Diagnostik und arthroskopische Therapie von Gelenkinfekten
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Diagnostik und arthroskopische Therapie von Gelenkinfekten
SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 1 ARTHROSKOPIE AKTUELL Diagnostik und arthroskopische Therapie von Gelenkinfekten SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 2 Autor: Dr. med. Gordian Stutz Leitender Arzt Knie- und Schulterchirurgie Klinik für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates (Chefarzt Prof. Dr. med. Markus S. Kuster) Kantonsspital St. Gallen 9007 St. Gallen Schweiz gordian.stutz@kssg.ch www.orthopaedics.ch www.kssg.ch Diese Arbeit ist meinem Lehrer Prof. Dr. med. André Gächter ehem. Chefarzt der Klinik für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Kantonsspital St. Gallen, Schweiz, gewidmet. SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 3 Diagnostik und arthroskopische Therapie von Gelenkinfekten Gordian Stutz Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2 Ätiologie und Risikofaktoren für die Entwicklung eines Gelenkinfektes . . . . . . . . . 4 3 Häufigkeit postoperativer Infektionen nach arthroskopischen Eingriffen . . . . . . . . . . . . . 5 4 Erregerspektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 5 Klinisches Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . 5 6 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 7 Stadieneinteilung des Gelenkinfektes . . . . . . 8 8 8.1 8.2 8.3 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Technische Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Stadiengerechte arthroskopische Therapie . . . . . 9 Antibiotikatherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 9 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 10 Eigene Resultate der stadiengerechten arthroskopischen Therapie . . . . . . . . . . . . . . 12 11 Gutachterliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . 13 12 Besonderheiten in Diagnostik und Therapie von Gelenkinfekten beim Kind . . . . . . . . . . 13 13 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 14 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 SFA-Nr-18.qxd 1 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 4 Einleitung Gelenkinfekte treten relativ selten auf, erfordern jedoch eine rasche und konsequente Behandlung. In der Therapie von Gelenkinfekten waren bis zur Einführung der Spülkanülenbehandlung in den 60er Jahren die Arthrotomie und offene Synovektomie die Therapie der Wahl. Todesfälle [60] und schwerwiegende Komplikationen bis hin zur Amputation der betroffenen Extremität [24] sowie schlechte funktionelle Langzeitresultate waren häufig die Folge. Die Behandlungsresultate konnten zunächst durch Spülkanülenbehandlung verbessert werden [4, 86], eine weitere Steigerung der Erfolgsrate bei der Behandlung von Gelenkinfekten wurde insbesondere durch die Entwicklung gezielter arthroskopischer Techniken mit der Möglichkeit zum minimalinvasiven Débridement sowie mit der Entwicklung potenter Antibiotika erreicht [86]. Jedoch können auch heute noch Komplikationen und Todesfälle auftreten [1]. So kann das offene Débridement mit Anlage einer Arthrodese des betroffenen Gelenks trotz Antibiotikatherapie erforderlich sein, um den Gelenkinfekt zu beherrschen. Bei liegenden Arthroplastiken müssen häufig die Prothesenkomponenten entfernt und vorübergehend durch Knochenzementspacer ersetzt werden. Erst nach Ausheilung des Infekts ist eine erneute Prothesenimplantation möglich, wobei ein erhöhtes Risiko für ein Infektrezidiv besteht. Bei ausgedehnten Weichteildefekten kann eine plastische Deckung durch gestielte oder freie Lappenplastiken erforderlich sein. Allgemein wird heute die Kombination von Arthroskopie und Antibiotikatherapie zur Behandlung von Gelenkinfekten empfohlen. Hiermit wurden gute bis exzellente Resultate bei Kindern und Erwachsenen an verschiedenen Gelenken, teilweise auch bei liegenden Arthroplastiken, erzielt [26, 29, 34, 35, 37, 48, 64, 75, 77, 80, 85]. Im Vergleich zur Arthrotomie mit subtotaler Synovektomie konnten durch arthroskopisches Débridement bessere funktionelle Resultate nachgewiesen werden [91]. Der Beginn der Behandlung muss zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen - auch bereits wenn nur der Verdacht auf das Vorliegen eines Gelenkinfekts besteht! Hinsichtlich der Verwendung von Drainagen, intraartikulärer Antiseptika- und Antibiotikatherapie besteht Uneinigkeit. So werden in der Literatur einerseits Saug-Spül-Drainagen bzw. Überlaufspüldrainagen favorisiert [36, 65,92], anderseits allgemein Drainagen abgelehnt [25]. Die intraartikuläre Anwendung von Antiseptika und Antibiotika wird teilweise empfohlen [29, 64], teilweise abgelehnt [24]. An unserer Klinik haben wir ein stadiengerechtes Therapiekonzept der Gelenkinfekte kombiniert mit spezifischer Antibiotikatherapie erarbeitet. Im folgenden Text sollen spezielle Gesichtspunkte des an unserer Klinik üblichen Vorgehens in der Diagnostik und Therapie von Gelenkinfekten sowie unsere Behandlungsresultate dargestellt und diskutiert werden. 4 2 Ätiologie und Risikofaktoren für die Entwicklung eines Gelenkinfektes Es lässt sich eine primäre von einer sekundären septischen Arthritis unterscheiden: Die primäre oder exogene septische Arthritis ist eine Komplikation nach therapeutischen Massnahmen (z.B. Punktionen, Infiltrationen, operativen Eingriffen) oder nach traumatischer Gelenkeröffnung. Eine sekundäre oder endogene septische Arthritis entsteht durch hämatogene Streuung von Infektionserregern über die Blutbahn. Die häufigste Ursache eines Gelenkinfekts ist die hämatogene Streuung von Erregern im Rahmen einer infektiösen Grunderkrankung. In der Allgemeinbevölkerung tritt ein Gelenkinfekt hämatogener Ursache in 2 - 10 Fällen pro 100.000 Einwohnern auf. Es folgen in der Häufigkeit die postoperativen oder iatrogenen Infekte (Injektionen, Punktionen) und Infekte nach traumatischer Gelenkeröffnung. Mit zunehmendem Alter besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Gelenkinfekts. Gelenkinfekte treten gehäuft bei einer Schwächung des Immunsystems im Rahmen von internistischen Grunderkrankungen auf. Meist ist nur ein Gelenk betroffen, es können jedoch auch gleichzeitig mehrere Gelenke befallen sein. Voroperationen konnten als Risikofaktoren für die Entwicklung eines Gelenkinfektes nachgewiesen werden [59]. In unserem Patientengut [78] mit arthroskopisch behandelten Gelenkinfekten (n=78) lag bei 54% eine hämatogene Streuung und bei 28% eine postoperative Infektion vor (17% nach offenen und 11% nach arthroskopischen Eingriffen). Bei 10% waren intraartikuläre Steroidinjektionen und bei 4% diagnostische Gelenkpunktionen erfolgt. Eine traumatische Eröffnung eines Gelenks hatten 4% erlitten. Intraartikuläre Injektionen führen in 0,003% bis 0,34% zu Infektionen des Gelenkes, wobei der Zusatz von Kortikosteroiden die Infektrate erhöht [2, 27, 68]. Eine entsprechende Aufklärung des Patienten muss daher vor der Infiltration erfolgen. Auf eine intraoperative oder unmittelbar postoperative Anwendung von Steroiden intraartikulär sollte möglichst verzichtet werden. SFA-Nr-18.qxd 3 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 5 Häufigkeit postoperativer Infektionen nach arthroskopischen Eingriffen Die Häufigkeit postoperativer Infektionen nach arthoskopischen Eingriffen allgemein betrug in Studien mit großen Patientenzahlen zwischen 0,04% und 0,28% [5, 19, 42, 76] nach diagnostischen Arthroskopien 0,1% - 0,42% [5, 19, 73, 90]. Das Risiko eines Gelenkinfektes steigt mit der Operationsdauer, der Zahl der operativen Eingriffe und Voroperationen sowie nach vorangegangenen intraartikulären Steroidinjektionen an [5]. Das Risiko eines Infektes nach Arthrotomie wird mit 0,02% - 0,08% angegeben [72]. Nach arthroskopischen VKB-Rekonstruktionen beträgt die Infekthäufigkeit zwischen 0,13% und 1% [18, 22, 33, 58, 59, 90]. Insgesamt handelt es sich also um eine seltene Komplikation nach diesem Eingriff. Bei Verwendung von synthetischem Material scheint das Infektrisiko erhöht zu sein [9, 66]. Durch die „Centers of Disease Control and Prevention“ wurden mehrere Berichte über septische Arthritiden nach Verwendung und bakterielle Kontamination von Allografts veröffentlicht [13, 14, 15], die heftige Diskussionen bezüglich der Sicherheit und Verwendbarkeit von Allografts nach sich zogen. Nach Schulterarthroskopien berichteten Berjano et al. [10] über eine Infektrate von 0,71% . Kelly et al. [45] untersuchten retrospektiv 473 Ellenbogenarthroskopien an 449 Patienten. Bei 4 Patienten war ein tiefer Gelenkinfekt als Komplikation aufgetreten (0,8%), es bestand jedoch eine vermehrte Sekretion bei oberflächlicher Wundinfektion an 33 arthroskopierten Ellenbogengelenken (7,0%). Clarke und Mitarbeiter [17] analysierten die Komplikationsrate bei 1054 Hüftarthroskopien. Ein postoperativer Infekt trat in diesem Patientenkollektiv nur bei einem Patienten auf. 4 Abbildung 1: Staphylokokkus aureus (mikroskopisches Präparat) Gramfärbung Vergrößerung 1:1000 5 Klinisches Erscheinungsbild Das typische klinische Erscheinungsbild eines Gelenkinfekts zeigt eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung, periartikulärer Rötung, Überwärmung. Diese Symptome sind jedoch unspezifisch und können auch bei anderen, nichtinfektiösen Arthritiden auftreten. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung eines Gelenkinfekts von einer Chondrokalzinose, einer reaktiven Arthritis (z. B. Lyme disease) oder einem Morbus Sudeck kann schwierig sein; zudem können diese Erkrankungen auch kombiniert mit einem Gelenkinfekt auftreten. Bei Kindern können nicht-infektiöse Synovialitiden unterschiedlicher Ursache [44] dieselben klinischen Symptome verursachen. Bei postoperativen Infekten tritt meist eine Rötung im Bereich des Operationszuganges auf (Abb. 2) und es kann Pus austreten. Erregerspektrum In der bakteriologischen Diagnostik gelingt der Erregernachweis bei 63% - 100% der Gelenkinfekte [21, 26, 34, 64, 77]. Im eigenen Patientengut konnten wir in 78% der Fälle einen Erreger nachweisen [78]. Der am häufigsten nachgewiesene Erreger ist Staphylococcus aureus [5, 20, 31] (Abb. 1), gefolgt von Staphylococcus epidermidis, hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A, Pneumokokken, Pseudomonas aeruginosa, Proteus mirabilis, E. coli, Hämophilus influenzae, Propionibacterien und Salmonellen. Gonokokken werden nur noch selten nachgewiesen. Auch seltene aerobe und anaerobe Keime sowie Pilze wie Candida albicans können einen Gelenkinfekt hervorrufen [32, 54]. Zum bakteriologischen Nachweis einiger Bakterienarten, wie z.B. Propionibakterien, kann eine verlängerte Bebrütungszeit erforderlich sein. Abbildung 2: Postoperativer Infekt bei Zustand 14 Tage nach arthroskopischer VKB-Ersatzplastik mit Lig. Patellae Transplantat 5 SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 6 Unter Antibiotikatherapie oder im Rahmen immunkompromittiernder Erkrankungen sowie unter Immunsuppression können die klinischen Symptome erst im fortgeschrittenen Stadium des Infekts evident werden. Auch ein adipöser Weichteilmantel (Schulter-/Hüftgelenk) kann die klinische Diagnose eines Gelenkinfektes erschweren. Febrile Temperaturen sind häufig, jedoch ebenfalls nicht immer nachzuweisen. In über 95% sind große Gelenke infiziert, wobei meist nur ein Gelenk betroffen ist [40]. Die klinischen Infektzeichen können am Schultergelenk vergleichsweise weniger stark ausgeprägt sein oder vollständig fehlen [30, 47, 53] (Abb. 3). Abbildung 3: Schulterinfekt mit ausgedehnter extraartikulärer Abszessbildung nach Arthro-MRT 6 Diagnostik Die diagnostische Abklärung bei Verdacht auf das Vorliegen eines Gelenkinfekts umfasst zunächst ein Routinelabor mit Bestimmung von Leukozytenzahl, Differenzialblutbild und Creaktivem Protein. Das C-reaktive Protein dient als sensitiver Parameter in der Diagnostik und Verlaufsbeurteilung der Therapie [67, 74]. Zusätzlich sind ein Nativröntgen des betroffenen Gelenks zum Ausschluss einer knöchernen Mitbeteiligung des Infektes sowie die Punktion des betroffenen Gelenks erforderlich, bei der unter sterilen Kautelen Synovia oder Erguss zur mikrobiologischen Untersuchung gewonnen werden. Die Untersuchung des Punktates erlaubt differentialdiagnostische Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Erkrankung (Tabelle 1). Eine Zellzahl von über 50000/ml im Punktat ist praktisch beweisend für eine septische Arthritis; ebenso ein ph-Wert des Punktates über 7 mmol/l [30, 32,68]. Eine Ultraschalluntersuchung des betroffenen Gelenkes kann zum Nachweis einer intraartikulären Ergussbildung und insbesondere von periartikulären Flüssigkeitsansammlungen nützlich sein (Abb. 4). Intraoperative Abstriche (Abb. 5) und Biopsieproben werden zusätzlich entnommen und erhöhen die Rate des Erregernachweises [41]. Zur Beantwortung spezieller Fragestellungen können weitere diagnostische Verfahren wie MRT, CT oder Szintigraphie indiziert sein, zudem können serologische Untersuchungen diagnostischen Aufschluss bezüglich bestimmter Arthritisformen, wie z. B. Lues oder Borrelien, geben. Diese Zusatzuntersuchungen sollten jedoch spezifischen Indikationsstellungen vorbehalten bleiben. Tabelle 1: Differentialanalyse des Gelenkpunktates (nach Chapman [16]) 6 Charakteristik Normal Nichtinflammatorisch Inflammatorisch Purulent Hämorrhagisch Farbe farblos xanthochrom xanthochrom bis weiss erregerabhängig xanthochrom bis dunkelrot Transparenz klar klar durchsichtig bis trüb trüb trüb Viskosität Leukozyten/mm3 hoch 200 hoch 200-2000 niedrig 2000-60000 durchschn. 20000 eher hoch 20000-2000 durchschn. 100000 hoch variabel Polymorph (%) ~ 25% ~ 25% ~ 75% < 75% variabel meist < 75% Glucose mg% ähnlich Blutwert ähnlich Blutwert niedriger als Blutwert < 50% des Blutwertes ähnlich Blutwert Kultur negativ negativ negativ positiv/negativ negativ Spontane Clots keine selten häufig oft oft SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 7 Wichtig für die Diagnostik des Gelenkinfekts sind der mikroskopische Nachweis von Erregern im Schnellbakteriologiepräparat und die Anfertigung von Erregerkulturen mit Antibiogramm (Abb. 6). Jedoch kann auch trotz negativem Schnellbakteriologieund/oder Kulturresultat ein Gelenkinfekt vorliegen, insbesondere wenn bereits vor der Bakteriologieprobenentnahme eine Antibiotikatherapie begonnen wurde. Abbildung 4: 7,5 MHz Ultraschall der Kniekehle mit extraartikulärer Abszessbildung (10 x 4 x 2 cm) Abbildung 5: Austritt von Pus aus dem Arthroskopieportal bei Arthroskopie eines rechten Schultergelenkes Sofern bereits vor der geplanten arthroskopischen Spülbehandlung mit einer Antibiotikatherapie begonnen wurde, können zusätzliche Synovial- und Biopsieproben für eine Polymerase Chain Reaction (PCR) asserviert werden. Dieses Verfahren hat sich insbesondere in der Diagnostik infizierter Knietotalprothesen bewährt [57]. Die PCR kann jedoch in speziellen Fällen auch bei der Diagnostik und Therapie von Gelenkinfekten hilfreich sein, insbesondere wenn Fremdmaterial (Fadenanker, nicht resorbierbare Nähte, Allografts, etc.) eingebracht wurde, das bei Frühinfekten nach Möglichkeit zunächst nicht entfernt werden soll. Grundsätzlich ist Fremdmaterial als kontaminiert anzusehen [81] und sollte zur sicheren Infektsanierung entfernt werden. Hierdurch wird jedoch das Operationsresultat häufig massiv beeinträchtigt. Die definitive Untersuchung des asservierten Materials mittels PCR kann aus Kostengründen erst dann veranlasst werden, wenn bei negativem konventionellen Keimnachweis durch die antibiotische Anbehandlung und die arthroskopische Spülbehandlung keine zufriedenstellende Verbesserung der Infektsituation erzielt werden konnte. Bei vermuteter hämatogener Streuung muss eine Fokussuche am Patienten durchgeführt werden. Hierbei sollten Zahnstatus, Wirbelsäule und benachbarte Knochen (Osteomyelitis) als möglicher Infektfokus besondere Beachtung finden. Abbildung 6: Ausstrichpräparat mit Wachstum von Staph. aureus (Schafsblutagar) nach 24 Stunden Bebrütungszeit 7 SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 8 Abbildung 7: Infekt Stadium I 7 Abbildung 8: Infekt Stadium II Stadieneinteilung Nach Gächter [24] können Gelenkinfekte abhängig von ihrer arthroskopischen und radiologischen Ausprägung in 4 Stadien eingeteilt werden: 1. Stadium I (Abb. 7) • trübe Synovia, • Rötung der Synovialmembran, • mögliche petechiale Blutungen, • keine radiologischen Veränderungen; Abbildung 9: Infekt Stadium III Es existieren noch weitere Einteilungen für Gelenkinfekte. Die Einteilung nach Jensen unterscheidet 3 Stadien nach dem Arthroskopiebefund [55]. Nach Kuner werden nach klinischem und laborchemischem Befund ebenfalls vier Stadien unterschieden [53, 55], die jedoch vergleichsweise weniger eindeutig abgegrenzt sind. Die Klassifikation exogener bakterieller Infektionen (Tabelle 2) [69] ermöglicht eine orientierende prognostische Aussage [7]. 2. Stadium II (Abb. 8) • schwere Entzündungen mit Fibrinablagerungen, • Pus, • keine radiologischen Veränderungen; 3. Stadium III (Abb. 9) • Verdickung der Synovialmembran, • Kompartmentformation (badeschwammähnliches Bild insbesondere im Recessus suprapatellaris), • noch keine radiologischen Veränderungen; 4. Stadium IV (Abb. 10) • aggressive Pannusbildung mit Infiltration und evtl. Unterminierung des Knorpels, • radiologisch subchondrale Osteolysen, • knöcherne Erosionen- und Zystenbildung. 8 Abbildung 10: Infekt Stadium IV bei liegendem VKB-Transplantat mit Beteiligung des Bohrkanales femoral SFA-Nr-18.qxd 8 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 9 Therapie 8.1 Technische Voraussetzungen Zur arthroskopischen Spülbehandlung hat sich neben dem für die Arthroskopie benötigten Optik- und Kamerasystem eine Arthroskopie-Spülpumpe (Abb. 11) bewährt. Hiermit kann eine kontrollierte Distension und kontinuierliche Spülung des Gelenkes erreicht werden. Zu Beginn der Arthroskopie muss in der Regel zunächst das Gelenk ausgiebig gespült werden, um zufriedenstellende Sichtverhältnisse zu erreichen. Im Stadium III des Gelenkinfektes wird häufig zusätzlich ein Shaversystem benötigt, um Adhäsionen, Fibrinstränge und Synovialisverdickungen entfernen zu können. 8.2 Arthroskopische Therapie Die Diagnose des Gelenkinfektes ist eine absolute Notfallindikation, die keine zeitliche Verzögerung erlaubt! Die Therapie des Gelenkinfektes muss daher so früh wie möglich beginnen. Bereits bei Verdacht auf das Vorliegen eines Gelenkinfektes ist eine arthroskopische Spülung indiziert; diese kann bei Risikopatienten evtl. auch in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Wird die Behandlung zeitlich verzögert, ist ein fulminantes Fortschreiten des Gelenkinfektes möglich, das für den Patienten lebensbedrohlich sein kann. Die Behandlungsprinzipien sind an allen Gelenken identisch. Allerdings muss am Schultergelenk der Subacromialraum in die Behandlung miteinbezogen werden, insbesondere bei postoperativen Infektionen nach arthroskopischen oder offe- Abbildung 11: Arthroskopiespülpumpensystem mit kontrollierbarem Zu- und Ablauf Tabelle 2: Klassifikation der exogenen bakteriellen Infektionen [nach 69] Stadium Definition I (milde Infektion) Erste Symptome zwischen 24h und 5d nach Intervention Drainage bereits entfernt Geringe Bakterienzahl Meist negative Keimkultur II (mäßige Infektion) Dauer zwischen 5 und 10 d Eiteransammlung Meist positive Bakterienkultur III (schwere Infektion) Dauer > 10 d Kein Eiter + Typ A mit Weichteilnekrosen + Typ B ohne Weichteil- oder Knochennekrosen 9 SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 10 Abbildung 12, 13: Postoperativer Früh-Infekt Stadium IV (Staph. aureus) bei Zustand nach arthroskopischer VKB-Ersatzplastik mit Beteiligung des Lig. patellaeTransplantates (femoral Transfixation mit bioresorbierbaren PLLA-Stiften, tibial Bio-Interferenzschraubenfixation). Nach zweimaliger arthroskopischer Spülung nen schulterchirurgischen Eingriffen an der Rotatorenmanschette. In den Stadien I und II ist eine arthroskopische Spülbehandlung kombiniert mit i.-v.-Antibiotikatherapie meist ausreichend. Im Stadium III wird häufig ein Shaver zum Débridement benötigt. Hierbei sollte die Synovialmembran als physiologische Barriere gegen die Ausbreitung des Infekts intakt bleiben [25, 26]. Eine primäre Synovektomie ist daher nicht indiziert. Im Stadium IV ist die arthroskopische Spülbehandlung nicht suffizient. Hier ist die offene Revision mit Débridement des betroffenen Gelenks notwendig. Trotz Therapie kann ein Infekt im Verlauf zu einem höheren Infektstadium fortschreiten, entsprechend müssen die weiteren therapeutischen Massnahmen in diesem Falle angepasst und intensiviert werden. Die lokale klinische Symptomatik und die Laborparameter werden engmaschig im Verlauf kontrolliert. Wichtigster Labor-Verlaufsparameter ist das C-reaktive Protein [67]. Bei Persistenz der klinischen Symptomatik sowie im Verlauf weiterhin erhöhter Entzündungsparameter ist eine erneute arthroskopische Spülbehandlung erforderlich. Wichtig ist hier- 10 und einmaliger offener Revision mit Synovektomie musste trotz resistenzgerechter Antibiotikatherapie das Transplantat entfernt werden. Anschliessend Ausheilung des Infektes. Sekundär erneute VKB-Plastik nach 9 Monaten. bei, dass bei Baker-Zysten oder liegenden VKB- bzw. HKBTransplantaten die arthroskopische Therapie nicht ausreichend sein kann, insbesondere sofern in den Knochenkanälen bereits eine Osteitis vorliegt (Abb. 12, 13). In diesen Fällen muss eine offene Revision erfolgen, um die Infektion suffizient behandeln zu können. Des weiteren kann bei einer extraartikulären Ausweitung des Infektes (vorbestehende OPWunden, Arthroskopieportale, Transplantatentnahmestelle) ein offenes Débridement erforderlich sein [52]. Die arthroskopische Spülung des infizierten Gelenks erfolgt mit mindestens 5 Litern Ringer-Spüllösung und einer hydraulischen Pumpe zur Distension des Gelenks. Je nach Stadium des Infekts kann eine grössere Menge Spülflüssigkeit erforderlich sein. Ein Shaver sollte nur zurückhaltend vor allem im Stadium III eingesetzt werden, um die Synovialmembran nicht unnötig zu schädigen. Antibiotika- und Antiseptikazusätze zur Spüllösung sind nach unserer Meinung nicht indiziert. Drainagen sind in der Regel nicht erforderlich. Falls dennoch Drainagen zur Anwendung kommen, sollte die Dauer möglichst auf wenige Stunden begrenzt werden, um eine sekundäre Infektion durch Keimaszension zu verhindern. SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 11 8.3 Antibiotikatherapie Die i.-v.-Antibiotikatherapie sollte erst nach der prä- oder intraoperativen Entnahme der Bakteriologie- und Histologieproben begonnen werden, um deren Resultate nicht zu verfälschen. Bis zum Vorliegen des definitiven Bakteriologieresultats mit Antibiogramm sollte ein Breitspektrumantibiotikum eingesetzt werden, um aerobe und anaerobe Erreger gleichzeitig therapeutisch erreichen zu können. Sofern die Möglichkeit einer mikroskopischen Ausstrichuntersuchung besteht, kann je nach mikroskopischem Morphotyp evtl. auf den Infektionserreger rückgeschlossen werden und bereits frühzeitig eine gezielte Therapie begonnen werden. Im Zweifelsfall empfiehlt sich jedoch die Anwendung des Breitspektrum-Antibiotikums. Gemäss Antibiogrammresultat muss die Antibiotikatherapie angepasst und ggf. bei Problemkeimen als Antibiotikakombinationstherapie weitergeführt werden [49]. In Tabelle 3 ist die bei uns übliche unspezifische und spezifische Antibiotikatherapie bei Gelenkinfekten ohne liegendes Implantat zusammengestellt. Die Dauer der intravenösen Antibiotikatherapie orientiert sich nach dem klinischen und laborchemischen Verlauf sowie nach dem nachgewiesenen Erreger. Die Gesamtdauer der Therapie sollte über den Nachweis normaler Entzündungsparameter im Labor hinaus für insgesamt mindestens 4 Wochen weitergeführt werden [56]. Nach Regredienz der klinischen Symptomatik und Rückgang der Entzündungsparameter im Labor kann anschliessend sicherheitshalber auf eine perorale Antibiotikatherapie übergegangen oder ggf. die Antibiotikatherapie auch gestoppt werden. In Abhängigkeit vom Erreger (z.B. Proprionibakterien) kann auch eine längerdauernde Anwendung erforderlich sein. Sofern die Möglichkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit mit einem klinischen Infektiologen besteht, können nach unserer Erfahrung die Behandlungsresultate optimiert werden. Bei liegendem Fremdmaterial, wie z.B. Fadenankern, Interferenzschrauben, Transplantaten (VKB-/HKB-Rekonstruktionen) etc., das nicht entfernt werden kann oder soll, sollte in der Regel eine Kombinationstherapie erfolgen. Bei liegenden Implantaten oder Fremdmaterialien können typischerweise Biofilm produzierende Erreger einen Infekt verursachen. Zudem spielen Interaktionen zwischen Erreger, Patientenorganismus und Fremdmaterial eine wesentliche Rolle in der Tabelle 3: St. Galler Empfehlung zur Antibiotikatherapie von Gelenkinfekten (ohne Implantat) ERREGER ANTIBIOTIKUM TAGESDOSIS i.v. Primär empirisch bis zum Erregernachweis Amoxicillin/Clavulansäure (z.B. Augmentin®, Augmentan®) 3 x 2,2g Staph. aureus* Flucloxacillin (z.B. Floxapen®, Staphylex®) (4-) 6 x 2g Staph. epidermidis* Flucloxacillin (4-) 6 x 2g Beta-hämolys. Streptokokken Gruppe A* Penicillin 6 x 4 Mio E Pneumokokken* Ceftriaxon (z.B. Rocephin®) 1 x 2g Pseudomonas aeruginosa* Cefepime (z.B. Maxipime®) 3 x 2g Proteus mirabilis* Ceftriaxon 1 x 2g E.coli* Ceftriaxon 1 x 2g Hämophilus influenzae* Ceftriaxon 1 x 2g Proprionibakterien* Amoxicillin (z.B. Clamoxyl®) 6 x 2g Salmonellen* Ceftriaxon 1 x 2g Gonokokken* Ceftriaxon 1 x 2g Methicillin resistente Staph.aureus* Vancomycin (z.B. Vancocin®) 2 x 1g (* bei nachgewiesener Sensibilität der Erreger im Antibiogramm) 11 SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 12 Entwicklung von Infektionen. Während Staph. epidermidis in Abhängigkeit vom Implantatmaterial Biofilmformation auslösen kann [89], reagiert Staph. aureus mit Proteinen des Wirtsorganismus (Fibronectin, Fibrinogen, Kollagen), womit das Implantat unmittelbar nach Implantation bedeckt wird [23]. Im Tierversuch konnte bei subkutanem Fremdmaterial das minimale Inoculum für eine Infektion mit Staph. aureus um einen Faktor von 100.000 reduziert werden [94]. Es konnten weniger als 100 Kolonie formende Erregereinheiten trotz Antibiotikaprohylaxe einen Infekt verursachen. Dieses Erregerverhalten an Fremdkörpern und Implantaten hat daher auch Konsequenzen für die Prophylaxe und Therapie von Infektionen bei liegenden Implantaten: in der Behandlung sollte ein potentes Antibiotikum eine bakterizide Wirkung auf oberflächenadhäsive, langsam wachsende und Biofilm produzierende Organismen aufweisen. Rifampicin erfüllt diese Anforderungen, was in vitro, in vivo und in klinischen Studien nachgewiesen werden konnte [87, 88, 95]. Allerdings sollte Rifampicin nicht alleine angewendet werden, da insbesondere Staphylokokken eine rasche Resistenzentwicklung aufweisen. Die übliche Dosierung beträgt für Rifampicin 450 mg 12stündlich, wobei die Anwendung intravenös oder per os erfolgen kann. Die Dauer der Kombinationstherapie beträgt üblicherweise mindestens 4 bis 6 Wochen, wiederum in Abhängigkeit vom klinischen und laborchemischen Verlauf. Auf die spezifische Behandlung von Protheseninfekten soll in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden. Es sei jedoch auf die Zusammenstellung von Zimmerli und Mitarbeitern zur erregerabhängigen antibiotischen Therapie von Protheseninfekten hingewiesen [93]. Besonderheiten: Das penicillinasefeste Penicillin Flucloxacillin (Floxapen®, Staphylex®) wird als Therapeutikum der ersten Wahl bei Infekten mit grampositiven Kokken empfohlen [49]; in der Therapie von Gelenkinfekten kann es jedoch gelegentlich weniger wirksam sein. Der Gyrasehemmer Ciprofloxcin (Ciproxin®, Ciprobay®) wird in der Therapie von Gelenkinfekten nur selten, bei Protheseninfekten häufiger eingesetzt. Bei Monotherapie - insbesondere bei noch sezernierender Wunde - ist mit einer erhöhten Resistenzentwicklung der Erreger zu rechnen. MRSA sind als Gelenkinfekt verursachende Erreger selten. In der Therapie von MRSA gilt Vancomycin als Therapiestandard. In letzter Zeit wurden jedoch bereits Resistenzen und Therapieversager beobachtet. Hier steht als Reserveantibiotikum das Oxazolidinon Linezolid (Zyvoxid®) zur Verfügung. 9 Nachbehandlung Eine postoperative Immobilisation des betroffenen Gelenks kann gelegentlich zur Schmerztherapie kurzfristig erforderlich sein, ansonsten sollte mit der Mobilisation auf einer CPMSchiene bis zur Schmerzgrenze nach Beruhigung der Weichteile möglichst frühzeitig postoperativ begonnen wer12 den, um einem Bewegungsdefizit entgegenzuwirken. Zusätzlich sind eine intensive aktive und passive Mobilisation des betroffenen Gelenks unter physiotherapeutischer Anleitung wichtig, um eine möglichst rasche und vollständige funktionelle Wiederherstellung des Gelenkes zu erzielen. 10 Eigene Resultate der arthroskopischen Therapie von Gelenkinfekten Nach dem vorgestellten Therapiekonzept wurden an unserer Klinik 76 Patienten mit septischer Arthritis an 78 betroffenen Gelenken behandelt [78]: • • • • 62 Kniegelenk-, 10 Schulter-, 5 Sprunggelenk- und 1 Hüftgelenkinfekt. Entsprechend dem arthroskopischen und radiologischen Stadium bei Beginn der Behandlung wurden die Patienten in 3 Gruppen eingeteilt und die Therapieresultate analysiert: 1. Stadium I: 21 Patienten, 22 Gelenke; 2. Stadium II: 43 Patienten, 44 Gelenke; 3. Stadium III: 12 Patienten, und 12 Gelenke Patienten mit Stadium-IV-Infektionen wurden aus dieser Studie ausgeschlossen. In der Stadium-I-Gruppe war lediglich bei einem Patienten eine wiederholte arthroskopische Spülung erforderlich, in der Stadium-II-Gruppe bei 52% und der Stadium-III-Gruppe bei 75% der Patienten. Während in der Stadium-I-Gruppe alle betroffenen Gelenke mit einer Ausnahme erfolgreich mit nur einer arthroskopischen Spülung behandelt werden konnten, lag die Erfolgsrate der ersten arthroskopischen Spülung in der Stadium-II-Gruppe bei 48% und in der Stadium-III-Gruppe bei 25%. Die Kombination von arthroskopischer Spülbehandlung und Antibiotikatherapie führte in der Stadium-I-Gruppe bei 96% und in der Stadium-II-Gruppe bei 95%, jedoch in der Stadium-III-Gruppe nur bei 67% der Patienten zur Heilung der septischen Arthritis. Eine offene Gelenkrevision war bei einem betroffenen Gelenk aus der Stadium-II-Gruppe und bei 2 Gelenkinfekten aus der Stadium-III-Gruppe erforderlich. Insgesamt konnten 91% der infizierten Gelenke durch die Kombination von arthroskopischer Spülbehandlung und Antibiotikatherapie erfolgreich behandelt werden. Die Anzahl der arthroskopischen Eingriffe und die Effizienz der Therapie zeigten eine Abhängigkeit vom initialen Infektstadium. Es konnten somit prognostische und therapeutische Konsequenzen der Stadieneinteilung festgestellt werden. SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 13 11 Gutachterliche Aspekte Da die auf eine Gelenkinfektion zurückgehenden Folgeschäden oft gravierend und langwierig sind, entstehen häufig gutachterliche Auseinandersetzungen zu dieser Problematik [62]. Insbesondere nach vorausgegangenen ärztlichen Interventionen wie Punktionen oder operativen Eingriffen entsteht oft der Vorwurf eines ärztlichen Behandlungsfehlers. Sehr wichtig in diesem Zusammenhang ist die schriftlich fixierte Aufklärung über die potentiellen Risiken einer geplanten Intervention. Auch wenn häufig der kausale Zusammenhang zwischen Ursache und Folgen der Infektion nicht nachgewiesen werden kann, ist die Anerkennungsquote hoch (44% bei postoperativen Infektkomplikationen, 69% bei septischen Arthritiden nach intraartikulären Injektionen) [3]. Obwohl die Diagnose bei postinterventionellen Infekten meist während der ersten und zweiten Woche nach dem Eingriff gestellt wird, kann die Diagnose auch erst mehrere Monate verzögert gestellt werden [47, 90]. Ein Zusammenhang mit der vorangegangenen Intervention muss jedoch auch trotz dieser Verzögerung postuliert werden. Neben der Beurteilung des infektbedingten Dauerschadens sind auch die möglichen Spätschäden in die Einschätzung mit einzubeziehen. Nach Infekten an Knie- oder Hüftgelenk können Veränderungen in der Mechanik der Wirbelsäule durch das veränderte Gangbild hervorgerufen werden. Falls ein prothetischer Ersatz des betroffenen Gelenkes vorgenommen werden muss, ist mit einem erhöhten peri- und postoperativen Infektionsrisiko und sekundär mit einem ebenfalls erhöhten Lockerungs- und Reoperationsrisiko zu rechnen. 12 Besonderheiten in Diagnostik und Therapie von Gelenkinfekten beim Kind In Abhängigkeit vom Alter des Kindes variieren die Befunde von Gelenkinfekten im Vergleich zu Infekten beim Erwachsenen (Tabelle 4 [74]). Bei Kindern bis zum dritten Lebensjahr kann ein metaphysärer knöcherner Infekt über die Epiphysenfugen überkreuzende Blutgefässe in ein angrenzendes Gelenk fortgeleitet werden. Bei Kindern und Jugendlichen ist häufig das Hüftgelenk von Arthritiden betroffen. Hierbei bereitet die Unterscheidung zwischen septischer Arthritis und transienter Synovialitis oft Schwierigkeiten. Kocher und Mitarbeiter [50] konnten durch die Kombination der Prädiktoren Blutsenkungsgeschwindigkeit über 40 mm/h, Serum-Leukozytenzahl über 12,0 x 10 9/Liter, anamnestisches Fieber und spontane Entlastung der betroffenen Extremität einen Algorithmus für die Wahrscheinlichkeit einer septischen Arthritis am Hüftgelenk erstellen. Hierbei stieg die Vorhersagewahrscheinlichkeit für eine septische Arthritis mit der Zahl der vorhandenen Prädiktoren an (Tabelle 5 und 6, Seite 14). Der Ausschluss eines Gelenkinfektes muss ohne zeitliche Verzögerung durch Sonografie und Gelenkpunktion erzwungen und eine antibiotische Behandlung begonnen werden. Sofern keine eindeutige Besserung der Symptomatik innerhalb weniger Stunden eintritt, muss eine operative Entlastung, Spülung und Drainage erfolgen. Die Spülung des Gelenkes ist auch bei Kindern arthroskopisch möglich [51], wobei je nach Alter des Kindes evtl. Spezialinstrumente benötigt werden. Diese Behandlung sollte in einer kinderorthopädischen Spezialklinik erfolgen, da - insbesondere auch bei nicht optimaler Behandlung - schwere Dauerschäden entstehen können. Tabelle 4: Besonderheiten der Gelenkinfekte beim Kind Neugeborene Hämatogen, oft multifocal Schwierige Diagnose, wenig lokale und allgemeine Symptome, Trinkstörung Staphylokokken, Streptokokken, E. coli > 60% Osteomyelitis, Fortleitung über Epiphysengefässe Kleinkinder Hämatogen Pseudoparalyse, Entlastung der Extremität, Gedeihstörung, evtl. Fieber H. influencae Generalisierte Infektsuche, Osteomyelitiden der angrenzenden Knochen Rötung, Schwellung, Überwärmung Staphylokokken Schulkinder 13 SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 14 Tabelle 5: Anzahl der vorhandenen Prädiktoren und Vorhersagewahrscheinlichkeit für septische Arthritis [nach 50] Anzahl Prädiktoren Transiente Synovialitis (n= 86) Septische Arthritis (n= 82) Vorhersage-Wahrscheinlichkeit für Septische Arthitis 0 22,1% 0% < 0,2 1 54,7% 1,2% 3,0 2 18,6% 14,6% 40,0 3 4,7% 53,7% 93,1 4 0% 30,5% 99,6 Prädiktoren: Blutsenkungsgeschwindigkeit über 40 mm/h, Serum-Leukozytenzahl über 12,0 x 10 9/Liter, anamnestisches Fieber, spontane Entlastung der betroffenen Extremität Tabelle 6: Algorithmus der Wahrscheinlichkeit einer septischen Arthris am kindlichen Hüftgelenk [nach 50] Fieber Spontane Entlastung BSG Erhöhung Leukozytenzahlerhöhung Wahrscheinlichkeit für Septische Arthritis + + + + 99,8% + + + - 97,3% + + - + 95,2% + + - - 57,8% + - + + 95,8% + - + - 62,2% + - - + 44,8% + - - - 5,3% - + + + 93,0% - + + - 48,0% - + - + 33,8% - + - - 3,4% - - + + 35,3% - - + - 3,7% - - - + 2,1% - - - - 0,1% 13 Diskussion In der Therapie von Patienten mit septischer Arthritis konnten in über 15 Jahren klinischer Erfahrung mit dem geschilderten Behandlungskonzept sehr gute Behandlungsresultate erzielt werden. Im Vergleich zur Literatur liegt die Erfolgsrate der Therapie mit insgesamt 91% [78] in unserem Patientengut im oberen Bereich der guten bis exzellenten Resultate , die an Knie- [12, 26, 29, 34, 35, 37, 63, 75, 77, 80] Schulter- [8, 28], Ellenbogen-, Hüft- [11, 48] und Sprunggelenk [40] erzielt wurden. In diesen Arbeiten erfolgte keine Differenzierung des Infektausmaßes bei Behandlungsbeginn, so dass ein direkter Vergleich mit unseren Resultaten nicht möglich ist. Die Auswertung unserer Resultate zeigte bezüglich Erfolgsrate 14 und Häufigkeit der arthroskopischen Spülbehandlung einen Zusammenhang mit dem initialen Infektstadium. Ein frühes Infektstadium bei Behandlungsbeginn ist daher klar prognostisch günstiger als ein fortgeschrittenes Stadium. Dies steht im Einklang zu klinischen und experimentellen Studien, die einen Zusammenhang zwischen einem frühen und aggressiven Therapiebeginn und dem Behandlungserfolg nachweisen konnten [46, 63, 69, 85, 86]. Als Schlussfolgerung muss bereits bei Verdacht auf das Vorliegen eines Gelenkinfektes eine möglichst frühzeitige arthroskopische Therapie kombiniert mit Antibiotikatherapie empfohlen werden. Die durch die arthroskopische Intervention verursachte Traumatisierung des Gelenkes ist im Vergleich zu den schwerwiegenden Komplikationen und Folgeschäden des Gelenkinfektes bei verzögerter Behandlung vernachlässigbar [38, 42]. SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 15 Die arthroskopische Therapie von Gelenkinfekten wurde zunächst vorwiegend am Kniegelenk, dann auch am Schultergelenk eingesetzt. Inzwischen liegen Erfahrungsberichte ebenfalls von Ellenbogen-, Hüft- und Sprunggelenk vor, jedoch mit im Vergleich zu Knie- und Schultergelenk erheblich kleineren Patientenzahlen. Die Grundprinzipien der arthroskopischen Therapie unterscheiden sich hierbei nicht wesentlich. Verschiedene Autoren [29, 39, 40, 61, 64] empfehlen die Anwendung intraartikulärer Antibiotika. So berichten Attmanspacher et al. [6, 8] über gute Resultate nach arthroskopischer Applikation eines Sulmycin-Kollagenvlies in der Therapie von Gelenkinfekten an der Schulter mit im Vergleich zu gegenüber offenen Revisionen besseren Resultaten. Diese intraartikuläre Antibiotikatherapie ist u. E. nicht erforderlich, da durch klinische und experimentelle Studien therapeutische Antibiotikadosen in der Synovia nach i.-v.-Applikationen nachgewiesen werden konnten [21, 61, 65]. Als weitere mögliche Nachteile wurde eine pH-Verschiebung und das Auftreten einer chemischen Synovitis nach intraartikulärer Antibiotikaapplikation beschrieben [4, 84]. Hierbei können insbesondere bei intraartikulärer Anwendung von Antibiotikavliesen Verklebungen oder Verwachsungen entstehen. Auch die Anwendung intraartikulärer Antiseptika ist nicht indiziert, da hierdurch schwere, irreversible Schädigungen des Gelenkknorpels verursacht werden können [26, 84] (Abb. 14). So konnte für Polyhexanid zwar eine bakterizide Wirkung nachgewiesen werden, jedoch traten bereits nach 15 minütiger Anwendung knorpeltoxische Nebenwirkungen auf [27]. Kontrovers wird die Frage diskutiert, ob bei Infekten nach VKB-Rekonstruktionen das Transplantat belassen werden oder frühzeitig entfernt und sekundär eine neue VKBRekonstruktion durchgeführt werden soll. Unseres Erachtens ist das Belassen des Transplantates initial bei frühzeitigem Beginn der arthroskopischen Spülbehandlung mit intravenöser Antibiotikatherapie vertretbar. Die Entfernung des Transplantates muss jedoch bei arthroskopisch infektiösem Aspekt des Transplantatgewebes oder nicht beherrschbarer Infektpersistenz trotz Therapie in Betracht gezogen werden. In der Literatur finden sich lediglich Arbeiten mit kleinen Patientenzahlen. Blitzer et al. [11] berichten über ihre Erfahrung mit frühzeitiger Entfernung des Transplantates gefolgt von 6 Wochen intravenöser Antibiotikatherapie und neuer VKBRekonstruktion durchschnittlich 3 Wochen nach Beendigung der Antibiotikatherapie mit guten Resultaten bei 4 Patienten. Matava et al. [58] empfehlen hingegen die erneute VKBRekonstruktion frühestens nach 6 bis 9 Monaten. Fong und Tan [22] konnten bei 7 Patienten ohne Entfernung des Transplantates mit guten kurzfristigen Resultaten die Gelenkinfektion zur Ausheilung bringen. Mc Allister et al. [59] berichten von 4 Patienten mit septischer Arthritis nach VKB Rekonstruktion. Die klinischen Resultate der Nachuntersuchung durchschnittlich 3 Jahre nach Behandlungsbeginn waren jedoch schlechter im Vergleich zu unkomplizierten VKB-Rekonstruktionen. Über gute Resultate mit Überlaufspüldrainagen in der Gelenkinfektbehandlung wurde von Jackson [35] und Riel et al. [70] berichtet. Ebenfalls gute Resultate wurden unter Verwendung von Saug-Spül-Drainagen [29, 64] sowie auch mittels Jet-Lavage mit Überlaufdrainage erzielt [92]. Im Gegensatz hierzu berichteten andere Autoren [19, 80] über erhöhte Raten sekundärer Infekte und Therapieversager bei der Verwendung von Saug-Spül-Drainagen. Als Nachteile dieser Therapie sind das Risiko der Spülstrassenbildung und die Möglichkeit der Keimaszension zu nennen. Zudem ist die Mobilisation des betroffenen Gelenkes nur verzögert und erschwert möglich und der Pflegeaufwand hoch. Sofern Ablaufdrainagen eingesetzt werden, sollten sie nur kurzzeitig belassen werden. In unserem Patientenkollektiv wurden keine Drainagen verwendet. Sekundärinfektionen traten nicht auf. Therapieversager traten in unserem Patientengut in 4% der Patienten auf, sodass eine offene Gelenkrevision vorgenommen werden musste. Zum Vergleich traten bei 46 Patienten einer Multicenterstudie [80] je 10,9% Therapieversager und sekundäre Infektionen unter der Verwendung von Saug-SpülDrainagen auf. Ivey u. Clark [34] untersuchten prospektiv die Resultate von 13 Patienten mit Gelenkinfekt, der durch arthroskopische Spülung mit Débridement und Shaving behandelt worden war. Hierbei verzeichneten sie 2 Therapieversager. Die Verwendung des Shavers ist meist nur im Stadium III des Gelenkinfekts erforderlich. Hierbei erfolgt lediglich ein Débridement mit Adhäsiolyse. Eine primäre Synovektomie ist nicht indiziert, da die Synovialmembran als physiologische Barriere gegen die Ausbreitung der Erreger intakt bleiben sollte [24, 25, 64]. Im Gegensatz zu verschiedenen Autoren [34, 35, 90] konnten wir im eigenen Patientengut durch wiederholte arthroskopische Spülbehandlungen bei Infektpersistenz sehr gute Resultate erzielen. Die Erfolgsrate und die Häufigkeit der erforderlichen arthroskopischen Spülungen waren hierbei vom initialen Infektstadium abhängig. Abbildung 14: Zustand 8 Monate nach arthroskopischer Spülbehandlung mit Antisepticum-Zusatz (Schultergelenk): Destruktion und Ablösung des Knorpels 15 SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Seite 16 13 Literatur 1 2 3 Ambacher T, Esenwein S, Kollig E, Muhr G (2001) Das diagnostische Konzept bei akuten Infektionen des Schultergelenkes 72(1):54-60 Anders G (1984) Gelenkspunktionen und intraartikuläre Injektionen in ambulanten orthopädischen Einrichtungen. Beitr Orthop Traumatol 31:419-425 Arens S, Müller L, Hansis M (1998) Vorgeworfene Behandlungsfehler nach postoperativen Infekten am Bewegungsapparat Chirurg 69:1263-1269 4 Argen RJ, Wilson CH, Wood P (1966) Suppurative arthritis. Arch Intern Med 117:661 5 Armstrong RW, Bolding F, Joseph R (1992) Septic arthritis following arthroscopy: clinical syndromes and analysis of risk factors. 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Fachbereichsleiterin Infektiologie Kantonsspital St. Gallen, danke ich für die Überprüfung der Angaben zur Antibiotikatherapie, Herrn Dr. Gerhard Eich, Leiter Spitalhygiene Kantonsspital St. Gallen, für die Überlassung der Bilder 1 und 6 und beiden für die sehr gute und kollegiale Zusammenarbeit bei der Behandlung von Infektionen in Orthopädie und Traumatologie. 19 SFA-Nr-18.qxd 24.08.2005 15:55 Uhr Stiftung zur Förderung der Arthroskopie Postfach 29 78501 Tuttlingen Telefon 07461 77496 Telefax 07461 95-2675 www.sfa-stiftung.org Seite 20 L93801 0705/3 Ausgabe 18