienkurse für Neue Musik, Darmstadt. 2009 ResidentStudent bei den Ostrava Days for New Music Aufführungen in Europa, Australien und Asien (Goethe-Institut) Gewinner des Geraer Orchesterpreises und der Stuttgarter Orchesterwerkstatt des SWR. 2008 auf Vorschlag von Peter Eötvös Stipendiat im „Herrenhaus Edenkoben“. Vorstandsmitglied der IGNM Basel und Mitbegründer der „Chaotic Moebius“ Plattform für Neue & Experimentelle Musik. www.larswerdenberg.ch Stefan Wirth geboren 1975. Klavier-Studium bei Hadassa Schwimmer und Liedgestaltung bei Irwin Gage an der Hochschule der Künste Zürich. Mitglied des Ensemble Contrechamps und dem Collegium Novum Zürich. Kompositionsstudien in den USA bei Michael Gandolfi, P.Q Than und bei Oliver Knussen und Colin Matthews in Aldeburgh, England und war Stipendiat bei den Tanglewood Summer Courses, wo er mit George Benjamin arbeiten konnte. Mehrfacher Preisträger als Pianist und Komponist. Stefan Wirth erhielt Aufträge von Collegium Novum Zürich, Münchener Kammerorchester, Ensemble Makrokosmos, Ensemble ö, Ensemble Aequatuor sowie vom Westdeutschen Rundfunk für die Wittener Tage für neue Kammermusik, von der Ruhr-Triennale und dem Lucerne Festival. 2011 veranstaltete das Ensemble Contrechamps ein Porträtkonzert über ihn (zusammen mit Stefano Gervasoni). Seine Werke wurden zwei Mal in die Grammont Séléction des Labels ‹Musiques Suisses› aufgenommen, auf der jeweils die besten Schweizer Uraufführungen des Jahres vereinigt werden. Zudem hat Stefan Wirth als Pianist, Komponist und Arrangeur für verschiedene Musiktheater-Produktionen mit Regisseuren wie Christoph Marthaler und Frank Castorf zusammengearbeitet. Weitere Informationen auf Musinfo: www.musinfo.ch 16 Noëlle-Anne Darbellay und Samuel Stoll haben sich in ihrem Interesse an Musiktheater, Improvisation, Performance und Überschreiten der instrumentalen Grenzen durch Stimme oder durch Umbau des Instrumentes getroffen. Komponisten wie Jürg Wyttenbach, Manos Tsangaris, Stephen Crowe und Aleksander Gabrys haben für sie geschrieben. Sie traten u.a. im Kunstmuseum Bern, Museum PasquArt Biel, Volksroom Brüssel, am Theater am Gleis Winterthur, Performancefestival im Art Space Rondeel Maastricht, Brunel University London und in der Dampfzentrale Bern auf und realisierten installative und performative Interventionen im zeitgenössischen Kunstkontext im Kunstmuseum Solothurn, Museum für Gegenwartskunst Basel, Kunstmuseum Thun und dem Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen am Rhein. Ihr multimediales Projekt "The Mistake I Am", welches in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler Francisco Sierra entstand, fand mit 13 Konzerten in der Schweiz und Europa grossen Anklang und wurde auf SRF2 Kultur ausgestrahlt. Seit 2013 bilden Stoll/Darbellay/Sierra das Kollektiv Jetpack Bellerive. NoëlleAnne Darbellay, Violine 1980 in Bern geboren. Sie studierte bei Karen Turpie an der Hochschule der Künste Utrecht in den Niederlanden und an der Hochschule für Musik Genf bei Stefan Muhmenthaler. Seit Abschluss ihrer Studien ist sie seine Assistentin im Bereich der zeitgenössischen Violinliteratur. Wichtige Impulse erhielt sie von David Takeno, Felix Andrievsky, Bruno Canino, Siegfried Palm und für die Barockvioline von Julia Schröder. Als Solistin trat sie u.a. mit der Sinfonietta Luxembourg in der Philharmonie Luxembourg, an den ISCM World New Music Days, Music Documents Tokyo, am Musiksommer Ernen, New Music Festival Krakau und dem Festival International de Musique Sion Tibor Varga auf. Rege Konzerttätigkeit als Kammermusikerin und spielt mit dem Kammerorchester Basel, Nouvel Ensemble Contemporain, Gstaad Festival Orchestra, der Freitagsakademie und den Chamber Aartists. Noëlle-Anne Darbellay brachte zahlreiche Kompositionen für singende und sprechende Geigerin zur Uraufführung. Einladungen für Performances u.a. von der Albertina Wien, Museum der Moderne Salzburg, Centre Dürrenmatt Neuchâtel und dem Jürg Wyttenbach Festival „vrrruckt“, Produktionen auf Espace2, SRF und am Deutschlandfunk. 2011 erhielt sie den Anerkennungspreis der Musikkommission des Kantons Bern. www.noelledarbellay.com Samuel Stoll, Horn Geboren 1979, lebt und arbeitet in Berlin und Bern. Er studierte Horn bei Jakob Hefti an der Musikhochschule Luzern, Experimentelles Musiktheater bei Georges Aperghis und Musikpädagogik bei Markus Oesch an der Hochschule der Künste Bern. Er ist freiberuflicher Musiker, Performer und Musiklehrer und ist Mitglied von ensemble apparat, Ensemblekollektive Berlin, dem Künstlerkollektiv _Nego, Ensemble Tzara und dem Ensemble Linea. Samuel Stoll ist zudem regelmäßiger Gast in den Ensembles Klangforum Wien, Kammerensemble Neue Musik Berlin, MusikFabrik Köln, Collegium Novum Zürich und dem Ensemble Phoenix. Als Performer und Musiker war er als Gast bei Theater Produktionen am Stadttheater Bremerhaven und Staatstheater Karlsruhe zu sehen. Er spielt auf einem mikrotonalen Horn welches in Zusammenarbeit der Hochschule der Künste Bern und Konrad Burri entstanden ist. 2011 war er als Auslandsstipendiat des Kantons Bern für 6 Monate in New York. www.samuelstoll.com 17 Pressestimmen Noëlle-Anne Darbellay und Samuel Stoll Das Duo Noëlle-Anne Darbellay und Samuel Stoll gastierte auf Einladung des Vereins Kulturraum Hirzenberg. Von einem Konzert zu sprechen trifft die Sache nämlich nur teilweise. Vielmehr gaben sich Musikalisches, theatralische Elemente, Wortakrobatik, Video-Einspielungen und sogar ein per Bauchredner animiertes Krokodil die Hand und verbanden sich zu einer durchgehenden, gut einstündigen Aufführung, in welcher auch der Humor nicht zu kurz kam. Daneben wurde aber auch viel fürs Ohr geboten. Die Kompositionen nutzten Violine und Horn oft als Schallquellen für unterschiedlichste Lautäusserungen, bisweilen verstärkt durch fantasievollen Einsatz der Stimmen. Auch Live-Elektronik kam dabei zum Einsatz; etwa in der köstlichen Demontage von Vivaldis Jahreszeiten, welche vom als «Nicht-Geiger» auftretenden Hornisten in Grund und Boden gespielt wurde. Als Dritter im Bunde wirkte Francisco Sierra mit. Von Haus aus eigentlich ein begnadeter Maler, zeichnete er hier für die Technik und die Videos verantwortlich, lieh besagtem Krokodil aber auch als Bauchredner seine Stimme. Das Programm, welches im Beisein der beiden Komponisten Jean-Luc Darbellay und Aleksander Gabrys beim Publikum grossen Anklang fand, lieferte anregenden Gesprächsstoff. Zofinger Tagblatt, (YSEA), 26.2.2013 Noëlle-Anne Darbellay und Samuel Stoll zeigen erstaunliche Fähigkeiten und Fertigkeiten und einen uneingeschränkten Einsatz für die acht Komponisten und acht musikalischen Werke, die zur Aufführung gelangen. Francisco Sierra steuert visuelle Beiträge auf dem Bildschirm bei oder beteiligt sich live als Bauchredner. Die einzelnen Beiträge zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Vielfalt aus. Das Publikum wird immer wieder überrascht und gefesselt. Das "Experiment", im Kunsthaus auch darstellende Künste zu präsentieren, ist an diesem Abend, im vollen Museum PasquArt in Biel, geglückt. Bieler Tagblatt, 11.3.2013 [...] erlebte man die faszinierende singende Geigerin Noëlle-Anne Darbellay. Sie packte ihr wunderbarstes Berndeutsch aus und entlockte ihrer Geige die erlesen schönsten Töne. Dass neue Musik nur das Hässliche zelebriere – hier stimmt das definitiv nicht. Basler Zeitung, 18.3.2010 Richtig gut aber ist, wie der Musiker Samuel Stoll aus der Deckung eines Zeltes heraus im herzerfrischendsten Schwyzerdütsch einen tapsigen Meta-Kommentar und Making-Of-Text zum Ganzen liefert, der Christoph Marthaler und Ruedi Häusermann gefallen hätte. Süddeutsche Zeitung, 18.1.2010 Noëlle-Anne Darbellay profiliert sich zunehmend als Spezialistin für avantgardistische Violinmusik, namentlich im Zusammenhang mit Performance-Elementen. Sie kommt auf dieser CD mehrfach zum Zug, etwa in „B-A-C-H“ für Violine solo. Bemerkenswert sind auch „Sadia“ und „Incident Room“, die Violinklang und Stimme (Texte von Béatrice Libert und Ken Edwards) kombinieren. Eindrücklich ist, wie hier facettenreiche Dialoge von einer Person realisiert werden – nicht zuletzt eine beträchtliche technische Herausforderung. Musik und Theater, 6. Juni 2012, Stephan Thomas Die überragenden technischen Fähigkeiten der jungen Geigerin werden nicht nur bei den klassischen virtuosen Kunstgriffen offenbar. Zudem verfügt sie über eine bühnenreife Sprechstimme [...] ein musikalisches Vergnügen auf höchstem Niveau. Lippisches Kultur-Journal, Detmold, 26.9.2012 18 19 Kontakt Noëlle-Anne Darbellay und Francisco Sierra Cotterd 27 CH-1585 Cotterd +41 76 430 53 70 +41 21 601 96 58 info@noelledarbellay.com www.noelledarbellay.com www.fsierra.com Samuel Stoll Schlegelstr. 30 D-10115 Berlin +41 79 545 32 21 +49 3074691440 samuel.stoll@gmail.com www.samuelstoll.com Abbildungen: S. 1: aus der Serie "Les obstacles" 2012/2013 von Francisco Sierra, Kugelschreiber auf Papier S. 4: Flyer zur Europatournee The Mistake I Am, Foto: Camillo Paravicini Konzert Volksroom Brüssel, Foto: David Röthlisberger S. 9: Konzert Lumiere London, "counter exposition" von Georgy Dorokhov für 2 DVD's und 2 Bögen; Performance "Massepain" mit Francisco Sierra im Kunstmuseum Bern zur Ausstellung "Merets Funken", November 2012, Fotos: David Röthlisberger S. 13: Konzert Müszi Budapest, Fotos: David Röthlisberger S. 19: Konzert Lumiere London, aus dem Video zu The Mistake I Am von Camillo Paravicini, Foto: David Röthlisberger; Performance Dampfzentrale Bern, Juni 2011, mit Stephen Crowe und Francisco Sierra, Foto: Amaury Berger S. 21: Plakat zum Projekt Bestiarium Fortune Square 20 21