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Thema Donnerstag, 10. März 2016 „Man manchmal „Manmuss muss machmal einfach mal kämpfen“ einfach mal kämpfen“ › Stipendiantin Katharina Knobloch macht ihren Handelsfachwirt VOSSBERG › Wie grausam Kinder sein können. So grausam, dass sie einem jungen Menschen die Zuversicht und den Lebensmut nehmen können, weil er vielleicht nicht in deren Schema passt oder er – aus welchen Gründen auch immer – ein einfaches Opfer abgibt. Katharina Knobloch hat dies erlebt. Eigentlich wollte sie für die Rubrik „Kopf der Woche“ nur von ihrem Beruf erzählen, von dem Stipendium, das sie erhalten hat, und von ihren Plänen. Aber ohne ihre Vorgeschichte ist der Kraftakt nicht zu ermessen, den die 25-Jährige geleistet hat. Im Januar 1991 wurde Katharina Knobloch in Wildeshausen geboren. Aufgewachsen ist sie in Brettorf, bis sie sieben Jahre alt war. Dann zog die Familie nach Wildeshausen. Sie war eine gute Realschülerin - bis ihre Mutter krank wurde und es zu Hause Probleme gab. Das Mädchen kompensierte die familiären Schwierigkeiten mit Essen, bald wog sie 110 Kilo. „Ich wurde massiv gemobbt, in die Stadt habe ich mich gar nicht mehr getraut“, sagt sie leise. Die Situation wurde für sie immer schlimmer. „Ich bekam ständig zu hören: ‘Du wirst nie etwas erreichen, nie einen Beruf haben und einen Mann kennenlernen schon gar nicht’. Irgendwann habe ich das alles selbst geglaubt. Ich hatte Albträume“, berichtet sie weiter. Besonders ein Junge aus der Nachbarschaft habe sie immer wieder gehänselt und beschimpft. Sie unterbricht sich selbst, als ihr bewusst wird: „Deswegen ist das, was ich trotzdem bisher erreicht habe und jetzt gerade erlebe, für mich so überwältigend!“ Schließlich musste sie die Schule wechseln. Sie kam auf die Hauptschule in Harpstedt. „Mein größter Wunsch damals war, meinen Realschulabschluss und danach eine kleine Ausbildung zu schaffen, daher ging ich nach der neunten Klasse, die ich mit guten Noten abschloss, weiter in die zehnte Jahrgangsstufe“, blickt sie zurück. Doch ihre Gesundheit ließ sie im Stich, lange Klinikaufenthalte folgten. Trotz eines Notendurchschnitts von 1,7 erhielt sie wegen der Fehlzeiten keinen Realschulabschluss. „Ich war an einem Punkt, an dem ich dachte: ‘Die haben Recht, ich tauge nichts, ich schaffe es niemals, einen Beruf zu erlernen’“, sagt sie mit einem Rest von Bitterkeit in der Stimme. Doch Katharina Knobloch gab nicht auf. Sie begann eine Lehre – und musste diese abbrechen. Nun war sie an ihrem Tiefpunkt angelangt. „Da wurde mir bewusst: Entweder, ich mache nichts, dann lande ich mit Harz IV auf der Couch. Oder ich nehme ab und versuche, einen anderen Ausbildungsplatz zu bekommen. Manchmal muss man einfach mal kämpfen – und meine Mutter hat mir sehr dabei geholfen. Ich wollte es allen zeigen.“ Konsequent startete sie ihr neues Leben, innerhalb von einem Jahr nahm sie mehr als 40 Kilo ab. Sie zählte Kalorien, bewegte sich viel, machte lange Spaziergänge mit ihrem Hund und arbeitete auf 400-Euro-Basis. Ein Erlebnis aus dieser Zeit hat sich ihr besonders ins Gedächtnis eingebrannt: „Eines Abends war ich mit Freundinnen aus, da sprach mich genau dieser ehemalige Nachbarsjunge an und wollte mit mir flirten, der mich Jahre vorher wegen meiner Figur fertiggemacht hatte. Er erkannte mich nicht, und es tat mir gut, ihn abblitzen zu lassen“, erinnert sie sich und lächelt. 2012 schaffte sie es, eine Lehrstelle als Verkäuferin im „Babyland“ in Delmenhorst zu bekommen. Die zweijährige Ausbildung bestand sie mit 1,0. „Das war schon eine harte Zeit, besonders, da mein Vater am Ende des ersten Lehrjahres schwer erkrankte. Aber meine Familie hat mich toll unterstützt. Besonders mein Lebensgefährte und dessen Familie haben mir immer wieder Mut gemacht und mich aufgerichtet, wenn mir abends zum Heulen zumute war“, gibt sie zu. Das dritte Jahr ihrer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau absolvierte sie in einem Schuhfachhandel in Wildeshausen. Hier schloss sie mit einer 2,0 ab. Aufgrund dieser überdurchschnittlichen Leistungen erhielt sie nun im Januar ein Weiterbildungs-Stipendium der Industrie- und Handelskammer Oldenburg in Höhe von 6000 Euro. Und sie weiß auch schon, wie sie es verwenden wird: „Ich hatte mich schon im vergangenen Jahr dazu entschlossen, meinen Handelsfachwirt zu machen. Der Lehrgang findet zweimal pro Woche berufsbegleitend bei der IHK in Oldenburg statt und ist teuer – ich hätte nicht genau gewusst, wie ich das finanzieren soll, aber ich wollte diese Quali- Kopff der hee Woche Katharina Knobloch hat ihre Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau mit auszeichnung bestanden und hat daher von der IHK ein Weiterbildungs-Stipendium bekommen. Ihre beruflichen Chancen sahen erst nicht gut aus: Als Jugendliche wurde sie so schlimm gemobbt, dass sie Schwierigkeiten in der Schule hatte. Foto: bpf fikation unbedingt. Als Handelsfachwirt habe ich dann die gleiche Ebene erreicht wie nach einem Bachelor-Studium, auch die Ausbildereignungsprüfung ist enthalten in dieser Weiterbildung. Ein bisschen Angst habe ich vor dem Rechnungswesen, ich weiß, es wird nicht einfach. Aber ich weiß, wofür ich es mache“, sagt die junge Frau energisch. Im April geht es los, aber sie ist nicht alleine: Eine Freundin hat ebenfalls ein Stipendium erhalten, beide werden den Handelsfachwirt-Kurs gemeinsam besuchen. Und noch einen Erfolg konnte sie dank ihrer Energie und ihres gewinnenden Wesens kürzlich verbuchen: Als sie jetzt ihren Arbeitgeber wechseln wollte, klappte dies gleich im ersten Anlauf. „Manchmal kann ich gar nicht glauben, was ich alles erreicht habe. Ich habe jetzt so ein tolles Leben. Einen fantastischen Lebensgefährten. Eine liebe Familie. Viele Freunde. Eine gute berufliche Perspektive mit Aufstiegschancen. Und ich brauche jetzt Leute um mich! Eigentlich komisch, dass ich das sage, nachdem, was ich erlebt habe. Aber ich wäre nicht der Mensch, der ich heute bin, hätte ich den Kampf nicht durchstehen müssen“, sagt sie nachdenklich und bekräftigt: „Wenn jemand in einer derartigen Situation ganz alleine auf sich gestellt ist, hat er es doppelt schwer. Ich hatte zum Glück viel Unterstützung – von meinem Lebensgefährten, dessen lieber Familie und meinen Eltern und Freunden“, wiederholt sie. An Menschen, die in einer ähnlichen Situation stecken, appelliert sie: „Ihr könnt alles schaffen, wenn ihr nur an euch glaubt und kämpft!“ Heute ist Sport kein „No Go“ mehr für sie wie noch vor zehn Jahren, Zumba ist ebenso Bestandteil ihres Fitnessprogramms wie lange Märsche mit ihrem Hund Joey. Nahrungsaufnahme ist nun keine Frustbekämpfung mehr, sondern Genuss. „Mein Lebensgefährte kocht sehr gerne, und mittlerweile kann ich das Essen auch genießen“, meint sie. „Auch das macht mich glücklich.“ VON BETTINA PFLAUM ‹