Infrastruktur - Deutsch-Russische Auslandshandelskammer / AHK

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Infrastruktur - Deutsch-Russische Auslandshandelskammer / AHK
Inhalt
Vorworte
Einleitung
..................................................................................................................................... 5
.................................................................................................................................. 9
1.
Infrastruktur
1.1
Straßenbau ......................................................................................................................... 12
1.1.1 Zustand des russischen Straßennetzes ................................................................... 12
1.1.2 Projekte und Geschäftschancen ...............................................................................13
1.1.3 Kontaktanschriften ................................................................................................... 19
Schienenwege .................................................................................................................... 21
1.2.1 Zustand ..................................................................................................................... 21
1.2.2 Projekte und Geschäftschancen .............................................................................. 21
1.2.3 Kontaktanschriften ................................................................................................... 26
Flughäfen ........................................................................................................................... 27
1.3.1 Zustand ..................................................................................................................... 27
1.3.2 Projekte und Geschäftschancen .............................................................................. 27
1.3.3 Kontaktanschriften ................................................................................................... 32
Häfen .................................................................................................................................. 33
1.4.1 Zustand ..................................................................................................................... 33
1.4.2 Projekte und Geschäftschancen .............................................................................. 34
1.4.3 Kontaktanschriften ................................................................................................... 38
Allgemeine Kontaktanschriften Infrastruktur ................................................................... 40
„40.000 Ortschaften sind noch nicht an das Straßennetz angeschlossen“ Interview mit Frank Forchert, Generaldirektor OOO Wirtgen International Service ........ 41
„Russland ist der interessanteste Markt für die Deutsche Bahn“ Interview mit Jörg Siedenbiedel, Leiter der Generalvertretung
Deutsche Bahn AG ............................................................................................................. 45
„Die Projektsteuerung können auch deutsche Planer übernehmen“ Interview mit Tom Schmidt, Vorsitzender der Geschäftsleitung Hochtief ......................... 49
„Die Häfen Murmansk und Archangelsk haben Perspektive“ Interview mit Wilfried Anders, Leiter der Vertretung Finnlines Deutschland GmbH ........ 52
„Der Know-how-Transfer an den Grenzen findet erst jetzt statt“ Interview mit Olaf Metzger, Managing Director Rhenus Logistics .................................... 55
1.2
1.3
1.4
1.5
................................................................................................................ 11
2.
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
2.1
2.2
Der russische Energiemarkt ............................................................................................... 58
Geschäftschancen beim Ausbau der Stromerzeugung ...................................................... 59
2.2.1 Fossile Energieträger und große Wasserkraftwerke ................................................ 59
2.2.2 Erneuerbare Energiequellen ..................................................................................... 65
2.2.3 Wärmeenergie ........................................................................................................... 70
Geschäftschancen bei der Erhöhung der Energieeffizienz ................................................ 71
Kontaktanschriften ............................................................................................................. 84
2.3
2.4
................................................................. 58
Germany Trade & Invest www.gtai.de
3
Inhalt
2.5
Internetlinks ........................................................................................................................ 86
„Energieeffizienz ist Chefsache des Präsidenten“ Interview mit Interview mit Thomas Hendel, Geschäftsführer der
Russisch-Deutschen Energie-Agentur (Rudea) ................................................................. 88
„Der Markt für energieeffiziente Produkte öffnet sich“ Interview mit Dr. Norbert Richter, Russland-Geschäftsführer von Caparol ..........................
„In Ostsibirien gibt es große, nicht entdeckte Vorkommen von Öl und Gas“ Interview mit Olaf Klarner, Geschäftsführer Klarenco LLC ............................................... 93
3.
Gesundheitswirtschaft
3.1
3.2
ÜbeRubelick zum russischen Gesundheitssektor ............................................................. 97
Pharmaindustrie ............................................................................................................... 101
3.2.1 Pharma-Cluster ....................................................................................................... 105
3.2.2 Internationales Engagement ................................................................................... 107
3.2.3 Kontaktanschriften .................................................................................................. 107
Medizintechnik .................................................................................................................. 109
3.3.1 Diagnosegeräte ....................................................................................................... 112
3.3.2 Nuklearmedizin ....................................................................................................... 112
3.3.3 Weitere perspektivreiche Geschäftsfelder .............................................................. 113
3.3.4 Kontaktanschriften .................................................................................................. 114
Markteinstieg für deutsche Unternehmen im Gesundheitswesen .................................. 116
„Größte Chancen bei Pharmazeutika und medizinischen Verbrauchsmaterialien“ Interview mit Julius Krüger, Direktor International Business Development
Fresenius Medical Care .................................................................................................... 117
„In den nächsten Jahren wird der Medizintechnik-Bedarf noch steigen“ Interview mit Andreas Berns, Vice President OOO Siemens, Leiter Healthcare ............. 120
„An einem Prüfzentrum in Russland führt kein Weg vorbei!“ Interview mit Dr. Christoph Dengler, Leiter der deutschen Praxis der
Rechtsanwaltskanzlei Mannheimer Swartling ..................................................................123
3.3
3.4
4.
Informations- und Telekommunikationstechnik
4.1
Telekommunikationstechnologie .......................................................................................125
4.1.1 Der Telekommunikationsmarkt im ÜbeRubelick ................................................... 125
4.1.2 Projekte und Geschäftschancen in der Telekommunikationsbranche ................... 128
4.1.3 Kontaktanschriften .................................................................................................. 133
Informationstechnologie ................................................................................................... 136
4.2.1 Der Markt heute ...................................................................................................... 136
4.2.2 Projekte und Geschäftschancen ............................................................................. 137
4.2.3 Kontaktanschriften .................................................................................................. 140
Exkurs: Navigation made in Russia
„Für Russen ist Kommunikation so wichtig wie das tägliche Brot“ Interview mit Jürg Zehnder, DETECON International GmbH - Regionaldirektor
für Russland und die GUS-Staaten ................................................................................... 143
„Das Marktvolumen steigt jährlich um 5 Prozent“ Interview mit Igor Tschupalow, Generaldirektor T-Systems in Russland ....................... 144
4.2
4
............................................................................................ 97
Modernisierungsoffensive in Russland
...................................... 125
Vorwort
Vorwort
Grußwort
von Rainer Brüderle MdB
Bundesminister für Wirtschaft und Technologie
Das größte Land der Welt, Russland, will moderner werden. Präsident Dmitri Medwedjew hat eine
Modernisierungsoffensive gestartet, die das Land aus seiner einseitigen Rohstoff-Exportabhängigkeit befreien soll. Neben den klassischen Industrien setzt er auf neue, hochinnovative Technologien. So strebt Russland bei Telekommunikation und Informationstechnik einen Platz an der Weltspitze an. Mit dem Ressourcenreichtum des Landes soll sparsamer umgegangen werden. Präsident
Medwedjew hat ehrgeizige Ziele zur Erhöhung der Energieeffizienz formuliert. Zudem sollen die
Bürgerinnen und Bürger mithilfe einer grundlegenden Verbesserung der medizinischen Versorgung ganz unmittelbar von der Modernisierungsoffensive profitieren. Diese Vorhaben begrüße
ich ausdrücklich.
Deutschland steht Russland bei seinem Modernisierungskurs zur Seite. Hochmoderne und kreative Unternehmen aus Deutschland bieten in vielen Bereichen Lösungen für die Herausforderungen, vor denen die russische Wirtschaft steht. Insbesondere in Technologiebereichen wie Energieeffizienz, Medizintechnik, Telekommunikation oder Infrastruktur. Zudem nutzen wir die äußerst
engen politischen Kontakte zwischen unseren Ländern, um die Zusammenarbeit gerade in Wirtschaftsfragen noch zu intensivieren.
Russland bietet deutschen Unternehmen vielfältige Chancen. Allerdings fällt die Marktorientierung im größten Flächenland der Welt vielen Firmen oft nicht leicht. Daher müssen wir das
umfangreiche Exportangebot deutscher Unternehmen mit der großen Nachfrage in Russland
zusammenbringen.
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5
Vorwort
Hierzu leisten Germany Trade & Invest und die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer in
Moskau einen wichtigen Beitrag. Die vorliegende Broschüre stellt hunderte von konkreten Projekten der Moskauer Regierung wie auch von privaten Unternehmen anschaulich dar. Ich verstehe die
Veröffentlichung auch als guten Beitrag zur Verwirklichung der Außenwirtschaftsoffensive des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Sie wird bei der Anbahnung neuer Kontakte
wertvolle Dienste leisten.
Hierbei wünsche ich den Leserinnen und Lesern viel Erfolg.
Ihr
Rainer Brüderle
6
Modernisierungsoffensive in Russland
Vorwort
Vorwort
Grußwort
von Dr.-Ing. Heinrich Weiss
Vorsitzender der Geschäftsführung der SMS group
Präsident der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK)
Mitglied des Aufsichtsrates der Germany Trade & Invest GmbH
Der Ruf nach einer grundlegenden Modernisierung der russischen Wirtschaft ist nicht neu –
allerdings war der Druck zur Umsetzung noch nie so hoch wie gegenwärtig.
Zwar wurden in den letzten Jahren kontinuierlich Verbesserungen der Rahmenbedingungen erzielt, trotz vielfältiger Absichten konnte eine stärkere Diversifizierung der Wirtschaft allerdings
noch nicht gelingen. Derzeit stehen Rohstoffe immer noch für rund 80 Prozent der russischen
Exporte und finanzieren so im Wesentlichen den Staatshaushalt. Auch wenn die Konjunkturdaten
für 2010 vor allem aufgrund der steigenden Rohstoffpreise eine Erholung der russischen Wirtschaft erwarten lassen, scheint Präsident Medwedew nun gewillt, eine neue Wirtschaftsstruktur
für sein Land durchzusetzen und die Rohstoffabhängigkeit langfristig zu überwinden.
Anlässlich der deutsch-russischen Regierungskonsultationen im Juli in Jekaterinburg betonte der
Präsident, dass die aktuell anlaufende Modernisierungsoffensive keine kurzlebige Maßnahme als
Reaktion auf die Krise sei und lud speziell deutsche Unternehmen ein, mit ihrem Know-how die
russische Wirtschaft zu unterstützen.
Die deutsche Wirtschaft als auch die Politik begleiten Russland seit Jahren als stärkster Handelsund Modernisierungspartner. Eine Ausweitung der ohnehin schon intensiven Beziehungen ist für
beide Seiten wünschens- und lohnenswert, bedarf aber auch einer Verbesserung der Rahmenbedingungen innerhalb des russischen Wirtschaftssystems. Die Schaffung der „Kommission zur
Modernisierung und technologischen Entwicklung der Wirtschaft“, die direkt bei Präsident Medwedew angesiedelt ist sowie das Leuchtturmprojekt der Innovationsstadt Skolkowo als russisches
„Silicon Valley“ sind hierbei begrüßenswerte Schritte, allerdings kann ein Wandel und Umdenken
in der russischen Wirtschaft hin zu mehr Unternehmertum nicht nur rein sektoral oder regional
und damit technokratisch geplant vollzogen werden. Notwendig ist vielmehr auch ein Mentalitätswandel hin zu einer technologie- und leistungsorientierten Gesellschaft.
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7
Vorwort
Hinsichtlich der Verbesserung der Rahmenbedingungen werden aktuell vor allem der Abbau von
Bürokratie und Korruption, die Beschleunigung der Zoll- und Visaverfahren sowie der Aufbau eines
funktionierenden Rechtssystems forciert. Großvorhaben wie das Privatisierungsprogramm rund
5.000 staatlicher Unternehmen, die Zukunft der oftmals ineffizienten und Wettbewerb verhindernden Staatskonglomerate und der Monostädte müssen weiterhin gelöst werden. Bei den meisten
notwendigen Reformvorhaben wird es vor allem darauf ankommen die verkrusteten Behördenstrukturen in Russland aufzubrechen und die dort ansässigen Beamten von der Modernisierung zu
überzeugen. Sollte dies mittelfristig gelingen, erscheint das Ziel Präsident Medwedews einer
„intelligenten Wirtschaft mit innovativen Produkten“ realisierbar.
Für deutsche Unternehmen bieten sich innerhalb dieses groß angelegten Modernisierungsprozesses unzählige Möglichkeiten für erfolgreiche Partnerschaften und Geschäfte in Russland. Hierbei
können Sie auf die Unterstützung der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer sowie von
Germany Trade & Invest vertrauen, die Ihnen jederzeit gern zur Seite stehen.
Ihr
Dr.-Ing. Heinrich Weiss
8
Modernisierungsoffensive in Russland
Einleitung
Einleitung
Einleitung
Vierhundert neue Arzneimittel, drei große Medizintechnik-Cluster, Windkraft, Sonne, Biomasse,
ein eigenes Navigationssystem, Hochgeschwindigkeits-Internet in jedem Dorf und Schnellzüge
quer durchs Land - Russland will in Zukunft mit Innovationen statt mit Bohrlöchern und Gas-Pipelines für Schlagzeilen sorgen.
Dabei passten die beiden Vokabeln Modernisierung und Russland in der Vergangenheit nur
schwer zusammen. Dank der reichen Rohstoffvorkommen spülten die Exporte Geld in die Kassen
von Staat und Unternehmen, ohne dass innovative und international wettbewerbsfähige Produkte
entwickelt werden mussten.
Im Jahr 2008 kamen in Russland auf 10.000 Einwohner nur zwei Patent-Neuanmeldungen, insgesamt waren es 27.700. In Deutschland meldeten Forscher 2008 über 62.000 Patente an, was einer
Quote von fast acht Patenten je 10.000 Einwohnern entspricht.
Immer noch leidet Russland unter dem Aderlass in Forschung und Entwicklung, den der Nachfolgestaat der untergegangenen Sowjetunion zu verkraften hatte. Über 80.000 Wissenschaftler sollen nach 1990 das Land verlassen haben, weil sie im Ausland bessere Arbeitsbedingungen vorfanden. Nachwuchs schließt nur langsam auf, weil Tüftler und Erfinder nicht zu den attraktivsten Berufsfeldern gehören. Das Durchschnittsalter an der Akademie der Wissenschaft liegt bei weit über
50. Die Finanzausstattung der russischen Forschungsinstitute beläuft sich laut Untersuchungen
nur auf 3 bis 5% der Mittel, über die US-amerikanische Forschungsstätten verfügen können. Das
macht die maroden Labors kaum attraktiv für junge und frische Köpfe.
Nicht anders sieht es in der Privatwirtschaft aus. Während die Politik die mangelnde Innovationsfreude der Unternehmen beklagt, verweisen russische Geschäftsleute auf das fehlende Umfeld für
die Entwicklung neuer Produkte. Neben steuerlichen Anreizen vermissen sie auch einen ausreichenden Schutz geistigen Eigentums und die Bereitstellung von Risikokapital. Außerdem sind die
administrativen und finanziellen Barrieren für die Markteinführung innovativer Produkte in Russland hoch.
Spätestens seit dem tiefen Fall der Wirtschaft im Krisenjahr 2009 ist der Kreml jedoch alarmiert.
Präsident Dmitri Medwedjew hat erkannt, dass die reine Fixierung auf den Rohstoffreichtum das
Land in eine Sackgasse führt und die Abhängigkeit von den Weltmarktpreisen für Öl, Gas oder Metalle zu hoch ist. Der Kremlchef hat daher die Modernisierung seines Landes zur Chefsache erklärt
und auf der politischen Agenda ganz nach oben gesetzt. Allein in den Jahren 2010 bis 2012 sollen
umgerechnet rund 20 Mrd. Euro in 38 Schlüsselprojekte fließen, um folgende Branchen international wettbewerbsfähig zu machen:
- Informationstechnik und Telekommunikation,
- Energieeffizienz,
- Medizintechnik und Pharmazie,
- Nanotechnologie,
- Nukleartechnologie,
- Weltraumtechnologie.
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9
Einleitung
Den Großteil der Projektkosten sollen private Investoren schultern, die vom Staat im Gegenzug mit
allerlei Vorteilen wie Steuererleichterungen oder Präferenzen bei öffentlichen Ausschreibungen
bedacht werden.
Um der Wirtschaft einen Innovations- und Wachstumsschub zu verpassen, sind aber auch der Ausbau der Infrastruktur und der Energieerzeugung im größten Land der Erde nötig. All das geht nicht
ohne moderne Technologie aus dem Ausland, was auch die russische Regierung anerkennt. Für
deutsche Unternehmen bieten Russlands Modernisierungsanstrengungen deshalb beste Geschäftschancen. Denn gerade bei den nun anstehenden Großinvestitionen auf den Gebieten Energieeffizienz, Medizintechnik und Pharmazie, Informationstechnik und Telekommunikation hat
Deutschland Technologie, Know-how und Erfahrung anzubieten, die Russland für seinen Innovationssprung braucht.
Die vorliegende Publikation gibt einen umfassenden ÜbeRubelick über die Kooperations- und Liefermöglichkeiten bei der Modernisierung Russlands. Sie informiert über anstehende Projekte und
Investitionsvorhaben und nennt die wichtigsten Ansprechpartner. Gerade für mittelständische
Unternehmen bietet die Broschüre damit eine gute Basis für erfolgreiche Geschäfte mit Russland.
10
Modernisierungsoffensive in Russland
Infrastruktur
Infrastruktur
1.
Infrastruktur
Die Erneuerung von Straßen, Schienen, Flughäfen, See- und Flusshäfen steht seit einigen Jahren bereits ganz oben auf der Prioritätenliste der russischen Regierung. Präsident Dmitri Medwedew will
die Modernisierung weiter voran treiben. Er stellt die höchsten Qualitätsansprüche - am besten
westeuropäische Standards.
Die russische Regierung hat Ende 2008 die „Entwicklungsstrategie bis 2030“ verabschiedet. Im Unterprogramm 2010 bis 2015 ist die Marschroute für die kommenden fünf Jahre vorgegeben. Die darin aufgeführten Projekte wurden noch vor Beginn der Wirtschaftskrise geplant. Während die Infrastruktur-Investitionen 2009 sogar rückläufig waren, sind 2010 wieder einige Ausschreibungen
angelaufen. Besonders in Sotschi, wo 2014 die olympischen Winterspiele stattfinden, wird Tag und
Nacht gearbeitet - an Straßen, Schienen und Häfen. Dasselbe gilt für die Häfen in Sankt Petersburg,
die Eisenbahnstrecke in Jakutien und viele weitere Maßnahmen. Aber selbst wenn bis 2015 nicht alle
geplanten Straßen-, Schienen-, Flughafen- und Hafenprojekte für rund 12,7 Billionen Rubel verwirklicht werden - auch ein „Modernisierungsprogramm light“ bringt attraktive Geschäftschancen.
Deutsche Unternehmen sind favorisierte Partner, an dutzenden Projekten sind deutsche Planer,
Architekten und Ingenieure beteiligt. Deutsche Technik fehlt auf keiner größeren Baustelle. Allerdings ist die Konkurrenz stärker geworden. Feilschten zu Boom-Zeiten noch drei oder vier Firmen
um den Zuschlag für ein Straßenbauprojekt, sind es jetzt 15, erzählen Moskauer Brancheninsider.
Das erhöht den Preisdruck nicht nur auf die Generalauftragnehmer, sondern auch auf deren Subauftragnehmer. Vor allem die Russland-Risikoaufschläge vieler deutschen Baufirmen führten zu
Wettbewerbsnachteilen. Wo allerdings wichtige Projekte zeitnah und zuverlässig fertig gestellt
werden müssen, gelten deutsche Firmen als favorisierte Partner.
Nachdem das Frachtaufkommen bis 2008 stetig gestiegen war, verzeichnete die Transportbranche
2009 einen Rückgang von einem Zehntel. In den ersten Monaten 2010 legten die Umschlagsvolumina jedoch wieder zu. Bis 2015 rechnet das russische Transportministerium in allen Sektoren mit
einer deutlichen Zunahme der Frachtvolumina. Je schneller sich der Transportsektor nach der
Wirtschaftskrise erholt, desto stärker wird auch der Druck, die geplanten Infrastrukturmaßnahmen umzusetzen.
Gütertransporte nach Verkehrsträgern 2009
Verkehrsträger
Beförderte Veränderung
Fracht- Veränderung
Güter 2009
(in % ) *) aufkommen
(in % ) *)
(in Mio. t)
(in Mrd. tkm)
Gesamtes Frachtvolumen
7.468,5
-21,0
4.444,8
-10,2
Straßentransporte
5.240,5
-24,0
180,1
-16,7
Schienentransporte
1.108,2
-15,0
1.865,3
-11,9
Schiffstransporte
- Binnenschifffahrt
96,9
-35,7
52,6
-17,5
- Hochseeschifffahrt
37,3
6,1
97,5
15,5
Lufttransporte
0,7
-8,6
3,5
-4,0
Pipelines
984,9
-7,7
2.245,8
-8,9
*) gegenüber dem Vorjahr
redaktioneller Hinweis: tkm = Tonnenkilometer
Quelle: Föderaler Statistikdienst
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11
Infrastruktur
1.1 Straßenbau
1.1.1
Zustand des russischen Straßennetzes
Das russische Straßennetz ist extrem renovierungs- und ausbaubedürftig. Im größten Flächenland
der Welt gibt es gerade einmal 750.000 km Straßen mit festem Belag. Zum Vergleich: Im 48mal
kleineren Deutschland ist das Transportnetz mit rund 630.000 km annähernd gleich lang - aber um
ein dutzendfaches dichter und darüber hinaus wesentlich besser in Schuss. Zum Jahresende 2010
werden 40% aller Straßen in Russland föderalen Status besitzen. Davon ist laut Anatoli Tschabunin,
Leiter der föderalen Straßenbaubehörde Rosawtodor, jede vierte massiv überlastet.
Russland hat 2009 mehr als 126 Mrd. Rubel (2,9 Mrd. Euro; EZB-Jahresdurchschnittskurs 2009: 1
Euro = 44,14 Rubel) für den Bau und die Instandhaltung von föderalen Straßen ausgegeben. Davon
flossen laut Präsident Dmitri Medwedew über 67 Mrd. Rubel - also mehr als die Hälfte - in die Sanierung bestehender Trassen. Fertig gestellt wurden 1.058 km. Zum Vergleich: Zwischen den Jahren
1959 und 1965 asphaltierte die Sowjetunion über 81.000 km. Auch im internationalen Vergleich
hinkt Russland heute weit hinterher. BRIC-Konkurrent China hat angekündigt, bis 2020 rund
85.000 km neue Autobahnen bauen zu wollen, also rund 7.000 bis 8.000 km pro Jahr.
Länge des russischen Straßennetzes (jeweils zum Jahresende; in 1.000 km)
Straßennetz
1990
1995
2000
2005
2006
Autostraßen insgesamt,
884
940
898
858
932
davon
öffentliche 1)
455
539
584
581
701
private
429
401
314
277
231
Straßen mit festem Belag,
657
750
752
724
754
davon
öffentliche, davon 1)
400
484
532
531
597
föderale Straßen
44
46
47
47
regionale Straßen 3)
440
486
484
465
kommunale Straßen
k.A.
k.A.
k.A.
k.A.
85
private Straßen
256
266
220
194
157
2007
963
2008
940
747
216
771
754
185 2)
754
624
49
469
107
147
629
50
456
124
125 2)
1) seit 2006 fließen kommunale Straßen in die Statistik ein; 2) ohne kleine Unternehmen; 3) bis 2006 unter Zuständigkeit der Gebiete der Russischen
Föderation
Quelle: Föderaler Statistikdienst der Russischen Föderation
Die russische Regierung hat zu Hochzeiten der Krise 17 Brücken fertig gestellt, mit deren Bau noch
zu Sowjetzeiten oder Anfang der 1990er Jahre begonnen worden war. Doch in vielen Städten entlang größerer Flüsse stellen zu schmale Brücken nach wie vor den größten Engpass im Transportsystem der russischen Föderation dar.
Die Verkehrssituation spitzt sich vor allem in Ballungszentren zu - und das selbst zu Zeiten der Wirtschaftskrise, wenn die Warenströme geringer sind als zu Boomzeiten. Denn die Anzahl der zugelassenen Autos steigt ständig. Gar nicht auszudenken, wie sich das Verkehrschaos noch verschlimmert, wenn das Volumen des russischen Automobilmarktes wieder auf über 3 Mio. Kfz pro Jahr
12
Modernisierungsoffensive in Russland
steigt. Derzeit sind in Russland 32 Mio. Pkw gemeldet, die meisten davon in den großen Städten. Genau dort werden die zu geringen Infrastrukturinvestitionen der 1990er Jahre sichtbar. Im vergangenen Jahrzehnt hat Russland es - trotz sprudelnder Erdöl- und anderer Rohstoffeinnahmen - versäumt, die Straßen auf westliches Niveau zu heben. Der Fuhrpark hat sich in den vergangenen 15
Jahren verdoppelt. Mittlerweile behindern die Megastaus nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung in den Metropolen Moskau und Sankt Petersburg, sondern auch in anderen Großstädten in
den russischen Regionen.
In Moskau, wo über 12 Mio. Menschen leben und wohin täglich weitere zwei bis zweieinhalb Millionen Pendler aus den umliegenden Ortschaften fahren, beläuft sich das Straßennetz auf eine Länge
von 4.500 km und eine Fläche von 87 Mio. qm. In Berlin ist das Straßennetz mit 5.366 km deutlich
länger als in Moskau, doch in der russischen Hauptstadt leben viermal so viele Menschen und es
sind auch viermal so viele Pkw zugelassen wie in Berlin.
Automobilbestand in Russland (jeweils zum Jahresende; in 1.000 Stück)
Bestand
1995
2000
2005
2006
2007
Pkw
14.195
20.247
25.570
26.794
29.405
Lkw
2.937
4.122
4.848
4.929
5.168
Autobusse
513
624
792
824
882
2008
32.021
5.349
894
Quelle: Föderaler Statistikdienst der Russischen Föderation
1.1.2
Projekte und Geschäftschancen
Föderale Infrastrukturprojekte
Bis zum Jahr 2030 - so sieht es die langfristige Transportstrategie vor - sollen in Russland 20.000 km
Schnellstraßen gebaut werden. Dabei gibt es allein um föderale Straßen (entsprechen den deutschen Bundesstraßen). Ganz konkrete Neubau- und Sanierungspläne hat die russische Regierung
in ihrem Unterprogramm „Awtomobilnye dorogi 2010 bis 2015“ festgehalten (siehe Tabelle). In diesem Zeitraum sollen 6.200 km föderale Trassen neu gebaut und mehrere Zehntausend Kilometer
saniert werden. Die Regierung rechnet mit einem Investitionsvolumen von 4.300 Mrd.
Rubel.
Für das Jahr 2010 sind im Haushalt der Russischen Föderation 300 Mrd. Rubel für den Bau und die
Sanierung von Straßen vorgesehen. Konkrete Maßnahmen überwacht die staatliche russische Straßenbauagentur Rosawtodor. Die Behörde will 2010 knapp 1.000 km föderale Straßen bauen lassen
und für 61 Mrd. Rubel mehr als 3.600 km bestehende Trassen renovieren, hat Behördenleiter Anatoli Tschabunin bekannt gegeben.
Zu den zentralen Baumaßnahmen 2010 gehören etwa Abschnitte der Strecke von Tschita nach
Chabarowsk, der Abschluss der Arbeiten am Autobahnring um Sankt Petersburg, der Baubeginn
der Strecke von Moskau nach Sankt Petersburg und auch des zentralen Straßenrings in der Region
Moskau. In Sibirien wird die Umgehungsstraße von Nowosibirsk weitergebaut. Dafür stehen 2010
rund 1,6 Mrd. Rubel zur Verfügung; die Ortsumgehung soll 2013 fertig sein.
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13
Infrastruktur
Zu den großen Straßenbauprojekten der nächsten 20 Jahre zählt auch die neue Strecke von Moskau
über Uljanowsk nach Jekaterinburg. Die zentrale Baustelle - das war in der Vergangenheit eine 5,8
km lange Brücke über den Fluss Wolga nahe Uljanowsk - wurde 2009 fertig gestellt. Damit sind die
Bauarbeiten allerdings noch nicht beendet. Erstens müssten die Zufahrten noch ausgebaut werden. Zweitens fehlt noch das untere Geschoss der doppelstöckigen Brücke. Die Brücke ist eine der
Schlüsselstellen der 2.500 km langen Straße. Die neue Trasse soll 2030 fertig sein und eine Alternative bieten zu den föderalen Straßen M5 und M7. Kostenpunkt der gesamten Strecke: 180 Mrd. Rubel.
Die bestehende Fernstraße zwischen Moskau und Ufa, die M-7, wird bis 2013 auf dem Abschnitt zwischen den beiden Städten Kasan und Nabereschnye Tschelny grundlegend saniert, sie soll ab 2013
höchsten Qualitätsanforderungen genügen. Diese Modernisierung wird rund 40 Mrd. Rubel kosten. Das Geld kommt aus dem regionalen Haushalt der Republik Tatarstan sowie aus dem föderalen
Budget.
Föderale Straßenbauprojekte von 2010 bis 2015 (in Mrd. Rubel) 1)
Straß
Länge in km 2)
Kosten Anmerkungen / Besonderheiten
in Mrd. Rubel
M1 Belarus 3)
97
64,9 Strecke ab MKAD Moskau bis zur
belarussischen Grenze
M2 Krim
155
50,4 u.a. Umgehungsstraße um Fatesch,
zwei Brücken
M3 Ukraina
51
18,5 u.a. Abfahrt zur Stadt Brjansk
M4 Don
1.517
884,1 u.a. Ortsumgehung von Noworossisk
M5 Ural
1.155
203,2 mit Bahnübergängen, Stadtumgehungen, Brücken, etc.
M6 Kaspi
86
16,8
M7 Wolga
668
122,2 darunter Ortsumgehungen von Wladimir, Nischni Nowgorod, Nabereschnye
Tschelny
M8 Cholmogory
44
33,1 mit Ortsumgehung von Jaroslawl
M9 Baltija
69
33,2
M10 Skandinavia
37
8,0 Bauzeit: 2013 bis 2015
M11 Narva
95
10,2 Bauzeit: 2011 bis 2015
M18 Kola
39
2,4 Bauzeit: 2010 bis 2013
M20
47
7,7 Straße von Sankt Petersburg über
Pskow zur belarussischen Grenze
M21
33
5,6 Straße von Wolgograd zur ukrainischen Grenze; Bauzeit: 2012 bis 2015
M23
39
5,6 Straße von Rostow zur ukrainischen
Grenze; Bauzeit: 2011 bis 2015
M27
17
43,4 Straße von Dschugba über Sotschi zur
georgischen Grenze
M29 Kawkas
87
11,6 Bauzeit: 2010 bis 2012
M32
37
1,1 Strecke Samara - Kasachstan
14
Modernisierungsoffensive in Russland
(Fortsetzung)
Föderale Straßenbauprojekte von 2010 bis 2015 (in Mrd. Rubel) 1)
M51, M53, M55
92
13,7 Bauzeit: 2010 bis 2014; darunter die
Baikal
Nordumgehung von Nowosibirsk
Straß
Länge in km 2)
Kosten Anmerkungen / Besonderheiten
in Mrd. Rubel
M60 Ussuri
263
27,6 Chabarowsk - Wladiwostok
A141
35
8,8 Brjansk zur belarussischen Grenze
„Baikal“
24
3,9 Bauzeit: 2013 bis 2015
A229
41
7,5 Bauzeit: 2011 bis 2012
1P 242
106
13,9 Perm - Jekaterinburg
1P 315
139
19,5 Jekaterinburg - Tjumen; Bauzeit: 2011
bis 2015
A155
16
3,2 Tscherkessk bis zur georgischen Grenze
1P158
14
1,6 Nischni Nowgorod - Saratow; Bauzeit: 2010 bis 2014
„Kawkas“
11
2,0 Alagir, bis zur georgischen Grenze;
Bauzeit: 2011 bis 2012
1P 402
58
6,2 Tjumen - Omsk; Bauzeit: 2011 bis
2015
Weliki Nowgorod
261
49,6 Bauzeit: 2011 bis 2015
- Ust Luga
Sankt Petersburg
161
20,0 2011 bis 2015
- Petrosawodsk
M 56 Lena
119
1,8 nur Sanierungsarbeiten
„Kolyma“
96
17,6 Jakutsk - Magadan
M 56 Jenissei
54
2,7 Bauzeit: 2011 - 2012
„Wiljui“
423
28,1 von M53 „Baikal“ nach Jakutsk;
Bauzeit: 2011 bis 2015
M52 Tshujskij
89
4,3 Bauzeit: von 2011 bis 2012
Trakt
Schließung
230
85,9 einzelne unbefestigte Teilstücke der
unbefestigter
Landstraßen Astrachan-MachatschStraßenstücke
kala, Orenburg-Abfahrt von M5, Urwan-Uschtulu; Teile der M54 Jenissei,
A155 Tscherkessk-Dombai sollen
asphaltiert werden
1) Die Projektliste des russischen Verkehrsministeriums (in russischer Sprache) erhalten Sie kostenlos auf Anfrage bei Germany Trade and Invest
unter E-Mail: osteuropa@gtai.de; 2) Länge der zu renovierenden bzw. neu zu bauenden Strecke; entspricht nicht der Gesamtlänge der Magistrale
Quelle: Transportministerium der Russischen Föderation
Nachdem in den vergangenen Jahren einige Mega-Brückenprojekte fertig gestellt wurden, macht
sich die russische Regierung jetzt daran, bestehende Objekte zu erweitern und zu modernisieren.
Bis 2015 sollen 148 Brücken auf Vordermann gebracht werden. Dafür sind in der Transportentwicklungsstrategie des Verkehrsministeriums Ausgaben in Höhe von 52,2 Mrd. Rubel eingeplant.
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15
Infrastruktur
Geplanter Neubau, Rekonstruktion und Erneuerung wichtiger Brücken bis 2015 *)
Straße
Position und Art der Brücken und Überführungen
M4 Don
Wegebrücken bei km 117+080, und bei km 1.339+895, Brücke
uber die Flüsse Don bei km 1.061+569 (links) und Dschubga
bei km 1.150+860
M5 Ural
Brücke über den Fluss Woblja bei km 133+707
M6 Kaspij
Wegebrücke über Schienenweg bei km 127+960
M8 Cholmogory
Brücken über Moskwa (km 25+591) und Trubesch (km
139+930), vier Straßenüberführungen
M18 Kola
Brücke über den Fluss Schuja bei km 437+578
M29 Kawkas
Brücke über die Flüsse Assa bei km 611+270 und Baksan bei
km 82+775
M51, M53, M55 Baikal
Brücke über den Fluss Oka bei km 1626+400
M52 Tshujskij Trakt
Eisenbahnwegebrücke bei km 190+786
M54 Jenissei
Brücke über die Flüsse Ersin bei km 1.024+012 und Mana bei
km 32+779
Neubau einer Brücke in
6-spurige Brücke als Verbindung zwischen den Stadtvierteln
Krasnojarsk über den Jenissei Oktjabrski und Swerdlowski. Projektkosten: 20 Mrd. Rubel;
2010 bis 2014. Weitere Infos: www.krskstate.ru/econom
M55 Lena
Brücke über die Flüsse Mal. Nimnyr bei km 517+758, AtyrBassa bei km 560+786 und Neumnja bei km 614+530 sowie
über zwei Seitenarme. Eine Brücke über den Fluss Satyrn
bei km 666+975 sowie über mehrere Seitenarme.
M60 Ussuri
Brücke über die Flüsse Kedrowka, Tschirki bei km 24+034
sowie über zwei Seitenarme. Über den Fluss Monastyrka bei
km 589+534 sowie eine Eisenbahnüberführung bei km
668+011
Straße Kolyma JakutienBrücke bei km 608+425 und km 539. Über die Flüsse PjatiMagadan
letka bei km 1618, Kolyma bei km 1.579+920, Kulanda bei
km 480+942, und vier Quellen
A-101 Moskau bis zur Grenze Brücke über den Fluss Desnu bei km 351+426
Weißrusslands
A-104 Moskau-Dubna
Brücke über den Fluss Ikschanka bei km 54+046 sowie über
einen Seitenarm.
A-107 Kleiner Moskauer Ring Eisenbahnüberführung bei km 16+250
A-108 Großer Moskauer Ring Wegebrücke über Schienenweg bei 25+950
Straße Tjumen nach Chanty- Brücke über den Fluss Demjanka bei km 429+849
Manijsk
1R-132 Kaluga-Rjasan
Brücke über den Fluss Upa bei km 71+567
Nebenstraße nach Odinzovo Brücke über den Fluss Medwedka bei km 8+110
„Wiljui“
Brücken über die Flüsse Kukur (bei km 928+151 und km
982+183), Uguja (km 1048+460) und Tschjornaja (km
1145+526)
*) Die Projektliste des russischen Verkehrsministeriums (in russischer Sprache) erhalten Sie kostenlos auf Anfrage bei Germany Trade and Invest
unter E-Mail: osteuropa@gtai.de
Quellen: Transportministerium der Russischen Föderation, Recherche von Germany Trade and Invest
16
Modernisierungsoffensive in Russland
Public Private Partnership-Projekte
Im Juli 2009 wurde per Präsidentenerlass eine neue Straßenbaubehörde geschaffen mit dem Namen GK Awtodor. Aufgabe des Staatsunternehmens ist es, zehn PPP-Straßenbauprojekte zu verwirklichen. Zwei davon, die Trasse M1 „Belarus“ von Moskau nach Smolensk sowie die M4 „Don“ von
der Hauptstadt zur Hafenstadt Noworossisk, sind im Mai 2010 an die neue Staatsgesellschaft übergeben worden.
Geplante Mautstraßenprojekte unter der Koordination der GK Awtodor 1)
Projektbezeichnung
Länge in km
Zeitraum
Anzahl / Länge
der Mautabschnitte in km
Rekonstruktion M1 „Belarus“
449
2010-2018
2 / 200
Rekonstruktion M3 „Ukraine“
470
2011-2018
4 / 274
Rekonstruktion M4 „Don“
1.517
2010-2015
11 / 637 km
Neue Auffahrt auf den Mittleren
44
2012-2016
1 / 44
Autobahnring um Moskau von der
M7 „Wolga“ mit Ortsumgehung
Noginsk
Bau der Schnellstraße Moskau626
2010-2018
9 / 626
Sankt Petersburg
Bau des zentralen Autobahnrings
314
2010-2018
6 / 314
um Moskau
Mautstraße Krasnodar - Abinsk 147
2013-2018
1 / 147
Kabardinka
Mautstraße von Kasan über Oren825
2011-2020
k.A. / 825
burg bis zur kasachischen Grenze
2)
Mautpflichtige Ortsumgehung der
50
2013-2015
1 / 50
Stadt Wologdy 2)
Ringstraße im Kurort Primorsk im
24
2011-2013
1 / 24
Gebiet Kaliningrad
1) Eine Präsentation mit näheren Informationen (in russischer Sprache) erhalten Sie kostenlos auf Anfrage bei GTAI unter E-Mail: osteuropa@gtai.de; 2) Straßenabschnitte im Rahmen des internationalen Transportkorridors Europa - Westchina
Quelle: Staatsunternehmen GK Awtodor
Die Investitionen, die von GK Awtodor gesteuert werden, belaufen sich bis 2016 auf 1.500 Mrd. Rubel, sagte Behördenleiter Sergei Kostin Anfang April 2010. Mit diesem Geld sollen über 500 km
neue föderale Straßen gebaut und 930 km umgebaut oder erneuert werden. Zwei Drittel, also etwa
1 Billionen Rubel, will die russische Regierung aus dem föderalen Haushalt aufbringen. Den Rest
der Investitionssumme erhoffen sich die Strategen im Verkehrsministerium von privaten Investoren.
Bis 2014 könnten so rund 1.400 km gebührenpflichtige Trassen entstehen und sie sollen nicht bereits nach wenigen Monaten wieder in einem miserablen Zustand sein. Weil die Qualität auch neu
angelegter Straßen oftmals unbefriedigend ist, hat Verkehrsminister Igor Lewitin Präsident Medwedew Anfang April 2010 versprochen, neue Trassen nach westeuropäischen Standards bauen zu
lassen. Außerdem will der Minister die Bauunternehmen zwölf Jahre für den Zustand verantwort-
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17
Infrastruktur
lich machen. Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass die ausführenden Firmen auf hochqualitative Baumaschinen und erstklassige Materialien zurückgreifen werden.
Die erste privat mitfinanzierte öffentliche Straße in Russland entsteht gleich hinter Moskaus Autobahnring, dem MKAD. Konzessionär für den 43 km langen Streckenteil zwischen Kilometer 15 und
Kilometer 58 ist ein Konsortium unter der Führung des französischen Konzerns Vinci und dessen
Tochtergesellschaft Eurovia. Die Strecke wird die vom Durchgangsverkehr geplagte Satellitenstadt
Chimki entlasten und gleichzeitig eine neue Anbindung zum Flughafen Scheremetjewo schaffen.
Die Kosten belaufen sich auf 60 Mrd. Rubel, davon werden aus dem Haushalt der Russischen Föderation rund 25 Mrd. Rubel kommen. Die neue Autobahn soll mit acht bis zehn Fahrspuren angelegt
werden und eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h erlauben. Die bestehende Fernstraße M-10
zwischen den beiden Metropolen bleibt als mautfreie Alternative bestehen. Am Rande von Sankt
Petersburg soll 2010 ebenfalls mit den Bauarbeiten der Autobahn in Richtung Moskau begonnen
werden. Hier übernehmen Stadt und Staat aber vorerst die Finanzierung.
Die Einbindung von privaten Investoren beim Infrastrukturbau ist relativ neu. Erstmals tauchte der
Gedanke in der Entwicklungsstrategie des Transportsektors von Ende 2008 auf. Danach war in einigen wenigen Regionen lediglich erwägt worden, Gebühren bei der Auffahrt auf bestimmte bestehende Straßenabschnitte zu erheben. Erst mit der Schaffung der GK Awtodor nimmt die PPP-Strategie jedoch Gestalt an.
Regionale Projekte
In den Regionen stehen darüber hinaus noch eine Reihe weiterer Megaprojekte an. Die Stadtverwaltung von Sankt Petersburg etwa erhöht Jahr für Jahr den Etat für die Sanierung und den Ausbau
der Verkehrsinfrastruktur. Aus gutem Grund: Laut dem Komitee für Verkehrswesen der Stadt gelten 36% der bestehenden Straßen als unfallgefährdet. Allein für die Behebung der Straßenschäden
durch den strengen Winter 2009/2010 waren rund 500 Mio. Euro nötig.
In der Hafenstadt stehen aber auch große neue Projekte an, so etwa der Bau des rund 1 km langen
Orlowski-Tunnels unter dem Fluss Newa. Rund 60.000 Autos und Lkw sollen den Tunnel Tag für Tag
nutzen können. Baubeginn soll noch im Jahr 2011 sein, die Projektkosten werden auf 47,7 Mrd. Rubel beziffert. Neuesten Angaben zufolge soll die Finanzierung von der Stadt Sankt Petersburg, aus
dem Föderalen Budget sowie von einem privaten Investor gestemmt werden. Die Stadtverwaltung
von Sankt Petersburg hat zudem bereits klare Vorstellungen von den Gebühren für die einmalige
Nutzung: Pkw-Fahrer sollen 23 Rubel und Lkw-Fahrer 45 Rubel bezahlen müssen. Die Konzession
läuft 30 Jahre lang.
Den Zuschlag für den Bau eines westlichen Teils der Ringstraße um Sankt Petersburg von der Kalinin-Straße bis zum Verkehrskreuz am Fluss Jekateringof hat die Gesellschaft OAO Mostootrjad N19
für sich entschieden. Die Kosten belaufen sich auf 4,1 Mrd. Rubel. Dies ist der dritte Bauabschnitt.
Der erste wurde zwischen September 2005 und Oktober 2008 vollendet, am zweiten wird voraussichtlich bis Ende 2010 gearbeitet.
In Moskau, das nicht minder von Verkehrschaos und Megastaus heimgesucht wird als Sankt Petersburg, sollen in den nächsten Jahren auf sämtlichen Ausfallstraßen aus der Zwölfmillionenmetropole die Ampeln verschwinden. An deren Stelle werden Über- und Unterführungen gebaut. Dafür
zuständig ist das Departament doroschno-mostowogo stroitelstwa (Abteilung für den Straßenund Brückenbau).
18
Modernisierungsoffensive in Russland
Im Jahr 2010 will die Abteilung für Wirtschaftspolitik und Stadtentwicklung der Stadt Moskau
(www.depir.ru) 37 Mrd. Rubel in die Modernisierung und den Ausbau des Straßennetzes investieren. Im Mittelpunkt stehen die Straßen Svenigorodski Prospekt, Leningradskoje Chaussee und der
vierte Transportring von der Chaussee Enthusiastov zur Ismailovskoje Chaussee. Finanziert werden diese Projekte aus dem kommunalen Haushalt.
In der Moskauer Nachbarregion Wladimir sollen bis 2015 mehr als 39 Mrd. Rubel in die Entwicklung des Straßennetzes investieren werden. Rund 30 Mrd. Rubel fließen in die Rekonstruktion und
den Neubau von regionalen und föderalen Straßen einschließlich mehrerer Brücken. Für weitere 9
Mrd. Rubel will die Gebietsverwaltung kommunale Straßen sanieren oder neu bauen.
Im Gebiet Kaliningrad entsteht seit 2008 eine 200 km lange Ringstraße, die die Gebietshauptstadt
Kaliningrad, den Flughafen Chrabrowo, die Kurorte Swetlogorsk und Seljonogorsk, sowie die Seehäfen Pionersk und Baltijsk miteinander verbinden soll. Ein 26 km langes Teilstück wurde bereits
2009 fertig gestellt. Die Bauarbeiten sollen bis 2015 dauern. Die Kosten für die Trasse, auf der eine
Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h möglich sein soll, belaufen sich auf 38 Mrd. Rubel. Generalauftragnehmer ist die Sankt Petersburger Firma Wysokokatschestwennye Awtomobilnye dorogi.
Auch in den sibirischen Urlaubsregionen im Altai-Gebirge wird in den nächsten Jahren eifrig gebaut. Premierminister Wladimir Putin hat Mitte April bekannt gegeben, dass in den beiden Kurorten Altaiskaja dolina sowie in der Republik Burjatien zwischen 2010 und 2013 die Infrastruktur für
jeweils 7 Mrd. Rubel ausgebaut werden soll - ein großer Teil davon fließt in den Straßenbau.
1.1.3
Kontaktanschriften
Rosawtodor
Federalnoje doroschnoje agentstwo ministerstwa transporta Rossiskoi Federazii
(Föderale Straßenagentur des Transportministeriums der Russischen Föderation)
ul. Botschkowa 4, 129085 Moskau
Tel.: 007 495/687 90 54; Fax: -686 15 50
E-Mail: info@informavtodor.ru, Internet: www.rosavtodor.ru
(Auf der Homepage unter dem Unterpunkt „Torgi“ finden sich Ausschreibungen und Projektinfos
über den Bau föderaler Straßen oder Brücken und manchmal sogar über die Modernisierung städtischer Straßennetze.)
GK Awtodor
Die gesamte Strategie des Staatsunternehmens Awtodor gibt es kostenlos bei Anfrage unter
E-Mail: osteuropa@gtai.de.
Vinci
1, cours Ferdinand de Lesseps, 92851 Rueil-Malmaison Cedex, Frankreich
Tel.: 033 1/47 16 35 00, Fax: -47 51 91 02
(einer der Konzessionäre zum Bau eines Teilstücks der neuen Autobahn von Moskau nach Sankt
Petersburg)
Germany Trade & Invest www.gtai.de
19
Infrastruktur
Eurovia
18, place de l’Europe, 92565 Rueil-Malmaison cedex, Frankreich
Tel.: 033 1/47 16 38 00, Fax: -47 16 38 01
E-Mail: sloucatel@eurovia.com, Internet: www.eurovia.fr
(einer der Konzessionäre zum Bau eines Teilstücks der neuen Autobahn von Moskau nach Sankt
Petersburg)
Regierung der Stadt Moskau
Department für Straßen- und Brückenbau
Nikitski pereulok 5, 125009 Moskau
Internet: www.mos.ru
Ansprechpartner: Alexandr Lewtschenko (Abteilungsleiter, Tel.: 007 495/956 64 83),
Wladimir Resin (1. Stellv. Oberbürgermeister und Leiter der Bauabteilung; Tel: 007 495/957 95 98,
Fax: -956 81 40, E-Mail: resin@mos.ru)
Ausschreibungen zu Projekten in Wladimir etwa finden sich auch auf der Homepage www.goszakupki.avo.ru (nur auf Russisch). Darunter sind sogar Ausschreibungen über Ausbesserungsarbeiten von Bürgersteigen, den Einkauf von Transportmitteln oder die Sanierung von Brücken.
OAO Mostootrjad N19
Prospekt Lenina 77a, 198320 Sankt Petersburg
Tel.: 007 812/741 19 27, Fax: -741 70 03
E-Mail: info@mostootryad19.ru, Internet: www.mo19.ru
Administration des Gebietes Wladimir
Department für Transport und Straßenwirtschaft
Prospekt Oktjabrskij 21, 600000 Wladimir
Internet: www.dtdx.avo.ru
Ansprechpartner: Alexandr Romanenko (Direktor des Departments, Tel.: 007 4922/32 49 97,
E-Mail: deptrans@avo.ru)
Wysokokatschestwennye awtomobilnye dorogi
Pr. Graschdanski 122/5, 195267 Sankt Petersburg
Tel.: 007 812/328 89 80, Fax: -324 63 81
E-Mail: office@zaovad.spb.ru, Internet: www.zaovad.com
Ministerium für Wirtschaft und Regionalentwicklung des Krasnojarski krai
Prospekt Mira 110, 660009 Krasnojarsk
Tel: 007 391/249 33 63, Fax: -221 00 82
Internet: www.krskstate.ru/econom
(Das Wirtschaftsministerium koordiniert die Finanzierung des Brücken-Projekts über den
Jenissej.)
20
Modernisierungsoffensive in Russland
1.2 Schienenwege
1.2.1
Zustand
Das russische Schienennetz ist 86.000 km lang, davon sind rund 37.000 km zwei- oder mehrspurig.
Etwas mehr als die Hälfte der russischen Eisenbahnlinien ist elektrifiziert. Dies führt auf manchen
Strecken zu erheblichen Verzögerungen, weil mehrfach zwischen E- und Diesellokantrieb gewechselt werden muss. Viele Städte - selbst im Umkreis von Moskau - sind nicht an die Eisenbahn angeschlossen. Noch unterentwickelter ist das Gleisnetz in Gebieten außerhalb des europäischen Kontinents - in Sibirien oder dem Fernen Osten.
Die russischen Bahnverbindungen befinden sich im Besitz der russischen Staatsbahn RZD. Dasselbe gilt für die meisten Lokomotiven. Nur bei Frachtwaggons gibt es einen teilweise privatisierten
Markt. Der größte private Anbieter von Güterfrachttransporten ist Globaltrans (www.globaltrans.ru). Das Unternehmen verfügt über 21.000 Waggons. Daneben gibt es die RZD-Tochtergesellschaften OAO Perwaja grusowaja kompanija (www.pgkweb.ru) und OAO TransContainer
(www.trcont.ru). Auch große Rohstoffkonzerne besitzen eigene Fuhrparks. In entlegenen Regionen Russlands bauen sie Schienenstrecken auf eigene Kosten, treten nach Fertigstellung allerdings
die Eigentumsrechte an die RZD ab. So nimmt es nicht Wunder, dass neue Eisenbahnverbindungen
oft von russischen Industriekonzernen finanziert werden.
Kennzahlen zum russischen Schienenverkehr
Schienennetz und
1990
1995
Waggonpark
Öffentliches Schienen88
87
netz, in 1.000 km
Güterwaggons, in 1.000
k.A.
368
Stück
2000
2005
2006
2007
2008
86
85
85
85
86
464
499
512
526
507
Quelle: Föderaler Statistikdienst der Russischen Föderation
1.2.2 Projekte und Geschäftschancen
Zwischen 2010 und 2015 sollen laut dem föderalen Zielprogramm für den Eisenbahntransport
knapp 3.000 km Eisenbahnstrecke neu gebaut werden, 2.700 km werden elektrifiziert. Dafür sollen
rund 6.270 Mrd. Rubel investiert werden - von staatlicher Seite und privaten Investoren. Die russische Eisenbahn, einer der wichtigsten Bauherren, erwartet dafür bis 2015 aus dem Staatsbudget einen Zuschuss von 400 Mrd. Rubel.
Die russische Staatsbahn RZD will zwischen 2010 und 2012 rund 855 Mrd. Rubel in die Erneuerung
und Entwicklung der Bahninfrastruktur und des Fuhrparks investieren. Allein für 2010 sind knapp
300 Mrd. Rubel vorgesehen. Zu den Pflichtaufgaben zählen die Modernisierung und der Ausbau
der Bahninfrastruktur in Sotschi. Eine neue Eisenbahnverbindung von Adler nach Krasnaja Poljana, Frachtterminals und Bahnhofsgebäude - diese Projekte haben für die RZD absoluten Vorrang.
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21
Infrastruktur
Außerdem will die russische Staatsbahn den Containertransport auf der Transsibirischen Eisenbahnlinie massiv beschleunigen, um vom steigenden Warenaustausch zwischen China und Westeuropa zu profitieren. Bisher ist die Bahn auf der 9.000 km langen Strecke elf Tage unterwegs. Künftig sollen die Containerzüge nur noch sieben Tage benötigen. Während die Züge 2009 mit einer
maximalen Geschwindigkeit von 80 km/h unterwegs waren und im besten Fall 1.100 km pro Tag zurücklegen konnten, sollen es 2012 bereits 1.400 km bei einer Maximalgeschwindigkeit von 90 km/h
sein. Bis 2015 sollen bei einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h bis zu 1.500 km am Tag zu schaffen sein.
Die geplante Bahnverbindung Belkomur von Archangelsk über Syktywkar nach Perm ist auf die
Zeit zwischen 2016 und 2030 verschoben worden. Hintergrund: Dem Investor, Rossiskije Shelesnye
dorogi fehlt im Augenblick die Kraft, das Milliardenprojekt zu finanzieren. Auf zwei zusammen
knapp 800 km langen Bauabschnitten soll eine neue Verbindung zwischen Sibirien und den Häfen
Archangelsk und Murmansk entstehen - sie wäre 800 km kürzer als die bisherige Route über Moskau. Wie die russische Nachrichtenagentur PrimeTass meldete, soll die deutsche DB International
GmbH an dem Bau beteiligt sein. Das Projekt kostet 100 Mrd. Rubel.
Das größte Eisenbahnprojekt in Sibirien ist die Strecke von Tommot nach Nischni Bestjach. Generalauftragnehmer: Holding Transstroi. Rund 670 km der insgesamt 850 km langen Strecke haben das
Unternehmen und seine Unterauftragnehmer bereits fertig gestellt. Der Bau soll bis 2013 abgeschlossen sein. Dabei greift der Infrastrukturentwickler regelmäßig auf die Hilfe ausländischer
Partner zurück, so Jelena Gurjanowa, zuständig bei Transstroi für die Öffentlichkeitsarbeit:
„Vor allem dann, wenn es um besonders schwierige Arbeiten geht“.
Der Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Sankt Petersburg und Helsinki befindet
sich in einem fortgeschrittenen Stadium - bis 2011 soll die Verbindung fertig gestellt sein. Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf knapp 80 Mrd. Rubel. Die Russische Staatsbahn hat davon etwa weniger als 52 Mrd. Rubel zu schultern. Der Schnellzug soll künftig nur noch 3,5 Stunden
für die gesamte Strecke benötigen, davon eineinhalb Stunden auf russischem Boden.
Für die Zukunft wird über weitere Hochgeschwindigkeitsverbindungen nachgedacht. Geprüft
werden beispielsweise die Routen Moskau-Tula-Kursk (eventuell ab 2014-2015) und Moskau-MinskBrest (Kooperation mit der Belorussischen Eisenbahn; Teil des Ost-West-Korridors Berlin-Warschau-Minsk-Moskau-Nishnij Nowgorod). Premierminister Putin schlug im April 2010 vor, die
Millionenstädte Sibiriens - Nowosibirsk, Krasnojarsk, Omsk - mit Schnellzügen zu verbinden.
22
Modernisierungsoffensive in Russland
Geplante Bahnprojekte in der Russischen Föderation
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitionssumme
(in Mrd. Rubel)
Ausbau der Strecke von
Bau von
43,9
Mga nach Iwangorod,
2010 bis 2012
Schienenanschluss an
Häfen am finnischen
Meerbusen
Elektrifizierung der Strecke Ulan Ude - Nauschki
Projektierung
bis 2014;
Elektrifizierung
bis 2015
10,4
Brückenübergang über
den Fluss Lena im Gebiet
der Stadt Jakutsk
Bau von
2013 bis 2015
50,0
Bau einer Schnellstrecke
von Moskau nach Sankt
Petersburg
Vorbereitung
des Projektes
bis 2011
30 Mrd. US$
Bau der Strecke Polunotshnoe - Salechard
Bau der Strecke Salechard - Nadym
Bau von 2012
bis 2015
Bau seit März
2010 bis 2014
148,2
Brückenübergang über
den Fluss Ob im Gebiet
der Stadt Salechard
Bau von
2010 bis 2015
56,7
Bau der Strecke Bijsk Gorno Altajsk
Bau der nordsibirischen
Eisenbahnstrecke und
Entwicklung der Region
Nishnij Priangarja
Bau von
2014 bis 2015
Projektierung
bis 2015
25,6
65,2
14,7
Anmerkungen / Internet
Strecke wird über die
Städte Gatschina und
_Weimarn verlaufen, allein zwischen 2010 und
2012 investiert RSchD
20,9 Mrd. Rubel
Die Strecke wird die
Transsibirische Eisenbahn
mit der Ulan-Bator-Eisenbahn in die Mongolei verbinden
Die Brücke ist für den
Schienenverkehr auf einem Fahrgleis und zweispurigen Straßenverkehr
ausgelegt. Länge des
Übergangs: 3.200 m
Auf der neuen Strecke soll
eine Spitzengeschwindigkeit von 400 km/h erreicht
werden
Strecke verläuft über die
Stadt Obskaja
Finanzierung über den Investitionsfonds der Russischen Föderation und private Investoren; Generalauftragnehmer sind Jamaltransstroi (www.yamaltransstroy.com) und
Mostostroi (www.ms12.ru)
Die Brücke ist für den
Schienenverkehr auf einem Fahrgleis und zweispurigen Straßenverkehr
ausgelegt. Die 2.440 m lange Brücke ist nicht elektrifiziert
Länge der neuen Strecke
beträgt 115 km
Gesamtlänge der neuen
Strecke beträgt 2002 km
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23
Infrastruktur
Geplante Bahnprojekte in der Russischen Föderation (Fortsetzung)
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitions- Anmerkungen / Internet
summe
(in Mrd. Rubel)
Bau der Strecke Selchin
Projektierung
10,9 Gesamtlänge der neuen
Nysch
bis 2015
Strecke beträgt 582 km
Bau der Strecke ProchoBau von
55,9 Gesamtlänge der neuen
rowka - Shurawka 2010 bis 2013
Strecke beträgt 748 km
Tshertkowo - Batajsk
Projektierung der Strecke
Abschluss der
31,7 Gesamtlänge der neuen
für Schnellzüge Moskau Projektierung
Strecke beträgt 659 km;
Sankt Petersburg
2010
Entscheidung über Dauer
der Bautätigkeiten wird
nach Abschluss der Projektierungsphase getroffen
Entwicklung des MosBau von
39,4
kauer Transportknotens
2010 bis 2015
Bau einer Umleitung des
Bau von
11,6 Gesamtlänge der neuen
Saratowsker Eisenbahn2013 bis 2014
elektrifizierten Strecke
knotens
beträgt 37,5 km
Bau einer Umleitung des
Bau von
170,0 Gesamtlänge der neuen
Omsker Eisenbahnkno2013 bis 2015
elektrifizierten Strecke
tens
beträgt 295 km
Bau einer Umleitung des
Bau bis 2015
75,4 Gesamtlänge der neuen
Jaroslawsker Eisenbahnelektrifizierten Strecke
knotens
beträgt 27 km
Umbau der Strecke im.
Bau seit
71,5 Gesamtlänge der neuen
M.Gorkogo -Krymskaja
2007 bis 2014
elektrifizierten Strecke
mit Umleitung des Krasbeträgt 72 km; Trasse wird
nodarsker Eisenbahnüber Kotelnikowo und Tiknotens
chorezkaja verlaufen
Bau einer Umleitung des
Bau von
10,5 Gesamtlänge der neuen
Tschitinsker Eisenbahn2014 bis 2015
elektrifizierten Strecke
knotens
beträgt 27 km
Umbau der EisenbahnProjektierung
17,1 Länge des Tunnels beträgt
tunnels unter dem Fluss
bis 2012;
7,2 km
Amur in der Nähe der
Umbau von
Stadt Chabarowsk
2013 bis 2015
Abschluss der BauarbeiBau von
23,8 Generalauftragnehmer ist
ten an der Strecke Tom2010 bis 2013
das Unternehmen Transmot - Jakutsk (Nischnyi
stroi (www.transstroy.ru)
Bestjach)
Modernisierung von
2010 bis 2015
30 70% der InvestitionssumBahnhöfen in ganz
me soll von privaten InvesRussland
toren bereit gestellt werden
Moskauer Metro
2010
8,0 2010: zwei neue Stationen,
3 km neue Schienen und
100.000 Überwachungskameras; 2011: 3 neue Stationen; 2012: 1 neue Station
(www.mosmetro.ru)
24
Modernisierungsoffensive in Russland
Geplante Bahnprojekte in der Russischen Föderation (Fortsetzung)
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitions- Anmerkungen / Internet
summe
(in Mrd. Rubel)
Bau des ersten Teils eines
2010 bis
12,0 bis 14,0 Unterirdische U-Bahn
U-Bahn-Expresses in
etwa 2013
vom Flughafen Pulkowo
Sankt Petersburg
bis zum Moskowskij Woksal im Stadtzentrum von
Sankt Petersburg mit
6 bis 7 Stationen
Metrobau in Samara
1. Etappe:
4,6 Die Hauptarbeiten begin2010 bis 2016,
nen ab 2013. Auftragsver2. Etappe:
gabe und Projektkoordi2017 bis 2020
nation übernimmt das
Ministerium für Bau und
Kommunalwesen des
Gebietes Samara
(www.minstroy.samara.ru)
*) Die Projektliste mit detaillierter Aufschlüsselung aller geplanten Maßnahmen (in russischer Sprache) erhalten Sie kostenlos auf Anfrage bei
Germany Trade and Invest unter E-Mail: osteuropa@gtai.de.
Quellen: Transportministerium der Russischen Föderation, Recherchen von Germany Trade and Invest, Unternehmenspläne zitiert bei Wedomosti,
Rbk daily, Prime Tass, Expert und Kommersant
Die Siemens AG wird - nach einer am 15. Juli 2010 in Jekaterinburg unterzeichneten Vorvertrag)mit
der russischen Eisenbahn RZD - bis 2026 insgesamt 22 Rangierbahnhöfe modernisieren und in den
nächsten zehn Jahren 240 Regionalzüge im Wert von 2,2 Mrd. Euro liefern. Bei den Zügen handelt
es sich um eine spezifische Version des Desiro, der ab 2012 in Russland gefertigt werden soll. Dafür
plant Siemens ein gemeinsames Unternehmen mit der RZD-Tochter Aeroexpress. Siemens setzt
verstärkt auf die Produktion in Russland. Bereits im Mai 2010 hatte der Industriekonzern gemeinsam mit der russischen Holding OAO Sinara Transport Machines eine Bestellung über 221 GüterzugLokomotiven im Wert von 42 Mrd. Rubel von der russischen Bahn erhalten. Die Loks werden im
Joint-Venture beider Unternehmen „Uralskije lokomotivy“ gefertigt.
Alstom (Frankreich) liefert die Schnellzüge „Allegro“ (Pendolino SM6) für die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Sankt Petersburg und Helsinki. Bereits im Jahr 2009 hatte Alstom eine Vereinbarung über strategische Partnerschaft mit dem größten Lok- und Waggonbau-Unternehmen
Russlands, ZAO Transmaschholding (TMH), geschlossen. Ende Mai 2010 erhielt die Transmaschholding von der russischen Bahn einen Auftrag über die Lieferung von 200 innovativen Passagier-Elektrolokomotiven vom Typ EP20 im Zeitraum 2012 bis 2020. Dieser Auftrag ist rund 1 Mrd. Euro (ohne
MWSt) schwer. Die Lokomotiven werden in einem gemeinsamen Ingenieurbüro von TMH und Alstom konstruiert und im Nowotscherkassker Elektrolokomotiven-Werk gebaut. Deutsche Zulieferer sollten sich an die westlichen Joint-Venture-Partner oder an die Geschäftsführungen der russischen Lokomotiv- und Waggonbauwerke wenden.
Auch Bombardier ist in den russischen Eisenbahn-Markt eingestiegen. Anfang Juli 2010 gewann
das kanadische Unternehmen die Ausschreibung eines Aktienpakets (50% minus zwei Aktien) von
Elteza, einer auf Eisenbahnautomatik, Fernmechanik und Kommunikation spezialisierten Tochterfirma der RZD. Die Auswahl erfolgte entsprechend den Geschäftsplänen von Elteza, die auf zehn
Jahre ausgelegt und für die ersten drei Jahre bereits detailliert sind. RZD plant für den Zeitraum
zwischen 2010 und 2012 den Verkauf von Aktien von mehr als 30 Tochterfirmen. Dadurch bieten
sich weitere Möglichkeiten, im russischen Markt Fuß zu fassen.
Germany Trade & Invest www.gtai.de
25
Infrastruktur
1.2.3 Kontaktanschriften
OAO Rossiskije Schelesnye Dorogi (RZD)
Nowaja Basmannaja uliza 2, 107174 Moskau
Tel.: 007 495/262 99 01
E-Mail: info@rzd.ru, Internet: www.rzd.ru
Vizeabteilungsleiter Investitionstätigkeiten: Dmitri Muchin (Tel.: 007 495/262 02 43)
Abteilungsleiter Internationale Beziehungen: Sergej Molgin (Tel.: 007 495/262 16 28)
Vizeabteilungsleiter Elektrifizierung und Elektroversorgung: Viktor Losev (Tel.: 007 499/262 50 33)
Abteilungsleiter Bauwesen: Aleksei Tichonov (Tel.: 007 499/262 64 07)
Rosscheldorprojekt
ul. Kalantschewskaja 29, 107078 Moskau
Tel.: 007 495/663 00 60, Fax: -663 00 61
E-Mail: info@rzdp.ru, Internet: www.rzdp.ru
(Projektierung und Bau von Eisenbahnstrecken und Hochgeschwindigkeitsstrecken)
Rostransmodernisazija
uliza Roschdestwenka 1, 103759 Moskau
Tel: 007 499/262 82 42, Fax: -262 70 32
E-Mail: fgurtm@ppp-transport.ru, Internet: www.ppp-transport.ru
Kontakt: Igor Sjablizki (Geschäftsführer)
(staatlicher Auftraggeber zur Umsetzung des Föderalen Programms der Modernisierung des
Russischen Transportsystems)
Ministerstwo stroitelstwa i schilischno-kommunalnogo chosjaistwa Samarskoj oblasti
(Ministerium für Bau und Kommunalwesen des Gebietes Samara)
ul. Samarskaja 146a, 443010 Samara
E-Mail: minstroy@samara.ru, Internet: www.minstroy.samara.ru
26
Modernisierungsoffensive in Russland
1.3 Flughäfen
1.3.1
Zustand
In Russland gibt es 329 Flughäfen, davon 71 internationale. Die meisten Airports befinden sich laut
Luftfahrtbehörde Rosaviazija in einem schlechten Zustand. In der Tat entsprechen nur die wenigsten von ihnen westlichen Standards. Die meisten Start- und Landebahnen sind 20 Jahre alt - oder
noch älter. Um die Defizite zu beheben, seien Jahr für Jahr Investitionen von 65 Mrd. bis 70 Mrd.
Rubel nötig, heißt es bei Rosaviazija.
Kennzahlen rund um die Luftfahrt (jeweils zum Jahresende; in 1.000 km)
Kennziffer
1990
1995
2000
2005
2006
Passagierzahlen (Mio.)
91
32
23
37
40
Passagiertransport (Mrd.
159,5
71,7
54,0
85,8
93,9
Passagier-km)
Flugzeuge (1.000 Stück)
k.A.
8,0
6,5
5,5
5,6
2007
47
111,0
2008
51
122,6
5,6
5,9
Quelle: Föderaler Statistikdienst der Russischen Föderation
1.3.2 Projekte und Geschäftschancen
Für das Jahr 2010 erwartet der russische Vize-Transportminister ein Plus bei den Passagierzahlen
von 14 bis 15% im Vergleich zum Jahr 2009. Die Passagierzahlen werden voraussichtlich auf über
80 Mio. und die zurückgelegten Passagierkilometer auf über 200 Mrd. steigen. Die anstehenden
Investitionen in die Infrastruktur der russischen Flughäfen werden dieser Entwicklung allerdings
kaum gerecht. Für das Jahr 2010 sind im Budget der Russischen Föderation 24,3 Mrd. Rubel für die
Modernisierung von Flughäfen vorgesehen - fast zwei Drittel weniger, als ursprünglich geplant.
Dies ist zu wenig, um die ambitionierten Ziele aus dem strategischen Entwicklungsprogramm bis
2015 in vollem Umfang zu erreichen. Danach sollen in den kommenden fünf Jahren rund 1,25 Billionen Rubel investiert werden: knapp 300 Mrd. Rubel vom russischen Staat, 928 Mrd. Rubel von
privaten Investoren und 28 Mrd. Rubel von den Regionen.
Im laufenden Jahr 2010 fließen aus dem Staatshaushalt 7 Mrd. Rubel in den Flughafen Sotschi und
3,6 Mrd. Rubel nach Wladiwostok. Die Moskauer Flughäfen erhalten 4,9 Mrd. Rubel. Dagegen bekommen 13 Flughäfen im Fernen Osten und der Baikal-Region zusammen lediglich 2,3 Mrd. Rubel.
In Wladiwostok wird der gesamte Flughafen in Vorbereitung auf den APEC-Gipfel 2012 umgebaut.
Unter anderem soll bis Herbst 2011 ein neues Passagierterminal (Bruttogeschossfläche: 43.000 qm)
errichtet werden. Den Zuschlag für diesen Auftrag mit einem Volumen von rund 105 Mio. Euro hat
Hochtief erhalten. Als Generalauftragnehmer fungiert die OOO Korporazija Inshtransstroj. Auftraggeber ist ein internationales Konsortium, zu dem die Betreibergesellschaft des größten
Moskauer Flughafens, Scheremetjewo International Airport (Anteil: 50%), gehört.
Germany Trade & Invest www.gtai.de
27
Infrastruktur
Das Konsortium Northern Capital Gateway übernimmt die Entwicklung, Modernisierung und den
Betrieb (Konzession für 30 Jahre) des Flughafens Pulkowo in Sankt Petersburg. Konsortialpartner
sind die russische VTB Bank (57,5%), Fraport (35,5%) und die griechische Copelouzos Gruppe (7%). Im
Vordergrund stehen der Neubau eines Passagierterminals, die Erweiterung der Vorfeldflächen
und die Modernisierung der weiteren Flughafeninfrastruktur. Bereits im Sommer 2010 soll der
Grundstein für das neue Terminalgebäude gelegt werden, das bis Ende 2013 fertiggestellt sein soll.
Insgesamt werden fast 1 Mrd. Euro investiert, dabei kommen von Fraport nach Unternehmensangaben einschließlich Garantien etwa 170 Mio. Euro. Der Flughafen Pulkowo ist mit 6,8 Mio. Passagieren im Jahr 2009 der viertgrößte russische Flughafen.
Die größte private russische Flughafenbetreiber-Gesellschaft Novaport will in den nächsten Jahren
sechs Regionalflughäfen übernehmen. In die Airports, an denen das Unternehmen bereits Anteile
hält, will Novaport 2010 und 2011 über 1 Mrd. Rubel investieren. Davon fließen 52 Mio. Rubel in den
Umbau des Kraftstoff-Komplexes am Flughafen Tolmatschewo in Nowosibirsk. Das Unternehmen
lässt für 250 Mio. Rubel ein neues Vorfeld bauen und erwirbt neue Flughafentechnik. Außerdem
soll für 80 Mio. Rubel der zweite Bauabschnitt des neuen Frachtterminals abgeschlossen werden.
An den Flughäfen Tscheljabinsk, Tomsk und Tschita sollen unter der Regie von Novaport neue Tankanlagen entstehen.
Flughafenprojekte in der Russischen Föderation 1)
Projektbezeichnung
Zeitraum
InvestitionsBauarbeiten
summe
in Mrd. Rubel
Modernisierung des Flug- 2010 bis 2013/
38-39
hafens Pulkowo (Sankt
2015
Petersburg)
28
Rekonstruktion des Flughafens Domodedowo
(Moskau)
2010 bis 2015
37,0
Rekonstruktion und Erweiterung des Flughafens
Scheremetjewo (Moskau)
2010 bis 2014
35,1
Modernisierungsoffensive in Russland
Anmerkungen / Internet
Neubau eines Passagierterminals, Erweiterung
der Vorfeldflächen, Modernisierung der weiteren
Flughafeninfrastruktur
(www.pulkovoairport.ru)
Verlängerung der zweiten
Start- und Landebahn,
Ausbau der Passagierterminals, etc. (www.domodedovo.ru)
Modernisierung Terminal
1; Bau eines BusinessTerminals für 500 Mio. Rubel durch das Unternehmen Avia-Grupp
(www.avia-group.ru); Auftragnehmer für die Sanierung der Landebahn, Rollfeld, Tower, etc.: Transstroy (www.transstroy.ru)
Flughafenprojekte in der Russischen Föderation 1) (Fortsetzung)
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitions- Anmerkungen / Internet
Bauarbeiten
summe
in Mrd. Rubel
Entwicklung des Flugha2010 bis 2014
28,0 Verlängerung der ersten
fens Wnukowo (Moskau)
Start- und Landebahn,
neue Straßen auf dem
Flughafengelände, neue
Zugangskontrollen, etc.
(www.vnukovo.ru); Generalauftragnehmer für
Passagierterminal und
Straßen rund um Wnukowo: Transstroi
(www.transstroy.ru)
Rekonstruktion/
2010 bis 2012
25,9 Umbau und Verlängerung
Ingenieurbau des Flugzweier Start- und Landehafens Sotschi
bahnen; Vorfeld, etc.;
(Region Krasnodar)
19. Mrd. Rubel aus Staatskasse (www.apsochi.ru)
Ausbau des Flughafens
2009 bis 2012
k.A. Neubau der Start- und
Knevichy in Wladiwostok
Landebahn bis August
(Primorskij kraj)
2010, Erneuerung der
Flugbefeuerung bis November 2010, Bau eines
neuen Passagierterminals
bis 31.10.2011 durch
Hochtief AG; Generalauftragnehmer: OOO Korporazija Inshtransstroj
(www.engtransstroy.com);
(http://www.vvo.aero/)
Bau des Flughafens
2011 bis 2015
25,0 Verlegung des Flughafens
Juschni (Rostow)
aus dem Stadtzentrum an
den Stadtrand als
„A-Klasse-Flughafen“;
10 Mrd. Rubel kommen
aus dem föderalen und regionalen Budget; Info bei
der Agentur für Investitionsentwicklung des Rostow/Don Gebiet
(www.ipa-don.ru)
Rekonstruktion des Flug2010 bis 2012
21,4 Terminalumbau für 150
hafens Kolzowo
Mio. Rubel bis 2011, Mo(Jekaterinburg)
dernisierung der Startund Landebahn, etc.
(www.koltsovo.ru)
Germany Trade & Invest www.gtai.de
29
Infrastruktur
Flughafenprojekte in der Russischen Föderation 1) (Fortsetzung)
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitions- Anmerkungen / Internet
Bauarbeiten
summe
in Mrd. Rubel
Rekonstruktion/Inge2010 bis 2014
20,5 Sanierung Vorfeld, neue
nieurbau des Flughafens
Lagerhalle, etc.
Jakutsk
(www.airport-yakutsk.ru)
Rekonstruktion des Flug2013 bis 2015
16,8 umfangreiche Kapazitätshafens Tolmatschewo
erweiterungen
(Nowosibirsk)
(www.tolmachevo.ru)
Rekonstruktion des Flug2010 bis 2013
16,1 u.a. Verlängerung einer
hafens Kurumotsch (SaStart- und Landebahn auf
mara)
3.500 m, Umbau des
Passagierterminals
(www.airport.samara.ru)
Erweiterung und Moder2013 bis 2015
15,8 davon 6,9 Mrd. Rubel aus
nisierung des Flughafens
föderalem Budget;
Nowyi (Chabarowsk)
(www.airkhv.ru)
Flughafenbau Irkutsk
2010 bis 2015
15,7 neues Flughafengelände
mit Landebahn, Tower,
etc. (www.iktport.ru)
Renovierung/Ingenieur2010 bis 2013
13,9 Rekonstruktion der beiden
bau am Flughafen PaschStart- und Landebahnen,
kowski (Krasnodar)
neue Beleuchtung
(www.airport-krr.ru)
Umbau Flughafenkom2013 bis 2015
11,9 Rekonstruktion beider
plex Roschino (Tjumen)
Landebahnen
(www.tjm.aero)
Erweiterung des Flug2014 bis 2015
11,3 u.a. Bau einer zweiten
hafens Chrabrowo
Start- und Landebahn
(Kaliningrad)
(www.airport-kaliningrad.ru)
Rekonstruktion des Flug2013 bis 2015
11,1 Wegen der Universade
hafens Kasan
2013 fordert Verkehrsmi(Republik Tatarstan)
nister Lewitin Bauabschluss der Terminals 1A
und 1B bereits 2012; mehrstöckiges Parkhaus sowie
ein Catering-Gebäude
geplant
(www.airport.kasan.ru)
Umbau des Flughafens
2010 bis 2014
10,2 Umbau des Vorfelds sowie
Sokol (Magadan)
der Start- und Landebahn
etc.
(www.airport-magadan.ru)
Rekonstruktion des
2010 bis 2012
7,8 mehr als 50% der Kosten
Flughafens Talagi
trägt das föderale Budget
(Archangelsk)
(www.arhaero.ru)
30
Modernisierungsoffensive in Russland
Flughafenprojekte in der Russischen Föderation 1) (Fortsetzung)
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitions- Anmerkungen / Internet
Bauarbeiten
summe
in Mrd. Rubel
Bau des Flughafens
2010 bis 2016
7,5 Projektierung und BusiOmsk-Fjodorowka
nessplan durch deutsches
(Omsk)
Konsortium Hochtief AG
und Cushman&Wakefield
soll Ende 2010 abgeschlossen werden
(www.hochtief.de)
Flughafenbau Zentralnyi
2010 bis 2013
7,4 Klasse-A-Flughafen mit
(Saratow)
neuer Start- und Landebahn; 5,2 Mrd. Rubel aus
Staatskasse finanziert
(www.saravia.ru)
Flughafenbau Naltschik
2013 bis 2015
6,4 4,8 Mrd. Rubel aus dem
föderalen Haushalt
(www.elbrus-avia.ru)
Bau und Rekonstruktion
2014 bis 2015
5,8 Neue Start- und LandeFlughafen Ignatjewo
bahn wird vom Staat fi(Blagoweschensk)
nanziert (www.amurair.ru)
Umbau des Flughafens
2014 bis 2015
5,6 www.airaltay.ru
Michailowo (Barnaul)
Umbau des Flughafens
2014 bis 2015
4,4 Erweiterung des PassaSurgut
gier- und Frachtvorfeldes,
Modernisierung der Landebahn (www.airport-surgut.ru)
Umbau des Flughafens
2010 bis 2012
4,3 www.anapa-airport.ru
Anapa
(Region Krasnodar)
Umbau des Flughafens
2014 bis 2015
4,3 Die Start- und Landebahn
Nowyi Urengoi
soll auf Staatskosten, das
Flughafengebäude mit
privaten Mitteln modernisiert werden
(www.nuoao.ru)
Rekonstruktion/Inge2010 bis 2011
4,3 Bau von Stellplätzen für
nieurbau des Flughafens
Flugzeuge, neue Straßen
Chomutowo
innerhalb des Geländes,
(Juschno-Sachalinsk)
Umbau des Airport-Gebäudes; etc.
(www.airportus.ru)
Rekonstruktion des Flug2014 bis 2015
3,9 Landebahn, Beleuchtung,
hafens Gornyj (Siedlung
Vorfeld verbessern etc.
Tura, Krasnojarski Krai)
Modernisierung des Flug2014 bis 2015
3,8 Rekonstruktion Rollfeld,
hafens Balandino
Landebahn etc.
(Tscheljabinsk)
(www.aeroport-74.ru)
Germany Trade & Invest www.gtai.de
31
Infrastruktur
Flughafenprojekte in der Russischen Föderation 1) (Fortsetzung)
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitions- Anmerkungen / Internet
Bauarbeiten
summe
in Mrd. Rubel
Rekonstruktion/Inge2010 bis 2012
3,6 Rekonstruktion des Vornieurbau des Flughafens
feldes, der Zurollbahn soUitasch (Machatschkala)
wie der Start- und Landebahn (www.dagair.ru)
Modernisierung des Flug2011 bis 2012
3,5 www.airportufa.ru
hafens Ufa
Rekonstruktion des Flug- 1. Etappe 2010 70-80 Mio. Euro Modernisierung Passahafens Strigino
bis 2012 (2,7-3,1 Mrd. Ru- gierterminal und Infra(Nischni Nowgorod)
bel) struktur; Vorbereitung der
Ausschreibung durch
Hochtief Airport
(www.nnov-airport.ru)
1) Die Original-Projektliste mit detaillierter Aufschlüsselung aller Maßnahmen (in russischer Sprache) erhalten Sie kostenlos auf Anfrage bei
Germany Trade and Invest unter E-Mail: osteuropa@gtai.de; 2) für die Bauarbeiten
Quellen: Transportministerium der Russischen Föderation, Recherchen von Germany Trade and Invest, Unternehmenspläne zitiert bei Wedomosti,
Prime Tass und Kommersant
1.3.3 Kontaktanschriften
Föderale Agentur für Lufttransport (Rosawiazija)
Leningradski prospekt 37, korpus 2, 125993 Moskau
Tel.: 007 499/231 50 09, Fax: -231 56 56
E-Mail: rusavia@scaa.ru, Internet: www.favt.ru
Novaport
ul. 1-ja Frunsenskaja 3A, str. 6, 119146 Moskau
Tel.: 007 495/242 04 00, Fax: -644 02 03
E-Mail: m.shapiro@aeioncorp.ru, Internet: www.novaport.ru
Avia-Grupp
Chimki, Moskowskaja oblast, Internationaler Flughafen Scheremetjewo
Tel.: 007 495/578 50 00, Fax: -578 03 74
E-Mail: sales@avia-group.ru, Internet: www.avia-group.ru
Flughafen Tolmatschjowo
Aeroport Tolmatschjowo, 633104 Nowosibirskaja oblast, g. Ob
E-Mail: ap@ovbport.ru, Internet: www.tolmachevo.ru
Ansprechpartner: Alexandr Borodin (Generaldirektor; Tel.: 007 383/216 9228, Fax: -222 01 62)
Flughafen Kolzowo
ul. Sputnikow 6, 620910 Jekaterinburg
Tel.: 007 343/264 42 02, Fax: -345 36 73
E-Mail: pr1@koltsovo.ru, Internet: www.koltsovo.ru
32
Modernisierungsoffensive in Russland
1.4 Häfen
1.4.1
Zustand
Der Warenumschlag an den 66 russischen Seehäfen hat sich seit 2002 verdreifacht. Entsprechend
intensiv haben die Hafenbetreiber ihre Verladekapazitäten erweitert, neue Terminals gebaut und
Anschlüsse an die Bahn oder an föderale Straßen vorangetrieben. Laut Angaben von Verkehrsminister Igor Lewitin sind die Kapazitäten russischer Seehäfen allein im Jahr 2009 um 32 Mio. t gestiegen. Das Unternehmen Business Port prognostiziert für die russischen Seehäfen 2010 ein Plus beim
Frachtumschlag von 5 bis 6%. Bereits 2009 ist dieser Sektor um satte 9,2% auf 497 Mio. t gewachsen nachdem der Frachtumschlag auf Schiene und Straße stark zurück gegangen war.
Kennzahlen rund um die Schifffahrt in Russland (jeweils zum Jahresende)
Kennziffer
1990
1995
2000
2005
2006
Länge Binnenschiff103
84
85
102
102
fahrtswege insgesamt
(zum Jahresende,
in 1.000 km)
davon:
für den Frachtverkehr
67
34
42
33
33
ausgebaute Schifffahrtswege (zum
Jahresende,
in 1.000 km)
Hochseefrachtschiffe,
k.A.
5.351
3.830
3.514
3.417
in Stück
Binnenfrachtschiffe,
k.A.
37,0
31,8
31,4
31,3
in 1.000 Stück
Hochseepassagierk.A.
158
78
60
61
schiffe, in Stück
Flusspassagierschiffe,
k.A.
2,3
1,9
2,0
2,0
in 1.000 Stück
2007
102
2008
102
44
48
3.244
3.033
29,5
29,5
60
61
2,0
2,0
Quelle: Föderaler Statistikdienst der Russischen Föderation
Germany Trade & Invest www.gtai.de
33
Infrastruktur
Warenumschlag russischer Seehäfen 2009 (in Mio. t)
Region/Hafen
Warenumschlag
2009
Warenumschlag insgesamt, davon
496,9
Nordwest-Häfen
223,9
Primorsk
79,1
Murmansk
37,4
Wysozk
17,3
Ust-Luga
10,4
Großhafen Sankt Petersburg
50,4
Kaliningrad
12,4
Süd-Häfen
180,9
Noworossisk
123,6
Ejsk
4,3
Taman
10,8
Tuapse
18,4
Häfen in Fernost
92,1
Wanino
23,5
Nachodka
15,8
Wladiwostok
15,6
Wostotschnyi
18,9
Veränderung
2009/2008 in %
3,9
11,9
4,7
29,7
8,1
53,2
-16,0
-19,6
13,7
9,0
10,7
7,3
-5,1
14,6
13,9
3,8
4,7
-7,9
Quelle: Assoziazija morskich torgowych portow
Die russische Binnenschifffahrt krankt an dem schlecht ausgebauten Schleusensystem. An manchen Stellen der Wolga, etwa bei Nischni Nowgorod, können die Wartezeiten zum Passieren der
Schleusen bei bis zu drei Tagen liegen. Kein Wunder: Die meisten Dämme und Schleusen sind zwischen 50 und 70 Jahre in Betrieb. Außerdem fehlt es vielen Binnenhäfen an moderner Technik zum
Be- und Entladen der Schiffe. Das traurigste Bild geben jedoch die Schiffe selbst ab. Bei einem
Durchschnittsalter von mehr als 30 Jahren gelten sechs von sieben Frachtern als völlig abgenutzt.
1.4.2 Projekte und Geschäftschancen
Seehäfen
Während andere Transportarten zu Krisenzeiten extreme Einbußen verzeichneten, legte der
Frachtumschlag auf Russlands Seehäfen gewaltig zu. Entsprechend dynamisch wachsen die Kapazitäten. Die Betreibergesellschaften blicken auf volle Auftragsbücher und investieren in neue Technik und in die Erweiterung der Kapazitäten. Deswegen rechnet das russische Verkehrsministerium
in diesem Sektor in den Jahren 2010 bis 2015 mit 631 Mrd. Rubel Investitionen. Dank dieser Investitionen werden bereits 2010 an Russlands Seehäfen rund 30 Mio. t mehr verladen werden können als
im Vorjahr, rechnet Verkehrsminister Igor Lewitin. Bis 2015 sollen die Umschlagskapazitäten sogar
auf 770 Mio. t steigen. Das wäre das 1,5-Fache im Vergleich zu 2009. Die Pläne für neue Häfen und
Terminals stehen.
34
Modernisierungsoffensive in Russland
Auf dem Gelände des Terminals Juschnaja Oserejewka soll der größte Erdölhafen Russlands gebaut
werden. Wenn es nach den Plänen des russischen Transneft-Konzerns geht, erhöhen sich die bestehenden Kapazitäten des Kaspiski Truboprowodnyi Konsortium von 33 Mio. auf 100 Mio. t. Transneft
vertritt in dem Konsortium die russischen Interessen. Damit wäre der neue Komplex sogar größer
als der Erdölhafen Primorsk mit Kapazitäten von 62,4 Mio. t. Die Investitionssumme beziffert Ingosstrach-Investizi-Analyst Jewgeni Schago auf 500 Mio. US$.
Im Hafen Ust-Luga bei Sankt Petersburg wurden 2009 mehr als 10 Mio. t Waren umgeschlagen. Bis
2015 sollen die Kapazitäten so stark erweitert werden, dass 17 mal mehr Güter auf-, um- und abgeladen werden können. Seit 2008 sind die Bauarbeiten bereits im Gange, mittlerweile existieren
sechs Terminals, im Augenblick wird ein Containerterminal errichtet, außerdem entstehen zwei
Flüssiggaskomplexe. Im Herbst 2009 hat die Wneschekonombank den Kredit zur Finanzierung des
Projektes auf 550 Mio. US$ erhöht.
Der Erdölverarbeiter Mariski NPS im Gebiet Kaliningrad will 15 km von der Gebietshauptstadt entfernt einen Containerterminal bauen, in dem künftig nicht nur eigene Produkte (Kapazität von
220.000 t Polyethylen und Verpackungen aus diesem Kunststoff), sondern auch die anderer Unternehmen verladen werden sollen. Diese Pläne hat das Unternehmen im Frühling 2010 bekannt gegeben. Das Mariski NPS plant Kapazitäten von 800.000 TEU, Containerschiffe mit einer Kapazität
von 20.000 t sollen an dem neuen Terminal be- und entladen werden können. Die erste Bauphase
für 200.000 TEU könnte noch im 2. Halbjahr 2010 starten und 40 Mio. US$ kosten. Der zweite Bauabschnitt dürfte sich auf 60 Mio. US$ belaufen. Generalauftragnehmer ist Alkonafta.
Der Murmansker Seehafen investiert nach umfangreichen Renovierungs- und Modernisierungsarbeiten im Vorjahr auch 2010 wieder in neue Technik: Für mehr als 10 Mio. Euro sollen zwei neue Kräne und fünf Hubstapler angeschafft werden. Außerdem will die Hafengesellschaft zwei bestehende Kräne aufrüsten lassen.
Projekte im Bereich Hochseehäfen in der Russischen Föderation
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitions- Anmerkungen / Internet
summe
Massive Erweiterung des
2008 bis 2015
über Bau von Container- und
Hafens Ust-Luga
2 Mrd. Euro Flüssiggasterminals; Kapazitätserweiterung auf
170 Mio. t; 20%-Beteiligung der deutschen Eurogate (www.ust-luga.ru)
Neuer Hafen mit Contai2011 bis 2016
560 Mrd. Euro Investor: OOO Peregrusotner-, Kühl-, Metallschnyi punkt, Kapazitäterminal
ten: 4 Mio. t/Jahr
(www.p-punkt.ru)
Neuer Hafen zum
2011 bis 2014
500 Mio. US$ Kapazitäten: 100 Mio. t
Umschlag von Erdöl bei
Erdöl pro Jahr;
Noworossisk
Germany Trade & Invest www.gtai.de
35
Infrastruktur
Projekte im Bereich Hochseehäfen in der Russischen Föderation (Fortsetzung)
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitions- Anmerkungen / Internet
summe
Containerterminal neben
Baubeginn:
100 Mio. US$ Kapazität: 200.000 TEU
Mariski NPS in Kalininevtl. schon
nach erster Bauphase,
grad
2. Halbjahr 2010
Erweiterung auf 800.000
TEU geplant; Bau übernimmt Alkonafta;
(www.marnpz.ru)
Multimodularer Binnen- Baubeginn 2011
313 Mio. Euro Projektierung:
hafen in Dmitrow
www.litiert.ru;
Ansprechpartner:
Waleri Arkuscha
(E-Mail: arkusha@yandex.ru)
Passagierterminal Hafen
2010
77 Mio. Euro DurchführungsgesellSankt Petersburg
schaft: Morskoi Fasad;
Kapazitätenerweiterung
auf 1,2 Mio. Passagiere
pro Jahr
Verlade-Ausrüstung für
2010
10 Mio. Euro zwei neue Portalkräne soden Hafen Murmansk
wie Modernisierung zwei
bestehender Kräne; 5 neue
Gabelstapler
(www.portmurmansk.ru)
(Um-)Bau von Infra2013 bis 2015 28,7 Mrd. Rubel davon 2,7 Mrd. Rubel aus
strukturobjekten im
dem föderalen Haushalt
Hafen Wanino
Rekonstruktion von sie2010 bis 2013
10 Mrd. Rubel private Investitionen
ben Anlegestellen und
Vertiefung der Fahrrinne
und Liegeplätze in Wysozk
Umbau föderaler Immo2010 bis 2013
1,4 Mrd. Rubel Finanzierung aus dem
bilien am Hafen Sankt
föderalen Haushalt
Petersburg
Rekonstruktion des
2010 bis 2015 23,6 Mrd. Rubel davon 10,5 Mrd. Rubel aus
Sankt Petersburger Seedem föderalen Haushalt
kanals sowie des Hafens
Formung des Wasser2010 bis 2015 55,7 Mrd. Rubel davon 16,7 Mrd. Rubel aus
beckens in Ust-Luga
dem föderalen Haushalt;
im nördlichen und südlichen Hafenteil
Bau eines Flüssiggaster2010 bis 2015 12,5 Mrd. Rubel 3 Mrd. Rubel stellt die rusminals in der Küstenortsische Regierung zur Verschaft Teriberka
fügung
(Oblast Murmansk)
1. Bauetappe des Tief2010 bis 2015
knapp Kapazität: 6 Mio. Contaiwasserhafens Baltisk
100 Mrd. Rubel ner pro Jahr; 27,8 Mrd. Rubel aus dem föderalen
Haushalt
36
Modernisierungsoffensive in Russland
Projekte im Bereich Hochseehäfen in der Russischen Föderation (Fortsetzung)
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitions- Anmerkungen / Internet
summe
Bau eines Hafens in Nabil
2014 bis 2015
7,4 Mrd. Rubel 800 Mio. Rubel aus dem
auf der Insel Sachalin
föderalen Haushalt
Infrastrukturausbau Ha2014 bis 2015 13,2 Mrd. Rubel Projektierung bis 2013;
fen Archangelsk
2,3 Mrd. Rubel aus föderalem Haushalt
Infrastrukturausbau Ha2014 bis 2015 11,8 Mrd. Rubel 2,6 Mrd. Rubel aus dem föfen Kawkas
deralen Haushalt
*) Die Projektliste mit detaillierter Aufschlüsselung aller Maßnahmen (in russischer Sprache) erhalten Sie kostenlos auf Anfrage bei Germany Trade
and Invest unter osteuropa@gtai.de
Quellen: Transportministerium der Russischen Föderation, Recherchen von Germany Trade and Invest, Unternehmenspläne zitiert bei Wedomosti,
Rbk daily, Prime Tass, Expert und Kommersant
Binnenhäfen
Für den Ausbau der innerrussischen Wasserstraßen, die Modernisierung der Häfen und die Aufstockung der Flotte sieht das föderale Entwicklungsprogramm bis 2015 Investitionen in Höhe von
206 Mrd. Rubel vor. Davon sollen über 40 Mrd. Rubel von privaten Investoren kommen. Ziel des
Programms ist es, diejenigen Flussabschnitte des Schifffahrtsnetzes im Europäischen Teil Russlands, die nur eingeschränkt nutzbar sind, von 4.900 auf 900 km zu reduzieren. Der russische Staat
verspricht sich dadurch einen enormen wirtschaftlichen Vorteil. Des Weiteren sollen Hafenanlagen renoviert, Gebäude instand gesetzt, Terminals modernisiert und mit neuer Technik ausgestattet werden. Außerdem sollen zwischen 2011 und 2015 knapp 100 neue Frachtschiffe erworben werden - teils privat finanziert, teils mit staatlicher Hilfe.
Das russische Verkehrsministerium unterstützt den Plan, den Moskauer Nordhafen still zu legen
und dafür im 60 km nördlich von Moskau gelegenen Dmitrow einen neuen multimodularen Hafen
zu projektieren. Der Ausbau des 110 ha großen Geländes dürfte 12,2 Mrd. Rubel (313 Mio. Euro) kosten und 2011 beginnen. Es liegt nahe der Hauptstraße A 104 zwischen Sankt Petersburg und Moskau
und befindet sich am Moskau-Kanal, nur drei Schleusentore von der Wolga entfernt. Daneben
verläuft auch die Schienenstrecke zwischen den beiden größten Städten Russlands. Einen Gleisanschluss gibt es auf dem heutigen, 26 ha großen Gelände mitten in Moskau nicht.
Geplant sind knapp 100.000 qm Lagerfläche für 133.000 Palletten, sagt der Leiter des Nordhafens
Moskau, Waleri Arkuscha. Über 200 Lkw sollen tagtäglich auf dem Areal abgefertigt werden können. Etwas mehr als 40% der Kosten sollen vom Investitionsfonds der Russischen Föderation getragen werden, heißt es auf der Homepage des Logistik-Unternehmens Litier, das die Projektionsarbeiten durchgeführt hat.
Germany Trade & Invest www.gtai.de
37
Infrastruktur
Projekte im Bereich Hochseehäfen in der Russischen Föderation
Projektbezeichnung
Zeitraum
Investitions- Anmerkungen / Internet
summe
Multimodularer Binnen- Baubeginn 2011
313 Mio. Euro Projektierung:
hafen in Dmitrow
www.litiert.ru;
Ansprechpartner:
Waleri Arkuscha
(E-Mail: arkusha@yandex.ru)
Staustufe bei Nischni
2011 bis 2015
1 Mrd. Euro Finanzierung durch
Nowgorod
Staatshaushalt
Zweiter Schleusenstrang
2011 bis 2014
7,3 Mrd. Rubel Staatshaushalt: 5,2 Mrd. Rubei der Staustufe
bel, private Investoren:
Nischne-Swirsk
2,1 Mrd. Rubel
Rekonstruktion von 16
2012 bis 2015 13,6 Mrd. Rubel Finanzierung aus dem
Staustufen des Moskauföderalen Haushalt
Kanals
Modernisierung von
2011 bis 2015 40,6 Mrd. Rubel Finanzierung aus dem
Flussfahrtswegen im
föderalen Haushalt
Europäischen Teil der RF
Modernisierung von
2011 bis 2015
1,1 Mrd. Rubel Finanzierung aus dem
Flussfahrtswegen in Sibiföderalen Haushalt
rien und im Fernen Osten
Rekonstruktion und Ent2010 bis 2012
2,3 Mrd. Rubel Finanzierung aus dem
wicklung des Funknetzes
föderalen Haushalt
*) Die Original-Projektliste mit detaillierter Aufschlüsselung aller Maßnahmen (in russischer Sprache) erhalten Sie kostenlos auf Anfrage bei
Germany Trade and Invest unter E-Mail: osteuropa@gtai.de.
Quellen: Transportministerium der Russischen Föderation, Recherchen von Germany Trade and Invest
1.4.3 Kontaktanschriften
Rosmorretschflot
(Föderale Agentur für See- und Binnenschifffahrt)
ul. Petrowka 3/6, 125993 Moskau
Tel.: 007/495/626 11 00, Fax: -626 15 62
Internet: www.morflot.ru
(Rosmorretschflot setzt das föderale Transportentwicklungsprogramm für die Binnen- und Hochseeschifffahrt um. Unter dem Menüpunkt „Gosudarstwennye sakupki“ finden sich Ausschreibungen von sowie die Resultate der Bieterwettbewerbe.)
FGUP Rosmorport
ul. Suschtschewskaja 19, stroenije 7, 127055 Moskau
Tel.: 007/495/626 14 25, Fax: -626 12 39
E-Mail: hg@rosmorport.ru, Internet: www.rosmorport.ru
Assoziazija morskich torgowych portow
(Verband der Seehandelshäfen)
ul. Gapsalskaja 4, 198035 Sankt Petersburg
Tel.: 007/812-575 45 20, Fax: -251 33 08
E-Mail: asop@seamail.ru, Internet: www.morport.com
38
Modernisierungsoffensive in Russland
SAO Alko-Nafta
Ploschad Pobedy 4A, ofis 520, 236000 Kaliningrad
Tel.: 007/4012-71 60 22, Fax: -71 60 20
E-Mail: info@alco-naphtha.ru, Internet: www.alco-naphtha-ru
Mariski NPS (Raffinerie)
ul. Komsomolskaja 125, 424004 Joshkarola, Republik Marij El
Tel.: 007/8362/68 10 10, Fax: -68 10 09
E-Mail: mnpz@marnpz.ru, Internet: www.marnpz.ru
Caspian Pipeline Consortium (CPC)
CPC-R
ul. B. Ordynka 40, stroenije 4, Delowoj zentr „Legion-1“, 4. Stock, 119121 Moskau
Tel.: 007/495-745 87 70, Fax: -745 87 72
E-Mail: info@mediastl.ru, Internet: www.cpc.ru
Handelshafen Murmansk
Portowyj projesd 19, 183024 Murmansk
Tel.: 007/8152-48 06 44, Fax: -42 31 27
E-Mail: office@portmurmansk.ru, Internet: www.portmurmansk.ru
UK Moskoj Fasad
ul. Proletarskoj diktatury 6, lit A, ofis 301, 191124 Sankt Petersburg
Tel.: 007/812-326 98 03, Fax: -271 05 60
E-Mail: info@mfspb.ru, Internet: www.mfspb.ru
Kompanija Ust-Luga
ul. Spalernaja 2, 119187 Sankt Petersburg
Tel.: 007/812-334 16 77, Fax: -334 16 75
E-Mail: info@ust-luga.ru, Internet: www.ust-luga.ru
OOO Peregrusotschnyj punkt
ul. B.Sowetskaja 41, pom. 21-24, 188480 Leningradskaja oblast, g. Kingisepp
Tel.. 007/812-335 64 19, Fax: -335 64 15
E-Mail: office@p-punkt.ru, Internet: www.p-punkt.ru
OJSC Severny Port (Nordhafen)
Leningradskoje Schosse 57, 125195 Moskau
Tel.: 007/495-626 16 52, Fax: -626 16 42
Internet: www.northport.ru
Kontakt: Generaldirektor Waleri Arkuscha (E-Mail: arkusha@yandex.ru)
Assoziajiza portow i sudowladelzew retschnogo transporta
Verband der Häfen und Schiffseigentümer des Flussverkehrs
Leningradskoje Schosse 59, 125195 Moskau
Tel.: 007/495-626 10 07, Fax: -626 10 45
E-Mail: apsrt@mail.ru, Internet: www.apsrt.ru
(vertritt die Interessen von 60 russischen Binnenhäfen und 54 Reedereien)
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39
Infrastruktur
Litier Logistic Management Company
1. Derbenewskaja ul. 5, stroenije 2, office 201, 115114 Moskau
Tel./Fax: 007/495-663 82 70
E-Mail: info@litier.ru; Internet: www.litiert.ru
1.5 Allgemeine Kontaktanschriften Infrastruktur
Ministerstwo Transporta Rossiskoi Federazii
Transportministerium der Russischen Föderation
ul. Roschdestwenka 1, stroenije 1, 109 012 Moskau
Tel.: 007/495-926 10 00, Fax: -626 91 28
E-Mail: info@mintrans.ru, Internet: www.mintrans.ru
(Das Ministerium ist für die Ausarbeitung und Durchführung der nationalen Transportstrategie
zuständig.)
Alle staatlichen Ausschreibungen finden sich auf der Homepage www.zakupki.gov.ru. Auf dieser
Internetseite können Projektdetails eingesehen sowie Angebote abgegeben werden.
Rostransmodernisazija
ul. Staraja Basmannaja 11, 109012 Moskau
Tel: 007 499/262 82 42, Fax: -262 70 32
E-Mail: fgurtm@ppp-transport.ru, Internet: www.ppp-transport.ru
Kontakt: Igor Sjablizki (Geschäftsführer)
(Staatlicher Auftraggeber zur Umsetzung des Föderalen Programms der Modernisierung des Russischen Transportsystems. Auf der Homepage sind zu allen vier Infrastruktursektoren Projektmeldungen aufgeführt.)
OOO Transstroi
ul. Sadowo-Spasskaja 21/1, 107217 Moskau
Tel.: 007 495/777 79 00 (Vorzimmer des Generaldirektors I.N. Kusnezov)
Tel.: 007 495/782 05 47, Fax: -782 05 36 (Handelshaus Transstroi - für Lieferung von Bautechnik und
Baustoffen)
E-Mail: psk@transstroy.ru, golyanova@transstroy.ru
Internet: www.transstroy.ru
(Das Unternehmen ist eigenen Angaben zufolge die größte Aktiengesellschaft Russlands im Bereich Infrastrukturbau. Auf der firmeneigenen Homepage finden sich Informationen zu aktuellen
und bereits realisierten Projekten.)
Marktforschungsagentur im Bereich Transport und Infrastruktur
www.infranews.ru
40
Modernisierungsoffensive in Russland
„40.000 Ortschaften sind noch nicht an
das Straßennetz angeschlossen“
Interview mit Frank Forchert, Generaldirektor OOO Wirtgen International Service
Kann man einen ÜbeRubelick über den Straßenzustand in ganz
Russland wagen?
Das hängt von der Perspektive ab. Wenn man am „verkehrten“
Ende anfängt, dann sind 40.000 Ortschaften in ganz Russland
überhaupt noch nicht an das Straßensystem angeschlossen. Es
reicht aber auch schon ein Blick in die Region Moskau: manche
Datschensiedlungen sind nur mit Allrad getriebenen Autos zu
erreichen. Viele dieser Straßen sind weder asphaltiert noch
befestigt; oder der Belag ist in erbarmungswürdigem Zustand.
Man muss natürlich auch fragen, wo sich eine Anbindung tatsächlich lohnt. Die Landflucht nimmt
seit Jahren zu und auch die Bevölkerungsentwicklung im Allgemeinen ist und bleibt rückläufig.
Aber auch in den entwickelten Orten Russlands fehlen Straßen. Moskau, die am weitesten entwickelte Stadt, hat etwas weniger Straßenfläche als Berlin, bei vierfach größerer Bevölkerung und
zwei- bis dreimal so vielen zugelassenen Autos. Man kann dieses Fehlen nicht sehen, aber fühlen.
In welchem Zustand sind die vorhandenen Straßen?
Die meisten Straßen sind nicht ausgebaut, nicht breit genug, qualitativ minderwertig und führen
über zahlreiche Engpässe. Vergleichbar mit dem Zustand 1990 in Ostdeutschland, wo alle paar Kilometer ein Bahnübergang kreuzte. Der Bahnübergang ist eine Viertelstunde geschlossen und
wird noch manuell bedient.
Was ist mit Brücken: eine Erleichterung?
Ja, Brücken wären in der Tat eine große Erleichterung. Im Prinzip muss auch eine Brücke nur projektiert und gebaut werden, aber nur wenige Baufirmen sind technisch dazu in der Lage. Außerdem ist bei einer Brücke das finanzielle Risiko größer, die Kontrollen sind ausgeprägter, die Kosten
deutlich höher - als wenn man einfach nur eine Straße baut. Für den Bau einer Brücke braucht man
Sondertechnik, die über Land transportiert werden muss, Sondergenehmigungen, Brückenbauingenieure, die Garantiezeiten sind deutlich länger und so weiter...
Wie realistisch erscheint es, diesen Zustand schnell zu beheben?
In China wurden 1999/2000 über 6.000 Kilometer Autobahn gebaut. Physikalisch und logistisch ist
ein solches Projekt umsetzbar.
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41
Infrastruktur
Unabhängig von den klimatischen und geologischen Bedingungen?
Sicher muss man in Sibirien anders bauen als unter europäischen klimatischen Bedingungen, aber
Sibirien ist auch nicht so dicht besiedelt. Es werden nicht viele Straßen gebraucht - es reicht eine
breite Straße zwischen den Ortschaften.
Technisch ist es möglich. Warum sind die Straßen dann so schlecht?
Zuallererst wird nicht nachhaltig genug gebaut. Andererseits mangelt es bei der Ausführung an
Qualität. Leider sind auch nicht alle Baufirmen technisch in der Lage, hohe Qualität zu liefern.
Die vorhandenen Autobahnen sind auch mitunter keine richtigen Autobahnen. Wenn man die Autobahn nach Sankt Petersburg befährt, stellt man spätestens in der nächsten Ortschaft fest, dass die
Autobahn in Wirklichkeit eine Landstraße ist, da man an einer Ampel steht.
Wie muss eine Straße denn beschaffen sein, um lange zu halten?
Die oberste Schicht abzufräsen und zu erneuern reicht jedenfalls nicht. Jede gute Straße braucht einen Untergrund, eine Tragschicht und eine Decke; dehnungsfähig, wasserundurchlässig und so
weiter - Straßenbauer können das genauer sagen.
Was führt noch zur schlechteren Standfestigkeit der Straßen?
Der wohl extremste Grund ist das Fahren mit Spikes. Sie reißen Stücke aus dem Asphalt. Die Abnutzung nach nur einem Winter ist vergleichbar mit den Spuren auf der LKW-Spur in Deutschland
nach fünf bis zehn Jahren. Das bedeutet, dass auf den großen Moskauer Straßen jedes Jahr die
Asphaltdecke erneuert werden muss.
Warum werden Spikes nicht verboten?
Spikes haben in der Tat in der Stadt wenig Effekt, aber außerhalb der Städte sehr wohl: auf Kieswegen, auf festgefahrener Schneedecke, auf unbefestigter Straße. Und, früher fuhren auch in Moskau
im Winter die Autos auf festgefahrenem Schnee. Durch den exzessiven Einsatz von Salz und mildere Winter sind die Strassen frei und die Spikes richten Schaden an. In diesem Jahr sind Spikes erstmals in Moskau verboten worden: im Sommer!
Das bedeutet aber auch, Straßenbau wird noch lange Zeit ein Thema bleiben?
Ja, mit zunehmender Bedeutung, denn wenn der Weg zur Modernisierung erfolgreich sein soll,
müssen sehr viel mehr Straßen gebaut werden, müssen die geplanten Industriegebiete erschlossen, die Zufahrten zu Produktionsstätten, Bahnhöfen und Häfen erneuert und verbreitert werden.
Die gewünschten ausländischen Investitionen wird man nur dann erhalten, wenn man in die Infrastruktur investiert. Wenn man beispielsweise in China investieren möchte, erhält man zwanzig
oder mehr Angebote mit komplett erschlossenen Flächen: Energie, Wasser, Gas, alles steht zur Verfügung. Zum Gebiet führt eine Straße, an der die Beleuchtung bereits installiert ist. In Russland gibt
es das nur im Ausnahmefall.
42
Modernisierungsoffensive in Russland
Sie liefern, womit man Straßen bauen kann?
Wir liefern Straßenfräsen, Asphaltfertiger, Straßenwalzen, Steinbrechanlagen aus der Wirtgen
Group und Baumaschinen und Asphaltmischanlagen von Partnern. Aus eigener Produktion verkaufen wir auch Betonfertiger, mit denen man Betonstraßen bauen kann.
Wo plant man solche Straßen?
Eigentlich überall: auch als Autobahnen. In Deutschland fährt man zu 50 Prozent über Betonautobahnen.
Was ist der entscheidende Unterschied?
Eine Betonstraße hält länger und ist teurer. Eine Asphaltstraße schont die Reifen etwas mehr, ist
aber anfälliger für Witterungseinflüsse. Letztlich stehen sich zwei Philosophien gegenüber, die
von Fall zu Fall unterschiedlich entschieden werden. In Russland haben sich Betonstraßen bisher
nicht durchgesetzt; erst in allerjüngster Zeit kommt es zu Anfragen nach Betonfertigern.
Um eine Vorstellung zu bekommen, was kostet ein Kilometer Straße?
Zirka eine Million US-Dollar, abhängig davon wo man baut. In Moskau sind die Qualitätsvorschriften deutlich anders als auf dem Land.
Sie produzieren nicht in Russland - warum?
Es lohnt sich wirtschaftlich und psychologisch nicht. Der russische Markt allein - selbst mit den ehemaligen Teilstaaten der ehemaligen Sowjetunion - ist als Absatzmarkt zu klein, außerdem ist Russland kein low-cost-Land. Und es gibt einen psychologischen Grund: Das Label „Made in Germany“
gilt in Russland sehr viel. Unabhängig davon sind alle Produktionsbetriebe der Wirtgen Group in
Deutschland. Wir agieren in Russland als Vertriebs- und Servicegesellschaft. Wir unterhalten ein
Schulungszentrum, ein technisches Zentrum, zahlreiche eigene Mechaniker.
Wie entscheidend ist, welche Mischung oder Qualität man verlegt?
Der Asphaltfertiger ist in der Lage, verschiedene Materialien zu verlegen. Über die Zusammensetzung des Materials entscheidet der Auftraggeber der ausführenden Baufirma und das Bauamt. Je
nach Einsatzgebiet gibt es natürlich spezielle Mischungen - dabei spielt die Erfahrung eine entscheidende Rolle. Über die Qualität des verlegten Asphalts entscheidet das verwendete Mischgut,
die Technologie und nicht zuletzt das Wissen der Einbaumannschaft.
Wie ist es um Ihre Marktsituation im Bereich Straßenbautechnik bestellt?
Unser Vorteil ist, dass wir bereits seit über 30 Jahren am Markt sind. Wir kennen alle Entscheidungsträger und fast alle mit Straßenbau befassten Baufirmen. Wir haben seit Jahren einen gut funktionierenden Service mit Kundendiensttechnikern und Trainern in Russland und der GUS, sowie die
größte Werkstatt in Moskau. Aus diesem Grunde sind wir heute Marktführer.
Germany Trade & Invest www.gtai.de
43
Infrastruktur
Natürlich haben wir auch den Wettbewerb aus Deutschland, den USA und aus Russland. Diesem
Wettbewerb stellen wir uns gern. Wir wollen die Besten sein und unserem Ruf als Marktführer gerecht werden. Dafür investieren wir in Ersatzteillager, bilden unsere Kunden aus, schaffen neue
Niederlassungen.
Damit sind wir wohl am aktivsten am Markt, mit klar und konkret formulierten Zielen. Derzeit erholt sich die Situation nach der Finanzkrise in Russland und wir spüren einen Trend nach oben.
Dem wollen wir entsprechen.
Wie sehen Sie die geschäftliche Entwicklung mittelfristig in Russland?
Wir haben in Russland noch viel zu tun und tun das gerne. Unsere russischen Geschäftspartner sind
treu und zuverlässig, weil wir es auch sind. Das Notwendige und Machbare im Straßenbau liegt in
der Zukunft und stellt für alle, die Regierung, die lokalen Behörden, die Baufirmen und ihre Lieferanten wie uns, eine Herausforderung da. Unser Unternehmen entwickelt sich mit diesen großen
Aufgaben. Wir sind heute bereits 140 Mitarbeiter und zahlreiche Partner arbeiten mit uns. In den
kommenden Jahren sehen wir ein hohes Potenzial für eine erfolgreiche geschäftliche Entwicklung.
Das Interview führte
Jens Böhlmann, AHK Moskau
44
Modernisierungsoffensive in Russland
„Russland ist der interessanteste Markt
für die Deutsche Bahn“
Interview mit Jörg Siedenbiedel, Leiter der Generalvertretung Deutsche Bahn AG
Welche aktuellen Projekte entwickelt die Deutsche Bahn in
Russland?
Im deutsch-russischen Güterverkehr spielt die Schiene mit zirka
zwei % Marktanteil als Verkehrsträger zurzeit nur eine untergeordnete Roll e. Die Marktanteile von Pipeline, Seeschiff und LKW
dominieren hier deutlich.
Die Deutsche Bahn führt verstärkt Projekte durch mit dem Ziel, die Attraktivität der Eisenbahn zu
stärken. Für dieses Ziel arbeiten die Russischen Eisenbahnen RZD und die DB AG seit Jahren eng auf
allen Gebieten zusammen.
Im Güterverkehr werden beispielsweise folgende Projekte mit der RZD verfolgt: Transport von Zulieferteilen für Volkswagen- und Skoda-Autos aus Deutschland, der Slowakei und Tschechien zum
Montagebetrieb in Kaluga. Volkswagen hat die DB und die RZD dafür mit dem „VW Group Award
2009“ als bester Dienstleister ausgezeichnet.
Anbindung der europäischen Märkte nach Asien über Logistikterminals: Mit einer Güterverkehrsleistung von 4,9 Billionen Tonnenkilometern ist der russische Transportmarkt einer der größten
der Welt und damit der interessanteste für die DB AG. Um den Kunden Tür-zu-Tür-Service anbieten
zu können und die Nutzung des Schienengüterverkehrs in multimodalen Transportketten zu verbessern, werden in ganz Europa intermodale Umschlaganlagen ausgebaut. Dazu sind DB und RZD
in intensiven Gesprächen.
Förderung der interkulturellen Kompetenz: Auch in der Aus- und Weiterbildung bahnt sich eine
intensive Zusammenarbeit an, was das jüngst eröffnete Zentrum für internationale Logistik und
Supply-Chain-Management an der staatlichen Universität Sankt Petersburg zeigt.
Im Personenverkehr arbeiten beide Unternehmen unter anderem an folgenden Projekten:
Zusammenarbeit im Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV): DB International war erfolgreich an
der Vorbereitung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs zwischen Moskau und Sankt Petersburg beteiligt. Die DB erarbeitete das Regelwerk, Normen und Arbeitsvorschriften für den HGV. Aktuell bewirbt sich die DB um die Nachrüstung der Strecke mit Informationstechnik auf den Stationen zur
Warnung vor Zugdurchfahrten und die mechanische Sicherung auf den Stationen.
DB International verfolgt im Bereich der Bahnhofsentwicklung aktuell diverse Modernisierungsprojekte in ganz Russland, davon fünf in Moskau und fünf Planungsprojekte in Sotschi.
Darüber hinaus verfügt DB Schenker über ein flächendeckendes Logistik-Netzwerk in Russland mit einer einhundert-jährigen Tradition - und ist damit sehr erfolgreich.
Germany Trade & Invest www.gtai.de
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Infrastruktur
Welche künftigen Projekte sind geplant
Wie überall in der Welt folgen wir unseren Kunden mit ihren Geschäften - so auch in den GUS-Staaten. Wir wollen aber auch neue Kunden von unseren Leistungen überzeugen und neue Märkte gewinnen. Insofern planen wir, verstärkt kundenspezifische Transportlösungen am Markt zu etablieren: Beispielsweise verständigte sich DB Schenker BTT GmbH (eine Tochtergesellschaft der DB
Schenker Rail) mit TransContainer (Frachttochter der russischen Eisenbahnen) auf eine Vertiefung
der Zusammenarbeit im Chemiegüterverkehr.
Ein weiteres Beispiel für kundenspezifische Transportlösungen ist der geplante Einsatz von neu
entwickelten Automotive Parts Boxes von DB Schenker Rail für Volkswagen. Hintergrund ist, dass
die zweite Ausbaustufe des Werkes Kaluga einen eigenen Karosseriebau, eine Lackiererei sowie
eine Endmontage umfasst. Damit ändern sich auch die Anforderungen an die Automotive-Experten in erheblichem Umfang. Künftig müssen die Montagesätze in Einzelteilen und Modulen ins
Werk und direkt ans Band geliefert werden.
Außerdem wird DB Schenker weiter am Ausbau seines bereits flächendeckenden Logistik-Netzwerks arbeiten.
Wird sich die Deutsche Bahn - wie ursprünglich geplant - am Ausbau von Transportterminals, Lagerhäusern, Bahnhöfen beteiligen?
Die DB AG beteiligt sich bereits an verschiedenen Bahnhofsprojekten in Russland als Berater über
ihre Tochterfirma „DB International“. Beide Unternehmen, DB und RZD, arbeiten gemeinsam an
der Planung eines neuen Transport- und Logistikzentrums in der Metropolregion Moskau, welches
das modernste und innovativste Logistikzentrum mit bi-modaler Anwendung in Russland werden
soll.
Wird es Überkreuzbeteiligungen zwischen DB und RZD geben?
Das ist kein Thema.
Warum wird immer noch vergleichsweise wenig per Schiene transportiert?
Die Stärke der Eisenbahn gegenüber anderen Verkehrsträgern zeigt sich am ehesten auf langen
Transportkorridoren und bei Massengütern. Um diese Stärke auszuspielen, müssen die Grenz-,
Zoll-, Verlade- und Spurwechselprozesse, inklusive Reexpedition des Frachtrechts weiter vereinfacht werden. Darüber hinaus ist eine Angleichung der Infrastruktur erforderlich. Daran wird gearbeitet. Die EU hat das auch erkannt und fördert durch Transportkorridore eine bessere Vernetzung im Binnenmarkt und zwischen internationalen Märkten.
Ist Olympia 2014 für die Deutsche Bahn ein Thema?
Olympia 2014 ist für die DB durchaus ein Thema. Wir arbeiten bereits an der Entwicklung fünf neuer Bahnhöfe in Sotschi für Olympia 2014. Darüber hinaus werden aktiv die Ausschreibungen für
Sotschi-Projekte auf der Internetseite der AHK verfolgt. Zudem ist die DB AG als Transportunternehmen in der Firmenliste bei „GK Olimpstroi“, dem staatlichen Koordinator für Baumaßnahmen
rund um die Winterspiele, gelistet.
46
Modernisierungsoffensive in Russland
Wie steht es um das Projekt TransEurasiaLogistics?
Die „Trans Eurasia Logistics GmbH (TEL)“ ist ein Joint Venture zwischen der DB AG und der RZD, um
Transporte für den Kunden aus einer Hand anbieten zu können. Seit dem 12.6.2010 gibt es eine
Regelzugverbindung zwischen Duisburg und Moskau. Die Verbindung soll in der Startphase zunächst 1x wöchentlich verkehren.
Was bringt ein Lehrstuhl in Sankt Petersburg?
Das im März 2010 von DB AG und RZD eröffnete Zentrum für internationale Logistik und Supply
Chain Management an der Universität Sankt Petersburg ergänzt die bisherigen praxisorientierten
Aktivitäten um die Dimensionen Forschung und akademische Lehre. Davon erwarten beide Bahnen innovative Praxislösungen für den Markt. Das Zentrum soll eine Plattform für unternehmensübergreifende Innovations-Kooperationen im Bereich Logistik und Supply Chain Management zugleich werden. Ab sofort finden Lehrveranstaltungen statt. Rund 180 Studenten sollen jährlich ausgebildet werden. Geplant ist auch die Weiterbildung von Mitarbeitern beider Bahnen. Nur so kann
dem Mangel an gut ausgebildeten Nachwuchsführungskräften im Bereich Logistik und Supply
Chain Management entgegengewirkt und ein gegenseitiges Marktverständnis aufgebaut werden.
Deutsche Unternehmen siedeln ihre Produktionen zunehmend in den Regionen an - Vorteile für DB
Schenker?
Ja, eindeutig. Als Transport- und Logistikunternehmen mit langjähriger Erfahrung auf dem russischen Markt und gleichzeitig führend in Europa, kennen wir die Ansprüche unserer Kunden. So ist
es uns möglich, den deutschen Firmen in Russland die gleiche Qualität anzubieten, die sie von anderen Standorten gewohnt sind.
Das Schienennetz ist für die Größe des Landes eigentlich nicht ausreichend - Lösung des Problems?
Die Lösung liegt in multimodalen Transportketten über intermodale Umschlagsanlagen. Das
heißt, nur über eine intelligente Kombination aus mehreren Verkehrsträgern kann dem Kunden
Tür-zu-Tür-Service angeboten werden. Konkret könnte das so aussehen, dass der Vor- und Nachlauf
von Gütern bis zu bestimmten Sammelpunkten mit Umschlagsanlagen per LKW abgewickelt wird
und der Hauptlauf über lange Transportkorridore per Eisenbahn stattfindet.
Wie kann die Konkurrenzfähigkeit im Vergleich zu LKW-Transporten hergestellt werden?
Es sollten die Grenz-, Zoll-, Verlade- und Spurwechselprozesse weiter vereinfacht werden. Auf diesem Gebiet hat sich in den letzten Jahren bereits viel getan. Erstes Ergebnis aus den vorangegangenen Bemühungen ist das Inkrafttreten der Zollunion ab 1. Juli 2010 zwischen Weißrussland, Kasachstan und Russland. Als größte Herausforderung betrachten wir im Moment, das unterschiedliche Frachtrecht zu beherrschen. In Europa existiert das CIM-Recht, in den GUS-Staaten und in
Asien das SMGS-Recht. Insofern gibt es sehr verschiedene Anforderungen hinsichtlich Verladebedingungen und Begleitdokumenten. Ziel ist es, die Anforderungen an Transporte, die grenzüberschreitend zwischen CIM- und SMGS-Ländern verkehren, ein stückweit anzugleichen.
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47
Infrastruktur
Vor diesem Hintergrund wird momentan an der Annäherung der technischen Bedingungen gearbeitet. Damit können Stand- und Wartezeiten an den Grenzen beziehungsweise bei der Zollabfertigung reduziert werden. Darüber hinaus wären weitere Liberalisierungsschritte im Schienengüterverkehr von Vorteil, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. In Deutschland beispielsweise
gibt es mehr als 360 Eisenbahnverkehrsunternehmen. Das bedeutet, dass die DB AG mit zahlreichen Wettbewerbern in Konkurrenz steht und sich mit wettbewerbsfähigen Angeboten am Markt
behaupten muss.
Im russischen Straßenverkehr besteht für in- und ausländische Marktteilnehmer freier Zugang. Im
Schienengüterverkehr besteht für ausländische Unternehmen bisher kein Marktzugang. Hier gibt
es nur die Möglichkeit als Joint-Venture-Partner eines russischen Unternehmens im Schienenverkehr tätig zu werden. Eine höhere Transparenz bei den Bestimmungen zu Lizenz- und Trassenvergabe sowie zum Trassen-Preissystem wäre wünschenswert.
Das Interview führte
Jens Böhlmann, AHK Moskau
48
Modernisierungsoffensive in Russland
„Die Projektsteuerung können auch
deutsche Planer übernehmen“
Interview mit Tom Schmidt, Vorsitzender der Geschäftsleitung Hochtief
Wie ist der derzeitige Stand beim Neu- und Ausbau der russischen
Flughäfen?
Hochtief agiert mit zwei seiner Holding-Strukturen am russischen Markt.
Erstens: Als Flughafenbetreiber über die Firma Hochtief Concessions, die wiederum die Hochtief
Airport einschließt. Hochtief ist einer der weltweit größten Flughafenbetreiber, dem Anteile an
den Flughäfen in Hamburg, Düsseldorf, Athen, Sidney, Tirana und Budapest gehören. Dieser Unternehmenszweig bewegt sich auf dem russischen Markt, um Flughäfen aktiv zu beraten: es werden Masterpläne und Businesspläne zur Umgestaltung oder Modernisierung bestehender Flughäfen entwickelt.
Zweitens: Hochtief Russia - also wir - ist Bestandteil der Hochtief Construction, die unter anderem
den Bau von Flughäfen und Terminals umsetzt.
Das Flughafennetz ist in Russland gut ausgebaut. Größere Neubauten sind, außer in Omsk, momentan nicht geplant. Die Flughafenbetreiber sind an solchen Plänen aber sehr interessiert. In
Russland gibt es die Besonderheit, dass die Gebäude dem Betreiber, die Flughafenflächen jedoch
dem Staat gehören. Das bedeutet für die Auftragsabwicklung, dass man es immer mit zwei Auftraggebern zu tun hat.
Die Flughäfen in den russischen Millionenstädten werden oder wurden fast alle umgebaut oder
Umbauten sind in Planung. In Moskau werden die drei großen internationalen Flughäfen Scheremetjewo, Vnukowo und Domodedowo erweitert. In Scheremetjewo ist das Gros der zurzeit geplanten Umbaumaßnahmen geleistet. Die Terminalkapazitäten, die geschaffen wurden sind ausreichend, um die für die Zukunft geplanten Passagierzahlen zwischen 23 und 25 Millionen gut abzufertigen. Das, was noch gebaut werden muss, ist eine zusätzliche Start- und Landebahn. Deutsche
Unternehmen sind dabei besonders bei der Flugbefeuerung gefragt.
Wer bekommt den Zuschlag für den Bau der Start- und Landebahnen?
Die Landebahnen und Flugflächen gehören dem Staat. Meist bekommen den Zuschlag russische
Firmen, dabei bisher zum größten Teil Transinshstroj. Das ist eine auf Engineering-Leistungen spezialisierte Firma, die sich eine Alleinstellung bei Flugflächen auf dem Markt erarbeitet hat. Die
Qualität ist tadellos. Es kommt deutsche Technik beim Bau der Runways zum Einsatz, zum Beispiel
von der Firma Wirtgen. Der ausländische Anteil der Technik in diesem Segment ist sehr hoch.
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49
Infrastruktur
Die meisten Ausschreibungen für den Bau von Terminals laufen über Generalunternehmer, die
sich wiederum einiger Subunternehmer bedienen, die dann die notwendige Technik direkt kaufen. Dazu unterhalten diese russischen Firmen mittlerweile auch in Deutschland Einkaufsabteilungen, die direkt beim Hersteller ordern. Nur ein Teil wird noch von Hochtief selbst geordert, wie
zum Beispiel Boarding bridges. Dort tritt in den letzten Jahren ThyssenKrupp als Lieferant auf - die
können das einfach am besten.
Auch für den Bauteil tritt Hochtief nicht mehr direkt mit dem deutschen Hersteller in Kontakt, sondern fordert die Leistung und Qualitäten entsprechend den Spezifikationen über seine Subunternehmer ab.
Was passiert augenblicklich in Sankt Petersburg?
In Sankt Petersburg gibt es seit April dieses Jahres einen neuen Betreiber für das Northern Gate - daran sind hauptsächlich die VTB-Bank und Fraport beteiligt. Es ist geplant, den Flughafen komplett
zu erneuern. Das betrifft sowohl Gebäude, Neben- und Hilfsgebäude als auch die infrastrukturellen Anbindungen und Parkplätze. Die Landebahnen wurden bereits vom Staat erneuert. Für Hochtief ist der Terminalneubau interessant - dafür wird es noch eine separate Ausschreibung geben.
Im Osten Russlands?
Am Flughafen in Jekaterinburg wird kontinuierlich weiter gebaut. Er verfügt schon über ein komplett neues Terminal und eine komplett neue Flugfläche. In Wladiwostok wird unter anderem ein
neues Terminal gebaut - den Zuschlag hat Hochtief erhalten. Der gesamte Flughafen soll bis zum
APEC-Gipfel 2012 umgebaut werden. Auftraggeber ist auch hier die Flughafengesellschaft Scheremetjewo, denn der Flughafen Scheremetjewo ist mit über 50 Prozent am Flughafen Wladiwostok
beteiligt.
Spielt im Fernen Osten das Klima eine besondere Rolle?
Das Klima weniger, eher der Baugrund, denn das Terminal wird auf sumpfigem Boden stehen. Einen anderen Platz gab es leider nicht. Eine zweite Herausforderung ist die Logistik, denn man kann
nicht alles regional oder lokal beschaffen. Das bedeutet, dass ein Teil der Technik und des Materials
per Bahn nach Wladiwostok transportiert werden müssen, zum Beispiel Stahlkonstruktionen. Das
letzte Stahlwerk, das in der Lage ist, solche Konstruktionen zu liefern, ist in Nowokusnezk - also
rund 3.500 Kilometer entfernt. Die Anlieferung aus China wäre theoretisch möglich, kostet jedoch
mehr und wird politisch auch nicht unterstützt, da die Wertschöpfung nach Möglichkeit im Land
und in der Region erfolgen soll - es ist eben ein Staatsauftrag.
Sie erwähnten Omsk?
In Omsk gibt es einen existierenden Flughafen, der sich jedoch mitten im Stadtgebiet befindet. Bei
diesem Flughafen stellt sich eher die Frage der Finanzierung: Inwieweit kann zum Beispiel mit den
Grundstückserlösen des alten Flughafens der Bau des neuen finanziert werden.
Die Flughäfen am Schwarzen Meer stehen alle unter der Kontrolle von Oleg Deripaskas BasEl Aero:
Sotschi, Anapa, Gelentschik, Krasnodar. Die Fertigstellung des Terminals in Sotschi erfolgte im vergangenen Jahr. Auch hier hat der Staat bereits das Flugfeld erneuert.
50
Modernisierungsoffensive in Russland
Was ist mit den mittelgroßen Flughäfen?
Die kleineren Flughäfen in den Regionen sind zumeist in den siebziger Jahren des vergangenen
Jahrhunderts nach Einheitsbauweise errichtet worden. Die sehen alle fast gleich aus, egal ob in
Tscheljabinsk, Wolgograd oder Pensa...
Um den Umbau finanzierbar zu machen, sollte ein Passagieraufkommen von rund einer Million
jährlich gewährleistet sein. Das scheint bei vielen nicht realistisch. Ein Grund dafür ist der Mangel
an „Billig-Airlines“. Der Flughafen Berlin-Schönefeld hat unter anderem überlebt, weil Easy-Jet ihn
als Hauptstandort gewählt hat. Dafür wurde ein funktionaler Terminal mit vermietbaren Flächen
gebaut und damit die Passagierzahlen innerhalb kürzester Zeit auf zirka vier Millionen Passagiere
mehr als verdoppelt.
Wo hätten deutsche Unternehmen Chancen auf Aufträge?
Bei den schon beschriebenen Projekten. Beim Ausbau der regionalen Flughäfen wird mit Sicherheit der Versuch unternommen, lokale Firmen zu beauftragen - die Projektsteuerung könnte international sein. Das könnten auch größere - deutsche - Planungsbüros sein.
Das Interview führte
Jens Böhlmann, AHK Moskau
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Infrastruktur
„Die Häfen Murmansk und Archangelsk
haben Perspektive“
Interview mit Wilfried Anders, Leiter der Vertretung
Finnlines Deutschland GmbH
Wie lässt sich die augenblickliche Hafensituation in Russland
beschreiben?
Der Großhafen in Sankt Petersburg wird mittelfristig weiter
ausgebaut. Die Mittel kommen sowohl aus dem Staatsbudget
als auch von privaten Investoren. Unter dem Eindruck der Krise
wurde zwar nur wenig dafür getan, aber augenblicklich verzeichnen einige Reedereien Zuwachsraten von zehn und mehr
Prozent - monatlich - und die Hoffnung besteht, Mitte/Ende
nächsten Jahres die Volumina von 2008 wieder zu erreichen. Neben den bestehenden Terminals
wird im Augenblick auch der westlichste Hafen Russlands Ust-Luga ausgebaut. Zusätzlich wird der
Import nach Russland vom fallenden Euro begünstigt.
Ist die Hafeninfrastruktur dem steigenden Aufkommen gewachsen?
Der jetzige Stand würde den Anforderungen nicht genügen, aber auch während der Krise wurde
der Hafenausbau von privaten Investoren weiter vorangetrieben. Das gilt sowohl für die Terminals
als auch für deren Anbindung an das Hinterland. Die Ringstraße um Sankt Petersburg wird bis
Ende 2012 fertig gestellt sein. Im Laufe des Jahres wird ein Eisenbahn-Fährterminal samt angeschlossenem Zollterminal eingeweiht und der Container- und RoRo-Hafen in Bronka an der Südküste des Finnischen Meerbusens soll ab 2013 die ersten Schiffe abfertigen - die Haushaltsmittel für
die Baggerarbeiten stehen bereit. Insgesamt kann man sagen, dass die russischen Ostseehäfen auf
ein zukünftig wachsendes Transportvolumen eingestellt sind.
Wie ist es um die Schwarzmeer- und die Pazifikhäfen bestellt?
Am Schwarzen Meer sind die Möglichkeiten fast erschöpft, da Russland kaum noch über Küstenlinie verfügt, die geeignet wäre, sie zum Hafen auszubauen. Das Ufer steigt sofort steil an, Terminals
zu bauen ist nahezu unmöglich. Häfen ins Wasser zu bauen wäre kostenaufwändig, da die Uferlinie steil ins Meer abfällt. Ausbaufähig wäre nur Noworossijsk - der Hafen ist derzeit voll ausgelastet.
Es gibt den Plan, in der Nähe von Anapa einen neuen Hafen zu bauen, allerdings sind dafür bisher
keinerlei Haushaltsmittel vorgesehen.
Die Pazifikhäfen Wladiwostok, Ochotka und Wostotschny sind derzeit nicht ausgelastet; sie sind
für den Containertransport konzipiert und deshalb unmittelbar von den Kapazitäten der Eisenbahn abhängig. Russland möchte sehr gern als Transitland für Containertransporte fungieren,
aber Containertransporte sind derzeit per Schiff deutlich billiger als über Land.
52
Modernisierungsoffensive in Russland
Aber prinzipiell wären die Häfen für Hochseeschifffahrt ausgelegt?
Ja, es mangelt nicht an der Infrastruktur, sondern am Transportaufkommen. Viel interessanter sind
jedoch die Nordmeerhäfen Murmansk und Archangelsk, deren Bahnanbindung erneuert und in
deren Modernisierung investiert wird. Transporte aus den USA, Kanada und Großbritannien können damit auch über Murmansk abgewickelt werden.
Lassen die klimatischen Bedingungen ein Anlaufen dieser Häfen ganzjährig zu?
Murmansk und Archangelsk sind relativ eisfrei.
Bei der Vielzahl der Projekte, gibt es auch ein deutsch-russisches?
Nein, augenblicklich noch nicht. Denn alle diese Projekte sind Infrastrukturprojekte, an denen sich
ausländische Firmen nicht beteiligen können, da sie den Grund und Boden nicht erwerben dürfen.
Häfen, Flughäfen, Bahnhöfe fallen unter die strategischen Bereiche und unterliegen deshalb besonderen Bedingungen. Eine Beteiligung wäre über eine russische Firma an der Suprastruktur
möglich, also beim Hafenbetrieb. Der Betreiber kann die Flächen anmieten und auf der Fläche
Kräne, Hafenanlagen, Lagerhallen und Umschlagtechnik aufstellen und bewirtschaften. In UstLuga ist das Bremer Unternehmen EUROGATE mit 20 Prozent am Terminal beteiligt; in Sankt
Petersburg betreibt die Firma N-Trans zusammen mit dem finnischen Unternehmen ContainerShips in Kotlin ein Containerterminal.
Wie ist die anschließende Infrastruktur ausgebaut - Lager, Containerstellplätze?
In Sankt Petersburg ist ein Ausbau abgesehen von den Umprofilierungen bestehender Terminals
nicht möglich, weil der Hafen von der Stadtfläche begrenzt wird. Der Trend geht jedoch zu so genannten Hinterland-Terminals (Trockenhäfen), in denen die technische Abfertigung erfolgen soll.
Dieses Konzept widerspricht dem Wunsch der Regierung, die Zollabfertigung direkt an die Außengrenzen zu verlagern, hilft aber den Terminalbetreibern bei der Abfertigung der Waren.
Wie funktioniert die Zollabfertigung in den Häfen insgesamt?
Die Hafenterminals haben eigentlich immer schon als Zollterminals fungiert. Es gibt ein spezielles
Zollamt - den Baltischen Zoll - das ausschließlich für die Abfertigung über See ankommender oder
abgehender Ladung zuständig ist. Das Vorurteil, der Baltische Zoll sei besonders „schwierig“, hält
sich hartnäckig, entspricht aber nicht mehr der Realität. Die Zöllner können Ware nur dann freigeben, wenn andere staatliche Institutionen wie Pflanzenschutz, Veterinärdienst und Transportinspektion ihre Zustimmung gegeben haben. Die Frachtführer machen dabei keinen Unterschied
und begründen so den schlechten Ruf der Zöllner. Es ist dennoch ratsam, vor geplanten Transporten die Logistikkette zu checken.
Welche Waren werden vorrangig über die Ostseehäfen importiert?
Exportiert werden Öl, Stahl, Aluminium, Zink, Schrott, Papier, Rundhölzer, Schnittholz, Sperrholz,
Kohle, Düngemittel. Importiert wird alles, was „containerisierbar“ ist. Neben Massengut und Containerladung ist jedoch auch „rollende Ladung“ auf RoRo-Schiffen eine wichtige Transportart von
und nach Sankt Petersburg. Mit diesen Schiffen werden neben Lkw, Trailern und Pkw vor allen Dingen Ausrüstung (Schwergut, Übermaßgüter, Maschinen, Anlagen) sowie Papier (die russischen
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Infrastruktur
Hersteller können zum Beispiel kein Hochglanzpapier in der gewünschten Qualität produzieren),
Schnitt- und Sperrholz, Stahl-, Aluminium- und andere Halbzeuge transportiert.
Wirkt sich das Problem der unterschiedlichen Spurbreiten aus?
Nicht in den Ostseehäfen, denn dort wird direkt vom Schiff auf die Bahn verladen. Das Projekt einer
Eisenbahn-Fährverbindung, das im Entstehen begriffen ist, führt von Saßnitz über Baltijsk nach
Ust-Luga. Der Umschlag von europäischen auf russische Waggons erfolgt dabei in Saßnitz. Wichtigste Akteure für Frachtmengen sind die Deutsche Bahn und die Russische Eisenbahn (RZD), weil
die Eisenbahnfähren spezielle Anleger benötigen. Für einen Reeder ist eine solche Investition nur
interessant, wenn die Betreiber und Frachtführer sich einigen und Garantien geben.
Ergeben sich bei der Hafentechnik Möglichkeiten für deutsche Unternehmen?
Beim Hafenausbau und der Modernisierung greifen die Investoren und Bauherren sehr oft auf
deutsche Technik zurück: bei Containerbrücken, Mobilkränen, Reach Stackern, Gabelstaplern aller Größen, frei tragenden Hallen und natürlich bei allen baulichen Leistungen. Diese Ausrüstung
wird in allen Häfen gleichermaßen benötigt.
Inwieweit wird bei den geplanten Hafenprojekten auf die Einhaltung der ökologischen Richtlinien geachtet?
Allein schon auf Druck der europäischen Nachbarn - insbesondere Finnlands - wird auf die Einhaltung aller ökologischen Standards und Sicherheitsmaßnahmen geachtet. Vor allen Dingen in
Primorsk, dem Ölumschlaghafen, der an der Nordseite des Finnischen Meerbusens gebaut wurde,
halten sich die Russen peinlich genau an alle europäischen Forderungen. Aber auch alle Investoren bauen und handeln nach den geltenden Richtlinien, weil die Betreiberlizenz davon abhängig
ist. Das hat im Umkehrschluss den Nachteil, dass man für ein Investitionsprojekt fast 40 Unterschriften unterschiedlichster Behörden einholen muss. Allerdings ist das in Deutschland nicht
wirklich anders.
Der einzige Unterschied besteht darin, welches Interesse die russische Seite an einem Projekt hat,
dann lassen sich die Prozesse schon dynamisieren. Ein Beispiel: Das dritte Hafenbassin in Baltijsk wurde vom Militär an das Verkehrsministerium übergeben, als ein Fähr- und Containerhafen mit Tiefwasserzugang im Kaliningrader Gebiet als notwendig angesehen wurde. Die gesamte Abstimmungs- und Genehmigungsprozedur hat drei Monate gedauert, weitere vier Monate um den Terminal in Betrieb nehmen zu können! Das Hauptproblem ist, dass in Russland die Wirtschaft stark mit
der Politik verwoben ist und politisches Interesse sehr stark das wirtschaftliche Handeln bestimmt.
Was sollte man bei all den beschriebenen Projekten grundlegend beachten?
Da, wie erwähnt, Ausländer nicht in die Infrastruktur investieren können, ist es sehr sinnvoll die
Vergabepolitik der russischen Regierung bei Infrastrukturprojekten aufmerksam zu verfolgen.
Mit den Firmen, die dort einen Zuschlag erhalten, können deutsche Firmen dann als Subunternehmer in Kontakt treten. Eine direkte Auftragsvergabe an ein ausländisches Unternehmen ist unwahrscheinlich, weil die russische Regierung natürlich die Haushaltsmittel an einheimische Wettbewerber auslegen wird.
Das Interview führte
Jens Böhlmann, AHK Moskau
54
Modernisierungsoffensive in Russland
„Der Know-how-Transfer an die
Grenzen findet erst jetzt statt“
Interview mit Olaf Metzger, Managing Director
Rhenus Logistics
Ein Brennpunkt bei der Verzollung sind augenblicklich die Zollposten?
Ja, denn die Gesetzeslage hat sich verändert. Die Regierung der
Russischen Föderation hat entschieden, die Ballungsgebiete
zu entlasten und die Kontrolle der Zolleinnahmen zu verstärken. Im vergangenen Jahr wurden deshalb in Moskau und im
Gebiet Moskau 45 Zollposten in kurzer Zeit geschlossen. Für
unsere Kunden und uns hieß das, Waren die dort gelagert waren, konnten nur mit großer Verzögerung und Aufwand verzollt werden, und Waren die dorthin
unterwegs waren, mussten zu anderen Zollstationen umgeleitet werden. Um jedoch dort Waren
verzollen zu dürfen, muss der Kunde registriert sein, was wiederum bedeutet, sich mit allen Papieren anmelden zu müssen.
Und wie genau wird verzollt?
Bevor wir für einen Kunden tätig werden können, brauchen wir alle Dokumente: Handelsverträge,
Rechnungen, Zertifikate, Produktbeschreibungen etc. Mit diesen Dokumenten gehen wir zur Zollbehörde und stimmen ab, dass die Waren zu den Konditionen und Preisen, die in den Verträgen
festgehalten sind, nach Russland geliefert werden können. Manchmal müssen für Russland noch
Zusatzzertifikate erbracht werden.
Nach welchen Kriterien wählen sie den Zollposten aus?
Wir haben von Anfang an mit mehreren Zollposten gearbeitet, weil einige Zollposten auf bestimmte Waren spezialisiert sind: Es gibt Akzise-Zollposten, die ausschließlich mit Akzise belegte
Waren verzollen - diese Waren dürfen nur dort verzollt werden. Wie wichtig Erfahrung ist, macht
ein Beispiel deutlich: Vor zehn Jahren haben wir für einen deutschen Hersteller die ersten LKW innerhalb einer Woche verzollt, heute sind es fünf LKW pro Tag innerhalb von drei Stunden. Dabei
hat jede Zolldeklaration mehrere Hundert Zolltarifnummern. Es gibt maximal noch Stichproben.
Was soll mit der Verlagerung der Zollposten erreicht werden?
Ein entscheidender Grund sind die Staus in den Ballungszentren, die im Wesentlichen durch die
LKW verursacht werden. Mehrere Hundert LKW, deren Ware für Moskau bestimmt ist, fahren täglich zur Verzollung von Sankt Petersburg und zurück. Neben der Entlastung der Verkehrswege
liegt das Ziel in der Verstärkung der Kontrolle über die Einfuhrabgaben.
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55
Infrastruktur
Die Einnahmen durch den Zoll sind ein wesentlicher Bestandteil des Staatshaushaltes, deshalb will
der Staat die volle Kontrolle über die Verzollung erlangen und auch die Gebühren einnehmen, die
derzeit noch am Staatssäckel vorbei wandern.
Verfügen die Zollposten an den Außengrenzen schon über die Infrastruktur zur schnellen Abwicklung
der Güter?
Das wüssten wir auch gern, denn die Zollposten im Inland wurden geschlossen, bevor die Infrastruktur an den Grenzen etabliert war. Der Hauptwarenstrom aus Westeuropa erreicht Russland
über die M1 via Brest, Smolensk. Wir sind in Richtung Staatsgrenze gefahren und haben festgestellt, dass es eine Infrastruktur nur in ersten Zügen gibt. Für die Abfertigung des Warenstromes ist
sie weder ausreichend noch geeignet. Pro Tag passieren bis zu 3.000 Transportmittel diese Grenze.
Die an den Grenzen existierenden Zollämter sind es gewohnt, Problemverzollungen zu bearbeiten, nicht jedoch korrekt vorbereitete mit allen Dokumenten und allen Zolltarifnummern ausgestattete Ware. Das bedeutet, dass wir die veRubeleibende Zeit bis zur endgültigen Umstellung nutzen, um quasi die Zöllner an eine normale Importverzollung heranzuführen. Die jeweilige Leitung
der Zollämter unterstützt uns sogar dabei. Kurz gesagt, ein Transfer des Know-how von den Inlandszollposten an die Grenzen findet erst jetzt statt.
Wie sind die Zollämter mit IT ausgestattet?
Augenblicklich können die Zollämter den Ansturm in halbwegs vertretbarer Zeit bewältigen. Was
man zur Verzollung braucht, ist neben einem Zollposten ein SVX - also ein Lager zur zeitweiligen
Aufbewahrung, zum Beispiel für Sammelgüter, die dort in der Zeit der Zollabfertigung bis zu 20
Tage zwischengelagert werden und wo „Problemfälle“ durch den Zoll beschaut werden. Der Preis
in einem SVX ist höher als in einem normalen Lager und muss vom Kunden übernommen werden.
Praktisch funktioniert das allerdings so, dass der Kunde zuerst alle Begleitdokumente an uns übergibt, wir prüfen das gemeinsam mit dem Zoll und erst dann fährt der LKW los.
Wann ist mit einer normalen Abfertigung an den Außengrenzen zu rechnen?
Dieser Prozess wird noch einige Jahre in Anspruch nehmen, wobei wir als Spediteur davon auch
profitieren, weil es unsere Aufgabe ist, die Probleme des Kunden zu lösen. Augenblicklich betreiben wir mit einem russischen Partner ein SVX, aber perspektivisch wollen wir auch ein eigenes SVX
errichten.
Wie sind die Bestimmungen für ein solches Lager?
Das hängt alles von den Erläuterungen zur Zollunion zwischen Russland, Kasachstan und Weißrussland ab. Steht aber noch nicht fest. Wir stehen - vermittelt über die AHK - mit dem Föderalen
Zolldienst (FTS) in Verbindung, um eine Genehmigung zum Bau eines solchen Lagers in Smolensk
zu erwirken. Wir sind auch sehr gern bereit, unser internationales Know-how dem FTS zur Entwicklung der Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Wie genau die Regelungen der Zollunion in der
Praxis umsetzbar sein werden, wird die Erfahrung zeigen - die Tarife sind bestätigt. Wahrscheinlich
werden aber die Tarife vorerst nur innerhalb der Union umgesetzt. Wir gehen davon aus, dass die
Zollkontrolle an den Außengrenzen der Union stattfinden wird, die eigentliche Verzollung aber in
Russland.
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Modernisierungsoffensive in Russland
Sehen Sie sich in ihrer Arbeit mit dem Problem Korruption konfrontiert?
Wir verzollen an mehreren Zollposten. Diese Zollposten haben Vorgaben, wie hoch ihr Anteil am
Gesamtbudget aller Zolleinnahmen sein muss. Zusammen mit unseren Kunden ist der Anteil unserer Waren, die an einem Posten verzollt werden, hoch - das bedeutet, wir können gegenüber der
Leitung des Zollpostens unsere Position deutlich machen. Sollten Probleme auftreten, sind wir in
der Lage, die Abwicklung auch an einem anderen Zollposten zu organisieren.
Augenblicklich drängen viele neue Kunden auf den russischen Markt. Wir weisen jeden Neukunden auf die Wichtigkeit einer ordentlichen Vorbereitung zur Sicherstellung ordnungsgemäßer
Verzollungen hin.
Neue Firmen bedeuten mehr Fracht, die über die inländische Infrastruktur geleitet werden muss.
In welchem Zustand befindet sich diese?
Wir wollen in Smolensk verzollen, um dann die Ware direkt nach Zentralrussland, Süden oder Norden zu leiten, aber die Möglichkeiten sind begrenzt. Wir haben eine alternative Route südlich der
M1 über Gomel-Brjansk geprüft, aber die Voraussetzungen sind einfach nicht gegeben. Es gibt an
dieser Straße weniger Tankstellen, die mit Tankkarten arbeiten, weniger Motels, wenig bewachte
Parkplätze, wenig Restaurants und Cafés. In diese Art der Infrastruktur und in den Straßenzustand
müssen Milliarden Rubel investiert werden.
Gibt es Alternativen zur Straße?
Wir haben ein Joint Venture mit dem Hafen im Moskauer Süden, über den wir ganze Züge abfertigen wollen, um die Straße zu entlasten. Außerdem würde es deutlich weniger Geld kosten. Es gibt
auch die Wege über See, entweder über Noworossijsk oder Wladiwostok weiter nach Moskau.
Wie lange ist die Fracht unterwegs?
Unterschiedlich, ein bis zwei Wochen.
Was ist mit dem Sankt Petersburger Hafen?
Der Petersburger Hafen ist dauerhaft überlastet und kann nicht ausgebaut werden, weil er sich innerhalb der Stadtgrenzen befindet. Außerdem werden zukünftig auch noch Zollstationen in Sankt
Petersburg geschlossen, so dass sich dieser Weg zunehmend als Nadelöhr erweist. Wir speditieren
neben Sankt Petersburg über Riga, Tallinn oder Klaipeda, wo wir die Dauer und die Art der Abwicklung garantieren können.
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Jens Böhlmann, AHK Moskau
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Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
2.
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Russland gehört zu den größten Energieproduzenten der Welt, aber auch zu den größten Verschwendern. Das Land verfügt über ein Viertel der Weltgasreserven, ein Fünftel der Kohlevorkommen und über 6% der Weltölreserven. Doch diese reichen Ressourcen machen Versorger und Verbraucher anfällig für einen verschwenderischen Umgang mit Strom und Wärmenergie. Die Energieintensität der russischen Wirtschaft ist fast viermal so groß wie die der deutschen. Konkret heißt
das: Um 1.000 US$ Bruttoinlandsprodukt zu erzeugen, verbraucht Russland 0,4 Tonnen Öläquivalent, Deutschland nur knapp über 0,1 Tonnen („Key World Energy Statistics“ für 2007).
Erst in jüngster Zeit setzt allmählich ein Umdenken ein. Zum einen haben die Rohstoff- und Energiekonzerne verstanden, dass sie jede im Inland eingesparte Energieeinheit viel teurer auf den Exportmärkten verkaufen können. Zum anderen können Privat- und Industrieverbraucher längst
nicht mehr so sorglos mit Strom, Gas, Öl und Wärme umgehen wie in der Vergangenheit, weil die
Regierung die Energiepreise jedes Jahr kräftig anhebt.
Außerdem ist der Energiesektor Umweltverschmutzer Nummer eins im Land: Nach Angaben der
Regierung entstehen mehr als 50% aller Luftschadstoffe, 20% der Abwässer und 70% der Treibhausgase bei der Produktion von Strom und Wärme.
Wesentlicher Bestandteil der Modernisierungsstrategie Russlands ist es daher, sparsamer mit den
Ressourcen umzugehen und sie zielgerichteter einzusetzen. Präsident Dmitri Medwedjew hat das
Ziel ausgegeben, den Primärenergieverbrauch des Landes bis 2020 um 40% zu senken gegenüber
dem Niveau des Jahres 2007. Um den wichtigen Energiesektor nachhaltiger, effizienter und ökologischer zu machen, sind enorme Investitionen nötig. Der im Jahr 2009 erstellte Entwurf einer
„Energiestrategie der Russischen Föderation bis 2030“ sieht Investitionen von umgerechnet
1,4 Billionen Euro vor, davon allein für den Brennstoff- und Energiebereich 1 Billion Euro.
2.1 Der russische Energiemarkt
Die Energiewirtschaft ist für Russlands Volkswirtschaft immens wichtig. Auf sie entfällt ein Viertel
des Bruttoinlandsprodukts, die Hälfte des wertmäßigen Exportvolumens und durch Abgaben,
Steuern und Zölle ein hoher Anteil an den Staatseinnahmen. Moskau hat deshalb seine Kontrolle
vor allem bei der Rohölförderung und -verarbeitung in den letzten Jahren erhöht. Weitgehend privatisiert dagegen wurde die Stromerzeugung - bis auf Wasser- und Kernkraftwerke. Dabei hat die
Regierung auch ausländische Investoren ins Land gelassen, unter anderem E.on (Deutschland),
Enel (Italien) und Fortum (Finnland). Gasprom konnte sich ein Drittel Marktanteil sichern. Die
Stromfernleitungen veRubeleiben unter staatlicher Kontrolle der Föderalen Netzgesellschaft OAO
FSK, die überregionalen Stromleitungsnetze unter Kontrolle der Interregionalen Verteiler-Netzgesellschaften (zusammengefasst zur Holding OAO MRSK).
Die neuen Kraftwerksbesitzer mussten sich zu anspruchsvollen Investitionsplänen verpflichten,
die allerdings durch die niedrigen Energietarife im Land ein Refinanzierungsrisiko bergen. Die
Preise für Elektrizität und Gas werden vom Föderalen Dienst für Tarife (www.fstrf.ru) festgelegt und
liegen immer noch erheblich unter Weltmarktniveau. Die Inlandspreise für Elektrizität betragen
etwa ein Viertel, für Gas ein Fünftel der Weltmarktpreise. Allerdings sind so genannte „kommer-
58
Modernisierungsoffensive in Russland
zielle“ Lieferungen - hauptsächlich Neuanschlüsse - schon heute doppelt so teuer wie der staatlich
regulierte Inlandspreis. Das Energieministerium erwartet für 2010 einen durchschnittlichen Anstieg der Preise für Elektroenergie von 13,5 bis 14,0%, für 2011 von 25% gegenüber 2010.
Um den Inlandsverbrauch von Gas zu verringern, soll der Anteil von Kernenergie, Wasserkraft und
Kohle an der russischen Elektrizitätserzeugung in Zukunft massiv ausgebaut werden. Dies ist eine
wesentliche Voraussetzung zur Erfüllung der von Russland eingegangenen Gasexport-Verpflichtungen in den nächsten Jahren sowie zur Auslastung der neuen Pipelines wie North Stream und
South Stream.
Erzeugung von Elektro- und Wärmeenergie in Russland
Jahr
2005
2006
2007
2008
2009
davon durch Atomkraft
durch Wasserkraft
Stromerzeugung
in Mrd. kWh
953
996
1.016
1.037
992
164
176
Zuwachs in % Erzeugung von
Wärmeenergie
in Mio. Gigakalorie (Gcal)
2
1.418
5
1.459
2
1.412
2
1.378
-5
1.341
0
6
-
Zuwachs in %
-1
2
-4
-2
-1
-
Quelle: Föderaler Statistikdienst
2.2 Geschäftschancen beim Ausbau der Stromerzeugung
2.2.1 Fossile Energieträger und große Wasserkraftwerke
Russlands Stromwirtschaft ist bis auf die Atom- und Wasserkraftwerke komplett privatisiert. Bis
Mitte 2008 entstanden aus dem einstigen Monopolisten RAO EES 20 neue Erzeugergesellschaften
(6 Großerzeuger-Gesellschaften - OGK - und 14 Territoriale Erzeuger-Gesellschaften - TGK). Sie wurden an private Investoren verkauft, die sich zu einem Ausbau und einer Modernisierung der Kraftwerkskapazitäten verpflichten mussten.
Die Regierung ging dabei ursprünglich von einer Verdoppelung des Stromverbrauchs in Russland
von 980 Mrd. kWh (2006) auf 1.700 Mrd. bis 2.000 Mrd. kWh im Jahr 2020 aus. Dafür sollte sich die
Gesamtleistung der Kraftwerke im Land von 220 GW (2006) auf 350 GW bis 400 GW (2020) erhöhen. Der Investitionsbedarf wurde inklusive Atom- und Wasserkraftwerken auf 7,2 Bill. Rubel geschätzt (damals umgerechnet über 200 Mrd. Euro).
Wegen des starken Konjunktureinbruchs im September 2008 und der Energiesparanstrengungen
wächst die Stromnachfrage in Russland seit 2008 jedoch nicht mehr so stark wie ursprünglich geplant (4 bis 5% p.a.). Inzwischen gehen Experten nur noch von einem jährlichen Anstieg des Ener-
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59
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
gieverbrauchs von maximal 3% für den Zeitraum 2010 bis 2020 aus. Damit würden 2020 im Land
1.300 Mrd. bis 1.400 Mrd. kWh Elektroenergie nachgefragt. Die revidierten Prognosen ergeben somit einen Neubau-Bedarf von Kraftwerkskapazitäten im Umfang von knapp 73 GW in den kommenden zehn Jahren. Zugleich müssten etwa 30.000 Kilometer Stromleitungen und 94.000 MVA
Transformatorenleistung zusätzlich installiert werden, hat die Agentur für Prognosen der Energiewirtschaft (APBE) Ende 2009 errechnet.
In den vergangenen Jahren blieb der Kraftwerksbau weit hinter den ambitionierten Zielen zurück.
Nach Angaben des Energieministeriums wurden 2008 und 2009 jeweils nur 2.000 MW neue Leistung installiert. Für 2010 wird ein Volumen von 6.000 MW erwartet. Das ist nur ein Viertel der ursprünglich avisierten Zusatzkapazitäten.
Ungeachtet der notwendigen Kraftwerksneubauten ist der Modernisierungsbedarf in den bestehenden Anlagen immens. Eine Untersuchung der Branchenexperten Teider und IT Energy Analytica hatte Ende 2009 ergeben, dass in den russischen Wärmekraftwerken 77% aller Turbinen und
80% aller Kessel verschlissen sind. Bei Generatoren betrug der theoretisch errechnete Abnutzungsgrad sogar 103%. Nur jede fünfte Turbine könnte ohne Investition weiter betrieben werden.
Geplante Effizienzsteigerungen in Russlands Stromwirtschaft
Kennziffer
2008
Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke, in %
34
Wirkungsgrad der Gaskraftwerke, in %
38
Wirkungsgrad der Kernkraftwerke, in %
32
Brennstoffverbrauch, in Gramm Brenn335
stoffeinheit je erzeugter kWh
Verluste bei der Stromübertragung, in %
13
2020
min. 38
min. 50
min. 34
300
2030
min. 41
min. 53
min. 36
270
max. 10
max. 8
Quelle: Energy Forecasting Agency APBE (www.e-apbe.ru)
Gute Geschäftschancen bieten sich auch beim Rückbau und der Entsorgung stillgelegter Kraftwerksanlagen. Nach Informationen des Energieministeriums planen die russischen Stromerzeuger, bis 2020 fast 15 GW verschlissene Kapazitäten vom Netz zu nehmen. Dabei handelt es sich
überwiegend um Technologie, die seit mehr als 50 Jahren im Einsatz ist und einen sehr geringen
Wirkungsgrad hat. Das Energieministerium selbst hält die Stilllegung von rund 30 GW für zweckmäßig.
Um an Aufträge für den Ausbau der Stromerzeugung in Russland zu kommen, empfiehlt sich als
Einstieg das Internetportal B2B-Energo (www.b2b-energo.ru). Über dieses elektronische Handelssystem wickeln die meisten der großen russischen Energiekonzerne ihre Ausschreibungen und Anschaffungen ab. Die Föderale Stromnetzgesellschaft OAO FSK EES veröffentlicht ihren Beschaffungsbedarf auf der Internetseite www.fsk-ees.ru/custom.html, die Holding MRSK (interregionale
Stromnetze) unter www.holding-mrsk.ru/custom/notification/ und www.tzselektra.ru.
60
Modernisierungsoffensive in Russland
Russlands Kraftwerksbetreiber im ÜbeRubelick
KraftwerksInternetseite
HaupteigenZahl der
gesellschaft
tümer/ StrateKraftwerke /
gischer Investor Gesamtkapazität
in MW
OGK-1
www.ogk1.com
FSK EES,
6 / 9.530
RusHydro
OGK-2
www.ogk2.ru
Gasprom
5 / 8.700
OGK-3
www.ogk3.ru
Norilski Nikel
6 / 8.400
OGK-4
www.ogk-4.ru
E.on
5 / 8.630
OGK-5
www.ogk-5.com
Enel
4 / 8.700
OGK-6
www.ogk6.ru
Gasprom
6 / 9.100
TGK-1
www.tgc1.ru
Gasprom
25 / 6.200
TGK-2
www.tgc-2.ru
Sintes
21 / 2.500
TGK-3
(Mosenergo)
TGK-4
www.mosenergo.ru
Gasprom
21 / 10.700
www.tgk-4.ru
Oneksim
10 / 3.300
TGK-5
www.tgc5.ru
KES-Holding
11 / 2.500
Kraftwerksstandorte
(Regionen)
Jekaterinburg,
Orenburg, Moskauer Gebiet,
Chanty-Mansijsk, Perm,
Jamal-Nenzen
Pskow, Jekaterinburg, Stawropol, Tjumen,
Tscheljabinsk
Burjatien, Kostroma, Komi,
Tschita, Tula,
Tscheljabinsk
Krasnojarsk,
Smolensk, Chanty-Mansijsk,
Moskauer
Gebiet, Perm
Twer, Stawropol,
Jekaterinburg
Rostow-amDon, Leningrader Gebiet, Rjasan, Krasnojarsk,
Wologda
Murmansk,
Karelien, Sankt
Petersburg
Archangelsk,
Wologda, Kostroma, Nowgorod,
Twer, Jaroslawl
Moskau
Belgorod,
Brjansk, Woronesch, Lipezk,
Kaluga, Kursk,
Orjol, Rjasan,
Smolensk, Tula
Kirow, Mari El,
Udmurtien,
Tschuwaschien
Germany Trade & Invest www.gtai.de
61
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Russlands Kraftwerksbetreiber im ÜbeRubelick (Fortsetzung)
KraftwerksInternetseite
HaupteigenZahl der
gesellschaft
tümer/ StrateKraftwerke /
gischer Investor Gesamtkazität
in MW
TGK-6
www.tgc6.ru
KES-Holding
19 / 3.100
TGK-7
www.votgk.com
KES-Holding
28 / 6.900
TGK-8
www.tgk-8.ru
Lukoil
27 / 3.600
TGK-9
www.tgk9.ru
KES-Holding
26 / 3.300
TGK-10
www.fortum.ru
Fortum
12 / 3.100
TGK-11
www.tgk11.com
Inter RAO EES,
FSK
TGK-12
www.kuzbassenergo.ru SUEK
TGK-13
www.tgk13.ru
SUEK
TGK-14
www.tgc-14.ru
Energopromsbyt (RZhD)
Ewrosibenergo www.eurosib.ru
En+ Group
GidroOGK
(RusHydro)
www.rushydro.ru
mehrheitlich
staatlich
2 / 2.000
11 / 4.400
9 / 2.500
6 / 600
5 / 19.500
26 / 23.000
Kraftwerksstandorte
(Regionen)
Wladimir,
Iwanowo, Pensa,
Mordowija,
Nischnij
Nowgorod
Uljanowsk,
Samara, Saratow,
Orenburg
Astrachan,
Wolgograd, Dagestan, Rostowam-Don, Stawropol, Krasnodar
Perm, Jekaterinburg, Komi
Tjumen, Tscheljabinsk
Tomsk, Omsk
Kemerowo, Altai
Krasnojarsk
Burjatien,
Tschita
Krasnojarsk,
Irkutsk, Nischnij
Nowgorod
Nordkaukasus,
Wolga-Region,
Sibirien, Amurgebiet
Quellen: RAO EES, GidroOGK, Wirtschaftszeitschrift „Expert“
Investitionspläne der Stromerzeuger Wasserkraft
Für den Bau und Betrieb von Wasserkraftwerken in Russland ist hauptsächlich der Konzern GidroOGK (RusHydro, www.rushydro.ru) zuständig. Ende 2009 betrug die installierte Kapazität in
den 53 Objekten des Unternehmens insgesamt 25.300 MW. Die Kraftwerke stehen vor allem entlang der Wolga, im Kaukasus und an den sibirischen Strömen (Jenissej, Angara). RusHydro befindet
sich noch mehrheitlich in staatlicher Hand und dies wird wegen der strategischen Bedeutung der
Wasserkraftwerke auch in absehbarer Zukunft so bleiben. Damit entfallen die meisten der anstehenden Investitionen in diesem Sektor auf den Staatskonzern. Nur bei einigen Vorhaben, wie den
Wasserkraftwerken Bogutschanskaja und Nischnebogutschanskaja sind private Unternehmen beteiligt, die sich so Energiekapazitäten für ihre Produktion sichern wollen (in diesem Fall Rusal für
seine Aluminiumschmieden in Sibirien).
62
Modernisierungsoffensive in Russland
Einer der größten privaten Stromerzeuger ist die zur En+ Group (Oleg Deripaska) gehörende Ewrosibenergo. Ewrosibenergo betreibt aktuell vor allem große Wasserkraftwerke bei Krasnojarsk und
ist für Ausrüstungslieferanten ebenfalls ein wichtiger Ansprechpartner. Das Energieunternehmen
will laut russischen Zeitungsmeldungen bis 2020 für 5 Mrd. Euro neue Kapazitäten von 5.000 MW
aufbauen. Dazu gehören neben Staudämmen auch ein zusätzlicher 400 MW-Block im Wärmekraftwerk Awtosawodsk bei Nischni Nowgorod.
Neubauprojekte ab 300 MW für Stromerzeugung durch Wasserkraft in Russland
Bezeichnung
Region
Kapazität in MW
Geplanter
Zeitraum für
Inbetriebnahme
Gezeitenkraftwerke
Mesenskaja PES
Archangelsk
4.000
2016 bis 2020
Tugurskaja PES
Chabarowsk
3.580
2016 bis 2020
Pumpspeicherwerke
Pumpspeicherwerk
Leningrader Gebiet, Fluss
1.560
2011 bis 2015
Leningradskaja
Schapscha
Pumpspeicherwerk
Wladimir, Fluss Kljasma
800
2016 bis 2020
Wladimirskaja
Pumpspeicherwerk
Kursk
465
2011 bis 2015
Kurskaja
Pumpspeicherwerk
Moskauer Gebiet, Fluss
660
2011 bis 2020
Wolokolamskaja
Sestra
Pumpspeicherwerk
Twer, Fluss Tudowka
1.300
2016 bis 2020
Zentralnaja
Wasserkraftwerke
Agwali
Dagestan, Fluss Andijskoje
220
2011 bis 2015
Kojsu
Inchojskaja
Dagestan, Fluss Andijskoje
200
2016 bis 2020
Kojsu
Labinskaja
Krasnodar, Fluss Laba
600
2011 bis 2015
Mokskaja
Burjatien, Fluss Witim
1.410
2016 bis 2020
Telmamskaja
Irkutsk, Fluss Mamakan
450
2016 bis 2020
Nischnebogutschanskaja Krasnojarsk, Fluss Angara
600
2016 bis 2020
Motyginskaja
Krasnojarsk, Fluss Angara
1.320
2016 bis 2020
Krapiwinski gidrousel
Kemerowo, Fluss Tom
300
2011 bis 2015
Tuwinskie GES
Tywa, Fluss Bolschoi
1.500
2016 bis 2020
Jenissej
Nischneburejskaja
Amurskaja Gebiet, Fluss
321
2011 bis 2015
Bureja
Gramatuchinskaja
Amurskaja Gebiet, Fluss
300
2011 bis 2015
Seja
Kankunskaja
Jakutien, Fluss Timpton
1.300
nach 2020
Quelle: Generalschema für die Errichtung von Objekten für die Elektroenergie bis 2020 (in der Fassung vom Februar 2008, aktualisiert Frühsommer
2010)
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63
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Neubauprojekte für Kraftwerke auf Kohle- oder Gas-Basis in Russland
Bezeichnung
Region
Kapazität
Geplanter
in MW
Zeitraum
für Inbetriebnahme
Kohlekraftwerke
Medweschegorskaja
TES
Nowgorodskaja TES
Murmanskaja TEZ-2
Kaluschskaja TES
Petrowskaja TES
64
2.640
2016 bis 2020
TGK-1
Nowgorod
Murmansk
Kaluga
Moskauer Gebiet
(Schatura)
Mutschkapskaja TES Tambow
Mordowskaja GRES Republik Mordowien
Nikolskaja GRES
Pensa
Kamyschinskaja TES Wolgograd
Rostowskaja TES
Rostow-am-Don
Serowskaja TES-2
Swerdlowskaja Gebiet
Talizkaja TES
Swerdlowskaja Gebiet
Wawoschskaja TES
Udmurtien
Olon-Schibirskaja
Burjatien
TES
Baikalskaja TES
Irkutsk
Nowokusnezkaja TES Kemerowo
Kusbasskaja TES
Kemerowo
Beresowskaja TES
Krasnojarsk
Omskaja TEZ-6
Omsk
Charanorskaja TES-2 Tschita
Tataurowskaja GRES Tschita
Neues KohlekraftSachalin
werk Sachalin
Urgalskaja TES
Chabarowsk
TES Chabarowski
Chabarowsk
Krai
Gaskraftwerke
TEZ Parnas
Sankt Petersburg
1.980
540
450
2.640
2011 bis 2015
2011 bis 2015
2011 bis 2020
2011 bis 2020
TGK-2
TGK-1
TGK-4
TGK-3
1.980
2.640
2.640
1.320
2.640
660
1.320
1.320
3.600
2011 bis 2020
2011 bis 2020
2011 bis 2020
2011 bis 2015
2011 bis 2020
2011 bis 2015
2011 bis 2015
2011 bis 2015
2011 bis 2015
TGK-4
TGK-6
TGK-6
TGK-8
OGK-6
OGK-2
TGK-9
TGK-5
TGK-14
660
660
660
3.300
600
2.400
1.200
900
2011 bis 2020
2011 bis 2015
2016 bis 2020
2011 bis 2020
2011 bis 2020
2011 bis 2015
2011 bis 2015
2011 bis 2020
3.600
2.640
2011 bis 2015
2011 bis 2020
TGK-14
TGK-12
TGK-12
TGK-13
TGK-11
TGK-14
TGK-14
Sachalinenergo
DGK
DGK
400
2011 bis 2015
Mostowskaja TES
Noworossijskaja TES
TEZ Beresniki
Urengoiskaja TES-2
1.600
400
400
1.200
2011 bis 2020
2011 bis 2015
2011 bis 2015
2011 bis 2015
Modernisierungsoffensive in Russland
Karelien
Regionaler
Stromversorger und
voraussichtlicher Betreiber
Krasnodar
Krasnodar
Perm
Tjumen
EwroSib
Energo
TGK-8
TGK-8
TGK-9
TGK-10
Neubauprojekte für Kraftwerke auf Kohle- oder Gas-Basis in Russland (Fortsetzung)
Bezeichnung
Region
Kapazität
Geplanter
Regionaler
in MW
Zeitraum
Stromfür Inbetrieb- versorger und
nahme
voraussichtlicher Betreiber
Dampfgenerator
Autonomer Kreis der
1.200 2011 bis 2015
TGK-10
(PGU) Tarko-Sale
Jamal-Nenzen
TES Irkutsk
Irkutsk
450 2015 bis 2020
TGK-14
Neues Gaskraftwerk Sachalin
800 2011 bis 2015
SachalinSachalin
energo
Kraftwerke auf Basis
von Begleitgas aus der
Ölförderung
PGU Orenburg
Orenburg
800 2011 bis 2015
Norden des Gebiets
Irkutsk
300 2011 bis 2020
Irkutsk (Ust-Kutski
oder Kirenski rajon)
Werchnetschonskaja Irkutsk
200 2011 bis 2015
TGK-14
PGU
Anmerkungen: TES = Wärmekraftwerk (russ. Teplowaja elektrostanzija, Stromerzeugung); TEZ = Heizkraftwerk (russ. Teploelektrozentral, Stromund Wärmeerzeugung), GRES = großes, überregional bedeutendes Wärmekraftwerk (russ. Gosudarstwennaja rajonnaja elektrostanzija, Stromerzeugung); PGU = Gas- und Dampf-Kombikraftwerk (russ. Parogasowaja ustanowka, Strom- und Wärmeerzeugung)
Quelle: Generalschema für die Errichtung von Objekten für die Elektroenergie bis 2020 (in der Fassung vom Februar 2008, aktualisiert im Frühsommer 2010)
2.2.2 Erneuerbare Energiequellen
In der Regierungsverordnung Nr. 1-r vom 8.1.2009 wird die Notwendigkeit des Einsatzes erneuerbarer Energiequellen für die Sicherheit der Stromversorgung in Russland unterstrichen. Doch bislang spielen alternative Energien in der Energiebilanz mit Ausnahme der Wasserkraft nur eine untergeordnete Rolle. Ihr Anteil liegt bei unter 1% der gesamten Stromproduktion. Solar- und Windkraft werden gegenwärtig kaum genutzt, allenfalls Holz (Pellets) und Biomasse können in Zukunft
weiter an Bedeutung gewinnen. Im Bereich der Agrarrohstoffe setzt sich der Trend - ausgehend
von einem niedrigen Niveau - zur verstärkten Nutzung von Biogas, -diesel und -ethanol fort.
Ursprünglich hatte Russland geplant, bis 2020 den Anteil erneuerbarer Energiequellen (ohne große Wasserkraftwerke ab 25 MW Leistung) auf 4,5% der gesamten Stromproduktion zu erhöhen. Das
wären 18,5 GW zusätzliche Leistung. Da bislang die staatliche Förderung von Wind, Sonne oder
Geothermie kaum in Gang gekommen ist, wird dieses Ziel schwer zu erreichen sein. Experten rechnen mit maximal 1,4 GW Stromleistung aus erneuerbaren Energiequellen. Bis Oktober 2010 soll
eine Regelung für die Einspeisevergütung beschlossen werden.
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65
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Potenzial für die Nutzung von erneuerbaren Energien in Russland (in Mrd. kWh)
Energiequelle
Technisch
Wirtschaftlich
machbares Potenzial
sinnvolles Potenzial
Insgesamt
70.915
8.254
Kleine Wasserkraftwerke
372
205
bis 25 MW Leistung
Windräder
6.517
33
Geothermie
34.905
335
Biomasse-Heizkraftwerke
412
203
Gezeitenkraftwerke
253
62
Photovoltaik
2.714
435
Solarwärme
25.742
6.982
Quelle: Forschungszentrum NIZ Atmograf, Moskau (Vortrag am 23.4.2010 in Moskau)
Die Federführung bei großen Projekten für erneuerbare Energiequellen soll der staatliche Wasserkraftkonzern RusHydro übernehmen. Das Unternehmen hat neben seinen großen Staudämmen
auch Pläne für Kraftwerke auf Basis von Geothermie und Windkraft.
OAO RusHydro (RusGidro)
Ansprechpartner: Pawel Alexandrowitsch Ponkratjew,
Direktor der Abteilung für erneuerbare Energiequellen
uliza Architektora Wlasowa 51, 117393 Moskau
Tel.: 007/495/225 32 32, ext. 1826
E-Mail: ponkratievpa@gidroogk.ru, Internet: www.rushydro.ru
Wasserkraftprojekte in Süd-Russland
Mit kleinen Wasserkraftwerken wollen die südrussischen Gebiete Rostow-am-Don und Stawropol
ihre Umweltbilanz bei der Stromversorgung verbessern. Wie von EU-Experten im Rahmen eines
Tacis-Programms ermittelt, könnten in beiden Regionen an bestehenden Wasserwirtschaftsobjekten Generatoren eingebaut und wirtschaftlich betrieben werden. In Südrussland kostete Strom für
Industrieverbraucher mit 4,6 Eurocent je Kilowattstunde schon 2008 deutlich mehr als im landesweiten Durchschnitt (3,5 Eurocent). Laut Tacis-Studien könnten mit Wasserkraft in kleinen Anlagen bis 25 MW jährlich rund 4 Mrd. kWh Elektroenergie im Süden Russland erzeugt werden.
Der Regionalverwaltung Rostow-am-Don wurden 16 Projekte mit Kapazitäten zwischen 0,7 MW
und 17 MW vorgeschlagen. Bei einer Gesamtleistung von 67 MW wäre pro Jahr im Gebiet ein Ertrag
von 570 Mio. kWh Strom möglich. Die nötigen Investitionen liegen nach Tacis-Berechnungen bei
etwa 73 Mio. Euro.
Für den Stawropolski krai haben die EU-Experten 14 Standorte vorgeschlagen, an denen sich der
Bau von kleinen Wasserkraftwerken lohnt. Die Gesamtleistung liegt bei ungefähr 50 MW, die jährliche Ausbeute bei 480 Mio. kWh.
66
Modernisierungsoffensive in Russland
Ministerstwo promyschlennosti i energetiki Rostowskoi oblasti
(Ministerium für Industrie und Energie des Gebiets Rostow)
Minister: Sergej Alexandrowitsch Michalew
344050 Rostow-am-Don, uliza Sozialistitscheskaja 112
Tel.: 007/863/240 18 31, Fax: -240 19 02
E-Mail: ugol818@mail.ru, Internet: www.donland.ru
Ministerstwo promyschlennosti, transporta,
energetiki i swjasi Stawropolskogo kraja
(Ministerium für Industrie, Transport, Energie und
Telekommunikation des Stawropolski krai)
uliza Lermontowa 155/1, 355004 Stawropol
Ansprechpartner: Iwan Nikolajewitsch Sokolow
(Leiter des regionalen Zentrums für Energieeinsparung)
Tel.: 007/8652/94 06 83
E-Mail: skce@yandex.ru, Internet: www.stavminprom.ru
Windkraft
Nach Berechnungen des russischen Windenergie-Verbands RAWI gab es Ende 2009 landesweit
Pläne für den Bau von 6.000 MW Leistung durch Windkraft. Dazu gehörten Vorhaben im Leningrader Gebiet (75 MW), in der Region Kaliningrad (62 MW) und in Kalmückien (300 MW). Außerdem
wurden Investitionen in den Regionen Krasnodar, Stawropol, Karatschajewo-Tscherkessien, Wolgograd, Altai und Jakutien angekündigt.
Internationale Geldgeber warten auf klare Signale und Vergütungsgarantien, um Projekte in Russland zu starten. So hat der britisch-russische Venture-Fonds I2BF (www.i2bf.com) erklärt, innerhalb
von fünf Jahren rund 80 Mio. Euro in die Errichtung von Windkraftanlagen im Leningrader Gebiet
und Murmansker Gebiet investieren zu wollen. Auch ein Werk zur Herstellung von Turbinen sei geplant, teilte das Unternehmen mit.
Ein Impulsgeber für die Entwicklung der Windkraft sind internationale Großereignisse, die Russland in den nächsten Jahren ausrichten wird. Entlang der Schwarzmeerküste rund um Sotschi, den
Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014, sollen große Windparks mit bis zu 1.000 MW
Gesamtleistung entstehen. Siemens und Vestas haben sich bereits als Lieferanten, aber auch als
Projektinitiatoren in Stellung gebracht. So hat die Siemens AG am 15.7. 2010 in Jekaterinburg eine
Absichtserklärung über die Lieferung von Windkrafttechnik unterzeichnet. Siemens will bis zum
Jahr 2015 Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 1.250 MW in Russland installieren.
Zum Asien-Pazifik-Gipfel 2012 (APEC) in Wladiwostok soll die bis dahin größte Windkraftanlage
Russlands errichtet werden. Mit einer Gesamtleistung von 36 MW und einer jährlichen Einspeisung von 95 Mio. kWh soll der Windpark den Strombedarf der Stadt am Stillen Ozean zu 7% decken.
Die Investitionskosten beziffern Experten auf 70 Mio. Euro. Das Projekt soll Russlands WasserkraftHolding RusHydro koordinieren. Beteiligen wollen sich auch die japanischen Unternehmen Mitsui
und J-Power. Perspektivisch soll die Leistung der Windparks im Primorski krai 200 MW erreichen.
Germany Trade & Invest www.gtai.de
67
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
RusHydro untersucht außerdem Standorte in den Regionen Krasnodar, Komi, Kalmückien und
entlang der Wolga für mögliche Windkraftanlagen. Im Gebiet Murmansk plant die niederländische Windlife Energy BV einen 200-MW-Windpark (300 Mio. Euro Investitionen, www.windlifeenergy.com). Die Bauarbeiten sollen 2012 beginnen. Die Sankt Petersburger Russki weter will
110 Mio. Euro in eine 100-MW-Anlage im Nordwesten Russlands stecken.
Rossijskaja Assoziazija Wetroindustrii
(Russischer Verband der Windindustrie)
Präsident: Igor Michailowitsch Brysgunow
Poljustrowski projesd 60, 195197 Sankt Petersburg
Tel.: 007/812/324 31 62, Fax: -324 48 84
E-Mail: admin@rawi.ru, Internet: www.rawi.ru
Geothermie
Auf dem Gebiet der Geothermie bieten vor allem der Süden Russlands und die seismisch aktive
Halbinsel Kamtschatka gute geologische Voraussetzungen. Hier gibt es auch die ersten Versuchsanlagen. Der Wasserkraftkonzern RusHydro betreibt derzeit nach eigenen Angaben zwei Geothermie-Kraftwerke nahe des Mutnowski-Vulkans, rund 120 Kilometer entfernt von der Gebietshauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski. Die Kapazität liegt bei 60 MW, wobei ein Ausbau auf 300 MW
möglich ist. Außerdem plant RusHydro, bei der Ortschaft Wiljutschinsk Thermalquellen zur Erzeugung von Wärmeenergie zu nutzen (Informationen: www.geotherm.rushydro.ru).
Im Krasnodarski krai kümmert sich das Zentrum für Energieeinsparung und neue Technologien
(www.kubancentr.com) im Auftrag der Gebietsverwaltung um Projekte zur Nutzung von Erdwärme. Geplant sind ein halbes Dutzend Kraftwerke. Den Bau der Anlagen übernimmt das Unternehmen OAO Jugeoteplo. Das Geothermie-Potenzial in der Region wird auf 100 MW Stromerzeugung
und 1.500 MW Wärmeenergie geschätzt.
Solarenergie
Die erste große Photovoltaik-Anlage in Russland soll im Kaukasus-Kurort Kislowodsk entstehen.
Das Projekt mit einer Gesamtleistung von 12,3 MW (6,5 MW Wärmeenergie, 5,8 MW Stromerzeugung) wird vom Stawropoler Unternehmen Sfinks-9 koordiniert. Die Gesamtkosten liegen bei
3 Mrd. Rubel, wovon mindestens ein Drittel aus öffentlichen Haushalten finanziert werden soll.
Daneben will Russland zunehmend in die Produktion von Solarmodulen einsteigen. Einer der
Hauptfinanziers für solche Projekte ist die für die Entwicklung der Nanotechnologie zuständige
Staatsholding Rusnano (www.rusnano.com). Bis Ende April hatte das Unternehmen bereits mehrere konkrete Projekte auf den Weg gebracht.
Einige Beispiele:
- Produktion von Solarmodulen in Nowotscheboksarsk (20,1 Mrd. Rubel Investitionen bis Ende
2011, Privatinvestor: Renowa, Produktionskapazität: 120 MW pro Jahr);
- Produktion von Solarmodulen in Stawropol (5,7 Mrd. Rubel Investitionen bis 2015, Privatinvestoren: Valey Pearls Holding und Solnetschny potok, Produktionskapazität: 80 MW pro Jahr);
68
Modernisierungsoffensive in Russland
- Produktion von Solarmodulen in Schuwalowo bei Sankt Petersburg, (Investitionen: 5,7 Mrd. Rubel, Privatinvestor: Module Solar AG, Produktionskapazität ab 2013: Solarmodule mit einer Leistung von 75 MW pro Jahr);
- Produktion von Solarmodulen im Gebiet Krasnodar (Investitionen: 4,8 Mrd. Rubel, Privatinvestoren: Solnetschny weter und NPF Kwark, Produktionskapazität ab 2012: Solarmodule mit einer
Leistung von 120 MW pro Jahr);
- Produktion von Solarmodulen in Moskau (600 Mio. Rubel Investitionen bis 2012, Privatinvestor:
Kwant, Produktionskapazität: 240 Quadratmeter Photovoltaik-Module pro Jahr);
- Silicium-Produktion zur Herstellung von Solarzellen im Gebiet Krasnojarsk (Schelesnogorsk, zusammen mit Osteuropabank EBRD);
- Produktion von Monosilan und polykristallinem Silicium für die Solarindustrie in Usole-Sibirskoje bei Irkutsk (10,6 Mrd. Rubel Investitionen, Privatinvestor: Nitol, Produktionskapazität ab 2010:
3.500 Tonnen Silicium und 200 Tonnen Monosilan pro Jahr)
OOO Sfinks-9
Staromarjewskoje schosse 16, 355000 Stawropol
Tel.: 007/8652/28 07 09, Fax: -29 88 97
E-Mail: sfinks2009@mail.ru, Internet: www.sfinks9.ru
Rosnano
c/o Sergej Borisowitsch Mostinski
(Direktor für internationale Zusammenarbeit)
uliza Nametkina 12A, 117420 Moskau
Tel.: 007/495/542 44 44, Fax: -542 44 34
E-Mail: sergey.mostinsky@rusnano.com, Internet: www.rusnano.com
Markteinstieg für deutsche Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien
Deutsche Unternehmen, die sich für den Bereich erneuerbare Energien in Russland interessieren,
können sich an die Deutsche Energieagentur (dena) wenden.
Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena)
Regenerative Energien
Chausseestr. 128a, 10115 Berlin
Tel.: 030/72 61 65 - 600, Fax: 030/72 61 65 - 699
E-Mail: exportinfo@dena.de
Internet: www.dena.de/themen/thema-international/
Energieforum Russland - www.energieforum.ru
(Informationsangebot der dena zu den Themen Energieeffizienz und Nutzung erneuerbarer
Energiequellen in Deutschland und Russland)
Exportinitiative Erneuerbare Energien
(Träger: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dena)
www.exportinitiative.de, www.exportinitiative.bmwi.de, www.renewablesb2b.com
Germany Trade & Invest www.gtai.de
69
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
2.2.3 Wärmeenergie
Die Wärmewirtschaft wurde nach 1990 in vielen russischen Regionen vernachlässigt. Folgen sind
ein hoher Abnutzungsgrad des Wärmeleitungsnetzes und der Heizkessel, hohe Betriebskosten
(steigender Gaspreis), das Fehlen eines einheitlichen Verwaltungssystems und Schwierigkeiten
beim Netzzugang. In Moskau gibt es zudem Überkapazitäten durch mehrere Produzenten.
Deshalb wurde ein neuer Entwurf des Gesetzes „Über die Wärmeversorgung“ in die Staatsduma
eingebracht, der in Kürze in zweiter Lesung beraten werden wird (Stand: Anfang Juli 2010). Das
Gesetz soll die Rechtsbeziehungen zwischen Produzenten, Lieferanten und Verbrauchern von
Wärmeenergie regeln. Hauptziel des Gesetzes ist „die Bestimmung der Regeln des Betriebs von
Wärmeversorgungssubjekten, die diese zur Sicherstellung einer möglichst qualitativ hochwertigen, wirtschaftlichen und verlässlichen Wärmeversorgung veranlasst“.
Experten aus der Energiebranche erwarten, dass die Fassung der ersten Lesung vollständig überarbeitet und das Gesetz ganz auf die Modernisierung des Wärmeversorgungssystems ausgerichtet
wird. Es sollen Kriterien für die zentrale Beheizung (zwei und mehr Gebäude) und dezentrale
Beheizung (maximal ein Gebäude) festgelegt werden, außerdem Kriterien zur Anwendung der
Ko-Generation (Produktion von Wärme und Elektrizität durch ein Energieobjekt), sowie Kriterien
zur Bestimmung der Baudichte, bei der der Betrieb von Heizkesseln ineffektiv wird. Experten fordern zudem, im Gesetz Maßnahmen festzulegen, die es gestatten, einen geregelten Wettbewerb
auf dem Wärmeenergiemarkt zu schaffen, und Korrekturen einzuführen, denen zufolge das
Eigentumsrecht an der Wärme bei den Produzenten liegt und nicht bei den Netzbetreibern, wie es
derzeit der Fall ist. Außerdem wird vorgeschlagen, ein einheitliches Verteilerzentrum zu schaffen,
welches die Kooperation der Produzenten koordiniert. Des Weiteren sollen durch das Gesetz die
Befugnisse der staatlichen und kommunalen Behörden im Bereich Regulierung und Kontrolle der
Wärmeenergieversorgung festgelegt werden.
Die Regierung und die Energieproduzenten gehen davon aus, dass die Verabschiedung des Gesetzes „Über die Wärmeversorgung“ die Reform der kommunalen Wärmewirtschaft beschleunigt
und erleichtert, wodurch der Bereich für Investitionen attraktiver wird. Derzeit gelten Investitionen in die Wärmewirtschaft als sehr viel riskanter als zum Beispiel Investitionen in die Stromwirtschaft.
Ein erstes Projekt mit deutscher Beteiligung im Bereich Wärmeversorgung gibt es bereits. Im Rahmen des Energiespar-Programms „Sieben Schritte zu Wärme und Licht“ der Ural-Region Swerdlowsk hilft BASF der Hauptstadt des Gebiets, Jekaterinburg, bei der Modernisierung einer 2 km langen Fernwärmetrasse. Die für die Isolierung der Rohrleitung eingesetzten Materialien stellt Elastokam her, ein Joint Venture von Nishnekamskneftechim und Elastrogran, einer Tochterfirma von
BASF.
70
Modernisierungsoffensive in Russland
2.3 Geschäftschancen bei der Erhöhung der Energieeffizienz
Billige Energie gehört in Russland der Vergangenheit an. Die Preise für Strom und Heizung ziehen
jedes Jahr kräftig an. Laut der Agentur für Prognosen der Energiewirtschaft (APBE) steigen die Tarife für 1 kWh Strom für Endverbraucher bis 2013 um 83% auf 3,11 Rubel (im Vergleich zu 2009). Ab
2011 wird der Großhandel mit Energie vollständig liberalisiert. Nur noch die Tarife für private Haushalte werden dann reguliert. Damit steigt der Druck für die Verbraucher, in Energie sparende Maßnahmen zu investieren.
Druck kommt aber auch von oberster Stelle aus dem Kreml. Die Bedeutung der Energieeffizienz für
die russische Wirtschaft wurde von offizieller Seite erstmals 2008 durch Präsident Medwedjew öffentlichkeitswirksam hervorgehoben. Seitdem ist sie zum Schlüsselthema der russischen Energiepolitik geworden. Der Kremlchef hat das Ziel ausgegeben, bis 2020 den Energieverbrauch des Landes um 40% zu senken (bezogen auf 2007). Die Umsetzung steckt zwar noch in den Anfängen, wurde aber durch die Verabschiedung des Föderalen Gesetzes Nr. 261-FZ vom 23.11.2009 „Über die
Energieeinsparung und die Erhöhung der Energieeffizienz“ erheblich beschleunigt.
Im Gesetz sind enge Zeitpläne festgeschrieben: Bis 1.1.2011 müssen alle Gebäude und andere Bauwerke, für deren Betrieb Energieressourcen verbraucht werden, mit Zählern für den Strom-, Gas-,
Wärme- und Wasserverbrauch ausgestattet sein. Für Wohnhäuser gilt der 1. 1.2012.
Seit 1.1.2010 sind öffentliche Einrichtungen, Institutionen und Behörden (Verwaltungsgebäude,
Krankenhäuser usw.) verpflichtet, ihren Verbrauch von Wasser, Erdgas, Heizöl, Diesel und anderen
Brennstoffen, Wärme- und Elektroenergie im Laufe von fünf Jahren auf nicht weniger als 15% der
Menge, die tatsächlich im Jahr 2009 von ihnen verbraucht wurde, zu verringern, dabei für jeden
der genannten Energieträger mit einer jährlichen Verringerung der Menge von nicht weniger als
3%. Bis 15.5.2010 mussten staatliche und kommunale Institutionen einschließlich Unternehmen
mit staatlicher Beteiligung Programme zur Energieeinsparung und zur Erhöhung der Energieeffizienz beschließen.
Das Gesetz ordnet die Durchführung von Energieaudits (energetitscheskoje obsledowanie) an. Im
Rahmen der Energieaudits sollen der Energieverbrauch und das Einsparpotenzial ermittelt, die
Standardmaßnahmen festgelegt und ein entsprechender Kostenvoranschlag gemacht werden.
Die Energieaudits haben grundsätzlich freiwilligen Charakter. Für staatliche Behörden, Unternehmen mit staatlicher Beteiligung sowie Unternehmen mit einem hohen Energieverbrauch (Ausgaben von jährlich mehr als 10 Mio. Rubel für Energieressourcen) sind die Energieaudits jedoch obligatorisch. Die obligatorischen Energieaudits sind erstmals bis zum 1.1.2012 und danach mindestens einmal alle fünf Jahre durchzuführen.
Über die Ergebnisse des Energieaudits wird ein Energiepass (energetitscheskij pasport) ausgestellt,
an dessen Kennziffern in den Folgejahren die Entwicklung der Energieeffizienz abgelesen werden
kann. Damit entsteht ein neuer Markt für Serviceunternehmen, die entsprechende Gutachten erstellen. Energieaudits dürfen nur von Unternehmen durchgeführt werden, die Mitglied einer entsprechenden Selbstregulierungsorganisation im Sinne des Föderalen Gesetzes Nr. 315-FZ „Über
Selbstregulierungsorganisationen“ sind. Die „Branchenübergreifende Assoziation für Energieeffizienz und Normierung“ (MAEN) vereinigt Energieauditoren; Mitglieder sind 15 große Selbstverwaltungsorganisationen im Bereich Energieaudit (mehr Informationen: http://portal-energo.ru/
blog/energy_audit, Register der Energieauditoren: http://portal-energo.ru/auditors/,
http://maenrf.ru).
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71
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Eine Neuerung des Energieeffizienz-Gesetzes ist der Begriff des „Energieservicevertrags“ (energoserwisny dogowor). Damit können nun auch in Russland Contracting-Gesellschaften (energoserwisnyje kompanii - ESKO) gegründet werden, die in Effizienzmaßnahmen von Unternehmen und
Verwaltungen investieren und sich über die eingesparten Energiekosten refinanzieren.
Zum 1.1.2011 wird russlandweit der Handel von Glühlampen mit einer Leistung von 100 Watt und
mehr verboten. Ab 1.1.2013 dürfen Glühlampen mit 75 Watt und ab 1.1.2014 auch Glühlampen mit
25 Watt nicht mehr verkauft werden. Ab 1.4.2011 dürfen keine Glühlampen mehr öffentlich beschafft werden. Der massenweise Einsatz von Energiesparlampen setzt aber auch deren umweltverträgliche Entsorgung voraus. Der Chef der staatlichen Verbraucherschutzbehörde Rospotrebnadsor, Gennadi Onischtschenko, warnte bereits vor den Gefahren, die von den Quecksilberrückständen in Energiesparlampen ausgehen. Er schlägt ein umfassendes Sammel- und Verwertungssystem vor. Geht es nach den Vorstellungen von Präsident Medwejew, so sollte gleich zum Einsatz
von Leuchtdioden übergegangen werden.
Alle russischen Regionen und Gemeinden müssen bis zum 1.8.2010 Programme zur Energieeinsparung und Erhöhung der Energieeffizienz beschließen. Die Regionalverwaltungen sind aufgefordert, dem Präsidenten bis Ende 2010 erste Resultate ihrer Anstrengungen auf dem Gebiet der Energieeffizienz vorzuzeigen. Das erhöht den Druck in den Administrationen, Investitionsmaßnahmen
auf den Weg zu bringen. Bis Anfang Juli 2010 hatten bereits 23 Regionen Pilotprojekte ergriffen.
Einsparpotenzial im Rahmen des Regierungsprogramms „Energieeffizienz“
Einsparpotenzial
2010-2015
Einsparung an Primärenergie (Mio. Tonnen
300
Brennstoffeinheiten)
Einsparung an Erdgas (Mrd. cbm)
110
Einsparung an Strom (Mrd. kWh)
235
Senkung des Bedarfs an neuen Kraftwerkskapa14
zitäten (GigaWatt)
Senkung des Ausstoßes von Treibhausgasen
660
(Mio. Tonnen Äquivalent CO2)
Einsparung an Energiekosten aller Verbraucher
2.560
(Mrd. Rubel)
Einsparung an Haushaltsmitteln für Erwerb und
256
Subventionierung von Energieressourcen
(Mrd. Rubel)
Einnahmen durch zusätzlich möglichen Export
40
von Erdöl, Ölprodukten und Erdgas (Mrd. US$)
Wirtschaftliches Potenzial durch die Senkung
9,3
des Ausstoßes an Treibhausgasen (Mrd. US$)
2010-2020
1.000
330
640
25
2.200
9.590
547
130
Anmerkung: ohne Berücksichtigung erneuerbarer Energiequellen
Quelle: Vortrag Sergej Michailow (Russisches Energieministerium) auf der Fachkonferenz EMBIZ in Moskau am 10.11.2009
Um diese Einsparziele zu erreichen, soll die Energieeffizienz in allen Bereichen der Wirtschaft
erhöht werden:
72
Modernisierungsoffensive in Russland
31
- Energiewirtschaft (Strom, Öl, Gas und Begleitgas)
- Wärmeversorgung und Systeme der kommunalen Infrastruktur
- Wohnungswirtschaft
- Industrie, Landwirtschaft und Transport
- öffentlicher Sektor (föderale, regionale und kommunale Ebene)
In die Pflicht genommen werden sollen folgende Gruppen (= potenzielle Kunden):
- öffentliche Einrichtungen, Institutionen und Behörden,
- staatliche und private Unternehmen,
- Eigentümer von Gebäuden,
- Privatverbraucher.
Vorrangige Handlungsfelder beim Energiesparen
Erzeugung von Elektro- und Wärmeenergie
Effizienzsteigerung bei der
Energieerzeugung
Nutzung erneuerbarer
Energiequellen
Modernisierung der bestehenden
Kraftwerke
Erdwärme, Geothermalquellen
Einführung von energieeffizienten
Technologien
Sonnenenergie
Steigerung des Wirkungsgrades
Windenergie
Umstellung auf neue Brennstoffarten
Wasserenergie
Weiterentwicklung von Steuersystemen
Übertragung und Verteilung von Elektro- und Wärmeenergie
Stromleitungen
Wärmeleitungen
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73
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Übertragung und Verteilung von Elektro- und Wärmeenergie (Fortsetzung)
Einsatz von modernen Materialien und
Konstruktionen bei den Fernleitungen
Einsatz von modernen Dämmsystemen für
die Isolierung der Leitungen
Einführung von modernen elektrotechnischen Beseitigung von technischen und kommerAnlagen
ziellen Verlusten
Leistungsaufnahme-Kontrolle
Einbau von Wärmezählern
Optimierung der Stromübertragung
Beseitigung von technischen und
kommerziellen Verlusten
Energieeffiziente Technologien in der Industrie
Maßnahmen zur Energieeinsparung in der Industrie
Einführung von neuen Technologien und Anlagen
Effizienzsteigerung bei Prozessen
Sekundäre Nutzung der Industriewärme
Flächennutzungs-Management (z.B. Hallenflächen)
Energieeffiziente Technologien im Transport (Personenverkehr / Frachtverkehr)
Eisenbahn, Flugzeug, Lkw, Schiffe, Pipelines
Steigerung der Betriebseffizienz bei bestehenden Transportarten
Anwendung von modernen Lösungen zur Verkehrssteuerung
Senkung des Brennstoff- und Energieverbrauchs
Modernisierung der kommunalen Energieinfrastruktur
Fernwärmeversorgung, Heizkraftwerke, Kesselanlagen
Beurteilung des Zustands der Wärmeversorgungssysteme in jeder Region
Einführung von Erfassungsgeräten/-systemen (Zählern)
Modernisierung der kommunalen Versorgung mit Wärme und Heißwasser
Einführung von Technologien, die auf der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen
basieren
74
Modernisierungsoffensive in Russland
Beleuchtung von Straßen und Gebäuden
Unterbereiche
Maßnahmen zum Energiesparen
Straßenbeleuchtung
Energiesparlampen oder Leuchtdioden anstelle von Glühlampen
Heimbeleuchtung
Moderne Lichtquellen anstelle veralteter
Leuchten
Beleuchtung von Büro- und Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern etc.
Beleuchtungssteuerung
Beleuchtung von Flughäfen, Häfen und
ähnlichen Objekten
Beleuchtungssteuerung
Energieeffiziente Technologien in Gebäuden
Wohn- und Verwaltungsgebäude / Produktionsgebäude
Einführung von Energiespar-Contracting
Verbesserung der Wärmedämmung der Gebäude
Einführung von Zähleinrichtungen und intelligenten Steuersystemen
Austausch der Beleuchtung, automatische Steuerung der Beleuchtung
Modernisierung der Leitungsnetze für Strom, Wärme und (Heiß-)Wasser
Modernisierung der Raumheizsysteme
Dezentralisierung der Wärmeversorgung
Nutzung von Solar- und Geothermalenergie
An der Umsetzung des föderalen Gesetzes „Über die Energieeinsparung und die Erhöhung der
Energieeffizienz“ hapert es zur Jahresmitte 2010 allerdings. Auf der Sitzung des Präsidiums der Regierung am 21.6.2010 stellte Premier Wladimir Putin verärgert fest: „Von 40 Verordnungen und Erlassen wurden bis 1.6.2010 nur 16 beschlossen.“ Vertreter des Ministeriums für Energie und des Ministeriums für Industrie und Handel begründeten die Verzögerungen bei der Erfüllung des Aktionsplans mit „Schwierigkeiten beim Abstimmungsprozess“. Die fehlende Einigung bei einigen
Rechtsakten behindert die Verabschiedung anderer.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass das Wirtschaftsministerium noch keine Muster für die
Energieserviceverträge ausgearbeitet hat. Das Gesetz selbst enthält keine Ausführungen zum
Inhalt der Verträge und sieht keine Mechanismen zum Schutz der Rechte der Investoren vor.
Das Hauptproblem ist jedoch das Fehlen eines klaren finanziellen Mechanismus für die Implementierung des Gesetzes. Die Regierung soll laut Wirtschaftszeitung „Kommersant“ Schwierigkeiten
damit haben, das Energiespar-Programm in vollem Umfang zu finanzieren. Dadurch steht hinter
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75
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
der Höhe der Subventionen für die Projekte der Regionen und Kommunen ein Fragezeichen.
Schlecht steht es auch um die im Gesetz versprochenen steuerlichen Anreize für Unternehmen
(Verwendung von Hochrechnungsfaktoren zu den normalen Abschreibungen, Steuergutschriften
für Investitionen, Erstattung von Zinsen auf Kredite für Projekte zur Energieeinsparung) - das Finanzministerium ist nicht bereit, diese zu gewähren. Lediglich mit den Staatsgarantien für Kredite
zur Realisierung von Energiespar-Projekten erklärten sich die Hüter der Staatskasse einverstanden. Außerdem ist noch unklar, wie das Schema der Zielvereinbarungen zur Energieeinsparung
zwischen Unternehmen und Verwaltung funktionieren soll.
Dennoch oder gerade deshalb mahnte Premier Putin, die Durchführung der Arbeiten zum Energiesparen im öffentlichen Sektor müsse noch im laufenden Jahr 2010 beginnen. Alle Ebenen der
Verwaltung (Föderation, Regionen, Kommunen) müssten bei der Planung ihrer Budgets für 2011
Gelder zur Realisierung des Energiespar-Programms vorsehen. Russische Experten meinen jedoch:
„Die Implementierung des Gesetzes im Budgetjahr 2010 haben wir bereits versäumt.“
Markteinstieg für deutsche Unternehmen
Um deutsche Technologielieferanten bei den Vorhaben zur Erhöhung der Energieeffizienz und
der Nutzung erneuerbarer Energien besser zu positionieren, wurde im Juli 2009 die RussischDeutsche Energieagentur (Rudea) gegründet (siehe Interview). Die Rudea erstellt für russische
Regionen Konzepte zur Energieeinsparung. Die Agentur hatte bis Anfang April 2010 bereits Vereinbarungen mit den Gebieten Astrachan, Tomsk, Kurgan, Tscheljabinsk, Swerdlowsk, ChantyMansijsk und dem Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen zur Ausarbeitung von Projektvorschlägen
getroffen.
Deutsche Hersteller von Energiespartechnik sollten sich auch direkt an die Unternehmen in Industrie, Transport und Landwirtschaft sowie die Gebietsverwaltungen in Russland wenden. Dabei sollten komplette Lösungen für die Industrie, Straßenbeleuchtung oder öffentliche Gebäude angeboten werden. Anbieter von einzelnen technischen Komponenten (wie Stromzählern) gibt es bereits
in Russland.
Die Geschäftschancen sind am besten in den Bereichen:
- Stromerzeugung und Stromübertragung,
- Modernisierung von Industrieunternehmen,
- Modernisierung von Gebäuden.
Mit der Erkundung der Marktchancen für ihre Produkte sollten deutsche Unternehmen bereits
jetzt beginnen, sich aber aufgrund der Startschwierigkeiten bei der Implementierung des Gesetzes
„Über die Energieeinsparung und die Erhöhung der Energieeffizienz“ auf längere Anlaufzeiten bei
Projekten einstellen.
Finanzierung von Projekten
Angesichts der Bedeutung des Themas für den russischen Markt sind inzwischen auch viele internationale Organisationen und Finanzinstitute auf dem Gebiet Energieeffizienz aktiv. Die zur Weltbank gehörende International Finance Corporation (IFC) zum Beispiel will in den nächsten drei
Jahren im Rahmen des „Russia Sustainable Energy Finance Programm“ rund 400 Mio. Euro für Projekte im Land bereit stellen. Bei Pilotvorhaben auf Kamtschatka wurden unter anderem Kindergär-
76
Modernisierungsoffensive in Russland
ten und Schulen modernisiert. Durch die eingesparten Energiekosten amortisieren sich die Investitionen von 250 Mio. Rubel innerhalb von viereinhalb Jahren, erklärte die zuständige Projektleiterin. Das Geld wird nicht direkt von der IFC, sondern via Partnerbanken vergeben, zum Beispiel Center-Invest Bank (Rostow-am-Don) und Tatfondbank (Republik Tatarstan). Der Zugang kann entweder über die IFC selbst gesucht werden oder über russische Banken, die das Programm in Anspruch
nehmen, beziehungsweise über die potenziellen Kunden - russische Unternehmen, die entsprechende Investitionen planen. Interessenten sollten sich bei der IFC melden. Das Programm wird
über Büros in Moskau, Sankt Petersburg, Jekaterinburg, Rostow-am-Don und Nisehnij Nowgorod
geführt.
Auch die Europäische Union engagiert sich für das Thema Energieeffizienz in Russland. Brüssel finanziert noch bis Ende 2010 ein Programm, das die Regionalverwaltungen bei der Einführung von
Technologien berät und ihnen hilft, Investoren für Energiesparprojekte zu gewinnen. Pilotregionen sind die Gebiete Swerdlowsk, Twer und Rostow-am-Don. Das Projekt führt ICF International
durch.
Außerdem hat die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) die „Russian
Sustainable Energy Financing Facility“ (RUSEFF) aufgelegt. Dieses Kreditprogramm wird durch einen speziellen Aktionärsfonds der EBRD und das deutsche Bundesministerium für Umweltschutz
und Reaktorsicherheit gespeist. Ziel ist die Finanzierung von Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz und zur Nutzung von erneuerbaren Energiequellen. Zielgruppe für die Kreditvergabe
sind private russische Unternehmen. Die Darlehen von 500.000 bis 6,5 Mio. US$ mit einer Laufzeit
bis zu 5 Jahren werden über Partnerbanken wie die Center-Invest Bank und die Promswjasbank vergeben.
Projekte zu Erhöhung der Energieeffizienz im Nordwesten Russlands können auch mit Hilfe von
Krediten der Nordic Environment Finance Corporation finanziert werden (www.nefco.org/projects/energy_saving). Diese arbeitet dabei ebenfalls mit Partnerbanken, wie ZAO KB Svenska Handelsbanken, zusammen. Bislang wurden Heizungen in Schulen und Kindergärten (inkl. Verlegung
isolierter Rohrleitungen) modernisiert sowie Straßenbeleuchtungen auf Energiesparlampen umgerüstet.
In Zusammenarbeit mit der Rudea sind auch die KfW Bankengruppe, Commerzbank, Deutsche
Bank, Sberbank (Leiter der Direktion für die Verwaltung von Projekten im Bereich Energieeffizienz:
Wsevolod Gawrilow), Wneschekonombank, Wneschtorgbank und Gazsprombank bereit, Projekte
zu finanzieren. Die Absicherung der Geschäfte kann über Export- und Investitionsgarantien der
Bundesrepublik Deutschland (www.agaportal.de) erfolgen.
Finanzierung des Regierungsprogramms „Energieeffizienz“ (in Mrd. Rubel)
Finanzmittel
Insgesamt
1. Etappe
2. Etappe
2010 bis 2015
2016 bis 2020
Gesamtvolumen für Projekte zur
10.459
4.071
6.388
Steigerung der Energieeffizienz
(ohne erneuerbare Energiequellen)
darunter:
Mittel aus dem föderalen Haushalt
855
285
570
Mittel aus regionalen Haushalten
957
419
538
Sonstige Finanzierungsquellen
8.647
3.363
5.280
Quelle: Russisches Energieministerium (März 2010)
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77
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Wohnungswirtschaft
Das Einsparpotenzial bei russischen Gebäuden ist enorm. Nach einer Studie von McKinsey entfallen 36% des Energieverbrauchs und knapp ein Drittel der Treibhausgase im Land auf Immobilien,
davon die Hälfte auf Wohnhäuser. Gründe für diese schlechte Bilanz sind die niedrigen Energiepreise und das Bestreben, möglichst schnell möglichst viel Wohnraum zu schaffen. Als Folge verbrauchen die Plattenbauten in Moskau heute mehr als doppelt so viel Wärmeenergie wie ein
Wohnhaus im klimatisch vergleichbaren Finnland.
Die langfristige Konzeption zur sozio-ökonomischen Entwicklung Russlands sieht vor, dass sich die
Wohnfläche pro Einwohner bis 2030 auf 42 Quadratmeter nahezu verdoppelt. Die Gesamtfläche
der nicht für Wohnzwecke genutzten Gebäude soll sich um 56% erhöhen. Damit steigt der Energieverbrauch aller Immobilien im Land um 40% von 346 Mio. Tonnen Treibstoffeinheiten (2005) auf
483 Mio. Tonnen (2030).
Während ein Passivhaus in Deutschland nur 0,03 Gcal (Gigakalorie) Wärmeenergie je Quadratmeter und Jahr verbraucht, liegt der Durchschnittswert selbst bei neu errichteten Gebäuden in Moskau laut McKinsey bei 0,17 Gcal. Dabei sehen die russischen Baunormen eine Obergrenze von 0,09
Gcal vor. Oft fehlt in Russland die Planungs- und Projektierungskompetenz für Niedrigenergiehäuser. Auch die Bauleute haben meist nicht die nötige Ausbildung, um Gebäude fachgerecht nach
neuesten Effizienz-Aspekten zu errichten. Das gilt selbst für einfache Arbeiten wie den Einbau von
Thermofenstern.
78
Modernisierungsoffensive in Russland
Wie schwer es ist, Wohnraum in Russland energieeffizient zu sanieren, zeigte ein Pilotprojekt der
deutschen Initiative Wohnungswirtschaft Osteuropa (IWO) in Sankt Petersburg. Am Beispiel eines Zwölfgeschossers aus dem Jahre 1984 mit 214 Wohneinheiten sollte die energetische Sanierung
eines typischen russischen Plattenbaus organisiert werden. Als Bremsklötze erwiesen sich die
komplizierte Antragsprozedur für Zuschüsse aus dem föderalen Sanierungsfonds für Wohnraum
und die Unwilligkeit der Wohnungseigentümer, sich an den Kosten zu beteiligen. Es hat sich auch
gezeigt, dass es bislang in Russland kaum spezialisierte Planer, Poliere oder Baufacharbeiter für solche Modernisierungsvorhaben gibt. Hier könnten deutsche Unternehmen ebenso ihre Dienstleistungen einbringen wie bei der Verwaltung von Mehrfamilienhäusern.
Nach Informationen der IWO sind von den drei Milliarden Quadratmetern Wohnraum in Russland
über die Hälfte dringend sanierungsbedürftig. Dabei hat die Regierung inzwischen die Gesetzesgrundlagen geschaffen, um Eigentümer-Genossenschaften finanziell bei der Renovierung der
Wohnhäuser zu unterstützen. Bis zu 95% der Sanierungskosten am Gemeinschaftseigentum können über staatliche Zuschüsse finanziert werden. Dafür wurde ein eigener Fonds zur Förderung
der Reform der Wohnungs- und Kommunalwirtschaft (Föderales Gesetz Nr. 185-FS vom
21.7.2007, www.fondgkh.ru) gegründet, der mit einem Vermögen von umgerechnet 6,5 Mrd. Euro
ausgestattet wurde.
Bis Anfang April 2010 hatte der Fonds bereits Förderanträge aus rund 3.200 russischen Gemeinden
bearbeitet. Sie betrafen fast 90.000 Gebäude mit einer Wohnfläche von rund 350 Mio. Quadratmeter. Für die Sanierung wurden Zuschüsse von 130 Mrd. Rubel bewilligt, bei Gesamtkosten von rund
170 Mrd. Rubel. Rein rechnerisch würde die Sanierung der 90.000 Gebäude damit etwa 12 Euro je
Quadratmeter Wohnraum kosten. Das allerdings reicht lediglich für kleinere Instandsetzungsmaßnahmen, die für deutsche Technologielieferanten kaum Geschäftschancen eröffnen.
Wie das deutsche Pilotprojekt in Sankt Petersburg gezeigt hat, kostet die komplette und wirtschaftlich schlüssige Sanierung eines typischen Plattenbaus in einer russischen Großstadt zwischen 200 und 250 Euro je Quadratmeter Wohnfläche. Dazu gehören die Dämmung von Fassaden,
Dach und Keller sowie die Strangsanierung. Trotz Zuschüssen aus dem Fonds zur Reformierung der
Wohnungswirtschaft bleibt für den Wohneigentümer eine Finanzierungslücke von etwa 25% der
Gesamtkosten. Das liegt an der Eigenbeteiligung von 5% und daran, dass die Fenstererneuerung
generell nicht bezuschusst wird.
Der Eigentümer einer 50 Quadratmeter großen Plattenbauwohnung müsste also rund 3.000 Euro
aus eigener Tasche zahlen. Dafür spart er monatlich 20 Euro bei den Energiekosten. Trotzdem können sich gerade Rentner und einkommensschwache Familien die Sanierungskosten kaum leisten;
die Akzeptanz zur Kreditaufnahme ist aufgrund des hohen Zinsniveaus gering. Daran scheitert
meist das Gesamtprojekt.
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79
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Einsparpotenziale bei russischen Gebäuden (Zeitraum bis 2030)
Maßnahme
Jährliches
Kosten Einsparpotenzial
Einsparpotenzial
in Mrd. Euro
in Mrd. Euro
in Mio. t Brennstoffeinheiten
Einbau von Thermostaten in beste31
11
28
henden und neu zu bauenden
Wohnungen
Einfache Maßnahmen zur Verbes72
11
24
serung der Wärmeisolierung in
bestehenden Wohngebäuden
(bessere Abdichtung von Wärmebrücken, mechanische Belüftungssysteme)
Kernsanierung der Gebäude
50
74
26
(Einbau von Thermofenstern, Isolierung Boden- und Kellerbereiche,
Fassadendämmung)
Anwendung energieeffizienterer
67
90
28
Technologien und Materialien beim
Neubau von Gebäuden
Quelle: Studie „Energoeffektiwnaja Rossija“, McKinsey (Herbst 2009)
Föderale Projekte
Energieeffiziente Stadt (Beispiele: Workuta, Jekaterinburg, Tjumen)
Energieeffizientes Stadtviertel (Beispiele: Tomsk, Kasan, Moskau)
Energieeffiziente Schule
Energieeffizientes Krankenhaus
Energieeffizientes Heizkraftwerk
Initiative Wohnungswirtschaft Osteuropa (IWO) e.V.
Ansprechpartner: Bernhard Schwarz, Projektleiter
Friedrichstraße 95, 10117 Berlin
Tel.: 030/2067 98 02, Fax: -2067 98 04
E-Mail: schwarz@iwoev.org, Internet: www.iwoev.org
Exkurs: Neuer Trend am russischen Markt: „grüne“ Gebäude
Ausländische Unternehmen in Russland sind zunehmend interessiert an Bürogebäuden, die ökologischen Standards entsprechen. Mitte Januar 2010 hat das russische Umweltministerium die Kriterien für eine freiwillige ökologische Zertifizierung von Immobilien gebilligt. Von den Bauherren
genutzt werden meist der britische BREEAM-Standard oder der amerikanische LEED-Standard, obwohl inzwischen auch der deutsche Standard bei der zuständigen russischen Behörde registriert
ist. Zu den Vorgaben, die „grüne“ Gebäude erfüllen müssen, gehören: 1. Heizungssysteme bei Neubauten haben den beiden höchsten Energieeffizienz-Klassen zu entsprechen; 2. Einsatz von Bewe-
80
Modernisierungsoffensive in Russland
gungsmeldern für Licht; 3. automatische Türschließsysteme; 4. Einbau einer zweiten Eingangstür
etc. Zur Förderung des nachhaltigen Bauens hat sich in Moskau der „ Green Building Council
Russia“ gegründet. Die meisten Technologien und Materialien für „grüne“ Gebäude müssen importiert werden, weil es keine eigene Produktion in Russland gibt. Das betrifft moderne Heizungssysteme oder Belüftungsanlagen ebenso wie effiziente Regel- und Steuertechnik für Gebäude. Für
deutsche Technologieanbieter ergeben sich durch diesen Trend neue Geschäftsmöglichkeiten im
Bausektor.
Green Building Council Russia
Guy Eames, Geschäftsführer
Tupolev Plaza II, office 302
15/22 Tupolev Embankment, 105120 Moskau
Tel.: 007/495/778 53 70
E-Mail: office@rugbc.org, guy.eames@rugbc.org
Internet: www.rugbc.org
Ausgewählte Projekte zur Erhöhung der Energieeffizienz in den Regionen
Moskau
Moskau gilt als aussichtsreichster Standort für die Realisierung von Energiespar-Projekten, weil die
Stadt über die beste Finanzausstattung verfügt und Energie hier zugleich verhältnismäßig teuer
ist. Russlands Hauptstadt verbraucht jährlich 50 Mrd. kWh Strom, fast 100 Mio. GCal Wärmenenergie und rund 30 Mrd. Kubikmeter Gas. Ein Schwerpunkt der Maßnahmen wird die Sanierung der
4.000 Kilometer langen Fernwärmetrassen in der Stadt sein, die zu 15% verschlissen sind. Das
kommunale Programm zur Energieeinsparung in den Jahren 2009 bis 2011 sieht Ausgaben von
117 Mrd. Rubel vor. Das in den 1950er Jahren entstandene Allrussische Ausstellungszentrum WWZ
soll zum energieeffizienten Pilotbezirk ausgebaut werden. Dabei sollen unter anderem erneuerbare Energiequellen die Energieversorgung des Geländes sicherstellen.
Um Technologien auf dem Gebiet der Energieeffizienz und erneuerbaren Energien zu präsentieren, soll ab Mitte 2010 in Moskau ein entsprechendes Ausstellungs-, Beratungs- und Schulungszentrum eröffnen. Initiator ist das Moskauer Unternehmen AEnergy. Zielgruppe sind Endverbraucher,
Baufirmen, Projektanten und Beamte aus den Bau- und Planungsbehörden. Hier können auch
deutsche Hersteller ihre Technologien präsentieren.
Administrazija goroda Moskwa
(Stadtverwaltung Moskau)
Departament topliwno-energetitscheskogo chosjaistwa goroda Moskwy
(Abteilung für die Brennstoff- und Energiewirtschaft)
uliza Bolschaja Bronnaja 14, 123104 Moskau
Tel.: 007/495/609 05 89, Fax: -609 07 74
E-Mail: depteh@energy.mos.ru, Internet: www.depteh.ru
Germany Trade & Invest www.gtai.de
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Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Jekaterinburg
Die Ural-Metropole Jekaterinburg und das umliegende Gebiet Swerdlowsk zählen zu den eifrigsten Umsetzern des Programms zur Erhöhung der Energieeffizienz in Russland. Dabei wurden bereits deutsche Partner wie Siemens, BASF, Viessmann, E.on und die Russisch-Deutsche Energieagentur Rudea mit ins Boot geholt. BASF will unter anderem bei der Sanierung der Wärmeleitungen in Jekaterinburg helfen. Der Wohnbezirk Chimmasch soll dabei Vorbildcharakter bekommen.
Nach Siemens-Berechnungen sind in der Schwerindustrie-Region rund 3,6 Mrd. Euro nötig, um
den Energieverbrauch bis 2020 um die Hälfte zu senken.
Ministerstwo energetiki i ZhKCh Swerdlowskoi oblasti
(Ministerium für Energie und Wohnungswirtschaft des Swerdlowsker Gebiets)
Ansprechpartner: Alexander Nikolajewitsch Tschistjakow
(Leiter der Abteilung für Energie sparende Technologien)
Oktjabrskaja ploschtschad 1, 620014 Jekaterinburg
Tel.: 007/343/362 18
E-Mail: ural-energy@gov66.ru, Internet: http://energy.midural.ru
Tjumen
Die westsibirische Stadt Tjumen hat einen 40 Hektar großen, zentrumsnahen Bezirk ausgewählt, in
dem beispielhaft Wohngebäude energieeffizient saniert werden sollen. Dazu gehören 45 Wohnhäuser mit knapp 5.200 Wohnungen, eine Schule, ein Kindergarten und eine Poliklinik mit Neugeborenen-Station sowie Eigenheime und sonstige Immobilien. Die Stadtverwaltung hat eine Bestandsaufnahme der Energieversorgung und des -verbrauchs in dem Bezirk durchgeführt. Besonders schwierig sei es gewesen, die Wohnungseigentümer zu überzeugen, sich an dem Projekt zu
beteiligen, erklärt ein Verwaltungsmitarbeiter. Die Finanzierung der Maßnahmen erfolgt über
eine Contracting-Agentur, die sich durch die eingesparten Energiepreise finanziert. Die Stadt
Tjumen übernimmt die Kosten für die Zinszahlungen. Geplant ist der Einbau von Wasser- und
Heizungszählern, der Austausch der Beleuchtung, die Fassadendämmung und die Verglasung der
Balkone.
Administrazia goroda Tjumeni
(Stadtverwaltung Tjumen)
Ansprechpartner: Michail Leonidowitsch Namjatow
(Abteilungsleiter für Energiespar-Politik)
Perwomajskaja uliza 20, 625036 Tjumen
Tel.: 007/3452/510 618, Mobil: 007/922/488 06 02
E-Mail: namyatov@mail.ru, Internet: www.tyumen-city.ru
Nowotscheboksarsk
Die in der Republik Tschuwaschien gelegene Industriestadt Nowotscheboksarsk will bis 2012 ein
Konzept zur energetischen Sanierung aller öffentlichen Gebäude erstellen. Damit soll der Kommunalhaushalt langfristig entlastet werden. Vorgesehen ist unter anderem der Einbau von automatischen Temperaturmessgeräten und Zuluftventilatoren (72 Mio. Rubel), die Gebäudesanierung
(Fenster, Leitungssysteme) für 140 Mio. Rubel und ein Austausch der Beleuchtungsmittel
(15 Mio. Rubel). Gleichzeitig sollen 520 Mehrfamilienhäuser in Tscheboksary mit Zählern für die
Wärmeversorgung ausgestattet werden und neue Leitungssysteme bekommen. Insgesamt rechnet die Stadtverwaltung mit Kosten von über 1 Mrd. Rubel für die Energieeffizienz-Maßnahmen.
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Modernisierungsoffensive in Russland
Administrazija goroda Nowotscheboksarsk
(Stadtverwaltung Nowotscheboksarsk)
Ansprechpartner: Wjatscheslaw Wladimirowitsch Wolgin
(Vize-Bürgermeister)
429951 Nowotscheboksarsk, uliza Winokurowa 14
Tel.: 007/8352/73 84 26, Fax: -74 00 47
E-Mail: zam1@nowch.cap.ru, Internet: http://gov.cap.ru/main.asp?govid=82
Workuta
Der Stromkonzern KES-Holding will bis 2015 bis zu 40 Mrd. Rubel investieren, um eine effizientere
Nutzung von Wärmeenergie in verschiedenen Regionen zu erreichen. Dazu gehört auch Workuta.
Die Stadt im Hohen Norden ist ein Modellprojekt des Programms „Energieeffiziente Stadt“, an dem
zunächst fünf Städte teilnehmen (Workuta, Tjumen, Appatity, Kasan, Perm). Zu den Investitionsvorhaben gehören die Optimierung der Wärmeversorgung, die Neuanschaffung von Heizungsanlagen und intelligenten Zählern. Dafür sollen im Zeitraum 2010 bis 2015 rund 1,5 Mrd. Rubel investiert werden. Als weitere Standorte für Pilotprojekte hat die KES-Holding Ischewsk und
Kamensk-Uralski (Oblast Swerdlowsk) auserkoren.
Administrazija goroda Workuta
(Stadtverwaltung Workuta)
Otdel ekonomiki i raswitija ZhKCh
(Abteilung für Ökonomie und Wohnungswirtschaft)
Leiterin: Irina Alexejewna Fenewa
169900 Workuta, Ploschtschad Zentralnaja 7
Tel.: 007/82151/335 24
Internet: www.mayor.vorkuta.ru
Verringerung der Verluste beim Energietransport
Russlands Regierung schätzt die Stromverluste beim Leitungstransport auf durchschnittlich 11%.
Die Holding OAO MRSK, die für die zwischenregionalen Stromnetze und Verteilung der Elektroenergie zuständig ist, plant in den kommenden acht bis zehn Jahren Investitionen von 2,85 Bill. Rubel. Damit soll die erschreckend hohe Verschleißquote bei Stromleitungen, Transformatoren und
Verteilerstationen (knapp 70%) verringert werden. Wie Experten berechnet haben, müsste die
Hälfte der zwei Millionen Kilometer langen Leitungsnetze, die MRSK kontrolliert, erneuert werden. Hinzu käme der Austausch von 250.000 Transformatoren und Verteilern.
Große Verluste entstehen auch beim Gastransport. Hier geht das Energieministerium davon aus,
dass pro Jahr etwa 59 Mrd. Kubikmeter Gas allein dafür notwendig sind, um die Pipelines zu betreiben. Mit neuen Röhren, die einem höheren Druck stand halten, sollen die Transportverluste um
20 Mrd. Kubikmeter verringert werden.
Holding MRSK
(betreibt das zwischenregionale Stromnetz)
Ulanski pereulok 26, Gebäude 1, 107996 Moskau
Tel.: 007/495/710 53 33
E-Mail: info@holding-mrsk.ru, Internet: www.holding-mrsk.ru
Germany Trade & Invest www.gtai.de
83
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Begleitgas / Grubengas
Jährlich werden in Russland rund 14 Mrd. Kubikmeter Begleitgas, das bei der Förderung von Öl entsteht, einfach verbrannt. Großes Potenzial für mehr Energieeffizienz bietet die kommerzielle Nutzung dieses Brennstoffs. Bis 2012 müssen alle russischen Rohstoffkonzerne mindestens 95% des Gases auffangen und verarbeiten. Noch 2009 wurde laut russischem Energieministerium ein Fünftel
des Begleitgases abgefackelt und der Rest energetisch genutzt.
Einer der Vorreiter auf diesem Gebiet ist der Rohstoffkonzern TNK-BP. Er will verstärkt in die Stromerzeugung einsteigen und dabei das Begleitgas nutzen. Dafür sind drei Gaskraftwerke geplant: in
den Gebieten Irkutsk (300 MW), Orenburg (400 MW) und auf der Halbinsel Jamal (200 MW). Anfang März 2010 wurden dafür Machbarkeitsstudien erstellt. Russische Experten gehen davon aus,
dass die Installation von 1 kW Kraftwerkskapazität auf Basis von Begleitgas unter Nutzung von Importtechnologie rund 1.300 Euro kostet.
Auch beim Grubengas, das bei der Rohstoffförderung im Bergbau entsteht, sind Investitionsprojekte geplant. Nach Angaben des Forschungszentrums Uglemetan werden jährlich über 2 Mrd. Kubikmeter Methan im russischen Bergbau freigesetzt, davon mehr als die Hälfte im Kusbass-Kohlebecken. Das entspricht dem gesamten Gasverbrauch in der wichtigsten russischen Kohleregion.
Wie Uglemetan berechnet hat, könnte mit dem Einsatz von Entgasungsbohrlöchern und Vakuumpumpen das entweichende Grubengas wirtschaftlich in kleine Gaskraftwerke umgeleitet werden.
Neben dem Sicherheitsrisiko spricht auch der Energiegehalt für eine wirtschaftliche Nutzung dieses Rohstoffs. Die Investitionskosten schätzen die Experten auf knapp 10 Mio. Euro je Schacht.
ANO Uglemetan
Ansprechpartner: Denis Nikolajewitsch Sastrelow
650036 Kemerowo, uliza Tereschkowoi 41
Tel./Fax: 007 3842 / 39 42 39
E-Mail: zastrelov@uglemetan.ru, Internet: www.uglemetan.ru
2.4 Kontaktanschriften
Russisch-Deutsche Energieagentur (Rudea)
Geschäftsführer: Thomas Hendel
1-y Kasatschi pereulok 7, 119017 Moskau
Tel.: 007/495/730 20 67, Fax: -730 2067 ext. 205
E-Mail: info@rudea-energy.com, Internet: www.rudea-energy.com
Exportinitiative Energieeffizienz
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Scharnhorststrasse 34- 37, 10115 Berlin
Tel.: 030/18615-6300/-6301, Fax: -18615-5300
E-Mail: kontakt@efficiency-from-germany.info
Internet: www.efficiency-from-germany.info
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Modernisierungsoffensive in Russland
Ministerstwo Energetiki Rossijskoi Federazii
(Ministerium für Energie der Russischen Föderation)
Department für staatliche Energiepolitik und Energieeffizienz
Direktor: Sergej Alexejewitsch Michailow
uliza Schtschtschepkina 42, 107996 Moskau
Tel.: 007/495/631 84 02
E-Mail: agafonovaas@minenergo.gov.ru, Internet: http://minenergo.gov.ru
Agentstwo po prognosirowaniju balansow w elektroenergetike
(Agentur für Prognosen der Energiewirtschaft, APBE)
prospekt Andropowa 22, Business-Center Nagatinski
115533 Moskau
Tel.: 007/495/710 55 77, Fax: -710 64 99
E-Mail: info@e-apbe.ru, Internet: www.e-apbe.ru
Zentr po effektiwnomu ispolsowaniju energii
(Zentrum für effiziente Energienutzung)
uliza Nowotscherjomuschkinskaja 41, a/ja 30, 117418 Moskau
Tel.. 007/499/128 84 91, Fax: -128 93 53
E-Mail: cenef@online.ru, Internet: www.cenef.ru
KES-Holding
(Kompleksnye energetitscheskie sistemy)
Komplex WegaLajn
143421 Moskowskaja oblast, Krasnogorski rajon
Tel.: 007/495/980 59 00, Fax: -980 59 08
E-Mail: ies@ies-holding.com, Internet: www.ies-holding.com
TNK-BP
Department für Energieprojekte
Ansprechpartner: TNK-BP-Vizepräsident Pawel Strunilin
uliza Arbat 1, 119019 Moskau
Tel.: 007/495/777 77 07 (ext. 2512)
E-Mail: company@tnk.bp-com, Internet: www.tnk-bp.ru
Zentrum für Energieeffizienz und erneuerbare Energiequellen (Moskau)
c/o AEnergy
Frau Irina Kewbrina
Moskau, Kilometer 51 des Autobahnrings MKAD, Abfahrt Otschakowo-Saretschje
Tel.: 007/495/710 79 07
E-Mail: cevie@aenergy.ru, Internet: www.aenergy.ru
International Finance Corporation (IFC)
c/o Jana Sergejewna Gorbatenko
Leiterin des Programms für Investitionen in Ressourceneffizienz und sauberere Produktion
uliza Bolschaja Moltschanowka 36, Gebäude 1
121069 Moskau
Tel.: 007/495/411 75 55, ext. 2310, Fax: -411 75 72
E-Mail: ygorbatenko@ifc.org, Internet: www.ifc.org/russia/energyefficiency
Germany Trade & Invest www.gtai.de
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Energiewirtschaft, Energieeffizienz
ICF International
(Consulting im Auftrag der EU für Energieeffizienzprojekte in Russland)
Projektleiter: Albert Zweering
Twerskaja Sastawa 3, office 454; 125047 Moskau
Tel.: 007/495/333 66 41
E-Mail: zweeringa@yahoo.com, Internet: www.icfinternational.ru
Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung
Russian Sustainable Energy Financing Facility (RUSEFF)
pereulok Sivtsev Vrazhek 29/16 (underground station „Smolenskaja“)
4th Floor, Office 415
119002 Moskau
Tel.: 007/499/241 23 98, Fax: -241 27 73
E-Mail: info@ruseff.com, Internet: www.ruseff.com
Internet: www.ebrd.com/pages/country/russia.shtml, www.necenter.ru
Commit Jug
(Consulting für Energieeffizienz-Projekte und erneuerbare Energien in Süd-Russland)
Ansprechpartner: Andreas Täuber
uIiza Karassunskaja 121, 350000 Krasnodar
Tel.: 007/861/2533 729, Fax: -2621 228
E-Mail: a.taeuber@commit-group.com, Internet: www.sotchi-2014.info
2.5 Internetlinks
Arbeitsgruppe für Energieeffizienz bei der
Präsidenten-Kommission für die Modernisierung und technologische Entwicklung der
russischen Wirtschaft
Ministerium für Energie der Russischen
Föderation
Russische Energie Agentur
Agentur für Energieeinsparung und
erneuerbare Energiequellen
Zentrum für effiziente Nutzung der Energie
Forschungs- und Projektierungsinstitut
VNIPIenergoprom *)
Portal Energieeffizientes Russland
Portal für Energie- und Ressourceneinsparung
(veröffentlicht einen monatlichen Newsletter)
Portale rund ums Energiesparen
Energiesparen im Gebiet Tscheljabinsk
86
Modernisierungsoffensive in Russland
http://i-russia.ru/energy/
http://minenergo.gov.ru/activity/energoeffektivnost/
http://rosinf.ru/
www.naevi.ru
www.cenef.ru
www.vnipiep.ru
www.energosber.info
www.energosovet.ru
http://portal-energo.ru
http://energo-zone.ru
www.ecoidea.ru
www.energosber.74.ru
(Fortsetzung)
Nachrichten aus der Energiebranche
Fernwärme
Ko-Generation
Fachmessen in Russland
www.eprussia.ru
www.energyland.info
www.rosteplo.ru
www.combienergy.ru
www.exponet.ru/index.en.html
*) hat unter anderem das städtische Zielprogramm „Energiesparen in der Stadt Ufa in den Jahren 2009-2013 und in der Perspektive bis 2020“
ausgearbeitet
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Energiewirtschaft, Energieeffizienz
„Energieeffizienz ist Chefsache des
Präsidenten“
Interview mit dem Geschäftsführer der Russisch-Deutschen
Energie-Agentur (Rudea), Thomas Hendel
Herr Hendel, Russland will bis 2020 rund 40 Prozent seines Primärenergieverbrauchs einsparen. Ist dieses Ziel innerhalb eines Jahrzehnts realistisch?
Wenn man berücksichtigt, dass jedes in Russland gefertigte Produkt bei der Produktion bis zu fünfmal mehr Energie verbraucht
als ein vergleichbares westeuropäisches Produkt, dann ist das
realistisch. Seit Anfang 2009 ist das Thema Energieeffizienz in
Russland nicht nur Priorität, sondern auch Chefsache des Präsidenten und des Premierministers.
Deshalb gibt es eine reale Chance, diese Programme umzusetzen.
Warum verbraucht denn Russland so sehr viel mehr Energie als klimatisch vergleichbare Länder wie
Finnland oder Schweden?
Länder mit den meisten Ressourcen im Energiebereich gehen am großzügigsten damit um. Eines
der größten Probleme Russlands ist, dass die Energieträger bis zum heutigen Tag vergleichsweise
günstig sind. Deshalb macht es nicht viel Sinn, in Effizienztechnologien zu investieren. Länder wie
Finnland, Schweden oder Deutschland haben viel weniger Ressourcen und müssen Energieträger
importieren. Deshalb haben wir uns früh daran gewöhnt, mit Energie sparsam umzugehen. Investitionen in Einsparvorhaben waren bei uns wirtschaftlich sinnvoll.
Wie wollen Sie Russlands Privatverbraucher und Unternehmen davon überzeugen, angesichts der
niedrigen Energiepreise in Maßnahmen für sparsameren Verbrauch zu investieren?
Auch in Russland sind Energieträger nicht mehr so unbegrenzt vorhanden wie vor zehn oder zwanzig Jahren. Außerdem steigen die Energiepreise und werden es auch weiter tun. Im industriellen
und im Verwaltungsbereich tun die Ausgaben für Energie den Verbrauchern schon heute weh. Bei
privaten Wohnungen ist Energie auch teurer geworden. Wir können ganz stark davon ausgehen,
dass sich die Preise in den nächsten Jahren signifikant erhöhen werden. Das erzeugt einen starken
finanziellen Anreiz, Projekte umzusetzen.
Welche Aufgabe spielt die Rudea dabei?
Wir erstellen einerseits Beratungsleistungen für die Regierung und für die Regionalverwaltungen,
um die Rahmenbedingungen für Energieeffizienz-Technologien zu schaffen. Dazu gehören Gesetzesvorlagen, Verordnungen oder Ausschreibungsbestimmungen. Auf der anderen Seite ist Aufgabe der Rudea, massenhaft und flächendeckend Projekte zu initiieren und umzusetzen. Dabei begleiten wir die Unternehmen entweder dabei neue Technologien einzusetzen, oder wir implementieren selbst Projekte mit russischen und deutschen Partnern. Dabei hilft die Dena (Deutsche Energieagentur), deutsche Technologielieferanten zu finden. Andererseits hat die Rudea, mit der
88
Modernisierungsoffensive in Russland
Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer einen gemeinsamen Arbeitskreis Energie gegründet, an dem mehr als 60 Unternehmen teilnehmen. Dort stellen wir unsere Projekte vor und wollen
Firmen akquirieren, die diese Projekte umsetzen können.
Gibt es schon erste konkrete Vorhaben, die Rudea in Russland begleitet?
Die Rudea hat in den letzten Wochen eine Vielzahl von Verträgen zur Umsetzung von Energieeffizienz-Projekten unterzeichnet. So zum Beispiel Verträge zur Modernisierung der MRSK Ural
(Stromverteilergesellschaft, Jekaterinburg), OAO Uralchimmasch (Maschinenbau, Jekaterinburg),
Ischorskie sawody (Maschinenbau, Sankt Petersburg). Mit vielen bedeutenden Industrieunternehmen befinden wir uns in zielgerichteten Verhandlungen.
In den letzten Wochen haben wir im Auftrag der Administrationen Chanty-Mansijsk, Jamal, Kurgan, Tjumen, Tscheljabinsk und Swerdlowsk regionale Energieeffizienz-Programme erarbeitet.
Dabei werden entsprechende Projekte aufgezeigt, nach Prioritäten bis 2020 gruppiert und Schritt
für Schritt in die Realisierung überführt.
Was sehen die Verträge vor?
Bei den Strategien analysieren wir den Ist-Zustand einer Region. Wir identifizieren Projekte, vorhandene alternative Energiequellen, wie zum Beispiel Bioenergie, Wind, Sonne, Geothermie. Man
baut einen regionalen Plan zur Modernisierung der gesamten regionalen Wirtschaft auf, inklusive
der Industriebetriebe, Bauten, Heizsysteme, Wärme- und Stromnetze, und bringt dann ganz konkrete Projekte in die Umsetzung. Wir zeigen, mit welchen konkreten Technologien man den Primärenergieverbrauch in der Region drastisch senken kann. Wir nennen aber auch die entsprechenden Partner für solche Projekte. Im zweiten Teil des Vertrages geht es dann um die konkrete
Umsetzung. Dazu gehören unter anderem auch Management-Maßnahmen, also die Reorganisation des Processing, und Investitionsvorhaben, um neue Technologien einzusetzen.
Wo sehen Sie für deutsche Unternehmen die größten Geschäftschancen in Russland?
Kurzfristig sehen wir die größten Chancen heute bei der Stromerzeugung, bei Heiztechnik und der
Modernisierung von Industrieunternehmen. Mittelfristig gibt es sehr große Chancen bei der Sanierung von administrativen und öffentlichen Gebäuden wie Schulen, Krankenhäusern oder Kindergärten sowie bei Bürokomplexen. Schwieriger ist es im Bereich der Wohngebäude, weil es hier in
der Regel sehr viele Eigentümer gibt, die in der Regel nicht organisiert sind. Das wird sich aber entwickeln über Betreiber-Gesellschaften, die diese Gebäude verwalten und mit denen man Contracting-Verträge abschließen kann. Diese Contracting-Gesellschaften investieren dann in Energieeffizienz und generieren über einen langfristigen Vertrag ihren Return-on-Investment aus den
Einsparungen. Wir versuchen, erste Contracting-Agenturen am russischen Markt zu platzieren
und arbeiten dabei sehr eng mit der Gasprombank und der Sberbank zusammen.
Wie können deutsche Anbieter von Effizienztechnologien in den russischen Markt kommen?
Erstens schlage ich natürlich vor, sich ganz konkret an die Rudea zu wenden. Wir werden mit den
russischen Regionen gemeinsam Energieeffizienz-Strategien umsetzen und Projekte realisieren.
Neben der Rudea kann man sich auch direkt an die russischen Regionalverwaltungen wenden
oder an russische Industriebetriebe.
Germany Trade & Invest www.gtai.de
89
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Der Markt für Technik zum Einsparen von Energie ist perspektivisch riesig. Glauben Sie, dass in Russland
auch eine eigene Produktion entsteht oder wird das weiter durch Importe abgedeckt?
Es ist der Wille der russischen Regierung, einen Know-how- und Technologietransfer vorzunehmen und so viel wie möglich im Lande zu produzieren. Das heißt nicht, dass die russischen Unternehmen diese Technik im Alleingang produzieren sollen. Hier sind Partnerschaften und Joint Ventures erwünscht und empfohlen. Wir haben in Jekaterinburg mit russischen Firmen gesprochen,
die neue Heizsysteme und effiziente Beleuchtungssysteme produzieren. Die wollen ganz konkret
mit deutschen Partnern kooperieren, die in diesem Bereich Weltspitze sind. Wenn Sie Beleuchtungssysteme nach Sibirien liefern, exportieren Sie 70 Prozent Luft.
Es hat den Eindruck, als ob das Thema Energieeffizienz in Russland vor allem von oben - also von staatlicher Seite aus - gesteuert wird. Kommt die Privatwirtschaft auch untereinander ins Geschäft?
Auf dem Territorium der Russischen Föderation gibt es wenig Know-how im Bereich Energieeffizienz. Als Rudea haben wir Shareholder, die uns beauftragt haben, entsprechende Pilotprojekte
umzusetzen. Deshalb arbeiten wir zielgerichtet mit den Administrationen der Regionen zusammen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass es eine Vielzahl von russischen Unternehmen gibt, die sich
heute im Bereich Energieeffizienz engagieren, die Contracting-Agencies gründen und in den
Regionen direkt auf die Industriebetriebe zugehen und entsprechende Projekte realisieren.
Das Interview führte
Gerit Schulze, Germany Trade & Invest
90
Modernisierungsoffensive in Russland
„Der Markt für energieeffiziente
Produkte öffnet sich“
Der deutsche Farbenhersteller Caparol produziert seit 2009 in
Russland Trockenmörtel, mineralische Putze, Klebe-, Spachtelund Armierungsmassen und nutzt diese Materialien für sein
Wärmedämm-Verbundsystem. Russland-Geschäftsführer
Dr. Norbert Richter spricht im Interview mit Germany Trade &
Invest über die Nachfrage nach energieeffizienten Lösungen
sowie über den lokalen Wettbewerb.
In Russland wird Energieeffizienz mittlerweile groß geschrieben zumindest auf politischer Ebene. Wie weit klaffen Anspruch und
Wirklichkeit auseinander?
Richter: Qualitäts- und Ökologiebewusstsein steigen. Das ist ein
ganz realer Trend. Das stellen wir im Farbgeschäft seit Jahren
fest. Und bei der Energieeffizienz ist es genauso. Ich bin mir sicher: Die Wärmedämmung von Fassaden wird sich durchsetzen.
Staat oder private Häuslebauer - wer ist die treibende Kraft?
Richter: Viele russische Wohnungsbaugesellschaften hängen am Tropf des Staates. Sie stellen
Wohnungen für Soldaten oder junge Familien fertig. Ihre Budgets für den sozialen Wohnungsbau
sind derart strikt begrenzt, dass eine qualitativ hochwertige Fassadendämmung nicht finanzierbar
ist. Die Initialzündung müsste schon von ganz oben verordnet werden.
Also investieren eher Privatleute in eine moderne Wärmedämmung?
Richter: Bei den meisten russischen Privatkunden ist nicht der Preis erstrangig, sondern die Qualität. Da können wir punkten. Aber auch die großen Developer könnten ihre Strategien schon bald
ändern - ändern müssen. Wenn diese überhaupt Energieeffizienz im Plan haben, dann kaufen sie
bislang selbst billige Dämmmaterialien ein. Zertifizierte Systeme wie wir sie anbieten, leisten sich
nur wenige. Im Gegensatz zu unseren Produkten lassen sich mit dieser improvisierten Wärmedämmung jedoch keine 30 Prozent Heizkosten sparen. Darum werden die großen Bauunternehmen
wenigstens langfristig umschwenken müssen. Denn die Energiepreise steigen, und auch der Verbrauch. Gar nicht auszudenken, wie das Bewusstsein für energieeffizientes Bauen steigen würde,
installierte man in allen Haushalten Heizungsmessgeräte, Wasser- und Stromzähler!
Sie rechnen also mit einer stark steigenden Nachfrage?
Richter: In den nächsten Jahren werden wir uns natürlich noch keine goldene Nase verdienen.
Aber mittel- bis langfristig rechnen wir mit überdurchschnittlich starkem Wachstum. Zumindest
werden sich unsere Wärmedämm-Verbundsysteme ebenso dynamisch entwickeln wie unsere
Farb-Sparte. Wegen des riesigen Nachholbedarfs rechne ich sogar mit noch besseren Steigerungsraten.
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91
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Produzieren Sie deshalb vor Ort?
Richter: Das ist zumindest ein Grund. Schließlich entwickelte sich der Markt bis 2008 schon sehr
gut, einige Projekte standen an, wurden 2009 aber auf Eis gelegt. Erst seit Beginn des Jahres 2010
geht es wieder vorwärts. Ein zweiter Grund ist der russische Markt an sich. Das ist - strategisch gesehen - der wichtigste Auslandsmarkt für Caparol. Und drittens versprechen wir uns als lokaler Produzent bessere Chancen bei der Auftragsvergabe.
Das Interview führte
Bernd Hones, Germany Trade & Invest
Kontaktanschrift
OOO Caparol
Generaldirektor: Dr. Norbert Richter
Awangardnaja uliza 3, 125493 Moskau
Tel.: 007 495/660 08 49, Fax: -645 57 99
E-Mail: Richter-N@caparol.ru, Internet: www.caparol.ru
92
Modernisierungsoffensive in Russland
„In Ostsibirien gibt es große, nicht
entdeckte Vorkommen von Öl und Gas“
Interview mit Olaf Klarner, Geschäftsführer Klarenco LLC
Was hat Ihre Firma, Klarenco, mit Energieeffizienz zu tun?
Wir beraten Öl- und Gasfirmen bei der effektiven Suche nach
und Förderung von Energieträgern, aus denen später Energie
erzeugt wird.
Woher wissen Sie, wo sie suchen müssen?
Für die Exploration von Kohlenwasserstoffen sind vier Faktoren
ausschlaggebend: Ein Medium, in dem Öl oder Gas gespeichert werden kann, ein so genannter
„Abdecker“, der die Lagerstätte nach oben abschließt, ein Muttergestein, in dem Gas oder Öl entstehen kann - das organische Material muss buchstäblich gekocht werden - und eine Struktur, in der
das Öl oder Gas akkumulieren kann.
Um mit einiger Wahrscheinlichkeit zu finden, was man sucht, wird hauptsächlich die Methode der
Seismik angewendet - akustische Wellen werden durch den Erdmantel gesendet und übertragen
Informationen von den geologischen Formationen. Daraus ergeben sich Rückschlüsse zur Strukturbildung und auch zu den anderen Faktoren.
Sie stellen Vermutungen an?
Im Prinzip ja, wir bewerten so genannte GPOS (geological probability of success) und EPOS (economic probability of success) - die geologische und wirtschaftliche Sinnhaftigkeit einer Suchbohrung
und der späteren Erschließung. Geologisch kann durchaus Öl oder Gas vorhanden sein, ob die Erschließung der Fündigkeit wirtschaftlich ist, steht auf einem anderen Blatt
Ab wann ist es denn sinnvoll zu explorieren?
Das hängt davon ab, was unter- und oberirdisch notwendig ist, um eine Fündigkeit zu entwickeln:
wie viele Bohrungen müssen zur optimalen Entölung abgeteuft werden, wie sind die Zuflussraten,
was für Förder- und Aufbereitungsanlagen sind notwendig, wie ist die Infrastruktur entwickelt.
Die einfach zu erschließenden Strukturen sind gefunden. Die augenblicklich zu erkundenden
Strukturen und Felder liegen zunehmend in größeren Teufen oder schwer zugänglichen Gebieten,
in denen die Infrastruktur in aller Regel erst geschaffen werden muss.
Wo gibt es noch Potenzial in Russland?
Ich bin der Überzeugung, dass es in Ostsibirien große, nicht entdeckte Vorkommen an Öl und Gas
gibt. Rosneft, Surgutneftegas, TNK BP und Gazprom sind sehr aktiv bei der Suche. Es stellt sich jedoch das Problem der Infrastruktur, die sich erst im Aufbau befindet. Die neue Öl-Pipeline nach
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93
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Wladiwostok dynamisiert die Bemühungen deutlich. Der erste Strang ist fast durchgehend fertig.
Ein zweiter Strang und eine Gaspipeline sind in Planung. Russland könnte dann als Swing-Producer agieren - also Öl und Gas nach Westen wie nach Osten leiten.
Ein zweites Areal sind die Schelfgebiete Russlands, insbesondere im Nordmeer. Dort hat Russland
bisher verhältnismäßig wenig Untersuchungen durchgeführt. In den vergangenen Jahrzehnten
wurden durchaus in der Barent-, der Laptjew- und der Karasee Bohrungen abgeteuft, die auch vielversprechende Ergebnisse erbrachten. Für russische Firmen sind Offshore-Entwicklungen jedoch
relatives Neuland, da bisher die Reichtümer an Öl und Gas auf dem Land im Vordergrund standen.
Ein anderer Aspekt sind die enormen Kosten einer Offshore-Entwicklung. Üblicherweise werden
diese Kosten und auch das Risiko, dass bei der Suche und der Entwicklung immer vorhanden ist, in
einem Konsortium, bestehend aus mehreren Partnern, verteilt.
Tauchen Öl und Gas immer gleichzeitig auf?
Nein, es gibt reine Öl- und reine Gasfelder, Ölquellen mit Begleitgas, und es gibt auch Felder, die Öl
und Gas in Wechsellagerung aufzeigen.
Was passiert mit dem Begleitgas, das aus dem Bohrloch kommt?
Der russische Staat hat Gesetze erlassen, damit das Gas nicht mehr abgefackelt, sondern genutzt
wird. Allerdings muss das Gas aufgefangen, gereinigt und transportiert werden. Ein Teil wird auch
zur Eigenversorgung mit Energie benutzt. Ob sich eine kommerzielle Verwertung lohnt, hängt
von der Menge, der geographischen Lage und der Marktsituation ab.
Kann man das Gas verflüssigen?
Prinzipiell ja. In der Regel lohnt sich das jedoch nur bei größeren Mengen. Schtokman oder Sachalin
II sind bekannte Beispiele dafür, dass Gas verflüssigt wird. Diese Variante des Abtransportes von Gas
gewinnt auch in Russland immer mehr an Bedeutung. Im Falle einer gut entwickelten Infrastruktur
mit vorhandenen Gaspipelines besteht die Möglichkeit, das Gas zu sammeln und per Pipeline zu
transportieren. Ob die Vermarktung wirtschaftlich ist, hängt von den konkreten Bedingungen ab.
Es gibt aber auch die Variante, das Gas zu re-injizieren. Das Gas wird mit entsprechendem Druck in
die Lagerstätte zurück gepumpt. Ziel ist es, zuerst das Öl zu fördern und mit der Re-injektion einen
höheren Entölungsgrad zu erreichen. Auch bei dieser Methode ist es eine Frage der Wirtschaftlichkeit im konkreten Fall.
Apropos Öl, wieso geht bei der Förderung und dem Transport so viel Öl „verloren“?
Öl verdunstet, wie andere Flüssigkeiten auch. Erdöl ist ein Gemisch aus unterschiedlich langen
Kohlenwasserstoffketten, die kürzeren verflüchtigen sich dabei schneller als die langkettigen
Kohlenwasserstoffe.
94
Modernisierungsoffensive in Russland
Aber wo genau wird das Öl verloren?
Wenn das Öl aus der Bohrung kommt, muss es von eingetragenem Wasser und anderen Verunreinigungen befreit werden, dabei geht ein gewisser, kleiner Prozentsatz verloren. Wenn der Prozess
jedoch exakt operiert wird, sind die Mengen gering. Allerdings sind auch die Pipelines nicht alle
auf dem neuesten Stand.
Warum wird das Öl nicht direkt vor Ort raffiniert?
Eine Raffinerie lohnt sich nur dort, wo das Einzugsgebiet entsprechend groß genug ist. Insofern
sind die existierenden Raffinerien strategisch gut positioniert. Diese Standorte werden nach rein
wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgewählt.
Welche Effizienzpotenziale können denn im Förderungsprozess noch gehoben werden?
Ein großes Potenzial besteht bei der Art, wie ein Feld entwickelt wird. Es ist in Russland übliche Praxis bei der Feldesentwicklung, das so genannte Rasterbohren anzuwenden. Dabei wird über das
Feld ein Raster gelegt, an dessen Knotenpunkten Bohrlöcher eingebracht werden, unabhängig davon, ob die geologische Analyse dort Öl vermuten lässt oder nicht. Das bestehende Regelwerk spielt
da eine wichtige Rolle. Allerdings gibt es neue, ausgearbeitete Entwürfe des Regelwerkes, die eine
Abkehr vom Rasterbohren vorsehen. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung; in diesem Sinne
muss weiter gearbeitet werden.
Ein anderer Aspekt ist die russische Klassifikation von Reserven, die sich von westlichen Klassifikationen unterscheidet. In Russland existieren unter anderem die Kategorien C1 und C2, international P1 und P2. Die unterschiedliche Art und Weise der Klassifizierung ergibt nach bisheriger Erfahrung einen Unterschied von zirka 30 Prozent weniger Reserven bei der gleichen Lagerstätte. Dies
ist bei der gemeinsamen Erschließung von Lagerstätten bedeutsam. Auch hier gibt es neue, ausgearbeitete Entwürfe, die eine Annäherung der unterschiedlichen Systeme vorsehen. Diese sollten
baldmöglichst in die Praxis umgesetzt werden.
Wie viele Bohrungen müssen pro Feld gesetzt werden?
Bei der Exploration gilt ein weltweiter Durchschnitt von eins zu sieben: von sieben gebohrten Bohrungen wird eine ökonomisch fündig. In Gebieten, die man gut kennt, steigt die Fundwahrscheinlichkeit. In Russland liegt die Fundrate aufgrund der relativ hohen Reservendichte etwas höher.
Bei der Feldesentwicklung hängt die Anzahl der Bohrungen von der Größe des Feldes und den Eigenschaften des Reservoirs ab. Je besser ein Reservoir, umso weniger Bohrungen werden benötigt.
Es gilt auch: eine gute geologische Analyse des Feldes führt zur Reduzierung der Bohrungsanzahl
und damit zur Senkung des Investments.
In welcher Größenordnung entstehen Explorationskosten?
In Abhängigkeit von den Bedingungen wie Teufe, geologische Verhältnisse, Remoteness, Überdruck in der Formation, Vorkommen von Schwefelwasserstoff - kann eine Bohrung auf dem Lande
leicht 20 Millionen US-Dollar und mehr kosten. Offshore können die Kosten pro Bohrung, insbesondere bei größeren Wassertiefen, schnell auf 120 Millionen US-Dollar und mehr steigen. Die Betriebskosten einer Plattform wie der Deep Water Horizon im Golf von Mexiko (Leasingnehmer BP)
belaufen sich auf 500.000 bis 750.000 Dollar pro Tag.
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95
Energiewirtschaft, Energieeffizienz
Woher kommt das Geld für die Bohrungen?
Das Geld kommt in der Regel von den Mitgliedern eines Konsortiums, da eine Firma allein solche
enormen Kosten und Risiken nicht tragen kann oder will. Gerade bei Offshore-Bohrungen (Tiefwasser) gilt eine Fundwahrscheinlichkeit von 20 Prozent als gut.
In Russland ist das Prinzip des „risk and cost sharings“ weiter ausbaufähig. Häufig entwickeln die
Firmen die Felder alleine. Ein Grund dafür ist die bestehende Gesetzeslage. Zum Beispiel haben im
Offshore-Bereich (mit Ausnahme des Kaspischen Meeres) nur Gasprom und Rosneft das Anrecht
auf eine Lizenz. Da die Suche und auch die spätere Feldesentwicklung in diesen Gebieten immense
Kosten mit sich bringen, steht die Frage, ob diese Firmen das alleine schultern wollen. Ministerpräsident Putin hat angekündigt, dass der Zugang zu Jamal und dem Schelf transparent und für ausländische Firmen einfacher sein wird. Dies ist sehr zu begrüßen. Die internationale Kooperation
wäre auch für alle Beteiligten von Vorteil. Das Schtokman-Feld in der Barentssee ist dafür ein gutes
Beispiel.
Welche Vorkommen an Öl und Gas sind in Russland vermutlich noch zu finden?
Es gibt Schätzungen dieser Art. Jedoch bringt der zum Teil geringe Untersuchungsgrad in manchen Gebieten auch gewisse Ungenauigkeiten mit sich. Auf jeden Fall geben die bisher durchgeführten Untersuchungen und Entdeckungen Anlass zur Hoffnung, dass noch große Vorkommen auf ihre Erschließung warten.
Das Interview führte
Jens Böhlmann, AHK Moskau
96
Modernisierungsoffensive in Russland
Gesundheitswirtschaft
Gesundheitswirtschaft
3.
Gesundheitswirtschaft
3.1 ÜbeRubelick zum russischen Gesundheitssektor
Die Lebenserwartung in Russland ist niedrig. Sie liegt im Durchschnitt zwölf Jahre unter den Vergleichswerten in Westeuropa. Zwar konnte Russland auf diesem Gebiet in den letzten Jahren
durchaus Erfolge erzielen, nicht zuletzt dank der Milliardeninvestitionen im Rahmen des Nationalen Projekts „Gesundheit“. Dennoch: Die SteRubelichkeitsrate je 1.000 Einwohner betrug 2009 in
Russland 14,2 Menschen, im EU-Durchschnitt lag sie bei 9,6 Menschen. Neben einer hohen Zahl an
Verkehrstoten, Alkoholtoten und Selbstmorden spielt dabei vor allem die schlechte Krankenbetreuung eine Rolle. Nur 4% der russischen Wirtschaftsleistung werden für die Gesundheitsversorgung aufgebracht. In Westeuropa liegt dieser Wert bei 8 bis 10% des Bruttoinlandsprodukts.
Studien des Verbands internationaler Pharmahersteller in Russland (AIPM) haben ergeben, dass
Russland jährlich ein Fünftel seines Bruttoinlandsprodukts durch den schlechten Gesundheitszustand seiner Bürger verliert. Lagen die volkswirtschaftlichen Kosten 2007 bei 270 Mrd. US$, so könnten sie laut AIPM bis 2020 auf über 500 Mrd. US$ steigen. Besonders die geringe Arbeitsproduktivität in Russland und die geringe Beschäftigungsquote sind Folgen des hohen Krankenstandes.
Seit 2005 ist die Verbesserung der medizinischen Versorgung eines von vier nationalen Vorrangprojekten in Russland (neben dem Wohnungsbau, Bildungssystem und der Agrarwirtschaft).
Allein 2010 fließen im Rahmen dieses nationalen Projekts 145 Mrd. Rubel aus dem Staatshaushalt in
den Gesundheitssektor. Dieses Volumen soll in den kommenden Jahren leicht steigen.
Premierminister Wladimir Putin bekräftigte Ende April 2010 vor dem Parlament, dass die Verbesserung der Gesundheitsversorgung „staatliche Priorität Nummer eins“ sei. Jede dritte Klinik im
Land sei dringend renovierungsbedürftig, vielen Einrichtungen fehle die Technik für medizinische
Untersuchungen, kritisierte der Regierungschef. Nach Putins Worten sollen in den nächsten zwei
Jahren 2011 und 2012 zusätzlich 460 Mrd. Rubel in den Gesundheitssektor fließen. Der Großteil
davon ist für die Modernisierung der Polikliniken und Krankenhäuser bestimmt (300 Mrd. Rubel).
Außerdem will der Staat die Gehälter des medizinischen Personals anheben, die Verpflegung der
Patienten verbessern und für eine effizientere Arzneimittelausgabe sorgen (136 Mrd. Rubel). Die
veRubeleibenden 24 Mrd. Rubel werden für den Einsatz von moderner Informationstechnik im
Gesundheitswesen verwendet. Dazu zählen die Anschaffung von Computern, die stärkere Verbreitung der Telemedizin, elektronisches Dokumenten-Management und die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte in der Pflichtkrankenversicherung.
Diese Maßnahmen sind eingebettet in eine Gesundheitsreform. Die staatliche Pflichtkrankenversicherung (russ.: obligatorische medizinische Versicherung - OMS) wird von einem steuerfinanzierten auf ein beitragsfinanziertes System umgestellt. Außerdem wird zu einem Volltarif übergegangen. Die Mittel für das beschriebene Investitionsprogramm sollen hauptsächlich über eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge hereinkommen. Sie steigen ab 2011 von 3,1 auf 5,1% des
Bruttolohns und werden in Russland ausschließlich von den Arbeitgebern getragen. Das Beitragsaufkommen lag 2009 bei rund 240 Mrd. Rubel. Für die Jahre 2011 und 2012 sollen 2% der Versicherungsprämien für das Investitionsprogramm reserviert werden. Da private Kliniken die Möglichkeit bekommen sollen, Behandlungen im Rahmen der OMS abrechnen zu können, werden auch sie
verstärkt in Medizintechnik investieren.
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97
Gesundheitswirtschaft
Gleichzeitig soll das nationale Projekt „Gesundheit“ fortgeführt werden. Eine neue Konzeption soll
im Herbst 2010 vorgelegt werden.
Prioritäten im Gesundheitswesen für den Zeitraum 2010 bis 2020:
- Verbesserung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung auf dem Land und in den
kleinen Städten,
- High-Tech-Medizin und Einführung neuer Technologien für die Heilung schwerer
Erkrankungen,
- Modernisierung der Schnellen Medizinischen Hilfe (Erste Hilfe),
- Maßnahmen zur Verringerung und Behandlung von arbeitsbedingten Traumata und
Berufserkrankungen,
- Kampagne für eine gesunde Lebensführung (gegen Tabak und Alkohol).
Um ins Stocken geratene Projekte in den Regionen anzuschieben, stellt die Regierung schon 2010
neben den laufenden Maßnahmen knapp 1 Mrd. Rubel extra für die Modernisierung und den Neubau von Krankenhäusern im ganzen Land bereit. Damit sollen 14 Einrichtungen unterstützt werden, welche bislang nicht in den föderalen oder regionalen Zielprogrammen berücksichtigt wurden.
Krankenhausprojekte, die 2010 zusätzliche staatliche Subventionen erhalten
Region
Objekt
Kontakt
Moskauer Gebiet
Bau einer Chirurgie-Abteilung im
www.dmitrov-reg.ru
Städtischen Krankenhaus Dmitrow
(150 Betten)
Republik Dagestan
Bau eines Perinatalzentrums mit 200 http://xacavurt.ru
Betten in Chasawjurt
Republik Mordowija Bau des Republikanischen Kranken- www.e-mordovia.ru
hauses in Saransk
Archangelsk
Bau eines Gebiets-Krankenhauses in www.dvinaland.ru
Archangelsk
Woronesch
Erweiterungsbau für das Gebietswww.govvrn.ru
Kinderkrankenhaus Nr. 2 in Woronesch (150 Betten)
Leningrader Gebiet Modernisierung der Chirurgie im
www.priozersk.lenobl.ru
Zentralen Bezirkskrankenhaus
Priosersk
98
Modernisierungsoffensive in Russland
Krankenhausprojekte, die 2010 zusätzliche staatliche Subventionen erhalten (Fortsetzung)
Krasnodarski Krai
Modernisierung des Regions-Kran- http://admkrai.krasnodar.ru
kenhauses Nr. 1 („Otschapowski“) in
Krasnodar
Region
Objekt
Kontakt
Stawropolski Krai
Modernisierung der Geburtsklinik in www.pyatigorsk.org
Pjatigorsk
Irkutsk
Modernisierung des Zentralen BeE-Mail: zaladm@imail.ru,
zirkskrankenhauses in Kutulik (155 Tel.: 007/39564 / 37132
Betten)
Irkutsk
Modernisierung des Zentralen
E-Mail: bohan_mo@irmail.ru,
Bezirkskrankenhauses in Bochan
Tel. 007/39538 / 25 162
(155 Betten)
Republik Altai
Modernisierung des Zentralen
www.shebalino-altai.ru
Bezirkskrankenhauses mit Poliklinik
in Schebalino
Republik Altai
Modernisierung des Zentralen
www.ust-koksa-altai.ru
Bezirkskrankenhauses mit Poliklinik
in Ust-Koksa
Republik Altai
Modernisierung des Zentralen
www.koshagach.ru
Bezirkskrankenhauses in KoschAgatsch
Astrachan
Modernisierung des städtischen
www.astrgorod.ru
Krankenhauses Nr. 3 („Kirow“)
Quelle: Verordnung der Regierung der Russischen Föderation vom 23.4.2010 Nr. 284, veröffentlicht am 30.4.2010, in Kraft getreten am
8.5.2010
Weitere Projekte zum Bau von Krankenhäusern
Sankt Petersburg
Projektierung und Bau einer Rehabilita(Vorort: Puschkin) tions- und Wiederherstellungs-Klinik
(200 Betten) und eines Wohnheim-HotelTrakts; FGU Wissenschaftliches Forschungsinstitut für Kinderorthopädie
„G.I. Turner“ der Föderalen Agentur für
High-Tech-Medizin (Ministerium für
Gesundheitswesen und soziale Entwicklung); Investition: 1,5 Mrd. Rubel; Projektlaufzeit: 2010 bis 2013
Sankt Petersburg
Bau eines multifunktionalen medizinischen Zentrums an der föderalen staatlichen Hochschule „Militär-Medizinische
Akademie „S.M. Kirow“; Träger des
Projekts: Verteidigungsministerium
Gebiet Lipezk
Bau eines neuen chirurgischen Trakts
der onkologischen Ambulanz (aus
Mitteln des regionalen Budgets unter
Herbeiziehen privater Investitionen)
www.rosturner.ru
www.milru,
http://vmeda.spb.ru/
http://www.admlr.lipetsk.ru/
rus/zdr/index.php
Quelle: Pressemeldungen
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99
Gesundheitswirtschaft
Um die Versorgung mit Medizintechnik und Arzneimitteln langfristig sicherzustellen und sich unabhängiger von Importen zu machen, strebt Moskau eine stärkere Lokalisierung der Produktion
an. Bis zu 80% der in Russland verbrauchten Medikamente und Medizintechnik stammen heute
noch aus dem Ausland. Bis 2020 soll der Anteil bei Arzneimitteln auf 50% sinken.
Ein Mittel, ausländische Unternehmen zum Aufbau einer russischen Fertigungsstätte zu bewegen,
sind Präferenzen bei öffentlichen Ausschreibungen. Im Erlass Nr. 427 vom 5.12.2008 hat das Wirtschaftsministerium festgelegt, dass russische Arzneimittel und Medizintechnik bei Ausschreibungen um bis zu 15% teurer sein dürfen als Importwaren, um dennoch den Zuschlag zu bekommen.
Der Erlass gilt zunächst bis Ende 2010. Daneben stellt die russische Regierung Steueranreize, zinsvergünstigte Kredite und die Bereitstellung von Gewerbeflächen in Aussicht, wenn ausländische
Hersteller eine Produktion in Russland aufbauen.
Daneben mischt Moskau über die staatseigenen Unternehmen Rusnano (www.rusnano.com) und
Rostechnologii (www.rostechnologii.ru) im Pharmasektor mit. So ist der staatliche Mischkonzern
Rostechnologii angehalten, sich stärker in der Arzneimittelherstellung zu engagieren. Die Holding will in Samara eine „Pharma City“ für 4,5 Mrd. Rubel bauen, in der pro Jahr 200 Mio. Packungen Tabletten produziert werden können.
Auch die staatlichen Banken sollen mitmachen. Der Regionale Venture-Fonds der staatlichen
Vneschtorgbank (VTB) hat Anfang 2010 Anteile an Bentus Laboratories übernommen, einem Moskauer Hersteller von Desinfektions- und Hautpflegemitteln. Das Unternehmen plant in den nächsten eineinhalb Jahren den Aufbau einer weiteren Produktionsstätte in Pereslawl-Salesski.
Ungeachtet aller Lokalisierungs-Bemühungen wird Russland auf Jahre hinaus auf Importe von
Arzneimitteln und Medizintechnik angewiesen bleiben. Deutschland ist dabei ein bevorzugter Lieferant. Die deutschen Branchenvertreter haben sich bereits an Industrieminister Viktor Christenko
gewandt, um ihre Sorgen bezüglich der angestrebten Lokalisierung darzulegen. Sie erinnern daran, dass für die Ansiedlung von internationaler Hochtechnologie ein gewisses Marktvolumen notwendig sei, das der russische Staat durch garantierte Einkäufe lokal hergestellter Produkte sicherstellen sollte. Außerdem müsse die Regierung für die Infrastruktur sorgen, also bei der Standortsuche helfen, den Anschluss an Versorgungsleitungen sicherstellen, die Genehmigungsverfahren
vereinfachen und die Zertifizierungsprozesse für Medizintechnik und Arzneimittel verschlanken.
Weiterhin fehlten in Russland ein effizientes Ausbildungssystem für hoch qualifizierte Fach- und
Forschungskräfte und ein ausreichender Rechtsschutz von Patenten, kritisieren die deutschen
Marktteilnehmer. Sie bemängeln auch, dass Unternehmen, deren Grundkapital mehrheitlich in
ausländischer Hand ist, nicht immer als lokale Produzenten anerkannt seien und entsprechend bei
öffentlichen Ausschreibungen benachteiligt würden.
100
Modernisierungsoffensive in Russland
3.2 Pharmaindustrie
Russlands Pharmamarkt hat gegenüber dem Westen noch enormes Aufholpotenzial. Während ein
US-Amerikaner pro Jahr durchschnittlich Arzneimittel für über 700 US$ konsumiert und ein Deutscher für über 400 US$, so liegt dieser Wert in Russland lediglich bei 82 US$ (Angaben des russischen Markforschers DSM Group). Weit verbreitet ist die Selbstmedikation. Rund 70% der Arzneimittelausgaben bezahlen die russischen Bürger aus der eigenen Tasche. Der Großteil der Medikamente wird in den Apotheken rezeptfrei ausgegeben.
Russlands Arzneimittelmarkt war 2009 eine der wenigen Wachstumsbranchen des Landes. Die
Medikamentenverkäufe sind laut DSM Group wertmäßig um nominal 17,6% auf 538 Mrd. Rubel gestiegen, nach physischem Volumen stagnierten sie (einschließlich so genannter Para-Pharmazeutika wie Nahrungsergänzungsmittel und Heilkosmetika). Auf klassische Arzneimittel entfiel ein
Volumen von 422 Mrd. Rubel (13,3 Mrd. US$). Für 2010 wird ein wertmäßiger Zuwachs auf RubelBasis von 11% prognostiziert. Ein wichtiger Akteur am Markt ist der russische Staat, der über das
DLO-Programm (kostenlose Abgabe von Arzneimitteln an sozial schwache Bevölkerungsschichten) etwa ein Viertel aller Medikamentenverkäufe finanziert.
Bislang wird das Pharmageschäft vor allem von ausländischen Anbietern dominiert. Die russischen Arzneimittel-Importe hatten 2009 laut Zollbehörde ein Volumen von 8,7 Mrd. US$ (2008:
9,2 Mrd. US$). Während Importarzneien wertmäßig einen Marktanteil von 80% in Russland haben,
kommen sie beim physischen Volumen nur auf 32%.
In Zukunft wird der Medikamentenabsatz kräftig wachsen, glauben die Autoren der „Strategie zur
Entwicklung der Pharmaindustrie der Russischen Föderation bis 2020“. Das Dokument wurde
Ende 2009 von Industrieminister Viktor Christenko bestätigt. Demnach wird sich das Umsatzvolumen bis 2020 vervierfachen. Wie Mitte 2010 bekannt wurde, sollen aus dem Staatshaushalt insgesamt 120 Mrd. Rubel bereit gestellt werden, um die Branchenziele zu erreichen.
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101
Gesundheitswirtschaft
Wichtigste Einflussfaktoren auf dem Markt 2010-2013:
- Preisregulierung für die lebensnotwendigen und wichtigen Arzneimittel (seit 1.4.2010)
- Gesetz über den Umlauf von Arzneimitteln (ab 1.9.2010)
- Folgen der Reform der Krankenversicherung (ab 1.1.2011)
- Nationales Projekt „Gesundheit“ - finanzielle Ausstattung des Nachfolgeprogramms
(Konzeption soll im Herbst 2010 vorgestellt werden)
- Einführung des Standards GMP (bis 2014)
- Arzneimittel-Versicherung (Wseobschtschij system lekarstwennogo strachowanija) wird gegenwärtig diskutiert. Der Entwurf sieht vor, dass der russische Staat einen Teil
der Kosten für die Medikamente, die per Rezept verschrieben wurden, erstattet.
Bei der Regulierung des Arzneimittelmarktes räumt Russlands Regierung dem Segment der
„lebensnotwendigen und wichtigen Medikamente“ besondere Bedeutung ein. Dazu werden rund
500 Arzneimittelwirkstoffe (gemeinfreie Namen) mit 6.000 Handelsmarken gezählt. Auf sie entfallen ungefähr 30% des russischen Pharmamarktes. Ein Drittel der lebenswichtigen Medikamente
stammen bislang aus dem Ausland. Die Hersteller dieser Arzneimittel müssen die Höchstpreise für
diese Produkte (Fabrikabgabepreis) in Rubel obligatorisch registrieren - anderenfalls ist der Handel auf dem russischen Markt illegal. Die Gebietskörperschaften des Landes bestimmen dann
durch Festsetzung der Groß- und Einzelhandelsaufschläge den Einzelhandelspreis, der je nach
Region unterschiedlich sein kann.
Zusätzlich zur Liste der lebensnotwendigen Medikamente hat das Gesundheitsministerium im Dezember 2009 eine Liste von 57 „strategischen Arzneimitteln“ aufgestellt. Dabei handelt es sich
um Wirkstoffpräparate, bei denen es für ein so großes Land wie Russland mit seinen 142 Mio. Einwohnern wichtig ist aus Gründen der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung für die Bevölkerung auch in Krisenzeiten, dass es eine Produktion für diese Präparate im Land selbst gibt und Russland nicht völlig von Importen abhängig ist. Da diese Präparate derzeit nicht oder nicht in ausreichender Menge in Russland produziert werden, soll ein Programm der Import-Substitution
beginnen. Das Ziel ist, entsprechende lokale Produktionen einzurichten.
Dabei hat die Regierung deutlich gemacht, dass es ihr langfristig nicht als ausreichend erscheint,
nur Arzneimittel in Russland zu verpacken. Man möchte den vollen Produktionszyklus im eigenen
Land haben - von der Herstellung des Wirkstoffes bis zur Herstellung des Endprodukts. Das russische Ministerium für Industrie hat dafür ein Zielprogramm aufgestellt und ist bereit, ausländische
Investoren bei der Ansiedlung zu unterstützen.
Laut Aufsichtsbehörde für den Gesundheitssektor Rosdrawnadsor gab es Anfang April 2010 in
Russland 460 Arzneimittelproduzenten. Etwa 60 davon waren in staatlicher Hand. Das Produktionsvolumen lag 2009 bei 96 Mrd. Rubel (3 Mrd. US$), was einem nominellen Wertzuwachs von
rund 28% entsprach. Im 1. Quartal 2010 konnte die Branche weiter zulegen und ihren Ausstoß auf
Rubel-Basis gegenüber der Vorjahresperiode um fast 60% steigern.
102
Modernisierungsoffensive in Russland
Daher verwundert es nicht, dass russische Hersteller für internationale Konzerne interessante
Übernahmekandidaten sind. Zwischen 2005 und 2009 wurden acht große Pharmaunternehmen
von ausländischen Wettbewerbern übernommen (unter anderem Nishfarm und MakizFarma - von
Stada, Akrichin - von Health Tech Corp.). Allerdings ist die Mehrzahl der russischen Produzenten
nach Meinung von Marktkennern für eine Übernahme uninteressant, weil zu große Investitionen
in eine Umstellung auf westliche Qualitätsstandards notwendig wären.
Andererseits haben auch die russischen Produzenten in den letzten Jahren und Jahrzehnten einige
Medikamente entwickelt, denen Experten gute Marktchancen einräumen. Erst 2009 hatte die Stada-Tochter Nishfarm beim russischen Hersteller Mir-Farm für 15 Mio. Euro die Rechte an fünf Präparaten gegen gynäkologische Erkrankungen erworben.
Grundsätzlich aber sind die Forschungsaktivitäten der russischen Pharmabranche deutlich
geringer als im Westen. Deshalb sehen Experten die ambitionierten Ziele der Pharmastrategie
sehr kritisch. Laut dem Dokument sollen Russlands Medikamentenforscher bis 2020 mehr als 400
Patente auf neue biologisch aktive Substanzen anmelden. Bis zu zwei Drittel der Arzneimittel sollen in einem Jahrzehnt Originalpräparate, also Neuentwicklungen, sein. Doch für Forschung, Entwicklung und Produktionsaufbau sind in der Pharmastrategie umgerechnet nur 3,4 Mrd. US$ vorgesehen. Das würde nach westlichen Maßstäben lediglich für drei bis vier neuartige Wirkstoffe reichen.
Pläne für die Entwicklung und Produktion von Generika und innovativen Präparaten in
Russland
Maßnahme
Ziel
Gesamtkosten
(Mrd. Rubel)
Entwicklung, nichtklinische Studi- mehr als 400 Patente auf biologisch
64,6
en und klinische Tests neuer, inno- aktive Substanzen, Entstehung von
vativer Präparate
200 innovativen Kleinunternehmen
Produktionsaufbau für Substanzen Lizenzproduktion von über 40 inno15,0
und fertige Pharmaprodukte sowie vativen, synthetisch hergestellten
Lizenzerwerb für synthetische inno- Präparaten
vative Produkte
Entwicklung und Produktion von
Aufbau einer Produktion von syn5,4
Substanzen und Fertigmedikamen- thetischen Generika für bis zu 150
ten (synthetische Generika)
internationale Freinamen in vorrangig kleineren Unternehmen
Entwicklung und Produktion von
Aufbau einer Produktion von Bio5,4
Substanzen und Fertigmedikamen- Generika für bis zu 30 internationaten (Bio-Generika)
le Freinamen in vorrangig kleineren
Unternehmen
Produktionsaufbau und Lizenzer- Aufbau von zehn modernen Werken,
10,8
werb für Hightech-Bio-Generika
die den Inlandsbedarf an allen biotechnologischen Präparaten decken
sollen
Sonstige Ausgaben
k.A.
5,0
Quelle: „Strategie zur Entwicklung der pharmazeutischen Industrie Russlands bis 2020“
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103
Gesundheitswirtschaft
Liste der vorgeschlagenen Projekte für die Aufnahme in das „Register der vielversprechenden Projekte im Bereich der pharmazeutischen und medizintechnischen Industrie des
Ministeriums für Industrie und Handel der Russischen Föderation“
Beispiele für Projekte
Antragsteller
R&D-Center für pharmazeutische und biotechnologische
OOO Ifar / Tomsk
Entwicklung
Nanotechnologie in der Pharmakologie. Pharmakologische OOO Tomsker
Regulation des Energiestoffwechsels
pharmazeutische Fabrik
Entwicklung und Einrichtung der Produktion eines MediZAO Generium
kaments zur Behandlung der Bluterkrankheit „rekombinanter Gerinnungsfaktor VIIIª
Erstellen eines neuen antiviralen Medikaments auf der
ZAO Institut Neue
Grundlage des Protein-Konjugats von alpha-Fetoprotein
Medizinische Technologien
und Interferon
Quelle: www.minprom.gov.ru/special/modern/2
Lieferchancen für deutsche Unternehmen ergeben sich auch durch die erzwungene Modernisierung der bestehenden Pharmafabriken. Bis Herbst 2010 will Russland Regeln für die Anwendung
des internationalen Produktionsstandards Good Manufacturing Practice (GMP) formuliert haben. Bis 2014 dann sollen alle einheimischen Pharmaproduzenten nach GMP arbeiten. Russische
Experten rechnen damit, dass pro Fabrik durchschnittlich 5 Mio. Euro für die Umrüstung der Produktionsanlagen notwendig sind. Das zuständige Industrieministerium beabsichtigt, den Unternehmen dafür 36 Mrd. Rubel Subventionen aus dem Staatshaushalt zur Verfügung zu stellen. Mit
den Mitteln sollen 75 Medikamentenhersteller und 80 Medizintechnik-Produzenten finanziell bei
ihren Modernisierungsanstrengungen unterstützt werden.
Nach Informationen der Zeitung „Kommersant“ wandte Anfang 2010 etwa jeder zehnte russische
Arzneimittelhersteller den GMP-Standard an, weitere 40% hatten einzelne Produktionsbereiche, in
denen diese Richtlinien beim Fertigungsprozess beachtet werden. Zwar stimmen viele Normen
des GMP-Standards schon heute mit den russischen Normen GOST und SNiP überein. Doch gerade
die Anforderungen an Reinräume sind ungleich höher, was neue Investitionen in Luftfilter, Einlass-Schleusen, Temperatur- und Druckregler notwendig macht. Zudem ist eine entsprechende
Monitoring-Ausrüstung für die Überwachung der Höchstwerte notwendig. Weiterhin muss das
Personal der Fabriken für die neuen Standards bei der Produktion geschult werden. Im Laufe des
Jahres 2010 ist in jedem der sieben Föderationsbezirke die Eröffnung eines Kontrolllabors geplant,
das die Einhaltung der Qualitätsstandards von Arzneimitteln überprüfen soll.
104
Modernisierungsoffensive in Russland
3.2.1 Pharma-Cluster
Wenn Russland bis 2020 tatsächlich die Hälfte seines Medikamentenbedarfs selbst herstellen will,
müssen eine Reihe neuer Fabriken aus dem Boden gestampft werden. An verschiedenen Standorten sollen regionale Schwerpunkte der Arzneimittel-Produktion entstehen, unter anderem in Moskau, Sankt Petersburg, Jaroslawl, Nowosibirsk, Stawropol und Jekaterinburg.
Im Moskauer Gebiet bekommt der Forschungs- und Produktionskomplex ChimRar in Chimki
(www.chemrar.ru) Subventionen für den Ausbau der Generika-Herstellung und für die Entwicklung neuer Arzneimittel, die bislang importiert werden müssen. Für das Projekt mit Gesamtkosten
von 5,1 Mrd. Rubel sind bis 2012 noch 4,3 Mrd. Rubel (100 Mio. Euro) Investitionen nötig. Die Nanotechnologie-Korporation Rusnano wird bis zu 1,2 Mrd. Rubel beisteuern.
Daneben soll in Moskau der Cluster für Biotechnologie und Biomedizin „Biocity“ entwickelt werden (Beteiligte: ZAO Binnopharm, Biologische Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität „M.W.
Lomonossow“, Wissenschaftliche Forschungsinstitute der Russischen Akademie der Wissenschaften RAN und RAMN, NP Biomak, Wissenschaftliches Konsortium „Orchimed“ und andere).
Im Ort Puschkino bei Sankt Petersburg siedeln sich derzeit gleich fünf Hersteller an und investieren jeweils 20 Mio. bis 50 Mio. US$: Pharm-Holding (Proteinpräparate), Geropharm (www.geropharm.ru; Präparate für Ophtalmologie, Neurologie, Insulin), Biokad (www.biocad.ru; Originalund Generika-Präparate für Urologie, Onkologie, Neurologie), Samson-Med (www.samsonmed.ru;
Gefriertrocknung von Injektionsstoffen) und Neon (Injektionslösungen).
Das Gebiet Kaluga bemüht sich derzeit sehr aktiv um die Ansiedlung weiterer Arzneimittel-Hersteller. Bereits seit 2006 gibt es das Werk von Hemofarm in Obninsk, einer Stadt im Norden des Gebiets, wo auch ein Zentrum für Nuklearmedizin zur Behandlung von Krebserkrankungen besteht
und ausgebaut werden soll. Vor kurzem vor Ort investiert hat die Berlin-Chemie AG (Menarini
Group, Italien). Neuester Zugang ist Novo Nordisk, die ein Werk für Insulinpräparate im Technopark Grabtsevo errichten wird (Investition: 80 Mio. bis 100 Mio. US$, Zeitraum 2010/2011). Ebenfalls
in Obninsk entwickelt die OOO Obninskaja farmazevtitscheskaja kompanija derzeit das Diagnosesystem für Myokardinfarkte „Kardiomarker“.
Die Gebietsverwaltung Stawropol will rund um die bestehenden Pharmahersteller Eskom, Biokom (beide mit Projekten für Nanoarzneimittel), Mikrogen, Puls+, St.-Medifarm, Stawropolskaja
biofabrika sowie das Pest-Forschungsinstitut einen Pharma-Cluster bilden. Dafür werden ein 50
Hektar großes Gelände zur Schaffung des Technoparks „Pharmazeutika“ ausgewiesen und spezielle Venture-Fonds zur Bereitstellung von Risikokapital aufgelegt. An drei Hochschulen der Region
können derzeit Arzneimittel-Experten ausgebildet werden: Pjatigorsker Staatliche Akademie für
Pharmazeutik, Stawropoler Staatliche Akademie für Medizin und Medizinisch-biologisch-chemische Fakultät der Stawropoler Staatlichen Universität.
Das Gebiet Jaroslawl wurde vom Industrieministerium als eine Pilotregion für die Entwicklung der
Pharmabranche im Land auserkoren. Dort wollen die drei Unternehmen R-Farm, Nycomed und
NTfarma bis 2014 umgerechnet über 130 Mio. Euro in neue Produktionsstätten stecken. R-Farm ist
vor allem ein Großhändler, stellt aber auch Arzneimittel gegen Infektionskrankheiten und Diabetes her. Das Werk von NTfarma entsteht mit Mitteln der russischen Staatsholding Rusnano. Außerdem soll in Jaroslawl Personal am Zentrum für wissenschaftliche Forschungen und Vorbereitung
von Kadern für die pharmazeutische Industrie ausgebildet werden. Gemeinsam mit dem Unternehmen R-Pharm will die Gebietsverwaltung Jaroslawler Studenten eine Ausbildung an führenden Universitäten der USA und Praktika in westlichen Unternehmen ermöglichen.
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105
Gesundheitswirtschaft
Rund um das sibirische Nowosibirsk investieren ebenfalls mehrere Hersteller in neue Produktionsstätten. Das Moskauer Unternehmen ABOLmed (www.abolmed.ru) produziert dort bereits Arzneimittel und plant im Ort Kujbyschew eine Fabrik zur Herstellung von Substanzen für BreitbandAntibiotika (Investition: 70 Mio. bis 90 Mio. US$). Auch R-Farm (www.r-pharm.com) will seine Fertigung in der Region Nowosibirsk ausbauen. In der von Valenta übernommenen Fabrik Nowosibchimfarm sollen Antibiotika in Ampullen, Immun- und Onkologie-Präparate hergestellt werden.
Daneben möchten auf den Zug der Bildung von Pharma-Clustern aufspringen die Regionen Perm
(unterstützt von der Medizinischen Akademie Perm), Wolgograd (Firma Wolgopharm) und Swerdlowsk (Pläne für einen Pharmazie-Cluster „Ural“, Firmen Medsynthes und Holding Junona) sowie
die Republik Tatarstan (OAO Tatchimfarmpreparaty - Einrichtung einer Produktion von biopharmazeutischen Präparaten und Zusammenarbeit mit dem serbischen Pharma-Hersteller Galenika
für die Modernisierung der Produktion von Augensalben, Salben und Gels; Russisch-mexikanisches Gemeinschaftsunternehmen zur Produktion von Arzneimitteln).
Trotz der genannten regionalen Schwerpunkte gibt es in Russland noch keine Arzneimittel-Cluster
im klassischen Sinne, in denen ein breites Produktions- und Forschungsspektrum sowie eine spezielle Fachkräfteausbildung vorhanden wäre. Besondere Synergie-Effekte durch Arbeitsteilung
lassen sich in den regionalen Schwerpunkten daher bislang nicht erzielen. Viele Ausgangsstoffe
für die Pharmaproduktion (rund 70%) müssen importiert werden. Für die Ansiedlung in den auf
Arzneimittel spezialisierten Gewerbegebieten sprechen aber Steuervergünstigungen, Zinssubventionen und Präferenzen bei regionalen öffentlichen Beschaffungen.
Ein wichtiger Finanzier für Projekte in der Pharmaindustrie ist die russische Staatsholding Rusnano
(www.rusnano.com). Sie wurde geschaffen, um der Nanotechnologie im Land zum Durchbruch zu
verhelfen und marktfähige Produkte zu entwickeln.
Auswahl von Projekten, die Rusnano im Pharmasektor unterstützt:
- Aufbau eines Zentrums für vorklinische Tests neuer Nanosubstanzen und nanomedizinischer
Präparate in Dubna bei Moskau (Schaffung einer Forschungsinstitution, die auf Kontrakt-Basis
vorklinische Studien nach GLP-Standard durchführt; Investition: 1,6 Mrd. Rubel im Zeitraum
2010 bis 2015; Beteiligte: Rosnano, Uralsib, OOO Investment Advisory Group; Partner: Lovelace
Respiratory Research Institute, New Mexico/USA; Projektant: Henningson, Durham & Richardson International);
- Entwicklung von innovativen Medikamenten zur Behandlung von Alterskrankheiten wie Grüner Star und Herz- und Gefäßerkrankungen (Investition: 1,8 Mrd. Rubel, Marktreife bis 2016,
Projektpartner: OOO Mitotech, www.mitotech.ru);
- Produktion von Nanomedikamenten zur Krebsbehandlung (Investition: 3,9 Mrd. Rubel, Marktreife bis 2014, Projektpartner: Blochin-Forschungszentrum für Onkologie in Moskau,
www.ronc.ru; Pharmahersteller Medsintez aus Jekaterinburg, www.medsintez.com);
- Entwicklung von preisgünstigen Antibiotika zur Geschwulst-Behandlung und von Antirheumatika (Investition: 831 Mio. Rubel, Markteinführung bis 2015, Projektpartner: Orechowitsch-Forschungsinstitut für biomedizinische Chemie, www.ibmc.msk.ru; OOO EkoBioFarmDubna);
- Entwicklung von Grippe-Impfstoffen, Immunitätsaktivatoren, Biopräparaten zur Bekämpfung
von Blutarmut und Sklerose (Investition: 1,5 Mrd. Rubel, Projektpartner: OOO NTfarma, http://
ntfarma.ru/).
106
Modernisierungsoffensive in Russland
3.2.2 Internationales Engagement
Unabdingbar für den Erfolg der „Pharmastrategie 2020“ ist ein Engagement ausländischer Arzneimittelhersteller. Nur durch Kapital-, Technologie- und Know-How-Transfer aus dem Westen wird
es Russland gelingen, seine Industrie zu modernisieren und wettbewerbsfähiger zu machen. In
den letzten Monaten gab es einige viel versprechende Projektankündigungen ausländischer Unternehmen in Russland. Nach Angaben des Verbands der internationalen Pharmaproduzenten in
Russland (AIPM) denken aktuell rund 20 ausländische Konzerne über eine eigene Produktion im
Land nach. Experten gehen davon aus, dass sich eine Fertigung vor Ort ab einem Jahresumsatz von
500 Mio. US$ rechnet.
Sanofi-Aventis will im Gebiet Orjol eine Produktionslinie für Insulinstifte aufbauen. Bereits im
Frühjahr 2010 hatte das Unternehmen die Mehrheit am russischen Insulinhersteller Bioton Wostok
im Gebiet Orjol übernommen.
Die französische Gruppe Servier hat bei Podolsk im Moskauer Gebiet eine Fertigung von Präparaten zur Behandlung von Herz- und Gefäß-Krankheiten, Diabetes, Krebs und Nervenerkrankungen
errichtet.
Die norwegische Nycomed beabsichtigt, im Gebiet Jaroslawl eine Arzneimittelproduktion aufzubauen (120 Mio. sterile Lösungen in Ampullen und 2 Mio. Tabletten pro Jahr). Dafür sind in einem
Zeitraum von fünf Jahren Investitionen von 80 Mio. Euro vorgesehen.
Ein weiterer nordeuropäischer Investor, Novo Nordisk (Dänemark), plant im Industriegebiet
Grabzewo bei Kaluga die Herstellung von Insulin (Investition: bis zu 100 Mio. US$).
Ebenfalls in Grabzewo will der italienische Pharmakonzern Menarini Group eine Fabrik errichten.
Das Unternehmen ist in Osteuropa über die Tochterfirma Berlin-Chemie aktiv und will nach Angaben der Gebietsverwaltung Kaluga über 30 Mio. Euro in der Region investieren.
Die schwedisch-britische AstraZeneca plant für 2011 den Beginn einer Generika-Produktion in
Russland.
Das Unternehmen Teva aus Israel investiert im Gebiet Pskow 100 Mio. US$ in den Aufbau einer
Pharmaproduktion. Das teilte die Regionalverwaltung Ende Juni 2010 mit. Das Unternehmen erzielt derzeit einen Jahresumsatz von 280 Mio. US$ in Russland und peilt bis 2015 einen Wert von
1 Mrd. US$ an.
3.2.3 Kontaktanschriften
Assoziazija Rossijskich farmazewtitscheskich proiswoditeljej (ARFP)
(Verband der Russischen Pharmahersteller)
uliza Nagatinskaja 3a, 117105 Moskau
Tel.: 007 495/231 42 53, Fax: -54
E-Mail: arfp@arfp.ru, Internet: www.arfp.ru
Germany Trade & Invest www.gtai.de
107
Gesundheitswirtschaft
Association of International Pharmaceutical Manufacturers (AIPM)
(Verband der internationalen Pharmaproduzenten in Russland)
Geschäftsführer: Wladimir Grigorjewitsch Schipkow
Trjochprudny pereulok 9, Gebäude 2, Büro 313, 123001 Moskau
Tel.: 007 495/933 70 40, Fax: -933 70 41
E-Mail: shipkov@aipm.org, Internet: www.aipm.org
Rossijskaja assoziazija aptetschnych setej
(Russischer Verband der Apothekenketten)
Otschakowskoje schosse 10, Korpus 2, Gebäude 1, 119530 Moskau
Tel.: 007 495/797 90 36, Fax: -797 86 88
E-Mail: info@raas.ru, Internet: www.raas.ru
Aptetschnaja Gildija
(Apotheken-Gilde)
uliza Profsojusnaja 66, Gebäude 1, Büro 604, 117393 Moskau
Tel.: 007 495/785 07 25, Mobil: 007 916/028 46 48; Fax: -785 48 40
Pharmexpert
Ansprechpartner: David Melik-Gussejnow (Market Research Director)
Profsojusnaja uliza 57, 117420 Moskau
Tel.: 007 495/786 25 40, Fax: -330 89 43
E-Mail: melik@pharmexpert.ru, Internet: www.pharmexpert.ru
DSM Group
(Marktforschung und Consulting im Pharma- und Medtech-Sektor)
uliza Jamskogo polja 7, Gebäude 2, 125040 Moskau
Tel.: 007 495/780 72 63, Fax: -65
info@dsm.ru, Internet: www.dsm.ru
Elektronische Ausschreibungen für den Kauf von Arzneimitteln
www.sberbank-ast.ru
www.roseltorg.ru
www.zakazrf.ru
108
Modernisierungsoffensive in Russland
3.3 Medizintechnik
Der russische Markt mit seinen über 140 Millionen Einwohnern und knapp 7.000 Krankenhäusern
bietet für deutsche Hersteller von Medizintechnik ein enormes Potenzial. Nach Schätzungen des
russischen Gesundheitsministeriums sind die Hälfte der Krankenhausausrüstungen im Land mehr
als zehn Jahre alt. Rund 98% der medizinischen Einrichtungen sind noch in staatlicher Hand. Neuanschaffungen der Kliniken hängen daher direkt von den regionalen oder föderalen Haushalten
ab.
Wegen der Wirtschaftskrise und dadurch gesunkenen Steuereinnahmen nahm das Investitionsvolumen im Jahr 2009 deutlich ab. Nach Angaben der Wirtschaftszeitschrift „Expert“ schrumpfte
das Marktvolumen für Medizintechnik und medizinische Produkte 2009 um über ein Drittel auf
2,5 Mrd. US$ (2008: 4,0 Mrd. US$). Berechnungen von Germany Trade & Invest haben einen etwas
höheren Wert ergeben. Wie die nachstehende Tabelle zeigt, hatte Russlands Markt für Medizintechnik 2009 einen Wert von 3,4 Mrd. US$.
Russlands Markt für Medizintechnik (Mio. US$; Veränderung in %)
Kennziffer
2007
2008
Lokale Produktion 1)
Import
Export
Marktvolumen 2)
800
3.300
139
4.000
760
4.400
133
5.000
2009 Veränderung
2009/2008
505
-34
3.000
-32
97
-27
3.400
-32
1) Position „Medizintechnik und Teile“ laut Rosstat; 2) rechnerisch: lokale Produktion + Import - Export (Abweichungen durch Rundung)
Quellen: Rosstat, Zollstatistik, Berechnungen von Germany Trade & Invest
Ebenso wie im Arzneimittelbereich will Moskau die Abhängigkeit von Importen auch bei Medizintechnik verringern. Dabei sollen ausländische Hersteller, die sich in Russland mit Produktionsstätten ansiedeln, durch einige Vorteile geködert werden:
- Steuererleichterungen,
- Präferenzen bei öffentlichen Ausschreibungen,
- Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer für Produktionsanlagen.
Das für die Entwicklung von Medizintechnik und Pharmazeutik zuständige Ministerium für Industrie und Handel unterstützt Investitionsprojekte finanziell und hat Ende 2009 die ersten Vorhaben
gebilligt. Dabei fällt auf, dass die Antragsteller vor allem aus drei Regionen kommen: Moskau und
Moskauer Gebiet / Selenograd, Sankt Petersburg sowie Tomsk / Nowosibirsk. In diesen Gebieten bestehen wichtige Forschungsinstitute, die sich mit der Entwicklung von medizinischen Geräten und
Pharma-Produkten befassen. Daher sollen in diesen drei Regionen nach dem Willen der russischen
Regierung Medizintechnik-Cluster entstehen.
Russland hofft, durch die Verwirklichung der Investitionsprojekte einen Großteil seiner Importe
durch Inlandsprodukte substituieren zu können. Das gilt etwa für Magnetresonanz- und KernspinTomographen, die bislang überhaupt noch nicht im Land hergestellt werden. Auf Unterstützung
Germany Trade & Invest www.gtai.de
109
Gesundheitswirtschaft
durch die Regierung kann zum Beispiel das Tomsker Unternehmen Elektropuls (www.electropulse.ru) setzen, das Geräte zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen herstellt. Nach Firmenangaben seien die Elektropuls-Geräte nur halb so teuer wie vergleichbare Importausrüstung. Das
Unternehmen rechnet daher mit staatlichen Zuschüssen für die Erweiterung seiner Produktionsanlagen. Insgesamt sind dafür noch 8 Mrd. Rubel nötig.
Weitere Projekte, für die bereits eine Zustimmung des Industrieministeriums vorliegt, sind die Entwicklung von Diagnostikapparaten für Schäden bei der Blutgerinnung oder die Produktion von
UV-Scannern. Solche Geräte entwickelt die Moskauer Gesellschaft Isomed. Nach Firmenangaben
wurden zwischen 2006 und 2008 in Russland 11.000 UV-Scanner angeschafft, zum überwiegenden
Teil Importmodelle. Wenn sich diese Praxis fortsetzt, drohe Russland eine völlige Abhängigkeit
von ausländischen Lieferungen auf diesem wichtigen Gebiet der medizinischen Diagnostik,
schrieb Isomed in der Antragsbegründung an das Industrieministerium. Zusammen mit anderen
einheimischen Herstellern wie Spektromed oder Bioss sollte das Entwicklungspotenzial für die
Produktion von UV-Scannern daher gebündelt werden. Dabei seien auch ausländische Investitionen willkommen, so Isomed.
In Protwino (Moskauer Gebiet) soll ab 2010 ein Zentrum für Ionenstrahl-Therapie entstehen, in
dem jährlich 1.500 Krebskranke behandelt werden könnten. Es wäre das erste Zentrum seiner Art
in Russland, Erfahrungen aus Deutschland, Italien oder den USA sollen ausdrücklich übernommen
werden. Russlandweit seien fünf bis sechs solcher Einrichtungen nötig, hat der Projektinitiator Institut fisiki wysokich energi (Institut für Hochenergie-Physik) - berechnet.
Großen Nachrüstungsbedarf gibt es auch auf dem Gebiet der Positronen-Emissions-Tomographie
(PET). Dieses bildgebende Diagnoseverfahren kommt bislang erst in sieben Kliniken in Russland
(Moskau, Sankt Petersburg, Tscheljabinsk) zum Einsatz. Laut Gesundheitsministerium sollen bis
2016 mindestens 16 Gesundheitseinrichtungen über PET-Geräte verfügen.
Aktuelle Investitionsprojekte für Medizintechnik in Russland (Auswahl)
Projekt
Antragsteller / Gebiet
Internetseite
oder E-Mail
Entwicklung von Ausrüstungen
OAO NIIPP, Tomsk
www.niipp.ru
und Diagnosegeräten für Neugeborenen-Stationen
Entwicklung von Wund- und anti- Sibirische Staatliche Mediziniwww.ssmu.ru
septischem Verbandsmaterial auf sche Universität, Tomsk
Basis von Nanofasern
Entwicklung von Ausrüstungen
SAO Elektronika Sibiri, Tomsk
elsyb@sibmail.com
für Polymerase-Kettenreaktion
(PCR)
Radiologiezentrum für HerzFGUP Sawod Medradiopreparat, www.zmrp.ru
Kreislauf- sowie onkologische
Uljanowsk
Erkrankungen
Produktion von Diagnosegeräten Rossiski nowy uniwersitet,
www.rosnou.ru
für die Kardiologie
Moskau
110
Modernisierungsoffensive in Russland
Aktuelle Investitionsprojekte für Medizintechnik in Russland (Auswahl) (Fortsetzung)
Projekt
Antragsteller / Gebiet
Internetseite
oder E-Mail
Technopark zur Entwicklung von OAO TWMT, Pensa
meng@sura.ru
Medizinprodukten (u.a. für Gefäßchirurgie, Herzklappen-Prothesen, Endoprothesen etc.)
Entwicklung und MarkteinfühOOO PKF Isomed, Moskau
www.izomed.ru
rung von UV-Scannern
Pilotprojekt für eine Ionenstrahl- Institut fisiki wysokich energi,
www.ihep.ru
Therapie sowie Serienproduktion Moskauer Gebiet
von niedrig dosierten Röntgenapparaten
Schaffung eines Zentrums für
Fisiko-chimitscheski institut ime- www.nifhi.obNeutronen-Therapie
ni Karpowa, Kaluga
ninsk.ru
Entwicklung und Serienprodukti- Forschungsinstitut NIIEFA,
www.niiefa.spb.su
on von Gamma-Tomographen
Sankt Petersburg
Schaffung eines TelemedizinSAO Medizinskie technologii,
www.mtl.ru
Diagnosesystems für Radiologie Moskau
in der Region Krasnojarsk
Aufbau einer Produktion von
RNZ Kurtschatowski institut,
www.kiae.ru
Magnetresonanz-Tomographen
Moskau
und NMR-Spektrometern
(Kernspinresonanz)
Produktion von Laserchirurgie- Institut obschtschej fisiki imeni www.gpi.ru
Geräten
Prochorowa, Moskau
Entwicklung eines preisgünstigen NII Meschdunarodny tomografit- www.tomo.nsc.ru
und einfach zu bedienenden
scheski zentr, Nowosibirsk
„Volks-Tomographen“
Quelle: Ministerium für Industrie und Handel
Neben dem Industrieministerium unterstützt im Bereich Medizintechnik auch die Staatsholding
Rusnano einzelne Investitionsprojekte. Hier einige Beispiele:
- Produktion von Erbium-Lasern, unter anderem als Perforatoren mit eingebautem Glucometer
für Diabetes-Patienten sowie zur Blutanalyse (Investition: 1,4 Mrd. Rubel, Projektpartner:
OOO Inschenerny Zentr Novych Technologii (Ingenieurzentrum für neue Technologien),
www.ntec-company.ru; Realisierungszeitraum 2009 bis 2013);
- Serienproduktion von künstlichen Herzklappen (Investition: 1,5 Mrd. Rubel, Projektpartner:
Roskardioinvest, www.roscardioinvest.ru; Ausbau der Produktion von heute 500 Stück auf
40.000 Herzklappen im Jahr 2019; aktueller Bedarf in Russland: bis zu 60.000 Stück);
- Entwicklung und Produktion von Geräten zur Messung der Blutgerinnung (Investition:
1,1 Mrd. Rubel, Projektpartner: OOO Gematologitscheskaja korporazija, OOO Medizinskie
innovazii; geplanter Beginn der Serienproduktion ab Herbst 2012);
- Aufbau eines Forschungs- und Produktionskomplexes für Technologien zur Blutplasmareinigung (Investition: 2,7 Mrd. Rubel, Projektpartner: Trackpore Technology, www.trackpore.ru;
Realisierungszeitraum: fünfeinhalb Jahre).
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111
Gesundheitswirtschaft
3.3.1 Diagnosegeräte
Besonders bei Diagnosegeräten haben Russlands Hospitäler enormen Nachholbedarf. Schätzungen gehen davon aus, dass in den Krankenhäusern und Kliniken des Landes mindestens 3.000 bis
3.500 Computertomographen (CT) fehlen. Von den derzeit vorhandenen 1.500 Geräten soll ein
Viertel nicht mehr funktionieren. Bei Magnetresonanz-Tomographen (MRT) wird der aktuelle
Anschaffungsbedarf auf 1.400 bis 2.000 Apparate geschätzt. Der Bestand beläuft sich derzeit auf
450 Geräte.
Laut Zeitschrift „Expert“ entfällt die Hälfte des Marktvolumens auf Diagnoseapparate wie Computertomographen, Röntgen-, Magnetresonanz- oder Ultraschallgeräte. Experten rechnen damit,
dass der russische Markt für solche Untersuchungstechnik schon 2010 deutlich wächst: von
32,3 Mrd. Rubel (2009) auf über 37 Mrd. Rubel. Für 2015 wird bereits ein Volumen von 75 Mrd. Rubel
erwartet.
Russische Unternehmen haben lediglich bei Röntgenapparaten und digitalen Fluorographen für
Routineuntersuchungen eine bedeutende Marktposition. Die wichtigsten Hersteller sind Elektron,
Amiko und Medizinskie technologii. Bei komplizierteren, computergesteuerten Geräten jedoch
fehlt eine Inlandsproduktion.
3.3.2 Nuklearmedizin
Im Bereich der Nuklearmedizin sieht das Gesundheitsministerium grundsätzlich großen Nachholbedarf. Onkologische Erkrankungen gehören zu den wichtigsten Todesursachen im Land, die Zahl
der Krebsfälle hat in den letzten zehn Jahren um 14% zugenommen. Auf 100.000 Einwohner kommen etwa 330 Krankheitsfälle. Mitte 2010 waren in Russland 2,5 Millionen Patienten mit onkologischen Erkrankungen registriert (1,8% der Bevölkerung). Bei der Mehrzahl wird die Krankheit in einem sehr späten Stadium diagnostiziert.
Bestand und Bedarf an Diagnosegeräten
Gerät
Gamma-Tomographen
Positronen-Emissions-Tomographen
(PET) / Zyklotron
Linearbeschleuniger
Ausrüstungen für Brachytherapie
Gamma-Knife
Aktueller
Bestand
150
7
Verschleißgrad
80%
28%
Bedarf Neuanschaffungen
270
90
80
150
2
80%
90%
k.A.
400
300
100
Quelle: Vortrag von Gesundheitsministerin Tatjana Golikowa am 29.4.2010
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums werden in Russland nur 7 von 1.000 Einwohnern pro
Jahr mit Hilfe von radioaktiven Substanzen untersucht (USA: 40, Japan: 25). Dabei müssen sich drei
Millionen Einwohner einen Therapieplatz für radionuklide Behandlungen teilen. In Deutschland
kommen auf 200.000 Einwohner durchschnittlich ein bis zwei Plätze.
112
Modernisierungsoffensive in Russland
Russland will sowohl bei der Produktion von Radiopharmazeutika als auch von Geräten zur Diagnostik von Krebserkrankungen den Rückstand zum Westen aufholen. Dafür soll das Gesundheitsministerium mit der Atomenergiebehörde Rosatom zusammen arbeiten. Allein 2010 fließen rund
560 Mio. Rubel in Projektierungs- und Modernisierungsarbeiten der beiden Werke für radioaktive medizinische Präparate in Moskau und Obninsk (www.zmrp.ru). Die Unternehmen sind
die führenden Hersteller von Radiopharmazeutika in Russland.
Bis 2016 sollen 8 föderale, 78 regionale und 7 Onkologie-Zentren auf Bezirksebene mit moderner Technik ausgerüstet werden, um eine flächendeckende Krebsvorsorge zu gewährleisten. Beispielsweise soll in Kasan, Hauptstadt der Republik Tatarstan, für 637 Mio. Rubel ein regionales Onkologie-Zentrum entstehen. Wegen der Weite des Landes sind auch mobile Untersuchungseinrichtungen im Gespräch. Die Standorte Dmitrowgrad (Gebiet Uljanowsk), Obninsk (Kaluga) und
Tomsk (Sibirien) sollen zu Zentren für Nuklearmedizin werden. Der Bau des Zentrums in Dimitrowgrad mit 460 Betten wird 13,9 Mrd. Rubel kosten und noch 2010 beginnen; geplante Inbetriebnahme im Jahr 2013.
Internationale Hersteller haben die Zeichen der Zeit erkannt und organisieren eigene Produktionen in Russland. US-Konzern General Electric (GE) will noch 2010 mit dem russischen Partner ZAO Medizinskie technologii (www.mtl.ru) eine Fertigung von Computertomographen (GE
Healthcare BrightSpeed) in Moskau organisieren. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten beide Unternehmen Ende November 2009. Der geplante Ausstoß liegt bei 15 bis 20 Einheiten
im 2. Halbjahr 2010. Es ist vorgesehen, die Produktpalette perspektivisch auch auf MRT-Geräte
(Magnetresonanz), Ultraschall-Apparate und andere Technik auszuweiten.
Philips hat auf die Initiative des Wettbewerbers reagiert und im Mai 2010 mit dem Forschungs- und
Produktionskomplex Elektron (http://electronxray.com) aus Sankt Petersburg eine Kooperationsvereinbarung unterschrieben. Gemeinsam wollen die beiden Unternehmen moderne Diagnosetechnik für den russischen Markt entwickeln und produzieren (Investition bis 2013: 600 Mio. Rubel). Der erste Computertomograph des Gemeinschaftsunternehmens soll schon im Herbst 2010
auf den Markt kommen. Die Fertigungskapazität liegt, wie bei General Electric, bei 100 Geräten pro
Jahr. Perspektivisch ist auch die Entwicklung von Magnetresonanz-Tomographen (MRT), Ultraschallgeräten und Angiographie-Systemen geplant. Bis jedoch in Russland eine ausreichende eigene Inlandsproduktion an Medizintechnik zustande kommt, ist die Anschaffung importierter Produkte unumgänglich.
3.3.3 Weitere perspektivreiche Geschäftsfelder
Gute Geschäftschancen sehen Experten auch im Bereich der Telemedizin. Da eine flächendeckende Versorgung mit medizinischen Fachkräften in der Tiefe des Landes unmöglich und unbezahlbar ist, hat Präsident Medwedjew die Entwicklung der notwendigen IT-Infrastruktur angemahnt.
Damit sollen Ferndiagnose, Konsultationen zwischen Ärzten, Fachärzten und Patienten sowie Fortund Weiterbildung über große Distanzen ermöglicht werden. Nach Angaben des Russischen Verbands der Telemedizin (RAT) gibt es in Russland bereits 110 telemedizinische Zentren, 20 davon in
Moskau. Einer der Vorreiter bei der Schaffung von Infrastruktur für Telemedizin ist die Russische Eisenbahn RZhD, die auf diese Weise ihre konzerneigenen Kliniken besser vernetzen will. Beim Aufbau der Zentren hat RZhD auf das Moskauer Unternehmen NVision Group (http://telemedicine.nvisiongroup.ru) gesetzt.
Germany Trade & Invest www.gtai.de
113
Gesundheitswirtschaft
Ein interessanter Abnehmer für deutsche Medizintechnik sind zudem die Privatkliniken. Der
schlechte Zustand der öffentlichen Krankenhäuser, lange Warteschlangen, fehlender Service und
veraltete Technik spielen privaten Anbietern von Gesundheitsleistungen immer mehr Kunden zu.
Besonders in Moskau und den anderen zehn Millionenstädten des Landes sind mehrere Klinikketten entstanden. Bislang bieten die meisten Privatkliniken aber nur einfache Diagnosedienste wie
Ultraschall-, Blut- oder Röntgenuntersuchungen an. Vollwertige Krankenhäuser mit OP- und Reha-Abteilung sind seltener.
Einer der größten privaten Anbieter in Russland ist die Unternehmensgruppe Medsi, die landesweit nach eigenen Angaben über 90 Kliniken betreibt und jährlich eine halbe Million Patienten
betreut.
Fresenius Medical Care hat Ende Juni 2010 den privaten Betreiber von fünf Dialysekliniken KNC
übernommen. KNC versorgt derzeit als alleiniger Anbieter mehr als 1.000 Patienten in fünf Dialysekliniken in der am Schwarzen Meer gelegenen Region Krasnodar. Diese gehört mit einer voraussichtlichen Zunahme der Patientenzahlen um jährlich über 10% zu den wachstumsstärksten Regionen für Dialysedienstleistungen in ganz Russland. Mit dem Kauf von KNC will Fresenius Medical
Care die Präsenz im wachsenden Markt für Dialysedienstleistungen in Russland verstärken. Dort
benötigen derzeit über 20.000 Patienten eine regelmäßige Nierenersatztherapie. Fresenius
Medical Care betreibt derzeit fünf Dialysekliniken mit rund 570 Patienten.
Auch die Anbieter von privaten Krankenversicherungen bauen eigene Krankenhäuser, um ihren
Kunden einheitliche Qualität bei der Behandlung zu bieten und zugleich die Ausgaben kontrollieren zu können. So plant die zur Allianz gehörende Versicherungsgruppe Rosno den Aufbau einer
Klinikkette in Russland. Wettbewerber Ingosstrach betreibt unter dem Label „Bud Sdorow“
(www.7828882.ru) bereits fünf Häuser in Moskau, Saratow und Sankt Petersburg und plant weitere
in Nowosibirsk, Kasan, Ufa und Krasnodar.
Nach Untersuchungen der Discovery Research Group entfallen etwa 60% des Privatmedizin-Marktes in Russland auf stomatologische Dienstleistungen und 20% auf Gynäkologie. Weitere 10% nehmen Diagnostik- und Laboruntersuchungen ein; 6% der Bereich Kosmetologie/Körperpflege.
3.3.4 Kontaktanschriften
Ministerstwo promyschlennosti i torgowli Rossijskoi Federazii
(Ministerium für Industrie und Handel der Russischen Föderation)
Departament chimiko-technologitscheskogo kompleksa i bioinschenernych technologi
(Abteilung für den chemisch-technologischen Komplex und Biotechnologien, zuständig für
Ansiedlung von Pharma- und Medizintechnikproduzenten)
Abteilungsleiter: Dmitri Walerjewitsch Kolobow
Kitaigorodski proesd 7, 109074 Moskau
Tel.: 007 495/632 84 63, Fax: -251 95 34
E-Mail: kolobov@mte.gov.ru, Internet: www.minprom.gov.ru
114
Modernisierungsoffensive in Russland
Ministerstwo sdrawoochranenija i sozialnogo raswitija Rossijskoi Federazii
(Ministerium für Gesundheitsschutz und soziale Entwicklung der Russischen Föderation
Departament meschdunarodnogo sotrudnitschestwo
(Abteilung für internationale Zusammenarbeit)
Abteilungsleiter: Iwan Iwanowitsch Dubow
Rachmanowskij pereulok 3, 127994 Moskau
Tel.: 007 495/625 11 40, Fax: -694 02 12
Internet: www.minzdravsoc.ru
iMeda
(International Medical Device Manufacturers Association)
(Verband der ausländischer Medizintechnik-Hersteller in Russland)
uliza Krasnoproletarskaja 16, Gebäude 1, 127473 Moskau
Tel.: 007 495/232 49 55
E-Mail: assist@imeda.ru, Internet: www.imeda.ru
Rossijskaja assoziazija predprijati po remontu i prodasche medizinskoi techniki (RAPMED)
(Russischer Verband der Reparatur- und Handelsunternehmen für Medizintechnik)
uliza Dubininskaja 98, office 534, 115093 Moskau
Tel./Fax: 007 495/958 28 55
E-Mail: rapmedsp@mtu-net.ru, Internet: www.rapmed.ru
Rossijskaja assoziazija telemediziny (RAT)
(Russischer Verband für Telemedizin)
uliza Dubininskaja 53, Gebäude 5, 115054 Moskau
Tel.: 007 495/641 12 12, Fax: -11
E-Mail: marketing@nvisiongroup.ru, Internet: http://telemedicine.nvisiongroup.ru/telemed
Federalnaja sluschba w sfere sdrawoochranenija i sozialnogo raswitija
(Föderaler Dienst auf dem Gebiet der Gesundheitserhaltung und sozialen Entwicklung,
Rosdrawnadsor)
Slawjanskaja ploschtschad 4, Gebäude 1, 109074 Moskau
Tel.: 007 495/698 45 38
E-Mail: info@roszdravnadzor.ru, Internet: www.roszdravnadzor.ru
Privatmed
(Vereinigung der privaten Medizinzentren und Kliniken)
Koschewnitscheskaja uliza 7, Gebäude 1, 115114 Moskau
Tel.: 007 495/234 04 54
E-Mail: privatmed@mail.ru, Internet: www.privatmed.ru
Medsi
(Privatklinik-Kette)
Generaldirektor: Alexander Wladimirowitsch Ledowski
Grusinski pereulok 3a, 123056 Moskau
Tel.: 007 495/254 44 36, Fax: -93
E-Mail: referent@medsi.ru, Internet: www.medsi.ru
Germany Trade & Invest www.gtai.de
115
Gesundheitswirtschaft
OAO SK Rosno
(Versicherungsgesellschaft, plant Aufbau einer Kette von Privatkliniken)
Ansprechpartner: Boris Tawakkoli (Senior Relationship Manager)
Oserkowskaja nabereschnaja 30, 115184 Moskau
Tel.: 007 495/956 21 05, ext. 2951
E-Mail: tawakkoli@rosno.ru, Internet: www.rosno.ru
3.4 Markteinstieg für deutsche Unternehmen im Gesundheitswesen
Arbeitsgruppe „Gesundheit“ bei der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer in Moskau
Fünf Themenfelder:
- Produktion von Medizintechnik und Arzneimitteln
- Ausbildung von medizinischem Fachpersonal
- Qualitätsstandards
- Management von Einrichtungen des Gesundheitswesens
- Strukturreform des Gesundheitswesens
Kontakt: René Harun, Bereichsleiter Mitgliederbetreuung, Tel.: 007-495/234 49 53,
E-Mail: harun@russland-ahk.ru
116
Modernisierungsoffensive in Russland
„Größte Chancen bei Pharmazeutika
und medizinischen Verbrauchsmaterialien“
Interview mit Julius Krüger, Direktor International Business Development Fresenius Medical Care und Leiter der AG
Gesundheitswirtschaft bei der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer
Wie stellt sich die augenblickliche Situation in der russischen
Gesundheitswirtschaft dar?
Grundsätzlich positiv, aber der Sektor ist augenblicklich durch
die neue gesetzliche Situation auch von einigen Unsicherheiten
geprägt. Ein bereits verabschiedetes Gesetz regelt die preisliche Gestaltung im Bereich Pharma. So
dürfen zum Beispiel Groß- und Zwischenhändler je nach Region nur noch bis zu 15% auf die registrierten Abgabepreise aufschlagen. Der eigentliche Hintergrund bestand in einer Budgetregulierung und dem Schutz der einheimischen Hersteller. Aus meiner Sicht wird dieses Ziel nicht erreicht, da durch die neue Gesetzgebung einheimische Hersteller eher benachteiligt werden.
Ein weiteres - noch nicht verabschiedetes - Gesetz soll den Einfluss der Pharmaindustrie einschränken. Beispielsweise soll geregelt werden, dass Pharmavertreter ärztliches Personal nicht während
der Arbeitszeit aufsuchen und die Ärzte nicht an Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen sollen,
die durch die Pharmaindustrie organisiert werden. Natürlich ist es wichtig, dass die Beziehungen
zwischen Pharmaunternehmen und medizinischem Personal an ethischen Verhaltensregeln, der
so genannten Compliance, ausgerichtet sind. Ein Gesetz wie das oben genannte kann aber dazu
führen, dass die Ärzte von wichtigen Informationen abgeschnitten werden und ihre Weiterbildung im internationalen Maßstab zurückbleibt.
Insgesamt war die Pharmaindustrie von der Krise weniger als andere Branchen betroffen und es
lässt sich ein Aufwärtstrend erkennen.
Die stärkere Einflussnahme auf das Handeln der Pharmaindustrie gilt für wen?
Es gilt für die gesamte Branche, unabhängig davon, ob der Hersteller aus dem In- oder Ausland
kommt.
Der Staat plant grundlegende Strukturreformen im Gesundheitswesen. Was genau ist geplant?
Es soll zuallererst ein neues Tarifsystem etabliert werden. Das bedeutet, dass der Gesundheitsfonds
künftig seinem Namen gerecht wird, und Leistungen im Rahmen der medizinischen Grundversorgung nach einem Leistungskatalog abgerechnet und den Gesundheitseinrichtungen bezahlt werden sollen. Dies ist grundsätzlich sehr positiv zu bewerten. Bis dato stehen Umfang und Höhe der
Leistungen allerdings noch nicht genau fest. Das gilt sowohl für staatliche Krankenhäuser als auch
für private Gesundheitseinrichtungen.
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117
Gesundheitswirtschaft
Wann macht es für ein Unternehmen Sinn in Russland zu produzieren?
Das muss natürlich jedes Unternehmen individuell für sich beantworten. Der politische Wille besteht in einer verstärkten nationalen Produktion. Allerdings ist noch nicht klar, wie ein entsprechender Anreiz zur Ansiedlung einer Produktion aussehen kann. Das russische Gesundheitsministerium hat schon im vergangenen Jahr postuliert, dass die 100 wichtigsten Präparate im Land produziert werden sollen. Das Know-how zu deren Produktion kommt allerdings größtenteils aus dem
Ausland. Die AG Gesundheitswirtschaft der AHK befindet sich im Dialog mit dem Industrieministerium, um die Eckpunkte einer möglichen Zusammenarbeit für deutsche Unternehmen auszuloten. Wir rechnen mit guten Chancen, auch für deutsche Firmen, sich an solchen Projekten beteiligen zu können.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Vorgehen des Industrieministeriums und dem der die Investitionen
begleitenden Regionen?
Die Regionen bemühen sich generell um Investitionen, im Industrieministerium gibt es jedoch
eine eigene Abteilung, die nur damit betraut ist, im Bereich Gesundheitswirtschaft die Investitionen zu fördern und zu begleiten. Es gibt jeweils eine Abteilung für Pharma und für Medizintechnik.
Wir hatten bereits einen Vertreter des Ministeriums in einer AG-Sitzung zu Gast. Derzeit bemühen
wir uns weiter im Dialog mit dem Ministerium, um noch konkretere Informationen zu erhalten,
wie sich die deutsche Wirtschaft an diesem Programm beteiligen kann.
Gibt es Regionen, in denen sich Pharmaunternehmen verstärkt ansiedeln?
Es gibt einerseits die Sonderwirtschaftszonen, deren Attraktivität sich in erster Linie aus ihrer Zollpolitik ergibt. Andererseits gibt es zahlreiche engagierte Regionen, wie zum Beispiel Kaluga oder
die Gebiete Moskau und Leningrad, die mit einer industriefreundlichen Ansiedlungs- und Investitionspolitik bereits einige Erfolge im Werben um ausländische Investoren erzielen konnten.
Für welche Firmen der Gesundheitswirtschaft lohnt sich der Gang nach Russland?
Die größten Chancen liegen im Bereich Pharmazeutika und medizinische Verbrauchsmaterialien,
weil der russische Markt im internationalen Vergleich betrachtet noch deutlich unterversorgt ist
und somit ein hohes Wachstumspotenzial aufweist. Global gesehen ist Russland vom Marktvolumen her natürlich noch nicht mit den großen etablierten Absatzmärkten Westeuropas oder den
USA vergleichbar. Aber der Wachstumstrend ist unverkennbar.
Bei Medizingeräten lohnt sich eine Produktion in Russland oftmals nicht, da die Stückzahlen für
ein komplettes Werk meist nicht ausreichend sind. Es kommt eher eine Endmontage in Betracht.
Hier gilt es aber die zollrechtlichen Vorschriften zu beachten, weil es teilweise teurer ist, die Einzelteile einzuführen als das gesamte Produkt.
Insgesamt kommt erschwerend hinzu, dass die Kreditzinsen in Russland immer noch erheblich
über denen Westeuropas liegen und die Inflation höher ist.
Wie erschließt man dann den Markt: Mergers and Acquisitions?
Unbedingt! Augenblicklich ist es der bessere Weg. Es gibt Fachkräfte, vorhandenes Know-how,
Lizenzen, die notwendige Infrastruktur. Das alles müsste man bei einem Greenfield-Projekt erst
entwickeln. Die Fachkräfte werden traditionell an bestimmten Universitäten im Land ausgebildet,
deshalb ist die Kooperation meiner Ansicht nach der Königsweg zur Markterschließung.
118
Modernisierungsoffensive in Russland
Im Zuge der Marktschutzmaßnahmen gilt in Russland ein Gesetz, nachdem inländische Hersteller im
Vergabeverfahren um bis zu 15 % teurer anbieten dürfen. Welche Auswirkungen hat dieses Gesetz?
Zunächst muss man sagen, dass das Gesetz nicht immer stringent angewendet wird. Es soll natürlich die Unternehmen unterstützen, die im Land investiert haben, und diese ermutigen, dies auch
weiterhin zu tun. Im konkreten Fall unseres Unternehmens wirkt sich das Gesetz grundsätzlich positiv aus, denn für die Peritonealdialyselösungen, die wir in Russland produzieren, haben wir nur
einen Mitbewerber, und der produziert nicht in Russland. Allerdings ist dieses Gesetz zeitlich zunächst bis Ende 2010 begrenzt, und ich glaube kaum, dass bei einem WTO-Beitritt Russlands solche
Marktschutzmaßnahmen dauerhaft zu halten sein werden.
Wie ist es um das medizinische Wissen der Ärzte und des medizinischen Personals bestellt? Moderne
Medikation erfordert permanente Weiterbildung.
Grundsätzlich ist der Wissensstand der Ärzte gut. Prinzipiell ist auch die universitäre Ausbildung
nicht schlecht. Allerdings variiert der Kenntnisstand abhängig von den Regionen. Dort kommt
noch das Problem der flächendeckenden Versorgung hinzu. Ähnlich wie in Deutschland fehlt es an
Ärzten auf dem Land. Unabhängig davon müssen Ärzte über den neuesten Stand pharmazeutischer Produkte informiert werden, und dem steht das beschriebene neue Gesetz entgegen.
Was ist aus den anspruchsvollen Plänen zum Bau hochmoderner Kliniken geworden?
Ein Teil der Projekte wurde bereits realisiert, die Verantwortung dafür ist aber letztes Jahr aus dem
Gesundheitsministerium an die Staatsholding Rostechnologii übertragen worden. Sie führt das
Projekt mit staatlichen Geldern zu Ende.
Woher kommen die Wettbewerber, mit denen sich die deutsche Gesundheitswirtschaft in Russland
messen muss?
Bei den qualitativ hochwertigen und technisch anspruchsvollen Produkten sind die Hauptwettbewerber amerikanische und europäische Hersteller. Es gibt mittlerweile aber auch eine breite Palette indischer und chinesischer Importe, die jedoch eher im Wettbewerb mit den russischen Herstellern stehen. Allerdings gab es in der Vergangenheit immer wieder Qualitätsprobleme mit diesen
Herstellern - es entscheidet sich also nicht nur über den Preis, denn die Folgekosten liegen oftmals
deutlich über dem Einsparpotenzial.
Als wie effektiv erweist sich der direkte Draht über die AG Gesundheitswirtschaft der AHK zum
Ministerium?
Es ist der richtige und Erfolg versprechende Weg, auch wenn wir uns wünschen würden, noch intensiver mit dem Ministerium über anstehende Maßnahmen in Diskussion treten zu können.
Das Interview führte
Jens Böhlmann, AHK Moskau
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119
Gesundheitswirtschaft
„In den nächsten Jahren wird der
Medizintechnik-Bedarf noch steigen“
Interview mit Andreas Berns, Vice President Siemens OOO,
Leiter Healthcare
Wie stellt sich der Markt für Medizintechnik nach der Krise dar?
Bis 2008 gab es jährlich Steigerungen im zweistelligen Bereich
im Markt für Medizintechnik. 2009 setzte die genau entgegen
gesetzte Entwicklung ein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt halten wir die Krise für fast überwunden. Augenblicklich werden
sehr viele Ausschreibungen für Projekte lanciert. Relevant für
die Jahresentwicklung wird es in der Regel ab April, denn vorher bewegt sich kaum etwas im Markt.
In welchen Bereichen sind die Investitionen besonders massiv?
Immer noch im Hochtechnologie-Bereich, High-tech-Medizintechnik, in der Bild gebenden Technik, bei der Infrastruktur von Krankenhäusern - Hardware hat immer noch oberste Priorität. Aber
auch im Bereich Krankenhaus-Management herrscht großer Nachholbedarf: Schulung des Personals, Schulung des Managements wird insbesondere von unserem Hause immer im Paket mit angeboten.
Auch der Bereich IT-Infrastruktur wächst stark. Darüber hinaus lässt sich eine Tendenz des Übergangs vom staatlichen Gesundheitswesen zum privaten Gesundheitssektor feststellen. Den Beginn
einer solchen Entwicklung markiert immer die Zahnmedizin, jetzt folgen Diagnostikeinrichtungen, dabei besonders Labortechnik und Bild gebende Technik. Mittlerweile wollen Patienten nicht
zu jeder Behandlung ins Ausland fahren, deshalb schaffen Privatunternehmer diese Technik an,
auch wenn die eigentliche Behandlung oft noch im Ausland durchgeführt wird.
Diese Investitionen kommen aus dem In- oder Ausland?
Nach unserer Erfahrung sind es inländische Investoren - vor allen Dingen Unternehmen, die zusammen mit einem Arzt in einer Region eine Klinik oder ein Diagnostikzentrum aufbauen.
Wie verteilen sich die Gelder auf den staatlichen und privaten Sektor?
Die privaten Krankenversicherungen kooperieren mit solchen Zentren, die staatliche Krankenversicherung übernimmt nur teilweise die Behandlungskosten.
Bleiben diese Leistungen damit Besserverdienenden vorbehalten?
Nein, denn wenn ein Betroffener auf den einzigen Computer- oder den einzigen Magnet-Resonanz-Tomographen (MRT) im Umkreis von 500 Kilometern angewiesen ist, dann wird der Patient
die im Zentrum vorhandene Technologie nutzen - so rechnet der Unternehmer. Das geht so weit,
dass die Zentren für die umliegenden Ortschaften kostenlose Transportmittel zur Verfügung stellen, um die Patienten zur Untersuchung zu bringen.
120
Modernisierungsoffensive in Russland
Wie ist es um die Ausstattung der Krankenhäuser insgesamt bestellt?
Es gibt zum Beispiel durchschnittlich mehr Krankenhausbetten als in Europa.
Trotzdem gilt der medizinische Standard in Russland als ungenügend?
Ja, denn das noch immer in weiten Teilen des Landes bürokratische System ist sehr belastend. Eine
Behandlung, die in Deutschland stationär an einem Tag gemacht würde, braucht in Russland teilweise eine Woche oder mehr. Für eine CT- oder MR-Diagnose müssen verschiedenste Instanzen
durchlaufen werden, um in den Genuss einer Diagnose zu kommen. Deswegen boomt der Privatsektor so stark.
Wir können nur dazu beitragen, dass das Personal unsere Apparaturen sachlich gut bedienen kann
und zu mehr als 50 % seiner Funktionalität nutzt - so wie es teilweise heute schon der Fall ist. Die Ärzte werden nach westlichem Vorbild intensiv und regelmäßig geschult.
Wie ergiebig ist der russische Markt unter den obwaltenden Bedingungen?
Die zu Beginn der 1990er Jahre gelieferten Geräte und Ausrüstungen sind 15 bis 20 Jahre alt und
müssen ausgetauscht werden; der Markt wird sich auf dem heutigen Niveau kontinuierlich weiterentwickeln. In den nächsten Jahren wird der Bedarf eher noch ansteigen.
Welche Wirkung hat das Nationale Projekt „Gesundheit“ auf diese Entwicklung?
Dieses Projekt trägt maßgeblich dazu bei, das System zu verbessern. Leider ist das Projektmanagement nicht immer sehr effizient - teilweise wurden Objekte auf die „grüne Wiese“ gestellt, ohne
vorher sicherzustellen, dass auch genügend Ärzte zur Verfügung stehen.
Spüren Sie den zunehmenden Marktprotektionismus auch im Bereich Medizintechnik?
Es gibt eine generelle Tendenz, die Produktion und die Wertschöpfung im Land zu etablieren. Für
einen Medizintechnikhersteller sind die in Russland anzunehmenden Stückzahlen jedoch nicht effizient genug, um eine Produktion zu rechtfertigen. Russland ist kein low-cost-Land; es hat aus betriebswirtschaftlichen Gründen einfach keinen Sinn, solche Produktionen nach Russland zu verlagern.
An wen werden Ausschreibungen vergeben: an Generalauftragnehmer, die dann weiter vergeben?
Ja, wir nehmen an Ausschreibungen mit Generalauftragnehmern teil, denn die Gesamtprojekte
beinhalten mehr als die Medizintechnik - das Gebäude, die Betonkonstruktionen, bauliche Modernisierungen und so weiter. Wir verkaufen an Business-Partner, die dann wiederum das Gesamtspektrum des Krankenhauses und im Wesentlichen die Finanzierung abdecken können.
Würde ein Joint Venture lohnen?
Wir produzieren für die gesamte Welt Computertomographen in wenigen Werken. So machen es
auch unsere Mitbewerber. Eine lokale Wertschöpfung für diese Art von High-tech-Equipment ist
einfach unwirtschaftlich.
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121
Gesundheitswirtschaft
Haben die deutschen Mittelständler eine realistische Chance auf diesem Markt?
Ja, absolut. Die meisten deutschen Hersteller sind hoch spezialisiert, und der russische Markt ist ein
High-end-Markt. Das bedeutet, dass qualitativ hochwertige Produkte in Russland gekauft werden.
Während der Krise sind Firmen aus Asien mit sehr aggressiven Angeboten in den Markt eingedrungen, aber unser Segment bleibt nichtsdestotrotz attraktiv, auch wenn die Preise sinken. Qualität ist
ein Unique selling point (Alleinstellungsmerkmal) in Russland.
Was sind im Bereich Medizintechnik in nächster Zeit die größten Projekte?
In den nächsten fünf Jahren wird die Nachfrage im Bereich Onkologie sehr stark sein, Neubau und
Modernisierung von Krankenhäusern, Spezialkliniken werden auf der Agenda stehen. In der
nächsten Dekade der IT-Bereich - die Infrastruktur ist immer noch weitestgehend nicht vorhanden,
und unter dem Gesichtspunkt der immer noch frühen SteRubelichkeit die Gebiete Fürsorge, Pflege, Vorsorge und gesunde Lebensweise.
Das Interview führte
Jens Böhlmann, AHK Moskau
122
Modernisierungsoffensive in Russland
„An einem Prüfzentrum in Russland
führt kein Weg vorbei!“
Deutsche Pharmafirmen müssen sich im Russlandgeschäft gewaltig umstellen. Bei der Anerkennung klinischer Prüfungen
und auch bei der Produktion schreibt die russische Regierung
Lokalisierung vor. Rechtsanwalt Dr. Christoph Dengler, Pharmaexperte und Leiter der deutschen Praxis der internationalen
Kanzlei Mannheimer Swartling, gibt im Interview mit Germany
Trade and Invest praktische Tipps und zeigt die zentralen Gesetzesbaustellen auf.
Vom Krankenhausbau bis zum Import und der Produktion von
Medikamenten und Medizintechnik - im Augenblick werden fundamentale Gesetzesänderungen diskutiert. Was kommt auf deutsche
Pharmafirmen zu?
Es gibt eine Reihe von Entwürfen, an denen das Gesundheitsministerium arbeitet. Etwa am sehr
umstrittenen Medizinprodukte-Gesetz sowie am Gesetzesentwurf über Orphan Drugs. Außerdem
verfasst das Ministerium den Entwurf zur Regulierung von Außendienstbesuchen. Ich warte mit
Spannung auf den Herbst. Dann soll der Entwurf vorgestellt werden soll. Es geht um die Frage, was
Außendienstmitarbeiter in Zukunft dürfen und was verboten ist. Die russischen Kartellbehörden
hatten schon bei den Kommentierungen zum neuen Arzneimittelgesetz versucht, Besuche von
Pharmavertretern bei Ärzten und medizinischen Fachmitarbeitern einzuschränken.
Apropos Arzneimittelgesetz, das tritt am 1. September 2010 in Kraft?
Ganz richtig! Das Gesetz „Über den Umlauf von Arzneimitteln“ bringt veränderte detaillierte Regelungen zur Zulassung von Arzneimitteln, zur staatlichen Regulierung von Preisen, bis hin zu ausführlichen Vorschriften bei klinischen Prüfungen.
Einige Experten kritisieren, dass etwa klinische Prüfungen aus Deutschland in Russland nicht mehr
anerkannt würden.
Das ist so nicht richtig. Die internationale Regel besagt, dass die Ergebnisse klinischer Prüfungen
im Ausland im Rahmen der Zulassung dann anerkannt werden, wenn sie gemäß dem Standard der
„Guten Klinischen Praxis“ durchgeführt werden. Das wird durch Inspektionen überprüft. Gemäß
dem neuen russischen Arzneimittelgesetz sollen aber nur noch solche Ergebnisse von internationalen klinischen Prüfungen anerkannt werden, die zumindest teilweise in Russland durchgeführt
worden sind.
Herr Dengler, Sie haben früher viele Jahre in der Rechtsabteilung des forschenden Pharmaunternehmens
Boehringer Ingelheim gearbeitet. Hätte Ihnen diese Regelung damals Kopfschmerzen bereitet?
Na ja, es ist bedauerlich, aber man muss sich eben auf die neue Situation einstellen. Die Unternehmen sollten die klinischen Prüfungen auf Russland mit mindestens einem Prüfzentrum ausdehnen. Wenn dies nicht möglich ist, etwa wenn die klinischen Prüfungen bereits abgeschlossen worden sind, muss man sie teilweise wiederholen. Da reicht auch ein kleinerer Umfang.
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123
Gesundheitswirtschaft
Erwarten sie einen solchen Lokalisierungszwang auch bei der Produktion von Arzneimitteln?
Ja. Bisher kann nur keiner genau sagen, ab welchem Fertigungsgrad ein Arzneimittel als
„hergestellt in Russland“ gilt.
Da ist es mit der Rechtssicherheit für deutsche Firmen aber nicht weit her.
Bisher kann ich noch keinem Unternehmen klare und feststehende Kriterien nennen. Es kursieren
immer wieder Zahlen von 15 bis 30 % lokalen Fertigungsgrades, zum Teil auch in Abhängigkeit vom
Produktionsstart. Aber man bekommt keine Richtschnur an die Hand. Klar ist jedoch: Russland will
nicht mehr einfach nur teure ausländische Produkte kaufen, sondern mehr Hightech-Industrie im
Land ansiedeln. Die Regierung zwingt ausländische Unternehmen dazu, einen Teil der Wertschöpfungskette vor Ort zu „lokalisieren“ und auf diese Weise die innovative Industrie im Land zu fördern.
Was sind die Vorteile, wenn ein Produkt als russisches angesehen wird?
Da gibt es viele Vorteile, von der Teilnahme an staatlichen Ausschreibungen bis hin zu Zollprivilegien bei der Einfuhr von benötigten Rohmaterialien im Gegensatz zu wohl höheren Zollsätzen
gleichartiger Konkurrenzprodukte, die nach wie vor im Ausland hergestellt werden.
Dann sehen Sie also eine klare Tendenz für die Zukunft: Die deutschen Arzneimittelexporte nach Russland werden sinken, dafür nimmt die lokale Fertigung auf diesem dynamischen Markt weiter zu?
Das ist das Ziel der russischen Regierung, und darauf wird es hinauslaufen.
Das Interview führte
Bernd Hones, Germany Trade and Invest
Kontaktanschrift
Mannheimer Swartling
Sweden House, Malaya Konyushennaya 1/3a
191186 Sankt Petersburg
Tel.: 007 812/335 23 00, Fax: -01
Internet: www.mannheimerswartling.se/en/Contact-database/Dr-Christoph-Clemens-Dengler
Ansprechpartner: Dr. Christoph C. Dengler
(E-Mail: christoph.dengler@msa.se, Mobil: 007 921/181 66 78)
124
Modernisierungsoffensive in Russland
Informations- und Telekommunikationstechnik
4.
Informations- und Telekommunikationstechnik
4.1 Telekommunikationstechnologie
Russland will die führende Position in der Welt bei der Entwicklung von Informationstechnologien
und Software erobern. Die heimischen Telekommunikationsnetze sollen dem neuesten Stand der
Technik entsprechen. Doch im Augenblick hängt die russische Telekom-Industrie westlichen Staaten noch hinterher. Schuld daran hatten nicht zuletzt die Regulierungsbehörden. Sie verzögerten
die nötigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Schaffung moderner Netze und zukunftsweisender Technologien auf dem Telekommunikationsmarkt. Bürokratische Barrieren verhinderten
jahrelang, dass russische Netzbetreiber und Dienstleister in Moskau und anderen Regionen ein
3G-Netz entwickelten. Präsident Dmitri Medwedew musste höchstpersönlich intervenieren, damit
die längst überfälligen Rahmenbedingungen für 3G geschaffen werden konnten.
Die Folge: Im Dezember 2009 erhielten Russlands Telekom-Konzerne die Erlaubnis für die Implementierung der 3G-Technologie in Moskau. Bei der nächsten Entwicklungsstufe, 4G, soll das größte
Land der Welt nicht mehr hinterher hinken. Medwedew will bereits 2010 die ersten 4G-Zonen verwirklicht sehen. Der russische Binnenmarkt für Telekommunikationsdienstleistungen wachse um
wenigstens 15% jährlich. In einigen Fällen seien es sogar 30%. Dieser Trend betreffe aber nur Großstädte, räumte Medwedew ein. Moderne IT-Technologien müssten aber im ganzen Land verbreitet
werden. Damit nicht genug: In kürzester Zeit soll es Medwedew zufolge in Russland ein System von
Fördermaßnahmen geben, das die wissenschaftliche Forschung beflügelt und die Entwicklung
von Produktideen bis zur Marktreife vorantreiben hilft.
Auch wenn bei staatlichen Ausschreibungen heimische Hersteller am längeren Hebel sitzen - das
Modernisierungstempo bringt gute Chancen für deutsche Zulieferer und Consultants. Denn im
ganzen Land wird investiert in neue Ausrüstung, bessere Netze und größere Übertragungsraten.
Aber die Konkurrenz schläft nicht: Der chinesische Telekomausrüster Huawei etwa dürfte 2009
rund 630 Mio. US$ Umsatz in Russland erzielt haben. Auch der französische Alcatel-LucentKonzern ist gut im Geschäft.
4.1.1
Der Telekommunikationsmarkt im ÜbeRubelick
Die Einnahmen aus Telekommunikations- und Postdienstleistungen sind im Jahr 2009 in Russland
um 2,9% auf 1.272,9 Mrd. Rubel gestiegen. Das hat der Statistikdienst der Russischen Föderation mitgeteilt. Der elektronische Funkverkehr - dazu gehört auch die Mobiltelefonie - legte um 2,3% auf
554,4 Mrd. Rubel zu. Das stärkste Plus verzeichnete der elektronische Dokumentenversand mit
+20,7%; er erreichte ein Volumen von 133,9 Mrd. Rubel. Der Umsatz im Bereich Verbindungsaufbau
stieg um 10,1% auf 177 Mrd. Rubel. Dagegen gaben Russlands Bürgerinnen und Bürger 2009 nur
noch 115,3 Mrd. Rubel für Fern- und Auslandsgespräche aus. Die Einnahmen aus Orts- und Münzferngesprächen blieben mit 142,8 Mrd. Rubel stabil.
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125
Informations- und Telekommunikationstechnik
Die wichtigsten Telekommunikationsunternehmen im ÜbeRubelick (in Mrd. Rubel, nominale Veränderung)
Unternehmen/Internet
Umsatz 2008
Umsatz 2009
Veränderung
2009/2008 in %
MTS
254,8
311,0
22,0
Wympelkom
251,6
275,3
9,4
Swjasinwest
252,9
271,9
7,5
Megafon
175,5
181,8
3,6
Transtelekom
27,5
24,3
-12,0
Tele2
26,0
31,6
11,0 *)
Sinterra
13,1
14,9
13,5
Meschregionalnaja Transittelekom
21,2
13,6
36,0
Sky Link
8,3
11,0
32,5
Akado
7,8
8,9
14,1
Tattelekom
5,3
5,7
7,3
*) inflationsbereinigt
Quellen: Cnews analytics, Tele2-Unternehmensangaben
Kennzahlen zum russischen Telekommunikationsmarkt
2008
2009 Veränderung
2009/2008
in %
VAS-Dienste im
3,1
3,9
27
Bereich Mobilfunk
(in Mrd. US$)
Internetnutzer
(in Mio., zum
Periodenende)
darunter:
Breitbandnutzer
(in Mio., zum
Periodenende)
Quellen: IKS-Consulting, ASM-Holding
126
Modernisierungsoffensive in Russland
Anmerkungen
Den größten Anteil
hat MTS, gefolgt von
Megafon und
Wympelkom
45,4
59,7
32
9,7
13,2
36 Für 2010 werden
16 Mio. Nutzer
prognostiziert
Kundenstamm der drei wichtigsten Mobilfunkanbieter (in Mio. Abonnenten)
Kundenstamm
zum 31.12.2007 zum 31.12.2008 zum 31.12.2009
zum 30.4.2010
MTS
57,6
64,6
69,3
69,7
Wympelkom
51,6
47,7
50,9
50,8
Megafon
35,5
43,3
50,2
52,1
Quelle: ASM-Consulting
Zum Jahr 2014 erwarten Branchenexperten ein Volumen von 3,5 Mrd. US$ für Dienstleistungen
rund um das mobile Internet. Jeder zehnte Russe dürfte bis dahin vom Mobiltelefon beziehungsweise Smartphone aus Onlinedienste nutzen, glauben die Analysten von Frost & Sullivan. Das wären fünf mal so viele Nutzer wie heute.
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127
Informations- und Telekommunikationstechnik
Am höchsten ist die Internet-Dichte in Moskau: 59% aller Haushalte sind das World Wide Web angeschlossen. In Sankt Petersburg haben immerhin 57% aller Haushalte einen Zugang. Einige föderale Bezirke sind dagegen noch stark rückständig. In Sibirien verfügen gerade einmal 28% aller
Haushalte über einen Internetzugang. Aber gerade die russischen Regionen zeichnen sich durch
ein schwindelerregendes Wachstum aus. Im Ural stieg die Anschlussquote das Internet 2009 um
30%, im nordwestlichen Föderal-Bezirk lag das Wachstum sogar bei 35%.
4.1.2 Projekte und Geschäftschancen in der Telekommunikationsbranche
Endlich westliche Standards bei den Übertragungsraten, neue Telefonstationen, digitales Radio
und Fernsehen sowie neue Frequenzbereiche - das sind die prioritären Projekte der russischen
Regierung im Bereich Telekommunikation. Dafür dürften Angaben der Behörde zufolge bis 2015
knapp 164 Mrd. Rubel investiert werden. Davon kommen über 76 Mrd. Rubel aus dem Haushalt der
Russischen Föderation, heißt es beim Telekom-Ministerium. Den Rest bringen private Investoren
auf. Die Chancen stehen gut, denn am Telekommunikationsmarkt gibt es mittlerweile drei sehr erfolgreiche private Operatoren, die in den vergangenen Jahren massiv vom explodierenden Marktwachstum profitiert haben und bereit sind, Milliarden Euro in den technologischen Fortschritt zu
investieren.
Geschäftschancen bringt das technologische Upgrade auf LTE-Netze. Tele2-Rossija-Chef Dmitri
Straschnow glaubt, dass bis 2012 oder spätestens 2013 mehr als 2,5 Mrd. US$ in die neue Technologie investiert werden. Mehr als 30.000 Basisstationen müssten gebaut werden, damit die Menschen in den größeren Kommunen in Russland angeschlossen werden könnten. In den darauffolgenden Jahren werde das Netz auch auf entlegenere Gebiete ausgeweitet, prognostiziert der
Telekom-Experte.
128
Modernisierungsoffensive in Russland
Eines der größten Investitionsprojekte der kommenden drei Jahre in Russland treibt das unlängst
gegründete Unternehmen Swjasdorinwest voran. Initiator ist die Staatsholding Rostechnologii. Sie
hält ein 25%-Aktienpaket an dem Telekommunikationskonzern, der künftig bestehenden Anbietern Konkurrenz machen soll. Dazu verlegt das Unternehmen entlang bestehender Autostraßen
mehr als 5.000 km Kabel. Im 2. Halbjahr 2010 soll die Projektdokumentation abgeschlossen sein.
Dann kann der erste Teil der Verlegung des Fernnetzes von der finnischen Grenze über Moskau
nach Astrachan und weiter nach Kasachstan beginnen. Ende 2011 könnte die neue Leitung fertig
sein. Danach beginnt die Erweiterung von der weißrussischen Grenze über Moskau nach Samara
und schließlich zur Grenze nach Kasachstan. Die Projekte sollen Ende 2012 fertig gestellt sein und
dürften zusammen 550 Mio. US$ kosten.
Die russische Regierung, die Assoziation der russischen regionalen Netzbetreiber sowie die Telekom-Konzerne selbst prüfen im Augenblick die Einführung der Number Portability. Also die Möglichkeit, die eigene Nummer bei Anbieterwechsel beizubehalten. Russlandweit dürfte diese IT-Systemerweiterung 500 Mio. US$ kosten. Allein bei Russlands größtem Telekommunikationsunternehmen MTS würden sie mit 127 Mio. US$ zu Buche schlagen. Diskutiert wird nicht nur die Übertragung der Mobilfunknummer, selbst Festnetznummern sollen Telekomkunden künftig im Rahmen
eines Anbieterwechsels „mitnehmen“ dürfen.
Geschäftschancen für Telekomausrüster ergeben sich auch bei der Ausstattung von Flugzeugen.
Künftig sollen Passagiere russischer Airlines an Bord ihr Mobiltelefon benutzen dürfen. Das hat die
zuständige Kontrollbehörde, Goskomissija po radiotschastotam, im Februar 2010 entschieden. Bereits ab 2011 könnte auf S7- und Transaero-Flügen zum ersten Mal die Nutzung von Mobiltelefonen
möglich sein. S7 hat das Unternehmen Meschregionalnyi Transit Telekom (MTT) mit der technischen Lösung für die Bordnetzwerke beauftragt. MTT-Geschäftsführer Eldar Rasrojew schätzt die
Kosten auf 200.000 bis 500.000 US$ pro Flugzeug. Wie viel diese Dienstleistung die Passagiere kosten soll, steht noch nicht fest. Auf internationalen Flügen müssten sie mit mindestens 5 US$ pro
Minute rechnen.
Die größte russische Airline, Aeroflot, ist da schon einen Schritt weiter. Zusammen mit dem Provider Megafon bietet die Fluggesellschaft seit Anfang Juni 2010 Handyempfang in einem Linienflieger zwischen Moskau und London an. Ab 2012 oder spätestens 2013 sollen Jahr für Jahr 19 Mio. Aeroflot-Passagiere in 115 Flugzeugen auf dem eigenen Smartphone Internet nutzen, telefonieren
oder SMS/MMS schreiben und empfangen können.
Der russische Telekommunikationskonzern Rostelekom wird in den kommenden fünf Jahren für
die komplette Datenübertragung, das interne Kommunikationssystem sowie Infrastruktur-Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Bezahlung von kommunalen Gebühren beim russischen Postmonopolisten Potschta Rossi verantwortlich zeichnen und dafür 5,23 Mrd. Rubel erhalten. Damit nicht genug: Künftig könnte die russische Post auch die Bereiche IP-Telefonie sowie die
Verwaltung der IT-Infrastruktur ausschreiben.
Geschäftschancen für deutsche Unternehmen ergeben sich bei der Vernetzung der künftigen
Olympiazone rund um Sotschi. Darunter fallen die Kurorte entlang der Küste, sowie die Austragungsorte der Sportveranstaltungen. Das Unternehmen OAO Juschnaja telekommunikazionnaja
Kompanija (JuTK) wird 185 Mio. US$ für die Verlegung von Glasfaserleitungen investieren. Weiterhin dem baut JuTK 2010 für rund 600 Mio. Rubel das Breitbandnetz im gesamten Krasnodarski krai
aus. Damit will das Unternehmen die Zahl der ADSL-Breitbandanschlüsse auf 68.000 Stück erhöhen. Weiterhin sollen in mehr als 800 Hochhäusern optische Kabel mit Ethernet-Technik verlegt
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129
Informations- und Telekommunikationstechnik
werden. Ein neues Projekt der Telekommunikationsfirma ist die Ausstattung von Neubauwohnungen mit der modernen ETTH-Hochgeschwindigkeitstechnologie. Häuser mit mehreren Wohnungen sollen mit der Voice over IP-Technologie ausgerüstet werden. JuTK gehört zur SwjasinwestGruppe.
Insbesondere beim Breitbandanschluss liegt Russland im Augenblick noch hinter den westlichen
Ländern: Gerade einmal 11 Mio. Haushalte verfügen über einen Zugang zu diesem Hochgeschwindigkeitsnetz. Bis 2014 soll sich das schlagartig ändern, dann dürften 35 Mio. Haushalte mit insgesamt 94 Mio. Menschen einen Breitbandanschluss haben, 70% mehr als 2010. Diese Prognose vertritt das Marktforschungsunternehmen Nesawisimyi obsor prowaiderow. Die Kosten für das NetzUpgrade dürften sich auf bis zu 10 Mrd. US$ belaufen. Dazu kommen 2 Mrd. Rubel für die Bereitstellung der Dienstleistungen.
In der Republik Komi verfügen rund 100.000 Haushalte über einen Breitband-Internetanschluss.
Das Unternehmen Sewero-Sapadnyi Telekom will 2010 rund 230 Mio. Rubel in den Ausbau der Telekominfrastruktur in der Republik stecken. Neben der Erweiterung des Breitbandnetzes soll die
Digitalisierung des Telefonnetzes voranschreiten, im Augenblick liegt der Digitalisierungsgrad bei
84%.
Die Aktiengesellschaft Zentralnyi Telegraf will für 260 Mio. Rubel ihr bestehendes Breitbandnetz
optimieren, um dadurch noch mehr Nutzer zu gewinnen. Die wichtigste Investition ist die Erweiterung der Datenübertragungsrate von 10 auf 40 Gbit pro Sekunde entlang des Moskauer Transportrings. OAO Zentralnyi Telegraf hat in der Stadt und im Umland von Moskau rund 176.000 Nutzer.
Rostelekom-Generaldirektor Anton Kolpakow will die Installation drahtloser Breitbandnetze mit
der neuesten 4G-Technologie vorantreiben. Möglich sei auch die Ausstattung mit einem WimaxNetz der dritten Generation. Er aber befürworte das „progressivste und modernste Netz“, sagte der
Unternehmenschef gegenüber der russischen Presse im April 2010. Rostelekom hat im März 2010
die Ausschreibung für die Ausrüstung von 38 Regionen der russischen Föderation mit Breitbandzugang gewonnen. Sollte Rostelekom tatsächlich auf Technologie der vierten Generation setzen,
so kämen im Augenblick als Ausrüster nur ausländische Unternehmen in Betracht. Denn derzeit
vermag kein russischer Hersteller Breitbandnetz-Technik mit der neuesten 4G-Technologie zu produzieren. Zu den Ausschreibungsbedingungen zählt allerdings die Verwendung von Technik
made in Russia. Ende 2009 hatte Präsident Dmitri Medwedew Telekommunikationsminister Igor
Schegoljew vorgeschlagen, sofort auf die 4G-Technologie zu setzen und nicht erst den vollständigen Ausbau eines flächendeckenden 3G-Netzes abzuwarten.
Wer als Technikanbieter an dem 30 Mrd. Rubel teuren Projekt partizipieren will, dessen Produkte
müssen mindestens 30% local content aufweisen, 2011 sollen es sogar 40% sein. Ab 2012 muss der Anteil russischer Wertschöpfung an der Telekommunikationsausrüstung bei mindestens 50% liegen.
Ausländischen Unternehmen, die sich in Russland mit ihrer Produktion ansiedeln wollen, verspricht das Telekom-Ministerium staatliche Subventionen, Garantien, Kredite und Steuervergünstigungen. Importzölle auf Ausrüstung für die Produktion sowie Bauteile sollen entfallen, dafür soll
Telekomausrüstung aus dem Ausland mit Strafzöllen belegt werden, droht das Industrie- und Handelsministerium.
Die größte Dynamik werden künftig nicht mehr die Metropolen Moskau und Sankt Petersburg aufweisen. Wesentlich besser entwickeln dürften sich in den nächsten Jahren andere Städte in den Re-
130
Modernisierungsoffensive in Russland
gionen. Dort werden die Internetanbieter auch die größten Investitionsanstrengungen unternehmen. Dazu gehören etwa Swjasinwest und Wympelkom. Aber auch Komstar will eigenen Angaben
zufolge 2010 wieder auf Vorkrisenniveau investieren. Während Komstar früher nur in Städten mit
einer Bevölkerung von über 200.000 Einwohner in die Entwicklung des Breitbandes investierte,
kommen seit 2010 auch 100.000 Einwohner-Städte in Frage. Künftig will das Unternehmen in 200
Städten präsent sein (bislang bietet der Operator Breitbandanschlüsse in 70 Städten an). Wympelkom offeriert Breitbandzugang bisher in 67 Städten, 2010 sollen zehn weitere Städte angeschlossen
werden.
Breitbandzugänge fürs Internet via Mobiltelefon soll es zukünftig nicht nur in 200 Städten in den
Regionen geben, sondern auch in 40 Ortschaften im Umland von Moskau. Komstar will in rund 40
Städtchen, Elitesiedlungen und entlang zentraler Zufahrtsstraßen zur Hauptstadt in die WimaxTechnologie investieren. Vierzig Ortschaften - Firmenangaben zufolge soll das nur die erste Etappe
sein. In den kommenden Jahren werden weitere millionenschwere Investitionen folgen. Neben
Komstar-OTS gehören auch Skartel (mit dem Label Yota) sowie Sinterra zu den wichtigsten Playern
auf dem Markt für mobiles Wimax.
Auch Komstar befürwortet den Einsatz von LTE-Technologien. Neben den „Großen Drei“ - MTS,
Wympelkom und Megafon - bekunden zudem Sky Link und Tele2 Interesse am Ausbau der Netze
der vierten Generation. Kein Wunder: Denn bereits mit der Vorgängertechnologie 3G werden
Russlands Anbieter ausgezeichnete Geschäfte machen. Die 3G-Dienstleistungen dürften MTS im
Jahr 2018 rund 1,4 Mrd. US$ in die Kasse spülen, Wympelkom werde mit dieser Technologie etwas
mehr als 1 Mrd. US$ Umsatz erzielen, glauben Uralsib-Analysten.
Das zuständige Ministerium Minkomsvjazi hat sechs 4G-Testzonen für die Erprobung der neuen
LTE-Technologie ausgewiesen. Dazu gehören Moskau, Sankt Petersburg, die Regionen Kostroma,
Swerdlowsk und Rostow am Don sowie der Primorski Krai. Die Behörde verspricht sich dadurch
gleiche Bedingungen bei künftigen Ausschreibungen für die Lizenzen für Drahtlosnetze. Neben
der staatlichen Swjasinwest (Rostelekom) haben bereits MTS, Wympelkom und Megafon Interesse
an einer Beteiligung an den Testgebieten angemeldet.
Geplante Investitionen in Russlands Telekommunikationsbranche
InvestitionsUnternehmen
Investitions- Anmerkungen / Internet
vorhaben
summe
Projekt
Festnetzbetrei50 Mrd. Rubel Ausstattung aller Haushalte mit
„Sozialna rosetka“ ber in 39 Regiobis 2015 Funkanschlüssen für Telefon,
nen; in Moskau:
Fernsehen, Radio, Internet sowie
Moskowskaja gomit einem Notrufsignal - neben
rodskaja radioMGRS sollen weitere Anbieter leitranslationnaja
tungsgebundener Dienste in den 38
setj (MGRS)
größten Städten Russlands entsprechend aufrüsten
3G, Breitband,
Wympelkom
1,5 Mrd. Euro Anlageinvestitionen 2010: Ausrüsregionale Expantung für 3G-Netze, Anschluss von
sion
mehreren Millionen Haushalten an
Breitbandnetze; Investitionen in
zehn neuen Regionen
Germany Trade & Invest www.gtai.de
131
Informations- und Telekommunikationstechnik
Geplante Investitionen in Russlands Telekommunikationsbranche (Fortsetzung)
Breitband, Fest- Swjasinwest
46 Mrd. Rubel Anlageinvestitionen 2010: Ausbau
netz
Breitbandnetze (24 Mrd. Rubel),
Übertragungsleitungen
(15 Mrd. Rubel), Festnetztelefonie
(3,8 Mrd. Rubel)
InvestitionsUnternehmen
Investitions- Anmerkungen / Internet
vorhaben
summe
IP- und MPLS- Rostelekom
288 Mio. Euro Finanzierung über Eigenkapital
Netze
(SwjasinwestTochter)
4G-Ausrüstung Rostelekom und
30 Mrd. Rubel 4G-Technologie in 39 russischen
regionale
Regionen; Ausrüstung aus lokaler
Tochterfirmen
Produktion (2010: 30% lokaler
Anteil; 2011: 40% lokaler Anteil;
2012: 50% lokaler Anteil und
höher)
Glasfasernetze
Juschnaja tele5,1 Mrd. Rubel Das Unternehmen steigert das
und Breitband
kommunikazionInvestitionsvolumen 2010 um 19%
naja kompanija
gegenüber Vorjahr; das Geld fließt
überwiegend in neue Netze und
Dienste
Erweiterung der Tele2
700 Mio. US$ Investitionen des MobilfunkNetzkapazitäten
Discounters von 2010 bis 2011
Telefonkabel mit Swjasdorinwest
550 Mio. US$ Verbindung von Finnland und Be5.000 km Länge
larus durch Russland bis Kasachstan; Bauarbeiten sollen im 2. Halbjahr 2010 beginnen und Ende 2012
abgeschlossen werden
Modernisierung Sky Link
400 Mio. US$ Bis Ende 2010 soll ein modernes
bestehender
LTE-Netz aufgebaut werden (bei
Netze, Aufbau
Zustimmung vom Telekomministe4G-Testnetze
rium)
Wimax-Ausbau, Skartel
300 Mio. bis 350 Skartel ist bereits in 5 Regionen
LTE
Mio. US$ (2010) vertreten, Ausbau Wimax in 15
weiteren Städten; 100 Mio. US$
sollen in 4G-Technologie fließen;
bis 2016 will Skartel 2 Mrd. US$
in LTE-Technologie investieren
3G-Ausbau,
Megafon
1,3 Mrd. Euro offizieller Sotschi-Sponsor; TeleGlasfasernetze,
komausrüstung wird bei Huawei
Datenverarbeiund Nokia Siemens Networks
tungszentren
gekauft
3G, 4G, DatenMTS
2,6 Mrd. US$ Ausbau des Breitbands und der
verarbeitungs(allein 2010) Netze in den Regionen (das ist bezentren
reits heute eine Stärke von MTS);
Ab 2012 sollen auch 4G-Netze
entstehen
132
Modernisierungsoffensive in Russland
Geplante Investitionen in Russlands Telekommunikationsbranche (Fortsetzung)
Netzausbau
Sinterra
1,7 Mrd. Rubel „organische“ Entwicklung der
Tochterunternehmen
Wimax-Expansion Enforta
25 Mio. US$ im Jahr 2010: Wimax-Ausbau in
25 Regionen
InvestitionsUnternehmen
Investitions- Anmerkungen / Internet
vorhaben
summe
Expansion in 130 Komstar
Investment 2010: Investments in Städten ab
weitere russische
20% des 100.000 Einwohner
Städte
Umsatzes aus
dem Jahr 2009
Einführung von Ausschreibung
30 Mrd. Rubel bis 2012: Wimax in 40 russischen
Wimax, regionale durch MinkomsvRegionen (Ausrüstung aus RussExpansion
jazi
land)
E-Government
Haushalt der Re1 Mrd. Rubel Aus diesem Haushaltstitel sollen
„Elektronische
publik Tatarstan
auch neue Computer und NoteGesellschaft“
books bezahlt werden
Digitales
Minkomsvjazi
122 Mrd. Rubel Programm zur Entwicklung von
Fernsehen
bis 2015 TV- und Radiosendungen der Russischen Föderation von 2009 bis
2015
Neues Satelliten- Minkomsvjazi
k.A. Bis 2014 sollen drei leichte Satellisystem für 2 Mio.
ten ins All befördert und ein Netz
Abonnenten
von Bodenstationen aufgebaut
werden
Quellen: Ria Nowosti, Wirtschaftszeitungen „Rbk daily“, „Wedomosti“ und „Kommersant“, Unternehmensmeldungen, Interviews mit Experten von
Germany Trade & Invest, Wirtschaftsjournal „Expert“, Cnews.ru, Telekommunikationsministerium
Im russischen Wirtschaftsministerium wird im Augenblick eifrig an den Plänen für einen nationalen Netzbetreiber gebastelt - ähnlich der Pläne in Australien. Bis dato verfügen neben Rostelekom,
Transtelekom, Sinterra und Meschregionalnyi Transit Telekom auch MTS, Wympelkom und Megafon über eigene Fernleitungen. Das Projekt befindet sich in den Kinderschuhen, für 2010 sind im
russischen Haushalt keine Mittel dafür vorgesehen. Insgesamt, so Marktexperten, dürfte ein nationales Fernleitungsnetz rund 50 Mrd. US$ kosten. Ein nationaler Netzbetreiber könnte künftig die
Diskriminierung beim Netzzugang verhindern.
4.1.3 Kontaktanschriften
Ministerium für Fernmeldewesen und Massenmedien der Russischen Föderation (Minkomsvjazi)
ul. Twerskaja 7, 125375 Moskau
Tel.: 007 495/771 81 00
E-Mail: office@minsvyaz.ru, Internet: www.minkomsvjaz.ru
OAO Megafon
Kadaschewskaja nabereshnaja 30, 115035 Moskau
Tel.: 007 495/980 19 70, Fax.: -49
E-Mail: info@megafon.ru, Internet: www.megafon.ru
Germany Trade & Invest www.gtai.de
133
Informations- und Telekommunikationstechnik
Ansprechpartner:
Per Ulof Schestedt, Direktor für Strategie
Larisa Tkatschuk, stellvertretende Geschäftsführerin für Kommerz
Wympelkom Group
4. Krasnoproletarskaja nabereshnaja, 127006 Moskau
Tel.: 007 495/725 07 00, Fax: 007 909/991 79 03
E-Mail: Investor_Relations@vimpelcom.com, Internet: www.vimpelcom.com
Ansprechpartner:
Josef Vinatzer (Vize-Präsident, International Business Development)
Mattias B. Hertzmann (Vize-Präsident und Chefstratege)
OAO Swjasinwest
ul. Pljuschtschicha 55, str. 2, 119121 Moskau
Tel.: 007 495/727 04 73, Fax: -75
E-Mail: ir@svyazinvest.ru, Internet: www.svyazinvest.ru
Generaldirektor: Jewgenij Jurtschenko
Comstar-United Telesystems
Petrowskij bulwar 12, str. 3, 127051 Moskau
Tel.: 007 495/956 00 00, Fax: -07
E-Mail: zakupki@comstar-comstar-uts.ru, info@comstar-uts.ru
Internet: www.comstar.ru
OAO Rostelekom
ul. 1-ja Twerskaja-Kamskaja 14, 125047 Moskau
Tel.: 007 499/972 82 93, Fax: -22
E-Mail: info@rt.ru, Internet: www.rt.ru
OAO Jushnaja Telekommunikazionnaja kompanija (JTK)
ul. Karasunskaja 66, 350000 Krasnodar
Tel.: 007 861/253 20 56, Fax: -25 30
Internet: www.stcompany.ru
Sewero-Sapadnyj Telekom
ul. Gorochowaja 14/26, 191186 Sankt Petersburg
Tel.: 007 812/595 45 56, Fax: -710 62 77
E-Mail: office@nwtelecom.ru, Internet: http://nwtelecom.ru
Generaldirektor: Wladimir Akulitsch
Tele2 Rossija
Nowinskij Bulwar 8, business-centre Lotte, 121099 Moskau
Tel.: 007 495/229 84 00, Fax: -01
E-Mail: russia.vopros@tele2.com, Internet: www.ru.tele2.ru
Sky Link
ul. Worontzowskaja 20, 109044 Moskau
Tel.: 007 495/973 09 73
E-Mail: info@skylink.msk.ru, corporate@skylink.ru
Internet: www.skylink.ru
134
Modernisierungsoffensive in Russland
Assoziazija regionalnych operatorow swjasi
(Assoziation der regionalen Betreiber für Telekommunikation)
c/o Juri Dombrowskij, Präsident
ul. Suschtschjowskaja 21-23, str. 1 ABW, 127030 Moskau
Tel.: 007 499/973 50 78
E-Mail: Yury.Dombrovsky@tele2.com, info@rrto.ru
Internet: www.rrto.ru
OAO Swjasdorinwest
Ploschtschad Borby 15, 127055 Moskau
Tel.: 007 495/642 67 02
Meschregionalnyi transit telekom (MTT)
ul. Marxistskaja 22, 109147 Moskau
Tel.: 007 495/789 39 39, Fax: -69
E-Mail: office@mtt.ru, Internet: www.mtt.ru
S7 Airlines
633104 gorod Ob 4, Nowosibirskaja oblast
Tel.: Moskau 007 495/777 99 99, Frankfurt-Main 0049 69/133 898 88
Internet: www.s7.ru
OAO AK Transaero
142015 Moskau Gebiet, Domodedowskij rajon, Flughafen „Domodedowo“
Tel.: 007 495/788 80 80
E-Mail: info@transaero.ru, Internet: www.transaero.ru
OAO AK Transaero
Vertretung in München
„Albatros“
Hans-Thonauer-Str. 23, München
Tel.: 0049 89/579-676 28, Fax: -558 26
E-Mail: albatros.ak@gmx.de
OAO Zentralnyi Telegraf
ul. Twerskaja 7, 125375 Moskau
Marketing Abt. Tel.: 007 495/504 38 65, Fax: -580 39 91
E-Mail: market@cnt.ru, Internet: www.cnt.ru
OOO Skartel
ul. Rusakowskaja 13, 107140 Moskau
Tel.: 007 495/926 75 84
Internet: www.yota.ru
Enforta
ul. Mischina 56, str. 2, 127083 Moskau
Tel.: 007 495/739 75 59
E-Mail: info@enforta.ru, Internet: www.enforta.ru
Germany Trade & Invest www.gtai.de
135
Informations- und Telekommunikationstechnik
4.2 Informationstechnologie
4.2.1 Der Markt heute
Russland weist weltweit die stärkste Dynamik beim Wachstum der Zahl der Suchanfragen im Internet auf, russische Softwareentwickler gehören zu den erfolgreichsten in Europa und russische Investmentgesellschaften übernehmen dank ihrer Milliarden-Scheckbücher ausländische Provider,
Softwareentwickler und erfolgreiche Internetseiten-Betreiber.
Nach Schätzungen der Firma 1C wurden im Krisenjahr 2009 auf dem russischen Markt für IT-Produkte 12,5 Mrd. US$ umgesetzt - rund 32% weniger als 2008, sagte 1C-Direktor Boris Nuralijew. Davon entfielen 6,5 Mrd. US$ auf Computer und andere IT-Hardwareprodukte, ein Minus von einem
Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Softwarefirmen verzeichneten einen Umsatzrückgang um 41%
auf 1,9 Mrd. US$, der Markt für IT-Dienstleistungen schrumpfte um ein Fünftel auf 4,1 Mrd. US$.
Nach Information von 1C kauften Unternehmen ein Drittel aller Softwareprodukte (655 Mio. $) und
Privatleute ein Viertel (462 Mio. US$); der Rest des Marktes für Computerprogramme entfällt auf
Software zur allgemeinen Verwendung (765 Mio. US$ bzw. 40%).
Markt für Informationstechnik in Russland im Jahr 2009 (Mrd. US$, Veränderung in %)
Kennzahl
Marktvolumen
Veränderung
2009 (Mrd. US$)
2009/2008 in %
IT-Markt gesamt
12,5
-32
davon:
Hardware
6,5
-35
Software
1,9
-41
davon:
Computer- und Videospiele
0,6
k.A.
IT-Dienstleistungen
4,1
-20
Quellen: 1C (zitiert bei PrimeTass), Industrie- und Handelsministerium der Russischen Föderation
Etwas niedrigere Marktvolumina, aber auch ein geringeres Minus - das Telekommunikationsministerium Minkomsvjazi beziffert das Marktvolumen des russischen IT-Markts für das Jahr 2009 auf
496,5 Mrd. Rubel, also rund 11,2 Mrd. US$. Das entspricht einem Minus im Vergleich zu 2008 von
7,7%.
Am stärksten haben Softwarehersteller unter der Krise, der Kaufzurückhaltung der Konsumenten
und den Sparprogrammen der Firmen gelitten. Neben dem Unternehmen 1C schätzt auch Igor Borowikow, Geschäftsführer beim Unternehmen Softline, dass die Nachfrage nach Software in Russland um 40 bis 45% zurück gegangen ist. Für 2010 prognostiziert er ein klares Wachstum in diesem
Segment. Der IT-Markt als Ganzes dürfte 2010 um rund 20% zulegen.
Im Gegensatz zu den klassischen IT-Feldern haben Produzenten von Sicherheitssystemen für Server und Rechner das Geschäftsjahr 2009 sogar mit einem leichten Plus abgeschlossen. Und das
trotz des beachtlichen Ausgangsniveaus: Denn im Jahr 2008 waren die Umsätze der 30 größten
136
Modernisierungsoffensive in Russland
Branchenfirmen um 67,5% auf 23,9 Mrd. Rubel (654 Mio. Euro; Jahreswechselkurs: 1 Euro = 36,54
Rubel) gestiegen. Auch wenn 2009 etliche Firmen auf kostengünstige Standardsoftware für ihre
Datensicherheit umgestiegen seien, so hätten vor allem Banken in hochmoderne Sicherheitslösungen investiert, sagt der Direktor der Informationssicherheits-Abteilung bei der EnvisionGroup, Dmitri Ogorodnikow. Der IT-Experte schätzt das Branchenwachstum daher auf rund 10%,
für 2010 seien sogar 30% möglich, wird er im Nachrichtenmagazin „Profil“ zitiert.
Der russische Markt für Computer-Hardware ist 2009 je nach Nische um 13 bis 54% zurückgegangen, sagt Artjom Genijew, Produkt-Manager bei der Firma Aiti. Einige Unternehmen hätten fast
keine Umsätze erzielt. Für 2010 rechnet er mit einer leichten Markterholung, aber erst ab der zweiten Jahreshälfte. Mit der Hardware dürfte auch das Marktvolumen des elektronischen Dokumenten-Managements wieder schneller steigen. Weg vom Papier und hin zum elektronischen Datenaustausch - dieser Trend ließ sich selbst durch die Krise nicht aufhalten. Im Jahr 2009 lag das Wachstum noch bei 1 bis 5%, für 2010 erwarten Marktkenner bei Cnews Analytics sogar ein Plus von mindestens 10%.
Das Volumen des Marktes zur Erstellung und Pflege von Internetseiten lag 2009 in Russland bei
7,2 Mrd. Rubel. Das waren 1,5 mal mehr als 2008, schreiben die Experten des CMS Magazine.
Russlands zehn umsatzstärkste IT-Unternehmen (Umsatz in Mrd. Rubel)
Unternehmen
Umsatz 2009
Veränderung Anmerkungen/Internet
2009/08 in %
Nazionalnaja kompjuter46,3
-2,2 www.ncc.ru
naja korporazija
Sitroniks
32,0
-34,4 www.sitronics.ru
Lanit
27,8
-11,7 www.lanit.ru
Technoserv
23,9
-23,3 www.technoserv.ru
Krok
17,5
-5,5 www.croc.ru
R-Style
17,5
-4,1 www.r-style.ru
IBS
15,7
-39,6 www.ibs.ru
Envision Group
10,9
1,5 www.envision.ru
Compulink Group
10,9
-55,9 www.compulink.ru
Ai-Teko
10,7
4,8 www.i-teco.ru
Quelle: Wirtschaftsjournal „Expert“
4.2.2 Projekte und Geschäftschancen
Im Programm der Regierung zur Unterstützung und Fortentwicklung von Informations- und Kommunikationstechnologien sind öffentliche Gelder in Höhe von 71 Mrd. Rubel (knapp 1,7 Mrd. Euro;
1 Euro = 42,73 Rubel) vorgesehen, davon 56,7 Mrd. Rubel aus dem föderalen Budget und 14,5 Mrd.
Rubel aus den regionalen Haushalten. In die IKT-Infrastruktur werden 39,8 Mrd. Rubel, in IKT-Technologien 8,1 Mrd. Rubel und in Informations- und Kommunikationstechnologien zum Schutz der
Bevölkerung über 10 Mrd. Rubel fließen. Ein zentrales Anliegen ist die Erweiterung verschiedener
staatlicher Dienstleistungen für die Bürger via Internet (E-Government).
Germany Trade & Invest www.gtai.de
137
Informations- und Telekommunikationstechnik
Ein weiteres IT-Projekt der russischen Regierung ist die Finanzierung eines neuen Supercomputers, mit dessen Hilfe sich 10 bis 15% aller staatlichen Aufgaben bewerkstelligen lassen. Mit der Umsetzung ist die Staatsholding Rosatom beauftragt worden und hat dafür 1,1 Mrd. Rubel erhalten.
Weil der beste russische Rechner an der staatlichen MGU-Universität nicht mehr zu den schnellsten Geräten der Welt gehört, soll er qua Präsidentenerlass für 100 Mio. US$ aufgerüstet werden - auf
1.000 Teraflop pro Sekunde. Nötig sind neue Prozessoren, Speicher und eine bessere Energieversorgung des Superrechners.
Die Auftraggeber hoffen darauf, dass sich derart leistungsstarke Rechner auch in der freien Wirtschaft einsetzen lassen, etwa bei Erderkundungsarbeiten in der Erdöl- und Gasindustrie. Zum heutigen Zeitpunkt zahlen russische Unternehmen ihren ausländischen Geschäftspartnern 600 Mio.
bis 700 Mio. US$ für diese Leistungen, weil ihnen die entsprechende Hard- und Software fehlt.
Interesse am russischen IT-Markt hat die International Finance Corporation (IFC, gehört zur Weltbank) durch den Kauf eines 2,5%-Aktienpaketes der Firma Asteros zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus stellt die IFC dem russischen Unternehmen einen Kredit von 20 Mio. US$ zur Verfügung.
Das Geld will das Unternehmen in neue Outsourcing-Center zur Datenverarbeitung investieren sowie in die Expansion in den russischen Regionen. Das Investment liegt voll im Trend: Marktexperten erwarten, dass der Anteil des IT-Outsourcings am gesamten IT-Markt Russlands von 23% im Jahr
2009 auf 30% zum Jahr 2012 steigen dürfte.
Auch der Fonds Aurora Russia Limited aus Großbritannien glaubt an den russischen IT-Markt. Wie
Ende Januar 2010 bekannt wurde, hat das Unternehmen 20 Mio. US$ in die Firma OSG investiert.
Diese ist auf die Bereiche Datenspeicherung, Datenverarbeitungssysteme und sicheres Löschen
wichtiger Dokumente spezialisiert und verfügt über 18 Standorte in Russland.
Mikrochips für Bank- und Sozialversicherungskarten, Schaltkreise für die Flugzeuge, Satelliten und
Raumschiffe sowie Chips für Autos und Mobiltelefone - die Regierung setzt alles daran, in den
nächsten Jahren die eigene Halbleiterproduktion auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen.
Die beiden führenden russischen Unternehmen, Angstrem und Sitroniks, haben dafür in den vergangenen Jahren hohe Finanzspritzen vom Staat erhalten - und dieses Geld in neue Produktionsanlagen aus Westeuropa investiert. Im Jahr 2009 zahlte die Staatsholding etwa 6,5 Mrd. Rubel an Sitroniks, um die Halbleiterproduktion auf Vordermann zu bringen.
Die Sitroniks-Tochter Mikron hat bereits zu Sowjetzeiten Halbleiter produziert - vor allem für die
Rüstungsindustrie. Allerdings hinkt das Unternehmen der Konkurrenz aus Deutschland, den USA,
der VR China und Korea (Rep.) um Jahre hinterher, erzählt ein deutscher Marktexperte gegenüber
Germany Trade & Invest. Angstrem ist ebenfalls bereits seit geraumer Zeit am russischen Markt tätig und verfügt über ein ausgezeichnetes Designbüro für Halbleiterchips, lässt aber in Asien fertigen. Beides würde Präsident Medwedew gerne ändern.
Für technologische Weiterentwicklungen und den Ausbau sowie die Modernisierung der Produktion rechnen beide Unternehmen daher künftig mit Finanzierungshilfen, Krediten und Subventionen von Staatsseite - und mit entsprechenden Aufträgen von der öffentlichen Hand. So wie etwa
bei der Einführung des biometrischen Reisepasses. Ausschreibungsgewinner war Mikron.
138
Modernisierungsoffensive in Russland
Auch bei Computern soll künftig nicht nur die Hülle aus Russland stammen, sondern auch die zentralen Komponenten. Ein wichtiger Anbieter, das Unternehmen Kraftway, kauft seit Anfang der
1990er Jahre weltweit Motherboards, Festplatten, Arbeitsspeicher, Batterien und Kühler ein und
schraubt alles in Russland zusammen. Bei dem Supercomputer, den Kraftway nun liefern soll, werden Komponenten aus Russland gefordert. Auch dafür kommen Mikron und Angstrem in Frage.
Geplante Modernisierungsinvestitionen in Russlands IT-Branche 2010
Investitionsvorhaben
Investitionssumme 2010 Anmerkungen / Internet
Zentren für die
200 Mio. US$ Projekt des Unternehmers
Datenverarbeitung
Aleksandr Samonow; Finanzierung über neuen Investfonds und Kredite; Suche
nach Partnern läuft
Zentren für die
219 Mio. US$ Swjasinwest plant zwei
Datenverarbeitung
Datenverarbeitungszentren
in Moskau und Sankt Petersburg
Entwicklung von Supercom4,2 Mrd. Rubel, davon 3,4 Anwendung im Flugzeugbau
putern und Grid-Technologie Mrd. Rubel aus dem Haus- (Projektinfos unter
halt www.i-russia.ru)
Projekt E-Learning
1 Mrd. Rubel Das Geld kommt aus dem
föderalen Haushalt
E-Government
3,1 Mrd. Rubel von Staats- Ziel ist die Bereitstellung der
seite und 401 Mio. Rubel von internen Netze, von MonitoRostelekom, 2011 sollen ring-Systemen und der nötiweitere Mittel folgen gen Infrastruktur
Bau einer Produktionsstätte
1,24 Mrd. Rubel Das private Unternehmen
für Sensoren und Mikro(Produktionsstart 2012, Avangard wird von Rosnano
systeme
Endausbau bis 2015 mit 550 Mio. Rubel unterstützt
Produktion von Hoch630 Mio. Rubel Gemeinschaftsprojekt von
frequenz-Transpondern
Sistematika und Rosnano für
RFID-Transponder
Ausbildung von IT- und
320 Mio. Rubel Finanzierung durch private
Softwarespezialisten
und staatliche Stellen
IKT-Dienstleistungen im
147 Mio. Rubel z.B. Verfassung von MedizinMedizin- und Gesundheitsdatenbanken etc. (zuständig:
bereich
Russisches Gesundheitsministerium)
Sicherheits-IKT
196 Mio. Rubel FSB Russland
Quellen: Minkomsvjazi, CNews, Modernisierungsplattform www.i-russia.ru
Germany Trade & Invest www.gtai.de
139
Informations- und Telekommunikationstechnik
4.2.3 Kontaktanschriften
Die wichtigsten Unternehmen der IT-Branche sowie aktuelle Brancheninfos und umfangreiche
Studien finden sich auf der Homepage von Cnews Analytics (www.cnews.ru). Cnews veröffentlicht
etwa Ratings mit den umsatzstärksten IT-Ausrüstern für den russischen Banken- und Versicherungssektor.
OAO Nazionalnaja kompjuternaja korporazija
(Nationale Computer-Gesellschaft AG)
Osennij Bulwar 23, 121609 Moskau
Tel.: 007 495/781 37 -19, Fax: -16
E-Mail: info@ncc.ru, Internet: www.ncc.ru
Merlion
ul. Scheremetjewskaja 47, 127521 Moskau
Tel.: 007 495/981 84 84
E-Mail: info@merlion.ru, Internet: www.merlion.ru
OAO Sitroniks
ul. 3-ja Twerskaja-Jamskaja, 39/5, str. 1, 125047 Moskau
Tel.: 007 495/225 00 -30, Fax: -36
E-Mail: sitronics@sitronics.com, Internet: www.sitronics.ru
Techoserv
ul. Junosti 13a, 111395 Moskau
Tel.: 007 495/790 79 79, Fax: -648 08 07
E-Mail: tsas@technoserv.ru, Internet: www.technoserv.ru
Lanit
ul. Dobroslobodskaja 5, str. 1, 105066 Moskau
Tel.: 007 495/967 66 50, Fax: 007 499/261 57 81
E-Mail: lanit@lanit.ru
IBS
Dmitrowskoje schosse 9B, 127434 Moskau
Tel.: 007 495/967 80 -80, Fax: -81
E-Mail: ibs@ibs.ru, Internet: www.ibs.ru
140
Modernisierungsoffensive in Russland
Exkurs: Navigation made in Russia
Russische Navigationstechnik aufs Mobiltelefon - bereits Ende 2010 sollen russische Bürgerinnen
und Bürger die neue Glonass-Satellitentechnik tagtäglich nutzen können. Laut Glonass-Chefkonstrukteur Juri Urlitschitsch existiert der entsprechende Chip bereits: „In Kürze sehen wir Mobiltelefone mit Glonass“. Um die Navigationsdienste flächendeckend anbieten zu können, befinden sich
zurzeit 23 russische Satelliten im Weltall. Davon sind 21 aktiv, zwei dienen als Reserve. Im Laufe des
Jahres 2010 werden weitere sechs Satelliten ins All befördert.
Bereits zu Sowjetzeiten gab es ein satellitengestütztes Navigationssystem - allerdings nur das Militär. Der Auftrag kam vom Verteidigungsministerium. Für die kommerzielle Nutzung fehlt derzeit
noch die entsprechende Infrastruktur zu Lande. Wie die Wirtschaftszeitung „Rbk daily“ aus Unternehmenskreisen erfahren hat, sollen dafür im Jahr 2010 rund 100 Mio. US$ ausgegeben werden.
Außerdem will das Unternehmen Nawigazionno-informazionnye sistemy (NIS), der föderale Betreiber von Glonass in Russland, 1,5 Mrd. Rubel in Technoparks in Moskau und Sankt Petersburg investieren, wo Ausrüstung, Chips und Software für die Satelliten gefertigt werden sollen.
Hersteller von Navigationsgeräten müssen sich vorsehen. Russland erwägt die Einführung von
horrenden Strafzöllen auf Navigationssysteme, die ausschließlich GPS und nicht das russische Glonass-System unterstützen. Im Jahr 2009 wurden laut Angaben von MTS rund 400.000 Navigationssysteme verkauft. Experten prognostizieren in den kommenden Jahren ein gewaltiges Marktwachstum.
NIS ist der heimische Markt nicht groß genug. Bis 2013 will der Konzern einige Branchenunternehmen in den BRIC-Staaten, in Asien und dem Nahen Osten übernehmen. Die ersten Kunden der Glonass-Technologie sollen aber sicher aus Russland kommen: Dazu dürften Transport- und Katastrophenschutzbehörden sowie mobile Polizeieinsatzkräfte gehören.
Kontaktanschrift
OAO Nawigazionno-informazionnye sistemy (NIS)
ul. 8. Marta 10, str. 1, 127083 Moskau
Tel.: 007 495/723 83 -13, Fax: - 14
E-Mail: kantselariya@rtisystems.ru, Internet: www.rtisystems.ru
Germany Trade & Invest www.gtai.de
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Informations- und Telekommunikationstechnik
„Für Russen ist Kommunikation so
wichtig wie das tägliche Brot“
Russlands Telekommunikationsmarkt bietet hohes Wachstum.
Deshalb investieren die wichtigsten Branchenunternehmen
und der Staat in schnellere und dichtere Netze sowie modernste
Technologien, sagt Jürg Zehnder, DETECON International GmbH
- Regionaldirektor für Russland und die GUS-Staaten. Im Interview mit Germany Trade & Invest verrät der Telekom-Experte die
Eigenheiten des russischen Marktes, das Potenzial für deutsche
Zulieferer und welche Gesetze das Wachstum sogar noch beschleunigen könnten.
Herr Zehnder, Sie beraten russische Ministerien und TelekomProvider. Was lernen Behörden und Telekom-Giganten von Ihnen?
Der russische Telekommunikationsmarkt wächst mit hohem Tempo trotz weltweiter Finanzkrise.
Heute haben zirka 7 % der Haushalte einen Breitband-Anschluss. Bis 2015 sollen es laut Regierungsplänen 60 % sein. Außerdem sollen Gebiete ohne Netzabdeckung so schnell wie möglich erschlossen werden. Das fordert niemand geringerer als Präsident Dmitri Medwedew. Er will die erforderlichen Rahmenbedingungen setzen, um Anreize zu schaffen, damit sich beispielsweise über globale Breitbanddienste nicht nur Telekommunikations-, sondern auch andere Wirtschaftspotenziale
realisieren lassen. Die Mittel hierzu sind Technologien wie Glasfaser, xDSL, 3G, WiMAX und LTE.
Auch die drei großen privaten Anbieter MTS, Wympelkom und Megafon investieren Jahr für Jahr
hohe Summen in diese Technologien. Als global agierende ICT-Management-Beratung haben wir
weltweit bereits in vielen Staaten Fest- und Mobilfunknetze mit aufgebaut, optimiert und mit neuen Technologien ausgerüstet. Hierzu gehört beispielsweise auch die Beratung hinsichtlich strategischer und technologischer Anforderungen von neuen multimedialen Services im Breitband-Internet.
Kundenbindung - damit ist es in Russland nicht weit her.
Das stimmt. In Deutschland wechseln gerade einmal um die 20 % der Nutzer ihren Mobilfunkanbieter pro Jahr. In Russland liegt die Quote bei über 30 %. Die Menschen sind extrem preisempfindlich
und wenig loyal zu ihren Betreibern. Weil in Russland zwischen den verschiedenen Regionen noch
nationale Roaming-Modelle existieren, besitzen die Nutzer in der Regel mehrere SIM-Karten,
meist von verschiedenen Betreibern. Effektivere Kundenbindungssysteme werden allerdings
schon von verschiedenen Betreibern ausgearbeitet und könnten den Markt verändern.
Ein Grund für die rasante Erfolgsgeschichte des schwedischen Anbieters Tele2?
Einer, aber nicht der wichtigste. Tele2 ist zurzeit der einzige Mobilfunkdiscounter in Russland und
bedient mittlerweile 15 Mio. Kunden. Tendenz steigend.
Tele2 ist in den Gebietshauptstädten erfolgreich. Aber was ist mit den Russinnen und Russen fernab der
Ballungszentren? Da gibt es oft noch nicht einmal Festnetz.
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Modernisierungsoffensive in Russland
Es wäre unsinnig, in ganz Russland Glasfaserkabel zu verlegen. Denn selbst ein Bankautomat an einem entlegenen Ort in Sibirien lässt sich, wenn die Topographie keinen Strich durch die Rechnung
macht, mit herkömmlicher 2G-Telekommunikation ans Netz bringen. Glasfaserkabel sind außerdem teuer. Viel sinnvoller ist ein Technologien-Mix. Genau das versucht die russische Regierung
jetzt. Sogar Datentransfer via Satellit ist im Gespräch und wird geprüft. Kein Wunder: Telekommunikation, sprich Kommunikation zu Familie und Freunden ist für die meisten Russen so wichtig wie
das tägliche Brot. Außerhalb der Ballungszentren sollte zunächst Sprache verfügbar sein und im
zweiten Schritt auch Breitband. Dies erfordert jedoch die Unterstützung der Regulierungsbehörden.
Telefonieren übers All, Drahtlos-Internet mit moderner Breitband-Technologie - wie steht es bei solchen
Milliardenprojekten um die Geschäftschancen deutscher Ausrüster?
Zwar sind die Investitionen in Russland beträchtlich, aber im Volumen und den Projektbeschreibungen nicht so hoch und differenziert wie in Westeuropa. Bei existierenden Projekten sollen nach
Vorstellung der Regierung russische Ausrüster zum Zug kommen. Das macht es für deutsche Anbieter sicher schwierig, zudem ja auch die Konkurrenz aus China mit günstigen Preisen punkten
kann.
Welche regulativen Fortschritte erwarten Sie künftig?
Der Gesetzgeber könnte mehr Wettbewerb und Transparenz schaffen. Zum Beispiel, dass sich potenzielle Betreiber ohne eigenes Netz bei den großen Betreibern mit Netz zu fairen Preisen einmieten können, so wie es in der EU vielfach anzutreffen ist.
Welche Rolle spielt E-Government in Russland?
E-Government, aber auch E-Commerce - das zahlt sich in keinem Land der Welt so stark aus wie in
Russland. Denken Sie nur an die weiten Strecken in den Regionen, um persönlich bei der Steueroder Meldebehörde ein Dokument abzugeben. Sankt Petersburg macht da im Augenblick große
Fortschritte: Die Verwaltung verteilt Chips an ihre Bürgerinnen und Bürger, womit diese ein breites Spektrum an Verwaltungsfragen mit ein paar Mausklicks lösen können. Ich bin überzeugt, dies
wird sich durchsetzen.
Das Interview führte
Bernd Hones, Germany Trade & Invest
Kontaktanschrift
DETECON International GmbH
Kotelnitscheskaja nabereshnaja 29, 115172 Moskau
Tel.: 007 495/661 78 34
E-Mail: juerg.zehnder@detecon.com, Internet: www.detecon.ru
DETECON ist eine global agierende Management-Beratung mit Fokus auf Informations- und
Kommunikationstechnologien.
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Informations- und Telekommunikationstechnik
„Das Marktvolumen steigt jährlich um
5 %“
Interview mit Igor Tschupalow, Generaldirektor T-Systems
in Russland
Welche strategische Ausrichtung verfolgt T-Systems in Russland?
Die Basis für unsere Strategie ist der Auftritt auf dem russischen
Markt - wir sind auf russische Marktführer und globale agierende Firmenkunden konzentriert, die in Russland vertreten sind.
Die zweite Richtung ist das Software-Entwicklungszentrum, das
so genannte „Nearshore“: Eine industrielle Plattform, die dazu
dient, Herstellern in Deutschland zu mehr Effizienz zu verhelfen. Das Entwicklungszentrum befindet sich in Sankt Petersburg und ist eine von vier Filialen, die
„T-Systems“ nutzt, um eigene Kosten zu reduzieren. Drittens wollen wir uns bald in Richtung System-Integration vergrößern, vor allem in den Bereichen Gesundheitswirtschaft, Automobil- und
Fertigungsindustrie.
Kann T-Systems allein am Markt handeln oder geht es nur mit einem russischen Partner?
Das ist eine gute Frage. Im Moment sind wir in Russland ohne einen russischen Partner tätig. Wir
sind bisher unter den IT-Unternehmen auf dem russischen Markt nicht sehr bekannt. Wenn man
die Liste der Top-IT-Unternehmen betrachtet, wäre T-Systems in dieser Liste ganz am Schluss.
Marktführer in Russland sind die größten russischen Systemintegratoren und IT-Unternehmen.
Momentan beschäftigt uns der Bereich, in dem wir tätig sind, jedoch suchen wir auch nach Wegen
unseren Marktanteil zu erhöhen. Ein lokaler Partner könnte uns da helfen.
Reichen die Kapazitäten der Rechenzentren, der Serverstrukturen, der Leitungen und der Netze aus, um
dem zu erwartenden Boom standzuhalten?
Ich glaube, dass es wenige Daten-Zentren von guter Qualität in Russland gibt, jedoch kann dieser
Mangel durch Zentren in Europa ersetzt werden.
Was versteht man unter dem Stichwort „intelligente Netze“?
Ein Beispiel für „intelligentes Netz“ kann die Lösung von MPLS liefern, die es im Endeffekt ermöglicht, die Ausgaben der Kunden zu reduzieren und die Qualität der Leistungen zu erhöhen. Im Bereich Voice-Services kann man durch diese Lösung den Datenfluss in den Vordergrund stellen, indem man eine Sonderspur anlegt, die nicht mit anderen Datenflussarten besetzt ist.
Außerdem kann ein Provider durch diese Lösung eine unbeschränkte Anzahl virtueller Benutzer
auf ein reales Netz übertragen, was letztlich die Kosten der Kunden senkt. Dies wird mit einem
System von intelligenten Routern gewährleistet.
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Modernisierungsoffensive in Russland
In der Strategie der Deutschen Telekom gehören die intelligenten Netze zu den Schwerpunkten. So
ist es unter anderem geplant, die intelligenten Netze im Bereich Energie- und Gesundheitswirtschaft, Multimedia und Automobilindustrie einzusetzen.
Welche Klientel ist für T-Systems interessanter: Groß-, Geschäfts- oder Privatkunden?
Wir arbeiten nicht im B2C Bereich. T-Systems ist ein Teil der Deutschen Telekom, die nur Firmenkunden hat.
Welche Branchen sind für T-Systems als Kunden besonders interessant und warum?
Der Schwerpunkt unserer Tätigkeit ist auf russische Großkunden und Niederlassungen der westlichen Firmen - globale Firmenkunden von T-Systems - ausgerichtet. Als Beispiel kann ich Tochtergesellschaften der weltbekannten Großunternehmen in der Automobilindustrie nennen, die nach
russischen Maßstäben keine sehr großen Unternehmen sind. Außerdem auf die Branchen Öl und
Gas, Telekommunikation, Bergbau und Gewinnung von mineralischen Düngemitteln, Maschinenbau und die Gesundheitswirtschaft.
T-Systems bietet vielfältigste Lösungen für ICT: Gesundheitswirtschaft, Energiesektor, öffentliche
Verwaltung, Maut-Systeme, Car-ICT etc. Wo liegen in Russland derzeit die größten Möglichkeiten?
Meiner Ansicht nach wird das allgemeine Marktvolumen - dies ergeben auch Marketingstudien jährlich um fünf % steigen. Das größte Potenzial sieht man in der Entwicklung der Infrastruktur für
Datenzentren und -banken. Daneben wird sich auch der Outsourcing-Markt weiterentwickeln, unter anderem im Bereich der Arbeitsplatzbetreuung - hier erwartet man das höchste Wachstumstempo. Allerdings ist das Potenzial nicht besonders hoch.
Mittel- und langfristig wird es sicher das Gesundheitswesen sein, weil der Staat in diesem Sektor erhebliche Mittel bereitstellt. Außerdem ist eine Modernisierung in dieser Branche nötig. Nicht zu
vergessen ist der Energiesektor, der zunehmend eine wichtige Rolle spielen wird. Diese beiden Industriezweige würde ich aus den Industrien, die Sie genannt haben, auswählen.
Werden sich perspektivisch SAP-Lösungen auch in Russland etablieren lassen? Welche Lösungen gibt es
bis dahin?
Der Marktanteil von SAP-Lösungen auf dem ERP-Markt liegt bei 50 bis 60 %. Die Frage ist jedoch, wie
man die lizenzierte Version von SAP in neue Bereiche erweitern kann. Das ist ein aktuelles Thema,
das nicht nur SAP betrifft, sondern auch uns. Der Trend ist die Förderung von neuen Produkten, das
heißt andere branchenspezifische Lösungen zu nutzen, die auf SAP basieren. Und ich denke, dieser
Trend wird sich auch in Zukunft weiter fortsetzen.
Wie realistisch ist es, in Russland Aufträge aus dem öffentlichen Sektor zu bekommen?
Um es diplomatisch auszudrücken würde ich sagen, dass wir Aufträge durch russische Partner
bekommen könnten.
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Informations- und Telekommunikationstechnik
Welche Rolle spielt für Sie das Thema E-Governance?
Im Prinzip haben wir ausreichend Erfahrung in diesem Bereich, weil wir in Deutschland für zwei
Bundesländer im Bereich des „E-Government“ tätig waren.
Welcher Chatdienst wird künftig in Russland genutzt werden?
Ich denke, dass Facebook und Twitter bald mit unseren lokalen Netzwerken konkurrieren werden.
Sie sind bereits auf unserem Markt vertreten und ich bin der Meinung, ihr Marktanteil wird weiter
wachsen.
Wie ist es um den Nachwuchs im Sektor Telekommunikation und Internettechnologie in Russland
bestellt?
In Bezug auf den Telekommunikationssektor ist es schwierig, eine Aussage zu treffen. Der Trend,
der auch durch viele Studien bestätigt wird, ist, qualifiziertes Personal ist schwer zu finden. Die
Qualität der Fachleute, die von den Universitäten abgehen, wird von Jahr zu Jahr schlechter. „Computertechnologien“ erfordern ein sehr hohes Niveau der Ausbildung. Die Frage wird also sein, wie
der Staat das Problem lösen kann, ob er mit der Wirtschaft zusammen die Ausbildung von IT-Spezialisten unterstützen wird. Eines ist klar: Die Anforderungen für Spezialisten werden immer höher, die Qualität und Anzahl von Spezialisten nimmt jedoch ab. Folglich werden Dienstleistungen
immer teurer.
Das Interview führte
Jens Böhlmann, AHK Moskau
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Modernisierungsoffensive in Russland
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Redaktionsschluss: Juli 2010
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