Veränderungen des Plaque-pH-Wertes bei Vorschulkindern nach
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Veränderungen des Plaque-pH-Wertes bei Vorschulkindern nach
ORIGINALARBEIT / ORIGINAL ARTICLE 1 2 N. Shakovetz , A. Borutta , S. Kneist 3 Veränderungen des Plaque-pH-Wertes bei Vorschulkindern nach Konsum eines probiotischen Trinkjoghurts Probiotica in caries prevention for preschool children Einleitung: Die zahnmedizinische Forschung befasst sich zeitgemäß damit, ob der Verzehr von Probiotika einen Beitrag zur Zahn- und Mundgesundheit leisten kann. Ziel der vorliegenden Untersuchung war die Bewertung einer regelmäßigen Einnahme des probiotischen Getränks „Marushia+7“ auf die Veränderungen des pHWertes der dentalen Plaque und auf die Keimzahlklassen von Mutans-Streptokokken und Laktobazillen im Speichel von Vorschulkindern. Probanden und Methoden: 17 Mädchen und 33 Jungen aus Minsk, Weißrussland, im Alter von 2–6 Jahren wurden randomisiert einer Test- (TG) und Kontrollgruppe (KG) zugeteilt; die Zähne der Kinder waren saniert. Kinder der TG (n = 25) tranken täglich morgens und abends je 100 ml (1 Fläschchen) „Marusya+7“ und Kinder der KG (n = 25) mit der gleichen Häufigkeit 100 ml Milch. Alle klinischen (dmft, Plaqueindex) Parameter, Mutans-Streptokokken und Laktobazillen im Speichel (CRTbacteria, Fa. Ivoclar Vivadent, Liechtenstein) und der pH-Wert in der Plaque (GC PlaqueIndikator Kit, Fa. GC, Japan) wurden zu Studienbeginn und 2 Tage nach der letzten Einnahme des Joghurts bzw. der Milch erneut bestimmt. Für die Signifikanzprüfung (SPSS, Version 17) der Parameter kamen der T-Test und der Mann-Whitney-U-Test zur Anwendung. Ergebnisse: Nach 2-wöchentlicher Einnahme des probiotischen Getränks bei den Kindern der Testgruppe konnten eine Erhöhung des Plaque-pH-Wertes und eine signifikante Verringerung der Keimzahlklassen von Mutans-Streptokokken und Laktobazillen im Speichel nachgewiesen werden. Schlussfolgerungen: Da die kurzfristige Einnahme des Getränks bei den Vorschulkindern zu einer Verringerung der kariogenen Speichelkeimzahlen und zu einer Reduktion der azidogenen Aktivität der Plaque führte, könnte eine regelmäßige Verabreichung die Kariesprävention unterstützen. Schlüsselwörter: Karies; Probiotika; Zahnplaque Introduction: Contemporary research in dentistry deals with the issue of the intake of probiotics making a beneficial contribution to dental and oral health. The aim of the study was to assess the effect of a daily intake of a probiotic drink on pH value in the dental plaque, and on the salivary counts of mutans streptococci and lactobacilli of preschool children. Test subjects and methods: 17 girls and 33 boys from Minsk, Byelorussia, aged 2–6 years, were randomly assigned to a test (TG) or control group (CG); the children’s teeth had been restored. Children in the CG (n = 25) drank daily in the morning and in the evening each 100 ml (1 bottle) “Marusya+7” and children in the CG (n = 25) drank with the same frequency 100 ml milk. All clinical (dmft, plaque index) parameters, salivary counts of mutans streptococci and lactobacilli (CRT bacteria, Ivoclar Vivadent, Liechtenstein), and the pH value in plaque (GC PlaqueIndikator Kit, GC, Japan) were determined at the beginning of the study and again two days after the last intake of yoghurt or milk. To analyze the parameters for significant differences between the two groups (SPSS, Version 17, Chicago, IL USA) the t test and the Mann-Whitney-U test were employed. Results: A significant decrease in total counts of salivary mutans streptococci and lactobacilli and an increase of dental plaque pH value occurred during the period of intervention in the test group. Conclusion: Since the short-time supplementation of probiotic drink resulted in a reduction of salivary mutans streptococci and lactobacilli counts and in a decreased acidogenic activity of dental plaque in preschool children, the regular intake of probiotics could support the caries prevention. Keywords: Dental caries; probiotics; dental plaque Zitierweise: Shakovetz N, Borutta A, Kneist S: Veränderungen des Plaque-pH-Wertes bei Vorschulkindern nach Konsum eines probiotischen Trinkjoghurts. Oralprophylaxe Kinderzahnheilkd 35, 120–126 (2013) DOI 10.3238/OPKZH.2013.0120–0126 1 Staatliche Belorussische Medizinische Universität, Minsk, Lehrstuhl für Kinderzahnheilkunde Universitätsklinikum Jena, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, WHO-Kollaborationszentrum “Prävention oraler Erkrankungen” (Direktor Prof. Dr. Dr. B. W. Sigusch) 3 Universitätsklinikum Jena, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Geschäftsführender Direktor Prof. Dr. H. Küpper), Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Biologisches Forschungslabor 2 120 © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 35 (2013) 3 N. Shakovetz et al.: Veränderungen des Plaque-pH-Wertes bei Vorschulkindern nach Konsum eines probiotischen Trinkjoghurts Probiotica in caries prevention for preschool children Einleitung und Zielstellung Dem Zahnarzt stehen heute zur Erhaltung der Zahngesundheit mannigfaltige Möglichkeiten zur Verfügung, die allerdings die Compliance des Patienten zur regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung und Beratung über zahngesunde Ernährung, regelmäßige Zahnund Mundhygiene einschließlich der Verwendung fluoridhaltiger Präparate voraussetzen. Die zahnmedizinische Forschung befasst sich darüber hinaus zeitgemäß damit, ob bei Verfügbarkeit probiotischer (bacteriocinogener) Bakterienstämme in der Mundhöhle eine Senkung der Keimzahlen von MutansStreptokokken im Speichel erreicht werden könnte. Auch die Förderung des Speichelflusses (Reduktion von C. albicans) bis hin zur Prävention von Mundschleimhauterkrankungen [25, 30, 32, 35] durch Probiotika wird diskutiert. Die Idee, dass Bakterien eine gesundheitsfördernde Wirkung haben, geht auf Metschnikoff zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Metschnikoff folgerte im Ergebnis seiner Arbeiten, dass die schädliche Wirkung von einigen Darmbakterien durch Milchsäurebakterien (aus bulgarischem Joghurt) aufgehoben und durch regelmäßigen Verzehr von Joghurt die Lebenserwartung erhöht werden könnte. Der positive Effekt der Milchsäurebakterien auf die Gesundheit ist heute untermauert [8, 18]. Mikroorganismen mit gesundheitsfördernden Eigenschaften werden heute als „probiotisch“ beschrieben. Sie können als Lebensmittelbestandteil oder in Form einer Nicht-Lebensmittelpräparation aufgenommen werden. Nach aktueller Definition gelten als Probiotika „lebende, definierte Mikroorganismen, die nach ihrem Verzehr gesundheitsfördernde Effekte ausüben, die über das Maß der Grund gegebenen physiologischen Effekte hinausgehen“ [7]. Da das allgemeine Gesundheitsbewusstsein aufgrund der Fortschritte in Naturwissenschaft und Medizin gewachsen ist, besteht eine erhöhte Nachfrage nach natürlichen und gesundheitsfördernden Produkten. Dem entsprechend hat sich die Industrie in den letzten Jahren der Entwicklung neuer Probiotika gewidmet. Bei der Herstellung von Probiotika werden bestimmte Voraussetzungen an die Keime gestellt: (1) Sie sollten zur natürlichen Flora des © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln Abbildung 1 Potenzielle Mechanismen probiotischer Bakterien auf die orale Gesundheit [9]. Figure 1 Mechanisms of probiotic bacteria on oral health [9]. menschlichen Gastrointestinaltraktes zählen, da der Mensch mit ihnen in einem symbiotischen Verhältnis lebt und sie so am besten an das menschliche Ökosystem angepasst sind. (2) Sie sollten resistent gegenüber Magen- und Gallensaft sein, um den Dickdarm in aktiver Form zu erreichen. (3) Sie sollten die Möglichkeit zur Adhäsion an Darmzellen und Vermehrungsfähigkeit am Wirkort haben. (4) Sie sollten antimikrobielle Substanzen produzieren und (5) technologisch für die Nahrungsmittelproduktion geeignet sein, also nach dem technologischen Prozess lebensfähig bleiben. Ihr Zusatz in Lebensmitteln sollte weiterhin zu keinerlei geschmacklicher Veränderung führen. Mögliche Mechanismen probiotischer Effekte allgemein werden in der Normalisierung der intestinalen Mikroflora gesehen, in der Modulation der Immunreaktion und in metabolischen Effekten [8, 18]. Seit Probiotika zunehmend in Lebensmitteln eingesetzt werden, wendet sich auch die Zahnmedizin der Wirkung der Probiotika in der Mundhöhle zu. Eine orale Besiedlung durch probiotische Bakterien könnte der Prävention und/oder Behandlung oraler Erkrankungen dienen [9, 30, 32, 35] (Abb. 1). Joghurt ist das bekannteste probiotische Produkt und der tägliche Konsum von Milchprodukten ist der natürlichste Weg zur Aufnahme von Probiotika in den menschlichen Organismus [22]. Der große Vorteil beim Konsum Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 35 (2013) 3 von Milchprodukten ist, dass sie wichtige Nahrungsbestandteile enthalten, die besonders für die Entwicklung des Kindes wichtig sind. Darüber hinaus sind Milchprodukte (ohne Zuckerzusatz) zahngesund, haben einen positiven Einfluss auf die Mikroflora und den Mineralgehalt des Speichels durch ihren Gehalt an Kasein, Kalzium und Phosphat [16, 21, 24]. Für die tägliche Aufnahme mit günstiger Wirkung auf die Darmflora, bakterielle Infektionen (Helicobacter pylori) und gastrointestinale Beschwerden werden 150–200 ml zuckerfreie Milchprodukte mit einem Gehalt von 8 probiotischen Bakterien von 10 /g oder ml empfohlen [34]. Ein regelmäßiger täglicher Konsum von frühester Kindheit an, könnte die Chance für eine dauerhafte Kolonisation der Keime in der Mundhöhle erhöhen [31] und damit zur Zahngesundheit beitragen. So wurde bereits aufgezeigt, dass L. lactis die Kolonisierung der Zahnhartgewebe mit S. sobrinus verhindert und W. cibaria die Zellmembran und damit die Vermehrung von S. sobrinus negativ beeinflusst [11]. Stamatova et al. [29] zeigten in vitro, dass probiotische Bakterien an die Pellikel adhärieren und mit anderen Bakterien koaggregieren können. Von einer antimikrobiellen Wirkung von Laktobazillen gegenüber S. mutans wurde schon von Silva et al. [27] und James und Tagg [10] berichtet. Uhlemann und Hesse [33] konnten die antimikrobielle Wirkung verschiedener Laktobazillen-Spezies gegenüber oralen 121 N. Shakovetz et al.: Veränderungen des Plaque-pH-Wertes bei Vorschulkindern nach Konsum eines probiotischen Trinkjoghurts Probiotica in caries prevention for preschool children Abbildung 2 Anteile der Kinder in der Test- (TG) und Kontrollgruppe (KG) mit verschiedenen Plaque-pH-Werten vor (Basis) und nach Studienabschluss. Figure 2 Percentages of children of the test (TG) and control group (KG) with different plaque pH (OAO Беpeэoвскиҋ сыродепъныҋ комбинат) produziert und vermarktet. Der Joghurt enthält eine aus L. acidophilus, L. bulgaricus, S. thermophilus, B. bifidum, B. longum, B. infantis und L. casei bestehende vitale Mischkultur, die einen protektiven Effekt auf die Darmflora haben soll, sich wachstumshemmend gegen pathogene Darmbakterien auszeichnet und auf die Stimulierung des intestinalen Immunsystems zielt [8, 18]. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, den Einfluss einer kurzfristigen Aufnahme des Joghurts „Marusya+7“ auf den pH-Wert in der Plaque und auf die Konzentration kariogener Mikroorganismen im Speichel von Vorschulkindern zu untersuchen und abzuklären, ob der Trinkjoghurt im Fächer der kariespräventiven Maßnahmen einen Platz einnehmen könnte. values before (baseline) and at the end of the study. Probanden und Methoden Basisbefunde Abschlussbefunde TG n = 25 KG n = 24 Signifikanzniveau p-Werte* Plaqueindex 0,9 ± 0,06 0,9 ± 0,07 0,91 0,4 ± 0,04 p < 0,05 0,8 ± 0,07 p < 0,05 Plaque-pHWerte 5,9 ± 0,08 6,1 ± 0,10 0,35 6,6 ± 0,06 p < 0,001 6,2 ± 0,08 p = 0,06 SM-Keimzahlklassen 2,1 ± 0,16 2,0 ± 0,16 0,74 0,6 ± 0,14 p < 0,001 1,9 ± 0,18 p = 0,16 LB-Keimzahlklassen 2,0 ± 0,19 2,2 ± 0,16 0,42 1,5 ± 0,13 p < 0,05 2,3 ± 0,18 p = 0,32 dmft-Index 6,4 ± 0,88 5,3 ± 0,54 0,34 6,4 ± 0,88 5,3 ± 0,54 Parameter TG n = 25** KG n = 24** Tabelle 1 Klinische Befunde, mikrobiologische Speichelbefunde und Plaque-pH-Werte der Studienkinder der Test- (TG) und Kontrollgruppe (KG) zur Basisuntersuchung und nach Abschluss der Studie. Table 1 Clinical results, microbiological results and pH values of saliva of the children of the test (TG) and control group (KG) at baseline and at the end of the study. *Vergleich TGiKG ** Vergleich Basisbefund: Endbefund Streptokokken und Mutans-Streptokokken aufzeigen, wobei sich L. salivarius subsp. salivarius und L. plantarum als stärkste Bacteriocinbildner erwiesen. In Übereinstimmung dazu gelang Söderling et al. [28] in vitro an Glasflächen der Nachweis der Störung der Biofilmbildung (Adhärenz) von S. mutans bei Anwesenheit der Laktobazillen L. rhamnosus, L. plantarum und L. reuteri. Auch Er- 122 gebnisse von klinischen Untersuchungen belegen, dass eine regelmäßige Einnahme von probiotischen Produkten wie Joghurt, Milch und Käse die Anzahl kariogener Mikroorganismen im Speichel und in der Plaque reduzieren. In der Republik Belorussland – die Kariesverbreitung bei 12-Jährigen liegt bei 25% und bei 6-Jährigen bei 95% [17] – wird der Trinkjoghurt „Marusya+7“ © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln Im Rahmen vorbeugender zahnärztlicher Untersuchungen in der Staatlichen Stomatologischen Poliklinik der Stadt Minsk, Weißrussland, wurde der Zahn- und Kariesstatus 2- bis 6-Jähriger nach dem d mft-Index (d entsprach 1-4 1 einer initialen Karies, d einer Karies im 2 Schmelz, d einer Karies in der ersten 3 Hälfte des Dentins, d einer Karies bis 4 zur Pulpa) erhoben [14]. Alle kariösen Zähne (d /d ) der Kinder wurden erfolg3 4 reich behandelt. Den Eltern wurde die Teilnahme an der Studie empfohlen. Die Studie wurde zuvor von der Ethikkommission der Staatlichen Medizinischen Universität Minsk genehmigt und 50 Eltern gaben in Übereinstimmung mit der Deklaration von Helsinki (59. WMA Generalversammlung, Oktober 2008, Seoul, Korea) [6] ihre schriftliche Zustimmung zur Teilnahme ihrer Kinder (17 Mädchen, 33 Jungen) an der Studie. Zu Studienbeginn konnten die Kinder in Abhängigkeit von den Geschmackspräferenzen für Milch- oder Sauermilchprodukte in 2 Gruppen (Testgruppe = TG, Kontrollgruppe = KG) zu je 25 Probanden unterteilt werden. Die Mundhygiene der Kinder wurde nach dem Plaque-Index von Silness und Loe [26] erfasst und der pH-Wert in der Plaque mit dem GC PlaqueIndikator Kit (Fa. GC, Japan) nach Angaben Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 35 (2013) 3 N. Shakovetz et al.: Veränderungen des Plaque-pH-Wertes bei Vorschulkindern nach Konsum eines probiotischen Trinkjoghurts Probiotica in caries prevention for preschool children Abbildung 3 Anteile der Kinder in der Test- (TG) und Kontrollgruppe (KG) mit verschiedenen Keimzahlklassen von Mutans-Streptokokken (SM) im Speichel vor und nach Studienbeginn. Figure 3 Percentage of children of the test (TG) and control group (KG) with different counts/ scores of salivary mutans streptococci (SM) before (baseline) and at the end of the study. Den Kindern der Testgruppe wurde empfohlen, täglich morgens und abends je 100 ml (1 Fläschchen) „Marusya+7“ zu trinken. Kinder der Kontrollgruppe (KG) tranken mit der gleichen Häufigkeit 100 ml Milch. Die Trinkmenge wurde in Anlehnung an Näse et al. [21] gewählt, um eine ausreichende Lebendkeimzahl zu gewähren. Joghurt und Milch wurden am Tag der zahnärztlichen Basisuntersuchung vom Milchwerk in die Poliklinik geliefert und an die Eltern in der Originalpackung ausgeteilt. Die Studie dauerte insgesamt 2 Wochen. Das Mundhygieneverhalten der Kinder blieb während der Studiendauer unberücksichtigt. Alle klinischen und mikrobiologischen Parameter und der pH-Wert in der Plaque wurden 2 Tage nach der letzten Einnahme des Joghurts bzw. der Milch erneut bestimmt. Die Studie war verblindet, d.h. dem untersuchenden Zahnarzt war die Gruppenzugehörigkeit der Kinder unbekannt. Die Datenpflege erfolgte mit dem Statistikpaket SPSS (Version 17). Für die Signifikanzprüfung kamen der T-Test und der Mann-Whitney-U-Test zur Anwendung. Ergebnisse Abbildung 4 Anteile der Kinder in der Test- (TG) und Kontrollgruppe (KG) mit verschiedenen Keimzahlklassen von Laktobazillen (LB) im Speichel vor und nach Studienbeginn. Figure 4 Percentage of children of the test (TG) and control group (KG) with different counts/ scores of salivary lactobacilli (LB) before (baseline) and at the end of the study. des Herstellers bestimmt. Mithilfe des Speicheltests CRT bacteria (Fa. Ivoclar Vivadent, Liechtenstein) wurden nach Angaben des Herstellers die Keimzahlklassen von Mutans-Streptokokken (SM) und Laktobazillen (LB) im Speichel der Kinder bestimmt. Dabei ent© Deutscher Ärzte-Verlag, Köln sprachen die niedrigen Keimzahlklassen SM 0 und SM 1 bzw. LB 1 und LB 2 3 5 < 10 bis < 10 Keimen pro ml Speichel und die höheren Klassen SM 2 und SM 3 5 sowie LB 3 und LB 4 ≥ 10 Keimen pro ml Speichel und damit einer Kariesgefährdung. Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 35 (2013) 3 Das mittlere Alter der Probanden beider Gruppen betrug 4,5 ± 0,16 Jahre (TG: 4,5 ± 0,27 Jahre; KG: 4,5 ± 0,15 Jahre). Im Verlauf der Studie erkrankte ein Junge aus der KG und musste wegen Antibiotikagabe aus der Studie ausgeschlossen werden. Insofern basieren die Ergebnisse in der KG auf den Befunden von 24 Kindern. Alle Ergebnisse der Basisuntersuchung sind in Tabelle 1 enthalten. Im Mittel hatte jedes Kind 5–6 aus Kariesgründen gefüllte Milchzähne zu Studienbeginn; beide Gruppen waren in den Untersuchungsparametern homogen. Bei 40% der Kinder der TG und 33% der Kinder der KG lag der niedrigste pH-Wert in der Plaque bei pH 5,5. Den höchsten pH-Wert von 7 hatte kein Proband aus der TG und lediglich 8% der Probanden aus der KG (Abb. 2). Mutans-Streptokokken im Speichel lagen nur in geringer Anzahl (SM 0 und 1) bei 28% der Kinder aus der TG und bei 24% der Kinder aus der KG vor. Die übrigen Kinder wiesen die hohen Keim- 123 N. Shakovetz et al.: Veränderungen des Plaque-pH-Wertes bei Vorschulkindern nach Konsum eines probiotischen Trinkjoghurts Probiotica in caries prevention for preschool children Abbildung 5 Veränderungen der Plaque pH-Werte bei Kindern der Test- und Kontrollgruppe im Studienverlauf. Figure 5 Changes of the plaque pH values of children of the test and control group in the observation time of the study. zahlklassen von SM 2 und SM 3 auf (Abb. 3). LB wurden nur in geringem Umfang (LB 1 und LB 2) bei 72% Kinder aus der TG bzw. bei 71% der Kinder aus der KG nachgewiesen (Abb. 4). Die Befunde nach 2 Wochen täglicher Aufnahme des Joghurts „Marusya+7“ bzw. der Milch sind in Tabelle 1 dargestellt. Die Kinder beider Gruppen zeigten eine signifikante Verbesserung ihres Mundhygienestatus. Die PlaquepH-Werte hatten sich bei Kindern in der TG nach 2 Wochen von pH 5,9 auf pH 6,6 signifikant erhöht. In der KG lag ein nahezu konstanter pH-Wert von pH 6,1 (Basis) bzw. 6,2 (Abschluss) in der Plaque vor (Tab. 1, Abb. 5). Nahezu alle Kinder (92%) der TG zeigten nach 2 Wochen einen pH-Wert von neutralem bzw. fast neutralem Niveau (pH 6,5–7,0) (Abb. 2). In der KG hatte sich nach 2 Wochen der Anteil Kinder mit Plaque-pH-Werten zwischen 6,5 und 7 von anfänglich 38% auf 41% erhöht. Dabei wiesen 46% der Kinder einen pHWert von pH 6 und 13% der Kinder einen pH-Wert von pH 5,5 auf (Abb. 2). Die SM-Keimklasse 3 war bei anfänglich 36% der Kinder aus der TG nicht mehr nachweisbar und die Keimzahlklasse SM 2 wurde lediglich noch bei 12% der Kinder registriert (Abb. 3). Die Reduktion war signifikant (Tab. 1). 124 Bei Kindern der KG lagen unverändert hohe Keimzahlklassen von SM 2 und SM 3 bei 76% (Basis) bzw. 72% (Abschluss) vor (Abb. 3, Tab. 1). Zur Basisuntersuchung lagen bei 2/3 der Kinder niedrige Keimzahlklassen (LB 1 und LB 2) an Laktobazillen vor. Bei Kindern der TG stiegen die niedrigen Keimzahlen bei einem Anteil der Kinder von 72% (Basis) auf einen Anteil von 92% (Abschluss) an. Bei Kindern der KG blieben die niedrigen Keimzahlen nahezu unverändert (Basis: 71% der Kinder, Abschluss: 59% der Kinder) (Abb. 4, Tab. 1). Diskussion Speziell der Kariesprävention und damit verbunden der Senkung von Mutans-Streptokokken im Speichel, widmen sich die meisten Probiotika-Studien aus der Sicht der Zahnheilkunde, da hohe Speichelkeimzahlen mit einem hohen Vorkommen von Mutans-Streptokokken in der Plaque vergesellschaftet sind [12]. Dazu wurden vorrangig Lactobacillus- und BifidobacteriumStämme eingesetzt bzw. Mischkulturen probiotischer Keime [1, 2, 3, 4, 5, 20, 21, 22, 31]. Kindern, jungen Erwachsenen und Erwachsenen wurden die Probioti© Deutscher Ärzte-Verlag, Köln ka in Eiscreme, Joghurt, Milch, Käse oder Tabletten verabreicht. B. lactis, L. reuteri, L. rhamnosus, L. bifidum, L. acidophilus und L. casei kamen zum Einsatz. Die Kinder, die an der vorliegenden Studie teilnahmen, waren Vorschulkinder im Alter zwischen 2–6 Jahren. Die Altersgruppe wurde gewählt, weil Näse et al. [21] aufzeigen konnten, dass die kariesprotektive Effektivität einer Probiotikatherapie höher ist, wenn damit im frühen Alter begonnen wird. Die angeführten Studien mit 14 bis 282 Probanden erstreckten sich über 10 Tage, 2–3 Wochen, 1 ½ und 7 Monate und waren als Cross-Over-Studien mit einer Placebo-Gruppe angelegt. Die vorliegende Studie mit einer Test- (probiotischer Joghurt) und Kontrollgruppe (Milch) war „verblindet“ und erstreckte sich wie die Mehrzahl der Studien [1, 2, 3, 4, 5, 20, 21, 22] über 2 Wochen, wobei 25 Studienteilnehmer täglich eine Mischkultur aus 7 Probiotikern in Joghurt als Vehikel konsumierten. Die Kinder beider Gruppen zeigten gemessen am Plaqueindex eine deutliche Verbesserung ihres Mundhygienestatus, was zunächst für eine erhöhte Motivation der Eltern für eine verbesserte Mundhygiene ihrer Kinder nach der zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchung zu Beginn der Studie spricht. Trotz der kurzen Studienzeit waren die positiven Veränderungen hinsichtlich der kariogenen Keime im Speichel und des pH-Wertes bei den Kindern, die den Joghurt „Marusya+7“ tranken, gegenüber den Kindern, die Milch erhielten, überzeugend und relativieren die Motivation zu einer verbesserten Mundhygiene als primäre Ursache der Keimsenkung. Eine Erklärung für die Reduktion der kariogenen Keime könnte im konkurrierenden Einfluss der probiotischen Keimarten aus dem Joghurt liegen. So ging die Verringerung der Anzahl der Mutans-Streptokokken auch mit einer verminderten Säureproduktion und somit Erhöhung des pHWertes in der Plaque einher. Auch Cildir et al. [5], Nikawa et al. [22], Caglar et al. [2, 3, 4] und Ahola et al. [1] konnten ähnlich wie in der vorliegenden Studie eine Reduktion der Mutans-Streptokokken im Speichel aufzeigen, wobei Nikawa et al. [22] und Ahola et al. [1] 2 bzw. 3 Wochen später immer noch eine Keimreduktion registrieren konnten; Cildir et al. [5] wiesen 6 Wochen nach Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 35 (2013) 3 N. Shakovetz et al.: Veränderungen des Plaque-pH-Wertes bei Vorschulkindern nach Konsum eines probiotischen Trinkjoghurts Probiotica in caries prevention for preschool children Verabreichung eines probiotischen Joghurts wieder die Ausgangswerte der Mutans-Streptokokken nach. Der Rekolonisierungszeit wurde in der vorliegenden Studie nicht nachgegangen. Die Diskrepanzen hinsichtlich der Dynamik der Mutans-Streptokokken in den verschiedenen Studien lässt sich nicht allein durch die Verschiedenheit der eingesetzten Stämme erklären, denn ungleiche Ergebnisse stellten sich selbst bei Verabreichung gleicher probiotischer Stämme ein [1, 20]. Gründe können in der Länge der Studienzeit liegen oder auch im Vehikel. So haben Milch, Käse und Joghurt selbst einen positiven Effekt auf die Zahngesundheit [1, 23]. Die Schutzfunktion von Milch- und Milchprodukten für die Zähne ist vor allem durch eine Verringerung der Demineralisation und Steigerung der Remineralisation des Schmelzes begründet. Dies basiert auf einer Erhöhung von Kalzium und Phosphaten in der Plaque, aber auch auf der erhöhten Pufferkapazität in der Plaque nach der Spaltung der Milcheiweiße durch die Bakterien im Biofilm. Die wichtigen Bestandteile der Milch, für eine verminderte De- und erhöhte Remineralisation des Schmelzes verantwortlich, sind verschiedene Kaseine. Milchproteine wie α-1-Kasein können an die Pellikel binden und die Adhäsion von S. mutans an das Hydroxylapatit des Schmelzes verhindern. Petti et al. [23] konnte auch für Joghurt-Starter-Kulturen allein einen leicht inhibierenden Einfluss auf Mutans-Streptokokken und Laktobazillen aufzeigen. Ahola et al. [1], Montalto et al. [20], Caglar et al. [2, 3, 4] und Cildir et al. [5] gingen der Wirkung von probiotischen Laktobazillen (L. rhamnosus, L. bifidum, L. acidophilus, L. casei) auch auf die Keimzahlen von Laktobazillen im Speichel nach. In Käse, Kapseln und Flüssigkeit verabreicht, konnte eine Zunahme der Laktobazillenzahlen im Speichel nachgewiesen werden; allerdings wurde nicht zwischen residenten und probiotischen Stämmen unterschieden. In der vorliegenden Studie lagen bei den Kindern allgemein niedrige Laktobazillenzahlen (im Mittel Keimzahlklasse 3 5 2 = < 10 bis < 10 pro ml, Tab. 1) im Speichel vor; bei Kindern der TG stiegen die niedrigen Keimzahlklassen LB 1 und LB 2 um etwa 20 Prozentpunkte an © Deutscher Ärzte-Verlag, Köln und bei Kindern der KG sanken sie um etwa 10 Prozentpunkte. Laktobazillen als Speichelkeime finden in unversorgten Kavitäten eine ökologische Nische. Laktobazillen sind nicht nur azidogen sondern auch azidurisch und treiben die kariöse Progression voran. So konnten auch Kneist et al. [13] L. rhamnosus bei Caries profunda im Milchgebiss im Pulpa nahen Dentin nachweisen. Kariesmodellexperimente am Versuchstier bestätigten das mögliche kariogene Potenzial einiger Laktobazillen in tiefen Fissuren und Grübchen, also natürlichen anatomischen Besonderheiten. So gelang Michalek et al. [19] und Matsumuto et al. [15] die Auslösung einer Fissurenkaries in gnotobiotischen Ratten mit L. lactis und L. salivarius. Aus diesem Wissen heraus ist ein regelmäßiger Konsum von Probiotika in Joghurt nur bei sanierten Gebissen zu empfehlen. Die Kinder dieser Studie waren alle saniert, sodass Kavitäten als Reservoir für Laktobazillen ausgeschlossen werden konnte. Neben der Aufnahme von Kalzium und Phosphaten dürfte die kurzfristige Einnahme von „Marusya+7“ letztlich zur Verringerung der azidogenen Aktivität in der Plaque geführt haben, zu einem Anstieg des pH-Wertes in der Plaque und Abnahme der MutansStreptokokken. Dennoch sollte in weiterführenden Studien überprüft werden, inwieweit Probiotika die Kariesprävention unterstützen können und über welche Mechanismen die Wirkung erfolgt (Abb. 1). Sie könnte in der Inhibierung der Adhäsion von S. mutans an die Zahnhartgewebe bestehen bis hin zur antimikrobiellen Aktivität ausgewählter probiotischer Kulturen. Interessenkonflikt: Die Autorinnen N. Shakovetz, A. Borutta und S. Kneist geben an, dass kein Interessenkonflikt im Sinne des ICMJE besteht. 3. Caglar E, Cildir SK, Ergeneli S, Sandalli N, Twetman S: Salivary mutans streptococci and lactobacilli levels after ingestion of the probiotic bacterium Lactobacillus reuteri ATCC 55730 by straws or tablets. Acta Odontol Scand 64, 314–318 (2006) 4. Caglar E, Kuscu OO, Selvi Kuvvetli S, Kavaloglu Cildir S, Sandalli N, Twetman S: Shortterm effect of ice-cream containing Bifidobacterium lactis Bb-12 on the number of salivary mutans streptococci and lactobacilli. Acta Odontol Scand 66, 154–158 (2008) 5. Cildir SK, Germec D, Sandalli N et al.: Reduction of salivary mutans streptococci in orthodontic patients during daily consumption of yoghurt containing probiotic bacteria. Eur J Orthod 31, 407–411 (2009) 6. NN (2008) WMA Declaration of Helsinki – ethical principles for medical research involving human subjects. 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