Blauer Brief Nr.11 - Ultras Gelsenkirchen

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Blauer Brief Nr.11 - Ultras Gelsenkirchen
Ausgabe 11 / Saison 15/16 • VfL Wolfsburg • Auflage: 1.500 / gegen freiwillige Spende
12.02.2016, 20:30 Uhr
1.FSV Mainz 05 - FC Schalke 04
Stadion am Europakreisel
18.02.2016, 21:05 Uhr
FK Schachtar Donezk FC Schalke 04
Donbass Arena
21.02.2016, 17:30 Uhr
FC Schalke 04 - VFB Stuttgart
Arena AufSchalke
Herausgeber „Blauer Brief“:
Ultras Gelsenkirchen e.V.
Daimlerstraße 6
45891 Gelsenkirchen
www.ultras-ge.de
blauerbrief@ultras-ge.de
V.i.S.d.P.: Zoran Stanisavljevic
Themen in dieser Ausgabe:
Einleitung +++ Rückblick DSC Arminia Bielefeld GmbH & Co. KGaA - FC Schalke 04 e.V. +++ Rückblick FC
Schalke 04 e.V. - SV Werder Bremen GmbH & Co. KG +++ Rückblick SV Darmstadt 98 e.V. - FC Schalke 04 e.V.
+++ Gegnervorstellung: Schachtar Donezk +++ Unter Freunden +++ aUsGEholt - jetzt wird’s kritisch! +++
Gedankenaustausch +++ Zurück zu den Wurzeln - Italien +++ Blick über den Tellerrand: Reisebericht Australien
+++ Gemischte Tüte +++ Nordkurve singt
Glückauf Schalker,
eine Düsseldorfer Punk-Band sang einst: “Es liegt an dir, du hast die Wahl zwischen Spielzeugkarussell und
Achterbahn”. Als Schalker hat man sich zweifelsfrei für die Achterbahn entschieden. Nach der mehr als
enttäuschenden Niederlage gegen Werder Bremen folgte ein glanzloser aber wichtiger Auswärtsdreier in
Darmstadt. Der Start der Rückrunde ist typisch für die gesamte bisherige Saison. Eine konstant gute Leistung ist
bisher Fehlanzeige.
Heute gilt es, erneut diese Achterbahnfahrt zu stoppen, an den Sieg gegen die Lilien anzuknüpfen und den
nächsten wichtigen Schritt Richtung Europa zu machen. Auch wenn der VfL Wolfsburg in dieser Saison bisher
eher schlecht aussieht, so ist es wohl kaum nötig zu erwähnen, dass dieses Spiel noch lange nicht gewonnen ist.
Vergesst alles, was euch derzeit beschäftigt - Fußball ist dazu da, Dampf abzulassen! Schreit unsere Königsblauen
zum Sieg! Gemeinsam für den FC Schalke 04 e.V.!
Wie jedem bekannt sein sollte, ist es als Fußballfan keine Seltenheit, unverschuldet in Schwierigkeiten mit
der Polizei und der Justiz zu gelangen. Der Kampf gegen Repressionen ist leider auch immer mit finanziellem
Aufwand verbunden. Aus diesem Grund haben wir ein Soli-Shirt produziert, welches frei verkäuflich ist. Es kostet
12 Euro und ist ab sofort an unserem Infostand auf der Promenade zwischen N4 und N5 erhältlich.
Kommen wir zum Inhalt dieses Blauen Briefs: Zunächst folgen die Rückblicke auf die vergangenen Spiele, inklusive
des Testspiels auf der Bielefelder Alm. Unsere “Sektion Stadionverbot” schildert, wie sie den Tag rund um das
Auswärtsspiel in Darmstadt erlebt hat und zum zweiten Mal in dieser Saison ist ein zusätzlicher Spielbericht
in Englisch vorhanden. Unser “Vorwärts Nordkurve” Aktivist aus Irland hat es sich nicht nehmen lassen, einen
Bericht von der Heimniederlage gegen Werder Bremen zu schreiben. Thank you very much!
Auf den darauffolgenden Seiten erhaltet ihr sämtlichen wichtigen Infos von unseren Freunden aus Nürnberg,
Enschede und Skopje. In der “aUsGEholt”-Rubrik erwartet euch Teil II unserer Dystopie nach Orwellscher Manier.
Für den “Gedankenaustausch” erreichte uns ein wichtiger Text, in welchem nochmal daran erinnert wird, dass es
Personen gibt, denen es leider nicht vergönnt ist, eine Reise mit uns anzutreten, geschweige denn ein Fußballspiel
mit uns zu besuchen. In unserer “Italien”-Rubrik können wir euch, neben den aktuellen Geschehnissen, nun
auch endlich das Interview mit der Curva Nord Brescia servieren.
Ein weiterer Text, der nicht aus den Federn unserer Redaktion stammt, befindet sich in der “Blick über den
Tellerrand”-Sparte. Ein Schalker lässt uns an seinen Eindrücken aus Australien teilhaben. Vielen Dank dafür!
Wie bereits mehrfach betont: Wenn auch ihr Gedanken zur Materie “Ultra” habt oder in Sachen Fußball in der
Welt unterwegs wart und eure Eindrücke niederschreiben möchtet, könnt ihr uns eure Texte gerne zukommen
lassen. Einfach per Mail an: blauerbrief@ultras-ge.de. Last but not least folgt am Ende wie gewohnt die
gemischte Tüte.
Genug der einleitenden Worte. Lasst uns aus der Achterbahnfahrt eine Zielgerade Richtung Champions League
machen.
Auf geht’s Nordkurve!
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Rückblick DSC Arminia Bielefeld GmbH & Co. KGaA - FC Schalke 04 e.V. 1:0 (1:0)
Gerade aus dem Trainingslager zu Hause angekommen, stand mit dem dritten und letzten Testspiel der
Winterpause auch schon wieder Fußball auf dem Programm. Da es neben der eisigen Kälte auch noch geschneit
hatte, ließ ich mich direkt auf dem Rückweg von der Uni einsammeln, um rechtzeitig die Reise auf die Bielefelder
Alm anzutreten. Das letzte Spiel unserer Knappen dort liegt mittlerweile fast sieben Jahre zurück und war damals
noch ein Bundesligapflichtspiel.
Für die Arminia markierte das Testspiel den Auftakt zum 111-jährigen Vereinsjubiläum, welches dieses Jahr
gefeiert wird. Zu diesem Anlass wurde sogar ein neuer Rasen verlegt, der heute vor knapp 12.000 Zuschauern
seine Premiere feiern durfte. Dieser war im Übrigen ein so genannter “Hybridrasen”, also eine Mischung aus
Natur- und Kunstrasen. Jeder, der die diversen Regenschlachten auf einem durchnässten und kaputten Spielfeld
im Parkstadion verfolgen durfte, wird wohl auch diese Neuerung im Fußball mit einem traurigen Auge betrachten.
Auch wenn der häufig schlechte Zustand des Naturrasens in der Arena sicherlich ebenfalls keine Lösung sein
kann. Im Stadion waren unter den Zuschauern dann auch etwa 2.000 Schalker, der Stehplatzblock platzte
jedenfalls aus allen Nähten. Alkohol gab es im Gästeblock übrigens keinen – was für eine laue Geburtstagsparty.
Über das Spiel verliere ich an dieser Stelle lieber auch nicht all zu viele Worte. Unser Verein präsentierte sich als
guter Gast und konnte trotz zahlreicher Ecken den frühen 1:0 Rückstand aus der 17. Spielminute nicht mehr
egalisieren.
Mit dem Schlusspfiff hatte man dann auch eindeutig genug gefroren und ich konnte mich endlich auf den
Rückweg zum Auto machen. Mit einigen weiteren Schalkern lief ich also zur Universität, welche wir im Vorfeld
als Parkplatz auserkoren hatten. Eine Person benutzte modernste Technik, um uns den kürzesten Weg zu
dirigieren, dieser führte uns jedoch mitten durch vereiste und stockdunkle Waldwege. Im Anschluss an diese
Nachtwanderung ging es rein ins Auto, ab auf die Autobahn und auf direktem Wege nach Hause.
Rückblick FC Schalke 04 e.V. - SV Werder Bremen GmbH & Co. KG 1:3 (1:1)
Endlich! Das dachte ich mir, als ich morgens auf meinen Wecker schaute und das entscheidende Wort auf
meinem Handy sah: Spieltag! Raus aus dem Winterschlaf, endlich wieder Bundesliga! Da steht man doch an
einem Sonntagmorgen gerne einmal eher auf, trotz einer alkoholreichen Nacht im Kreise der Gruppe. So ging
es für mich schon relativ zeitig in die Stadt der 1.000 Feuer. Die Fischköpfe von der Weser sollten heute zu Gast
in unserer Arena sein. Auch wenn der Haufen rund um Infamous Youth Bremen stimmungstechnisch noch nie
richtig auf Schalke vernommen werden konnte, freute ich mich jedes Jahr auf dieses Spiel. Dabei bereitete mir
der Gedanke an unsere Chancenverwertung der Hinrunde schon ein wenig Bauchschmerzen. Aber wie heißt es
so schön? Neues Spiel – Neues Glück.
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Dem einen oder anderen konnte man ansehen, dass ihm der gestrige Abend noch ein wenig in den Knochen
steckte. Nichtsdestotrotz war der Club für einen Sonntag sehr gut besucht und allen war die Vorfreude auf
das Spiel heute anzumerken. Die Neugierde auf die Neueinkäufe der Winterpause war groß. Ich fragte mich
schon Tage vorher, ob diese wohl in das Schalker Spiel passen. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass ein
Transfer spielerisch nicht in unserer Elf funktioniert. Für das leibliche Wohl war heute auch wieder gesorgt. Es gab
Chinanudeln und jede Menge Kaltgetränke. Somit vergingen die Stunden bis zum Abmarsch relativ zügig und
der Weg zum Stadion verlief ohne Besonderheiten. Negativ zu erwähnen bleibt, dass unsere SV’ler kontrolliert
wurden und einen Platzverweis bekamen. Vollkommen sinnlose Aktion seitens der Staatsmacht. Standhaft
bleiben Jungs!
Bevor das Spiel beginnen sollte, wurde im
Namen der Gruppe einmal wieder eine große
Spendensumme übergeben. 20.000,00 Euro
gingen an den Förderverein Kinderhospiz
Gelsenkirchen e.V. Arche Noah. Erwähnenswert
ist hierbei, dass man es geschafft hat zum vierten
Mal in Folge die Spendensumme zu toppen. Es
bleibt also abzuwarten, welcher Betrag dieses
Jahr dabei rumkommen wird. Ultras für GE!
17:30 Uhr – der Ball rollte. Die Nordkurve
Gelsenkirchen startete mit einer lautstarken
Hüpfeinlage, die auch den letzten Schalker aus
dem Winterschlaf geholt haben sollte. Auf dem Platz durften wir in den ersten 40 Minuten eine Mannschaft
bewundern, die die klaren Signale der Hinrunde scheinbar verstanden hat. Es wurde um jeden Ball gekämpft
und wir durften die zuletzt fehlende Leidenschaft auf Schalke begutachten. Somit dauerte es auch lediglich bis
zur vierten Minute als Johannes Geis die erste Ecke im Jahre 2016 trat und Joel Matip goldrichtig stand, um
den Ball ins Netz zu köpfen. Ein Start wie er im Buche stand. Jeder war gefesselt vom Druck der Königsblauen
auf das Bremer Tor. Bei beachtlichen Mitmachquoten schallten unsere Lieder durch die Donnerhalle. Schalke
erarbeitete sich Torchancen im Minutentakt und man merkte deutlich, dass die Bremer noch nicht wach waren.
Viele Fehlpässe, mangelnde Laufbereitschaft und Unordnung luden unsere Elf immer wieder zu gefährlichen
Chancen ein. Aber wie in den letzten Monaten schon so oft bemängelt, sollte das Thema Chancenverwertung
auch im Jahr 2016 weiter unser Feind bleiben. Klaas Jan Huntelaar hatte wohl die beste Chance auf 2:0 zu
erhöhen, als er den Ball nur noch am Torwart vorbei legen musste. Stattdessen setzte er das Ding an die Latte.
Zu diesem Zeitpunkt hätte es längst 2:0 oder höher stehen müssen. Aber wer seine Chancen nicht nutzt, ist am
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Ende selbst schuld. So kam es in der 43. Minute wie es kommen musste. Wie aus dem Nichts konnten die Bremer
ihr Spiel aufziehen und Clemens Fritz nutzte die erste wirkliche Torchance. So stand es zur Halbzeit nur 1:1. Die
Stimmung verschlechterte sich dementsprechend von Minute zu Minute und passte sich dem Spiel an.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit zeigte sich jedoch ein bekanntes Phänomen der Hinrunde - Schalke befand sich
wohl mit den Gedanken noch in der Kabine und wurde durch einen Gegentreffer eiskalt erwischt. Claudio Pizarro
markierte in der 53. Minute das 2:1 für die Bremer. Ein bitterer Rückschlag, wenn man sich einmal die erste
Halbzeit anschaute. Wenigstens wurde nach dem Rückstand noch das ein oder andere mal versucht, gefährlich
vor dem Bremer Tor aufzutreten. Dabei hatten Huntelaar und Sané wohl die besten Möglichkeiten auf Schalker
Seite, konnten diese aber auch nicht verwerten. So plätscherte das Spiel vor sich hin. Stimmungstechnisch
spiegelte sich die zweite Halbzeit auch auf den Rängen
wieder. Geringe Mitmachquoten und es wurde nur
noch so vor sich her gesungen. Die Pfiffe von den
Sitzplätzen waren dadurch zum Teil nicht zu überhören
und da sollte jeder mal überlegen, ob sowas wohl
nötig ist. Kurz vor Ende konnten die Fischköpfe dann
durch Ujah noch zum 3:1 erhöhen. Genau so wollte
niemand in die Rückrunde starten. Hätte mir jemand
nach der ersten Halbzeit gesagt, dass Schalke hier und
heute mit einer 1:3 Niederlage vom Platz geht, hätte
ich ihn wohl ausgelacht. Schade, dass man sich nach
einem Gegentreffer so hängen lässt. Dabei spielt es
keine Rolle, zu welchen Zeitpunkten die Gegentreffer
fallen. Traurig zu beobachten war zudem, wie leer das Stadion doch zum Abpfiff war. Wie formulierte noch
einer der Vorsänger nach dem Spiel so treffend? Anstatt die Mannschaft auszupfeifen, sollte sich die Nordkurve
Gelsenkirchen selber auspfeifen. Insgesamt gesehen ein
schlechter Auftritt der heimischen Kurve. Der Haufen im
Gästeblock war während des Spieles zu keinem Moment
vernünftig wahrzunehmen. Die Scheibe war gut beflaggt
und der Tifoeinsatz auch sehr beachtlich, ansonsten
ein sehr schwacher Auftritt der Gäste. Unterstützt
wurden wir heute wieder von zahlreichen Brüdern und
Schwestern aus Nürnberg. Einen herzlichen Dank dafür!
Nach dem Spiel ging es dann relativ schnell wieder in
den Club, um die letzten Stunden des 18. Spieltages
gemeinsam zu verbringen.
Wenn man zu einem Heimspiel per Flugzeug anreisen muss:
On Saturday Night, at the 23rd January I began the journey to Germany by getting the bus from my town to
Dublin airport. I arrived there at 05:00 and had to wait 2 hours for my flight to Düsseldorf airport. This was a very
boring period and the only interesting thing to do was checking out the cheap alcohol and cigarettes. The flight
to Düsseldorf lasted about 2 hours. For this trip I had to stay in a little Town near Gelsenkirchen, because it was
the only reasonably priced place to stay for the weekend. When I finally got to the hotel I went to sleep for a few
hours because I was really tired from waking up so early and the traveling. I woke up and went to get food from
the shop before returning back to the hotel to try and watch German TV which surprisingly I found very amusing.
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In the morning I was woken up by the church bells which seemed to go on for about 5 minutes so I just decided
to get up. I decided to schwarzfahren from Essen to Gelsenkirchen because I didn’t have my match ticket yet. I
arrived at the club around 11:20 and got some noodles, I also met some friends which was really nice. Before
the game the club was very busy and everyone was excited for Schalke to be playing in the Bundesliga again
after the long winter break.
When I got to the arena I was very optimistic especially after the clubs near us in the table had dropped points it
was a great chance for us to get into 4th place. The game started really well with us scoring a goal within the first
5 minutes which I thought would give them the confidence to score more goals. After that we had some really
good chances to go further ahead but the finishing was very poor and we couldn’t take the chances. Bremen
scored just before half time which really damaged the confidence of the players I think. In the second half we
played bad from the start to finish and conceded 2 stupid goals. After the game I was quite pissed off because
we should have scored 3 or 4 goals in the first half and if we had have done that Bremen couldn’t come back
and it would have been an easy victory.
The atmosphere was good after we scored the first goal and it continued like this for the rest of the first half.
In the second half the atmosphere wasn’t as loud because of the poor performance on the pitch but still the
vorsänger tried to motivate the Nordkurve, even though I can’t really understand what they say when I hear their
passion and see them going crazy it always makes me sing even louder. It was cool that we sang some chants
like “Schalke, ich bin für dich geboren” and “Schalke 04 jeden tag und jede nacht” because we don’t sing them
as often and I really like them.
Rückblick SV Darmstadt 98 e.V. - FC Schalke 04 e.V. 0:2 (0:1)
Das erste Pflichtspiel in der Ferne im Jahr 2016 fand in einem Stadion statt, welches in der Bundesliga für mich
persönlich seines gleichen sucht - das Böllenfalltor in Darmstadt. Aufgrund meines Wohnortes reiste ich direkt
mit dem Zug Richtung Darmstadt Hauptbahnhof. Dort angekommen, fiel bereits die sehr hohe Polizeipräsenz auf.
Ich reihte mich in die Gruppe ein und erfuhr, dass deren Anreise ebenso ereignislos war. Die restlichen Meter bis
zum Stadion bestritten wir mit den Shuttlebussen.
Am Stadion eingetroffen, vertrieben wir uns die Zeit bis zur
Öffnung der Tore mit einem Gummiball, bevor wir zwei sehr
strenge Einlasskontrollen über uns ergehen lassen mussten.
Anschließend ging es in das Rund. Dieses besitzt aufgrund
der klassischen vier Flutlichtmasten, den abgewrackten
Treppenstufen und dem nicht vorhandenen Dach den
klassischen Oldschool-Charme, wie er nur noch selten in der
Bundesliga zu finden ist. Das Einsingen mit einem neuen Lied
und diverse Gespräche ließen die Zeit bis zum Anstoß schnell
vergehen. Der Gästeanhang startete stimmungstechnisch sehr
gut in die Partie und der Wettergott meinte es in Form von
starkem Regen gut mit uns. Dem lautstarken Support tat dies
jedoch keinen Abbruch und die Gesänge schallten teilweise
noch brachialer durch das Rund. Das Spiel unserer Mannschaft
fand hauptsächlich im Mittelfeld statt, wodurch große
Torchancen in der ersten halben Stunde Mangelware waren. Die
erste klare Chance ergab sich durch einen Freistoß von Geis in
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der 27. Spielminute, der am Außenpfosten
landete. Bis dato war von der heimischen
Kurve außer einem Spruchband für volles
Gästekontigent und etwas Bewegung nur
sehr wenig zu vernehmen. Dies ist natürlich
auch der weiterhin sehr guten Stimmung
in den eigenen Reihen geschuldet. In
der 44. Minute durfte der Gästeblock im
strömenden Regen das erste Mal jubeln Max Meyer erzielte das 0:1 für unseren FC
Schalke 04. Die zweite Hälfte wurde mit
einem “Vorwärts Schalke” begonnen und
das 0:2 ließ nicht lange auf sich warten.
Leroy Sané netzte nach einem sehr gut
heraus gespielten Spielzug ein. Endlich
wurden die Torchancen konsequent
genutzt und die Mannschaft belohnte
sich. Leider kam es kurz nach dem Treffer
zu einem tragischen Vorfall. Im Block
der Darmstädter Ultras musste ein Fan
wiederbelebt werden und befand sich in
einem kritischen Zustand. Aus Respekt
stellte der Gästeblock den Support bis
zum Spielende ein. Zu beobachten war,
dass einige heimische Fans auf einem
anderen Teil der Tribüne trotz des Vorfalls
weiter sangen - die Leute sollten sich
hinterfragen, ob man weiter feiert, wenn
im Stadion jemand um sein Leben kämpft.
Die anschließenden Schmähgesänge in
Form von „Scheiße 04” waren ebenfalls
unpassend. Direkt nach dem Spiel bekamen
wir viel Zuspruch und Danksagungen für
den eingestellten Support von Seiten der
Darmstädter.
Auf der Rückfahrt kam es in einem
Shuttlebus zu Problemen mit der
Staatsmacht, da diese der Meinung war,
Personen aus dem Bus rausziehen zu
müssen, um selbst in den Bus zu passen.
Eine Eskalation konnte verhindert werden
und so setzte sich auch dieser Bus in
Bewegung. Am Bahnhof trennte sich
dann wieder mein Weg von dem der
Gruppe und ich fuhr ereignislos zurück
in die Heimat. Die Rückreise der Gruppe
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nach Gelsenkirchen gestaltete sich hingegen langwieriger als angedacht. Der Plan, bis nach Köln per IC zu
reisen, funktionierte zunächst gut, der Zug rollte in Darmstadt los. In Koblenz hatte die Deutsche Bahn aber
plötzlich darin ein Problem erkannt, dass einige Leute im Gang standen. Die Bullen auf dem Bahngleis konnten
dies zwar auch nicht nachvollziehen, aber als der Zug sich nicht mal in Bewegung setzte, als die stehenden
Leute sich im Zug auf Sitzplätze verteilen, fing die Sache an zu stinken. Statt zu überprüfen, ob die Leute
das Sicherheitsrisiko beseitigt und sich gesetzt hatten, gab die DB durch, dass sämtliche Leute ohne gültigen
Fahrausweis auszusteigen hätten, ansonsten würde die (extra eingeflogene) Hundertschaft den Zug räumen.
Nachdem wir nun insgesamt anderthalb Stunden im stehenden Zug rumgammelten, entschieden wir uns, auf
die Regelverbindung umzusteigen, um wenigstens irgendwie nach Hause zu kommen. Der Rest der Fahrt verlief
ruhig und man erreichte zur späten Stunde die Stadt der 1.000 Feuer.
Spieltagsbericht der Sek SV
Stadionverbotler in Darmstadt:
Eine Zugtour nach Darmstadt ist für uns Sv’ler nicht die schlechteste Fahrt und so trafen wir uns früh morgens
und fuhren mit der Gruppe zum Bahnhof.
Dort mussten wir leider ein paar Brüder zurücklassen, die von diversen Auflagen der Staatsmacht betroffen
waren. Gebt nicht auf, eure Zeit wird kommen!
Die Zugtour war sehr entspannt ohne Bullenbegleitung und so kamen wir auch schon früh in Darmstadt an.
Wir verabschiedeten die Gruppe und dann ging auch schon das Katz- und Mausspiel mit den Bullen los. Nach
längerem Hin und Her schafften wir es dann doch, uns ohne Bullen vom Bahnhof weg zu bewegen.
Zuerst ging es zum chinesischen Buffet, wo wir uns erstmal den Bauch vollschlugen. Danach schlenderten wir
durch die Straßen, bis wir einen passenden Laden gefunden hatten, wo wir das Spiel schauten. Die Zeit bis zum
Anpfiff verbrachten wir mit einer Runde Dart und am Spielautomaten. In der Halbzeit schrieben wir noch einen
Brief an unseren inhaftierten Bruder. Bleib stabil und gib niemals auf! Wir stehen hinter dir!
Zur 80. Minute ging es dann mit dem Taxi direkt vor die Heimkurve, wo wir uns dann den Weg zum Gästeblock
suchen mussten, da niemand einen Plan hatte.
Da wir noch etwas Zeit hatten, machten wir noch ein Foto zusammen am Stadion und dann nahm uns die
Gruppe schon in Empfang. Rundum ein ganz lustiger Tag.
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Stadionverbotler mit Meldeauflagen oder Bahnverbot:
Für uns sechs Leute, die mit Meldeauflagen oder Bahnverbot belegt worden waren, blieb nix anderes übrig,
als morgens früh nach Abfahrt der Gruppe wieder ins Bett zurückzukehren. Mittags wurde dann die Zeit mit
Dingen wie Fitnessstudio und Sportwetten verbracht, bis man sich dann eine halbe Stunde vor dem Spiel auf der
örtlichen Wache melden musste. Aber auch da sei gesagt: Selbst das wird uns niemals auseinander bringen. Und
wir werden auch weiterhin jeden scheiß Moment nutzen, um unsere Gruppe zu jeder Zeit zu begleiten. Sei es
morgens bis zum Bahnhof oder zu späterer Stunde am Stadion. Das Spiel wurde im Partykeller eines Mitglieds
von uns geguckt und wir brachten auch die letzten Stunden des Wartens mit dem ein oder anderen Bier hinter
uns.
Gegnervorstellung FK Schachtar Donezk
Das ein oder andere interessante Los war wieder im Topf – Schachtar Donezk ist es geworden. Ein Gegner, über
dessen Attraktivität sich sowohl als Reiseziel als auch aus sportlicher Hinsicht diskutieren lässt und die Meinungen mit
Sicherheit auseinander gehen.
Eine Premiere stellt dieses Duell nicht dar. In der Saison 2004/2005 verschlug es die Königsblauen bereits in die
Ukraine, um gegen den Club anzutreten. In der dritten Runde des UEFA-Cups zog Schalke damals den Kürzeren.
Da es für die meisten sicherlich die erste Reise in die Ukraine sein wird, wollen wir euch auch diesen Gegner im Voraus
einmal knapp vorstellen. An dieser Stelle vielleicht auch nochmal für die ganz besonderen Blitzmerker der Hinweis, dass
das Spiel nicht in Donezk stattfinden wird, sondern in Lemberg. Auch wenn es durch die meisten Medien kaum noch
vermittelt wird, da andere Themen auf der Agenda stehen, herrscht weiterhin im Osten der Ukraine ein bewaffneter
Konflikte zwischen prorussicher und proukrainischer Bevölkerung und Militär. Die für die Fußball-EM 2012 errichtete
Arena Lwiw, dient daher derzeit als Ausweichspielstätte für Schachtar.
International bekannt wurde Schachtar Donezk erst im 21. Jahrhundert. Im Jahr 1996 wurde der Club von dem
Milliardär Rinat Achmetow übernommen. Bevor vergangene Saison der bisher in der Ukraine dominierende Verein
Dynamo Kiew erneut Meister wurde, konnte Donezk zuvor fünf Jahre in Folge den Titel sein Eigen nennen. Gespickt mit
einem Kader voller Brasilianern brachte man es 2011 bis ins Champions League Viertelfinale und danach zwei weitere
Male ins Achtelfinale, nachdem 2009 die Europa League gewonnen werden konnte. Aber auch schon vor den Zeiten
der großzügigen Gelder spielte Schachtar eine wesentliche Rolle. So konnte der Club in den 70er Jahren immerhin
drei Mal sowjetischer Vizemeister werden und einige Male den Pokal gewinnen. Nachdem der Verein 1911 gegründet
wurde, erreichte er 1938 erstmals die höchste sowjetische Spielklasse. Erst nach dem zweiten Weltkrieg erfolgte die
Umbenennung in „Schachtar“, zuvor war der Club nach der Stachanow-Bewegung – einer sowjetischen Kampagne
zur Steigerung der Produktivität – benannt. Wie der ehemalige und der aktuelle Vereinsname bereits erahnen lassen
(Schachtar = Bergarbeiter), handelt es sich bei Schachtar Donezk ebenso wie bei unserem FC Schalke 04 um einen
Arbeiterverein desselben Industriezweiges. So wurde die Mannschaft in den Anfangsjahren durch die begabtesten
Bergbauarbeitern der Region gestellt. Heute besteht der halbe Kader aus talentierten Brasilianern, die unseren
Schalkern sicherlich das Leben sehr schwer machen werden, wodurch man ein Duell auf Augenhöhe erwarten kann.
Zu dem Austragungsort, der Arena Lwiw, muss man nicht viele Worte verlieren. Es ist eines der typischen Stadien, die
nun mal für so eine Veranstaltung gebaut werden. Plastisch, charmebefreit und weit außerhalb der Stadt. Es wurde
2011 fertiggestellt, bietet knapp 35.000 Zuschauern Platz, ist rundum überdacht und hat an die Nationalflagge der
Ukraine angelehnte bunte Sitze, punkt, fertig.
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Da hoffentlich das Reiseziel (apropos Reiseziel: sich über die Einreisemodalitäten
im Voraus zu informieren, ist absolut empfehlenswert) der meisten Schalker
Lemberg anstelle von Donezk sein wird, hier ein paar Worte zu der Stadt,
die definitiv interessanter ist als ihr EM-Stadion. Mit gut 700.000
Einwohnern ist Lemberg die siebtgrößte Stadt in der Ukraine. Lemberg
liegt keine 100 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt und ist
die wichtigste Stadt der Westukraine. Stadtrecht erhielt die Stadt im
14. Jahrhundert und war bis ins 18. Jahrhundert unter deutscher
Amtssprache ein Teil von Polen. Mit der ersten Teilung Polens 1772
fand die Stadt Zugehörigkeit in der Habsburgermonarchie. Nach der
Eroberung der Stadt 1914 durch die russische Armee wurde drei
Jahre später in Lemberg die Westukrainische Republik gegründet,
jedoch fiel sie nach Kämpfen wieder in polnische Herrschaft. Pogrome
und Diskriminierungen erschütterten fortan das Zusammenleben von
Polen, Ukrainern, Juden und Armeniern. Nachdem 1939 durch den
Hitler-Stalin-Pakt Lwów von der Sowjetunion besetzt wurde, wurde es
durch den Überfall auf die Sowjetunion ein Teil des Deutschen Reiches.
Ein Ghetto und Zwangsarbeitslager wurden eingerichtet und rund 540.000
Menschen wurden in Konzentrations- und Gefangenenlagern rund um
Lemberg ermordet. 1944 kam die Stadt erneut unter sowjetische Herrschaft,
was eine Vertreibung der ansässigen Deutschen und Polen mit sich brachte.
Ukrainer wurden hingegen aus Polen in Lwow angesiedelt. Teil der unabhängigen
Ukraine ist Lwiw entsprechend seit 1991, jedoch fordert ein Teil der Bevölkerung die
Unabhängigkeit des gesamten Gebietes – Galizien – mit Lwiw als Hauptstadt.
Für die schaulustigen Urlauber bietet Lwów, Lwow, Lemberg, Lwiw oder wie man es nun selbst nennen
mag, durch die beachtliche Geschichte eine entsprechende Liste an Sehenswürdigkeiten. Vor allem Freunde von
Sakralbauten sollten durch die Kirchen, Kathedralen und Synagogen der Stadt auf ihre Kosten kommen. Unter den
Museen sollte sicherlich das Lwiwer Biermuseum von der Schalker Anhängerschaft den meisten Zuspruch erfahren.
Auch der Marktplatz und die Lemberger Oper sind sicherlich einen Blick wert.
Ganz unbeirrt oder rotzevoll grölend sollte man sich aber auch nicht in Lemberg durch die Stadt bewegen. Zum einen
natürlich des Anstandes und Respektes wegen und zum anderen da - auch wenn Donezk 1.200 km entfernt liegt sich Fußballfans in der Stadt aufhalten werden, die sicherlich gerne dem ein oder anderen Schalker einen herzlichen
Empfang bereiten möchten. Diese werden nicht dem Fanlager von Schachtar zuzuordnen zu sein, sondern mutmaßlich
den Anhängern von Karpaty Lviv. Schwedische Fans von Malmö FF mussten dies bei ihrem Gastspiel diese Saison in
Lemberg bereits schmerzlich erfahren. Begibt man sich per Auto oder Kleinbus durch Polen nach Lemberg, sollte man
sich auch hier ruhig noch einmal bewusst machen, dass in Polen einige Fußballfans ein leicht anderes Verständnis von
der Fankultur haben könnten als man selber.
Die Fanszene von Schachtar Donezk ist wie die restlichen Szenen im Lande für die nationalistische Haltung
bekannt. Die Erzfeind ist logischerweise der Stadtrivale Melalurh Donezk. Auch zu den weiteren großen Szenen der
Ukraine von Dynamo Kiew und Karpaty Lviv, welche wiederum miteinander befreundet sind, steht man in einem
feindschaftlichen Verhältnis. Freundschaften pflegen die Ultras von Schachtar nicht. Ein besonderes Vorkommnis für
die Fanszene, das selbst der deutschen Medienlandschaft nicht verborgen blieb, waren die Entwicklungen im Rahmen
des Ostukrainekonflikts. Um “gemeinsam für sein Volk einzustehen” beschlossen die untereinander teils verhassten
Fanszenen in der Ukraine vorübergehend Frieden. Die Ultras von Melalurh und Schachtar veranstalten ein harmonisches
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Fußballspiel gegeneinander, was man zum Ende hin, bewusst 2:2 Unentschieden enden ließ. Während das normale
Publikum von Schachtarspielen gemischter Ansicht ist, ist der klare Großteil der Ultras von Schachtar eindeutig pro
Ukraine und so kämpft man gemeinsam mit seinen Feinden für die gemeinsamen nationalistischen Ideale.
Eben durch diese Konflikte und der Entfernung von 1.200 km wird wohl kaum ein aktiver Fan aus Donezk in Lemberg
anwesend sein. Ebenso nach Gelsenkirchen wird sich höchstens eine absolut überschaubare Menge aus der Ukraine
auf den Weg machen.
Auch wenn wir in beiden Aufeinandertreffen daher wohl keinen Gegner auf den Rängen haben werden, so hat ihn
unsere Mannschaft jedoch auf dem Rasen. Jeder wird sich wünschen, dass das Abenteuer Europa für unseren S04 und
uns diese Saison noch weiter geht. Also warm anziehen und ab nach Lemberg!
Unter Freunden
Ultras Nürnberg
Aktuelle Lage:
An diesem Wochenende startet auch die zweite Liga endlich in die Rückrunde. Für unsere Freunde vom Club geht
es zunächst zum Auswärtsspiel nach München, um gegen 1860 hoffentlich drei Punkte zu holen und das neue Jahr
erfolgreich einzuleiten.
Die Vorbereitung verlief durchweg positiv und so konnten alle vier Testspiele, zwei davon im Trainingslager in Belek,
gewonnen werden. Trotz des Verkaufs einiger Spieler also optimistische Aussichten, die hoffentlich am letzten Spieltag
beim Auswärtsspiel in Paderborn ihren Höhepunkt finden. An dieser Stelle auch noch kurz der Hinweis, dass die Karten
für dieses Spiel bereits im freien Verkauf sind. Alle Schalker, die unsere Freunde beim Saisonabschluss und womöglich
sogar dem Aufstieg unterstützen möchten, sollten sich also rechtzeitig mit Karten versorgen. Schalke und der FCN!
Komiti Skopje
Aktuelle Lage:
Nachdem es zum Ende des letzten Jahres noch einen längeren Reisebericht gab, gibt es aus sportlicher Sicht noch
nichts Neues zu berichten. Dies liegt ganz einfach daran, dass sich die Liga in Mazedonien noch in der Winterpause
befindet und erst in zwei Wochen wieder den Betrieb aufnimmt. Im Handball geht es bereits in der nächsten Woche mit
dem Champions League Auswärtsspiel bei den Rhein-Neckar Löwen weiter.
Leider gibt es auch eine sehr traurige Nachricht aus der Hauptstadt Mazedoniens. Strakalo, eines der ältesten KomitiMitglieder und bereits seit der Gründung 1987 dabei, verstarb leider am 19.01. diesen Jahres. Er war einer der wenigen,
die bei quasi allen Vardar Spielen anwesend sind und trug hierbei immer das selbe T-Shirt, was ihm natürlich einen
gewissen Wiedererkennungswert einbrachte. Bereits im vergangenen Jahr wurde ein Gehirntumor bei ihm erkannt,
woraufhin die Gruppe für ihn Geld sammelte, damit er sich im April einer Operation unterziehen konnte. Die OP verlief
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gut und so gab es große Hoffnung, dass Strakalo noch einige Jahre mit der Gruppe und in der Kurve verbringen könnte.
Trotz körperlicher Probleme ging er wie selbstverständlich weiterhin zu den Spielen und unterstütze seinen Verein so
gut es ging. Am 19. Januar kam dann relativ überraschend die schlimme Nachricht, dass Strakalo im Alter von nur 48
Jahren leider verstarb. Auch wir wünschen der Familie, seinen Angehörigen und Bekannten sowie der Kurve viel Kraft,
um diesen schweren Verlust zu verkraften.
Vak-P Enschede
Aktuelle Lage:
Der sportliche Aufschwung hält tatsächlich an. Nach dem überraschend deutlichen 4:0 im Derby gegen Almelo, von
dem es bereits in der letzten Ausgabe einen Bericht gab, spielte Twente in Eindhoven. Zwar verlor die Mannschaft mit
4:2 beim Tabellenführer der Eredivisie, zeigte aber eine engagierte Leistung und ging anfangs sogar in Führung. Das
anschließende Spiel in Nijmegen letzte Woche wurde leider mit 2:0 verloren, dafür konnte das Heimspiel gegen Utrecht
vorige Woche souverän mit 3:1 gewonnen werden. Durch diesen Erfolg konnte der FC Twente auch erstmals wieder die
Abstiegsränge verlassen und steht derzeit auf Platz 15.
Da es die Terminierungen gut mit der Freundschaft meinen, konnten wieder zahlreiche Schalker die Tukker bei ihren
Spielen unterstützen, sodass ihr auf den folgenden Seiten auch drei Spielberichte lesen könnt. Außerdem gibt es
ein Interview mit der Initiative „Twente, verenigt!“, welche sich für mehr Mitbestimmung im Verein einsetzt, damit
Zustände wie in jüngster Vergangenheit sich nicht wiederholen können.
Interview “Twente, Verenigt!”
Stellt euch/eure Initiative bitte mal kurz vor. Wer sind die Hauptakteure?
Die Initiativnehmer von “Twente, verenigt!” sind Fans aus einigen großen Fanclubs und
Businessclubs vom FC Twente, zusammen mit erfahrenen Leuten, die sich auf dem Gebiet von Organisation, Finanzen
und PR gut auskennen. Zusammen bilden sie einen Interimsvorstand, aber Ziel ist es, dass die Mitglieder zu einem
späteren Zeitpunkt ihren eigenen Vorstand wählen.
Gab es eine Initialzündung für die Idee oder ist diese schon länger gereift?
Der Wunsch, mehr Mitbestimmungsrecht und eine Art Kontrollfunktion für die Fans möglich zu machen, existiert seit
längerem, aber die Dringlichkeit wurde noch stärker, als kürzlich zweifelhafte Abwicklungen rundum das Transfergeschäft
bekannt gemacht wurden. Auch die schlechte finanzielle Situation der letzten Zeit hat darin eine Rolle gespielt.
War der eingetragene Verein wie in Deutschland zum Beispiel bei Schalke ein Vorbild für euch?
Mehrere deutsche Vereine, auch Schalke, waren für uns gute Beispiele wie das Engagement der Fans in einem Verein
organisiert werden kann. Sie machen dies seit Jahren mit viel Erfolg.
Welche konkreten Bereiche der Mitbestimmung wünscht ihr euch/erhofft ihr euch?
Wir wollen ein starkes Band zwischen Verein, Club und Region, Transparenz und eine gesunde finanzielle Situation,
eine erfahrene Vereinsleitung, Fußball mit viel Einsatz und Leidenschaft, und damit die Twenter Fußballkultur erhalten.
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Eure Initiative ist ein eigener Verein. Wie soll die Mitbestimmung konkret ablaufen?
Da müssen wir in den nächsten Monaten noch gut drüber nachdenken. Darum untersuchen wir die Vereinsstrukturen
verschiedener Clubs, bei denen Mitglieder ein Mitbestimmungsrecht haben. Alles ist möglich: von direktem Einfluss bis
hin zu einer Stimme im Aufsichtsrat.
Wie hat der Verein zuerst auf eure Idee reagiert?
FC Twente hat sehr positiv auf unsere Idee reagiert und hilft gerne, das Engagement der Fans zu vergrößern. Beim
Neujahrsempfang von FC Twente durften wir unsere Pläne präsentieren, und der Verein hilft uns gerne, schnell zu
wachsen.
Was sind eure größten Probleme beziehungsweise Widrigkeiten?
Für uns ist es Pionierarbeit, denn einen Verein mit Mitgliedern und Mitbestimmungsrecht gibt es unter den Proficlubs
in den Niederlanden noch nicht. Natürlich möchten wir so viele Mitglieder wie möglich für unsere Initiative begeistern.
Das kostet Zeit und Mühe.
Ihr arbeitet auch mit Sponsoren zusammen. Birgt dies kein Konfliktpotenzial mit den Interessen der Fans?
Letztendlich haben Sponsoren und Fans dasselbe Ziel. Sponsoren sind auch Fans. Beide wollen einen gesunden Verein,
wo es sowohl sportlich als auch organisatorisch gut läuft, und wo jeder immer wieder gerne ins Stadion kommt.
NEC Nijmegen – FC Twente Enschede 2:0 (0:0)
Die Eredivisie legte im Gegensatz zur Bundesliga eine englische Woche ein und so ließen wir es uns nicht nehmen,
Twente in Nijmegen zu unterstützen. Da der Anpfiff schon um 18:30 Uhr ertönen sollte, mussten wir früher als
geplant von der Arbeit beziehungsweise aus der Uni verschwinden. So machten wir uns zu dritt gegen 16 Uhr auf in
Richtung Niederlande, nachdem sich zuvor noch an der Tankstelle mit Bier eingedeckt wurde, um die lange Reise zu
überstehen. Wir erreichten rechtzeitig einen Parkplatz nahe Arnheim, um unsere Tickets sowie eine Wegbeschreibung
zum Gästeparkplatz entgegen zu nehmen, welchen wir kurz vor Anpfiff erreichten. Da der Gästeparkplatz sich gefühlt
mitten im Stadion befand wurden schnell die Autos geparkt und das Stadion geentert. Das Stadion De Goffert war
heute mit 10.958 Fans, darunter 230 Tukker, fast ausverkauft.
Im Block angekommen, gab es direkt Diskussionen mit den Ordnern, da die Ultras Fahne von Twente nicht komplett
aufgehängt werden durfte. Durchsetzen konnte man sich hier nicht und so mussten aus Angst vor Pyro die äußeren
Plexiglasscheiben frei bleiben. Die 90 Minuten Fußball erinnerten sehr stark an unser Heimspiel gegen Bremen. Twente
war die meiste Zeit zwingend überlegen und konnte sich etliche Chancen erarbeiten, diese jedoch nicht nutzen. So kam
es wie es kommen musste und Nijmegen ging nach einem Konter in der 75. in Führung und konnte kurz vor Schluss
den Deckel mit dem 2:0 drauf machen. Zu hören war von den Supporters von Nijmegen über das ganze Spiel so gut
wie nichts, hingegen hatten die mitgereisten Tukker einen guten Tag und erreichten einige Male eine ansprechende
Lautstärke.
Nach dem Spiel gab es noch ein kleines Hupkonzert, da die Tore des Gästeparkplatzes aus unerfindlichen Gründen für
mehrere Minuten geschlossen blieben. Die Rückreise gestaltete sich dank einem erneuten Tankstellenbesuch äußerst
kurzweilig und so konnten wir gegen 22 Uhr den Ruhrpott erreichen.
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PSV Eindhoven -FC Twente Enschede 4:2 (3:1)
Nach einem doch sehr sehr feucht fröhlichen Samstag Abend, sollte für den Großteil der Gruppe der Rückrundenstart
gegen Werder Bremen auf dem Programm stehen. Mich persönlich ereilte allerdings einige Tage zuvor ein Brief vom
DFB und wie ihr schon ahnen könnt, beinhaltete dieser ein Stadionverbot. Nun ja, so ganz ohne Fußball geht es dann
nun auch nicht und für mich ging es dann doch noch recht verkatert und mit kleinen Augen Richtung Eindhoven, um
unsere Freunde von Twente im Abstiegskampf zu unterstützen.
Treffpunkt war ein Parkplatz circa 50 Kilometer vor Eindhoven, wo auch der Wechsel der Karten stattfinden sollte.
Rechtzeitig in Eindhoven angekommen, ging es zusammen mit den Jungs von Ultras VAK P in den Block, wo es
zunächst Ärger mit dem Aufhängen der Fahne geben sollte. Grund hierfür war das vorausgegangene Spiel von Ajax
in Eindhoven, welche dort einiges an Pyrotechnik in die Luft jagten. So verbat PSV den Supportern von Twente das
Aufhängen jeglicher Zaunfahnen. Knapp zehn Minuten vor dem Anstoß wurde es den Tukkern dann doch zu bunt und
einige Leute hingen besagte Fahnen auf, welches die Order auch relativ gelassen hinnahmen.
Der Anpfiff ertönte und ich traute meinen Augen nicht: Twente begann wie schon gegen Heracles stark und ging
tatsächlich in Führung. Ich glaube im Gästeblock, welcher mit circa 400 Schlachtenbummlern aus Enschede gefüllt
war, schaute jeder so ungläubig wie ich. Das Ergebniss relativierte sich leider recht schnell, sodass es am Ende 2:4 aus
Sicht von Twente hieß. Trotzdem ein starkes Spiel gemacht und gezeigt, dass es, im Vergleich zur Hinrunde, mit dem
Fußballspielen doch geht.
Die Heimfans waren eigentlich nur nach den Toren und bei der ein oder anderen Pöbelei zu vernehmen. Die Tukker
hingegen sangen ein Großteil des Spiels, allerdings über weite Strecken in keiner überragenden Lautstärke.
Nach dem Spiel noch ein wenig mit den Jungs gequatscht und schon sollte es zurück in Richtung Heimat gehen, um
noch einen Großteil des Spiels der Blauen verfolgen zu können. Der Stau kurz vor Venlo sollte mir doch ein Strich durch
die Rechnung machen und so sah ich nur noch das 1:3 durch Pizarro und machte das TV-Gerät auch sofort wieder aus.
Alles in allem ein ganz netter Tag, wenn man die Begleitumstände mal vergisst.
FC Twente Enschede - FC Utrecht 3:1 (3:0)
Durch unser Spiel am gestrigen Samstag in Darmstadt bot es sich für mich mal wieder an unseren Freunden aus
Enschede einen Besuch abzustatten. Also machte ich mich ganz entspannt mit meiner Autobesatzung am frühen
Nachmittag vom Niederrhein aus auf den Weg nach Enschede.
Dort angekommen trafen wir im Supportershome die üblichen bekannten Gesichter und eine weitere Autobesatzung
aus GE. Somit waren fünf UGE´ler und ein VNK´ler anwesend. Wir vertrieben uns die Zeit bis zum Ankick mit ein paar
Kaltgetränken und kamen wie immer im Supportershome in Genuss feinster Harddance/Hardstyle-Musik. Wir waren
gespannt, ob Twente heute wichtige Punkte gegen die Jungs von der Bunnikside einfahren kann, um so einen weiteren
Schritt Richtung Klassenerhalt zu machen.
Kurz vor Anpfiff noch schnell den Platz im VAK P eingenommen, konnte ich einen leider nur kleinen Haufen aus Utrecht
im Gästeblock erblicken. Vielleicht 150 Leute bevölkerten den lange nicht ausverkauften Gästeblock, lediglich einige
Zaunfahnen hatten sie im Gepäck und in den leeren Bereichen im Gästeblock ausgelegt. Die Tukkkers legten zum
Beginn direkt los wie die Feuerwehr und Uvini besorgte bereits in der vierten Minute das 1:0 für Twente, worauf El
Azzouzi das 2:0 in der achten Minute folgen lies. Riesenjubel in der Hel van Enschede! Ungläubig schauten sich erst
recht nachdem 3:0 durch Gutierrez 10 Minuten vor der Halbzeit alle an, sollte das endlich mal wieder ein Sieg für
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unsere Freunde bedeuten? Im VAK P war heute leider die Stimme der Hel van Enschede eher Magerkost. Kaum kamen
die Gesänge in einer ansprechenden Lautstärke rüber, auch die Motivation bei einigen Tukkern schien durch die bisher
grausige Saison deutlich nach zu lassen. Auf dem Rasen stimmte der Einsatz und im Abschluss machten die Tukkers
kurzen Prozess. In Halbzeit zwei lies das Niveau allerdings deutlich nach und das Spiel plätscherte vor sich hin. Es
wurde ruppiger auf dem Platz, wobei der Schiedsrichter Mulder heute wohl das Sprichwort der englischen Härte etwas
zu sehr beim Wort genommen hat und nicht eine Karte verteilte. In Minute 85 betrieb Boymans für Utrecht nochmal
Ergebniskosmetik und traf zum 3:1 Endstand.
Die Jungs von der Bunnikside vernahm man übrigens nicht ein einziges Mal, weder durch Gesänge noch durch
Bewegung. Ganz wichtige Punkte im Abstiegskampf für unsere Freunde. Es bleibt zu hoffen, das die nötigen Punkte
zum Verbleib in der Eredivisie erreicht werden und der FC Twente sich wieder erholt!
Nach dem Spiel verweilten wir noch etwas im Supportershome bei ein paar Bierchen, ehe wir uns von unseren Freunden
verabschiedeten und uns für den geselligen und schönen Fußballabend bedankten. Vriendschap is voor altijd!
aUsGEholt - Jetzt wird’s kritisch!
Eine Dystopie nach Orwellscher Manier Teil II
Direkt nach den Eintrittskontrollen zeigt sich das Bild der „neuen und schönen“ Welt, die vor einigen Jahren in
massiver Weise ihre Umsetzung gefunden hat. Neben seichten Klängen, die aus den nicht sichtbaren Lautsprechern
erschallen, gibt es viel Grün und saubere, direkte Wege. Digitale Anzeigen preisen die unterschiedlichsten Produkte an.
Von hochwertigen Accessoires bis hin zu teuren Fabrikaten luxuriöser Autohersteller. Der Weg ins Arenainnere gleicht
einer Überlastung der Synapsen. Wo der Vater nur hinschaut, herrscht Ordnung, Sauberkeit und klinische Strenge.
Beamte sind nur vereinzelt sichtbar. Die meisten Menschen jedoch wirken uniformiert. Nicht wenige tragen die gleiche
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Kombination aus teuren Anzügen, an der Hand ihre Frauen und Familien, die perfekten Werbefamilien. Alles geht seinen
geregelten und geordneten Gang und wirkt dabei im übersteigerten Maße künstlich.
Ich frag’ mich, ob die Menschen sich wirklich so ihren Alltag vorstellen. Niemand hier geht mal aus sich heraus, weicht ab
von der Norm. Wo steckt hier Leben drin? Sie laufen, reden, lachen und bewegen sich zwar wie normale Menschen, aber
wahre Gefühle, Emotionen und Spuren, die das Leben hinterlassen hat, werden entweder hervorragend maskiert oder
die Privilegierten kennen diese Sorgen nicht. Aber auch sie müssen mal jung gewesen sein. Die meisten hier sind nicht
wesentlich älter als ich und keiner kann mir erzählen, dass diese Leute nicht eine normale Jugend noch vor 20-30 Jahren
hatten.
„Hey Papa, du träumst schon wieder vor dich hin? Schau mal da drüben. Ein Multistore. Lass uns reingehen, bitte. Dann
können wir auch direkt die Membercard beantragen. Habe gerade gelesen, dass es nur heute zehn Prozent Rabatt gibt“,
reißt der Sohn den Vater voller Euphorie aus seinen Gedanken. Um seinen Liebsten nicht zu enttäuschen, geht er mit ihm
in den besagten Store. Dieser jedoch sprengt alle Erwartungen beziehungsweise Befürchtungen. Mehrere Etagen, hunderte
Quadratmeter, feinste Designerwaren neben Devotionalien verschiedenster internationaler Fußballvereine und prunkvoller
Einrichtung in gedämpfter und stimmungsfördernder Beleuchtung laden nicht nur zum Einkaufen ein, sondern zwingen die
Menschen geradezu hier Geld auszugeben.
Wenn man sich das recht betrachtet, dann waren die Fanshops früher dagegen lausige Buden und selbst die Produktauswahl
hat mich damals schon gestört. Wieso sollte ich an einem Sonntagvormittag die Lust verspüren, Kleidung oder dergleichen
zu kaufen? Und dann nicht einmal mehr mit unserem alten Vereinswappen, geschweige denn mit dem wahren
Gründungsnamen. Internationale Modedesigner, Uhren, Schmuck und alles was das Herz begehrt und das Portmonee nicht
hergibt. Mal gucken, was der Kurze will...
Nach einem halbstündigen Aufenthalt verlassen Vater und Sohn mit zwei Tüten das Geschäft. In der einen kleineren Tüte
befinden sich ein Schal, ein Wimpel und eine Tasse, in der anderen ein Trikot des aktuellen Lieblingsspielers. Der Vater
versuchte vergeblich, dem eigenen Sohn zu erklären, dass 250 Euro für ein Trikot überzogen sind, insbesondere vor der
Gewissheit, dass der Spieler den Verein wahrscheinlich innerhalb der nächsten zwei Jahre verlässt und sich keiner mehr
an ihn erinnern wird. Denn spätestens seit „Deutschland sucht den Fußballstar“, einer jährlichen TV Reality Casting Show,
hat der Hype um Fußballspieler ein noch höheres Niveau erreicht. Spieler sind heute nicht mehr nur Spieler, die sich durch
Technik, Laufstärke, Schusskraft, geschweige denn durch Willen, Kampfgeist und Emotionen definieren lassen. Mittlerweile
sind sie Popstars, Künstler und Vermarktungsobjekte. Drittklassige Spieler geraten zu Werbeikonen mit markigen Sprüchen
und einem hohen Maß an Geltungssucht, die sie unter anderem in ihren eigenen Realitysoaps ausleben können. Die
internationale Konkurrenz um Werbeeinnahmen und Fernsehgelder ist dermaßen ausgeufert, dass jedes Mittel Recht ist, um
neue Kunden zu gewinnen und alte Kunden bei Laune zu halten.
Auf dem Weg zu ihren Plätzen bemerkt der Vater, dass sie an keinen „Essens- oder Getränkebuden“, wie es sie früher
gegeben hat, vorbeikommen. Dafür säumt sich ein Restaurant mit Sitzplätzen und Bedienung an das andere, mit den
verschiedensten hochpreisigen und extravaganten Speisen. Als sie endlich den richtigen Eingang, der zu ihren Plätzen führt,
gefunden und eine letzten Kontrolle der Eintrittskarte passiert haben, führt ein junger netter Ordner im schwarzen Anzug das
Vater-Sohn-Gespann zu ihren Sitzplätzen.
Beim Eintritt ins Innere der Arena klappt dem Jungen sichtlich der Mund auf und er scheint von all dem Prunk, der Technik
und dem Luxus mehr als nur begeistert zu sein. Während der Vater mit einem skeptischen Blick die Umgebung absucht.
Jeder Winkel, jeder Sitz, jede Reihe und jeder Block sehen komplett identisch aus.
Zu ihren Sitzplätzen gehend knarrt unter den Füßen der Parkettboden leise. Eine Kombination aus gegossenem Beton,
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einem hellen Anstrich und dem Holzboden lässt den Innenraum der Arena gerade zu elegant und filigran wirken. Alle
Sitzplätze gleichen sich, die einzige Ausnahme bilden an einigen Stellen zusammenhängende Sitzplätze. Ihre Plätze sind
breite gemütliche Ledersessel mit einem digitalen Bedienfeld für die Sitzsteuerung, Massage- und Bestellfunktion. Zwischen
beiden Sesseln steht ein kleiner gläserner Tisch. Eine Flasche Wasser, Salzstangen und andere Knabbereien befinden sich
neben dem kleinen Schild mit dem Familiennamen.
Kein Wunder, dass die Eintrittskarten so dermaßen teuer sind. Wenn ein Fußballstadion mittlerweile so aussieht, will ich
gar nicht mal mehr wissen, wie eine Oper oder Philharmonie von innen gestaltet ist, geht dem Vater durch den Kopf. Und
das ist doch krank. Kein Krümel, kein Dreck, keine Belästigung, kein Zigarettenqualm, nichts, was auch nur annähernd
irgendjemanden stören könnte, sieht man hier. Es wirkt alles gerade zu klinisch, durchorganisiert und straff. Jetzt versteh’ ich
auch den Aufzug der Menschen. Und woher der Stock im Arsch kommt, bei den meisten jedenfalls.
Eine laute aber angenehme Stimme reißt den Vater wiedermal aus seinen Gedanken. Die weibliche Stimme erzählt etwas
von Innovation, Vorsprung durch Technik, sauberstes Auto der Welt. Im nächsten Moment enthüllen mehrere Personen ein
Auto. Ein bekannter Spieler wird interviewt, er hätte das Privileg gehabt, dieses Fahrzeug schon zu fahren und hat sich direkt
einen bestellt. Die Marketingmanager ziehen alle Register an diesem Vormittag, um von einem beworbenen Produkt zum
nächsten überzugehen.
„Papa, sag mal, hast du nicht gesagt, du warst früher oft beim Fußball? Wie war das eigentlich so bei euch, du hast mir
bisher nie wirklich davon erzählt? Heute ist doch tausendmal geiler. Du musst nicht mehr frieren, kannst dir dein Essen und
deine Getränke direkt zu deinem Platz bringen lassen, shoppen ist auch drin. Für Mama wäre das doch auch richtig gut hier,
die würde sich doch auch wohl fühlen. Ich versteh nicht, wieso wir sie nicht mitgenommen haben?“ Kurz überlegt der Vater
und sammelt die richtigen Worte, um nicht gänzlich aus der Haut zu fahren und antwortet seinem Sohn ruhig erklärend „Wir
haben Mama nicht mitgenommen, weil es nur noch die Zweierplätze gab und weil die Tickets unfassbar teuer geworden
sind. Das ist auch der Grund, warum wir früher nicht herkamen. Auch wenn wir es uns leisten können, sehe ich es nicht ein,
diese ganze Maschinerie mitzufinanzieren. Wir bezahlen nicht mehr das, was uns früher am Herzen lag. Wir konnten damals
für einen Tag in der Woche aus uns rausgehen. Wir konnten uns gehen und treiben lassen. Die Menschen waren locker drauf,
oft betrunken, keine Frage, aber sie waren meistens herzlich zueinander. Es war weniger künstlich und gespielt, es war eine
ehrliche Zeit. Wir haben keine Spiele besucht, um uns später vor Freunden oder Arbeitskollegen zu profilieren, dass wir es
uns leisten können, sondern weil wir die Tradition und Werte unserer Vereine verinnerlicht und gelebt haben. Wir brauchten
damals keine Spieler, die irgendwelche Talentwettbewerbe gewonnen haben, weil die Frisur immer perfekt saß. Unsere
Spieler waren Kämpfer, sie gingen hart zum Mann und rannten bis zum Umfallen. Der FC SCHALKE 04 war immer ein
Arbeiter, Proleten und Polackenclub. Doch leider konnten wir den Wandel nicht aufhalten. Wir haben die Kontrolle verloren.
Wir haben uns blenden lassen. Wir haben immer ein Stück mehr unseres Vereins für Kompromisse und das verfluchte Geld
aufgegeben. Am Anfang dachten wir noch, es wäre alles im Rahmen, aber wir verloren immer mehr an Einfluss.
Die meisten Menschen sind froh, wenn sie was geboten bekommen. Wenn Sie irgendwann immer mehr geboten
bekommen, geben sie dafür gerne Freiheiten und andere Annehmlichkeiten auf. Du hast zwar recht damit, dass wir heute
hier in einem warmen und komfortablen Sitz Platz nehmen dürfen, aber du darfst nicht vergessen zu welchem Preis. Es ist
uns nicht gestattet einfach mal zu schreien, zu fluchen oder wie wild durch die Gegend zu springen. Es ist dir nicht gestattet,
dein eigenes Trinken und Essen mitzunehmen und es bleibt leider vielen Menschen verwehrt, ins Stadion zu gehen, weil
sie es sich nicht leisten können. Wir haben damals mit angesehen, wie diese Form der sozialen Ausgrenzung ihre Anfänge
genommen hat, wir haben zugeschaut, wie die Menschen, die weniger hatten, sei es Bildung oder Geld, immer mehr von
der Gesellschaft ausgeschlossen wurden und meine Generation hat den Fehler gemacht, das Ganze zugelassen zu haben.
Denn auch nicht wenige sind diesem ganzen Irrsinn verfallen.“ Ohne großartig nachzudenken steht der Sohn auf, nimmt die
Hand seines Vaters und sagt: „Komm, lass uns gehen, die Sachen umtauschen und einfach verschwinden.“
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Gedankenaustausch
Einer dieser Tage…
Ein Tagesablauf, wie ihn jeder von uns wahrscheinlich gefühlt schon hunderte Male durchlebt hat. Welcher auf den
ersten Blick und in gewissen Momenten irgendwie zum eigenen ganz selbstverständlichen Alltagstrott geworden ist.
Und trotzdem könnte genau dieser, für jeden von uns so bekannte Tagesablauf, für Teile der eigenen Gruppe keinen
unterschiedlicheren und teilweise abstrakteren Verlauf nehmen. Dabei beginnen diese Tage für jeden von uns eigentlich
fast identisch. Die Arbeitswoche mit letzter Kraft hinter sich gebracht, klingelt am Samstagmorgen um 5:30 Uhr der
Wecker. Schalke Auswärts steht an. Aus dem Bett gequält, geht es schnell unter die Dusche, danach noch eine Tasse
Kaffee die trockene Kehle runter gekippt, ehe auch schon das Handy klingelt und die Jungs vor der Tür stehen.
Also, ab ins Auto und auf zum Bahnhof, den Rest der eigenen Gruppe und die Freunde begrüßen. Die restliche Zeit
bis zur anstehenden Abfahrt wird mal mehr, mal etwas weniger mit sinnvollen Gesprächsthemen verbracht. Bevor es
kurz vor der Einfahrt unseres Zuges geschlossen hoch zum Gleis geht. Die Vorfreude auf die anstehende Tour steigt,
schließlich wird der anstehende Tag im Kreise seiner Vertrauten verbracht. Der Zug rollt ein, die ersten Leute besteigen
die einzelnen Abteile. Und ganz genau an dieser, eigentlich so unbedeutenden Stelle bekommt dieser identische und
simple Tagesablauf eben einen bedeutenden Bruch. Während sich hinter dem Großteil der Leute die Türen verschließen
und der Zug sich langsam in Bewegung setzt, steht ein wichtiger Teil von uns noch draußen. Muss uns ziehen lassen!
Ein Teil von uns, welcher an jedem einzelnen dieser Tage fehlt. Auf die unterschiedlichste Art und Weise. Ein Teil, welcher
genau in diesem Moment machtlos ist, da bestimmte Schikanen und Auflagen der Staatsmacht ihren gewohnten Weg
an unserer Seite unmöglich machen.
Ganz genau diese Dinge muss sich ein jeder von uns immer und immer wieder in sein Gedächtnis rufen. In den
verschiedensten Situationen und an den unterschiedlichsten Orten. In den Momenten, in denen die 90 Minuten im
Block mal wieder als Pflichtprogramm oder Alltag empfunden werden. Die eigene Motivation nicht ausreicht, um
unsere Lieder lautstark und mit vollem Stolz über die eigenen Lippen zu bringen. Wenn die eigenen und persönlichen
Befindlichkeiten drohen vor die der eigenen Gruppe zu rücken. In Momenten, in denen die eigenen Gedanken sich in
Versuchung führen lassen für einen Bruchteil von Sekunden diesen Teil von uns zu vergessen!
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„Für die Jungs, die draußen stehen!“, „Stadionverbote halten uns nicht auf!“ oder Ausdrücke wie „Unbeugsame
Ultras für immer!“ dürfen niemals und zu keinem Zeitpunkt zu losen und leblosen Floskeln verkommen. Vielmehr
sollten sie uns antreiben, uns Kraft geben und unser innerer Motor sein, um das maximale für die „Jungs, die draußen
stehen“ und die eigene Gruppe rauszuholen. An jedem einzelnen verdammten Tag.
Ganz egal, wo sich unsere Wege trennen. Ob vor den Stadiontoren, am Bahnhof, vor der Busabfahrt, in den eigenen
Räumlichkeiten oder vor der eigenen Haustür. Denn irgendwann, wenn wir diesen Zusammenhalt leben und niemals
brechen lassen, kommt wieder der Augenblick, an welchem unsere Tage gemeinsam beginnen, wir diese zusammen
durchleben und diese wieder Seite an Seite beenden!
Ganz egal ob Stadionverbot, Meldeauflage, Betretungsverbot oder welche Steine auch immer uns auf unserem Weg
vor die Füße geworfen werden – Gemeinsam überstehen wir jeden Sturm!
Unbeugsame Ultras für immer! Roten Libero!
Dennis
Italien - zurück zu den Wurzeln
Lange hat es gedauert, aber heute können wir euch endlich das Interview mit Brescia präsentieren. Die Freunde der
Ultras Nürnberg waren so nett, uns ein paar Fragen zu beantworten. Ansonsten gibt es noch ein paar Infos zum Verein
unseres Interviewpartners und wie immer die neusten Infos aus Italien in der Gemischten Tüte.
Gemischte Tüte Italien
Während die Staatsanwaltschaft Neapels gegen 64 Personen von 35 italienischen Profiklubs Ermittlungen wegen
des Verdachts auf Steuerhinterziehung aufgenommen hat und Neapels Trainer Sarri für die Beleidigung von Roberto
Mancini für zwei Spiele gesperrt worden ist, hat sich in den letzten zwei Wochen auch rund um die italienischen
Fanszenen wieder einiges getan.
Bergamo: Für das Spiel von Atalanta gegen Sassuolo am vergangenen Samstag durften sich nur Fans, die im Besitz der
Tessera del Tifoso sind, Tickets für die Heimkurve kaufen. Grund für diese Sanktion seien laut der Polizei Vorkommnisse
vom Spiel Atalanta gegen Inter, bei dem Busse der Interisti von 40 Personen angegriffen worden sein sollen und es im
Anschluss daran zu Jagdszenen innerhalb der Stadt gekommen sein soll.
Lecce: Die Vereinsführung von US Lecce schlug sich bezüglich eines Ticketkaufverbots für Bewohner der Region
Apulien beim Spiel Casertana gegen Lecce, welches diesen Samstag ausgetragen wird, auf die Seite seiner Fans und
beklagte die Entscheidung der Polizei von Caserta als schädlich für Fans, Mannschaft und den Verein. Es wird zudem
beklagt, dass es auch andere Möglichkeiten gegeben hätte und man es nicht einsehe, zum wiederholten Male auf den
eigenen Anhang verzichten zu müssen.
Florenz: Nachdem der AC Florenz zuletzt zwei Spiele in Folge verloren hatte und man in der Tabelle auf Platz vier
abgerutscht war, blieb die Kurve beim Heimspiel gegen Turin vom 24.01., welches Florenz mit 2:0 gewann, für die
ersten 30 Minuten aus Protest gegen einen „noch nie da gewesenen Angriff auf die Florentiner Fanszene“ seitens der
Staatsmacht leer. Ende Januar veröffentlichten die Unonoveduese, größte Gruppe der Curva Fiesole, eine Stellungnahme
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bezüglich der Stadionverbote, die wegen angeblicher Vorfälle beim Spiel gegen Neapel ausgesprochen wurden. Hierbei
hat die Polizei 12 Stadionverbote gegen einzelne Personen ausgesprochen, weil es im Block durch Fangesänge zum
Tatbestand der Beamtenbeleidigung gekommen sein soll. Die Unonoveduesei machen in ihrer Stellungnahme klar,
dass es sich hierbei um gewöhnliche Gesänge gegen den Gegner aus Neapel gehandelt habe und zweifeln an, wie
die Polizei aus einer Masse von über 1.000 Leuten 12 „singende“ Täter identifiziert haben wolle. Es handele sich
hierbei klar um einen ungerechtfertigten persönlichen Rachefeldzug seitens einiger Beamten von der „DIGOS“ und
um schäbigen Machtmissbrauch. Im Hinblick auf die zu Silvester im Internet aufgetauchten Bilder, auf denen sich die
Florentiner Polizei als Stadionverbotsmeister 2015 feierte, könne man wegen eines solchen Machtmissbrauchs nicht
mehr länger schweigen. Zudem ist der Verein mit einer Geldstrafe belegt worden, weil es beim Jugendspiel gegen
Juventus zu Schmähgesängen gegen Verantwortliche des Turiner Vereins gekommen sein soll.
Ferrara: Vor einem Gericht in Ferrara ist ein 33-jähriger Fan des Masseser Fußballvereins vollumfänglich freigesprochen
worden. Er war wegen einer Schlägerei vom Anfang des Jahres 2013 angeklagt worden. Das Gericht gab der Verteidigung
des Fans, der zudem seit zwei Jahren ein Stadionverbot hat, in allen Punkten recht. Auch in La Spezia wurde ein Fan
freigesprochen, dem vorgeworfen worden war, im Oktober 2013 Gegenstände aus einem Bus auf andere Personen
geworfen zu haben. Auf den, vor Gericht als Beweis dienenden, Videos der Polizei, waren allerdings keine fliegenden
Gegenstände zu sehen.
Vicenza: In einer kurzen Stellungnahme begründeten die C.S.D Vicenza ihren Besuch des letzten Auswärtsspiels ihres
Vereins in Perugia trotz der widrigen Anstoßzeit an einem Dienstag um 20:30 Uhr und in 400 Kilometern Entfernung.
Obwohl die Fernsehsender immer mehr in Zuhälter ähnlicher Manier die Anstoßzeiten der Vereine bestimmten, sei man
nun einmal in den Verein verliebt und werde seinem Verein bedingungslos folgen, koste es, was es wolle. Trotzdem würden
die Vereine immer mehr zu Prostituierten des Fernsehens und man müsse ihnen, wie im echten Leben den Prostituierten,
das Geld hinterherwerfen, hieß es in der Veröffentlichung.
Parma: Die Fans von Parma mussten für Tickets beim Auswärtsspiel in Valdagno gegen Altovicentino S.R.L. einen
50-prozentigen Zuschlag auf den regulären Ticketpreis zahlen und das, obwohl sogar noch vor Ort auf der offiziellen
Preistabelle die deutlich geringeren Preise standen. Nun forderten die Boys Parma 1977 ein Ende dieser Ausnutzung der
Parma Fans und nahmen zudem den Verein für die Zukunft in die Pflicht, seine Fans in solchen Situationen zu verteidigen.
Außerdem beklagten sie die undurchsichtige Ticketvergabe im Zuge des Spiels gegen Altovicentino, bei dem ihnen nur
1.000 Tickets zugeteilt wurden, während anderen Gastvereinen zuletzt über 1.500 Karten zur Verfügung gestellt worden
waren. Es scheint, als müsse Parma für die im Vergleich zum Rest der Liga große Fanszene einige Ärgernisse hinnehmen.
Rom: Im Mordprozess gegen Daniele De Santis hat der Cousin des im Rahmen des italienischen Pokalfinales 2014
getöteten Ciro Esposito ausgesagt und den Tathergang aus seiner Sicht rekonstruiert. So sollen die Neapolitaner auf
dem Weg vom Parkplatz zum Stadion Rufe aus Bussen gehört haben, die mit Gegenständen und Böllern beworfen
worden sein sollen. Auf dem Weg dahin sei man auf Daniele de Santis und einige andere Personen gestoßen. Nach einem
kurzen Schlagabtausch habe De Santis die Waffe gezückt, woraufhin die Neapolitaner die Flucht ergriffen. Zwei Mal
schoss De Santis jedoch in ihre Richtung. Als die Neapolitaner Esposito zu Hilfe eilten, habe De Santis versucht, weitere
Schüsse abzugeben, was aber aus ungeklärten Gründen nicht funktionierte und man sei zudem mit Böllern und anderen
Gegenständen beworfen worden.
Livorno: In Livorno gab die Gruppe 17 Febbraio 1915 ihre Auflösung nach langen Diskussionen aufgrund des letzten
Mitgliederschwundes und der sportlichen Misere bekannt. Begründet wurde die Entscheidung mit dem kaputten
Verhältnis zu Stadt, Verein und Stadion. Die Liebe zum Fußball sei kaputt gegangen, weshalb man diese Entscheidung
auch getroffen habe, um Verantwortliche des Vereins, der Stadt und der in den Augen der Gruppe zerstrittenen Fanszene
- was Vereinspolitik und Support angeht - wach zu rütteln.
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Venedig: Beim Spiel Venedigs in Verona gegen Virtus Vecomp ist es zu Auseinandersetzungen zwischen beiden
Fanlagern gekommen, an dessen Ende die Personalien der mitgereisten Venezianer seitens der Staatsmacht festgestellt
wurden. Es drohen nun etliche Stadionverbote.
Sportliche Situation: In der Serie A hat Neapel am 22. Spieltag vergangenes Wochenende durch einen 5:1-Sieg
gegen Empoli die Tabellenführung mit 50 Punkten und zwei Punkten Vorsprung auf Juventus Turin übernommen. Da
Inter das 300. Mailänder Derby gegen den AC Mailand mit 3:0 verlor und Florenz nicht über ein Unentschieden gegen
Genua hinauskam, hat Juventus Turin nun sogar einen Vorsprung von sechs Punkten auf die Verfolger auf den Plätzen
drei und vier. Schlusslicht der Tabelle ist Hellas Verona mit gerade einmal 11 Punkten hinter Frosinone und Carpi mit
je 16 beziehungsweise 19 Punkten. Unter der Woche lief in Italien der 23. Spieltag, unter anderem mit dem Duell
zwischen Lazio Rom und Neapel, während Neapel an diesem Spieltag gegen den Abstiegskandidaten Carpi antritt und
Hellas Verona ein Heimspiel gegen Inter Mailand austrägt. Im Hinspiel des Halbfinales der Coppa Italia Ende Januar
fertigte Juventus Inter Mailand zudem mit 3:0 ab, während das Spiel zwischen Alessandria und Milan mit 0:1 endete.
Die Rückspiele finden Anfang März statt.
Vorstellung Brescia Calcio S.p.A.
Unser Interviewpartner für diese und die nächste Ausgabe des Blauen Briefes ist Guido, Anhänger von Brescia
Calcio, den Freunden unserer Freunde aus Nürnberg. Der Verein wurde 1911 aus dem Zusammenschluss mehrerer
Vorgängervereine gegründet und ist seit 1976 als Aktiengesellschaft organisiert. Die Vereinsfarben sind Blau und Weiß
und der Verein trägt seine Heimspiele im Stadio Mario Rigamonti aus, welches knapp über 16.000 Plätze fasst. Aktuell
spielt man in der zweiten italienischen Liga der Serie B, allerdings wäre der Verein am Ende der Saison 2014/15
eigentlich sportlich abgestiegen, wenn nicht Parma pleitegegangen wäre und somit die Lizenz entzogen bekommen
hätte. Brescia weist eine bewegte Geschichte mit vielen Auf- und Abstiegen auf, seit man 1913 erstmalig erstklassig
spielte. Seitdem wechselt man regelmäßig, bis auf einen längeren Aufenthalt in der 2. Liga in den 50ern, zwischen
der ersten und der zweiten Liga hin und her. Zuletzt in Liga 1 spielten die Bresciani von 2000-2005 und in der Saison
2010/11. Im Jahre 1992 wurde der Verein von der Familie Corioni übernommen und durchlebte die wohl erfolgreichste
Phase seit seiner Gründung. In der Saison 1999/2000 erreichte man mit namenhaften Spielern wie Roberto Baggio
unmittelbar nach dem Wiederaufstieg Platz sieben und die Qualifikation für den UI-Cup, wo erst im Finale gegen Paris
Saint-Germain Schluss war. Nach einer weiteren Teilnahme am UI-Cup und dem Abschied von Roberto Baggio konnte
der Club in der Saison 2004/05 allerdings die Klasse nicht mehr halten und stieg ab. Zu Beginn dieses Jahrzehnts geriet
der Club allerdings zusehends in finanzielle und sportliche Schieflage. In der Saison 2013/14 wechselte man gleich drei
Trainer und am Ende der Saison drohte man keine Lizenz für die drauffolgende Spielzeit zu erhalten. Diese konnte in
letzter Sekunde durch einen Millionenkredit seitens des Hauptsponsors doch noch ergattert werden, allerdings wurden
Brescia sechs Punkte für die verspätete Zahlung von Spielergehältern abgezogen. Als Bedingung für die Rettung des
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Vereins forderte der Hauptsponsor den Rückzug der Familie Corioni, weshalb der Präsident im Dezember 2014 nach
22 Jahren zurücktrat. Am Ende der Saison 2014/15 stand man dann faktisch als Absteiger fest.
Die Fanszene des Vereins steht traditionell in der Curva Nord. Hier organisierten sich in den 70er Jahren auch die
ersten Gruppen, aus denen später die berüchtigten Ultras Brescia hervorgingen, die sich in den Jahren unzählige
prominente Auseinandersetzungen mit Gegnern und der Staatsmacht lieferten. In der Saison 1994/95 wurde der
Polizeivizepräsident von Brescia im Rahmen eines Spiels erstochen. Später lösten sich die Ultras Brescia dann auf.
Im Anschluss daran trennten sich die Wege innerhalb der Fanszene, sodass sich einige Gruppen wie Brescia 1911
und Brixia in der Curva Nord versammelten, während hingegen in der Curva Sud die Brescia Curva Sud entstand. Im
Jahre 2011 schlossen sich dann die meisten Gruppen unter anderem mit Brigata Sballata, Brixia, Brescia Curva Sud
und Brigata Leonessa zur neuen Curva Nord Brescia zusammen, um alte Streitigkeiten hinter sich zu lassen und die
Fanszene wieder zu alter Stärke zu führen. Die Brescia 1911 suchten sich allerdings nach dem Zusammenschluss im
Jahre 2012 einen neuen Standort im Stadion.
Interview mit der Curva Nord Brescia 1. Teil
“Hallo ich bin Guido, unter Freunden auch Dogui, von der Curva Nord Brescia. Ich werde versuchen, eure Fragen
vollständig zu beantworten. Seit circa 13 Jahren besuche ich die Curva Nord von Brescia. Ich werde mich in meinen
Antworten auch auf das stützen, was mir von vielen Leuten und Freunden mit viel Erfahrung und denen, die die
Geschichte unserer Fanszene geschrieben haben, erzählt wurde. Ich würde mich über die eine oder andere Ausgabe
eures Fanzines freuen.”
Ciao Bresciani! Danke, dass ihr euch die Zeit für uns nehmt! Als Erstes würden wir gerne wissen, was Ultrà allgemein
grob für euch bedeutet? Was unterscheidet für euch einen Ultrà im Stadion von den restlichen Zuschauern und im
Alltag von jedem anderen Mitglied der Gesellschaft?
“Ich denke Ultras ist ein Begriff mit vielen Bedeutungen, ein Wort, das von vielen oft auch fälschlich verwendet
wird. Ultras sind jene Fans, die dem bodenständigsten aber auch buntesten und folkloristischsten Teil eines Stadions
bewohnen. Ultras sind jene, die der Mannschaft auch auswärts unabhängig von der Distanz oder dem Wetter folgen,
die Choreographien organisieren und die oft (wenn auch nicht alle) bereit sind, den Stolz, den der eigene Verein und die
eigene Stadt für einen bedeutet, zu verteidigen, in Kauf nehmend dabei möglicherweise mit dem Gesetz in Konflikt zu
geraten. Ultras ist eine Art zu Denken und zu Leben und das nicht nur am Spieltag. Aktuell denke ich, dass es nur noch
wenige Personen gibt, die es würdig sind, Ultras genannt zu werden, Ultras sind unsere sogenannten “Alten”, die auch
heute noch versuchen gewisse Werte zu vermitteln, auch wenn das Gesetz dies fast unmöglich macht.”
Könnt ihr uns etwas zur Entstehung der ersten Ultragruppen in Brescia erzählen?
“Die Ultras Brescia entstanden, wenn ich mich nicht irre, Ende der Siebziger Jahre mit einer Gruppe, die sich 21+
nannte, gerade weil die Mitgliederzahl 21 war, von denen sogar heute noch einige in der Kurve aktiv sind. Jene waren
die Ersten, die sich organisiert haben und eine Gruppe mit Zaunfahne, die es galt überall mit hinzunehmen, gegründet
haben. Schnell entstand dann die historische Gruppe Ultras Brescia, die eine entscheidende Rolle gespielt hat.”
Wie entwickelt ihr euren Tifo? Woher und von wem habt ihr Impressionen gesammelt, die auf euch Einfluss genommen
haben?
“Vor den neuen Gesetzen wurde unser Tifo unterstützt mit Megafonen, Trommeln, Fackeln und Choreographien, die jetzt
verboten worden sind, was unsere Möglichkeit, die Mannschaft anzufeuern, stark eingeschränkt hat. Nichtsdestotrotz
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wird es auch heute noch exzellent durch lautstarke Gesänge und mit Schwenkern gemacht, wo es möglich ist. Unser
Tifo, finde ich, ist ziemlich originell und ist nicht allzusehr durch andere Einflüsse inspiriert, wenn nicht vielleicht etwas
vom Englischen Stil, der ja sogar etwas früher geboren wurde.”
Nach dem Spiel gegen Vicenza diesen April kam es zu Steinewürfen auf einen Bus bei denen sich ein Kind verletzte,
woraufhin ihr deutlich gemacht habt, dass dies nicht zu eurer Welt des Tifo gehört. Könnt ihr uns vielleicht einen
Einblick geben, woraus für euch die Welt des Tifo besteht und was für euch ein elementarer Bestandteil davon ist?
“Die Curva Nord Brescia hat sich nach den Ereignissen nach dem Spiel Vicenza-Brescia klar von jener Gewalt Episode
distanziert, die zu den Verletzungen des jungen Vicenza Fans geführt hat. Schließlich ist die Mentalität, die wir für richtig
halten und die in Brescia immer gelebt wurde, jene, dass man sich aufrichtig mit gegnerischen Fanszenen misst, aber
auf eine korrekte Art ohne Waffen und ohne Leute zu treffen, die mit unserer Welt nichts zu tun haben oder sich nicht
trauen an gewissen Dingen teilzunehmen.”
Wer sind eure größten Feinde und zu welchen Gruppen pflegt ihr Freundschaften?
“Rivalität besteht zu allen Vereinen mit denen wir nicht befreundet sind, aber besonders zu Atalanta, Verona, Modena,
Vicenza, Cremona, Inter, Juve, Napoli und Roma…Langjährige Freundschaften sind die zu Milan, Catanzaro, Salernitana,
Cesena, Mantova, Nürnberg, neuerdings auch mit einigen Jungs von Antwerpen und einige haben Beziehungen mit
Saint Etienne.”
Als Schalke Fans interessiert uns natürlich besonders die Freundschaft nach Nürnberg. Mögt ihr vielleicht ein bisschen
Ausführlicher zur Geschichte und Entwicklung dieser Freundschaft berichten?
“Die Freundschaft ist aus einer zufälligen Begegnung aus Teilen beider Fanlager entstanden, die die Farben ihrer Vereine
vertraten. Der Freundschaft ging aber auch ein gewisser vorheriger Respekt und gegenseitige Achtung voraus. Seit
diesem Moment fing man an, sich zu besuchen und es ist eine starke und unzertrennbare Verbrüderung entstanden.”
Hat eure Gruppe ein spezielles Mitgliedersystem mit Aufnahmevoraussetzungen für Anwerber oder handhabt ihr das
alles komplett offen?
“Die Aufnahmevoraussetzungen sind große Leidenschaft für Brescia, Loyalität, Demut und Arbeitsbereitschaft. Wer
über diese Qualitäten verfügt, dem werden innerhalb der Gruppe keine Steine in den Weg gelegt.”
Blick über’n Tellerrand: Reisebericht Australien
Nachdem ich meinen Schulabschluss endlich nach jahrelanger Quälerei in der Tasche hatte, entschied ich mich,
Deutschland fürs Erste zu verlassen. Die Wahl fiel auf Australien und so ging es für einen Schulkollegen und mich ins
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über 14.000 Kilometer entfernte Down Under. Konnte ich die ersten Spiele der neuen Saison glücklicherweise noch
im Stadion verfolgen, hieß es im September vergangenen Jahres ab aus dem warmen Deutschland ins noch wärmere
Australien. Dort sollte der Sommer gerade erst starten. Nach dem gefühlt endlosen Flug sind wir in Cairns, einer für
Backpacker bekannten Stadt, gelandet. Dort haben wir uns für kleines Geld ein Auto, sowie einen Farmjob besorgt,
um danach die Ostküste entlang über Sydney nach Perth zu reisen. Unser Ziel war es, möglichst viel vom Rest des
Kontinents zu sehen und die Kultur noch weiter kennenzulernen. Geld war wenig vorhanden und um möglichst viel zu
sparen, entschieden wir uns, die ersten Nächte im Auto zu verbringen.
In der Umgebung von Cairns konnten wir dann relativ bald unsere ersten Dollars verdienen. Vorher viel über die
außergewöhnliche Natur und die Kultur Australiens gehört, konnten wir mit der Zeit Land und Leute besser kennenlernen
und uns davon selber ein Bild machen. Und man muss sagen, dass die Kultur wirklich eine ganz andere als bei uns in
Deutschland ist. Die Leute sind wirklich wahnsinnig nett und
hilfsbereit. Wildfremde Menschen fragen, ob man mit ihnen
essen möchte. In Deutschland ist das undenkbar. Das Land
ist wahnsinnig vielfältig und die Leute völlig offen gegenüber
anderen Kulturen. Obwohl Australien ein extrem großes Land
ist, leben dort nur 20 Millionen Menschen. Lediglich die
hohen Preise für Tabak und Alkohol sind nervig und schlagen
ordentlich auf den Geldbeutel. Ebenfalls schade, dass die
Gefahr an den traumhaften Strände schwimmen zu gehen,
durch Quallen und Haie sehr hoch ist. Weiter im Norden
werden an bestimmten Stränden zum Schutz der Menschen
dafür Netze ins Wasser gelassen.
Doch im Land, das normalerweise für Rugby und Kängurus steht, wird auch Fußball gespielt. Die A-League ist die höchste
Spielklasse im australischen Fußball. Dort spielen zehn Mannschaften um die Meisterschaft, wobei eine Mannschaft,
die Wellington Phoenix, aus Neuseeland kommt. Keine Mannschaft kann absteigen, außer durch finanzielle Probleme.
Während beim australischen Football, eine Mischung aus Fußball und Rugby, die Zuschauerzahlen explodieren, lassen
die Zuschauerzahlen in der A-League oft zu wünschen übrig. 13.000 Zuschauer kommen im Schnitt, von Verhältnissen
wie in der Bundesliga kann da nur geträumt werden. Die beste Mannschaft in den letzten Jahren waren die Brisbane
Roars, die drei der letzten fünf Meisterschaften gewannen. Der Deutsche Thomas Broich, früher unter anderem für
Gladbach in der Bundesliga aktiv, spielt seit 2010 für Brisbane und ist ein Star im australischen Fußball.
Spielbericht Brisbane Roar-Adelaide United 1:4
Über Monate kein Spiel mehr live verfolgt, war die Sehnsucht groß, endlich mal wieder ein Stadion zu betreten.Wir entschieden
uns, das Spiel des Tabellenführers Brisbane Roar gegen den Sechstplazierten Adelaide United zu besuchen. Das Ziel, relativ
früh im Stadion zu sein, scheiterte kläglich, da die Parkplatzsituation eine Katastrophe war. Nach endlosem Gesuche haben
wir dann doch noch einen Parkplatz gefunden und machten uns schnellen Schrittes auf den Weg zum Stadion. Auf dem Weg
dorthin fielen die doch sehr gewöhnungsbedürftigen orangenen Trikots der Heimmannschaft auf. Ebenfalls auf dem Weg zum
Stadion lag die Kneipe der „The Den“. Diese stellen wohl den harten Kern der aktiven Supporter Szene. Wie viele Leute sich
dort bei Bier und lauter Musik auf das Spiel eingestimmt haben, konnten wir leider nicht erkennen, aber es werden lediglich
um die 60 gewesen sein. Die Zaunfahne der Gruppe hing oberhalb des Eingangs der Kneipe an einem Balkon.
Gespielt wurde im Suncorp Stadium, in dem American-Football, Rugby und eben Fußball gespielt wird. Das Stadion
wurde 1914 eröffnet und besitzt ausschließlich Sitzplätze für 52.500 Zuschauer. 2015 war das Stadion unter anderem
Austragungsort für die Asienmeisterschaft. Gut 45 Minuten vor Spielbeginn am Stadion angekommen, kauften wir
Karten für die Hintertortribüne für jeweils 25$ pro Karte. Rund um das Stadion war von der Staatsmacht bis auf ein
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paar Ausnahmen nichts zu sehen. Generell war 60 Minuten vor Spielbeginn nichts um das Stadion herum los. Die sehr
laschen Einlasskontrollen haben wir schnell hinter uns gelassen und ab ins Stadion, wo wir mit großer Verwunderung
feststellten, dass das Stadion noch so gut wie leer war. Der Platz lag, wie auch in England üblich, auf gleicher Höhe mit
der ersten Reihe der Sitzplätze. Ein kleiner Zaun und ein nettes Schild mit dem Hinweis, dass eine Strafe von 8.000$
droht, wenn man den Platz stürmt, sollen die Leute daran hindern, auf das Feld zu laufen.
Zu unserem Leid mussten wir feststellen, dass das Bier völlig überteuert war, aber was soll’s, irgendwie muss man
sich die Zeit ja vertreiben. 15 Minuten vor Spielbeginn kam dann auch die Gruppe „The Den“ ins Stadion, die sich
gegenüber hinter dem Tor mit circa 300 Leuten positionierte. Die Zaunfahne hingen sie hinter sich auf, so dass diese
kaum erkennbar war. Während der ersten Halbzeit konnte man häufig Hüpf- und Klatscheinlagen wahrnehmen.
Akustisch kam dagegen nichts auf der anderen Seite an. Für diesen kleinen Stimmungskern ist das Stadion einfach
zu riesig, wobei überhaupt nur 12.500 Zuschauer anwesend waren. Ein Großteil waren Familien mit ihren kleinen
Kindern, die Fußball wahrscheinlich eher als ein Event für einen netten Familienausflug ansehen, als eine Leidenschaft.
Die Gästefans waren mit circa 30 Leuten anwesend. Dabei muss man aber bedenken, dass die Gästefans oft sehr weite
Wege zurücklegen müssen, um Spiele ihrer Mannschaft zu sehen. So liegen beispielsweise Brisbane und Adelaide
über 2.000 Kilometer auseinander. Auch sie versuchten durch Schlachtrufe ihr Team zu unterstützen, die jedoch in der
riesigen Arena völlig verloren gingen.
Gespielt wurde aber auch noch. Mit der Pünktlichkeit wird es in Australien aber auch nicht so genau genommen, so dass
das Spiel ohne Begründung 15 Minuten später angepfiffen wurde. Das Niveau war schwach und so reihte sich Fehlpass
an Fehlpass. Obwohl Brisbane das Spiel machte, ging Adelaide unverdient noch kurz vor der Halbzeit in Führung.
In der Halbzeit kickten in jedem Viertel des Feldes Minikicker. In Deutschland undenkbar, denn die Kleinen würden
sicher zu großen Schaden anrichten. In der zweiten Halbzeit schenkte der Schiedsrichter jeweils beiden Mannschaften
einen Elfmeter, so dass es nach 56 Minuten 1:2 stand. Brisbane machte weiter Druck, erspielte sich jedoch kaum
gefährliche Chancen. In der 67. Minute traf Adelaide zum vorentscheidenden 1:3. Als krönenden Abschluss erzielte
Adelaide in der Nachspielzeit noch ein wunderschönes Tor zum 1:4 Entstand, das danach ausgiebig mit den wenigen
Gästefans gefeiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatten viele Heimfans das Stadion schon längst verlassen. Doch wer
denkt, dass die Spieler der Gastgeber sich sofort in die Kabine verpissen, liegt falsch. Nach dem Spiel drehten sie noch
eine Ehrenrunde, bedankten sich bei den Fans für ihr Kommen und unterhielten sich mit ihnen. Davon können sich
unsere ach so tollen Millionäre manchmal ruhig eine Scheibe abschneiden, die oft schneller wieder aus der Kurve weg
sind, als sie da waren. Nachdem die Spieler dann weg waren, leerte sich das Stadion auch relativ schnell.
Was bleibt also abschließend festzuhalten? Jedem, der das Land näher kennenlernen möchte, ist eine Reise nach
Australien zu empfehlen. Jedoch sollte man dafür ein bisschen mehr Zeit einplanen, um möglichst viel von Land und
Leuten kennenzulernen und zu sehen. Die faszinierende Natur mit ihren traumhaften Stränden und die angenehmen
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Leute machen eine Reise nach Australien auf jeden Fall interessant. Auch diejenigen, die sich für Architektur interessieren,
kommen garantiert nicht zu kurz. Für den Fußball muss man bestimmt nicht nach Down Under reisen, da lohnt sich
doch eher der Besuch eines Rugbyspiels.
Gemischte Tüte
Erfurt: Die Erfordia Ultras boykottierten ihr Heimspiel gegen Dynamo Dresden, da sich Fans vor dem Spiel überaus
fragwürdigen (Nackt-)Kontrollen unterziehen mussten. In einer Stellungnahme beschreiben die Erfordia Ultras, dass
einzelne Personen an den Einlasskontrollen auf intransparente und aggressive Weise herausgezogen wurden. Teile
der betroffenen Personen mussten sich in einem offenen Gang der alten Geschäftsstelle unter Druck und Androhung
von Gewalt komplett entblößen. In der Stellungnahme wird kritisiert, dass der Ordnungsdienst und die Polizei in dieser
Situation alles andere als deeskalierend gehandelt habe. Außerdem wurde die Durchführung solcher Maßnahmen vor dem
Spiel nicht mitgeteilt.
Frankfurt: Das DFB-Sportgericht hat nach den Vorkommnissen bei den Spielen in Aue und gegen Darmstadt enorme
Strafen gegen Eintracht Frankfurt ausgesprochen. Das Urteil sieht eine Geldstrafe von 75.000 Euro, einen Teilausschluss
der Zuschauer beim Heimspiel gegen den VfB Stuttgart, ein Ausschluss von Gästefans beim Derby in Darmstadt sowie
ein Verbot von Choreos und Blockfahnen für den Rest der Saison vor. Ultras Frankfurt antwortete beim Heimspiel gegen
Wolfsburg mit einem großen Fahnen-Intro und einem Spruchband, das beschreibt, wie die Reaktion und die Haltung
gegenüber Strafen oder Repressionen dieser Art aussieht: „Wir kämpfen für das, was wir lieben, mit Mentalität und
Konsequenz, unser ganzes Leben“. Beim Auswärtsspiel in Augsburg wurden zudem im ganzen Gästeblock Luftballons mit
einem durchgestrichenen DFB-Logo hochgehalten.
Türkei: Die politischen Konflikte in der Türkei schlagen sich auch im Fußball wieder. Amedspor, ein Verein aus dem
kurdisch geprägten Diyarbakir, spielte in Istanbul und wurde dabei von der Fenerbahçe-Ultragruppierung Vamos Bien
unterstützt, die mit der Gruppe Barikat von Amedspor befreundet ist. Laut einer Mitteilung von Vamos Bien waren schon
die Einlasskontrollen und die Polizeipräsenz während des Spiels sehr auffällig. Nach dem Spiel wurden die Gästefans
in einen engen Korridor gedrängt und durften nach einiger Zeit nur einzeln das Stadion
verlassen. Der Grund hierfür war, dass die Polizei insgesamt 22 Fans rausziehen wollte, um
diese in Haft zu nehmen. Ihnen wird nun Staatsverrat und Unterstützung einer terroristtischen
Vereinigung vorgeworfen. Die Fangruppe Vamos Bien geht davon aus, dass die die Polizei und
Verantwortliche des Staates durch einen Gesang im Stadion provoziert wurden, der auf die
Geschehnisse im Konflikt der Kurden mit dem türkischen Staat eingeht: „Wenn Kinder nicht
sterben würden, könnten sie zu den Spielen kommen.“ Mit Barikat waren im Sommer auch
die Filmemacher des Dokumentarfilmes Ayaktakimi unterwegs, der von einem bekannten
Mitglied der Nürnberger Fanszene und seiner Freundin gedreht wurde. Dieser Film wird durch
eine Zusammenarbeit des Fanprojektes und unserer Gruppe am 27.02.2016 in Gelsenkirchen
gezeigt. Weitere Infos dazu gibt’s auf anderen bekannten Kanälen.
Griechenland: Beim Spiel zwischen AE Larisa und Acharnaikos sorgten die 22 Spieler sowie jeweiligen Trainer und
Ersatzspieler mit einer Protestaktion für europaweite Aufmerksamkeit. Sie setzten sich alle nach dem Anpfiff zwei Minuten
lang hin, um auf das Schicksal von Geflüchteten aufmerksam zu machen. AEL hat mitgeteilt, dass der Protest an die
hunderten Kinder erinnern soll, die aufgrund der Gleichgültigkeit der EU und der Türkei in der Ägäis schon gestorben sind.
Leipzig: Chemie Leipzig Fans erlangten einen ersten großen Teilerfolg nach einem brutalen Polizeieinsatz beim
Spiel in Zwenkau im September 2013. So konnte durch großen öffentlichen Druck, welcher durch eine Vielzahl von
Dienstaufsichtsbeschwerden und Anzeigen, scharfer Kritik von Verein und Fanprojekt, medialen Berichterstattung sowie
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kleinen Anfragen durch Landtagsabgeordnete ausgeübt wurde, eine Verhandlung gegen zwei Mitglieder der Leipziger
Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit wegen Körperverletzung im Amt erreicht werden. Den Beamten wird dabei
vorgeworfen, einen Fan ohne Grund zu Boden geschmissen und zusätzlich sein Handy zerstört zu haben. Glücklicherweise
wurde genau dieser Vorfall mit einem Video dokumentiert, welches man unter http://www.spiegel.de/sport/fussball/
brutaler-polizei-einsatz-nach-fussballspiel-der-bsg-chemie-leipzig-a-929991.html finden kann. Gerade die Leipziger
Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) ist berühmt für ihr martialisches Auftreten. Zusätzlich ist wie bei uns in
NRW durch fehlende Kennzeichnungspflicht eine Identifizierung der Beamten meist schwer oder unmöglich. Dass solch ein
Vorfall erst fast zweieinhalb Jahre später vor Gericht landet, ist eigentlich kaum zu glauben. Dies ist bei Ermittlungen und
Klagen gegen Polizeibeamte jedoch keine Seltenheit, da diese Untersuchungen oft einer Farce gleichen. Umso erfreulicher
ist es, dass man nun zumindest eine Klage gegen zwei Beamte durchsetzen konnte.
Berlin: Beim Testspiel 1. FC Union Berlin gegen Austria Salzburg kam es zu einem Polizeieinsatz, bei dem am Ende eine
Verletztenzahl von über 80 Personen zu beklagen ist. Auch der Fanbetreuer von Union Berlin war unter den Verletzen. Der
Verein widerspricht der Darstellung der Berliner Polizei und verurteilt den Polizeieinsatz massiv. Dabei hat der Verein seine
Informationen von Fanbeauftragen vor Ort, die versuchten zwischen Fans und Polizei zu vermitteln, und Videoaufnahmen,
welche Union vorliegen. So zeigen diese Aufnahmen, dass die Fans völlig friedlich in Begleitung von Polizeibeamten
am Stadion eintreffen. Ohne ersichtlichen Grund versuchte eine Polizeikette den Fanmarsch zu stoppen. Auch dann ist
kein aggressives Verhalten der Fans zu sehen. Manche versuchten der Sperrung auszuweichen und andere stoppten vor
dieser. Als dann ein Fan das Gleichgewicht verlor und bei einem Sturz einen Polizeibeamten zu Fall brachte, reagierten die
Beamten mit körperlicher Gewalt und dem Einsatz von Reizgas. Zusätzlich kritisiert der Verein die hohe Anzahl von 300
Polizeibeamten für ein Benefizspiel.
Schweden: Die vergangene Saison war für die erste schwedische Liga, die Allsvenskan, sehr erfolgreich. Obwohl mit 2,4
Millionen Zuschauern ein neuer Rekord aufgestellt werden konnte, sank die Zahl der Kriminaldelikte rund um die Spieltage.
Dennoch fühlt sich die Polizei zu etwas Aktionismus getrieben. Gegen Ende der letzten Saison war mal wieder auch
im pyroliberalen skandinavischen Land die Debatte um die brennenden Elemente in Stadien medial präsent. Die Polizei
publizierte Anfang des Jahres, wenige Monate vor Beginn der Saison 2016, nun ihren heroischen Rettungsplan. Künftig
möchte man bei weiteren Pyrodelikten eine Reduzierung der Kontingente notfalls Sperrungen der Kurven durchsetzen. Ist
das in Mitteleuropa durchaus gängig, soll darüber hinaus auch ein direkter Zugriff zur Feststellung der Täter stattfinden,
sofern die Kurve zu dem Zeitpunkt schon entsprechend leer ist. In einem Land, in dem bisher die Ordner den Ultras
Eimer reichten, um die benutzten Fackeln entsorgen zu können, wollen künftig Polizisten in sitzer’scher Manier die Kurven
stürmen? Es wird interessant sein, zu sehen, ob da nur jemand am Bürotisch Langeweile hatte oder ob es nächste Saison
eine wahrhaftige Repressionswelle in Schweden geben wird.
Griechenland: Nach dem vorletzten Heimderby von Panathinaikos Athen gegen Olympiakos Piräus (der Blaue Brief
berichtete live vor Ort) konnte man sich nur wundern, wie schnell (angedrohte) Konsequenzen wieder verflogen waren.
Nachdem beim nächsten Heimderby erneut Fans rundum Gate 13 das Spielfeld stürmten und selbiges mit pyrotechnischen
Materialien eindeckten, sollten nun Konsequenzen folgen. Der griechische Fußballverband beschloss, die Kurve für den
Rest der Saison zu sperren. Erscheint das dem vom deutschen Polizeisystem erzogenen Kopf als absolut logische Folge,
wollte man sich auf Seite der Athener keinerlei Repression gefallen lassen. Deutlich wurde das gemacht, indem man
kurzum ein Hotel, in dem der griechische Fußballverband tagte, stürmte. Auch wurde mit Spruchbändern beim folgenden
Auswärtsspiel, welches besucht werden durfte, auf die Situation aufmerksam gemacht. Zum ersten Heimspiel ohne Fans
in der Kurve schmückten diese ihre Heimat mit Luftballons in ihrer Farbe und verschufen sich Zutritt zu einem anderen
Block im Stadion. Von dort aus konnte die Heimkurve mit Rauchbomben auch ohne Fans in Szene gesetzt werden.
Hierzulande durch regelmäßig vor den Obrigkeiten einknickende Vereine vollkommen unvorstellbar, zeigten auch die
Vereinsverantwortlichen ihre Unterstützung und benannten den Eingang, durch den sich die Anhänger den Zutritt
verschafften in Gate 13 um.
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