Traumstoff - Karola Kauffmann
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Traumstoff - Karola Kauffmann
W E B K U N S T | S AVO I R - FA I R E | von Konrad Koch - fotos : Vera Hartmann Traumstoff Organzaseide, Kaschmir und Yangir, das Goldene Vlies Zentralasiens: In bester Manufakturtradition verarbeitet die Weberin Karola Kauffmann Naturgarne zu textilen Kostbarkeiten, die in ihrer Einzig-artigkeit Kleidungsobjekte und Kunstwerke in einem sind. 80 | Finanz und Wirtschaft LU X E R aunende heissen sie, die germanischen Schicksalsgöttinnen. Von Göttern und Elfen sollen sie abstammen, die Nornen, die den Lebensfaden der Menschen zum Schicksalsnetz verweben. Feenkleid nennt denn auch Karola Kauffmann das Kinderkleid, das in einem Stück gewoben ist. Es ist aus Organzaseide, ein Hauch nur, luzider Nebelschleier, wie sie diesen regenschweren Sommer über dem Moorteich vor ihrer Werkstatt hangen. Der Weg zur Weberin ist eine Reise in Mythen. An der Strasse von Laufenburg in den Hochschwarzwald führt am Dorfende des deutschen Hottingen eine unscheinbare Abzweigung wenige hundert Meter weiter in einer Waldlichtung zu ihrem Haus, direkt an der Murg, die tief unten in den Rhein mündet. Was die Raunenden er- zählen, muss an einem solchen Ort zu Geschichten verwoben worden sein. Selbst die Seide für ihren Organzastoff hat eine Geschichte. Gekauft hat sie die Seidenspulen von einem Händler, der sie aus einem gesunkenen Handelsschiff geborgen hatte. Was keine Weberei zu verarbeiten wagte, ist die langsam zur Neige gehende Prima Materia ihrer Arbeit. Seide und Mythen Schwer sei es, erzählt sie, Garn und Zwirn von solcher Qualität zu finden, wie sie sie für ihre Stoffe brauche. In der Schweiz gibt es keine einzige Spinnerei mehr, Grossisten nur noch wenige. Sie hütet denn auch ihren Fundus von Kisten voller Spulen der einstigen Seidenzwirnereien Dürsteler und Zwiki wie ihren Nibelungenschatz. Immer auf der Suche, kann gar Industrieabfall veredelt werden. In einen Seidenstoff Ximusdae volor hat sie kupferne Wickelaut quiatectur mintIt il iminimet drähte von Elektromotoren zusammen mit Goldquide laboriam, fäden eingearbeitet. vendeseque do Es ist oft der Zufall des Materialfindens, der sie inspiriert, beschreibt sie ihre Arbeitsweise und greift einen Schal, der in den Farben Schwarz und Gold fliesst wie die Murg im Sonnenlicht. Erst aus der Widerspenstigkeit der Garne, die Kette aus Seide, der Schuss aus feinstem Kaschmir und grober Rohseide, ergab sich ein Gewebe, das atmend sich ausdehnt und wieder zusammenzieht. Zu einem bäurischen Stoff verwoben hat sie Leinen aus Wien und Leipzig von 1880, die sie in einem Lager entdeckt hatte. Viele ihre Arbeiten sind wie Bilder, gar Objekte, die nicht nur getragen werden können als Schal oder Kleid, sondern sich an die Wand hängen oder im Raum aufstellen lassen. Verständlich, dass einige als zeitgenössische Kunst von Sammlungen angekauft wurden. Kunst und Handwerk Es ist eine alte Handwerkstechnik, die sie auf ihren manuellen Webstühlen immer wieder neu interpretiert. Das Webmuster entsteht durch die Verkreuzung von Kette und Schuss, der Bindung. Die Kettfäden sind die auf dem Kettbaum aufgewickelten, in Längsrichtung gespannten Träger des Stoffes. Gehoben und gesenkt wird zwischen den Kettfäden der Schussfaden mit einem Schiffchen oder von Hand eingetragen. Drei Bindungen sind das Fundament, aus denen sich alle Muster ableiten. In der einfachsten Form, der Leinwandbindung, wird der Schussfaden abwechselnd über und unter den Kettfäden geführt. Der Stoff sieht auf beiden Seiten gleich aus. Geht der Schuss unter einem Kettfaden durch und dann über mindestens zwei Ketten hinweg und so fort, wobei der nächste Schussfaden den Rhythmus verlagert, entsteht ein diagonales Muster, die Köperbindung. Bekannteste Reliefmuster sind der Diamantköper und der Fischgratköper. Die beiden Seiten des Stoffes sind dabei unterschiedlich. Die Atlasbindung liefert Stoffe, deren Oberfläche das Licht irisierend spiegelt. Erreicht wird dieser Effekt, der der Damastseide ihren glanzvollen Auftritt verschafft, indem der Schussfaden erst unter einer Kette hindurch und dann über mehr als zwei hinweg geht. Mit den drei Grundbindungen lassen sich auf der Klaviatur des Webstuhls alle Musterakkorde spielen. Zu einer stummen Kollage hat Karola Kauffmann vor über zwanzig Jahren gar Magnetbänder aus Tonbandkassetten, bespielt mit Pink-Floyd-Konzerten, Vorträgen von Baghwan und Heidi-Hörspielen, verwoben. Grün bis anthrazit schillert der Diamantköper des Ton-Rocks. In den Anfangsjahren ihrer schon fast dreissigjährigen Schaffenszeit hat sie die Arbeit, den Webstuhl mit den bis zu 3400 Kettfäden einzurichten, als furchtbar empfunden. Heute ist für sie die teilweise wochenlang dauernde Arbeit, Ketten aus Seide, Kaschmir oder Leinen in bis zu 100 Meter Länge zu machen und am Kettbaum aufzuwickeln, zu einer meditativen Vorbereitungsphase geworden. «Ein Augenblick der Vorfreude», wie sie sagt. Ximusdae volor aut quiatectur mintIt il iminimet quide vendeseque do Finanz und Wirtschaft LU X E | 81 Ta u c h eru h ren | Wasserdi c ht W E B K U N S T | S AVO I R - FA I R E – Une petite exergue ici par exemple qui prendra sans doute 2 lignes – Gelassenheit hat sie auch Fehlern gegenüber entwickelt. Aus ihnen entsteht immer Neues. Bewusst macht sie Musterbrüche, um Spannung und Irritation aufzubauen. Was dabei wie Verläufe in der Färbung aussehen kann, sind fliessende Übergänge von Leinwandbindung zu Köperbindung. Stoffe, die schwer von der Optik wirken, können federleicht zum Tragen sein. Edelstes Material – und in aller Bescheidenheit einzige Weberin, die es verarbeiten kann – ist dabei das Haar des Mongolischen Steinbocks, des Yan82 | Finanz und Wirtschaft LU X E girs. Bis zu vier Tage webt sie an einem Schal aus dieser Kostbarkeit. Es gibt jedoch keine zwei Stoffbahnen, die gleich sind. «Ich will nichts wiederholen», rechtfertigt sie die Einmaligkeit ihrer Arbeit; auch Auftragsarbeiten macht sie nicht. Jeder Stoff ist dadurch die Substanz gewordene Definition von Luxus: von bester Materialqualität in vollendeter Arbeit ausgeführt – ein Unikat eben, das seinen berechtigten Preis hat. Ein Yangirschal kostet bis zu 4000 €. Kaufen kann man ihre Arbeiten im Atelier oder an Ver- nissagen und Ausstellungen. «Stoffe sind unsere zweite Haut», philosophiert Karola Kauffmann, «und sie zeigen, wie wir wahrgenommen werden wollen.» Ihre haben ein besonderes Label, das der Schönheit und der Individualität. Information und Adresse unter www.karolakauffmann.ch. Ab dem 5. Oktober sind an der Triennale im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt Arbeiten von ihr ausgestellt. Finanz und Wirtschaft LU X E | 83