magazin der unabhängigen berliner

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magazin der unabhängigen berliner
D A WAR Moral in Zeiten des Krieges DIE KOMMUNE Idee von Freiheit D FRITZ LANG Mehr als ein Bio-Pic D MUCH
LOVED Kaleidoskop der Tabuzonen D PELO MALO Subversives Haar D GESTRANDED Im nordfriesischen Flachland
D EIN MANN NAMENS OVE Grantler mit Herz D THE LADY IN THE VAN Geschichte einer Koexistenz D AKT Gezeichnete­
Körper D THE FORBIDDEN ROOM Aus dem Quell der verlorenen Filmgeschichten D CHEVALIER Neues von der
„Greek Weird Wave“ D BETI UND AMARE Fruchtbarer Boden für Träume D IXCANUL Vetreibung der Schlangen
D IM SPINNWEBHAUS Rückzug in die Märchenwelt D WILD Liebe zum Wolf D EDDIE THE EAGLE Triumph des Underdogs
MAGAZIN DER UNABHÄNGIGEN BERLINER LICHTSPIELHÄUSER
D 25 D APRIL 2016
indiekinoBERL
ALLE KATZEN SIND GRAU. START AM 31.3.2016
DIE INDIEKINOS D ACUD KINO D B-WARE!LADENKINO D BALI KINO ­D ­BROTFABRIKKINO BERLIN
D BUNDES­PLATZ KINO D CITY KINO WEDDING D EISZEIT KINO D EVA-LICHTSPIELE D FILMKUNST66
D FILMRAUSCHPALAST D FSK-KINO AM ORANIENPLATZ D HACKESCHE HÖFE KINO D IL KINO
D SPUTNIK KINO AM SÜDSTERN D TILSITER ­LICHTSPIELE D UNION FILMTHEATER D XENON KINO
D Z-INEMA D ZUKUNFT D FLK FRIEDRICHSHAGEN D FLK HASENHEIDE D FLK INSEL D FLK POMPEJI
D FLK „UMSONST & DRAU­S­SEN“ IM FILMRAUSCHPALAST D OPEN AIR KINO IM FMP1
EDITORIAL
April ist DER Festivalmonat in Berlin. ALFILM, achtung berlin, Filmpolska
und der jüngste Zugang, das lateinamerikanische Kurzfilmfestival Lakino,
geben sich die Klinke in die Hand, haben ihre Termine aber erfreulicherweise so getaktet, dass es kaum Überschneidungen gibt. Den Anfang
macht am 6.4. ALFILM, das Arabische Filmfest Berlins, das sich inzwischen zu einem der wichtigsten Termine für den arabischen Film weltweit
gemausert hat. Am 13. übernimmt dann achtung berlin/new berlin film
award, das Festival für junge Produktionen aus Berlin und Brandenburg,
das mit seiner Retrospektive diesmal im Bundesplatz Kino zu Gast ist. Am
20. April beginnt mit Filmpolska, das größte polnischsprachige Filmfestival außerhalb Polens, das neben aktuellen Filmen und einer Retrospektive immer auch Workshops für Filmemacher und Filmkritiker anbietet.
Den Abschluss macht ab dem 27.4. das Lakino, das als einziges Festival
bereits seine 15 (!) Kurzfilmprogramme online gestellt hat, aber an den
Terminen wird auch dort noch gehäkelt. Besonders schön ist immer das
Kinderprogramm Lakino Kids, das ohne Dialoge auskommt und deshalb
für Kinder, gleich welchen Sprachhintergrund sie mitbringen, geeignet ist.
Die Festivalplanung ist überall noch in Arbeit, zum Teil stehen erste Filme
fest, zum Teil noch nicht einmal das. Auf den Seiten 6/7 stellen wir alle
Festivals des Monats kurz vor, detaillierte Programminformationen finden
sich dann in Kürze auf den jeweiligen Webseiten.
Viel Spaß beim Lesen und viel Spaß im Kino,
Eure INDIEKINO BERLIN Redaktion
Die Maiausgabe von INDIEKINO BERLIN erscheint am 27.4.2016
04MAGAZIN
NEU IM APRIL
08ICH WOLLTE DIE REALITÄT IHRES
ALLTAGS ERZÄHLEN:
INTERVIEW MIT TOBIAS LINDHOLM
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12ES WURDE MEHR GETRUNKEN UND
GEFEIERT UND GEVÖGELT IN DEN
SIEBZIGERN:
INTERVIEW MIT THOMAS VINTERBERG
14MEHR ALS EIN BIO-PIC:
FRITZ LANG
24AUS DEM QUELL DER VERLORENEN
FILME: THE FORBIDDEN ROOM
32KINDERFILME
34KINOHIGHLIGHTS
Akt
Alle Katzen sind grau
Anhedonia –
Narzissmus als Narkose
Beti und Amare
Café Waldluft
Chevalier
Criminal Activities
Eddie the Eagle –
Alles ist möglich
The Forbidden Room
Freeheld –
Jede Liebe ist gleich
Fritz Lang
Gestrandet
Im Himmel trägt man hohe
Schuhe
Im Spinnwebhaus
40KINOADRESSEN, IMPRESSUM
ABONNEMENT
30WEITER IM KINO
42NACHBILD
El Clan
Landstück
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Ixcanul – Träume am Fuße
des Vulkans
Kill Your Friends
Die Kommune
The Lady in the Van
Ein letzter Tango
Ein Mann namens Ove
Much Loved
Nomaden des Himmels
Ornament & Verbrechen.
Die Gebrüder Lippok
Overgames
Pelo Malo
Cinema: A Public Affair
Rabbi Wolff
Unter dem Sand
A War
Wild
Possession
Der Wert des Menschen
APRIL 2016 D
3D
INDIEMAGAZIN
WIE HAT HITCHCOCK DAS GEMACHT? Die „Filmlektionen“ in den Eva Lichtspielen gehen weiter.
Diesmal fragt Franz Stadler, der ehemalige Kinobetreiber des filmkunst66: Wie hat Hitchcock das gemacht? Anhand von typischen Filmszenen aus
den großen Hitchcock-Klassikern erläutert er die Spannungsmechanismen des Hitchcock-Stils. Was ist der Unterschied zwischen Spannung und
Suspense und wie löst Hitchcock Spannung in Komik auf? Am 27.4. um 20.15 Uhr. eva-lichtspiele.de
ZU MARLON BRANDOS
GEBURTSTAG: DER PATE Warum sollte
man bei einem Filmgiganten wie Marlon Brando nur die runden Geburtstage feiern? Das City Kino Wedding zeigt am 3.4. um 18 Uhr zu Ehren
eines der bedeutendsten Charakterdarsteller des 20. Jahrhunderts, der
in diesem Jahr 92 Jahre alt geworden wäre, den Film, für den Brando
1973 die Oscar-Auszeichnung verweigerte, um gegen den diffamierenden Umgang Hollywoods mit den amerikanischen Ureinwohnern zu
protestieren. Mit seiner Titelrolle im ersten Teil von Francis Ford Coppolas Mafia-Epos DER PATE/THE GODFATHER (OmU) erspielte er sich
als Familienoberhaupt Don Vito Corleone einmal mehr Legendenstatus.
Regisseur Coppola feiert übrigens vier Tage später seinen 77., Filmsohn
Al Pacino Ende des Monats seinen 66. Geburtstag: Herzlichen Glückwunsch! citykinowedding.de
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D APRIL 2016
EDDIE CONSTANTINE NACHT
Eddie Constantine aka Lemmy Caution war so etwas wie die glanzlose europäische Rache für Humphrey Bogart: ein kleiner Mann mit
Mettbrötchenfresse, Hackfleischkinn und Eisenfäusten, vollkommen
humor- und charmebefreit, aber einer, vor dem alle „Puppen“ sofort auf
die Knie fielen. Heute sehen sich Lemmy Caution-Filme eher als unfreiwillig komische ethnografische Studien zum Phantasma eines anderen
Jahrtausends. Godard hat natürlich auch zwei Lemmy-Caution-Filme mit
Constantine gedreht, aber das ist eine andere Geschichte. Das Bali zeigt
am 1. April den originalen, vollkommen ernst gemeinten Stoff. 20.30
Uhr: ZUM NACHTISCH BLAUE BOHNEN (1963), 23 Uhr: EDDIE GEHT
AUFS GANZE (1960).
INDIEMAGAZIN
DIE OPEN AIR-SAISON BEGINNT
Zum Zeitpunkt, an dem wir diese Zeilen schreiben, ist es kaum vorstellbar. Aber es ist wahr: Ende April stellt mit dem Freiluftkino Insel das
erste Freiluftkino Berlins seine Liegestühle raus. Am 24.4. lädt das Kino
zu einem Tag der offenen Tür mit Überraschungsfilmprogramm auf das
RAW-Gelände ein. Der Eintritt ist kostenfrei. Der reguläre Spielbetrieb
geht dann am 15. Mai los, bei gutem Wetter früher. freiluftkino-insel.de
VERLOSUNG: FILM­COMICS
Zwei
Comics, die sich auf witzige und kluge Weise mit dem Einfluss des Kinos
und der Filmgeschichte auf das Leben auseinandersetzen: Der aus dem
Irak stammende, französische Autor und Zeichner Charles Berberian
setzt in CINERAMA vergessenen Perlen des Trashfilms ein humor- und
liebevolles Denkmal. Aus der Perspektive seines Kinder-Ichs erzählt,
widmet er seine Hommage vor allem den italienischen, arabischen,
türkischen und japanischen Machwerken, die sich ihm in den 60er und
70er Jahren „auf ewig ins Hirn gebrannt haben“. Mit EIN LETZTES WORT
ZUM KINO geht der französische Autor Blutch grafisch einfallsreich und
ausdrucksstark der Frage nach dem Einfluss der Film-Mythen auf seine
Arbeit nach. Auch er landet dabei bei seinen Jugendikonen: Claudia
Cardinale, Jean-Luc Godard und Luchino Visconti. Wir verlosen je zwei
Mal beide Comics, die aktuell in deutscher Sprache im Reprodukt-Verlag
erschienen sind. Teilnehmen können alle Einsendungen, die bis zum 15.
April mit dem Betreff „Kinocomics“ an die Mailadresse info@indiekino.de
geschickt werden. reprodukt.com
PINA SCHAUKELT – WAS
KLEINE MÄDCHEN BRAUCHEN
JUNGE FLÜCHTLINGE ERZÄHLEN: I’M HERE In einem von professionellen Filme-
Für ihre Langzeit-Dokumentation hat die Berliner Filmemacherin Heide
Breitel den Krippenalltag von Kindern im Alter zwischen zehn Monaten
und zweieinhalb Jahren beobachtet. Sie hat die Lernfähigkeit, Entdeckerfreude und Gestaltungslust, mit der sich kleine Kinder auf ihren Weg
begeben, ebenso festgehalten wie die komplexe Arbeit der Erzieher und
Erzieherinnen, deren Job es ist, ein starkes und stabiles Vertrauensverhältnis zu den Kleinen aufzubauen. Der Film wird zweimal in den Eva
Lichtspielen gezeigt, am 6.4. um 20.15 Uhr und am 24.4. um 11 Uhr,
und am 3.4. um 11 Uhr im Rahmen der Berlin-Film-Matinee im Bundesplatz-Kino, jeweils in Anwesenheit der Regisseurin.
heide-breitel-film.eu eva-lichtspiele.de
machern initiierten Workshop hat eine Gruppe Jugendlicher aus Syrien,
Afghanistan, Guinea und Armenien, die innerhalb der vergangenen zwei
Jahre unbegleitet nach Deutschland gekommen sind, von ihren sehr
unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen berichtet. In dem
aus diesem Austausch - und nach ihren Vorstellungen - entstandenen
Dokumentarfilm erzählen sie von Krieg und Aussichtslosigkeit in der
Heimat, von Flucht und Unterwegssein und von der Suche nach neuen
Lebens- und Berufsperspektiven in Berlin. Aktuell begleiten die Jugendlichen ihren Film zu Aufführungen an Schulen und anderen Bildungs- und
Freizeiteinrichtungen. Am 2.4. um 19.30 Uhr sind sie im Filmrauschpalast zu Gast. filmrausch.de
APRIL 2016 D
5D
INDIEMAGAZIN
FESTIVALS
FESTIVALS
FESTIVALS
20.– 29.4.: FILMPOLSKA
Das größte polnische Filmfestival außerhalb
seines Heimatlandes bringt zum elften Mal eine Auswahl von Werken bekannter und unbekannter
polnischer Künstlerinnen und Künstler in die Berliner Kinos. Mit dabei: die Indies Acud Kino, Bundesplatz Kino und fsk-Kino. In der Sektion „Neues Kino“ lässt Agnieszka Smonczyńska Meerjungfrauen zu
Vampiren mutieren (CÓRKI DANCINGU/THE LURE), spinnt ein Teenager sein Netz um einen vermeintlichen Serienmörder (CZERWONY PAJĄK/THE RED SPIDER, R: Marcin Koszałka) und zeichnet Tomasz
Wasilewski in ZJEDNOCZONE STANY MIŁOŚCI/UNITED STATES OF LOVE, der auf der diesjährigen
Berlinale den Drehbuchbären gewann, ein Bild der polnischen Gesellschaft in den 90er Jahren. Die diesjährige Retrospektive ist dem Regisseur und Schauspieler Jerzy Skolimowski gewidmet. filmpolska.de
23.+24.4.: FESTIVAL
DES SPIRITUELLEN
FILMS Das Programm des „Festivals des
spirituellen Films“ der spirituellen Aktivisten Usch
Schmitz und Kraft Wetzel, die einige Jahre lang sehr
engagiert im Wedding das spirituelle „Kino am Ufer“
betrieben haben, stand zu Redaktionsschluss noch
nicht fest. Eine Webseite ist uns auch nicht bekannt,
aber zu einem kosmisch günstigen Zeitpunkt werden
sich Informationen gewiss auf der Webseite der gastgebenden Location City Kino Wedding manifestieren.
citykinowedding.de
27.4.– 1.5.: LAKINO KURZFILMFESTIVAL Das
Festival für aktuelle lateinamerikanische Filmproduktionen hat sich dem unabhängigen Kurzfilm verschrieben und bietet Filmen, die man sonst eher selten findet, und Filmemachern, deren Gesichter
(noch) nicht die Titelseiten der Hochglanzmagazine zieren, ein Forum. Zum Festivalprogramm im
Sputnik Kino gehören neben Länderspecials auch ein LGBTQ-Special, ein Berlin-Special und Lakino
Kids, das Kinderkurzfilmprogramm. Alle Filme werden im Original mit englischen Untertiteln gezeigt.
Das Kinderprogramm kommt ohne Dialoge aus und ist so für Kinder aller Länder geeignet. lakino.
com
D6
D APRIL 2016
United States of Love
INDIEMAGAZIN
Mit Fantasie gegen den Mangel
13.– 20.4.: ACHTUNG
BERLIN/NEW BERLIN
FILM AWARD Zum zwölften Mal
päsentiert achtung berlin junge Spiel- , Dokumentar- ,
Kurz- und Experimentalfilme aus Berlin und Brandenburg
an sechs Spielorten, darunter auch die Indiekinos Tilsiter
Lichtspiele und das Bundesplatz Kino, in dem in diesem
Jahr die Retrospektive „Berlin in Fashion“ beheimatet ist:
Highlights der Reihe, die Berlin als Modestadt nachspürt,
sind Entdeckungen aus den Archiven, die extra für das
Festival zugänglich gemacht wurden, wie DER MODE­
SPIEGEL und HERBSTMODENSCHAU BEI STAEBE-SEGER
oder die Stummfilm-Konfektionskomödien DER STOLZ
DER FIRMA und SCHUHPALAST PINKUS mit Ernst
Lubitsch. achtungberlin.de
Scheherazade‘s Diary
6.–13.4.: ALFILM – ARABISCHES FILMFESTIVAL BERLIN
Das arabische Filmfestival ist diesmal auch im City Kino Wedding und
im fsk-Kino in Kreuzberg vertreten. Wie immer zeigt das Festival ein
umfangreiches Programm aktueller Spielfilme, Dokumentar- und Kurzfilme sowie Videokunst aus den arabischen Ländern und von arabischen
Künstlern. Zu den ersten Filmen, die schon fest stehen, gehört die
schwarze Komödie VERY BIG SHOT von Mir-Jean Bou Chaaya (Libanon/
Katar 2015) um vier Freunde, die es für eine gute Idee halten, Drogen
in versiegelten Filmdosen über Kurdistan nach Syrien zu schmuggeln,
und der in Marokko verbotene Cannes-Beitrag MUCH LOVED (Besprechung auf Seite 18) Im Spotlight „Cousin/Cousinen“ geht das Festival
jüdisch-palästinensischen Identitäten nach. alfilm.de
JUAN CARLOS COPES
MARÍA NIEVES
40th TORONTO INTERNATIONAL
FILM FESTIVAL
TIFF DOCS
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ein letzter
EIN FILM VON GERMAN
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EXECUTIVE PRODUCER
YAMAGATA INTERNATIONAL
DOCUMENTARY FILM FESTIVAL
INTERNATIONAL
COMPETITION
49. INTERNATIONALE
HOFER FILMTAGE
30th INTERNATIONAL
MAR DEL PLATA FILM FESTIVAL
ARGENTINE
COMPETITION
WIM WENDERS
JETZT IM KINO
16.03.16 15:32
INDIEFEATURE
Der Regisseur Thomas Vinterberg gehört wie Lars von Trier, Susanne Bier, Lone Scherfig und Søren Kragh-Jacobsen zur „Dogma 95“-Generation dänischer Filmemacher. Zu seinen größten Erfolgen zählen die intensive
Studie einer Familie, in der Missbrauch jahrelang verschwiegen wurde, DAS FEST (1998), und der Oscar-nominierte Psychothriller DIE JAGD (2012), der das Blatt wendete und von einem Erzieher handelte, der zum Opfer
eines Dorfes wird, als ein Missbrauchsverdacht aufkommt. Zuletzt erschien von ihm die Literaturverfilmung
AM GRÜNEN RAND DER WELT (2015). Seit 2010 arbeitet Vinterberg immer wieder mit dem rund 10 Jahre
jüngeren Tobias Lindholm zusammen, der die Bücher zu seinen Filmen SUBMARINO und DIE JAGD verfasste
und auch das Buch zum in diesem Monat anlaufenden DIE KOMMUNE geschrieben hat. Die beiden verbindet
eine skeptische – sie würden selbst wahrscheinlich eher sagen: realistische – Einschätzung menschlicher
Beziehungen und eine Vorliebe für emotionale Extremsituationen. Seit einiger Zeit ist Lindholm auch selbst
als Regisseur tätig. Sein erster Film R (2010), ein nihilistisches Gefängnisdrama, versammelte einen Cast
von Ex-Sträflingen und Ex-Wärtern in einem ehemaligen Hochsicherheitsgefängnis. Sein zweiter Film A HIJACKING (2012) spielte auf einem dänischen Frachtschiff, das von somalischen Soldaten entführt wird. Sein
jüngster Film A WAR, über einen Soldaten, der traumatisiert aus dem Afghanistan-Krieg zurückkehrt, wurde
für einen Oscar nominiert. Wie DIE KOMMUNE kommt A WAR diesen Monat ins Kino. Thomas Abeltshauser
hat mit den beiden Regisseuren über ihre Filme und ihre Zusammenarbeit gesprochen.
„ICH WOLLTE DIE REALITÄT IHRES ALLTAGS
Interview mit Tobias Lindholm
INDIEKINO BERLIN: Viele der Darsteller in Ihrem Film sind echte Soldaten.
Inwiefern war das dänische Militär involviert und hatte Einfluss auf das
Drehbuch?
Tobias Lindholm: Ich habe mich vor dem Drehbuchschreiben mehrmals
mit Militärvertretern getroffen und ihnen das Projekt erklärt. Wir haben
ihnen nie das Drehbuch zum Lesen gegeben, sie hatten keinen Einfluss
auf den Schnitt. Aber sie haben unser Projekt akzeptiert und uns erlaubt,
ihre Soldaten zu besetzen. Außerdem haben sie uns Material zur Verfügung gestellt, Uniformen und Ausrüstungen, um dieses Umfeld authentisch darstellen zu können. Sie waren also involviert, aber nur auf einem
praktischen Level, nicht bei den Entscheidungen.
War die Zustimmung an Vorgaben geknüpft? Gab es Dinge oder Themen,
die nicht vorkommen durften?
Nein, ich habe ihnen von Anfang an gesagt, dass es um einen Soldaten geht, der sich eines Kriegsverbrechens schuldig macht und sich vor
Gericht dafür verantworten muss. Das ist natürlich kein Thema, das sie
fördern wollen, aber ihnen ist klar, dass diese Problematik existiert und
Journalisten so oder so darüber schreiben. Und ich glaube, ihnen hat mein
vorheriger Film A HIJACKING gefallen und sie hatten den Eindruck, dass
ich diese Welt auf einem Frachtschiff und seiner Besatzung fair dargestellt
habe. Sie waren sich also sicher, dass ich sie nicht fertig machen will,
sondern die Realität ihres Alltags erzählen will. Sie fühlen sich oft falsch
dargestellt oder unverstanden und waren froh, dass jemand ihr Leben
authentisch wiedergibt. Und die Soldaten, die den Film gesehen haben,
bestätigen das.
Warum war es so wichtig, mit echten Soldaten zu sprechen?
Weil ich selbst nie im Krieg war. Alles, was ich darüber weiß, stammt aus
anderen Filmen. Und die sind voller Klischees. Um das zu verhindern,
musste ich mit denen reden, die Kriegseinsätze wirklich erlebt haben.
Nur so komme ich an Wissen und an Erfahrungen, die nicht fiktional sind.
Nur so kann ich ihr Leben so präzise wie möglich darstellen. Und die reale
Gewalt ist ziemlich hässlich und außer Kontrolle, man will das gar nicht
sehen, ganz anders als die Bilder in den meisten Kriegsfilmen.
D8
D APRIL 2016
INDIEFEATURE
ERZÄHLEN“
Sie stellen die Kriegserlebnisse dem Leben in der Heimat gegenüber, verbinden Kriegsfilm mit Familiendrama.
Was ist für Sie der Unterschied, ein Drehbuch für einen eigenen Film oder
für Thomas Vinterberg zu schreiben?
In vielen Kriegsfilmen werden die Soldaten entmenschlicht, sie sind
reine Kampfmaschinen in Uniform. Ich wollte aus ihnen komplexe Charaktere machen, der Protagonist ist auch ein Ehemann und Vater. Es
geht also nicht nur um die Soldaten im Kriegsgebiet, sondern auch um
die Familien, die oft monatelang ohne ihren Vater oder ihre Mutter und
in ständiger Sorge um sie leben müssen. Und es gibt noch eine dritte
Seite: Sie sind auch Bürger eines demokratischen Landes und müssen
sich für ihre Taten verantworten. In diesen drei Arenen habe ich meinen
Film aufgebaut.
Bei meinen Filmen bin ich der Bandleader und ich schreibe die Songs,
bei Vinterberg bin ich eher der Drummer seiner Band, zu der noch jede
Menge andere Leute gehören. Er und Mads Mikkelsen sind die Rockstars
und ich sitze eher im Hintergrund und versuche, den Rhythmus und den
Groove zu halten. Aber mal im Ernst: Als Drehbuchautor versuche ich,
das bestmögliche Skript für Thomas als Regisseur zu schreiben. Es gibt
in seinen Filmen eine Menge Szenen, die ich nicht inszenieren könnte.
Ich erinnere mich etwa an die Kirchenszene in DIE JAGD, in der alles den
Bach runtergeht. Bei jeder neuen Fassung habe ich diese Szene wieder
gelöscht, weil sie mir auf dem Blatt nicht gefallen hat. Ich konnte mir
einfach nicht vorstellen, wie man sie drehen müsste. Und wenn die Fassung dann von Thomas zurückkam, war sie wieder drin. Du wirst schon
sehen, sagte er mir dann immer, ich weiß wie ich sie drehe. So ging das
hin und her, ich glaubte bis zum Schluss nicht an die Szene, erst als ich
sie im Schnitt sah, wusste ich: Sie ist perfekt. Und sie blieb drin, weil es
ein Thomas Vinterberg-Film ist. Also ja, ich schreibe für ihn anders als
für meine Projekte, genauso wie ich für die Serie „Borgen – Gefährliche
Seilschaften“ anders schreibe. Wenn ich für andere schreibe, ist es eher
Handwerk und sehr kontrolliert, für mich selbst ist es ein viel größeres
Durcheinander.
Sie drehen in Ihren inzwischen drei Spielfilmen immer wieder mit denselben Schauspielern wie Pilou Asbæk. Schreiben Sie die Rollen schon mit
bestimmten Darstellern im Hinterkopf?
Ich trenne nicht zwischen Film und Leben, ich will auch meine Arbeitszeit
mit Leuten verbringen, die ich mag. Ich wechsele auch nicht meine Frau
oder meinen Bruder, genauso bleibe ich meiner Filmfamilie treu. Und ich
fühle mich sehr privilegiert, dieses Leben mit meinen Freunden teilen zu
können. Pilou und ich sind gleich alt, wir haben zusammen angefangen
und für mich ist er der beste skandinavische Schauspieler. Ich bin froh,
dass er mir einen Teil seiner Lebenszeit schenkt. Jetzt ist er in der neuen
Staffel von „Game of Thrones“... ich hoffe, sie bringen ihn schnell um!
D Das Gespräch führte Thomas Abeltshauser
APRIL 2016 D
9D
INDIEFEATURE
A WAR
Moral in Zeiten des Krieges
Irgendwo in der afghanischen Provinz. Eine dänische Einheit auf Patrouille.
Die Soldaten sind nervös. Dann tritt einer von ihnen auf eine Mine, die ihm
die Beine zerfetzt. Alle Wiederbelebungsversuche sind vergeblich. Tags
darauf ist die Stimmung in der Truppe angespannt. Mit unverhältnismäßiger Härte gehen die Männer gegen die Bevölkerung vor, zu deren Schutz
sie abkommandiert wurden. Jedes Fahrzeug könnte mit Sprengstoff präpariert sein, jeder Ziegenhirte ein potentieller Selbstmordattentäter der
Taliban sein. Für Kommandant Claus Michael Pedersen (Pilou Asbæk) ist
es selbstverständlich, dass er seiner Truppe beisteht, um die Moral aufrecht zu erhalten. So begleitet er die Einheit in ein nahegelegenes Dorf
– und in einen Hinterhalt. Schüsse fallen, die Männer werden in die Enge
getrieben, ein Soldat wird schwer verletzt. In dem Chaos trifft Claus eine
folgenschwere Entscheidung, die auch das Schicksal seiner Familie beeinflusst, die in Dänemark auf ihn wartet. Daheim ist seine Frau Maria (Tuva
Novtony) vollauf damit beschäftigt, den drei Kindern Halt zu geben und
dabei selbst nicht in Sorge zu verfallen, wenn sich Claus am Abend nicht
wie versprochen meldet. Auch wenn er es sich nicht anmerken lässt, hat
der mittlere Sohn Julien am meisten mit der Abwesenheit des Vaters zu
kämpfen. In der Schule sucht er immer wieder Konflikte mit seinen Mitschülern. Maria wird zur Schulleitung bestellt. In einem unbeachteten
Moment schluckt Elliott, der jüngste Spross der Familie, Schmerztabletten
und sie verbringen die Nacht im Krankenhaus. Dann steht Claus überraschend vor der Tür, doch die Freude ist nur von kurzer Dauer.
In A WAR stellt Regisseur und Autor Tobias Lindholm die Erlebnisse der
Soldaten der Perspektive der Daheimgebliebenen gegenüber. Bereits in
seinem meisterhaften Drama A HIJACKING über die Entführung eines
Frachters durch somalische Piraten betrachtete er das Geschehen aus
der Sicht eines Kochs an Bord und durch die Augen des Sprechers der
Originaltitel: Krigen D Dänemark 2015 D 115 min D R: Tobias Lindholm D B: Tobias Lindholm D K: Magnus Nordenhof Jønck D S: Adam Nielsen D D: Pilou Asbæk, Tuva Novotny,
Dar Salim D V: StudioCanal Deutschland
Reederei, der die Aufgabe hat, den Schaden zu beurteilen und die Entscheidungen seiner Vorgesetzten vor den Angehörigen zu verteidigen.
In seinem Erstling R zeigte Lindholm den Alltag im Knast anhand zweier
Insassen unterschiedlicher Herkunft. Bei beiden Filmen stand übrigens
Pilou Asbæk vor seiner Kamera und auch hier verkörpert er eindrucksvoll
den hilflosen Offizier in einem schweren moralischen Dilemma.
Die Themen Schuld und Moral, die das dänische Kino so oft und so gut
im Kino behandelt, stehen in A WAR im Mittelpunkt. Darüber hinaus setzt
sich Lindholm in seinem Film mit den Auslandseinsätzen seiner Heimat
auseinander. „Seit 14 Jahren ist Dänemark eine Nation, die sich im Krieg
befindet“, erklärt der Regisseur. „Es hat meine Generation mehr als alles
andere geprägt, dass wir junge Männer in Kriege schicken, in denen es
nicht darum geht, die Grenzen Dänemarks zu verteidigen, sondern deren
Beweggründe auf abstrakteren politischen Entscheidungen basieren.“ A
WAR ist ein wichtiger Beitrag zur Diskussion über die Rechtmäßigkeit dieser Einsätze und stellt die richtigen Fragen. Auf diese Fragen Antworten
zu finden, mag schmerzhaft sein, es ist aber essentiell. D Lars Tunçay
Start am 14.4.2016
¢ b-ware!ladenkino
¢ Hackesche Höfe Kino
OMU DF
OMU
In his Oscar nominated feature film
Danish director Tobias Lindholm
contrasts the traumatic experience of
a Danish officer in the Afghanistan War
with the emotional hardship his family
in Denmark experiences.
INDIEFEATURE
DIE KOMMUNE
Idee von Freiheit
Originaltitel: Kollektivet D Dänemark/Niederlande/Schweden 2015 D 111 min D R: Thomas
Vinterberg D B: Thomas Vinterberg, Tobias Lindholm D K: Jesper Tøffner D S: Janus Billeskov Jansen, Anne Østerud D M: Fons Merkies D D: Ulrich Thomsen, Trine Dyrholm, Helene
Reingaard Neumann D V: Prokino Filmverleih
Start am 21.4.2016
ab Mai
¢ Acud Kino
¢ b-ware!ladenkino OMU DF ab Mai
¢ Bundesplatz Kino OMU DF
¢ Eva Lichtspiele DF
¢ Hackesche Höfe Kino OMU , tip
Preview am 6.4. um 20 Uhr
¢ Il Kino OMU ab Mai
¢ Sputnik Kino OMU DF ab Mai
¢ Union Filmtheater DF ab Mai
DF
When Erik inherits a gigantic mansion
his wife Anna proposes to found a
commune. Her dream of a different life
turns bitter when Erik falls in love with
one of his students and even has her
move in with them.
Der Titel von Thomas Vinterbergs Film DIE KOMMUNE ist etwas irreführend. Um die Kommune, die im Film gegründet wird, geht es gar nicht
so sehr, im Zentrum der Erzählung steht vielmehr die Mitte 40-jährige
Anna, gespielt von Trine Dyrholm, die für ihre darstellerische Leistung
auf der Berlinale den silbernen Bären bekam. Anna und Erik (Ulrich
Thomsen) sind ein bürgerliches Paar mit einer 13-jährigen Tochter. Sie
ist eine resolute Frau und eine bekannte Nachrichtensprecherin, er ist
ein Cord-Sakkos tragender, menschenscheuer Architekt und unterrichtet
an der Uni. Zu Beginn von DIE KOMMUNE erbt Erik von seinem Vater ein
geräumiges Haus, das viel zu groß für die drei ist. Erik möchte verkaufen,
aber Anna entdeckt in den weiten Räumen die Sehnsucht nach einem
anderen Leben, nach anderen Menschen und schlägt vor, eine Kommune
zu gründen. Regisseur Thomas Vinterberg, der selbst in einer Kommune
groß geworden ist und sagt, er habe keine schlechten Erinnerungen an
die Zeit, schildert Annas Sehnsucht, aber er teilt sie nicht. Wie schon
in DAS FEST und DIE JAGD ist er auch hier ein kritischer Beobachter
sozialer Gefüge und menschlicher Wünsche. Von Anfang an knirscht es
gewaltig in Annas Traum. Zum ersten Mal vielleicht, als sie Erik mehr
oder weniger sagt, dass sie mit anderen Menschen zusammen ziehen
möchte, weil die Gespräche mit ihm sie inzwischen langweilen. Oder
als Erik und Anna Leute einladen, die sie gar nicht so sehr mögen, die
aber zur Finanzierung des Hauses beitragen könnten. Die große Katastrophe beginnt, als Erik sich in eine Studentin verliebt und Anna sogar
vorschlägt, Emma (Helene Reingaard Neumann) könnte doch bei ihnen
einziehen. Was recht heiter als Porträt eines Experiments anfängt wird
zum bitteren Drama einer Frau, die an ihrer Idee von Freiheit innerlich
zerbricht, während der Chor der grob skizzierten Kommunarden hilf- und
tatenlos zusieht. D Hendrike Bake
TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
APRIL 2016 D
11 D
INDIEFEATURE
„ES WURDE MEHR GETRUNKEN UND GEFEI
Interview mit Thomas Vinterberg
INDIEKINO BERLIN: Sie sind selbst in einer Kommune aufgewachsen. Ist
das ein Lebensmodell, das wiederkehren könnte?
Was ist von den Idealen übrig geblieben, sowohl für Sie als auch für die
Gesellschaft als Ganzes?
Thomas Vinterberg: Das Kommunenleben ist heute viel rationaler. Ich
würde es noch nicht einmal so nennen. Junge Leute mit wenig Geld ziehen in WGs zusammen, um Miete zu sparen. Aber jeder hat sein eigenes
Fach im Kühlschrank. Es ist nicht mehr so verrückt und naiv und durchgeknallt und liebenswürdig, wie es damals in den Siebzigern war. Das hat
sich überlebt. Ich habe 12 Jahre in einer Kommune gelebt, von sieben bis
19, aber jede Kommune war anders, so wie jede Familie anders ist. Es
gab sehr wilde Kommunen mit freier Liebe und ja, auch Pädophilen, und
es gab Kommunen wie unsere, die sehr bürgerlich war, sehr bodenständig und eher wie eine erweiterte Akademikerfamilie. Lehrer, Journalisten
und Professoren, die sich ein Haus geteilt haben. Es gab einen radikalen
Wandel zwischen 1975 und 85. Was sehr offen und großzügig begann,
wurde schnell spießig und egoistisch. 1975 wurde die Miete nach dem
Einkommen jedes Einzelnen geteilt und der Vorschlag kam von dem, der
am besten verdiente! Schnitt nach 1985: Mein Vater geht mit genau diesen Leuten in eine Bar, ein paar haben aufgehört zu trinken und achten
bei der Rechnung auf jede Krone, weil sie ja nur Mineralwasser getrunken
haben. Traurig, oder?
Ich bin mir nicht sicher, was noch übrig ist. Ich weiß, womit es ersetzt
wurde: mit Individualismus und dem Recht auf Privatsphäre. Auch das
sind ja Werte. Ganz ehrlich sehe ich heute nicht viel Teilen, zumindest
was Materielles angeht. Natürlich teilen die Leute viel auf Facebook. Ich
fürchte, sie haben auch weniger Sex als früher. Es wurde mehr getrunken
und gefeiert und gevögelt in den Siebzigern. Heute lebt jeder in seinem
eigenen Apartment.
War die freie Liebe nicht schon immer eine Lüge?
Die Sexualmoral heute ist mindestens genauso verlogen. Untreue gilt als
Verbrechen, aber fast jeder hat Affären. Heute wie damals ist das Problem, dass es eine öffentliche Agenda gibt, wie man sein Leben zu führen
hat. Und die Agenda heute heißt Monogamie zwischen zwei Menschen.
Und unter dieser Moral leiden sehr viele.
War die Zeit um Ihren Film „Das Fest“ und Dogma 95 im Rückblick auch
naiv?
Ja und nein. Wir waren jung und rebellisch und eitel und ja, auch naiv. Aber
man darf nicht vergessen, dass es anfangs riskant war, gegen das herrschende Kino anzukämpfen, dass wir für medioker hielten. Dieses Risiko
D 12
D APRIL 2016
IERT UND GEVÖGELT IN DEN SIEBZIGERN.“
verflog, als Dogma erfolgreich wurde, ein Rezept, eine Mode. Plötzlich
sprachen Leute vom „Dogma-Style“, was ziemlich ironisch ist, denn Stil
wollten wir ja gerade nicht. Damit war es vorbei. All der Applaus in Cannes
1998 war der Anfang vom Ende. Es war die natürliche Entwicklung dieser
Welle, sie brach. Wir mussten die zehn Gebote wegschmeißen, denn sie
waren zum Festivalticket geworden. Was ich mir davon bis heute bewahrt
habe, ist der Ehrgeiz, so wahrhaftig und konfrontativ wie möglich zu sein.
Kommunen waren auch immer hochpolitische Biotope. Wieso haben Sie
sich auf das Private konzentriert?
Weil es zwei Seiten gibt: Wovon die Leute reden wollen und was sie lieber
verschweigen. Und Tobias und mich hat eher das Zweite interessiert. Und
wir haben einen Filter, der Klischees verhindern soll. Wir haben alles rausgenommen, was man in einem Film über eine Kommune erwartet. Keine
Lagerfeuer, kein Hasch, keine politischen Diskussionen, keine Menstruationsgespräche. Alles raus.
Wie würden Sie die Kollaboration mit Tobias Lindholm beschreiben, dem
Ko-Autor ihrer Drehbücher?
schon wieder zusammen, ein Drehbuch, das den Alkohol feiert. Viele
große Taten der Geschichte sind ohne Alkohol nicht denkbar. Der Zweite
Weltkrieg wurde von einem Trinker gewonnen, Sir Winston Churchill.
Wichtige Werke der Weltliteratur sind unter Alkoholeinfluss entstanden.
Mit dem richtigen Maß werden Gespräche oft sehr viel besser als nüchtern. Und gleichzeitig stirbt man daran. Und in Dänemark sterben wir früh,
denn wir trinken sehr viel. Diese Dualität fasziniert uns. Wir trinken nicht
mehr, aber wir versuchen dem öden, puritanischen Mittelmaß zu entgehen, indem wir wenigstens darüber schreiben.
Das dänische Kino ist seit Jahren extrem stark. Hat das strukturelle
Gründe oder liegt es an Filmemachern wie Ihnen, Lindholm und von Trier?
Wir halten zusammen und helfen einander. Und wir fordern uns gegenseitig heraus, wir nehmen kein Blatt vor den Mund. Und wir haben uns
in allen möglichen Situationen und Zuständen erlebt, Lars zum Beispiel,
das schweißt zusammen. Wir sind eine Gruppe, eine Kommune. Und wir
alle haben die Agenda, Grenzen auszuloten und zu überschreiten. Das
hält uns wach.
D Das Gespräch führte Thomas Abeltshauser
Es ist sehr ungemütlich, dass er selbst als Regisseur so erfolgreich geworden ist! Nein, ich arbeite wahnsinnig gern mit ihm zusammen. Ich sehe
ihn in erster Linie als Vorbild. Er ist sehr klug und ein echter Künstler. Und
ein sehr enger Freund, den ich sehr respektiere. Und wir arbeiten gerade
APRIL 2016 D
13 D
INDIEFEATURE
FRITZ LANG
Mehr als ein Bio-Pic
Es beginnt mit dem Pfiff. „Die Halle des Bergkönigs“ aus Edvard Griegs
„Peer Gynt“, immer leicht schief gepfiffen, kündigt in M – EINE STADT
SUCHT EINEN MÖRDER das Erscheinen des Mörders Hans Beckert (Peter
Lorre) an. 1931 war die Idee, die Tonspur im Film nicht nur illustrativ
einzusetzen, sondern den Schrecken im Bild vorher auf der Tonebene
anzukündigen, ganz neu. Heute ist diese Technik in allen Filmgenres vom
Drama bis zum Horrorfilm üblich, aber als Tarantino in KILL BILL: VOL.1
(2003) Fritz Langs Pfiff zitierte und mit seiner Mörderin One Eye aka Elle
Driver (Daryl Hannah) verband, war der Effekt so atemberaubend wie 70
Jahre zuvor.
Mit M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER legte Fritz Lang den Grundstein des modernen Genrefilms. Kaum ein Horror-, Detektiv-, Gangsteroder Großstadtfilm lässt sich nicht in irgendeiner Weise auf M zurückführen, auf dessen Verbindung von realistischen und expressionistischen
Elementen, auf dessen ambivalente Figuren, auf den moralischen Konflikt im gesellschaftlichen Kontext. Möglicherweise liegt in M sogar die
deutsche Krimi-Leidenschaft und die TATORT-Idee, dass man im Krimi
besonders gut gesellschaftliche Entwicklungen verhandeln kann, begründet. Heute kann man die Bilder des Mobs, der in M einen älteren Herrn
umringt, den er für den Mörder hält, nicht sehen, ohne an aktuelle Ereignisse wie etwa an den Fall der 13-jährigen Lisa aus Marzahn zu denken, in
dessen Umfeld ein aufgestachelter Mob ein Flüchtlingsheim attackierte.
M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER mag 85 Jahre alt sein, aber seine
Aktualität und sein humanistisches Plädoyer sind ebenso unbestreitbar
wie seine ästhetischen Errungenschaften.
D 14
D APRIL 2016
INDIEFEATURE
Gordian Maugg muss sich gefragt haben, wie diese unglaubliche Komplexität, diese ästhetische Intensität, und diese mutige, sich gegen den
Zeitgeist behauptende Humanität entstehen konnten. FRITZ LANG ist
mehr als eine Biografie, mehr als ein Bio-Pic, Mauggs Film ist ein Zeit-Bild,
das die aktuelle Wahrnehmung von M zum Ausgangspunkt einer traumund rauschhaften, psychologischen und historischen Erkundung macht.
Gordian Maugg ist schon seit seinem vielfach preisgekrönten, auf einer
handgetriebenen Askania-Kamera von 1927 gedrehten Debüt DER OLYMPISCHE SOMMER (1993) einer der originellsten deutschen Filmemacher
und ein Spezialist für die Rekonstruktion historischer Filmstile. Auch in
FRITZ LANG fügen sich Originalbilder aus Lang-Filmen, aber auch aus
Wochenschauen und anderem historischen Bild- und Ton-Material fast
nahtlos in die Erzählung ein – auch ein technisches Meisterstück.
Fritz Lang (Heino Ferch) ist 1929 an einer Karriereschwelle. Mit DIE FRAU
IM MOND hat er einen der letzten Stummfilme produziert, und noch
macht er sich auf Partys über den Tonfilm lustig, aber um in Stimmung zu
kommen, benötigt er Kokain, die Beziehung zu seiner zweiten Frau Thea
von Harbou ist frostig und die Drehbücher für den ersten Lang-Tonfilm
sind alle Mist. Nachts marschiert die SA zum Horst-Wessel-Lied durch
die Straßen Berlins. Lang erkennt in der Melodie ein Lied, das ihm seine
jüdische Mutter als Kind vorgesungen hat. Er sucht sich eine Prostituierte, und während eines hässlichen Verkehrs in einem Treppenhaus zeigt
Maugg eine wilde Montage aus historischen Filmbildern: Pornos, Aufmärsche, Rausch und Straßengewalt – eine Vision gewaltsamen Begehrens.
Am nächsten Morgen packt Fritz Lang seine Reisemonokel zusammen
und macht sich auf den Weg nach Düsseldorf, um über den Fall des als
„Bestie von Düsseldorf“ bekannten Kinder- und Frauenmörders zu recherchieren, für den gerade der berühmte Berliner Polizeirat Gennat (Thomas
Thieme) nach Düsseldorf abgestellt wurde. Die Recherchereise, die den
Grundstock für M legen wird, führt Lang auch in seine eigene Vergangenheit. Gennat war Lang vor einiger Zeit schon einmal begegnet, aber
damals war der Regisseur selbst der Verdächtige…
Heino Ferch, Thomas Thieme und auch Samuel Finzi als der Mörder Peter
Kürten spielen großartig, mit dezentem Understatement, aber stets absolut präsent. Die Szenen, die Maugg als Quelle von Langs visuellen Ideen
konstruiert, sind überzeugend und reflektieren das Verhältnis von Bildidee und Wirklichkeit. Ein fantastischer Film, und es ist schön, dass es
die Möglichkeit gibt, Mauggs Film ein paar Mal auch im Doppelpaket mit
M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER zu sehen. D Tom Dorow
Deutschland 2015 D 104 min D R: Gordian Maugg D B: Gordian Maugg, Alexander Häusser
D K: Lutz Reitemeier, Moritz Anton D D: Johanna Gastdorf, Heino Ferch, Samuel Finzi, Thomas Thieme, Lisa Charlotte Friederich
Start am 14.4.2016
¢ Union Filmtheater
In his movie M Fritz Lang used sound
for the first time and to great effect.
Fusing original material with invented
scenes FRITZ LANG undertakes an
imaginary but well researched exploration of the way Lang conceived M
by researching the case of a notorious
serial killer, the “Bestie von Düsseldorf”.
APRIL 2016 D
15 D
INDIEKRITIKEN
Originaltitel: Ixcanul D Guatemala/Frankreich 2015 D 93 min D R: Jayro Bustamante
D B: Jayro Bustamante D K: Luis Armando Arteaga D S: César Díaz (II) D M: Pascual Reyes
D D: María Mercedes Croy, Maria Telon, Manuel Antún D V: Kairos Filmverleih
IXCANUL – TRÄUME AM
FUSSE DES VULKANS
Deutschland 2016 D 80 min D R: Lisei Caspers D K: Fabian Klein D S: Jamin Benazzouz
D D: Aman, Mohammed, Osman, Ali, Hassan, Christiane Norda, Helmut Wendt D V: Pandora
Filmverleih
GESTRANDET
Im ostfriesischen Flachland
Vertreibung der Schlangen
Die junge Maya Maria lebt mit ihrer Mutter und ihrem Vater auf einer
Kaffeeplantage im Hochland Guatemalas. Hier gehört alles dem Großgrundbesitzer, vertreten durch seinen Vorarbeiter Ignacio: die Hütte der
Eltern, die Plantage, das von Schlangen verseuchte Feld vor der Hütte und
die Kneipe, in der die Maya-Arbeiter ihren Lohn vertrinken bis sie so verschuldet sind, dass sie den Kaffee umsonst pflücken müssen. Maya soll
Ignacio heiraten, was für ihre Familie ein großer Coup wäre, aber sie ist in
den Arbeiter Pepe verliebt, der von der Emigration in die USA träumt. Als
Maria von Pepe schwanger wird, verschwindet der über Nacht. Ihre Mutter versucht mit allen möglichen traditionellen religiös-magischen Mitteln,
eine Abtreibung zu erreichen, was aber misslingt. Für die Familie bedeutet Marias Schwangerschaft eine Katastrophe. Ihnen droht der Verlust
ihrer Hütte, und die komplette Vertreibung durch Ignacio, wenn sie keinen
ökonomischen Grund schaffen, der sie unersetzlich macht. Nur die Vertreibung der Schlangen auf dem unwirtschaftlichen Feld kann sie retten.
IXCANUL erzählt von einem ausgebeuteten Volk, dem weder wohlmeinende Staatsangestellte, die kein Maya sprechen, helfen können, noch
ihre eigenen magisch-religiösen Traditionen. Helfen würden Alphabetisierungsprogramme, Bodenreformen und Sprachkurse in beide Richtungen,
aber als einsprachige Analphabeten sind die Maya-Arbeitskräfte leichter
beherrschbar. Staatliche Initiativen erweisen sich auch im Film als symbolpolitisches Feigenblatt, das von vornherein keine Änderung bewirken
darf. Regisseur Jorge Bustamente wuchs selbst im Hochland von Guatemala auf, wo seine Mutter medizinische Aufklärungskampagnen durchführte. Er entwickelte seinen eindringlichen Film gemeinsam mit guamaltekischen Maya in Workshops und Gesprächen. D Hannes Stein
Start am 31.3.2016
¢ fsk-Kino am Oranienplatz
D 16
D APRIL 2016
OMU
Maria, a young Maya, lives with her
parents on a coffee plantation in Guatemala. Marrying supervisor Ignacio
who fancies her would improve the
lives of her family, but Maria is in love
with Pepe, a worker on the plantation.
Neben einer Kirche werden Hassan, Ali, Osman, Mohammed und Aman
abgesetzt. Weit weg von ihrer Heimat und kaum Deutsch sprechend,
sind die fünf Männer aus Eritrea „gestrandet“ – mitten im ostfriesischen
1.500-Seelen-Ort Strackholt. Es ist das Heimatdorf der Nachwuchsregisseurin Lisei Caspers, die die fünf Flüchtlinge während ihres Asylverfahrens begleitet. 19 lange Monate müssen die Männer auf ihre Aufenthaltserlaubnis warten – staatliche Hilfe bekommen sie dabei kaum.
Zum Glück gibt es die Strackholter: Sie nehmen die Fremden bei sich
auf. Besonders Helmut, ein pensionierter Schulleiter, und Christiane, eine
Journalistin, kümmern sich. Er gibt den fünf Männern Sprachunterricht
und meldet sie zum örtlichen Marathonlauf an. Sie erledigt Behördengänge und backt Marmorkuchen. Gemeinsam legen die beiden bald eine
beinah elterliche Fürsorge an den Tag.
Doch das Warten auf Asyl wird auf Dauer zur Demütigung – die alle trifft.
Auch den Zuschauer, der die Männer inzwischen gut kennengelernt hat.
Er weiß, wie Aman leidet, weil er seine Frau für die Flucht zurücklassen
musste. Und wie Mohammed Depression und Krankheit plagen. Auch die
Helfer berühren: Helmut fragt sich, warum die Fünf kein Deutsch mehr
lernen wollen, während Christiane ein langes Hilfegesuch an den Bundespräsidenten schreibt.
Caspers erzählt in unaufgeregten Alltagsbildern, die mit leisem Humor
überraschen: etwa wenn die Fünf an nicht enden wollenden ostfriesischen
Kuhweiden vorbeiradeln oder zum ersten Mal in dicke Winterjacken und
Handschuhe schlüpfen. Damit bildet die Dokumentation GESTRANDET,
die im Jahr 2014 spielt, einen Gegenpol zur heutigen Flüchtlingsberichterstattung. Durch Ruhe, Humor und die Frage: Was ist nötig, um einen Ort
sein Zuhause nennen zu können? D Christine Stöckel
Start am 7.4.2016
¢ b-ware!ladenkino
¢ fsk-Kino am Oranienplatz
Five refugees from Eritrea find themselves in the small village of Strackholt
in north west Germany.
OMU
OMU
TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
KinoStart
Deutschland 2015 D 84 min D R: Matthias Koßmehl D B: Matthias Koßmehl D K: Bastian
Esser D S: Andreas Nicolai D M: André Feldhaus D D: Flora Kurz, Jamshid Hamta, Ursel
Kramer, Abdul Razzak, Imtiaz Ahmad, Hardy Jallo, Mustafa Qarizada, Juma & Farida Kayaga,
Maria Heinz D V: déjà vu Filmverleih
Ein Dokumentarfilm von
Mario Schneider
14. april
2016
CAFÉ WALDLUFT
Zuflucht im Idyll
Sie haben ihre Heimat zurück gelassen, ihre Familien, ihr Herz und sind
gestrandet in Berchtesgaden. Ihre Geschichte ist die von vielen Flüchtlingen, die derzeit Deutschland erreichen – und doch ist sie beispiellos.
Denn die etwa 50 Menschen aus Ecken der Welt, die geprägt sind von
Krieg und Verfolgung, haben ausgerechnet im südlichsten Zipfel von
Bayern eine Heimat gefunden: im Café Waldluft. Früher war der Kurort
überlaufen von Touristen, Bergwanderern aus aller Herren Ländern. Doch
seit einigen Jahren lässt der Strom nach und so gab es für „Mama Flora“,
wie sie liebevoll von den Menschen im Hotel genannt wird, nur die Wahl,
die Herberge, die seit Generationen im Familienbesitz ist, zu verkaufen
oder umzusatteln. So kamen die Flüchtlinge zu ihr und aus dem Notwendigen ist ein Anliegen geworden. Liebevoll umsorgt sie die Menschen, hilft
ihnen bei Asylfragen, besucht sie, wenn sie im Krankenhaus liegen. Aus
Syrien, Afghanistan oder Sierra Leone kommen sie und verständigen sich
in gebrochenem Deutsch. Sie haben Zuflucht inmitten eines landschaftlichen Idylls gefunden, umgeben vom Watzmann und seinen Kindern, doch
es schwingt immer auch Traurigkeit mit, wenn die Gedanken um die Familien kreisen, die sie zurück ließen.
Matthias Koßmehl gibt den Schlagzeilen, die in den vergangenen Monaten die Zeitungen beherrschen, Gesichter und Geschichten – ähnlich wie
es auch Lisei Caspers in diesem Monat anlaufender Dokumentarfilm
GESTRANDET vermag. Koßmehl erhielt für sein eindrucksvolles Plädoyer
für Menschlichkeit im vergangenen Jahr den DEFA-Förderpreis beim DOK
Leipzig. Die Geschichten seiner Protagonisten gehen weiter und man wird
in Zukunft ihre Namen und Gesichter im Kopf haben, wenn in den Nachrichten über anonyme „Flüchtlingsströme“ berichtet wird. D Lars Tunçay
4 Leben ein Akt
www.realfictionfilme.de
Deutscher Wettbewerb
DOK Leipzig 2015
Ein Film von Jayro Bustamente
Start am 31.3.2016
¢ fsk-Kino am Oranienplatz
„Café Waldluft“ in the Bavarian alps
used to be a tourist hotspot. When
business began to dwindle the hotel
turned into a home for refugees.
Träume am Fuß des Vulkans
ab 31. März im fsk und Kino Hackesche Höfe
www.kairosfilm.de
TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
Ausgezeichnet
mit dem Silbernen Bären
Berlinale 2015
INDIEKRITIKEN
MUCH LOVED
Kaleidoskop der Tabuzonen
Es beginnt mit einer doppelten Verführung: Filmisch dadurch, dass wir mit
Noha, Randa, Soukaina und Hlima am gleichen Tisch sitzen und uns auf
die Nacht vorbereiten, mit ihnen Lines ziehen, Wodka trinken, danach im
gleichen Auto sitzen, und die Situation beinah scheint, als sei sie dokumentarisch gefilmt. Das Ziel unserer Reise ist eine große Villa vor Marrakesch, die die vier Frauen kurz darauf – mit geglätteten Haaren, in Stilettos und engen Minikleidern – betreten. Dann die zweite Verführung: die
Arbeit der Frauen, alle vier Sexarbeiterinnen, alle für eine Nachtschicht
als Dienstleisterinnen bestellt. Ein kaum spürbarer Perspektivwechsel
der Kamera, welche die Körper der Frauen, beim Tanz und im Rausch,
plötzlich durch die Augen der Anderen filmt. Die Überlagerungen dieser
beiden Formen der Verführung – die des Publikums und schließlich die
der Kunden im Film – erzählt der franko-marokkanische Regisseur Nabil
Ayouch geschickt widersprüchlich, denn bevor die problematische soziale
und berufliche Situation der vier Frauen sich unaufhaltbar zuspitzt, wohnen wir einer ausgelassenen Party bei. Freundschaftlich begegnen sich
die hübschen jungen Männer und Frauen, lustig und vermeintlich gleichberechtigt wirken ihre Interaktionen, sympathisch die Saudi-Sextouristen – bis die Marokkanerinnen spät am Morgen als „nutzlose Schlampen“ bezeichnet werden oder sich eine von ihnen blutend auf die Toilette
flüchtet. Noch bevor die ersten Bilder im Film zu sehen sind, hören wir
die Frauen über Männer reden, die sie interessanter Weise mit Markenprodukten vergleichen: es gäbe sie hochwertig, in mittelmäßiger Qualität,
und manche seien einfach nur Dreck – im englischen mit „sons of a bitches“ übersetzt.
Es geht um Blicke und Perspektivwechsel in MUCH LOVED und das in
vielerlei Hinsicht. Dass der Blick des Films dabei überhaupt zum ersten
Mal durchgehend und schonungslos auf das Leben von marokkanischen
Sexarbeiterinnen gerichtet ist, ist nicht nur ein Novum, sondern zum
ernstzunehmenden Skandal geworden. Noch bevor der Film in Cannes
Premiere feierte, grassierten Ausschnitte im Internet, die in Marokko
zu öffentlichen Debatten führten, welche in Morddrohungen gegen Darstellerinnen und Regisseur, Diffamierungen und scharfen moralisch und
religiös begründeten Verurteilungen des Films gipfelten: er verunglimpfe
D 18
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Marokko/Frankreich 2015 D 104 min D R: Nabil Ayouch D B: Nabil Ayouch, Emilie Flamand
D K: Virginie Surdej D M: Mike Kourtzer D D: Loubna Abidar, Asmaa Lazrak, Halima
Karaouane D V: Arsenal Filmverleih
Marokko, fördere außerehelichen Geschlechtsverkehr und zeige Homosexuelle in einem positiven Licht. Tatsächlich führt uns Nabil Ayouch im
Laufe des Films kaleidoskopartig und sehr konkret in die Tabuzonen eines
komplizierten Diskurses, der nicht offen geführt wird. Es geht um die
Schande innerhalb der Familie, die Kriminalisierung und Rechtlosigkeit
von Sexarbeiterinnen, Vergewaltigungen durch Polizeibeamte, Korruption,
transidente und lesbische Frauen und gesellschaftlich tief verankerte patriarchale Machtstrukturen. Besonders stark wirkt der Film nicht nur durch
die differenzierte Betrachtung seines Themas und die ungekünstelten und
ungeschönten Dialoge, sondern vor allem durch das Spiel der vier Hauptdarstellerinnen Loubna Abidar, Asmaa Lazrak, Halima Karaouane und
Sara Elmhamdi Elalaoui. Sie geben ihren Figuren Tiefe, Stärke, Verletzlichkeit, ein großes Selbstbewusstsein und vor allem eine Würde, die sie
auch im Angesicht von physischer und struktureller Gewalt, finanzieller
und persönlicher Ausbeutung nicht verlieren.
Wie sehr diese Perspektive nur allzu gut in ein westlich geprägtes Bild der
sexuellen Rückständigkeit und Repression in arabischen Staaten passt,
und wie sehr dieses Bild vielleicht dem des Regisseurs entspricht, der
in Frankreich geboren und aufgewachsen ist, sei dahingestellt, und ist
im Angesicht des generellen Aufführungsverbots von MUCH LOVED in
Marokko vielleicht auch relativ. Symptomatisch für diesen Blick – den
Außenblick auf das Innenleben des Landes – sind die leitmotivisch den
Film durchziehenden Blicke der Frauen aus dem Inneren der Autos auf
das Außen – das Straßenleben in Marrakesch – unterlegt mit melancholischen, beinahe unheimlichen Klängen. Es sind Blicke auf eine Öffentlichkeit, von der sie nicht Teil sind und an der sie nicht Teil haben können. D
Toby Ashraf
Start am 14.4.2016
¢ b-ware!ladenkino
OMU
MUCH LOVED depicts the life and work
of four Moroccan sex workers and
touches upon many taboo subjects:
family, shame, sexual harassment by
the police, corruption, transidentity,
homosexuality, and deeply ingrained
patriarchal structures.
TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
INDIEKRITIKEN
Venezuela/Argentinien/Peru/Deutschland 2013 D 93 min D R: Mariana Rondón
D B: Mariana Rondón D K: Micaela Cajahuaringa D S: Marite Ugas D M: Camilo Froideval
D D: Samuel Lange Zambrano, Samantha Castillo, Nelly Ramos D V: imFilm
PELO MALO
EIN MANN NAMENS OVE
Subversives Haar
Grantler mit Herz
„Pelo malo“, „schlechtes Haar“, ist eine abwertende und dennoch in
Lateinamerika übliche Bezeichnung für schwer zu bändigendes Haar mit
afrikanischem Migrationshintergrund. Der neunjährige Junior versucht
konsequenterweise, diesem Makel auf seinem Haupt mit den verschiedensten Glättungsmethoden beizukommen. Damit einer gesellschaftlichen Konvention folgend, kollidiert er zugleich mit einer anderen: Er
könnte sich die Haare männlich kurz schneiden, besteht aber auf Länge
und gerät in den Verdacht, zu feminin oder gar schwul zu sein. Seine Oma
findet das gut, frei nach Achilles zieht sie es vor, den Jungen in Mädchenkleidern zu verstecken, als ihn maskulin in den Bandenkrieg und
sicheren Tod ziehen zu lassen. Juniors Mama ist nicht begeistert, sie
hält Abhärtung für die bessere Strategie in der Machowelt. So arbeitet
sie selbst lieber als Security Guard denn als Putzfrau. Ihr Kampf ums
finanzielle Überleben fordert verzweifelte Schritte – und spiegelt sich in
zunehmender Lieblosigkeit, ja Verachtung gegenüber dem Jungen, der
stur um sein Selbstbild ringt. Das manifestiert sich ganz konkret: Für die
Schule ist ein Porträtfoto fällig. Während Juniors handfeste Freundin als
Schönheitsqueen abgelichtet werden will, schwebt ihm eine Inkarnation
als Popsänger vor, beides Ausdruck eines tiefsitzenden kollektiven Begehrens nach Anerkennung und Teilhabe. Mit Vehemenz manifestieren sich
Diskurse um Gendernormen, rassistische Wertungen und Sexualität in
PELO MALO an der Frisur. Regisseurin Mariana Rondón gelingt es, diese
komplexen Einsichten organisch zu erzählen. Die ambivalente Dynamik
zwischen Mutter und Sohn überzeugt ebenso wie die fast dokumentarische Zeichnung ihrer von Armut geprägten Nachbarschaft. Schließlich
dämmert die Erkenntnis, dass sich Haare so wenig kontrollieren lassen
wie Freiheitsbedürfnisse – sie wachsen einfach nach. D Anna Stemmler
Start am 31.3.2016
¢ fsk-Kino am Oranienplatz
¢ Sputnik Kino OMU ab ca. 28.4.
OMU
TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
Originaltitel: En Man Som Heter Ove D Schweden 2016 D 117 min D R: Hannes Holm
D B: Hannes Holm basierend auf Fredrik Backman D K: Göran Hallberg D S: Fredrik
Morheden D M: Gaute Storaas D D: Ralf Låssgard, Bahar Pars, Filip Berg D V: Concorde
Filmverleih
PELO MALO follows the relationship
between nine-year-old Junior and his
disdainful mother, Mariana Rondòn’s
film shows how gender normativity,
racism and sexism affect a poor Venezuelan family – and a boy’s hairstyle.
Wir lernen Ove beim Blumenkauf kennen – er möchte einen Gutschein
einlösen und als er erfährt, dass er für den Rabatt zwei Sträuße kaufen
muss, rastet er aus. Später sehen wir ihn dann bei seinem Kontrollgang
durch die kleine Vorortsiedlung: Mülltonnen, Parkplatz, Verbotsschilder.
Jeden Tag überprüft Ove, ob alles an seinem Platz ist und auch keiner auf
der Linie parkt. Ove ist kein angenehmer Kunde, Nachbar oder Kollege.
Aber er ist ein liebender Ehemann. Die Blumen sind für das Grab seiner
Frau Sonja bestimmt, der er immer wieder die neuesten Ereignisse erzählt
und immer verspricht er ihr, in Kürze nachzukommen. Als Ove seinen Job
verliert, will er ernst machen und sich umbringen, aber in der kleinen
spießigen Nachbarschaft kommt immer etwas dazwischen: Die Nachbarin braucht Hilfe beim Heizungsentlüften und jemand muss sich um die
streunende Katze kümmern. Vor allem kommen Oves Abgang die neuen
Nachbarn in die Quere, insbesondere die gut gelaunte und hochschwangere Iranerin Parvaneh, die sich von Oves Grummelei nicht abschrecken
lässt und ihn resolut in ihre Projekte einspannt. EIN MANN NAMENS OVE
wechselt zwischen sanften wehmütigen Momenten, in denen Ove sich an
den banalen, traurigen, selten auch schönen Lauf seines Lebens erinnert,
und sanft komödiantischen Szenen in der Nachbarschaft. Ralf Låssgard
spielt den grantigen aber auch den liebenden Ove mit großer Überzeugungskraft. Wenn er in seine leere Wohnung zurückkommt, braucht er nur
einen Blick in den Flur zu werfen und man spürt seine Einsamkeit. Auch
Bahar Pars in der Rolle der lebensklugen Immigrantin ist mehr als die
übliche Frau mit Herz, die den weichen Kern in einem Querkopf freilegt.
Ihre Botschaft an Ove ist die des Films: Niemand kommt ganz alleine klar.
Niemand. In Schweden ist OVE inzwischen die erfolgreichste nationale
Produktion aller Zeiten. D Toni Ohms
Start am 7.4.2016
¢ b-ware!ladenkino
ab ca. 28.4.
¢ Bundesplatz Kino DF OMU
¢ Eva Lichtspiele DF ab 14.4.
¢ Hackesche Höfe Kino OMU
DF OMU
Ove is a grumpy old man and a stickler
for the rules. When he loses his job he
decides to end it all. But his suicide
attempt is interrupted every time by
another neighbour trying to borrow a
ladder, offer him food, or asking about
the stray cat.
APRIL 2016 D
19 D
INDIEKRITIKEN
Originaltitel: Un Tango Más D Deutschland/Argentinien 2015 D 85 min D R: German Kral
D B: German Kral D K: Jo Heim, Felix Monti D S: Ulrike Tortora D M: Gerd Baumann, Luis
Borda D V: Alpenrepublik Filmverleih
EIN LETZTER TANGO
Legendäres Tangopaar
Der in Buenos-Aires geborene und in München lebende Regisseur German
Kral erzählt mit EIN LETZTER TANGO die Liebes- und Leidensgeschichte
des bekanntesten argentinischen Tangotänzer-Paares Juan Carlos Copes
und Maria Nieves Rego. Über ein halbes Jahrhundert verkörperten die
beiden nach Außen die Essenz dieses poetisch-leidenschaftlichen körperlichen Ausdrucks, auch dann noch, als ihre innige persönliche Romanze
längst vorbei ist. Der Tanz wird zur plastisch-lyrischen Manifestation
ihrer heftigen Gefühlswelt, einer, auch im hohen Alter (Rego ist 79 und
Copes 82 Jahre alt) noch permanent spürbaren Hitze, die sie trotz all ihrer
widersprüchlichen Emotionen und Aussagen stolz die Haltung bewahren
lässt. Kral öffnet den Erzählrahmen, der von den Erinnerungen der beiden
Protagonisten sowie einer eleganten Bildästhetik und stilvoll inszenierten
Kamerafahrten geprägt ist, nicht nur, indem er (Tanz-)Szenen der Vergangenheit mit jungen Darstellern möglichst detailgetreu nachstellt. Er zeigt
die Schauspieler auch außerhalb ihrer Rollen, wie sie neugierig und aufmerksam die Geschichten von Maria Nieves Rego aufzusaugen scheinen,
um diese Erfahrungen wiederum glaubhaft in ihre eigenen Performances
einfließen lassen zu können. Für Copes und Rego dagegen ist es eine gleichermaßen wehmütige und schmerzhafte Rückkehr in ihre eigene Vergangenheit, die alte Wunden aufreißt. So lebt EIN LETZTER TANGO natürlich
vom immanenten Spannungsverhältnis der beiden Tango-Superstars und
ihrer persönlichen Geschichte, lässt sich aber auch selbst darauf ein, Teil
dieses faszinierenden kulturellen Universums zu werden. Damit sprengt
Kral die Dimensionen des Dokumentarfilms. Mit seiner Hommage schafft
er eine selbstständige Adaption und filmische Interpretation des Phänomens Tango. D Jens Mayer
Start am 7.4.2016
¢ Eva Lichtspiele
¢ filmkunst66 OMU
¢ Hackesche Höfe Kino
A portrait of legendary tango dancers
Juan Carlos Copes and Maria Nieves
Rego.
OMU
D 20
D APRIL 2016
OMU
Deutschland 2015 D 80 min D R: Patrick Siegfried Zimmer D B: Patrick Siegfried Zimmer,
Sebastian Schultz D K: Marius von Felbert, Julia Lohmann D S: Habiba Laout D M: Patrick
Siegfried Zimmer D D: Robert Stadlober, Paula Kalenberg, Blixa Bargeld, Dirk von Lowtzow,
Wieland Schönfelder D V: Interzone Pictures
ANHEDONIA –
NARZISSMUS ALS NARKOSE
Überdrehte Lust-Stimulanz-Therapie
Auf einem Landsitz kurz nach dem ersten Weltkrieg oder nach dem dritten. Ausgelöst durch die digital-hedonistische Reizüberflutung entwickeln Millionen von Menschen Anhedonie, die Unfähigkeit, Freude oder
Befriedigung zu empfinden. Die betroffenen Aristokratensöhne Franz und
Fritz Freudenthal (Stadlober & Schönfelder) werden zur Therapie nach
„Seelenfrieden“ geschickt, um sich dort durch die innovative Lust-Stimulanz-Therapie des angesagten Psychotherapeuten, Prof. Dr. Immanuel
Young heilen zu lassen. Der Professor ist körperlos, aber seine Stimme
(Dirk von Lowtzow, TOCOTRONIC) omnipräsent. Die Therapie wird von
seinem Cheflakaien Rüdiger, komplett mit roter Bommelmütze und Revolver, durchgeführt. Manchmal unterbricht auch ein Regisseur die Szene,
um Anweisungen zu geben oder Blixa Bargeld (HORNBACH-Werbung) liefert als Diabolus Hintergrundinformationen zum Geschehen. Was soll man
auch erwarten in einem Herrenhaus, wo hinter einer Tür schon mal das
Meer wartet oder Rüdiger die Patienten mit einem Fingerschnippen durch
die Gegend teleportieren kann?
Vielleicht ist das alles auch nur eine Phantasie, so wie Franz wiederkehrendes Rendezvous mit seiner Traumfrau im Rokokokleid. Oder eine
Gruppe Film- und Musikschaffender hat sich einfach mal zusammengeschlossen, den Kostümfundus eines Stadttheaters geplündert und im
Laufe eines sonnigen Wochenendes einen Film über die Frage „Was ist
denn das, das schöne Leben?“ gedreht. Sicherlich haben sie dabei viel
Spaß gehabt. Überdrehte Individuen bauschen den Tüll der klassischen
Kammerspiele um sich auf, nur um kurz darauf zuzugeben, dass sie ja
eigentlich nur um ihrer selbst willen bewundert werden wollen. Zum Glück
nehmen sie sich aber selbst auch nicht so ernst. Der Soundtrack ist bei so
vielen beteiligten Musikern natürlich großartig. D Christian Klose
Start am 31.3.2016
¢ b-ware!ladenkino
¢ Filmrauschpalast, am 31.3. um
21 Uhr mit Filmteam und Party
¢ Sputnik Kino, am 31.3. um 19 Uhr
mit Filmteam
In the near future two young
aristocrats are sent to an innovative
clinic in order to find purpose in their
overstimulated lives.
TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
INDIEKRITIKEN
THE LADY IN THE VAN
Geschichte einer Koexistenz
THE LADY IN THE VAN ist so englisch wie Gardeners’ Question Time,
sheep dog trials, Five O’Clock Tea und Toast mit Bitterorangenmarmelade:
gelassen, zurückhaltend, ein bisschen altmodisch, ein bisschen exzentrisch, dabei Oxford-gescheit, und durchzogen von einem leisen Humor,
der um die eigene Lächerlichkeit weiß. Autor Alan Bennett erzählt in THE
LADY eine, wie es im Vorspann heißt „mostly true story“. Als Bennett in
den 70ern in das Londoner Viertel Camden Town zog, in dem die Gentrifizierung gerade begann, gehörte zum Inventar seiner Straße bereits eine
alte Vagabundin, Miss Shepherd, die mit dem Lieferwagen, in dem sie
wohnte, von Haus zu Haus zog und nach einigen Jahren, und nach Verschärfung der Parkvorschriften, mit dem Wagen in Alan Bennetts Einfahrt
landete. Dort blieb sie für 15 Jahre.
Im richtigen Leben ist der inzwischen 82-jährige Bennett ein bekannter
britischer Autor, der vor allem für Radio und Fernsehen arbeitet, und mit
u.a. THE MADNESS OF KING GEORGE und THE HISTORY BOYS auch schon
einige Drehbücher verfasst hat. Bennetts Spezialität ist ein feines Gespür
für gesprochene Sprache und soziale Umstände und eine Vorliebe für den
Wahnsinn, der sich unter einer bürgerlichen Fassade verbirgt. Zu seinen
bekanntesten Stücken zählt „Talking Heads“, eine Serie von Monologen
für Fernsehen und Bühne, in der ganz normale Leute, Hausfrauen, Krankenschwestern, Büroangestellte und Senioren, meistens aus dem Norden
Englands stammend, beim Erzählen ihre geheimen Obsessionen offenbaren, die sich oft genug als Bausteine einer privaten Hölle herausstellen.
Auf den ersten Blick ist es in THE LADY IN THE VAN natürlich Miss
Shepherd, die deutlich sichtbar von Obsessionen geplagt wird. Wenn
Maggie Smith, die für ihre Verkörperung der Alten einen Oscar verdient
Start am 14.4.2016
¢ b-ware!ladenkino DF OMU
ab ca. 21.4.
¢ filmkunst66 DF
¢ Union Filmtheater DF ab 28.4.
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When writer Alan Bennett moved to
Camden Town in London in the 1970s,
old Miss Shepherd and the old van in
which she lived were already there.
One day he allowed her to park her van
in his driveway. She remained there
for 15 years.
Großbritannien 2015 D 104 min D R: Nicholas Hytner D B: Alan Bennett D K: Andrew Dunn
D S: Tariq Anwar D M: George Fenton D D: Maggie Smith, Alex Jennings, Frances de la Tour
D V: Sony Pictures Germany
hätte, in ihrem Outfit aus vielfach geflicktem Regenmantel und eingewachsen wirkenden Klamottenschichten, in einem ihrer Gefährte – Miss
Shepherd hat eine Vorliebe für fahrbare Untersätze – Gloucester Crescent
entlang wackelt, meint man den Geruch der Obdachlosigkeit, von selten
gewaschenen Kleidern, eingetrocknetem Essen, Urin und Puder, schon
von Weitem zu riechen. Über sich selbst redet Miss Shepherd nie, dafür
doziert sie in einer mit religiösen Metaphern gespickten Sprache über
alles Mögliche. Einmal nimmt sie den stets adrett in Pullunder und Hemd
gekleideten Schriftsteller zur Seite und raunt ihm zu: „Diese jungen Männer, die abends bei Ihnen ein- und ausgehen, trauen Sie denen nicht. Sie
sind bei Nacht unterwegs: Das sind alles Kommunisten.“
Die Anwohner von Gloucester Crescent bringen, von bürgerlichem Schuldgefühl geplagt, gelegentlich Geschenke bei Miss S. vorbei, die diese ruppig entgegen nimmt, sind im Übrigen aber dankbar, dass Mr Bennett sich
kümmert. Eines Tages bemerkt er trocken, dass die Leute angefangen
haben, ihn nach seiner „old lady“, seiner „Alten“, zu fragen, so als ob sie
verheiratet wären. Dabei sind größere Gegensätze kaum denkbar. Hier
die verwahrloste Alte, die auf der Straße lebt und sich täglich ihren Platz
erkämpft, dabei aber in aller Wirrnis ein tadelloses Middleclass Englisch
spricht. Eine überzeugte Thatcher-Anhängerin. Dort der zurückhaltende,
ordnungsliebende, SDP-wählende Schriftsteller mit dem proletarischen
Yorkshire-Dialekt, der tagein tagaus an seinem Schreibtisch sitzt, aus
dem Fenster sieht und fein selbstironisch in sein Tagebuch notiert, wie
sein Alter Ego die Rückstände beseitigt, die Miss Shepherd im Garten
hinterlässt. Beide – der Schriftsteller und sein Alter Ego – werden im Film
von Alex Jennings gespielt, Alan Bennett selbst tritt gegen Ende in einer
kleinen Cameo-Rolle auf.
Noch nach 15 Jahren Hausgemeinschaft mit Miss Sherherd ist Bennett/
Jennings überrascht, dass die Sozialarbeiter nach außen keinerlei Ekel
zeigen, wenn sie ihren Van betreten. Dass er die Alte aus Barmherzigkeit
aufgenommen habe, weist er weit von sich. Eher aus Konfliktscheue. Er
sei nicht caring (fürsorglich) sondern schüchtern (timid). „But timid, being
British, is good thing too“. D Hendrike Bake
APRIL 2016 D
21 D
INDIEKRITIKEN
Deutschland 2016 D 164 min D R: Lutz Dammbeck D B: Lutz Dammbeck D K: Eberhard
Geick, István Imreh, Volker Tittel, Börres Weiffenbach D S: Margot Neubert-Maric D M: Jörg
Udo Lensing D V: Dammbeck Film
OVERGAMES
Deutschland 2015 D 105 min D R: Mario Schneider D B: Mario Schneider D K: Friede
Clausz, Mario Schneider D S: Gudrun Steinbrück, Mario Schneider D M: Mario Schneider,
Cornelius Renz D V: RealFiction
AKT – 4 LEBEN EIN AKT
Spiele für eine kranke Nation
Gezeichnete Körper
In einer Talkshow hat Joachim Fuchsberger mal gesagt hat, dass seine
ersten TV-Spielshows auf einer US-Show basierten, bei der in der Psychiatrie zur Therapie von Paranoikern entwickelte Spiele für das Fernsehpublikum als Unterhaltung aufbereitet wurden. Eine ganze kranke Nation,
eine Nation von Paranoikern hätte zugesehen, meinte Fuchsberger. Lutz
Dammbeck will in seinem fast dreistündigen Film OVERGAMES einerseits
überprüfen, ob TV-Spielshows in einem Zusammenhang mit dem US-Konzept der Re-Education der Deutschen nach dem zweiten Weltkrieg stehen,
in dessen Kontext der Psychiater Richard Brickner tatsächlich die Diagnose stellte, die Deutschen litten an Paranoia: Größenwahn bei gleichzeitigem Verfolgungswahn, ein starker Sinn, auf einer Mission zu sein,
bei einem gleichzeitigen ständigen Minderwertigkeitsgefühl. Andererseits
will er seine Version einer Ideengeschichte erzählen, die er als die „permanente Revolution“ bezeichnet. Er verfolgt das Ideal von Freiheit und
Gleichheit von der Aufklärung über die Französische Revolution, die Psychoanalyse, Soziologie und Ethnologie bis zum Konzept einer amerikanischen „New World Order“ unter dem Gesetz des Marktes. Am Ende wirkt
OVERGAMES selbst wie ein paranoides Phantasma von der Auslöschung
deutscher Kultur durch den amerikanischen Way of Life und dessen
Marktgottheit. Fuchsbergers Behauptung kann niemand belegen. Dabei
sind die therapeutischen Effekte der Shows offensichtlich, die der andere
große deutsche Nachkriegs-Showmaster, Hans Rosenthal, entwickelte. In
„Allein gegen alle“ brachte er die Nachkriegsgeneration dazu, sich mit cleveren Einzelnen zu identifizieren, die jeweils einer ganzen Stadt so pfiffige
Fragen über ihr eigenes Leben und ihre eigene Geschichte stellten, dass
deren versammelte Intelligenz sie nicht zu lösen vermochte. Lektionen
in Kreativität und Individualität, 1963-1977 jeden Sonntag auf NDR2. D
Drei Frauen, ein Mann. Die Kamera nähert sich ihrem nackten Objekt,
dem Körper, meist vom Nacken, vom Rücken her. Dann umkreist sie ihn
langsam, tastet ihn ab zu je eigener Musik, von ruhigem Jazz bis hin zu
getragener Klassik, unterstreicht so das vorangestellte Motto: „Auf dass
man in 1000 Jahren nachdem wir starben, sehe, wie schön ihr wart …“
(Michelangelo). Dabei sind es beileibe keine Schönheiten, die der Dokumentarfilm AKT von Mario Schneider porträtiert, sondern vier sehr irdische, teils unförmige Menschen, die in Leipzig an Kunstakademien oder
in Zeichenkursen Modell stehen.
Doch setzt sich der Film, anders als der Titel suggeriert, weder mit Nacktheit (Scham, Voyeurismus, Entblößung) noch auch direkt mit dem Sehen
und Zeichnen des nackten Körpers auseinander. Der Akt ist vielmehr
Anlass, hinter die Oberfläche zu schauen und die vier Porträtierten sprechen zu lassen. Sie geben uns Nachrichten aus einem, um mit Adorno
zu sprechen, beschädigten Leben. Eine Frau wäre fast erst gar nicht ins
Leben gekommen, nun halb blind und ohne Haare singt sie in der Fußgängerzone eigenwillige Lieder. Der Mann des Films litt als Säugling an einer
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte. Die damit zusammenhängenden familiären
Ungleichgewichte wirken bis heute fort. Einer Dritten ertaubte ihr Mann.
Allein die Vierte, die nicht nur Modell steht, sondern selber als Künstlerin
ganz in der Malerei aufgeht, scheint unversehrt zu sein.
Zwischendurch spürt die Kamera den im doppelten Sinn gezeichneten
Körpern nach oder bewegt sich traumwandlerisch durch Leipzig. Während
die Stadt dabei zum Spiegel eines Alltags wird, in dem jeder seine Last zu
tragen hat, wird der nackte Körper zum Symbol eines Rechts auf Würde,
die immer wieder unter die Räder zu geraten drohte, und einer Schönheit,
die nicht den Vorgaben der Kulturindustrie entspricht. D Hendrik Jackson
Tom Dorow
Start am 21.4.2016
¢ Brotfabrik Kino
D 22
OMU
D APRIL 2016
Lutz Dammbeck’s film OVERGAMES
follows a story German showmaster
Joachim Fuchsberger tells: He claims
that the first game shows were based
on games which were developed in
American psychiatric hospitals.
Start am 14.4.2016
¢ fsk-Kino am Oranienplatz
¢ Sputnik Kino
AKT portrays three individuals who
work as nude models in Leipzig art
academies and drawing classes.
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Großbritannien 2015 D 108 min D R: Owen Harris D B: John Niven D S: Bill Smedley
D M: Junkie XL D D: Nicholas Hoult, Ed Skrein, James Corden D V: Ascot Elite
KILL YOUR FRIENDS
Psycho in der Musikindustrie
KILL YOUR FRIENDS pulsiert. In Steven Stelfox’ (Nicholas Hoult) unberechenbarer Psyche, im dröhnenden Britpop-Soundtrack und vor allem
im unerbittlichen Haifischbecken der Musikindustrie, in der Stelfox (wie
jeder andere) nur auf eins aus ist: Karriere. Die Musik selbst interessiert
nicht, sondern ob sie Geld bringt. So wird gesignt, wozu die dummen
Massenkonsumenten leicht „Suck my dick“ mitgrölen können. Profit vor
Qualität, das ist die zynische und sicherlich realistische Einstellung der
Branche, die der Drehbuch- und Romanautor des Ausgangsstoffes John
Niven, der wie sein Charakter selbst einmal A&R Manager eines Labels
war, mit schwarzhumorigem Unterton skizziert. Hoffnungsschimmer lässt
Regisseur Owen Harris entweder gar nicht erst aufkommen oder er lässt
sie schlagartig an Klippen der Korruption zerschellen, die sich überall
ausbreitet, beziehungsweise schon von Anfang zugegen ist. In seiner
blutgetränkten Charakterentwicklung, seinen satirisch überzeichneten
Gewaltexzessen, die ihre Ursachen in krankhaftem Konkurrenzdenken
haben, und schließlich in seiner rasanten Abwärtsspirale liefert Stelfox ein
düsteres Spiegelbild der Branche. Das große Vorbild AMERICAN PSYCHO
ist vor allem in der Zeichnung des Protagonisten als dauerberauschtes,
die vierte Wand durchbrechendes Patrick-Bateman-Pendant erkennbar,
auch, wenn sich Regisseur Owen Harris mit deutlichen Zitaten vorsichtig
zurückhält. Mit seiner arroganten Arschloch-Attitüde entemotionalisiert
Harris das erschreckende Geschehen ohne Sympathieträger und erlaubt
so einen unverschleierten Blick hinter die lügenverseuchten Kulissen.
Neben der One-Man-Show von Nicholas Hoult (MAD MAX: FURY ROAD)
bietet KILL YOUR FRIENDS auch ein unvergessliches Cameo von Moritz
Bleibtreu. D Hardy Zaubitzer
¢ Filmrauschpalast
OMU
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Steven Stelfox is an unscrupulous
A&R manager in the pop business,
who is constantly stoned, cynical and
arrogant – and on a downward spiral
with bursts of extreme violence. A
poisonous, satirical look at the music
industry.
NACH EINEM WAHR
GEWORDENEN TRAUM
AB DONNERSTAG,
31. MÄRZ NUR IM KINO
THE FORBIDDEN ROOM
Aus dem Quell der verlorenen Filmgeschichten
Guy Maddins Film THE FORBIDDEN ROOM beginnt mit einem Bibelzitat:
„When they were filled, he said unto his disciples: Gather up the fragments that remain, that nothing be lost. “ John 6, 12 („Als die Menge satt
war, sagte er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrig gebliebenen Brotstücke, damit nichts verdirbt.“) Die Fragmente, die übriggeblieben sind, hat
Maddin ebenfalls aufgesammelt. THE FORBIDDEN ROOM sammelt die
Plots von verlorenen Filmen und verbindet sie zu einer Art Babuschka-Geschichte: einem Plot im Plot im Plot usw.
Alles beginnt mit einem Bad. Der Film HOW TO TAKE A BATH des Regisseurs Dwain Esper, der Maddin zufolge auch der Verleiher von Todd
Brownings FREAKS und des legendären Kifferfilms REEFER MADNESS ist,
ist verschollen. Epser drehte in den 30er Jahren einige als Ratgeber verkleidete Exploitation-Filme, unter anderem HOW TO UNDRESS IN FRONT
OF YOUR HUSBAND. Auch HOW TO TAKE A BATH war wohl vor allem ein
Vehikel, um nackte Frauen zeigen zu können.
Der Dichter John Ashberry nahm sich den verlorenen Film vor und schrieb
das Drehbuch zur Rahmenhandlung von Maddins Film, in dem ein sehr
unordentlich gekleideter Herr großspurige und sehr komische Anleitungen zum Baden gibt, während ein anderer Herr badet. Die Badewanne
wird zu einem Quell weiterer verlorener Filmgeschichten, die sich gegenseitig durchdringen, verschachteln und verdrängen. Dabei geht es in
ein U-Boot, das zu explodieren droht, wenn es versuchen sollte, an die
D 24
D APRIL 2016
Oberfläche zu gelangen. Zudem ist der Captain verschwunden, vielleicht
will er aber nur nicht gestört werden. Vorsichtig tasten sich die Unterseemänner durch Segmente der Röhre, wobei sie einem Holzfäller begegnen, der auf der Suche nach der schönen Margot ist, die von der Bande
der roten Wölfe gekidnappt wurde, möglicherweise aber auch mit diesen
unter einer Decke steckt, wie der Holzfäller herausfindet, als er in ihre
Höhle eindringt. Mal erzählt der Schnee einem Mann, der seinem Flüstern
lauscht, ein Vulkanabenteuer, mal träumt eine Tänzerin von Bananenvampiren. Zwischendurch gibt es ein Intermezzo mit einer Musiknummer der
70er-Jahre Kultband Sparks, die einen hübschen Song singt, in dem es
um einen Mann geht, der von Hintern besessen ist („The Final Derrière“).
Irgendwie gelangt auch alles zurück in die Badewanne.
Dass Maddins irrwitziges Projekt nicht an allen Ecken auseinanderfliegt,
sondern tatsächlich erstaunlich unterhaltsam ist, liegt – neben den
geschickt platzierten Pointen – an seinen stilistischen Entscheidungen, vor
allem in Bezug auf Farbe und Musik. Teile des Films erinnern an das erste
Technicolor-Verfahren, das aus zwei Schwarzweiß-Filmen bestand, die
jeweils rot und grün eingefärbt wurden. Andere sehen aus wie viragierte
Stummfilme oder moderne Technicolor-Varianten. Farbübergänge und
-kontraste verbinden und trennen die Segmente und führen ebenso durch
die labyrinthischen Erzählungen, wie die leitmotivisch eingesetzten Musik
– Loops aus verschiedenen klassischen Stücken, ein paar Takte Schönberg-Loop hier, ein Wagner-Loop da, je nach melodramatischem Bedarf.
INDIEFEATURE
Kanada 2015 D 119 min D R: Guy Maddin D B: Guy Maddin, Evan Johnson D K: Stéphanie
Weber-Biron D S: John Gurdebeke D M: Galen Johnson D D: Mathieu Amalric, Udo Kier,
Geraldine Chaplin D V: Arsenal Institut
Geht es in THE FORBIDDEN ROOM um etwas außerhalb der Bilder- und
Geschichtenproduktion als komisch-melodramatischer Rausch? Maddins
Filme erinnern manchmal an die Suche des Hamburger Kunsthistorikers
Aby Warburg nach der Pathosformel in der Kunst, universellen Ausdrucksformen archetypischer Regungen. THE FORBIDDEN ROOM ist ein Kaleidoskop des Genrekinos mit seinen Heldenreisen, seinen verschwundenen Frauen, gefährlichen Verwandlungen, mythischen Reisegefährten,
genialen und perversen Ärzten, magischen Auferstehungen, und seiner
ambivalenten Erotik. Einen Punkt macht der Film nicht, aber einen sehr
großen Kreis. Maddin nimmt ein Bad im Unbewussten des Kinos, in dem
sich all diese großen Gesten breitmachen, und bittet darum, sich ordentlich damit abzuseifen. Zuallererst aber ist THE FORBIDDEN ROOM eine
große Hymne an das Fabulieren des Kinos und an seine vergessenen und
verlorenen Filme, die keiner mehr sehen will, wenn das Spektakel gerade
einen anderen Traum durch die Kinosäle treibt. D Tom Dorow
Start am 7.4.2016
¢ b-ware!ladenkino OMU
¢ Brotfabrik Kino OMU
¢ Tilsiter Lichtspiele OMU
In THE FORBIDDEN ROOM Guy Maddin,
the great Canadian magician of surreal
cinema, resurrects lost and forgotten
storylines and compiles them making
a meandering, wild and hypnotic
cinematic trip.
Zwei weitere Filme von Guy Maddin sind in diesem Monat in der kleinen
Retrospektive zu sehen, die die Tilsiter Lichtspiele auf die Beine stellen:
MY WINNIPEG (Kanada 2007) bezeichnet sich selbst als autobiografischer Dokumentarfilm über Maddins Kindheit in Winnipeg, ist aber so voll
von surrealen und fantastischen Momenten - wie der Lieblingsfernsehserie von Maddins Mutter, in der jede Episode von einem neuen Selbstmord handelt - dass der dokumentarische Gehalt des halluzinatorischen
Vergnügens kaum auszumachen ist. In KEYHOLE (Kanada 2011), Maddins
jüngster Arbeit vor THE FORBIDDEN ROOM, kehrt Ulysses mit seiner Gang
in sein altes Zuhause zurück und erkundet es sorgfältig, Zimmer für geisterbefallenes Zimmer. „KEYHOLE fühlt sich an wie ein Fiebertraum aus
Elementen des Film Noir, die der Film rastlos immer wieder neu anordnet,
als wolle er sie zwingen, ihren Gehalt preis zu geben.“ (Roger Ebert)
Die Spieltermine standen zu Redaktionsschluss noch nicht fest.
tilsiter-lichtspiele.de
APRIL 2016 D
25 D
INDIEKRITIKEN
Originaltitel: Miss You Already D Großbritannien 2015 D 115 min D R: Catherine Hardwicke
D B: Morwenna Banks D K: Elliot Davis D S: Phillip J. Bartell D M: Harry Gregson-Williams
D D: Drew Barrymore, Toni Collette, Paddy Considine D V: Neue Visionen
IM HIMMEL TRÄGT MAN
HOHE SCHUHE
Originaltitel: Sutak D Kirgisistan 2015 D 81 min D R: Mirlan Abdykalykov D B: Ernest Abdyjaparov, Aktan Arym Kubat D K: Talant Akynbekov D D: Taalaïkan Abazova, Tabyldy Aktanov,
Jibek Baktybekova D V: Neue Visionen
NOMADEN DES HIMMELS
Alltag in Jurte und Stadt
Galgenhumor gegen den Krebs
Milly und Jess sind beste Freundinnen. Schon immer. Seit den gemeinsamen Kindertagen hat Milly (Toni Colette) eine flamboyante PR Karriere
hingelegt, einen glamourösen Musiker geheiratet, souverän nebenher
zwei nette Mädchen bekommen – ohne dafür ihre High Heels aufzugeben – und ein bislang rundum erfolgreiches Leben gemanagt. Bei der
ruhiger veranlagten Jess (Drew Barrymore) ist alles eine Nummer kleiner,
aber auch nicht so schlecht. Sie wohnt mit ihrem netten umweltbewegten Teddybär-Freund auf einem Hausboot, trägt immer noch Doc Martens und hätte eigentlich auch gerne Kinder. In dieses pittoreske, dezent
alternative Großstadtszenario schlägt der Krebs ein. Bei Milly wird ein
aggressiver Tumor festgestellt. Mehr noch als ihren Mann, braucht sie
Jess an ihrer Seite, und die lässt alles stehen und liegen, um gemeinsam
die Abscheulichkeiten durchzustehen, die da kommen. Chemotherapie,
Schlappheit, Haarausfall, Verlust der Brüste, Gedanken an den Tod. Vor
allem die extreme körperliche Veränderung, der Verlust von Vitalität und
Attraktivität, macht Milly zu schaffen. Ihre Verteidigung ist ein aggressiver
Galgenhumor, den sie mit Jess teilt. Die neue Perücke wird als Happening
zelebriert und sogar aus Kotzschüsseln lässt sich mit etwas gutem Willen
noch ein Gag schinden. Toni Colette (A LONG WAY DOWN) gibt alles als
die zu allem entschlossene, schon etwas verlebte, und nun tödlich verwundete Ex-Party-Löwin. Barrymore als nette Freundin, die irgendwann
genug von Millys Narzissmus hat, ist vor allem: nett. Trotz seiner Offenherzigkeit ist auch der Film im Grunde seines Herzens nett. Kotzwitze
hin und Seitensprünge Sterbender her, IM HIMMEL TRÄGT MAN HOHE
SCHUHE tut alles, um nicht nur seine Hauptpersonen miteinander zu
versöhnen, sondern auch seinen Zuschauern das Sterben so fluffig wie
möglich zu präsentieren. D Toni Ohms
Start am 31.3.2016
¢ Bundesplatz Kino
¢ filmkunst66 DF OMU
¢ Hackesche Höfe Kino
¢ Union Filmtheater DF
DF OMU
D 26
D APRIL 2016
OMU
Londoners Milly (Toni Colette) and
Jess (Drew Barrymore) have been best
friends since childhood. When Milly is
diagnosed with cancer, Jess faces the
ordeal with her but the demands of the
illness eventually put a strain on their
friendship.
Nomaden des Himmels: Ein Titel, der schlimmen Kitsch verspricht: Einfache Menschen, die vor malerischer Kulisse ihrem von Traditionen geprägten Leben nachgehen, unberührt von der Zivilisation, die jedoch drohend
am Horizont zu ahnen ist. Dankenswerterweise erfüllt Mirlan Abdykalykovs
Film die vom (deutschen Verleih)-Titel geschürten Befürchtungen nicht,
auch wenn er sich bisweilen hauchdünn an Klischees und Stereotypen entlangbewegt. Die Geschichte, die er erzählt, liest sich zunächst wie das 1x1
des gerade im Westen so beliebten „Ethno-Kinos“: In einem abgelegenen
kirgisischen Tal, fernab der Zivilisation, lebt eine Nomadenfamilie – bestehend aus Großeltern, Schwiegertochter und Enkelin – in einer Jurte und geht
ihrem von jahrhundertealten Traditionen geprägtem Leben nach. Allein der
Enkel lebt in der Stadt und entfernt sich zunehmend vom Nomadenleben,
das ohnehin von Modernisierungen wie einem Verkehrsprojekt bedroht ist.
Die Qualität von Abdykalykovs Film lässt sich am besten dadurch beschreiben, was er nicht tut: Er schwelgt nicht in atemberaubenden Aufnahmen
der Landschaft, die auch nicht mit bombastischer Musik unterlegt sind.
Er spielt nicht Tradition und Moderne gegeneinander aus, sondern deutet
ganz behutsam die Schwierigkeit an, ein bestimmtes Leben zu führen,
wenn erhebliche Teile des Landes in eine andere Richtung streben. Er
verklärt nicht die Traditionen, sondern zeigt sie in fast dokumentarischen
Momenten als das, was sie für viele Nomaden in Kirgistan schlicht und
ergreifend noch sind: gewöhnlicher Alltag. Ein Teil dieses Pragmatismus
mag daher rühren, dass erstaunlicherweise keinerlei westliches Geld in
der Produktion steckt. Die Konsequenz ist ein Film, der dezidiert nicht für
ein westliches Publikum gemacht wurde, aber genau deswegen so interessant ist, beschreibt er doch frei von Exotismus einen Ausschnitt des
Lebens in den Bergen Zentralasiens. D Michael Meyns
Start am 14.4.2016
¢ b-ware!ladenkino
¢ filmkunst66 DF
¢ Hackesche Höfe Kino
DF OMU
ab 21.4.
The daily life of a family of nomads in
a remote Kirgizia valley gets disturbed
when their grandson returns from
living in the city.
OMU
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INDIEKRITIKEN
Deutschland 2016 D 95 min D R: Britta Wauer D B: Britta Wauer D K: Kaspar Köpke
D S: Berthold Baule D M: Karim Sebastian Elias D D: Rabbiner William Wolff D V: Edition
Salzgeber
RABBI WOLFF
ALLE KATZEN SIND GRAU
Neugier, Charme und Humor
Vielversprechendes Debüt
„Ich versuche, mein Leben soweit wie möglich zu genießen und zu sehen,
dass es Spaß macht. Und wenn es irgendwann keinen Spaß mehr macht,
dann wechsel ich einfach.“ William Wolff macht sein Leben sichtlich Spaß.
Der Brite ist Rabbiner der jüdischen Gemeinden Rostock, Schwerin und
Wismar, pendelt zwischen seinem urigen Anwesen „Little Paddock“ in der
Nähe von London und seinem Amtssitz im Norden Deutschlands, zwischen
Tel Aviv, Berlin und Brooklyn. Das Unglaubliche: Willy Wolff ist 88, aber weit
entfernt von Ruhestand und Altersheim. Stattdessen sucht er die Nähe
der Menschen und die Menschen suchen seine Nähe. Viele von ihnen
stammen aus der ehemaligen Sowjetunion. Deshalb lernt Rabbi Wolff nun
Russisch. Die stete Neugier hat ihn nie verlassen, ebensowenig wie sein
Humor. Dabei hat er es im Leben oft nicht leicht gehabt. Vor den Nazis
floh er mit der Familie zunächst nach Amsterdam, später nach London.
Schon als Kind fasste er den Entschluss, Rabbiner zu werden, entschied
sich jedoch notgedrungen zunächst für eine Laufbahn als Journalist. So
reiste er mehr als drei Jahrzehnte als Korrespondent rund um den Globus.
Bis er mit 53 Jahren seine Ausbildung beginnt. Aus Willy Wolff wird Rabbi
Wolff. Britta Wauer lernte ihn bei der Arbeit an ihrem Dokumentarfilm IM
HIMMEL, UNTER DER ERDE über den jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee
kennen. Seine Stimme eröffnete uns damals einen Einblick in das jüdische Leben und den Umgang mit dem Tod. Sein Charme und sein Humor
nahmen auch die Filmemacherin gleich gefangen und so begleitete sie ihn
über drei Jahre lang mit der Kamera bei seinen unermüdlichen Reisen, auf
denen er den Menschen das Judentum mit einem Lächeln näher bringt.
Dieses Lächeln begleitet einen jeden für den Rest seines Lebens, lernt
man Rabbi Wolff einmal kennen. Schön, dass auch wir ihn nun dank dieses
wundervollen Films kennenlernen dürfen. D Lars Tunçay
Start am 14.4.2016
¢ Bundesplatz Kino
¢ Hackesche Höfe Kino
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Originaltitel: Tous les chats sont gris D Belgien 2015 D 87 min D R: Savina Dellicour
D B: Savina Dellicour, Matthieu de Braconier D K: Thomas Buelens D S: Ewin Ryckaert
D D: Bouli Lanners, Manon Capelle, Anne Coesens D V: Film Kino Text
Willy Wolff trained to be a Rabbi when
he was 53. Now he is 88 and still
practising, constantly moving between
his London home and his parishes
in Rostock, Schwerin and Wismar as
well as between Berlin, Tel Aviv and
Brooklyn.
Die 16-jährige Dorothy ahnt, dass sie nicht das Kind ihres Vaters ist. Wo sind
die gemeinsamen Kinderfotos? Und warum reagiert ihre Mutter manchmal
so sonderbar? Als sie eines Tages dem Privatdetektiv Paul begegnet, beauftragt sie ihn, ihren Vater ausfindig zu machen. Paul nimmt den Auftrag gerne
an – allerdings nicht, um ihn zu lösen. Für ihn ist es eine willkommene Gelegenheit, Zeit mit Dorothy zu verbringen und das Mädchen kennen zu lernen.
Dass er selbst der Gesuchte ist, traut er sich nicht zu sagen. Die Story des
belgischen Films mit dem schönen Titel ALLE KATZEN SIND GRAU scheint
auf dem Papier einem vorhersehbaren Muster zu folgen. Aber Regisseurin
Savina Dellicour interessiert sich weit mehr für ihre Personen als für irgendwelche Plotpoints. Nicht das „große Geheimnis“ ist hier das Entscheidende,
sondern die Personen, die es zu verschleiern und zu enthüllen versuchen.
Da ist zunächst einmal die verspannte Mutter Christine (Anne Coesens), die
Paul unter allen Umständen von ihrer Tochter fernhalten will. Das Ausmaß
ihrer Besorgnis scheint dabei unverhältnismäßig, immerhin ist die Tochter
ja nahezu im Bilde und wird das Verhältnis zunehmend schlechter. Was also
hat sie zu verlieren? Manon Capelle als Dorothy ist eine sehr überzeugend
genervte 16-jährige. Das schwarze Loch in der Familienerzählung belastet
sie wirklich, aber es ist auch eine willkommene Ausrede, alles, insbesondere die Mutter, Scheiße zu finden. Der Star des Films aber ist Bouli Lanners als Paul, ein etwas verpeilter Ex-Mod, der im Modus eines großstädtischen Berufsjugendlichen unterwegs ist und im ordentlichen Vorort, in dem
ALLE KATZEN angesiedelt ist, wie zufällig gestrandet wirkt. Als Vateroption
bewegt er sich auf einem schmalen Grat zwischen cool unkonventionell
und peinlich verschlampt. Aus dieser Dreierkonstellation entwickelt Dellicour ihre spektakulär unspektakuläre Geschichte, die immer angenehm auf
dem Boden bleibt. D Hendrike Bake
Start am 31.3.2016
¢ Acud Kino
¢ b-ware!ladenkino OMU
¢ Brotfabrik Kino OMU
¢ Hackesche Höfe Kino OMU
OMU
In this down to earth Belgian debut 16
year old Dorothy suspects that she is
not her father’s daughter. When she
meets PI Paul she asks him to find her
father for her. Paul accepts but doesn’t
tell Dorothy that he’s the one she’s
looking for.
APRIL 2016 D
27 D
INDIEKRITIKEN
Originaltitel: Freeheld D USA 2015 D 104 min D R: Peter Sollett D B: Ron Nyswaner
basierend auf Cynthia Wade D K: Maryse Alberti D S: Andrew Mondshein D M: Hans Zimmer
D D: Julianne Moore, Ellen Page, Steve Carell D V: Universum Film
FREEHELD –
JEDE LIEBE IST GLEICH
Laurel Hesters Kampf um Gleichberechtigung
2007 drehte die Regisseurin Cynthia Wade den bewegenden Dokumentarfilm FREEHELD über den Kampf der lesbischen Polizistin Laurel Hester aus New Jersey um Gleichberechtigung, der mit dem Oscar für den
besten „Documentary Short“ ausgezeichnet wurde. Am gleichnamigen
Spielfilm, der nun in die Kinos kommt, ist sie als Produzentin beteiligt.
Das Drehbuch schrieb der Autor von PHILADELPHIA, Ron Nyswaner, und
die Hauptrollen übernahmen Julianne Moore als Laurel und Ellen Page
als ihre Lebenspartnerin Stacey. In weiteren Rollen spielen Michael Shannon als Laurels Kollege Dane und Steve Carell als quirliger jüdischer und
schwuler Aktivist mit. Trotz des hochkarätigen Teams, dem offensichtlich
viel an ihrem Projekt liegt, erreicht der Spielfilm nicht die Eindringlichkeit von MILK oder PHILADELPHIA. Eine faszinierende Geschichte erzählt
FREEHELD auf jeden Fall: Im Jahr 2005 wird bei der Polizeikommissarin
Laurel Hester Lungenkrebs festgestellt. Hester hat zu diesem Zeitpunkt
bereits 23 Jahre für die Gemeinde Ocean County im US Staat New Jersey
gearbeitet. Und sie hat sich, was sie im Dienst geheim hält, ein liebevolles
Zuhause mit ihrer Lebenspartnerin Stacey aufgebaut, komplett mit Hund
und Garten. Als ihr Gesundheitszustand sich verschlechtert, appelliert
Laurel an den Gemeinderat, homosexuelle Partnerschaften und Ehen
gleichzustellen, damit Stacey im Fall ihres Todes Witwenrente erhalten
würde – wie jeder heterosexuelle Ehepartner auch. Der Rat lehnt mit Verweis auf die Steuerzahler ab und löst damit landesweite Empörung aus.
Hesters Polizeikollegen und angereiste Gay Rights Aktivisten bilden eine
eigenwillige Koalition und belagern Monate lang alle Ratssitzungen – aber
für Laurel und Stacey wird die Zeit zunehmend knapp. D Hendrike Bake
Start am 7.4.2016
¢ Eva Lichtspiele
¢ filmkunst66 DF
¢ Union Filmtheater
¢ Xenon Kino OMU
DF
D 28
DF
D APRIL 2016
ab 28.4.
Laurel Hester had worked for the
Ocean County police for 23 years
when she was diagnosed with cancer
and couldn’t transfer her pension
benefits to her partner in case of her
death – a routine procedure had she
been married to a man.
Originaltitel: Eddie The Eagle D USA/Großbritannien/Deutschland 2016 D 106 min
D R: Dexter Fletcher D B: Simon Kelton, Sean Macaulay D K: George Richmond D S: Martin
Walsh D M: Matthew Margeson D D: Taron Egerton, Hugh Jackman, Christopher Walken
D V: 20th Century Fox
EDDIE THE EAGLE –
ALLES IST MÖGLICH
Triumph des Underdogs
„Dabeisein ist alles“. Wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten wirkt das
olympische Motto heutzutage, ist Sport doch längst durchkommerzialisiert und zu einem Teil der Unterhaltungsindustrie gewonnen. Wie ein
Relikt aus vergangenen Zeiten wirkt dementsprechend auch Dexter Fletchers EDDIE THE EAGLE und ist genau deswegen so mitreißend. Fletcher
zeichnet den Weg des sportlich eher minder talentierten Briten Eddie
Edwards (Taron Egerton) nach, der dennoch einen großen Traum hatte:
Olympionike zu sein. Da er zudem eher minder attraktiv war und – aus
der Sicht des britischen Establishments noch schlimmer – aus der Arbeiterklasse stammte, hatte er eigentlich keine Chance. Ja genau: Und die
nutzte er. Wie es der Film erzählt (sehr frei mit den Fakten umgehend)
kam Eddie nach diversen Versuchen in anderen Sportarten auf die Idee,
Skispringer zu werden (von denen es in England aus verständlichen Gründen wenig gibt), fuhr nach Garmisch Partenkirchen, traf dort den abgehalfterten Ex-Skispringer Bronson Peary (Hugh Jackman), der ihm ein
paar dringend benötigte Tipps gab, und qualifizierte sich schließlich für
die Olympischen Spiele von Calgary. Dort erlangte er erstaunliche Popularität, obwohl er mit weitem Abstand Letzter wurde. Und darum geht es
hier: Um den Gedanken, dass es im Sport nicht um Sieg und Niederlage
geht, sondern um den Versuch, das Beste aus seinen Möglichkeiten zu
machen. In einer der schönsten Szenen des Films steht Eddie mit Matti
Nykänen im Aufzug, dem damals besten Skispringer der Welt, der in Eddie
eine verwandte Seele erkennt. Für beide ist die Schönheit ihres Sports
das Entscheidende, auch wenn sie im Ergebnis nicht weiter entfernt sein
könnten: Nykänen gewann dreimal Gold, Eddie wurde zwei Mal letzter,
doch in diesen Antipoden lebte der olympische Geist stärker als in den
meisten Athleten dazwischen. D Michael Meyns
Start am 31.3.2016
¢ b-ware!ladenkino
ab ca. 7.4.
¢ Sputnik Kino DF OMU ab 14.4.
DF OMU
A cheerful biopic of British ski jumper
Eddie „the Eagle“ Edwards, whose
determined performance at the Olympics in Calgary 1988 made him world
famous, even though – or possibly
because – he always finished last.
TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
Griechenland 2015 D 95 min D R: Athina Rachel Tsangari D B: Athina Rachel Tsangari,
Efthymis Filippou D K: Christos Karamanis D S: Yorgos Mavropsaridis, Matthew Johnson
D D: Panos Koronis, Vangelis Mourikis, Makis Papadimitriou D V: Rapid Eye Movies
CHEVALIER
AB 14 . APRI L IM KI NO
Neues von der „Greek Weird Wave“
Fünf Herren, der Doktor (ein Patriarch), sein aktueller Schwiegersohn
(ein Versicherungsvertreter) und dessen Bruder (ein Muttersöhnchen),
der ehemalige Schwiegersohn (ein nörgeliger Kollege des Vaters), sowie
zwei ältere urbane Naturburschen mit Kreislauf- und Erektionsproblemen befinden sich auf einer Kreuzfahrt mit der privaten Luxusyacht des
Doktors durch die Ägäis. Als es während eines Psycho-Partyspielchens
zu einem Streit darüber kommt, ob einer der Naturburschen trotz seiner schlanken Figur wie ein Panda aussieht und ob der Stuart, wäre
er
RABBIWOLFF_Indiekino_82x122.indd
1
11.03.16
Obst, wirklich einer Ananas gliche, schlägt der Ex-Schwiegersohn des
www.wild-film.de /wild.film.de
Doktors vor, man solle doch ein anderes Spiel spielen, nämlich das folgende: Jeder denkt sich Aufgaben für die anderen aus, und wer diese am
LILITH STANGENBERG
GEORG FRIEDRICH
besten besteht, erhält am Ende den CHEVALIER, einen Siegelring. Einer
SUNDANCE
„radikal sinnlich frei“
der Naturburschen schlägt sofort vor, das Spiel auf alle Tätigkeiten auszuweiten, um am Ende festzustellen, wer nun tatsächlich in allem der Beste
sei. Von nun an wird gemessen, geschmeichelt, korrumpiert, unter den
Tisch gekehrt, geprobt, trainiert und notiert, was das Zeug hält. Athina
Rachel Tsangari hatte sich bereits in ATTENBERG als Meisterin eines sehr
seltsamen, extrem trockenen Humors gezeigt. CHEVALIER ist nun eine
sehr komische Studie der Beknacktheit von mittelalten und älteren Herren, wobei die spröde, realistische Absurdität des Humors, hinter der sich
eine existentielle Verzweiflung verbirgt, so aktuell nur in der neuen Welle
des griechischen Kinos, die inzwischen auch als „Greek Weird Wave“
bezeichnet wird, möglich ist. CHEVALIER ist auch ein Film über das masochistische Ideal der Ritterlichkeit, seine absurde Fortsetzung in der Ideologie der Leistungsgesellschaft, und darüber, wem dieses Ideal nutzt: Die
EIN FILM VON NICOLETTE KREBITZ
Herren geben sich am Ende die Hand, das Personal ahmt die Herren nach
und bekommt dabei blutige Nasen. D Tom Dorow
AB 14. APRIL IM KINO
12:47
Offical Selection
FILM FESTIVAL
Start am 21.4.2016
¢ b-ware!ladenkino
¢ Brotfabrik Kino OMU
¢ fsk-Kino am Oranienplatz
¢ Sputnik Kino OMU
OMU
OMU
TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
In this new exponent of the „Greek
Weird Wave“ five men on a yacht in the
Aegean play a bizarre game. They compete in everything, from the biggest
erection to the most elegant sleeping
position to the best way to prepare a
seafood salad.
WILD
WILD_indieKino_82x122_01.indd 1
18.03.16 10:41
INDIEKRITIKEN
Originaltitel: Beti and Amare D USA/Spanien/Rumänien/Deutschland/Kanada/Äthiopien
2014 D 94 min D R: Andy Siege D B: Andy Siege D K: Andy Siege D S: Andy Siege
D D: Hiwot Asres, Pascal Dawson, Biniyam Kore D V: Aries Images
BETI UND AMARE
Fruchtbarer Boden für Träume
Äthiopien, 1936. Eine junge Frau flieht vor dem italienischen Einmarsch
zu ihrem Großvater, der als Bauer mit einer einzelnen Ziege eine karge
Lehmhütte bewohnt. Begeistert ist der von dem Familienbesuch nicht.
Das Essen reicht gerade so, aber auf dem Weg zur Wasserstelle wird
Beti ständig von drei Milizionären bedrängt, deren Anführer sie gerne als
Kriegsbeute hätte. Der Großvater kann sie vorerst beschützen, aber als er
in die Stadt muss, scheint Beti ausgeliefert. Zumindest solange bis ein Ei
aus dem Weltraum nahe der Wasserstelle aufschlägt, aus dem ein dürrer,
weißer Jüngling kriecht. Beti nimmt ihn bei sich auf und nennt ihn Amare.
Sie übernimmt die Mutterrolle für ihn, erklärt ihm die Welt und bringt ihm
das Sprechen und die Kaninchenjagd bei. Aber Amare ist kein hilfloses
Lämmchen. Beti hat Alpträume von einer Gefahr, die sich unaufhaltsam
der Hütte nähert.
Aber wer oder was ist Amare genau? The Man Who Fell to Earth? Ein
Kind? Ein Dämon? Und ist BETI UND AMARE nun ein Märchen, eine Science-Fiction-Love-Story oder eine Metapher für die Gewalt, der Frauen in
Kriegsgebieten ständig ausgesetzt sind? Andreas Sieges Debüt ist vorrangig ein Erlebnis, das manche Fragen erst beantwortet, wenn man schon
wieder das Kino verlassen hat. Siege verbindet Landschaftsaufnahmen
wie aus einer Naturdokumentation mit surrealistischen Traumsequenzen,
lässt einzelne Farbdetails in karge Schwarzweißbilder einbrechen und
poetische Liebesmonologe über ein permanentes Gefühl der Bedrohung
wuchern. Zusammengefasst ist BETI UND AMARE eine kleine Geschichte,
die aber fruchtbaren Boden für Träume und Assoziationen bietet. Es ist
auch ein Film über Monster und darüber, daß man manche Monster lieben
lernt, wenn die anderen Monster auch mit breitem Lächeln und Opernarien kommen. Kurzum: Der perfekte Datingfilm, wenn einer auf Horrorfilme und der andere auf poetisches Weltkino steht. D Christian Klose
Start am 14.4.2016
¢ Brotfabrik Kino
¢ Sputnik Kino OMU
OMU
D 30
D APRIL 2016
A young woman flees from the war into
the desert but the war gives chase.
Fortunately, so does a young man from
outer space. A gorgeously shot debut
feature about love, monsters and
desert flowers.
Deutschland 2015 D 89 min D R: Mara Eibl-Eibesfeldt D B: Johanna Stuttmann D K: Jürgen
Jürges D S: Karl Riedl D M: Jörg Lemberg D D: Ben Litwinschuh, Helena Pieske, Lutz Simon
Eilert D V: missingFilms
IM SPINNWEBHAUS
Rückzug in die Märchenwelt
Die Welt der Märchen ist schwarzweiß; sie ist hart und brutal, sicherlich, aber eben auch vollkommen eindeutig, mit klaren Grenzen und leicht
zu identifizierenden Wirkungsmechanismen. In der Welt, die wir Realität
nennen, gibt es stattdessen nur Grau mit seinen unzählbaren Schattierungen, die an den jeweiligen Enden aufweichen und sich verflüchtigen. Die
sensibel-labile Sabine (Sylvie Testud) zerbricht an der Verantwortung als
alleinerziehende Mutter dreier Kinder und an ihrem Alltag. Nur indem sie
ihr Leben minutiös durchtaktet, kann sie das Bild nach Außen aufrechterhalten, dass sie alles im Griff hat. Ihr ältester Sohn, der zwölfjährige Jonas
(Ben Litwinschuh), hat keine Wahl: Er muss die Rolle des abwesenden
Vaters übernehmen. Als die Mutter erklärt, sie müsse an einen mythischen
Ort namens Sonnental gehen, um ihre „Dämonen“ zu bekämpfen, ernennt
sie ihn zum Familienoberhaupt auf Zeit, mit der Aussicht auf ein besseres Leben nach ihrem Sieg. Aus einem Wochenende werden Wochen und
während es Jonas nach außen hin erstaunlich lange schafft, kein Misstrauen zu erregen – er bringt den hyperaktiven Nick (Lutz Simon Eilert)
rechtzeitig zum Schulbus und das kleine Miechen (Helena Pieske) in die
Kita –, verwandelt sich das Haus der Zurückgelassenen in das märchenhafte Spinnenwebhaus, einen sicheren Rückzugsort, dessen Geheimnis
um jeden Preis gegen Eindringlinge gewahrt bleiben muss. Regisseurin
Mara Eibl-Eibesfeldt transformiert mit ihrem Debütfilm IM SPINNENWEBHAUS den Stoff eines Sozialdramas durch einen Perspektivwechsel zu
einem märchenhaften Abenteuerfilm, der durch das beständige Bewusstsein um die beiden konkurrierenden Weltsichten an Wucht gewinnt. Dazu
tragen vor allem auch die beeindruckende Leistung der Kinderdarsteller
und natürlich die exzellente Bildästhetik des Kamera-Altmeisters Jürgen
Jürges bei. D Jens Mayer
Start am 31.3.2016
¢ Sputnik Kino, Premiere mit Team am
30.3. um 19 Uhr
¢ Zukunft
In order to „fight her demons“ Sabine
leaves the eldest son, the 12-year-old
Jonas, in charge of his two siblings.
Their home soon turns into a magical
“cobweb house”.
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INDIEKRITIKEN
WILD
Deutschland 2016 D 97 min D R: Nicolette Krebitz D B: Nicolette Krebitz D K: Reinhold
Vorschneider D S: Bettina Böhler D D: Lilith Stangenberg, Georg Friedrich, Silke Bodenbender D V: NFP
Liebe zum Wolf
Nicolette Krebitz’ neuer Film WILD ist einer der mutigsten deutschen
Filme der letzten Jahre, ein Film, der nach Tier und Freiheit stinkt und
dabei oft unglaublich komisch ist. Ein Film, der alles liefert, was das
Cineastenherz begehrt: noch nie gesehene Bilder, eine im wahrsten Sinne
bissige Vision der Lebenswelt, tolle Darsteller, treffsichere Pointen. Der
kommende Kultfilm einer Generation. Ein Film, der bleiben wird, den man
noch im vierzig, fünfzig Jahren hervorkramen und sowohl als Beispiel für
die filmische Verarbeitung der Gesellschaft in den 10er Jahren hernehmen wird, als auch für ein neues weibliches Kino, das Sehnsüchte und
Träume so hemmungslos auslebt, wie es einst nur Männer in Western und
Gangsterfilmen durften.
Mit WILD geht Nicolette Krebitz in die Vollen. Ania (Lilith Stangenberg)
hat einen öden Job als IT-Administratorin in einer Werbeagentur. Wenn ihr
Chef Boris mit irgendeinem Gegenstand nach der Glasscheibe wirft, mit
der das Chefbüro von den Schreibtischen der Untergebenen getrennt ist,
steht sie auf und geht zur Kaffeemaschine. Selbst dort kann sie ihren Kaffee nur gegen die Kollegen verteidigen, weil der ja für den Chef ist. Boris
lobt sie für ihre Unsichtbarkeit: „Du hast mich nie gestört.“ Das versteht
der selbst mit sich unzufriedene Boss als ein Kompliment. Mit schöner
Selbstverständlichkeit wird Ania später auf seinen Schreibtisch scheißen.
Start am 14.4.2016
¢ b-ware!ladenkino ab ca. 28.4.
¢ Hackesche Höfe Kino
¢ fsk-Kino am Oranienplatz
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Annoyed with her boring job, Ania captures a wolf and lives with it in her flat.
Her desire is not to domesticate the
animal, but to become wild herself.
Ania beginnt, ein Verhältnis zur frischen Luft zu bekommen wie ein Junkie
zu seinem Stoff: Sie reißt jedes Fenster auf. Dann sieht sie im Park vor
der Wohnanlage, in der sie lebt, einen Wolf. Ob das Tier nur eine Traumvision oder ein echtes Wildtier ist, das in der Stadt nach Futter sucht,
bleibt zunächst unklar. Ania recherchiert, wie man Wölfe fängt, bastelt
mit Hilfe von asiatischen Arbeiterinnen aus einer Textilfabrik, mit der ihre
Agentur in irgendeiner Geschäftsverbindung steht, eine Falle, betäubt das
Tier und schließt es in dem Zimmer ihrer gesichtslosen Wohnung ein, aus
dem ihre Schwester gerade ausgezogen ist. Ania kauft dem Wolf Leckerli,
teures Fleisch und so niedliche wie appetitliche Kaninchen und die Beziehung zwischen Frau und Wolf wird immer intimer, wobei Ania nicht etwa
den Wolf domestiziert, sondern selbst einen Prozess des Wild-Werdens
durchläuft.
Im Gegensatz zu anderen Tier-und-Wir-Filmen wie LIFE OF PI oder PLANET
DER AFFEN ist der Wolf nicht aus Pixeln gebastelt oder im Motion-Capture-Verfahren eingefügt, sondern ein echter Wolf aus Fleisch und Blut.
Krebitz hat mit dem ungarischen Tiertrainer Zoltan Horkai zusammen
gearbeitet und den Film mit zwei Wölfen gedreht, die immer nur für kurze
Zeit von ihrem Rudel getrennt wurden. Dass das nicht ungefährlich war,
sieht man. Vor allem die ohnehin fantastische, stets mit großer Lässigkeit
agierende Lilith Stangenberg riskiert hier einiges, und die reale Gefahr
schreibt sich geradezu körperlich in den Film ein.
Krebitz sieht ihren Film als absolut optimistisches Werk: „Man soll sich
an dem Film aufrichten. Ich wollte einen positiven Film, der einem vermittelt, dass man es schaffen kann.“ Das scheint sich aber eher auf ihre
Arbeit als Filmemacherin zu beziehen, als auf den Befreiungsversuch ihrer
Heldin. Die Frauenphantasie mag wild und sexy sein, am Ende führt sie
in eine von Menschen gemachte Einöde, die auch nicht wilder wirkt als
der Spielplatz in einer Neubausiedlung. Immerhin lächelt Ania. Etwas ist
vollbracht, aber was eigentlich, außer einem großen „Fuck you all“? Aber
vielleicht fängt damit ja auch erst alles an. D Tom Dorow
APRIL 2016 D
31 D
INDIEKRITIKEN
Deutschland 2015 D 70 min D R: Claus Löser D K: Jakobine Motz D M: Ronald und Robert
Lippok
ORNAMENT & VERBRECHEN.
DIE GEBRÜDER LIPPOK
Deutschland/Dänemark 2015 D 101 min D R: Martin Zandvliet D B: Martin Zandvliet
D K: Camilla Hjelm Knudsen D S: Per Sandholt, Molly Marlene Stensgaard D D: Roland
Møller, Mikkel Boe Folsgaard, Joel Basman D V: Koch Media
UNTER DEM SAND
An der Nordsee nichts Neues
Nähe zu den Fans
„Wir haben nichts zu verkaufen, wir haben keine Webseite, aber Ihr wisst,
wo Ihr uns finden könnt.“ Robert Lippok spricht diesen Satz am Ende
eines Konzerts im Roten Salon der Berliner Volksbühne ins Mikrophon.
Über der Szene wabert der Rauch einer Nebelmaschine. Sein Bruder
­Ronald steht neben ihm, legt die Trommelstöcke zur Seite. Noch während des Schlussapplauses klettern die beiden von der kleinen Bühne und
mischen sich sofort unters Publikum. Viele Freunde und alte Bekannte
sind darunter, die Atmosphäre ist fast intim. Eine Vertrautheit, die von
ihren Wurzeln herrührt, als Ornament & Verbrechen in Berlin, Hauptstadt
der DDR, vor allem in Räumen der Kirche, in Hinterzimmern von Kneipen oder einfach in Wohnungen auftraten. Diese Konzerte damals in der
DDR bedurften keiner Werbung, ihre Kunde verbreitete sich dennoch in
Windeseile. Dabei sein zu können, war ein Privileg, auch ein Bekenntnis
für eine andere Kultur. Die Grenzen zwischen Künstler und Zuhörer verschwammen, schon weil der Raum so begrenzt war. Dies ist bis heute
eine Seite ihres Auftretens in der Öffentlichkeit geblieben: die immer
noch bestehende Nähe zu ihren Fans. Doch ebenso souverän bespielen
sie große Säle, wie das HAU zur Eröffnung der Clubtransmediale (CTM)
im Januar 2014. Der Film zeigt die Gleichzeitigkeit von Nähe und Ferne,
von Kybernetik und Chaos, von Konzept und Improvisation – Faktoren,
die das Werk von Ornament & Verbrechen wesentlich prägen. Es führt zu
den privaten und musikalischen Anfängen, macht auch mit den aktuellen
Nebenprojekten (wie ToRococoRot oder Tarwater) vertraut. Zuletzt führen alle Verästelungen wieder auf die beiden Brüder als Nukleus zurück:
„Ornament & Verbrechen ist eigentlich keine Band. Ornament & Verbrechen tritt gelegentlich in Kraft.“ (Ronald Lippok) D Peter Schwarz
Start am 17.4.2016
¢ Brotfabrik Kino, am 17.4. um 20 Uhr
in Anwesenheit von Jakobine Motz
und Claus Löser
D 32
D APRIL 2016
A film about the brothers Lippok – the
most famous unknown band in the
GDR.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 beendet auch die fünfjährige Besatzung Dänemarks durch die verhasste Wehrmacht. Doch nicht
alle der deutschen Soldaten reisen in ihre zerbombte Heimat zurück.
Einige der meist jungen Soldaten, die im Rahmen des Volkssturms an die
Front zogen, verbleiben in dänischer Kriegsgefangenschaft. Sie sollen an
der Westküste des Landes die mehr als zwei Millionen Landminen entschärfen, die die Nazis in Erwartung einer alliierten Invasion im Sand vergraben haben. Ein gutes Dutzend von ihnen muss unter der Aufsicht des
dänischen Feldwebels Carl Rasmussen (Roland Møller) einen Abschnitt
der Nordseeküste von 45.000 tödlichen Sprengfallen säubern. Dass der
Feldwebel für die Deutschen nichts als Verachtung übrig hat, wird schon
in der Eröffnungsszene deutlich, als Rasmussen brutal auf einen Kriegsgefangenen einprügelt. Das Schicksal der ihm zugeteilten Volksstürmer, von
denen der älteste erst 19 Jahre alt ist, interessiert den Dänen zunächst
nicht im Geringsten. Die meistens hungrigen deutschen Soldaten wühlen
mit bloßen Händen im Sand und sprengen sich mit erschütternder Regelmäßigkeit selbst in die Luft. Das Kriegsdrama des Dänen Martin Zandvliet
atmet mit der Jugendlichkeit der Soldaten und der pazifistischen Botschaft
den Geist des Antikriegsromans „Im Westen nichts Neues“. Der Regisseur
und Drehbuchautor erzählt den Kriegsgefangenenfilm nah an den durchweg gut gespielten Figuren und dreht mit den Mitteln des Thrillers gekonnt
an der Spannungsschraube. Zwar wäre es interessant gewesen, die nur
am Rande entwickelten Spannungen zwischen den deutschen Soldaten
weiter auszubauen. Doch auch mit dem Fokus auf die fragile Beziehung
zwischen dem dänischen Feldwebel und „seinen“ deutschen Kriegsgefangenen gelingt Zandvliet ein eindringliches Weltkriegsdrama über ein fast
vergessenes Kapitel der deutsch-dänischen Geschichte. D Christian Horn
Start am 7.4.2016
ab 14.4.
¢ Union Filmtheater
¢ Sputnik Kino OMU ab 21.4.
DF
May 1945. The war has ended and
German POWs are forced to clear the
western coast of Denmark of more
than 2 million landmines. Martin Zandvliet’s drama focuses on the relationship between the young Germans and
their commanding Danish Sergeant.
TERMINE UNTER WWW.INDIEKINO.DE
INDIEKRITIKEN
CINEMA: A PUBLIC AFFAIR
CRIMINAL ACTIVITIES
„Ein Film beginnt, wenn er zu Ende ist. Er beginnt in Gesprächen, im Austausch der Meinungen. Da kristallisiert sich der Traum, den wir gerade
gesehen haben. Und in dieser seelischen Arbeit wirst Du ein bisschen
besser, freier und offener.“ (Naum Kleiman) In ihrem Dokumentarfilm
porträtiert Tatiana Brandrup den mutigen russischen Filmhistoriker Naum
Kleimann, Leiter des Eisenstein-Archivs und Direktor des 2005 geschlossenen Moskauer „Musey Kino“, einen großen Vermittler des Kinos, der
an Film als Waffe im Kampf für bessere, offenere Gesellschaften glaubt.
Bei der Beerdigung eines Schulkameraden treffen sich die alten Kumpel
Zach (Michael Pitt), Noah (Dan Stevens), Warren (Christopher Abbott) und
Bryce (Rob Brown) wieder. Ein paar Drinks später sind sie bereits dabei,
gemeinsam einen totsicheren Deal einzufädeln, den Börsenmakler Zach
vorgeschlagen hat. Der Deal geht schief und es stellt sich heraus, dass
Noah die nötigen 200.000 Dollar beim Unterweltkönig Eddie (John Travolta) geborgt hatte, der nun wenig Sympathie für ihre Lage aufbringt.
PULP FICTION, THE USUAL SUSPECTS und GET SHORTY standen Pate.
¢ Bali Kino
OMU
Deutschland 2015 D 96 min D R: Tatiana
Brandrup
Start am 31.3.2016
¢ Union Filmtheater
DF
ab 7.4.
USA 2015 D 94 min D R: Jackie Earle
Haley D D: Michael Pitt, Dan Stevens, John
Travolta
WIEDERAUFFÜHRUNG: POSSESSION
Ehedrama, Horror, Thriller, Kunst. Andrzej Zulawskis Arthouse-Kult-Klassiker POSSESSION bietet ein kafkaeskes Szenario vor dem Hintergrund
des kalten Krieges in Berlin. Ein Spion (Sam Neill) kehrt von einer Mission
zurück und findet nur noch die Scherben seiner Ehe vor. Eine Frau (Isabell
Adjani) will die Scheidung. Ein schleimiges Wesen will in die Welt. Eine
Mauer geht durch die Stadt, eine Mauer steht auch zwischen allen Personen. Die Eingeschlossenen und Ausgeschlossenen verfallen in Hysterie
und Wahnsinn. Einfach mal ausprobieren und wirken lassen.
¢ Brotfabrik Kino OMU , am 23.4.
um 21 Uhr
¢ Z-inema OMU , am 5.4. um 20 Uhr
NACH DEM BESTSELLER VON
Frankreich/BRD 1981 D 127 min
D R: Andrzej Zulawski D D: Isabella Adjani,
Sam Neill
FREDRIK BACKMAN
EIN MANN NAMENS OVE
AB 7. APRIL IM KINO
©TRE VÄNNER PRODUKTION AB. ALL RIGHTS RESERVED.
DER NR. 1 HIT AUS SCHWEDEN!
COC_OV_5116_Anzeige_170x58_05.indd 1
18.03.16 13:09
WEITERINDIEKINO
EL CLAN
DER WERT DES MENSCHEN
Buenos Aires Anfang der Achtziger: Die Diktatur ist Geschichte, die Demokratie noch jung. Nach außen hin genießt die Familie Puccio hohes Ansehen in der Nachbarschaft. Ihnen gehören mehrere florierende Lokalitäten
in der Stadt, der älteste Sohn Alejandro ist ein gefeierter Rugby-Spieler.
Doch hinter der gutbürgerlichen Fassade hat Vater Arquímedes, der seinen Lebensunterhalt einst bei der Junta verdiente, einen florierenden
Geschäftszweig aus Entführung und Lösegelderpressung etabliert, dem
der Rest der Familie billigend zusieht.
Vor einigen Monaten hat Thierry (Vincent Lindon) seinen Job verloren. Das
Arbeitsamt hat ihm eine Umschulung zum Kranfahrer aufgedrückt, aber
Kranfahrer ohne Baustellenerfahrung stellt niemand ein. Fünf verlorene
Monate, sagt Thierry. Bald wird er nur noch 500 Euro vom Amt bekommen, dann kann er seine Rechnungen nicht mehr zahlen, auch nicht die
300 Euro, die die Schule seines behinderten Sohns jeden Monat kostet.
Wer je geglaubt hat, dass der soziale Realismus ein scheintoter Stil wäre,
mag sich von diesem Film das Herz zerreißen lassen.
¢ b-ware!ladenkino DF OMU
¢ City Kino Wedding DF OMU
¢ Filmrauschpalast OMU
¢ Hackesche Höfe Kino OMU
¢ Il Kino OMEU
¢ Sputnik Kino DF OMU
¢ Union Filmtheater DF
Argentinien/Spanien 2015 D 110 min
D R: Pablo Trapero D D: Guillermo
Francella, Peter Lanzani, Lili Popovich
¢ Acud Kino DF
¢ b-ware!ladenkino DF OMU
¢ Brotfabrik Kino OMU
¢ Filmrauschpalast OMU
¢ fsk-Kino am Oranienplatz OMU
¢ Hackesche Höfe Kino OMU
¢ Il Kino OMEU
¢ Tilsiter Lichtspiele OMU
ALS WIR DIE
ZUKUNFT WAREN
BROOKLYN
ANOMALISA
¢ b-ware!ladenkino
¢ Tilsiter Lichtspiele
¢ Il Kino
BABAI
¢ Filmrauschpalast, Hackesche Höfe Kino,
Zukunft
BACH IN BRASIL
¢ Union Filmtheater
THE BIG LEBOWSKI
LANDSTÜCK
¢ Filmrauschpalast
Erneut zieht es Volker Koepp in den Norden Brandenburgs, wie schon
1976 mit DAS WEITE FELD und 2002 mit UCKERMARK. Kulturlandschaft.
Agrarland. Wirtschaftsfaktor. Hier entscheidet der Landbesitzer über die
Gestalt der Umgebung. Aneignung oder Pflege, Ausbeutung oder Förderung? Der regionale Ausschnitt als Mikrokosmos der Globalisierung.
LANDSTÜCK erzählt vom Wandel der Systeme, vom Gleichmachen, vom
Kampf für die natürliche Vielfalt und von den absurden Auswirkungen
staatlicher Subventionierungen.
¢ Acud Kino
¢ Hackesche Höfe Kino
¢ Tilsiter Lichtspiele
¢ Union Filmtheater
D 34
D APRIL 2016
Deutschland 2016 D 122 min D R: Volker
Koepp
Originaltitel: La Loi du marché D Frankreich 2015 D 93 min D R: Stéphane Brizé
D D: Vincent Lindon, Karine De Mirbeck,
Matthieu Schaller
BIRNENKUCHEN MIT
LAVENDEL
¢ City Kino Wedding, b-ware!ladenkino,
Bundesplatz Kino, Eva Lichtspiele
B-MOVIE: LUST
& SOUND IN
WEST-BERLIN
¢ Filmrauschpalast, Sputnik Kino
DAS BRANDNEUE
TESTAMENT
¢ Acud Kino, b-ware!ladenkino
¢ City Kino Wedding
DER BUNKER
CHAMISSOS
SCHATTEN –
KAPITEL 1
¢ b-ware!ladenkino, Eva Lichtspiele,
Matinee am 17.4. um 11 Uhr
COLONIA DIGNIDAD
¢ b-ware!ladenkino, Sputnik Kino, Zukunft
DÄMONEN UND
WUNDER
¢ b-ware!ladenkino, Bali Kino
THE DANISH GIRL
¢ b-ware!ladenkino, Union Filmtheater
DEADPOOL
¢ b-ware!ladenkino
DIRIGENTEN – JEDE
BEWEGUNG ZÄHLT
¢Bali Kino, Tilsiter Lichtspiele
WEITERINDIEKINO
DUDE BROTHERS
MASSACRE III IM STRAHL DER
SONNE
¢ Sputnik Kino
¢ Acud Kino, b-ware!ladenkino, Il Kino
FEUER BEWAHREN,
NICHT ASCHE
ANBETEN
¢ Bali Kino
FOTO: OSTKREUZ
¢ Union Filmtheater
FRANCOFONIA
¢ Acud Kino, b-ware!ladenkino, Bali Kino,
Hackesche Höfe Kino, Tilsiter Lichtspiele
FREUNDE FÜRS
LEBEN
JANIS:
LITTLE GIRL BLUE
¢ b-ware!ladenkino, Zukunft
KEIN ZICKENFOX
DER GEILSTE TAG
GRÜSSE AUS
FUKUSHIMA
HAIL, CAESAR!
¢ b-ware!ladenkino, Filmrauschpalast,
Hackesche Höfe Kino, Tilsiter Lichtspiele
THE HATEFUL 8
¢ b-ware!ladenkino, Sputnik Kino, Tilsiter
Lichtspiele, Union Filmtheater
¢ b-ware!ladenkino, Brotfabrik Kino
¢ Bundesplatz Kino
LOLO – DREI IST
EINER ZUVIEL
SILENT HEART
LOVE 3D
¢ b-ware!ladenkino
MUSTANG
¢ Acud Kino, b-ware!ladenkino, City Kino
Wedding, Bali Kino, Hackesche Höfe
Kino, Il Kino, Zukunft
NO LAND’S SONG
¢ Bali Kino, Sputnik Kino
HELLO I AM DAVID –
EINE REISE MIT
DAVID HELFGOTT
¢ b-ware!ladenkino, Bundesplatz Kino,
Tilsiter Lichtspiele
¢ Eva Lichtspiele, Matinee am 3.4. um
11 Uhr
UNSERE WILDNIS
¢ Union Filmtheater
SEXARBEITERIN
VICTORIA
¢ Zukunft
VOICES OF
VIOLENCE
¢ b-ware!ladenkino, Bundesplatz Kino,
Eva Lichtspiele, filmkunst66, Hackesche Höfe Kino, Sputnik Kino, Union
Filmtheater
¢ b-ware!ladenkino, Hackesche Höfe Kino
SON OF SAUL
¢ City Kino Wedding
SPOTLIGHT
WENN EIN GARTEN
WÄCHST
WHERE TO INVADE
NEXT
¢ Il Kino
¢ b-ware!ladenkino, City Kino Wedding,
Sputnik Kino, Union Filmtheater, Zukunft
STAR WARS:
EPISODE VII
¢ b-ware!ladenkino, Union Filmtheater
SUFFRAGETTE
¢ b-ware!ladenkino, City Kino Wedding,
Sputnik Kino
A PERCEPTION
¢ Z-inema, am 11.4. um 20 Uhr
¢ Union Filmtheater
¢ b-ware!ladenkino, fsk-Kino am
Oranienplatz
¢ b-ware!ladenkino, Eva Lichtspiele, Union
Filmtheater
¢ b-ware!ladenkino, Union Filmtheater
¢ b-ware!ladenkino, City Kino Wedding,
Filmrauschpalast, Union Filmtheater
POWER TO CHANGE
HEART OF A DOG
SEARCHING FOR
SUGAR MAN
LEE SCRATCH
PERRY’S VISION OF
PARADISE
¢ b-ware!ladenkino, Hackesche Höfe Kino
¢ b-ware!ladenkino, Hackesche Höfe Kino,
Sputnik Kino
ULRIKE OTTINGER –
DIE NOMADIN VOM
SEE
¢ b-ware!ladenkino, filmkunst66,
Hackesche Höfe Kino
SEX & CRIME
MEIN EIN, MEIN
ALLES
¢ Union Filmtheater
ROCK THE KASBAH
¢ Sputnik Kino
¢ City Kino Wedding
¢ Hackesche Höfe Kino
¢ b-ware!ladenkino, Hackesche Höfe Kino,
Sputnik Kino
TRUMBO
¢ b-ware!ladenkino, Filmrauschpalast,
Sputnik Kino, Zukunft
¢ Eva Lichtspiele, Matinee am 10.4.
um 11 Uhr, Tilsiter Lichtspiele
EWIGE JUGEND
THE REVENANT
DAS TAGEBUCH DER
ANNE FRANK
¢ b-ware!ladenkino, Bundesplatz Kino,
Union Filmtheater
RAUM
¢ b-ware!ladenkino, Bundesplatz Kino,
Filmrauschpalast, Hackesche Höfe Kino,
Tilsiter Lichtspiele, Union Filmtheater
TOMORROW IS
ALWAYS TOO LONG
¢ b-ware!ladenkino, Filmrauschpalast
RESULTS
¢ b-ware!ladenkino, Hackesche Höfe Kino
EIN FILM VON
MARTIN ZANDVLIET
N O R D I S K F I L M P R O D U C T I O N & A M U S E M E N T PA R K F I L M P R Ä S E N T I E R E N
ROLAND
MØLLER
EIN WUNDERBARER FILM
”VOLLER MENSCHLICHKEIT“
– NEW YORK OBSERVER
MIKKEL
BOE FØLSGAARD
LOUIS
HOFMANN
JOEL
BASMAN
INDIEKINDER
Originaltitel: Bouwdorp D Niederlande 2014 D 87 min D R: Margien Rogaar D B: Tijs van
Marle, Margien Rogaar D K: Sal Kroonenberg D S: Elsbeth Kasteel D M: Rik Elstgeest, Gerry
Arling D D: Kees Nieuwerf, Julian Ras, Bart Reuten, Nijs Vermin, Yuri van Dam D V: farbfilm
Verleih
KINDERFILME A–Z
BIBI & TINA:
MÄDCHEN GEGEN
JUNGS
Deutschland 2015 D R: Detlev Buck
D 111 min, FSK: oA
Bibi und Tina fahren ins Zeltlager
wo sie beim Geo-Caching gegen
die Jungs antreten.
¢ b-ware!ladenkino
¢ Bundesplatz Kino
¢ filmkunst66
DER JUNGE UND
DIE WELT
Brasilien 2013 D R: Alê Abreu
D 82 min, empfohlen ab: 8, FSK: oA
Ein kleiner Junge macht sich
auf, seinen Vater zu finden und
entdeckt dabei die beängstigende
Wirklichkeit. Wunderschön animiert aber auch ziemlich traurig.
¢ b-ware!ladenkino
GAHL’S MÄRCHENKLAVIER
DIE BAUMHAUSKÖNIGE
Freunde für immer?
In DIE BAUMHAUSKÖNIGE erzählt die niederländische Regisseurin Margien Roggar zunächst einmal eine typische, kindgerechte Geschichte,
die sich um das Bauen von Baumhäusern während eines sommerlichen
Ferienlagers dreht. Zum letzten Mal nehmen die besten Freunde Bas und
Ziggy an diesem Wettkampf teil, denn nach den Ferien werden sie zu alt
sein, werden sie auf weiterführende Schulen gehen, werden sich wohl
auch ihre Wege trennen. Und hier fängt es an, wirklich interessant zu werden. Denn während Ziggy aufs Gymnasium kommt, sind Bas’ Noten nicht
gut genug, was ihm vor allem sein Vater immer wieder vorhält. Er solle
sich schon mal innerlich von Ziggy verabschieden, meint der Vater, was
Bas nicht wahrhaben will. Ewige Freundschaft wird in Kinderfilmen oft
beschworen, eine heile Welt suggeriert, deren Probleme am Ende eines
Films gelöst sind. Nicht so in DIE BAUMHAUSKÖNIGE, der auf bemerkenswert pragmatische Weise von den unausweichlichen Veränderungen
erzählt, die auch im Leben eines Kindes vorkommen, die im Moment vielleicht traurig, aber eben auch ein Teil des Lebens sind. D Michael Meyns
Start am 7.4.2016
¢ Acud Kino
¢ b-ware!ladenkino
¢ Tilsiter Lichtspiele
¢ Union Filmtheater
ge Schulfilmfestival BRITFILMS zu Gast in Berlin. Das Programm
richtet sich speziell an Sprachschüler und reicht von der Kinderbuchverfilmung PADDINGTON über die schottische Familienkomödie WHAT WE DID ON OUR HOLIDAY bis zum Porträt des „whistle
blowers“ Edward Snowden CITIZENFOUR. Eine Übersicht aller
Filme gibt es auf www.britfilms.de.
Interessierte Schulklassen können sich direkt in den teilnehmenden Kinos anmelden: Acud Kino (www.acudkino.de), Hackesche Höfe Kino (www.hoefekino.de), fsk-Kino (www.fsk-kino.de)
D APRIL 2016
¢ Bali Kino
It’s the last tree house building competition for best friends Bas and Ziggy
because after the summer they will be
too old, and, much worse, they will be
going to different schools.
BRITFILMS #9 Vom 18.4. bis 4.5. ist das englischsprachi-
D 36
Gahl’s Märchenklavier bringt Märchen aus verschiedensten Ländern ins Bali: Ein musikalisches
Vorspiel malt die Stimmung aus.
Dann beginnt der Erzähler mit
der Geschichte, wobei sich das
Klavier immer wieder einmischt
und gewissermaßen miterzählt.
Für Kinder ab 6 Jahren.
10.4.um 15 Uhr:
DAS MÄRCHEN VOM PLATSCH
14.4. und 15.4. um 10.30 Uhr:
DIE SCHLAUE GANS UND DER
FUCHS
24.4. um 15 Uhr:
VON DEM BAUM DER JEDE
NACHT BLÜHTE UND GOLDENE
FRÜCHTE TRUG
HEIDI
Deutschland/Schweiz 2015 D R: Alain
Gsponer D 111 min, FSK: oA
Neuverfilmung des Kinderbuchund Serien-Klassikers mit Bruno
Ganz als Almöhi.
¢ Acud Kino
¢ Bali Kino
THE JUNGLE BOOK
USA 2016 D R: Jon Favreau D FSK: 6
Neue 3D-Verfilmung des
Disney-Klassikers.
¢ b-ware!ladenkino (3D)
¢ Union Filmtheater (auch in 3D)
KINDERFILM DES
MONATS:
HÄNDE WEG VON
MISSISSIPPI
Deutschland 2007 D R: Detlev Buck
D 96 min, empfohlen ab: 8, FSK: oA
Die zehnjährige Emma verbringt
ihre Sommerferien wie immer bei
Oma Dolly auf dem Hof. Aber auf
einmal will der neue Besitzer die
Haflinger-Stute Mississippi an den
Metzger verkaufen! Emma und
Dolly müssen eingreifen.
¢ Bali Kino
¢ Bundesplatz Kino
¢ Eva Lichtspiele
¢ Sputnik Kino
¢ Union Filmtheater
¢ Xenon Kino
Alle Termine unter
www.kinderkinobuero.de
Vorbestellungen unter 030/235 562 51
KUNG FU PANDA 3
USA/China 2016 D R: Jennifer Yuh,
Alessandro Carloni D 95 min, FSK: oA
Der kleine Po muss ein ganzes
Dorf tollpatschiger Pandas zu
Kung Fu Kämpfern ausbilden.
Animation.
¢ b-ware!ladenkino
¢ Eva Lichtspiele
INDIEKINDER
DER KLEINE MAULWURF (1963 –1975)
ROBINSON CRUSOE
(2016)
Der kleine Maulwurf erlebt
Geschichten. Zeichentrickfilm.
Der junge Robinson Crusoe und
ein Papagei werden Freunde.
Animation.
CSSR 1963 –1975 D R: Zdenek Miler
D 69 min, FSK: oA
¢ b-ware!ladenkino
¢ Bali Kino
DER KLEINE PRINZ
Frankreich 2015 D R: Mark Osborne
D 107 min, FSK: oA
Belgien/Frankreich 2015 D R: Vincent
Kesteloot, Ben Stassen D 90 min, FSK: oA
¢ Acud Kino
¢ b-ware!ladenkino
¢ Bali Kino
¢ filmkunst66
Trickfilm-Verfilmung des
Kinderbuchklassikers.
König einen Gummibärchenbaum
zu pflanzen.
¢ Bali Kino
¢ Eva Lichtspiele,
¢ Xenon Kino
alle Termine unter www-spatzenkino.de,
Vorbestellungen unter 030/449 47 50
UNSERE WILDNIS
Frankreich/Deutschland 2015 D R: Jacques
Perrin, Jacques Cluzaud D 97 min, FSK: oA
Naturdokumentation über die Entwicklung der Fauna und Flora in
Europa und die vier Jahreszeiten.
¢ Union Filmtheater
¢ Acud Kino
¢ b-ware!ladenkino
¢ Sputnik Kino
KÖNIG DROSSELBART
VOLL AUF DIE NUSS
(2016)
DDR 1965 D R: Walter Beck D 93 min,
FSK: oA
Manfred Krug gibt König Drosselbart in der DEFA-Verfilmung des
Grimmschen Märchens.
¢ Union Filmtheater
SCHELLEN-URSLI
Schweiz 2016 D R: Xavier Koller
D 104 min, FSK: oA
Nach „Heidi“ das berühmteste
Kinderbuch der Schweiz: Ein
Hirtenbube bekommt fürs Frühlingsfest nur eine kleine Schelle
und beschließt, hoch oben von
der Alm eine Riesenglocke ins Tal
zu holen.
USA 2015 D R: Ross Venokur D 86 min,
FSK: oA
Frankie das Eichhörnchen bricht
aus der Wildtierstation aus. Als
er zurück im Wald ist, stellt er
fest, dass alle Eicheln weg sind.
Zeichentrick.
¢ Union Filmtheater
Estland/Litauen 2006 D R: Janno Pöldma,
Heiki Ernits D 80 min, FSK: oA, empfohlen
ab: 5
Beim jährlichen Erfinderwettbewerb treffen die Hündin Lotte
und ihre Freunde unter anderem
eine Biene, die Judo unterrichtet.
Animation.
¢ Sputnik Kino
RICO, OSKAR
UND DAS HERZGEBRECHE
Deutschland 2015 D R: Wolfgang Groos
D 95 min, FSK: oA
Die kleinen Detektive und besten
Freunde Rico und Oskar haben
einen neuen Fall. Ricos Mutter
Tanja wird offenbar erpresst …
¢ City Kino Wedding
Sebastian und seine Hündin Belle
machen sich auf dem Weg, um
Sebastians Ziehmutter Angelina
aus einem abgestürzten Flugzeug
zu retten.
¢ Acud Kino
SPATZENKINO:
FRÜHLINGSGEGACKER
45 min, empfohlen ab: 4
Das Spatzenkino läutet den Frühling ein: In DIE RAUPE UND DIE
HENNE (Italien 2014, Legetrick)
wartet die Henne geduldig darauf,
dass ihre beste Freundin Raupe
aus der Verpuppung zurück
kommt, DAS HÜHNCHEN KATRINCHEN (DDR 1980, Puppentrick)
lässt den Fuchs geschickt abblitzen und in DER KLEINE KÖNIG
UND DAS SAMENKORN (D 1997,
Zeichentrick) versucht der kleine
Eine aktuelle­
Programmübersicht
über alle KinderfilmTermine finden Sie
auf
www.indiekino.de
Die Altersempfehlungen orientieren sich in der
Regel an den Vorschlägen der Bundeszentrale für
politische Bildung/Vision Kino.
Schweden 1986 D R: Lasse Hallström
D 90 min, FSK: oA
SEBASTIAN UND
DIE FEUERRETTER
Frankreich 2015 D R: Christian Duguay
D 97 min, FSK: 6, empfohlen ab: 9
ACUD KINO
TÄGLICH
B-WARE! LADENKINOTÄGLICH
BALI KINO
DO, FR, SA, SO
BUNDESPLATZ KINO DO, FR, SA, SO
EVA-LICHTSPIELE DO, FR, SA, SO
FILMKUNST66
DO, FR, SA, SO
SPUTNIK KINO
DO, FR, SA, SO
TILSITER LICHTSPIELE DO, FR, SA, SO
UNION FILMTHEATERDO, FR, SA, SO
XENON KINO wechselnde Termine
WIR KINDER AUS
BULLERBÜ
¢ Eva Lichtspiele
LOTTE IM DORF DER
ERFINDER
KINDERKINO IM
INDIEKINO
DIE WILDEN KERLE –
DIE LEGENDE LEBT
Deutschland 2016 D R: Joachim Masannek
D 100 min, FSK: oA
Sieben Kinder haben Sommerferien in einem schwedischen Dorf
in den 20er Jahren. Nach dem
Kinderbuchklassiker von Astrid
Lindgren.
¢ Bali Kino
Eine neue Generation wilder Kerle
trittt an, um das Wilde-Kerle-Land
zu übernehmen.
¢ b-ware!ladenkino
¢ Union Filmtheater
¢ Sputnik Kino
DIE WINZLINGE:
OPERATION
ZUCKERDOSE
Frankreich/Belgien 2013 D R: Helene
Giraud, Thomas Szabo D 88 min, FSK: oA
Die kleinen Tierchen freuen sich
über einen Schatz: eine Zuckerdose. Aber auch die Ameisen
habe es auf den Zucker abgesehen. Animation.
¢ b-ware!ladenkino
¢ City Kino Wedding
¢ filmkunst66
¢ Sputnik Kino
ZOOMANIA
USA 2016 D R: Byron Howard, Rich Moore,
Jared Bush D 108 min, FSK: oA
In Zoomania leben alle Tierarten
friedlich beieinander. Als einzelne
Raubtiere anfangen, durchzudrehen ist Officer Judy Hopps
gefragt, die erste Häsin bei der
Polizei von Zootropolis.
¢ Acud Kino
¢ b-ware!ladenkino
¢ Eva Lichtspiele
¢ Sputnik Kino
¢ Union Filmtheater
APRIL 2016 D
37 D
INDIEKINOHIGHLIGHTS
BALI KINO
ALEXANDER SOKUROV-FILMWOCHE
D 38
D APRIL 2016
Faust
Alexander Sokurov gehört nicht nur zu den bedeutendsten sondern auch zu den produktivsten Regisseuren Russlands. Dabei ist das Spätwerk des Tarkowski-Protegés und Sowjet-Kritikers vor allem durch seine Tetralogie über
Macht und Männer geprägt. Das Bali Kino zeigt in seiner Sokurov-Filmwoche den abschließenden Teil der Reihe,
seine 2011 auf den Filmfestspielen in Venedig gefeierte und mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnete FAUST-Adaption (22./23.4.). Außerdem läuft mit RUSSIAN ARK (21.4.) das technische Meisterwerk, in dem Sokurov 2002
in der Eremitage in Sankt Petersburg drei Jahrhunderte russischer Geschichte in einer einzigen Einstellung filmte,
und seinen aktuellen Film FRANCOFONIA (24.-27.4.), über die Rettung der Louvre-Schätze vor dem Zugriff der
Deutschen im Zweiten Weltkrieg. balikino-berlin.de
 21.-27.4. jeweils um 20.30 Uhr, Sondervorstellung FAUST am 24.4. um 11 Uhr
APRIL 2016 D
39 D
INDIEKINOHIGHLIGHTS
FILMRAUSCHPALAST
ARAB HUB: THE WANTED 18
ArabHub Berlin versteht sich als Raum der Begegnung und des Austausches über die aktuellen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen in den arabischen Ländern. Neben Ausstellungen, Kunstperformances, Lesungen und Konzerten sollen in diesem Rahmen auch Filme gezeigt
werden, die einen Anstoß zum Gespräch geben. Der kanadisch-palästinensische (teilweise animierte) Dokumentarfilm THE WANTED 18 von Amer Shomali und Paul Cowan erzählt von der ersten Intifada von 1987 und von der palästinensischen Volksbewegung in Beit Sahour, die versucht, eine lokale
Milchindustrie zu etablieren. Als die 18 Kühe, die sie als Protest gegen die wirtschaftlichen Restriktionen angeschafft haben, als „Sicherheitsbedrohung“
klassifiziert werden, beginnt eine Katz- und Mausjagd im Westjordanland und eines der seltsamsten Kapitel der Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts. Der Film wird im Original mit deutschen Untertiteln gezeigt. www.filmrausch.de  14.4. um 20 Uhr & 21.4. um 18 Uhr
Z-INEMA
EXPLOITATION MADE IN
­AUSTRIA: SCHAMLOS (1968)
SPUTNIK KINO AM SÜDSTERN
VERWUNDETE ERDE – 30
JAHRE TSCHERNOBYL
Das Z-inema führt seine Ausgrabungsarbeiten im Untergrund des österreichischen Films fort. In SCHAMLOS (Österreich 1968, R: Eddy Saller,
mit Udo Kier, Rolf Eden, 74 min) ist der 20jährige Alexander Pohlmann
Boss einer Bande von Rowdies, die das Nachtgeschäft einer Großstadt
kontrolliert. Als ihm in einer Bar die Tänzerin Annabella auffällt, erzwingt
er ihre Freigabe. Das aber passt nicht in das Konzept des Gangsterkönigs
Kowalski, Inhaber eines Karosseriebetriebes und Spezialist für den Bau
von motorisierten Bordellen für die er Annabella nur zu gut gebrauchen
kann. Auf einem verrückten, wilden Künstlerfest, einem Happening der
Otto-Mühl-Kommune, bringt Kowalski es fertig, sich mit Pohlmann wegen
Annabella zu arrangieren. z-bar.de  12.4. um 20.00 Uhr
Anlässlich des 30. Jahrestages von Tschernobyl lädt die grüne Bundestagsfraktion zur Filmvorführung von VERWUNDETE ERDE (Frankreich 2011, R:
Michale Boganim) und einer anschließenden Diskussion mit den grünen
Bundestagsabgeordneten Dr. Anton Hofreiter MdB und Sylvia Kotting-Uhl
(Sprecherin für Atompolitik) und weiteren Fachleuten ein. Der Eintritt
ist frei. Der Film erzählt die Geschichte der Reaktorkatastrophe aus der
Perspektive von Einwohnern der nahegelegenen 50.000-Einwohner-Stadt
Prypjat: Es ist der 25. April 1986. Anya und der Feuerwehrmann Piotr
haben gerade geheiratet und feiern mit Freunden und Familie ihre Hochzeit. Am Fluss freut sich der Physiker Alexei über einen freien Tag, den
er mit seinem sechsjährigen Sohn Valery verbringen kann. Die Idylle wird
jäh zerstört, als im benachbarten Kernkraftwerk Tschernobyl der Block 4
explodiert. sputnik-kino.com  26.4. um 19 Uhr
D 40
D APRIL 2016
INDIEKINOHIGHLIGHTS
HACKESCHE HÖFE KINO
CITY KINO WEDDING
AFRICAVENIR: EGYPTS MODERN PHARAOS & MINERS SHOT DOWN
Die ägyptisch-französische Filmemacherin, Autorin und Nachrichtenkorrespondentin Jihan El-Tahri zeichnet in ihrer Trilogie EGYPTS MODERN PHARAOS die Entwicklung Ägyptens seit 1952 anhand der drei Männer nach, die das Land seit dem Ende der Monarchie regierten: Gamal Abdel Nasser,
Anwar As-Sadat, und Hosni Mubarak. Die 150-minütige Version, die sie im Rahmen der Reihe AfricAvenir mit anschließenden Publikumsgespräch
präsentiert, ist ein Zusammenschnitt der drei Filme, in dem El-Tahri auch den Widerstreit zwischen Militär und Muslimbruderschaft beschreibt, der das
Land seit jeher prägt.
In MINERS SHOT DOWN begleitet Filmemacher Rehad
Desai den Streik südafrikanischer Minenarbeiter im
August 2012, der infolge von Polizeigewalt eskalierte und
zum „Massaker von Marikana“ mit 34 toten Arbeitern
und zahlreichen Verletzte führte. Seine Aufzeichnungen
der Vorfälle, Interviews mit Streikführern und Rechtsanwälten sowie Aufnahmen der anschließenden Untersuchungskommission verdichten sich zu einem Dokument
über einen bitteren Tiefpunkt des demokratischen Südafrika nach dem Ende der Apartheid. Zudem wirft der Film
einen Blick auf die Rolle des größten Kunden der Lonmin
Bergbauunternehmens: den Chemiekonzern BASF. www.
africavenir.org
 EGYPTS MODERN PHARAOS (OmU): CITY KINO WEDDING: 7.4. um
19 Uhr mit anschließendem Gespräch mit Regisseur / HACKESCHE
HÖFE: 8.4. um 19 Uhr mit anschließendem Gespräch mit Regisseur
 MINERS SHOT DOWN: CITY KINO WEDDING: 22.4. um 20 Uhr mit
Publikumsgespräch / HACKESCHE HÖFE: 24.4. um 17 Uhr mit
Publikumsgespräch
Miners Shot Down
Katz und Maus
BROTFABRIK KINO
10 KURZFILME VON MICHAEL
KLIER
FILMRAUSCHPALAST
RAUSCH DES MONATS:
­TRAINSPOTTING
Michael Kliers 1963, mit Jürgen Jürges hinter und Rolf Zacher vor der
Kamera entstandener Debüt-Kurzfilm PROBEAUFNAHMEN erregte gleich
die Aufmerksamkeit des Nouvelle-Vague-Rebellen François Truffaut, der
den damals 20jährigen als Volontär nach Paris einlädt. Auch wenn Klier
mit Spiel- und Fernsehfilmen wie ÜBERALL IST ES BESSER WO WIR NICHT
SIND oder OSTKREUZ erfolgreich das Langspielformat bedient hat, definieren seine in vier Jahrzehnten entstandenen Kurzfilmwerke, u.a. mit
Axel Prahl, Julia Hummer und Nicolette Krebitz, seinen künstlerischen
Werdegang. Das Brotfabrik Kino zeigt die 2015 entstandene Anthologie
10 KURZFILME VON MICHAEL KLIER. www.brotfabrik-berlin.de
Zum Auftakt der neuen Reihe „Rausch des Monats“, die sich regelmäßig
mit Rauscherlebnissen im Film beschäftigt, zeigt der FilmRAUSCHpalast
Danny Boyles Drogendrama-Kultfilm TRAINSPOTTING (1996, OmU) mit
Ewan McGregor und Robert Carlyle nach dem Roman von Irvine Welsh,
der in diesem Jahr sein 20jähriges Jubiläum feiert (gerade wird übrigens
auch an einer Fortsetzung mit dem gleichen Team gearbeitet). Anschließend wird das Kino zum Club, wenn die Filmrausch-Residents von
­Noiseferatu and The Wizard of OSC die Kinogänger zum Tanzen animieren.
filmrausch.de
 9.4. (Opening Night & Party), 16.4., 23.4. & 28.4. jeweils um 22 Uhr
 1.4.-3.4. jeweils um 18.00 Uhr, am 3.4. in Anwesenheit des Regisseurs
APRIL 2016 D
41 D
INDIEKINOHIGHLIGHTS
BALI KINO
KINO DER NACHBARN: W CIEMNOSCI /
IN DER DUNKELHEIT
In W CIEMNOSCI erzählt die Regisseurin Agnieszka Holland die wahre Geschichte des polnischen Kanalarbeiters und
Einbrechers Leopold Socha, der – zunächst lediglich nur aus Eigennutz – einer Gruppe aus dem Ghetto Lemberg geflohener Juden in der Kanalisation Zuflucht und Schutz bietet. Das 2012 bei der Oscarverleihung als „bester fremdsprachiger
Film“ nominierte Werk basiert auf Robert Marshalls Buch IN THE SEWERS OF LVOV und Krystyna Chrigers Autobiografie
DAS MÄDCHEN IM GRÜNEN PULLI. balikino-berlin.de  11.4. um 18 Uhr
BROTFABRIK KINO
BERLIN-FILM-KATALOG: LOTS
WEIB
In seinem DEFA-Debütfilm LOTS WEIB porträtiert Regisseur Egon
Günther die gescheiterte Ehe der Sportlehrerin Katrin mit dem Marineoffizier Richard Lot, der sich jedoch weigert, die von seiner Frau
gewünschte Scheidung zu akzeptieren, vor allem, um vor den Kollegen
und Parteigenossen nicht negativ aufzufallen. Als Katrin einen kalkulierten Kaufhausdiebstahl begeht, erreicht sie schließlich zwar ihr Ziel,
wird jedoch aufgrund ihrer Vorstrafe vom Schuldienst ausgeschlossen.
Beim Kinopublikum überaus erfolgreich, thematisiert Günther das kontroverse Thema Scheidungs- und Familiengesetzgebung in der DDR.
berlin-film-katalog.de  11.-17.4. um 18 Uhr
D 42
D APRIL 2016
CITY KINO WEDDING
DIE AERONAUTEN
Hipp Mathis ist nicht nur Filmemacher, sondern auch Bassist der seit
einem Vierteljahrhundert aktiven Ostschweizer Indie-Rockband Die
Aeronauten, die es aus den kleinsten Käffern der Eidgenossenschaft bis
nach Hamburg geschafft haben, wo sie seit Mitte der 90er Jahre als Teil
der Hamburger-Schule-Bewegung um Bands wie Blumfeld, Die Sterne
und Tocotronic wahrgenommen wurden. Mathis hat für DIE AERONAUTEN 16:9 – DIE ERSTEN 25 JAHRE nicht nur das obligatorische Ton-,
Film- und Fotomaterial aus der Historie dieser gutgelaunten Band zusammengestellt, sondern lässt in seinem Zeitdokument auch befreundete
Musiker und Weggefährten wie Bernadette La Hengst, Frank Spilker,
Knarf Rellöm, Rocko Schamoni und Schorsch Kamerun zu Wort kommen.
citykinowedding.de  9.4. um 20 Uhr in Anwesenheit des Regisseurs
INDIEKINOHIGHLIGHTS
BUNDESPLATZ KINO
BERLIN FILM MATINEE
Die Berlin Film Matinee zeigt im April die in einem Kreuzberger Kindergarten gedrehte Langzeitdoku über Krippenkinder PINA SCHAUKELT - WAS
KLEINE KINDER BRAUCHEN (D 2015) von Heike Breitel (siehe Magazinteil), die ihren Film selbst vorstellt. Zu Sobo Svobotniks Dokumentarfilm
SEXARBEITERIN (Besprechung in INDIEKINO #24, März 2016) ist die
Sexarbeiterin Lena Morgenroth zu Gast. Highlight des Monats ist sicher
das KURZFILMPROGRAMM MODE IN OST-BERLIN das im Rahmen
der achtung berlin Retrospektive “Berlin in Fashion – Modestadt Berlin“
gezeigt wird und sich in fünf Kurzfilmen der Mode seit den fünfziger Jahren widmet. Es zeigt das offizielle Bild in zeitgenössischen Wochenschaubeiträgen und Werbefilmen, reflektiert es aber auch mit historischen und
aktuellen Dokumentarfilmen. Abgerundet wird das Programm durch den
Dokumentarfilm EVI, MODELL IN DER DDR aus dem Jahr 2012, in dem
Evelin, die für das Modeinstitut der DDR gearbeitet hat, vom Bild der sozialistischen Frau, zensierten Fotos und ihrem Fluchtversuch in den Westen
erzählt. Als letzten Film im April zeigt die Matinee-Reihe in Anwesenheit
der Regisseurin Antonia Lerch ELLEN AUERBACH, FOTOGRAFIN, GEBOREN 1906 (D 1992) über die in Berlin geborene jüdische Fotografin, die in
den dreißiger Jahren nach New York emigrierte. Auerbachs Arbeiten, ihre
mit wunderbar freiem Blick erfassten Künstler-Porträts und Straßenszenen, sind eine unbedingt lohnende Entdeckung.
 Jeweils um 11 Uhr: 3.4.: Pina schaukelt - Was kleine Kinder brauchen 10.4.:
SEXARBEITERIN  17.4.: KURZFILMPROGRAMM MODE IN OST-BERLIN  24.4.: ELLEN
AUERBACH, FOTOGRAFIN, GEBOREN 1906
Melusine
EVA LICHTSPIELE
DER ALTE DEUTSCHE FILM
Die historische Reihe „Der alte deutsche Film“ geht im April weiter mit
der Komödie MÄNNER VOR DER EHE mit Carola Höhn, Paul Klinger und
Grethe Weiser (1936), dem erst 2014 uraufgeführten Film MELUSINE
(1943/44) von Hans Steinhoff und der Komödie GOLDBLONDES MÄDCHEN, ICH SCHENK DIR MEIN HERZ (1932) mit Felix Bressart, Charlotte Ander und Adele Sandrock. In Herbert Selpins HEIRATSSCHWINDLER (1937) legt ein Mann mit einer Eisenbahnermütze unverheiratete
Frauen herein. Aber eine Komödie ist der Film entgegen aller Erwartungen
durchaus nicht.
 Jeweils um 15.45 Uhr: 6.4.: MÄNNER VOR DER EHE  13.4.: MELUSINE  20.4.:
GOLDBLONDES MÄDCHEN, ICH SCHENK’ DIR MEIN HERZ  27.4.: HEIRATSSCHWINDLER
Filmauswahl und Einführungen: Martin Erlenmaier.
Ellen Auerbach, Fotografin, geboren 1906
ACUD KINO
SHORTS ATTACK
Turbulenzen im Weltgetriebe: Unter dem Motto „Verrückte Welt“ besucht
Shorts Attack im April einen Alien zwischen Frühzeit und Zukunft, präsentiert technische Innovationen für Helmträger, sieht einem Prinzen zu, der
mit Koffer durch die Wüste rennt, porträtiert einen Pandabären zwischen
Urwald und Zivilisation, und widmet sich dem Sexualverhalten in traditionsbewussten Killerfamilien.  13.4. um 21 Uhr
Live Smartphone
REINICKENDORF
INDIESERVICE
DIE INDIEKINOS
ACUD KINO
MITTE 1
Veteranenstr. 21, 10119 Berlin
Telefon: 030/44 35 94 98,
Mail: kino@acud.de,
www.acudkino.de U8, M1 Rosen­
thaler Platz, M8/12 Brunnenstr./
Invalidenstr., S1/2 Nordbahnhof
 6 
BALI KINO
ZEHLENDORF  3 
Teltower Damm 33, 14169 Berlin
Telefon: 030/811 46 78,
www.balikino-berlin.de
S-Bahn Zehlendorf
BROTFABRIKKINO
BERLIN  4 
WEISSENSEE
Caligariplatz 1, 13086 Berlin
Tel.: 030/473 708 58 (nur Mo+Do)
Mail: info@brotfabrik-berlin.de
www.brotfabrik-berlin.de
Tram M2, M13, 12 Prenzlauer Allee/
Ostseestr., Bus 156 Caligariplatz
BUNDESPLATZ-KINO
WILMERSDORF 5
Bundesplatz 14, 10715 Berlin
Telefon: 030/85 40 60 85,
Mail: kino@bundesplatz-kino.de,
www.bundesplatz-kino.de
U9, S 41/42/46, Bus 248/N9
U+S-Bahn Bundesplatz
CITY KINO WEDDING
IM CENTRE FRANÇAIS
WEDDING 6
Müllerstraße 74, 13349 Berlin
Telefon: 01525/9687921,
Mail: info@citykinowedding.de
www.citykinowedding.de
U6 Rehberge
D 44
D APRIL 2016
 4 
LICHTENBERG
 10   G   18   1 
SPANDAU
MITTE
 8 
 17 
 5 
STEGLITZZEHLENDORF
 12 
 15 
FRIEDRICHSHAIN-
CHARLOTTENBURG-  9 
WILMERSDORF
B-WARE! LADENKINO
FRIEDRICHSHAIN 2
Gaertnerstr. 19, 10245 Berlin
Telefon: 030/63 41 31 15
ladenkino.de
S+U-Bahnhof Frankfurter Allee,
Bus 240 Boxhagener Platz, Tram
13 Wühlischstraße
PANKOW
MARZAHNHELLERSDORF
 F   2   KREUZBERG
 11   A   7 
 D   19  
 14    C   13    E  TEMPELHOFSCHÖNEBERG
 16    B  NEUKÖLLN
TREPTOWKÖPENICK
 3 
EISZEIT KINO
KREUZBERG 7
FSK-KINO AM
­ORANIENPLATZ
KREUZBERG 11
Zeughofstr. 20, 10997 Berlin
Telefon: 030/611 60 16,
Mail: info@eiszeit-kino.de,
www.eiszeit-kino.de
U1, M29, N1 Görlitzer Bahnhof
Segitzdamm 2, 10969 Berlin
Telefon: 030/614 24 64,
Mail: post@fsk-kino.de,
www.fsk-kino.de
U8, Bus M29/140/N8 Moritzplatz,
U1 Kottbusser Tor
EVA-LICHTSPIELE
BERLIN
WILMERSDORF 8
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Mail: info@eva-lichtspiele.de, www.
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FILMKUNST66
CHARLOTTENBURG
TILSITER
­LICHTSPIELE
FRIEDRICHSHAIN
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FILMRAUSCH­PALAST
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Lehrter Str. 35, 10557 Berlin
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HACKESCHE HÖFE
KINO MITTE 12
UNION FILMTHEATER
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10178 Berlin
Telefon: 030/283 46 03,
Mail: info@hoefekino.de,
www.hoefekino.de
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U8 Weinmeisterstraße
IL KINO NEUKÖLLN
15
Richard-Sorge-Str. 25a,
10249 Berlin
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programm@tilsiter-lichtspiele.de,
www.tilsiter-lichtspiele.de
U5 Frankfurter Tor, Weberwiese, M10 Bersarinplatz,
Straßmannstraße
XENON KINO
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U7/8 Hermannplatz
SPUTNIK KINO AM
SÜDSTERN
KREUZBERG 14
Hasenheide 54, 10967 Berlin
Telefon: 030/694 11 47,
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www.sputnik-kino.com
U7 Südstern, U7/8 Hermannplatz
17
Kolonnenstr. 5, 10827 Berlin
Telefon: 030/78 00 15 30,
Mail: service@xenon-kino.de,
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S-Bahn Julius-Leber-Brücke
Z-INEMA ­MITTE
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FREILUFTKINO
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­CASSIOPEIA
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WINDLICHT IM
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PALAST: „UMSONST
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Herausgeber:
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Filmbilder: Filmverleiher/Filmfestivals
Verlosung: Zwei Filmcomics (S.4/5): Reprodukt Verlag
Eröffnung FLK Insel (S.4/5): Freiluftkino Insel
Logos Filmfestivals (S.6/7): Alfilm, FilmPolska, achtung berlin, Lakino, Festival
des sprituellen Films
Retrospektive achtung berlin (S.6/7): ItWorks! Medien GmbH, Beate Nelken
APRIL 2016 D
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Texte Kinohighlights: INDIEKINO BERLIN und Kinos
D APRIL 2016
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Filmtexte: Toby Ashraf, Hendrike Bake, Tom Dorow, Christian Horn, Hendrik
Jackson, Christian Klose, Elinor Lewy, Jens Mayer, Michael Meyns, Toni Ohms,
Peter Schwarz, Anna Stemmler, Hannes Stein, Christine Stöckel, Lars Tunçay,
Hardy Zaubitzer
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Redaktion: Hendrike Bake, Thomas Dorow redaktion@indiekino.de
45 D
Gordian Mauggs Film FRITZ LANG und die Wiederaufführung von Langs Klassiker M – EINE STADT
SUCHT EINEN MÖRDER hat uns zu zahlreichen Gesprächen über das Vermächtnis und das Nachleben der filmischen Ideen in M angeregt. Eines der wohl am häufigsten zitierten Filmbilder aus M ist
der Ball der kleinen Elsie, der aus einem Gestrüpp in eine Sandkuhle rollt. Die kurze Montage, mit
der Lang den vollendeten Mord an Elsie zeigt, zeigt Bilder ihrer Abwesenheit: einen leeren Dachboden, den Ball, einen Ballon, der sich in Hochspannungsleitungen verfangen hat, den leeren Teller auf
dem Küchentisch, den die Mutter zuvor sorgfältig angerichtet hatte. Am eindringlichsten ist aber der
Ball. Es ist eine Montage, die unmittelbaren Schrecken auslöst. Wohl darum taucht Elsies Ball immer
wieder und bis heute im Horrorgenre auf: In DON’T LOOK NOW (WENN DIE GONDELN TRAUER TRAGEN, 1973) lockt ein Ball ein kleines Mädchen in den Tod, in THE CHANGELING (1980) kündet ein
die Treppe herunterspringender Ball eine geisterhafte Präsenz an – als wäre Elsie zurückgekommen,
um sich zu rächen. Zuletzt erschreckte Elsies Ball in IT FOLLOWS die Protagonistin Jay. Elsies Ball
zu entkommen ist unmöglich.
NACHBILD
Wenn die Gondeln Trauer tragen
The Changeling
M – Eine Stadt sucht einen Mörder
It Follows
VORSCHAU
INDIEKINO IM MAI
D 46
D APRIL 2016
D CHRIEG Matteo gegen Alles D ICH BIN TOT, MACHT WAS DRAUS! Alte Rocker rocken D WER
HAT ANGST VOR SIBYLLE BERG? Porträt der Autorin D A BIGGER SPLASH Erotik Thriller
D SCHROTTEN! Zurück auf den Schrottplatz D LA BELLE SAISON – EINE SOMMERLIEBE Bewegte
Frauen in den 70ern D HAPPY HOUR Männerurlaub D JUNGES LICHT Winckelmann verfilmt
­Ruhrpott-Roman D LOEV Schwule Liebe in Indien D MÄNGELEXEMPLAR Sarah-Kuttner-Verfilmung
D REMAINDER Halluzinatorische McCarthy Adaption D NUR FLIEGEN IS SCHÖNER Paddeln aus
der Midlife-Crisis D BAKUR Einblick in den Alltag der PKK D EVA HESSE Porträt der Künstlerin
D FÜR IMMER EINS Zögerlich lesbisch D MONSIEUR CHOCOLAT Frankreichs erster schwarzer
Clown D EIN NEUES LEBEN Nach dem Bankrott D PETTING ZOO Schwanger mit 17 D DIE PRÜFUNG
In der ­Auswahlkommission D MY INTERNSHIP IN CANADA Politsatire D DER NACHTMAHR Neues
deutsches Kino D OUTSIDE THE BOX Teambildungsworkshop D SING STREET Conor will eine Band
D SONITA Iranische Rapperin D THE WHISPERING STAR Sion Sono aus dem All
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Förderer
SPOTLIGHT:
Jüdisch-arabische
Identitäten
im postkolonialen
kulturellen Diskurs