Spätfolgen nach Frontzahntrauma im Milchgebiss

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Spätfolgen nach Frontzahntrauma im Milchgebiss
FALLBERICHT / CASE REPORT
I.M. Schüler1,2, U. Kraft2, R. Heinrich-Weltzien1
Spätfolgen nach Frontzahntrauma im
Milchgebiss – Fallbericht
Sequelae after injuries of primary anterior front teeth – Case report
Posttraumatische Entwicklungsstörungen der bleibenden
Dentition nach Milchzahnverletzungen stellen sowohl diagnostische als auch therapeutische Herausforderungen
für den Zahnarzt dar. Der vorliegende Fall zeigt die Spätfolgen eines Frontzahntraumas im Alter von etwa eineinhalb Jahren. Die seit Jahren im Durchbruch stagnierenden mittleren oberen Schneidezähne einer 9-jährigen
Patientin wiesen ausgeprägte Formanomalien der klinischen Zahnkrone auf, die Ursache für den Misserfolg
der endodontischen Therapie waren. Die langzeitige
fachgebietsübergreifende Betreuung der Patientin wird
anhand des kieferorthopädisch indizierten orthodontischen Lückenschlusses und der nachfolgenden adhäsiven Umgestaltung der seitlichen Schneidezähne sowie
der Eckzähne aufgezeigt.
Posttraumatic sequelae of permanent dentition after injuries of primary teeth are challenging the dentist from
the diagnostic as well as therapeutically point of view.
The presented case shows the late effects after traumatic
injuries of primary anterior teeth at the age of one and a
half years. The upper central incisors, which stagnated in
the process of eruption for years, showed pronounced
malformations of the clinical crown. Due to this structural malformations the endodontic treatment was carried out unsuccessfully. Long-term care and cross-departmental approach and collaboration is needed for this
complex therapy as shown in this case report in order to
close the gap with orthodontic treatment and to remodel the upper lateral incisors and canines with adhesive
technique.
Schlüsselwörter: Milchzahntrauma; Frontzahntrauma;
Spätfolgen nach Milchzahntrauma; Strukturstörung
Keywords: dental trauma; primary teeth; developmental
disorders; permanent teeth; sequelae
1
Poliklinik fûr Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde (komm. Direktor: Prof. Dr. H. Küpper), Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde am Universitätsklinikum Jena
Poliklinik für Konservierende Zahnheilkunde (komm. Direktor: PD. Dr. Dr. B. W. Sigusch), Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde am Universitätsklinikum Jena
2
DOI 10.3238/OPKZH.2010.0130
130
© Deutscher Ärzte-Verlag, Köln
Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 32 (2010) 3
I.M. Schüler, U. Kraft, R. Heinrich-Weltzien:
Spätfolgen nach Frontzahntrauma im Milchgebiss – Fallbericht
Sequelae after injuries of primary anterior front teeth – Case report
Einleitung
Traumatisch bedingte Veränderungen
der Milchzähne betreffen vorrangig die
Frontzähne des Oberkiefers, etwa fünfmal häufiger als die des Unterkiefers [5].
In der Literatur wird eine Prävalenz bis
zu 45 % angegeben [6]. Milchzahnverletzungen und deren Folgeschäden können durch die enge Lagebeziehung zu
den Zahnkeimen der bleibenden Dentition die Entwicklung und den Durchbruch bleibender Zähne negativ beeinflussen oder auch verhindern. Speziell
intrusive und laterale Dislokationsverletzungen bergen dieses Risiko. Der Erhalt verletzter Milchzähne ist nur dann
indiziert, wenn keine Gefahr für die benachbarten Zahnkeime besteht [10]. Die
Häufigkeit von Entwicklungsstörungen
der bleibenden Zähne als Folge posttraumatischer Milchzahnverletzungen wird
in der Literatur zwischen 23 % und 41 %
angegeben [9]. Sie umfassen Schmelzhypoplasien, Dilazerationen, Wurzelfehlbildungen bis hin zu Odontomähnlichen Missbildungen [1]. Der Schweregrad ist abhängig vom Alter des Kindes
zum Zeitpunkt der Verletzung bzw. dem
Stadium der Zahnkeimentwicklung, der
Art der Verletzung sowie der Richtung
und Intensität der Krafteinwirkung [3,
8]. Zwei Drittel der Kinder, die bis zum 3.
Lebensjahr ein Milchzahntrauma erlitten, zeigten Entwicklungsstörungen an
den nachfolgenden bleibenden Zähnen
[8]. Neben einer primären Keimschädigung kann es durch posttraumatische
periapikale Infektionen auch zu sekundären Schädigungen kommen, die entwicklungsbedingt erst Jahre nach dem
Milchzahntrauma an den bleibenden
Zähnen diagnostizierbar sind. Daher
kommt der Diagnostik und Therapie
verletzter Milchzähne, gefolgt von klinischen und radiologischen Kontrollen
bis zur Einstellung der bleibenden Zähne besondere Bedeutung zu.
Der vorliegende Fall zeigt die Folgen
und die Behandlungsstrategie eines
Frontzahntraumas im Alter von eineinhalb Jahren an den bleibenden mittleren Schneidezähnen bei einer 9-jährigen Patientin auf.
Anamnese
Abbildung 1 Klinische Situation der 9-jährigen Patientin
Abbildung 2 Zahnfilm 11 und 21
bei Erstvorstellung.
bei Erstvorstellung.
Figure 1 Clinical situation of the 9-year-old patient at first
Figure 2 Dental radiography of 11
visit.
and 21 at first visit.
Abbildung 3 Operative Entfernung des
Abbildung 4 Zustand nach operativer Entfer-
fehlgebildeten Zahnkeims 11.
nung 11, Fistelbildung am Zahn 21 (Pfeil).
Figure 3 Extraction of the malformated tooth
Figure 4 Clinical situation after extraction of
11.
11, fistula at tooth 21 (Arrow).
Abbildung 5 Röntgenmessauf-
Abbildung 6 Zustand nach Extraktion des Zahnes 21.
nahme des Zahnes 21.
Figure 6 Clinical situation after extraction of tooth 21.
Figure 5 Radiography for endo-
Im Januar 2008 stellte sich die 9-jährige Patientin mit ihrer Mutter im Be© Deutscher Ärzte-Verlag, Köln
dontic measurement of tooth 21.
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Abbildung 7a Fehlgebildeter Zahnkeim 11 –
Frontalansicht.
Figure 7a Malformated tooth 11 – frontal view.
Abbildung 7b Fehlgebildeter Zahnkeim 11 –
Seitenansicht.
Figure 7b Malformated tooth 11 – lateral view.
Abbildung 7c Saggitalschnitt des fehlgebildeten Zahnkeims 11.
Figure 7c Saggital section of the malformated
tooth 11.
Abbildung 8a Extrahierter Zahn 21; Dentikel
aus dem Pulpenkavum des Zahnes 21.
Figure 8a Extracted tooth 21; Denticle from
the pulpal cavum of tooth 21.
Abbildung 8 b Strukturstörung am frakturierten Kronenanteil des Zahnes 21.
Figure 8b Developmental disturbance of the
fractured crown segment of tooth 21.
Abbildung 8c Saggitalschnitt des Zahnes 21.
Figure 8c Saggital section of tooth 21.
Abbildung 8d Polarisationsmikroskopische
Ansicht des Schliffpräparates von Zahn 21.
Figure 8d Saggital section of tooth 21 – polarized light microscopic image.
reitschaftsdienst des Zentrums für
Zahn-, Mund und Kieferheilkunde des
Universitätsklinikums Jena mit einer
Überweisung aus dem städtischen Notdienst vor. Sie gab an, dass sie den Notdienst einige Tage zuvor mit Schmerzen
im Frontzahnbereich und einer Schwellung an der Oberlippe aufsuchte. Laut
Überweisung wurde ein Abszess in regio
12–22 inzidiert, eine Drainage für zwei
Tage gelegt und ein Antibiotikum verabreicht. Die Mutter der Patientin zeigte sich weiterhin beunruhigt über den
persistierenden Zahndurchbruch der
mittleren Schneidezähne im Oberkiefer. Sie berichtete, dass seit Jahren der
Durchbruch des linken Schneidezahnes
stagnierte und der rechte noch gar
nicht durchgebrochen sei, obwohl die
Schleimhaut in dieser Region aufgetrieben ist. Auf Nachfragen berichtete sie
132
von einem Frontzahntrauma ihrer
Tochter im Alter von etwa eineinhalb
Jahren durch einen Sturz auf den Rollerlenker. An den Zeitraum zwischen Unfall und Extraktion der verfärbten
Milchzähne 51 und 61 konnte sich die
Mutter nicht erinnern; auf jeden Fall
hätten einige Monate zwischen dem
Sturz und der Extraktion gelegen. Nach
Aussagen der Mutter hatte der Hauszahnarzt bisher keine Behandlungsmaßnahmen auf Grund des fehlenden
Zahnes 11 und des seit Jahren stagnierenden Durchbruchs des Zahnes 21 ergriffen.
Befund
Das klinische Bild zeigte eine leichte
Schwellung der Oberlippe, einen
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noch nicht durchgebrochenen Zahn
11 und ein nach labial abgeknicktes
Kronenfragment des Zahnes 21, das
weniger als ein Drittel der gesamten
klinischen Kronenlänge maß. Die
seitlichen Schneidezähne waren regelrecht und dem Alter entsprechend
durchgebrochen (Abb.1). An den Zähnen 74 und 75 wurden kariöse Läsionen diagnostiziert. Der von der Patientin mitgebrachte Zahnfilm ließ in
regio 11 einen fehlgebildeten Zahnkeim und in regio 21 einen regelrecht
ausgebildeten Zahn mit einem hartgeweblich verbundenen abgewinkelten
Kronenfragment erkennen, welcher
auch klinisch sichtbar war. Das koronale Pulpenkavum wies einen röntgendichten kugelförmigen Schatten
auf; eine apikale Aufhellung lag nicht
vor (Abb. 2).
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aufbereitet. Nach
der Röntgen-Messaufnahme (Abb. 5)
wurde die Arbeitslänge um minus
0,5 mm korrigiert.
Der Wurzelkanal
wurde mit 2%igem
Wasserstoffperoxid
und 3%igem Natriumhypochlorit
gespült und mit einer medikamentöAbbildung 9 Eingegliederte temporäre Kinderprothese zum Ersatz von
sen Einlage (wässri11 und 21.
ge KalziumhydroFigure 9 Clinical situation after prosthetic replacement of teeth 11
xidsuspension) versehen. Der Zahn
and 21.
wurde provisorisch
mit einem sterilen
Schaumstoffpellet,
Cavit als Zwischenschicht und Glasionomerzement verTherapieplanung
schlossen.
Nach fünf Tagen wurde eine erneute
Nach Absprache mit den Kieferchirurgen sollte der fehlgebildete Zahnkeim
leichte Schwellung und Pusentleerung
beobachtet. Unter dem Operationsin regio 11 operativ entfernt werden, da
als Abszessursache eine Schlupfwinkelmikroskop wurde ein Dentikel (Abb. 8a)
aus dem Pulpenkavum mit Hilfe von Ulinfektion mit dem Ursprung vom Zahn
traschall entfernt. Das Kanalsystem wur11 vermutet wurde und dieser Zahn keide mit 3%igem Natriumhypochlorit gene Aussicht auf einen regelrechten
spült und nachfolgend eine wässrige
Durchbruch hatte. Die Lücke 11 sollte
Kalziumhydroxidsuspension appliziert.
bis zur prothetischen Versorgung mit
einem Einzelzahnimplantat mit einer
Beide Prozeduren wurden nach weiteren
vier Tagen wiederholt. Die Patientin war
einseitig verankerten Adhäsivbrücke ofinzwischen beschwerdefrei, der Fistelfen gehalten werden. Für den Zahn 21
gang persistierte jedoch. Da auch 14 Tawurde die adhäsive Umgestaltung der
ge nach der Wurzelkanalaufbereitung
Zahnkrone avisiert.
der Fistelgang noch immer persistierte,
wurde nach Rücksprache mit dem KieTherapie
ferorthopäden die Indikation zur Extraktion des Zahnes 21 gestellt; 13 Tage
später wurde der Zahn vom KieferchirurDer fehlgebildete Zahnkeim in Form
von drei verbackenen Kronenanteilen
gen unter Lokalanästhesie entfernt. Die
Wundheilung verlief problemlos und
in regio 11 wurde unter Lokalanästhesie operativ entfernt. Am Zahn 21 wurdie Fistel bildete sich zurück. (Abb. 6)
de der mittlere Kronenanteil infolge
der Gingivaretraktion nach der WundHistologische Aufarbeitung
heilung sichtbar (Abb. 3). Die Patientin zeigte eine sehr gute Compliance.
und Befundung
Zwölf Tage post operationem konnte
eine gute Wundheilung beobachtet
Der fehlgebildete Zahnkeim 11 sowie
der Zahn 21 konnten nach Zustimwerden. Am Zahn 21 trat eine Fistelbilmung der Patientin bzw. deren Eltern
dung ein (Abb.4). Über die Fistel kam
histologisch aufbereitet werden.
es zur Pusentleerung, so dass eine endodontische Therapie umgehend einDie Herstellung der Längsschnitte
geleitet wurde.
und der planparallelen Dünnschnitte
Der Zahn 21 wurde unter Lokalanäs(ca. 100 µm) erfolgte mit dem Sägemithesie trepaniert, das Pulpengewebe entkrotom LEICA 1600 (Leica Microsysteme, Bensheim). Die Schnitte wurden
fernt und der Wurzelkanal manuell bis
mit dem Stereomikroskop Stemi 2000
ISO 60 mit einer Arbeitslänge von 21 mm
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und dem Polarisationsmikroskop JENAPOL b und der digitalen Fotoeinrichtung AxioCam/AxioVision (Carl Zeiss
MicroImaging GmbH, Jena) unter Verwendung des Imbibitionsmediums
Ethanol (100%) bzw. Aqua bidest. ausgewertet und dokumentiert.
Die Aufbereitung des fehlgebildeten
Zahnkeims von regio 11 lässt eine irreguläre Struktur der Zahnhartsubstanzen erkennen. Im koronalen Bereich
befindet sich ein Schmelzmantel, ein
Dentinkern und ein rudimentäres Pulpenkavum; daran schließt sich eine zementoid-ossäre Struktur an (Abb. 7a,
7b, 7c). Zentral erstreckt sich ein unregelmäßiger Hohlraum, ein weiteres Pulpenkavum, das sich bis in den apikalen
Bereich fortsetzt. Labial an der apikalen
Verengung dieses Hohlraumes lässt sich
eine weitere inselförmige zementoidossäre Struktur in Dentin eingebettet
erkennen. Der apikale Bereich des
Mehrfachgebildes zeigt ein nach labial
offenes glockenförmiges, ca. 100° nach
labial abgewinkeltes Anhängsel. Die
Fraktur des abgeknickten Kronenanteils
am Zahn 21 offenbarte eine strukturgestörte Zahnhartsubstanz entlang der
Frakturlinie (Abb. 8a, 8b, 8c, 8d). An
beiden Präparaten sind Strukturstörungen und zementoid-ossäre Einschlüsse
an der Verbindungsregion der verschiedenen Kronenanteile sichtbar.
Die therapierefraktäre Fistelbildung
und die Auswertung der histologischen
Schnittpräparate lassen vermuten, dass
mikrostrukturelle Kommunikationen
zwischen dem Pulpakavum und der
Mundhöhle bestanden haben, die weder klinisch noch radiologisch diagnostizierbar waren.
Therapieziel
Die durch den Behandlungsverlauf revidierte Therapieplanung zielt nunmehr auf einen orthodontischen Lückenschluss mit nachfolgender adhäsiver Umgestaltung der seitlichen
Schneide- und der Eckzähne, sowie die
erforderlichen Ausgleichsextraktionen
im Unterkiefer ab.
Um bis zum Beginn der orthodontischen Behandlung die Ästhetik, Abbeißfunktion, sowie Sprach- und Lautbildung der Patientin zu gewährleisten,
wurde eine Kinderprothese zum Ersatz
der oberen mittleren Schneidezähne
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Abbildung10 OPG: Strukturstörung an den Zahnwurzeln aller ersten
Abbildung11a OK-Übersicht: Zahnkronen 16 und 26 klinisch unauf-
bleibenden Molaren erkennbar.
fällig.
Figure 10 Orthopantomography with visible malformations of all roots-
Figure 11a Clinical view of the upper jaw: crowns of 16 and 26 without
of the first permanent molars.
any visible abnormality.
eingegliedert (Abb. 9). Die Patientin hat
den temporären Zahnersatz gut inkorporiert.
Als Zufallsbefund wurden im Orthopantomogramm (Abb. 10) pfahlartige Wurzeln aller 6-Jahr-Molaren beobachtet, die als eine Form von Taurodontismus [2] interpretiert wurden. Das klinische Bild der Zahnkronen ist unauffällig (Abb. 11a, 11b).
Da im Unterkiefer Ausgleichsextraktionen notwendig sind, wird die
Entfernung der Zähne 36 und 46 mit
nachfolgendem kieferorthopädischen
Lückenschluss der zweiten Molaren diskutiert. Für den orthodontischen Lückenschluss im Frontzahngebiet des
Oberkiefers müssen die verbliebenen
Zähne über eine relativ weite Distanz
bewegt werden.
Als alternative Therapiemöglichkeit
wurde auch die Eingliederung einer Klebebrücke zum Ersatz der fehlenden
mittleren Schneidezähne im Oberkiefer
in Betracht gezogen. Bei dieser Option
ist aber mit einer raschen Rückbildung
des Alveolarknochens auf Grund des
jungen Alters der Patientin zu rechnen,
sodass diese Option als eine ungünstige
Lösung angesehen wurde. Vor der Implantatinsertion wäre eine lokale Augmentation von Knochen unumgänglich.
Um den Knochenverlust bis zu einer
Implantatversorgung zu reduzieren,
wurde auch eine Transplantation der
Milcheckzähne diskutiert. Jedoch lässt
die über längere Zeit persistierende In-
134
fektion der periapikalen Gewebe am
Zahn 21 und die
ungünstige Form
der postoperativen
Alveole nach Entfernung des missgebildeten Zahnkeimes 11 eine ungünstige Prognose
der transplantierten Milcheckzähne
erwarten [7].
Unter
Abwägung des Verhältnisses
AufwandNutzen der möglichen Therapievarianten wurde dem
orthodontischen
Lückenschluss der
Vorzug gegeben.
Abbildung11b UK-Übersicht: Zahnkronen 36 und 46 klinisch unauffällig.
Figure 11a Clinical view of the lower jaw: crowns of 36 and 46 without
any visible abnormality.
Alle Abbildungen: Schüler
Schlussfolgerung
Der Fall verdeutlicht die schwerwiegenden Spätfolgen eines Frontzahntraumas im Milchgebiss für die bleibenden
mittleren Frontzähne sowie die erforderlichen komplexen und fachgebietsübergreifenden Therapieoptionen. Bei
dieser Patientin dürfte neben der primären traumatischen Zahnkeimschädigung auch eine sekundäre Schädigung
durch die posttraumatische(n) Infektion(en) vorgelegen haben, die sich therapierefraktär erwiesen. Mehrere kli© Deutscher Ärzte-Verlag, Köln
nische Befunde wurden bei der Patientin nicht ausreichend beachtet:
1. der Vitalitätsverlust der traumatisierten Milchzähne mit nachfolgender
infektiöser Komplikation,
2. der über viele Monate im Durchbruch stagnierende Zahn 21 und
3. der nicht durchbrechende Zahn 11.
Durch ein adäquates leitlinienbasiertes Recall [3] wäre die periapikale Infektion und Abszedierung einschließlich der späteren Fistelbildung an den
beiden Schneidezähnen vermeidbar gewesen.
Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 32 (2010) 3
I.M. Schüler, U. Kraft, R. Heinrich-Weltzien:
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Interessenkonflikte: keine angegeben
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Sennhenn-Kirchner S, Jacobs HG: Traumatic
07743 Jena
196–202 (2007)
injuries to the primary dentition and effects on
Tel.: 03641 / 934570
Heidemann D: Endodontie, Urban und Fischer
the permanent successors – a clinical follow-
Fax: 03641 / 934573
Verlag, München 2001, 200–203
up study. Dent Traumat 22, 237–241 (2006)
E-Mail: Ina.Schueler@med.uni-jena.de
dentition. Dent Traumat 22, 226–230 (2006)
2.
nover, 1989, 92
3.
7.
8.
injuries. III. Primary teeth. Dent Traumat 23,
4.
■ Korrespondenzadresse
9.
NOTIZEN / NOTES
Ausschreibung:
Wrigley Prophylaxe Preis 2011
Wrigley Oral Healthcare Programs stiftet für 2011 wiederum den mit 10.000 Euro dotierten Wrigley Prophylaxe Preis!
Wissenschaftler und Praktiker,
die sich mit der Prävention oraler Erkrankungen sowie mit
der Erforschung der Zusammenhänge zwischen Mundund Allgemeingesundheit befassen, sind zur Bewerbung
aufgerufen. Der Preis steht traditionell unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung
(DGZ) und ist eine in zahnmedizinischen Kreisen hoch angesehene Auszeichnung. Einsendeschluss ist der 1. März 2011.
„Für uns Juroren ist es jedes Jahr eine
Freude, thematisch oft sehr heterogene
und gleichzeitig qualitativ hochwertige
Arbeiten beurteilen zu dürfen, auch
wenn die Entscheidung dadurch nicht
leicht fällt“, so Professor Joachim Klimek aus Gießen, Vorsitzender der fünf-
© Deutscher Ärzte-Verlag, Köln
Ärzten und Zahnmedizinern können sich auch Wissenschaftler aus
anderen
naturwissenschaftlichen
Fakultäten bewerben. Arbeiten aus
der Gruppenprophylaxe sowie Zusammenfassungen von Dissertationen sind ebenfalls willkommen. Die
Preisverleihung findet auf der nächsten DGZ-Jahrestagung vom 5. bis 7.
Mai 2011 in Düsseldorf statt.
Die aktuellen Teilnahmebedingungen können Sie im Internet abrufen unter www.wrigley-dental.de
oder anfordern bei: kommed Dr.
Bethcke, Ainmillerstraße 34, 80801
München, Fax: 089 / 33 03 64 03,
info@kommed-bethcke.de.
köpfigen unabhängigen Fachjury, am
Rande der Preisverleihung auf der letztjährigen DGZ-Jahrestagung in Hannover. Verliehen wird die Auszeichnung
seit 1993 für neue Erkenntnisse im Bereich der Forschung und der Umsetzung der zahnmedizinischen Prävention in der Praxis oder im öffentlichen
Gesundheitswesen. Neben Praktikern,
Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 32 (2010) 3
■
Wrigley Oral Healthcare Programs
Biberger Str. 18
82008 Unterhaching
Tel.: 0 89 / 66 51 00
Fax: 0 89 / 6 65 10–457
E-Mail: infogermany@wrigley.com
www.wrigley-dental.de
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