The times, they are a-changin - Evangelische Kirche in Mecklenburg
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The times, they are a-changin - Evangelische Kirche in Mecklenburg
„The times, they are a-changin’…“ Kasualien neben den Kirchen Arbeitsstelle „Kirche im Dialog“ Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland „The times, they are a-changin’…“ Kasualien neben den Kirchen Arbeitsstelle „Kirche im Dialog“ Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland Inhalt 1. „The times, they are a-changing…“ 6 2. Kasualien in der Nordkirche – ein statistischer Überblick 8 3. Einstellungen zu kirchlichen Kasualangeboten 13 4. 4.1 4.2 Passagerituale – Näherung an ein modernes Praxisfeld Ritualdesign zwischen Tradition und Innovation Ritualdesigner – eine neue Profession 16 16 18 5. 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 „Fast wie in der Kirche…“ Namensweihe Freie Ritualdesigner Humanistische Organisationen Weitere Angebote 20 21 21 22 23 5.2. 5.2.1 5.2.1.1 5.2.1.2 5.2.1.3 5.2.1.4 5.2.2 5.2.3 Jugendweihe Jugendweihe im Wandel der Zeiten Jugendweihe vor 1933 Jugendweihe 1933–1945 Jugendweihe 1945–1989 Jugendweihe ab 1990 Freie Ritualdesigner Weitere Angebote 25 25 26 27 28 30 33 33 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 Hochzeit Freie Ritualdesigner Humanistische Organisationen Weitere Angebote 34 34 38 38 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 Trauerfeier Freie Ritualdesigner – Trauerredner Humanistische Organisationen Weitere Angebote 39 42 44 45 6. 6.1 6.2 Erlebnisse und Ergebnisse mit einem fremden Blick Der fremde Blick – Bestattungspraxis und Kirchenfremde (Oktober 2013) Der fremde Blick II – Taufe (Februar 2016) 46 46 49 7. Amtshandlungen auf dem Areopag des Ritualdesigns 54 Literaturverzeichnis 58 1. „The times, they are a-changin’…“ Die Titelzeile des über fünfzig Jahre alten Bob Dylan-Songs trifft auch für die über lange Zeiten hin fast ausschließlich von den christlichen Kirchen angebotenen Passagerituale zu. Die Monopolstellung christlicher Sakramente und Kasualien- bzw. Amtshandlungsangebote ist einer bunten Vielfalt gewichen. Neben den Kirchen ist eine vielgestaltige und stetig größer werdende Szene von Rednern und Ritualdesignern entstanden, auch wenn im Gesamt die Zahlen der nichtkirchlichen Passagerituale das Niveau der kirchlichen noch nicht erreichen. Ritualdesigner bieten ihre Dienste für Namensweihe- bzw. Geburtsfeste, für Feiern um die Adoleszenz, zur Heirat, anlässlich des Todes und für andere besondere Anlässe (Silberne und Goldene Hochzeit, Jubiläen, Berufsende etc.) an. Mittlerweile gibt es je nach Passageritual eine steigende Anzahl von Menschen, die sich an Redner bzw. Ritualdesigner wenden, um eine rituelle Begleitung zu einem Wendepunkt im Leben zu erhalten. In den Medien wird dieses Thema seit einigen Jahren verstärkt aufgegriffen. 1 Im bundesdeutschen Durchschnitt dürften inzwischen nach Schätzungen zwischen 5 % und 10 % der Hochzeiten und rund 25 % der Bestattungsfeiern durch entsprechende Angebote begleitet werden. Nicht nur die Konfessionslosen und Kirchenfernen nehmen die Dienste von Ritualdesignern in Anspruch. Auch Kirchenglieder wenden sich offenbar in zunehmendem Maße an außerkirchliche Anbieter. 2 Diese Broschüre soll Einblicke in ein erst in Ansätzen erforschtes Feld der Lebensbegleitung geben. Denn die große Selbstverständlichkeit, mit der Kasualien als „fast so etwas wie die letzte Bastion gegen die fortschreitende Marginalisierung in der Gesellschaft und in den Köpfen der Menschen“ 3 angesehen wurden, ist angesichts der vorliegenden Daten nur noch mit Einschränkungen aufrecht zu erhalten. 4 Immer mehr Menschen machen Erfahrungen mit Ritualdesignern, erleben 1 Fernsehsendungen: Pfarrer zu mieten, in: Gott und die Welt, Das Erste, Sendung in der ARD am 4.11.2012, 17:30–18:00 Uhr. Sterben ohne Glauben, in ARD-Themenwoche „Leben mit dem Tod“, Exclusiv im Ersten, Sendung in der ARD am 24.11.2012, 15:30–16:00. Presseberichte: Büchse, Nikolas / Rabsch, Thomas: Der Letzte macht das Licht aus, in: Stern 39/2011, vom 22.9.2011, S. 54–65. Dänzer-Vanotti, Irene: Gänsehaut und Tränen. Enttäuscht von ihrer Kirche, arbeiten zwei ehemalige Pfarrerinnen heute als freie Theologinnen, in: Publik-Forum, Nr. 11, 2012, S. 40–41. Bianka Echtermeyer: Reden für Verstorbene – von Traurigkeit und Lachen, ohne Datum (2014), http://www.brigitte.de/liebe/persoenlichkeit/reden-fuer-verstorbene-1222018/ (Letztmaliger Zugriff auf alle in den Anmerkungen genannten Internetadressen wenn nicht anders angegeben am 24.05.2016.). Tim Kummert: Mehr als Standesamt und Imbiss, in: FASZ, 05.06.2016. 2 Vgl.: „Pfarrer zu mieten“ aus der Sendereihe „Gott und die Welt“, Das Erste, ARD, 4.11.2012; „Sterben ohne Glauben“, ARD-Themenwoche: „Leben mit dem Tod“, Exclusiv im Ersten, Das Erste, ARD, 24.11.2012. 3 Vgl. Bernd-Michael Haese: Kasualien – Lust und Last im pastoralen Dasein. Impulsreferat auf dem Konvent des KK Althamburg, Koppelsberg/Plön, 20.06.2005, Download am 06.02.2014 von: http://www.unikiel.de/fak/theol/pt/haese/moodle/file.php/1/lustundlast.pdf. 4 Stefan Schütze: Die Kasualie Trauung im Wandlungsprozess. „Alternative Trauungen“ und „Lebensfeiern“ durch „Freie Theologen“ als Herausforderung für kirchliches Handeln, in: Materialdienst der EZW 3/05, Berlin 2005, S. 102. 6 diese etwa bei Hochzeitsfeiern auf dem Schiff oder nehmen Abschied in einer Trauerfeier, die von einem Redner im Wald gestaltet wird. Dies hat Einfluss auch auf die kirchlichen Kasualien – nicht allein wegen der entstandenen Konkurrenz, sondern auch, weil Gestaltungselemente und Inhalte nichtkirchlicher Feiern oft als ganz selbstverständlich auch bei kirchlichen Kasualien vorausgesetzt und verlangt werden. Neben einem Blick auf die Statistiken zu den Kasualien im Bereich der Nordkirche möchte diese Broschüre einen Überblick über die Grundlagen und die Praxis des Ritualdesigns geben. Betrachtet werden die Angebote von Ritualdesignern, humanistischen Organisationen und – exemplarisch – weiteren Anbietern der freireligiösen und neuheidnischen Szene, die im Bereich der Nordkirche eine Rolle spielen. Ausgespart bleibt der Bereich der esoterischen Szene; die Darstellung der dort angebotenen Ritualbegleitung hätte den Rahmen dieser Studie gesprengt. Zudem wird auf zwei Seminare eingegangen, die das Gottesdienstinstitut der Nordkirche gemeinsam mit der Arbeitsstelle Kirche im Dialog durchgeführt hat und in deren Rahmen Konfessionslose kirchliche Kasualgestaltung wahrnahmen und darauf mit ihren Beobachtungen und Fragen reagierten. Dies kann einer kirchlichen Amtshandlungspraxis helfen, besser zu verstehen, ob und wie die intendierte Botschaft bei denen ankommt, die der Kirche innerlich fern sind. Und es kann helfen, eine Sprache zu finden für jene, die auch das andere – Ritualdesign – kennen und gleichwohl zur Kirche kommen und um Begleitung in einem schönen oder belasteten Moment des Lebens bitten. Kirchliche Kasualien und Ritualdesign existieren nebeneinander. Und so sollen die folgenden Ausführungen zum Verstehen dessen beitragen, was oftmals nur am Rande wahrgenommen wird. 7 2. Kasualien in der Nordkirche – ein statistischer Überblick Der Blick auf die statistischen Daten zu den Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Trauerfeiern im Bereich der Nordkirche zeigt, dass die Wahrnehmung kirchlicher Kasualien gemäß der von der EKD jährlich veröffentlichten Statistik „Die Äußerungen des kirchlichen Lebens“ abnimmt. Diese Entwicklung ist nicht nur in Bezug auf die absoluten Zahlen festzustellen; auch die Kirchenmitgliedschaft ist offenbar nicht mehr für alle Mitglieder ausschlaggebend, die Dienste der Kirche auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Insofern ist der Rückgang der Amtshandlungszahlen nicht nur der demographischen Entwicklung geschuldet, sondern auch Ausdruck einer Entkirchlichung und einer Entfremdung von den kirchlichen Kasualangeboten, die nicht vor den Kirchenportalen Halt macht. 5 Kirchenmitgliedschaft Die Kirchenmitgliedschaftszahlen in der Nordkirche haben in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich abgenommen. Die degressive Mitgliedschaftsentwicklung betriftt das gesamte Gebiet der Nordkirche, wenn auch mit regionalen Unterschieden zwischen dem Großraum Hamburg und Schleswig-Holstein, innerhalb Schleswig-Holsteins zwischen urbanen und ländlichen Räumen und innerhalb der beiden Sprengel Mecklenburg-Vorpommerns. So werden in den nachstehenden Grafiken die Veränderungen im Bereich der drei ehemaligen Landeskirchen, die 2012 zur Nordkirche fusionierten, betrachtet: Nicht regionale Unterschiede zwischen Stadt und Land bzw. zwischen verschiedenen urbanen Milieus, sondern vielmehr jene aufgrund der durch die unterschiedliche historische Entwicklung im östlichen und im westlichen Teil der Nordkirche. Während zur Jahrtausendwende im Gebiet der heutigen Nordkirche noch rund 50 % der Bevölkerung im Westen und rund 20 % im Osten der ev.-luth. Kirche angehörten, sind es 2014 im Westen etwas mehr als 40 % und im Osten 16 %. Diese 5 Die in den Grafiken dargestellten Zahlen beruhen auf den von der EKD jährlich veröffentlichten Statistiken „Äußerungen des kirchlichen Lebens“ für die Jahre 2000 (https://www.ekd.de/download/kirch_leben_2000.pdf), 2005 (https://www.ekd.de/download/kirch_leben_2005.pdf, https://www.ekd.de/download/kirch_leben_2005_bundeslaender.pdf), 2010 (https://www.ekd.de/download/kirch_leben_2010.pdf, https://www.ekd.de/download/kirch_leben_2010_bundeslaender.pdf, https://www.ekd.de/download/kirch_leben_2010_bundeslaender.pdf) und 2014 (https://www.ekd.de/download/kirch_leben_2014.pdf). Darüber hinaus sind in den Grafiken Daten aufgenommen worden, die vom Landeskirchenamt der Nordkirche am 03.05.2016 zur Verfügung gestellt wurden. Die jeweiligen Quoten sind anhand der Zahlen des Statistikamts Nord für Hamburg und Schleswig-Holstein (http://www.statistik-nord.de/daten/bevoelkerung-und-gebiet/), des Statistischen Landesamts MecklenburgVorpommern (http://www.statistik-mv.de/cms2/STAM_prod/STAM/de/bhf/index.jsp) und des Statistischen Bundesamtes(https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerung.html) berechnet worden. 8 Zahlen erklären sich zum einen durch die demographische Entwicklung (Sterbefälle) und durch Kirchenaustritte, denen gegenüber die Zahlen für Wiedereintritte und Taufen deutliche geringer bleiben. Taufen Einhergehend mit den sinkenden Kirchenmitgliedschaftszahlen haben auch die Zahlen für Amtshandlungen (Taufe, Konfirmation, Trauung, Trauerfeier) seit 2000 zum Teil deutlich abgenommen. Während im Jahr 2000 im Gebiet der Nordkirche im Westen noch 24.300 und im Osten 2.600 Taufen gefeiert wurden, waren es 2014 im Westen nur mehr 17.300 und im Osten 1.900. Bei der Taufquote wurden alle Getauften (einschließlich der Konfirmanden- und Erwachsenentaufen) ins Verhältnis zu den Neugeborenen des jeweiligen Jahr 9 gesetzt. Während im Westen der Nordkirche die Zahl der Neugeborenen zwischen 2000 (43.079) und 2014 (41.382) nur um 2,9% sank, ging die Zahl der Taufen um 19,5% zurück. Im Osten der Nordkirche nahm die Zahl der Neugeborenen von 2000 (13.319) bis 2014 (12.830) um 3,7% ab; die Zahl der Taufen verringerte sich um 21,5%. Konfirmationen Bei den Konfirmationen sind die Zahlen im Westen der Nordkirche nach einem Höhepunkt im Jahr 2005 (25.273) kontinuierlich gesunken; im Jahr 2014 wurden 19.585 Konfirmationen gefeiert. Zu der aus den absoluten Zahlen abzulesenden geringen Resonanz der Konfirmation bei Jugendlichen korrespondieren mit den nach wie vor recht hohen Zahlen bei der Jugendweihe im Osten Deutschlands. Darüber hinaus wiesen diese Zahlen auch darauf hin, dass trotz der im Westen der Nordkirche noch hohen Bereitschaft unter Jugendlichen, sich konfirmieren zu lassen, der Anteil der Jugendlichen im konfirmationsfähigen Alter, die diese Kasualie wahrnehmen, sich zwischen 2010 und 2014 bei rund 40 % bis 45 % der Jugendlichen einpendelt; in den Jahren vor 2005 lag der Anteil regelmäßig deutlich über 50 %. Im Osten der Nordkirche sind die Konfirmationszahlen schon zur DDR-Zeit durch die repressive Kirchenpolitik des Staates und die Propagierung der Jugendweihe als dem staatskonformen Passageritual gering gewesen. Der Anteil der Jugendlichen im entsprechenden Alter, die sich für die Konfirmationen entschieden, lag in den Jahren zwischen 2010 (11 %) und 2014 (9 %), nimmt in der Tendenz ab. Aussagekräftig ist neben der absoluten Zahl der Konfirmationen auch der Index „Konfirmierte je 100 Gemeindeglieder“. Dieser Index ist im Westen der Nordkirche nach einem Höhepunkt im Jahr 2005 kontinuierlich leicht gesunken. Auch der Index „Konfirmierte je 100 Gemeindeglieder“ ist im Osten der Nordkirche deutlich geringer als im Westen. Er lag im Jahr 2000 bei 0,73 Konfirmierte je 100 Gemeindeglieder und ist im Jahr 2014 auf 0,45 gesunken. Diese Zahlen verdeutlichen, dass sich auch ohne den demographischen Wandel und Kirchenaustritte jüngere Generationen die Kirchenmitgliedschaftszahlen nicht werden stabil halten können. 10 Trauungen Eine den Taufzahlen vergleichbare Entwicklung ist im Westen der Nordkirche auch bei den Trauungen (einschließlich der Gottesdienste anlässlich der Eheschließung) festzustellen. Dort sank die Zahl der Paare, die eine standesamtliche Eheschließung feierten, vom Jahr 2000 (25.714) um 13,7 % im Jahr 2014 (22.182). Im gleichen Zeitraum nahm die Zahl der Trauungen um 42,4 % ab (im Jahr 2000: 7.355; im Jahr 2014: 4.239). Im Osten der Nordkirche hingegen war die Zahl der standesamtlichen Eheschließungen gegenüber 2000 (8.083) im Jahr 2014 (10.678) um 32,1 % höher; die Zahl der Trauungen nahm im gleichen Zeitraum von 774 (2000) auf 875 (2014) zu, hat sich also um 13 % erhöht; die deutlich gestiegene Zahl der Eheschließungen hat zu einer leichten Erhöhung bei den kirchlichen Trauungen geführt. Hinzuweisen ist hier zudem darauf, dass im Osten der Nordkirche die Trauungen, bei denen beide 11 Partner der Kirche angehören, und die Gottesdienste anlässlich der Eheschließung, bei denen zumindest ein Partner der Kirche nicht angehört, in etwa gleich sind. Bestattungen Bestattungen sind zwar nach wie vor die am stärksten in Anspruch genommene kirchliche Kasualie. Allerdings sinkt auch die Zahl der kirchlichen Trauerfeiern signifikant. So ist im Westen der Nordkirche die Zahl der Sterbefälle in der Gesamtbevölkerung zwischen 2000 (48.031 Sterbefälle) und 2014 (48.455) stabil geblieben; die Zahl kirchlicher Bestattungen (2000: 24.685 ev. Bestattungen; 2014: 18.451) jedoch ist um 25,3 % zurückgegangen. Im Osten der Nordkirche ist die Bestattungsquote noch deutlicher gesunken. Hier ist die Zahl der Sterbefälle von 2000 (17.460 Sterbefälle) bis zum Jahr 2014 (18.918) um 8,4 % – und damit auch die Zahl der verstorbenen ev.-luth. Gemeindeglieder – gestiegen. Gleichzeitig nahm die Zahl kirchlicher Bestattungen um 18,7 % von 3.754 (2000) auf 3.052 ab. Auffallend an den statistischen Daten ist die nur für einige Jahre erhobene Bestattungsquote der verstorbenen evangelischen Kirchenmitglieder, für die auch eine evangelische Trauerfeier durchgeführt wurde: Im Jahr 2010 wurden im Westen der Nordkirche von den 28.350 verstorbenen Kirchenmitgliedern nur 20.207 mit einer kirchlichen Trauerfeier begleitet (71,28 %). Es steht zu vermuten – auch wenn hierzu seit einigen Jahren keine statistischen Daten vorliegen –, dass die Quote der durch eine kirchliche Trauerfeier begleiteten verstorbenen evangelischen Kirchenmitglieder weiter gesunken sein dürfte. Neben der Inanspruchnahme von Trauerrednern durch Angehörige 6 ist zudem davon auszugehen, dass für einen großen Teil dieser Verstorbenen keine Trauerfeier durchgeführt wurde. Die Abnahme bei den Kirchenmitgliedschaftszahlen korreliert mit einer sukzessive geringer werdenden Inanspruchnahme kirchlicher Kasualien. Diese Wahrnehmung des durch die Zugehörigkeit zur Kirche bestehenden Anspruchs auf kirchliche Begleitung in den Schwellenmomenten des Lebens und Sterbens ist ganz offenkundig auch für Kirchenmitglieder nicht mehr selbstverständlich. 6 S. u. 5.4.1. 12 3. Neben den Kirchen Vor allem bei Hochzeiten und Trauerfeiern hat sich neben den Kirchen in den letzten zwei Jahrzehnten ein immer breiteres Angebot von Ritualdesignern, Trauungsund Trauerrednern etabliert. Im Folgenden werden stichprobenartig erhobene Ergebnisse aus acht Interviews mit Ritualdesignern, Trauerredner und Bestattern, die sich bei Besuchen von rund fünfzehn durch freie Redner gestalteten Trauerfeiern bestätigten, zusammenfassend dargestellt. Die Namensweihefeier spielte in der Feldforschung eine untergeordnete Rolle; dieses Angebot wird zumindest im Westen nur sehr selten in Anspruch genommen; auch im Osten erfährt es nur eine vergleichsweise geringe Resonanz und ist dort vor allem bei den Jugendweiheverbänden verortet. Ebenfalls nicht berücksichtigt werden Jugendweihefeiern, die weitestgehend verbandsmäßig organisiert sind und kein Marktsegment darstellen, das in nennenswerter Weise von Ritualdesignern „bespielt“ wird. Kunden von Ritualdesignern/Rednern wünschen eine Kasualie ohne Überraschungen, aber ein individuelles und persönliches Ritual hinsichtlich: – der Form und des Ablaufs, die zwischen Klienten (Kunden) und Ritualdesigner/Redner ausgehandelt werden; – des Ortes bei Hochzeiten; − der Musik, die den individuellen Wünschen entsprechen soll; − weitgehenden Verzichts auf gemeinsames Singen; − der Symbolhandlungen im Rahmen der Hochzeit bzw. Trauerfeier; − der Texte für individuell angepasste Hochzeiten und Trauerfeiern. Um das Ritual im Sinne des Paares bzw. des Verstorbenen und der Angehörigen zu gestalten, wird oft gewünscht, „eigene Texte der Verblichenen vor ihrem Ableben, Texte der Angehörigen oder gemeinsam ausgearbeitete Grabreden zu verlesen.“ 7 − der Erwartung, dass das Einmalige des Paares bzw. des Verstorbenen in den Mittelpunkt gestellt wird. Es gibt eine Reihe von Gründen, sich für einen Ritualdesigner zu entscheiden, die sich oftmals im Gegenüber zu traditionell-kirchlichen Kasualangeboten konturieren lassen. Einige dieser Vorbehalte, Erfahrungen und Vorurteile im Gegenüber zur Kirche sollen hier aufgeführt werden. 7 http://www.bestattungsredner.info/index.php (Letztmaliger Zugriff am 07.02.2013.). 13 Institutionelle Vorbehalte Das Einmalige und Individuelle gehe verloren, weil unterstellt wird, der Pastor bzw. die Pastorin „muss seine [ihre] Botschaft sagen“: „In der Kirche passiert nur 08/15, was man schon kennt!“ Damit verbindet sich das Bild, Kirche sei altbacken, verstaubt und traditionell, so dass bei einer Hochzeit nicht das Paar bzw. bei einer Trauerfeier nicht der Verstorbene und die Angehörigen im Mittelpunkt stünden. Es wird eine private und persönlich gestaltete, aber keine öffentliche Feier gewünscht, an der jedermann teilnehmen könnte. So wäre gegebenenfalls ein privater Gottesdienst akzeptabel; der Öffentlichkeitscharakter jedoch, der jedem Kasualgottesdienst innewohnt, wird abgelehnt. Individuelle Ängste Immer wieder berichteten die Gesprächspartner davon, dass Menschen Angst vor dem Kirchenraum, vor der Atmosphäre und Größe von Kirchen hätten. Dies verbindet sich oftmals auch mit einer Aversion gegen traditionell-kirchliche Musik und gegen die Orgel als Instrument. Eine Bestatterin erzählte, dass Menschen ihre Angst vor dem Pastor bzw. der Pastorin als einer auch moralisch richtenden Instanz im Blick auf das Leben des Verstorbenen oder hinsichtlich nicht gelungener Beziehungen formulierten. Und ein Ritualdesigner hat mehrfach von Brautpaaren erfahren, dass Pastorinnen und Pastoren von Kirchenmitgliedern deshalb nicht in Anspruch genommen würden, weil diese nicht nur für die schönen und hellen Seiten des Lebens stünden, sondern sich auch mit Sterben und Tod auseinandersetzen müssten: „Wir wollen keinen Pastor, der vor unserer Trauung gerade eine Beerdigung eines Kindes gemacht hat.“ 8 Enttäuschungserfahrungen Auch Enttäuschungserfahrungen in der Begegnung mit Kirche und Gemeinden werden als Gründe angeführt, sich an nichtkirchliche Anbieter zu wenden. Auf der einen Seite führen eher allgemeine, nicht spezifisch mit einer Kasualie verbundene Erlebnisse dazu, sich wegen einer Hochzeit oder einer Trauerfeier nicht an die Kirche zu wenden – etwa, der Pastor oder die Pastorin habe sich für einen (Geburtstags-)Besuch keine oder nicht genug Zeit genommen, weil andere Verpflichtungen im Vordergrund gestanden hätten. Dem entspricht der subjektive Eindruck, der Pastor oder die Pastorin sei – unabhängig von der tatsächlichen gemeindlichen Arbeit – in der Gemeinde nicht präsent, weshalb auf einen anderen Anbieter für ein Passageritual ausgewichen wird: „Was der Pastor macht, weiß ich gar nicht, der interessiert sich für seine Gemeindemitglieder nicht. Dann frage ich auch nicht, ob er für mich da ist.“ 9 Zum anderen gibt es die Befürchtung oder die Erfahrung, seitens der Kirche würden Wünsche (z. B. Brautzuführung durch den Brautvater) und inhaltliche Gestaltungsvorstellungen (Musik, Texte) abgewiesen werden. 8 Zitat eines Hochzeitsredners aus dem Gespräch mit einem Brautpaar. Vgl. Bettina Kolwe-Schweda: Trauung im neuen Design? Kirche auf dem Markt zwischen Angebot und Nachfrage, in: Evangelische Stimmen 9, September 2014, Kiel 2014, S. 4 f. 9 Zitat eines Bestatters aus Gesprächen mit Angehörigen. 14 Gesellschaftliche Normen Möglicherweise gibt es gerade im Blick auf kirchliche Kasualien auch die Sorge, gesellschaftlichen, kirchlichen oder familiären Erwartungen nicht entsprechen zu können. So nahmen am großen Elbtauffest im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein im Juni 2011 auch Familien teil, die eine Taufe ihres Kindes in einer Kirche aus unterschiedlichen Gründen nicht wahrgenommen hätten. Für einige Familien hätte die Ausrichtung einer eigenen großen Tauffeier den finanziellen Rahmen gesprengt. Andere hätten nach einer Trennung der Eltern oder aufgrund familiärer Konflikte keinen geeigneten Raum für eine gemeinsame Tauffeier finden können oder wären aufgrund unterschiedlicher Religionszugehörigkeiten der Eltern nicht zu einer Taufe in eine Kirche gekommen. Religiös-weltanschauliche Einstellungen Ein gewichtiges Motiv, sich für eine freie Trauung oder Trauerfeier zu entscheiden, sind nach Erfahrung der interviewten Ritualdesigner und Trauerredner abnehmende Transzendenzvorstellungen. So stehen bei Hochzeiten immanente Zusagen, die ohne die Bitte um göttlichen Segen für Partnerschaft und Ehe auskommen, und bei Trauerfeiern immer häufiger eher szientistische Positionen, denen keine Erwartung an eine Weiterexistenz nach dem Tode innewohnt, im Zentrum. Diese schleichende Abnahme eines Jenseitsbezugs geht nach Eindruck eines Beerdigungsredners quer durch alle Schichten und auch quer durch die Mitgliedschaften aller Kirchen und Religionsgemeinschaften. 10 10 Aus einem Interview mit einem Trauerredner am14.01.2013. 15 4. Ritualdesign – Näherung an ein modernes Praxisfeld Passagerituale im nichtkirchlichen Bereich werden je nach Anlass bei einer großen Bandbreite unterschiedlicher Einzelanbieter oder Organisationen nachgefragt. Bei Namensweihefeiern erfolgt die Nachfrage sowohl bei Ritualdesignern wie auch bei humanistischen Verbänden; letztere werden offenbar vor allem im Osten Deutschlands um die Durchführung entsprechender Feiern gebeten. Im Bereich der Jugendweihe sind die Angebote der humanistisch ausgerichteten Verbände und Jugendweiheanbieter marktbeherrschend; die Angebote von Ritualdesignern spielen bei diesem Passageritual nur eine marginale Rolle. Für Hochzeiten und Trauerfeiern werden vor allem selbständige freie Redner und Ritualdesigner in Anspruch genommen, auch wenn humanistische Verbände hier entsprechende Angebote vorhalten. Für die Passagerituale gibt es weder grundsätzlich festgelegte Abläufe noch einheitliche inhaltliche Prägungen. Vielmehr unterscheiden sich die Feiern je nachdem, ob ein freier Ritualdesigner, ein humanistischer Verband oder eine neuheidnische Gemeinschaft dafür in Anspruch genommen wird. 4.1 Ritualdesign zwischen Tradition und Innovation „Meinen Beruf bezeichnen in jüngster Zeit manche Menschen auch als ‚Ritualdesigner‘ oder als ‚Zeremonienmeister‘. Dies rührt aus der Tatsache, dass ein RitualDesigner in weltlichem Sinne überlieferte Rituale beispielsweise aus kirchlichen Handlungen überträgt und umgestaltet. Rituale geben dem Menschen einen gewissen Halt. Und so gestaltet der Ritual-Designer diese Rituale nach den Wünschen seiner Auftraggeber.“ 11 Ritualdesign ist als Terminus im deutschsprachigen Raum zur Jahrtausendwende aufgekommen und fasst begrifflich die nicht kirchlich oder explizit religiös gebundenen Feiern zu lebensverändernden Übergängen in eine neue Lebensphase (Geburt, Erwachsenwerden, Heirat, Tod) zusammen. 12 Darüber hinaus bieten Ritualdesigner eine Fülle weiterer Übergangsrituale an. 13 Der etwas unscharfe 11 http://www.bestattungsprediger.de/. 12 Dass der Begriff „Ritualdesign“ in der Regel nicht auf Jugendweihe bzw. Jugendfeier angewendet wird, liegt wohl vor allem in der inzwischen hundertjährigen Tradition begründet. 13 M. Kramer Abebe listet folgende Anlässe beispielhaft auf: Schwangerschaft, Schuleintritt, Erwachsenwerden, Menarche, Beziehungsfeier, Krisen im Lebenslauf, Krankheit, Behinderung, Eheprobleme, Trennung, Scheidung, Abschiede, Wohnungseinweihung, Geburtstag, Wechseljahre, Menopause, Stationen des Berufslebens, Jubiläum, Pensionierung, Eintritt in ein Altenheim, Erinnerungsfeiern. Vgl. Marianne Kramer Abebe: Aufbruch zu neuen Ritualen. Eine Annäherung an die Praxis freiberuflicher Ritualbegleiter und Ritualbegleiterinnen, in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 2000, Göttingen 2000, S. 37. 16 Begriff „Ritualdesign“ hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt und umfasst die von den Ritualakteuren (jene, die die Durchführung der Rituale anbieten, und jene, die als Klienten bzw. Kunden dieses Angebot für sich in Anspruch nehmen) situativ und kreativ angepassten kontextgebundenen individuellen Ritualhandlungen. Übergangsrituale hatten und haben für das Zusammenleben von Menschen seit jeher eine sozial stabilisierende Funktion, indem sie das individuelle und gemeinschaftliche Leben in einen Beziehungszusammenhang stellen. Sie verankern das individuelle Leben in der Gemeinschaft und weisen darauf hin, dass durch wiederkehrende Feiern von Passageritualen überindividuelle und gesellschaftliche Sinnzusammenhänge konstituiert und stabilisiert werden. 14 Die Selbstverständlichkeit allerdings, mit der Übergangsrituale, beruhend auf einem gesellschaftlichen Konsens, in einem tradierten Rahmen (Taufe, Firmung/ Konfirmation, Trauung, Trauerfeier) hierzulande bei den Kirchen wahrgenommen wurden, hat sich in den letzten Jahrzehnten in der west- und mitteleuropäischen Bevölkerung aufgelöst. Die Hinwendung zu nichtreligiös geprägten Übergangsritualen ging und geht im Westen Deutschlands mit der zunehmenden Distanz und Entfremdung von den großen Kirchen einher. Im Osten Deutschlands hingegen wurde diese Entwicklung durch die repressive Religionspolitik der DDR befördert, die sich zunächst in der politisch motivierten Strategie, die Jugendweihe zulasten der Konfirmation bzw. Firmung als das Übergangsritual zu implementieren, ausdrückte. Diese politisch forcierte Entfremdung von den Kirchen hat im Osten Deutschlands in der Folge auch die Zahlen bei Taufen, Trauungen und Bestattungen deutlich sinken lassen. Aber auch wenn je nach Region unterschiedliche Gründe für die zahlenmäßige Abnahme der kirchlichen Kasualien festzuhalten sind, so lässt sich insgesamt eine deutliche Zunahme bei den nicht kirchlich geprägten Übergangsritualen feststellen. Neben dem im Osten Deutschlands nach wie vor starken Zuspruch zur Jugendweihe hat sich in den letzten dreißig Jahren zunächst eine auch zahlenmäßig immer stärkere Szene von freien Rednern und freien Theologen für Trauerfeiern und dann auch für die Begleitung weiterer Lebensübergänge (v. a. Geburt und Heirat) etabliert. 15 Ritualdesign kann auf verschiedene Weise geschehen: 16 – Ritualtransformation Bestehende Rituale können aufgegriffen und in leicht abgewandelter Form, etwa durch geringfügige Veränderungen im Ablauf oder durch Anpassungen an kulturelle oder geographische Bedingungen, durchgeführt werden. Hierunter wären etwa die Ergänzung einer Trauung durch das Lesen nicht-biblischer Texte, die Einführung neuer Musik bei Gottesdiensten oder das Entzünden von Gedenkkerzen im Rahmen einer Trauerfeier zu fassen. – Ritualinnovation Die Ritualakteure modellieren tradierte Rituale mit erheblichen Eingriffen aufgrund 14 Arnold van Gennepp: Übergangsriten, Frankfurt/M, New York 3 2005, S. 181 ff. 15 Marianne Kramer Abebe, a. a. O. Andreas Fincke: Freie Theologen, freie Redner, freie Ritendesigner, in: Materialdienst der EZW 4/04, Berlin 2004, S.123 ff. Anja Kirsch: Freie Bestattungsredner, in: Michael Klöckner/ Udo Tworusckka: Handbuch der Religionen, 12. Ergänzungslieferung I-11, München 1997 ff, 1 ff. Stefan Schütze: a. a. O.. 16 Mit der folgenden Differenzierung orientiere ich mich an Gregor Ahn: „Ritualdesign“ – ein neuer Topos der Ritualtheorie? in: Janina Karolewski et alii: Ritualdesign. Zur kultur- und ritualwissenschaftlichen Analyse „neuer“ Rituale, Bielefeld 2012, S. 33 ff. 17 veränderter historischer oder kultureller Kontexte oder aufgrund individueller Wünsche neu. Beispiele hierfür sind die Liturgiereform des II. Vaticanum oder auch die Durchführung von Hochzeiten auf einer Hafenbarkasse oder als Open-Air am See. – Ritualinvention Durch die Ritualakteure werden völlig neue Rituale, „die sich aus der Kritik an bestehenden Ritualen, dem Abbruch einer Ritualtradition oder aus veränderten Kontextsituationen ergeben“ können, entwickelt bzw. erfunden. 17 Beispielhaft sind zu nennen Übergangsrituale beim Eintritt in den Ruhestand oder Trennungsrituale nach dem Scheitern einer Beziehung. Als Ritualdesign lassen sich alle drei Formen des verändernden Umgangs mit bestehenden oder neu entwickelten Ritualen verstehen. Die Ritualakteure – Anbieter wie Klienten bzw. Kunden – finden sich in der Absicht zusammen, einen lebensgeschichtlichen Übergang in aus dem Alltag herausgehobener Weise mit einem Ritual zu gestalten: „Erst das Ritual markiert ‚so richtig‘ die Wichtigkeit des Ereignisses und grenzt es vom Alltag ab.“ 18 Ritualdesigner, die unabhängig von Kirchen oder Religionsgemeinschaften ihre Dienste anbieten, orientieren sich in aller Regel bei der Inszenierung der Übergangsrituale an entsprechenden christlichen Kasualien (Konfirmation, Trauung, Trauerfeier). Das heißt, die allermeisten Ritualdesigner bleiben trotz der nicht an Kirchen oder andere religiöse Gemeinschaften gebundenen Tätigkeit nahe an der kulturell bzw. religiös geprägten Formensprache. Die Feststellung eines Bestatters lässt sich auch auf andere traditionell verankerte Passagerituale übertragen: „Der Code unseres Kulturkreises gibt den Rahmen vor, in den Trauerfeiern eingebettet sind.“ 19 4.2 Ritualdesigner – eine neue Profession Für die Tätigkeit der Akteure, die alternative, nicht an Religionsgemeinschaften gebundene Passagerituale anbieten, wird hier der Begriff „Ritualdesigner“ verwandt. Angesichts der Vielfalt der Selbstbezeichnungen 20 und der Heterogenität der Berufsbiographien der Akteure umfasst diese Bezeichnung die unterschiedlichen Aspekte des Umgangs mit Ritualen (Ritual-Transformation, -Innovation und -Invention) 21. Festzuhalten ist, dass es in Deutschland keine anerkannten Ausbildungsgänge für einen solchen Beruf gibt 22. In Österreich und der Schweiz kann eine entsprechende Qualifikation an privaten Akademien, in Großbritannien in speziellen 17 A. a. 0., S. 37. 18 Christian Ruch: Extra eccesliam etiam salus? Ritualdesign im außerkirchlichen Bereich, in: Materialdienst der EZW 7/12, Berlin 2012, S. 244. 19 Aus einem am 30.10.2012 geführten Interview mit einem Bestatter. 20 Als Berufsbezeichnungen werden z. B. genannt: Freier Redner, Freier Theologe, Festredner, Hochzeitsredner, Ritualgestalter, Zeremoniar, Freier Priester, Ritualbegleiter, Zeremonienleiter, Ritualdesigner, Feier Redner, Trauerredner, Lebensbegleiter u. a. m. Vgl. Daniela Leitner: „Ritualdesign“ als Beruf. Religionswissenschaftliche Überlegungen zur (In-)Varianz freier Trauungen, in: Forum Ritualdynamik, Nr. 19, Heidelberg 2013, S. 4f. http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/ritualdynamik/article/view/11459/5314. 21 S. o. 1.1. 22 Vgl. hierzu 4.4.1. 18 Ausbildungsgängen sogar ein beruflicher Abschluss („Master of Ceremony“) erworben werden. 23 Redner und Ritualdesigner arbeiten in aller Regel selbständig und haben sich in mehreren Verbänden oder für gemeinsame Internetplattformen zur Verbreitung ihrer Angebote organisiert. U. a. gibt es seit 2002 die „Arbeitsgemeinschaft Freier Theologen“, die neben Passageritualen auch Aus-, Fort- und Weiterbildungen durchführt und eine erhebliche Bandbreite weiterer Angebote (z. B. Beratung, Supervision und Retreats) bereithält. 24 Über das Internetportal „Pastor2Go“ haben sich mehr als dreißig Theologinnen und Theologen zusammengeschlossen: „Sie suchen einen Pastor zu einem besonderen Anlass? Bei uns müssen Sie nicht Mitglied einer Kirche sein. Es gibt keine Zeremonie von der Stange, und Sie können auch außerhalb kirchlicher Gebäude Ihre Zeremonie erleben!“ 25 Auch der „Humanistische Verband Deutschland e. V.“ bietet Passagerituale für die klassischen Lebensübergänge (Geburt, Adoleszenz, Eheschließung, Beerdigung) an. 26 Als Vermittler tritt das Internetportal zeremonienleiter.de auf, das Interessierten die Auswahl aus mehr als 500 freien Rednern und Theologen, aber auch von Schamanen und Hexen ermöglicht. 27 Allerdings ist es nicht möglich, eine verlässliche Zahl der Anbieter im Bereich des Ritualdesigns zu erheben; die in einem Zeitungsartikel genannten 5.000 Trauerredner berücksichtigen nur ein Segment und sind allenfalls als grobe Schätzung anzusehen. 28 Viele Anbieter bewerben ihre Dienstleistung durch eigene Internetpräsenzen, die neben oftmals ausführlichen persönlichen Informationen, einer Darstellung der Ritualangebote und der anfallenden Kosten auch Dankesschreiben der Kunden als Referenzen enthalten. Bei einer intensiven Internetrecherche im Jahr 2012 habe ich die Angebote von 45 Ritualdesignern aus dem Bereich der Nordkirche ausgewertet; eine Überprüfung im Jahr 2015 ergab, dass bis auf drei Anbieter alle anderen weiterhin tätig waren, zwischenzeitlich aber eine Vielzahl neuer hinzugekommen ist. Dies weist darauf hin, dass es eine nachhaltige und weiterhin steigende Nachfrage nach Ritualangeboten gibt, die unabhängig von Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften in Krisensituationen Sinnstiftung und Kontingenzbewältigung eröffnen. Der Trend hin zu Passageritualen, die nicht im agendarischen Rahmen und in den Gebäuden von Kirchen bzw. anderen Religionsgemeinschaften stattfinden, scheint sich also zu verstetigen. Die Nachfrage nach kirchlichen Kasualien wandert – regional unterschiedlich stark – aus und trifft auf einem immer breiter aufgestellten Markt des Ritualdesigns auf eine Vielzahl unterschiedlichster Angebote. Zudem ist auf diesem Markt eine nachhaltige und zunehmende Professionalisierung zu beobachten, die sich auch durch die Verbände und ihre berufsständischen Fort- und Weiterbildungsangebote dokumentiert. Die bis weit in die 1980er Jahre von den Kirchen wahrgenommene singuläre Stellung bei Ritualangeboten hat sich seither zugunsten einer Pluralität von Angeboten und Anbietern aufgelöst. 23 24 25 26 27 28 Stephanie Himmel: Neue Berufe: Ritualdesigner/in, Hessischer Rundfunk 06.06.2005, Manuskript, S. 5 f. http://www.freie-theologen.de/weitere-angebote/. http://pastor2go.de/ (Stand 18.09.2015). http://www.humanismus.de/feierkultur. http://www.zeremonienleiter.de/. idea-Spektrum, 45.2013, 06.11.2013: Ihr Beruf ist der Tod, S. 20. 19 5. „Fast wie in der Kirche…“ Ritualdesigner stellen ein individuell auf den jeweiligen Anlass zugeschnittenes und das Einmalige des entsprechenden Kasus betonendes Angebot in den Mittelpunkt: „Sie möchten selbst ein entscheidendes Wort bei Ihrer Trauung mitreden und an einem besonderen Ort heiraten, den Sie bestimmt haben. Gemeinsam finden wir eine Hochzeitszeremonie, die zu Ihnen passt, und eine Traurede, in der Sie sich wiederfinden.“ 29 „Sie wollen bewusst Abschied nehmen und Ihres Verstorbenen in seiner Einmaligkeit gedenken. Sie wünschen sich eine exklusive Gedenkrede, die maßgeschneidert […] Ihnen Ihre Antworten auf Ihre Fragen […] gibt.“ 30 Diese beiden Zitate spiegeln die entscheidenden Elemente eines veränderten Verständnisses von Passageritualen wieder. Bis vor wenigen Jahrzehnten wurde hierzulande den großen Kirchen weitestgehend die alleinige Kompetenz für deren Durchführung zugesprochen; es gab neben den Kirchen nur die seitens des Staates zwischen 1855 und 1875 als Zivilehe eingeführte standesamtliche Eheschließung sowie seit den 1920er Jahren die von den Freidenkerverbänden in zahlenmäßig relevanter Größe durchgeführte Jugendweihe. In den letzten Jahrzehnten jedoch hat eine zunehmende Popularisierung und Demokratisierung der Ritualkompetenz dahingehend stattgefunden, dass grundsätzlich nunmehr jedem zugesprochen wird, Handlungen, Ausdrucksformen und Symbole für ein situativ und persönlich angemessenes Passageritual zu kreieren. 31 Als Anbieter treten neben freiberuflichen Ritualdesignern, Hochzeits- und Trauerrednern vor allem humanistische und atheistische Verbände, freireligiöse bzw. unitarische Organisationen sowie neuheidnische und rechtsextreme deutsch-völkische Gruppierungen auf. Ritualdesigner kommen damit mehreren gesellschaftlichen Entwicklungen und individuellen Erwartungshaltungen entgegen. Dem Wunsch nach institutionaler Unabhängigkeit entspricht die Tendenz nach individueller Ausgestaltung eines lebensbegleitenden Rituals. Dabei werden die Ritualfeiern den Bedürfnissen, der Situation und der Geschichte der beteiligten Personen angepasst. Unter der Überschrift „Ritualdesign“ verbindet sich sowohl auf Kunden- wie auf Anbieterseite der An- 29 http://www.thomasdomroese.de/portal.html. 30 http://www.irene-wahle.de/trauer-abschied-tra.html. 31 Dorothea Lüddeckens: Neue Rituale in allen Lebenslagen. Beobachtungen zur Popularisierung des Ritualdiskurses, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, 56(1), 2004, S. 42; 47f; http://www.zora.uzh.ch/51457/1/L%C3%BCddeckens_Neue_Rituale.pdf. 20 spruch auf jeweilige Einmaligkeit, die zur Kreation eines (vermeintlich) neuen Rituals führt. In einem solchen Verständnis orientieren sich Rituale nicht primär an einem tradierten Rahmen aufgrund eines gesellschaftlichen Konsenses, an einer die Gesellschaft stabilisierenden Wiederholbarkeit durch einen gemeinsamen Kanon von Ritualen. In diesem Verständnis sind Rituale nur noch in das Symbolsystem eines Individuums oder einer präzise umrissenen Gruppe (z. B. Familie, Freundes- und Kollegenkreis) eingebunden – und im äußersten Fall auch nur noch für diese Personen verständlich und relevant. 32 Auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens kann dann nur noch hinsichtlich des jeweiligen Anlasses (Geburt, Adoleszenz, Heirat, Tod) abgehoben werden; alles weitere bleibt der individuellen Ausgestaltung überlassen. Allerdings – dies gilt es einschränkend hinzuzufügen –bewegen sich die von Ritualdesignern durchgeführten Passagerituale meist im überlieferten Code des Kulturkreises. So verändert sich die Form des „Über-Individuellen“ von Ritualen. Sie dienen nicht mehr primär der individuellen Vergewisserung, in einen größeren gesellschaftlichen Rahmen eingebunden zu sein. Vielmehr sollen sie das Zufällige und Nicht-Beherrschbare individueller Lebensschicksale ausdeuten und einen „guten“ Start in eine neue Lebens- oder Daseinsphase eröffnen. 5.1 Namensweihe Zum Lebensbeginn machen sowohl religiöse und weltanschauliche Gemeinschaften wie auch Ritualdesigner Angebote, die u. a. als „Namensweihe“, als „Namensfeier“ oder als „weltliche Taufe“ 33 eine Alternative zur Taufe darstellen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Ritualen, die von Anbietern bzw. Ritualdesignern gemeinsam mit den Eltern und Familien entworfen und gestaltet, und jenen, die in einem geprägten religiös-weltanschaulichen Rahmen durchgeführt werden. 5.1.1 Freie Ritualdesigner Für Ritualdesigner stehen bei einer Namensweihefeier die individuellen Gestaltungswünsche der Eltern im Mittelpunkt. Auch die inhaltliche Schwerpunktsetzung wird gemeinsam mit den Eltern und den Familien ausgearbeitet: „Ich frage die Eltern, was sie sich vorstellen, was vorkommen soll, was nicht vorkommen soll. Ob die Paten, der Name des Kindes oder die Gemeinschaft betont werden sollen. Und natürlich an der Location, wo die Feier stattfinden soll. Vielleicht gibt’s ja auch ein Motto – rosa-weiß oder blau-weiß. Auch die vier Urelemente Wasser, Erde, Luft und Feuer können eine Rolle spielen. Und dann überlegen wir gemeinsam, wie das Fest aussehen soll.“ 34 32 Vgl. Lüddeckens, a. a. O., S. 42 ff. 33 Weitere Bezeichnungen: „Wasserweihe“, „Begrüßungsfeier“, „Willkommensfest“, „Begrüßungszeremonie“, „Namensgebungsfeier“, „Geburtsfest“, „Lebensleite“, „Lebensweihe“, „Wiegenfest“. 34 Aus einem Interview mit einer Ritualdesignerin am 18.12.2015. 21 Das Fest kann zuhause, in einer besonders schönen Umgebung oder auch an ungewöhnlichen Orten (z. B. auf See) gefeiert werden. Für das Kind soll ein ganz besonderer Tag gestaltet und der Lebensbeginn gewürdigt werden. Es soll seinen Namen und im Familien- und Freundeskreis gute Wünsche für seinen Lebensweg zugesprochen bekommen. Oft geht es auch darum, das Kind in die Gemeinschaft aufzunehmen, andere Verantwortliche („Paten“) zu benennen und mit symbolischen Handlungen alle Beteiligten für die Herausforderungen der Zukunft zu stärken. 5.1.2 Humanistische Organisationen Der „Humanistische Verband Deutschland e. V.“ (HVD) 35 sowie Jugendweiheverbände 36 bieten Feiern zur Namensweihe bzw. Namensgebung an. Diese Feiern können je nach Anbieter entweder in einem privaten oder aber in größerem Rahmen stattfinden. Die Mitgestaltung durch Eltern und Familien wird ebenso eröffnet wie die Möglichkeit, eine vollständige Feier durch einen der Anbieter planen und durchführen zu lassen. Ein „kleiner Erdenbürger“ soll mit einer solchen Feier „im Leben willkommen geheißen und feierlich in die Familie und den Kreis der Freunde aufgenommen“ 37 werden. Neben einer musikalischen Rahmung, anderen Darbietungen 38 und einer Rede sollen dem Neugeborenen gute Wünsche mit auf den Weg gegeben werden. Die Eltern erhalten eine Urkunde, und dem Kind werden „Paten“ zur Seite gestellt. Auch bei nicht religiös gebundenen Menschen, für die eine Taufe nicht in Frage kommt, weckt die Geburt eines Kindes den Wunsch, diese Veränderung der familiären Situation zu feiern und das Kind mit einem Ritus im Leben zu begrüßen: „Unsere Tochter hat im letzten Jahr ihre Namensweihe bekommen. Wir haben auch nichts mit der Kirche am Hut und wollten aber, dass sie ‚offizielle‘ Paten bekommt, und haben uns daher dafür entschieden. Die Veranstaltung ist in einem sehr netten Rahmen gestaltet worden, mit Musik und Ansprache und sogar einem Geschenk fürs Kind. Die Paten und unsere Tochter haben dann auch eine Urkunde erhalten. Wir haben die Namensweihe in Stralsund gefeiert. Dort wird sie einmal im Frühjahr und dann nochmal im Herbst veranstaltet. Die Kosten beliefen sich bei uns auf 45,00 für die Veranstaltung plus je 3,00 für die Patenurkunde und 3,00 je Sitzplatz für die Gäste. Also ich habe es nicht bereut und würde es immer wieder in diesem Rahmen feiern.“ 39 In welchem Umfang diese verbandsmäßig angebotenen Namensweihefeiern durchgeführt werden, ist statistisch nicht verlässlich zu erheben. Allerdings besteht offenbar eine Nachfrage zu einem solchen Übergangsritual nach der Geburt eines Kindes – wenn auch auf eher niedrigem Niveau. Dies lässt sich aus den Zahlen von „Ju- 35 http://www.humanismus.de/namensfeier. 36 http://jugendweihe.de/namensgebung-feiern.html; http://www.jugendweihemv.de/namensweihe.html. 37 http://www.humanismus.de/namensfeier. 38 2012 wurden z. B. bei einer Namensweihefeier in Güstrow von Gruppen einer Musikschule Tänze aufgeführt. http://www.jugendweihe.info/downloads/aktuell-4_2012_web.pdf?PHPSESSID= 1b46a549a002f10d89b10dbe3cdb9e66. 39 http://forum.gofeminin.de/forum/relationsfamille/__f450_relationsfamille-Namensweihe.html. 40 http://www.jugendweihe.info/downloads/aktuell-4_2012_web.pdf?PHPSESSID= 1b46a549a002f10d89b10dbe3cdb9e66. 22 gendweihe Mecklenburg-Vorpommern e. V.“ ableiten. Hier werden Feierstunden durchgeführt, bei denen mehreren „Kindern die Namensweihe erteilt“ wird. 40 Bei diesem Verband „erhielten seit Vereinsgründung [i. e. 1. Dezember 1990 – J. P.] fast 2.000 Mädchen und Jungen in feierlichem Rahmen ihre Namensweihe.“ 41 Über einen Zeitraum von rund 22 Jahren wurde von diesem Verband in Mecklenburg-Vorpommern also für so viele neugeborene Kinder die Namensweihefeier gestaltet, wie innerhalb eines Jahres dort Kinder in den evangelisch-lutherischen Kirchen getauft werden. 42 In Hamburg wird in Kooperation von HVD und Jugendweihe Hamburg e. V. jährlich für rund 50 Kinder eine Namensweihefeier durchgeführt. 43 Dass die Namensweihefeiern sich im Osten Deutschlands zahlenmäßig einer größeren Beliebtheit als im Westen erfreuen, verdankt sich wohl auch der Tatsache, dass – vergleichbar der Jugendweihe – in der DDR die sozialistische Namensweihe der christlichen Taufe zur Schwächung der Kirchen entgegengesetzt und mit dem ausdrücklichen Ziel der „Entwicklung einer sozialistischen Persönlichkeit“ inszeniert wurde. 44 5.1.3 Weitere Angebote Freireligiöse Szene Die Unitarier bieten eine Lebensleite an, durch die ein Kind im Leben begrüßt wird, um die Eltern in ihrer Verantwortung für die Entwicklung des Kindes zu bestärken; zudem sollen Verwandte, Freunde und Gemeindemitglieder bei der LebensleiteFeier ihre Bereitschaft zur Unterstützung der Eltern bekräftigen. 45 Neuheidnische Szenen Eine dezidiert religiöse, wenn auch nicht-christliche Prägung haben im neuheidnischen Spektrum Feiern zur Namen(s)- und Wasserweihe bzw. zur Lebensleite. Im vermeintlichen Rückgriff auf alte naturreligiöse oder germanische Traditionen werden Rituale für Neugeborene durchgeführt: „Man nehme ein Kind, sammele ein paar nette und verantwortungsbewusste Leute, nehme ein wenig Wasser aus einer guten Quelle, erbitte den Segen der Götter, träufele ein paar Tropfen auf das Kind, verleihe demselben mit wohlgesetzten Worten einen wohlüberlegten Namen und erkenne es gleichsam als Verwandten an. Dann gibt man einen aus und opfert Göttern und Ahnen.“ 46 Bei allen neuheidnischen und germanischen Gruppen spielt das vermeintliche Anknüpfen an ein germanisches Altertum, dessen religiöse Praxis durch das Christentum überformt bzw. zerstört worden wäre, die zentrale Rolle. Zwar wird zugestan- 41 Ebd. 42 Kindertaufen in Mecklenburg-Vorpommern 2.271 (2000), 1.964 (2005), 2.010 (2010). 43 Mündliche Auskunft von Konny Neumann (Jugendweihe Hamburg e. V.) am 10.12.2015. 44 Vgl. Dokumentation: „Sei willkommen, Kind!“ – Auf dem Wege zur sozialistischen Lebensweise, Materialdienst der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen 10/1983, Berlin 1983, S. 283–288. Wortlaut der 1983 von den Eltern zu sprechenden Verpflichtung: „Wir, die Eltern und Paten, wollen alles tun, um das Kind im Geiste des Friedens, der Völkerfreundschaft und zur Liebe zu unserem Staat zu erziehen und ihm eine glückliche Zukunft im Sozialismus zu sichern.“ Vgl. auch: http://www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl?Sozialistische_Namensweihe. 45 http://www.unitarier.de/unitarier/was-wir-tun/feiern/. 46 Das Ritualbuch des Eldaring e. V. Version 1.5, 07.01.2015, S. 11, http://www.eldaring.de/media/Webseite/pdf/Ritualbuch.pdf. 23 den, dass Ordnung und Inhalte entsprechender heidnischer Rituale nicht mehr feststellbar sind. Dies sei aber kein Kriterium, sie nicht als authentisch heidnisch-germanisch zu akzeptieren: „Es gibt aber sehr wenig über den Kult zu finden, und das zu Findende gibt nicht annähernd ein geschlossenes Bild. Daher ist es legitim und notwendig, sich Rituale zu schaffen. Das Ziel ist eben nicht die historische Korrektheit, sondern der Zweck, den sie für die Gemeinschaft und den Einzelnen erfüllen.“ 47 Im Mittelpunkt dieser Feiern für Neugeborene stehen sechs Aspekte: 1. Begrüßung des neugeborenen Kindes, 2. Aufnahme in die Sippe, 3. Weihung des Kindes im Wasser, 4. Stärkung der elterlichen Verantwortung für das Kind, 5. Bekräftigung der Bereitschaft von Verwandten, Freunden und Sippenmitgliedern, die Eltern zu unterstützen, 6. Übernahme einer Patenschaft mit besonderer Verantwortung für das Wohlergehen des Kindes und der Hilfe in Notsituationen. 48 Zahlen für diese neuheidnisch-germanischen Namensweiherituale sind nicht zu ermitteln; immerhin scheint es kleinere neuheidnische Milieus zu geben, denen diese Ritualpraxis selbstverständlich ist. 49 Für neuheidnische Namensweihefeiern werden zwar neuzeitlich konstruierte vermeintlich altgermanische und heidnische Traditionen aufgegriffen, i. d. R. aber nicht mit völkisch-rechtsextremen Vorstellungen verbunden. Diese Verknüpfung wird jedoch bei deutsch-völkischen Gruppen, die germanische und nationalsozialistische Traditionen miteinander verbinden, hergestellt und somit an die Tradition von NSNamensweihefeiern inhaltlich angeknüpft. 50 So bietet die völkische „Artgemeinschaft Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e. V.“ im Rahmen der Lebensfeiern auch ein Fest zur Geburt an. 51 47 Aus einem Internetblog mit der Überschrift „Das Ritual – Die Handlung als Weg. Eine persönliche Betrachtung des Kultes im modernen Asatru“, http://eldaring.domainfactory-kunde.de/ELDARING_4/board58-germanisches-heidentum/board63-brauchtum-und-feste/785-das-ritual-die-handlung-als-weg/; Fehler im Original). Zur rezenten Konstruktion einer heidnisch-germanisch-keltischen Vergangenheit vgl. Stefanie von Schnurbein: Transformation völkischer Religion seit 1945, in: Stefanie von Schnurbein/ Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Völkische Religion und Krisen der Moderne, Würzburg 2001, S. 422–424. Vgl. auch René Gründer: Blótgemeinschaften. Eine Religionsethnografie des ‚germanischen Neuheidentums‘, Würzburg 2010, S. 320 f. 48 Das Ritualbuch des Eldaring, a. a. O., S. 12. 49 Vgl.: http://www.naturglaube.de/system/include.php?path=forum/showthread.php&threadid=505&changestyle=1&PHPKITSID=3549ce51028ff5d7f87ea5a9af8e1df3; http://www.asentr.eu/kindsweihe.html; http://eldaring.domainfactory-kunde.de/ELDARING_4/board38-thingplatz/board41-die-gro%C3%9Fehalle/7588-heidnische-taufe/; http://www.asatru-forum.de/index.php/Thread/19710-Geburt-und-Namensweihe-Taufe/. 50 Vgl. Christian Zentner/ Friedemann Bedürftig (Hrsg.): Lexikon des III. Reiches, München 1985, S. 345 Schlagwort „Lebensfeiern“. Vgl. auch: P. Eberhard Schlund: Neugermanisches Heidentum im heutigen Deutschland, Nachdruck der 2. Auflage, München 1924, Augsburg o. J., S. 45. Vgl.: http://www.karwi.de/elseoventrop/textd/datiert/14-19061937-ansprache-zur-5-namensweihe-4-s.html; http://www.karwi.de/else-oventrop/textd/datiert/13-28051937-ansprache-zur-4-namensweihe-5-s.html. 51 http://asatru.de/infomaterial/inhalt/flugblatt9.pdf. 24 5.2 Jugendweihe Die Darstellung der Jugendweihe konzentriert sich vor allem auf die durch Freidenkerverbände und Jugendweiheverbände angebotenen Passagerituale für Jugendliche in der Adoleszenz. Die historische Entwicklung wird im Folgenden in groben Zügen umrissen, denn sie bildet die weltanschauliche Grundlage, die zu den heutigen Jugendweihefeiern führte. 5.2.1 Jugendweihe im Wandel der Zeiten Die Geschichte der Jugendweihe hat ihren Ursprung in Deutschland im Umfeld der Revolution von 1848. Im katholischen Raum bildeten sich rund 250 von Rom unabhängige katholische nationalkirchliche Gemeinden mit ca. 80.000 Mitgliedern; im protestantischen Bereich gründeten rationalistische Kreise erste kleinere Gemeinden. 1859 schlossen sich die verschiedenen Bewegungen zum „Bund freireligiöser Gemeinden Deutschlands“ zusammen. Vor allem in den sich Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelnden industriellen Zentren (Sachsen, Provinz Sachsen, Badisches Rheinland, Schlesien) fasste die freireligiöse Bewegung Fuß; ein enger Zusammenhang besteht „zwischen industrieller Entwicklung, Migration, sozialer Frage und der Entstehung einer freien Religion bzw. des Atheismus“ 52. Inhaltlich verband die freireligiöse bzw. freidenkerische Bewegung 53 vor allem ein sich immer mehr verstärkendes atheistisches und naturwissenschaftliches Weltbild sowie die Ablehnung der traditionellen Kirchen; deshalb waren 1881 an der Gründung des „Deutschen Freidenkerbundes“ auch freireligiöse Prediger beteiligt. 54 Zu den weltanschaulichen Grundprinzipien der freigeistigen Bewegung in der ausgehenden Kaiserzeit und in der Weimarer Republik gehörten fünf Elemente. Hauptthema war eine Religionskritik, insbesondere eine Kritik an den traditionellen Großkirchen. Daraus abgeleitet wurde die klare Trennung von Staat und Kirche gefordert, wobei nach 1918 vor allem der Einfluss der Kirchen auf die Schulen zu leidenschaftlichen Auseinandersetzungen führte. Hinzu kam die Übernahme des marxistischen Weltbildes und die Ausprägung einer szientistisch geprägten Weltanschauung mit einer „beinahe messianisch verklärte[n] Hoffnung auf eine bessere Gesellschaftsordnung, die ohne Ausbeutung, aber auch ‚ohne religiösen Aberglauben‘ auskommen“ 55 sollte. Dieser Weltanschauung entsprach als vierter weltanschaulicher Baustein die Entwicklung einer neuen Anthropologie, nach der der Mensch Herr und Autor seiner Geschichte sei und nicht ein Geschöpf, das sein Leben einem Schöpfer verdanke. Dies alles sollte durch eine neue freidenkerische, von der Arbeiterbewegung geprägte Kultur weiten Bevölkerungskreisen zugänglich gemacht werden. Dazu gehörten neben der Bildungs- und Sozialarbeit in den Wohnquartieren auch Jugendweihestunden bzw. -feiern und die Propagierung der Feuerbestattung mit der Gründung von Feuerkassen. 56 52 Albrecht Döhnert: Jugendweihe zwischen Familie, Politik und Religion, Leipzig 2000, S. 18. 53 „Eine trennscharfe Unterscheidung von ‚freireligiös‘ und ‚freidenkerisch‘ bezüglich der einzelnen Organisation ist schwer zu treffen.“ Döhnert, a. a. O., S. 19. 54 Döhnert, a. a. O., S. 17–25. 55 Döhnert, a. a. O., S. 27. 56 Döhnert, a. a. O. S. 25–31. 25 5.2.1.1 Jugendweihe vor 1933 Die freireligiös-freigeistige Bewegung hat – ihren Ursprüngen entsprechend – bis 1860 Kasualien in althergebrachten Formen mit neuen Inhalten gefüllt. Während andere traditionelle Formen (insbesondere Taufe und Abendmahl) in den Hintergrund traten, erfreuten sich nichtkirchliche Feiern für Jugendliche in der freireligiösen Bewegung, zunächst unter dem Namen „Confirmation“, steigender Beliebtheit. Zwar prägte sich in den Folgejahren im Süden und Westen Deutschlands zunächst ein positiver, naturmystisch geprägter Jugendweihetypus mit weitgehend unpolitischem Charakter aus, der aber in der ausgehenden Kaiserzeit und in der Weimarer Republik zugunsten der Betonung dieser Feier als eines Passageritus, der aus der Schule ins Berufsleben entlässt, in den Hintergrund trat. 57 Die meisten freireligiösen Gemeinden betonten immer stärker die o. a. fünf Grundprinzipien der freigeistigen Bewegung 58 und führten eigene, kirchenfreie und von kirchlichen Riten abgelöste Jugendweihefeiern durch. In deren Rahmen spielten eine ethisch-soziale Verpflichtung ebenso eine zunehmende Rolle wie die durch den Feierritus zugesprochene Aufnahme in die Welt der Erwachsenen durch das Schulende und den Einstieg ins Berufsleben. 59 Die „proletarische“ Jugendweihe blieb weitgehend auf Berlin (ab 1889) und auf Hamburg (ab 1890) mit vergleichsweise geringen Teilnahmezahlen beschränkt; für 1900 werden reichsweit ca. 575 Teilnehmende genannt. 60 Erst in der Weimarer Republik stiegen die Zahlen signifikant an: „[D]ie Jugendweihebewegung [hatte sich] zu einer Gattung proletarischer Festkultur entwickelt, die für breite Arbeiterschichten akzeptabel war.“ 61 Insbesondere in der Hochburgen der Arbeiterbewegung sollen über 20 % aller Schulentlassenen an Jugendfeiern teilgenommen haben. 62 Sowohl die von sozialdemokratischer wie auch die von kommunistischer Seite veranstalteten Jugendweihen hatten eine klare politische Zielsetzung, indem sie die Jugendlichen den Parteijugendorganisationen zuleiten sollten. Dabei wurde bei der SPD eine Lebenssinn stiftende Dimension „in der Überhöhung des eigenen Lebensalltags in Richtung der übergreifenden Idee“ als Ersatz der religiösen Dimension bisheriger Konfirmationen angeboten 63, ohne dass für die von ihr organisierten Jugendfeiern ein Ausschließlichkeitsanspruch (Jugendfeier oder Konfirmation) beansprucht wurde. Die KPD hingegen setzte die Jugendweihe offensiv für ihre Parteipolitik und zur Rekrutierung kommunistisch gesinnter Jugendlicher ein. 64 57 Döhnert, a. a. O.; S. 38. 58 S. o. 5.2.1. 59 Döhnert, a. a. O., S. 42. 60 Döhnert, a. a. O., S. 35, Fußnote 43. 61 Manfred Isemayer: Jugendweihe/ -feier zwischen Tradition und Moderne, in: Manfred Isemayer: Jugendweihe und Jugendfeier in Deutschland, Marburg 2014, S. 36 f; 44. 62 Ebd. Vgl. auch Döhnert, a. a. O., S. 44 f. 63 Döhnert, a. a. O., S. 48–54. 64 Döhnert, a. a. O., S. 54–56. 26 5.2.1.2 Jugendweihe 1933–1945 Mit der Machtergreifung der NSDAP 1933 kam das Ende der atheistisch-proletarischen Jugendweihetradition. Auch wenn heute von Anbietern der Jugendweihe bestritten wird, dass „der Zeitraum 1933 bis 1945… in die Geschichtsdarstellung einer sich humanistisch verstehenden Jugendweihe“ 65 gehöre, so ist dennoch trotz der vollständigen Liquidierung der freidenkerisch-atheistisch-proletarischen Jugendfeiern auch auf Kontinuitäten hinzuweisen. Letztere drückten sich zunächst in einer vorübergehenden Verbindung freireligiöser und deutschgläubiger Kreise in den Jahren 1933/34 aus 66 und wurden zudem dadurch deutlich, dass sich die neuen, an die nationalsozialistische Ideologie angelehnten Feiern für 14-Jährige vor allem an den gleichen konfessionslosen Adressatenkreis, der auch vor 1933 Jugendweihefeiern in Anspruch genommen hatte, richteten. In den Folgejahren führte die „Deutsche Glaubensbewegung“ so genannte „Deutsche Jugendweihen“ (z. B. 1937 in Leipzig) und die „Deutschen Christen“ Konfirmationen durch, die stark von deutschreligiösen und antikirchlichen Motiven geprägt waren. Döhnert erkennt hier die „Verpflichtung zur Festigung der deutschen Religion, Aufnahme in die Gemeinschaft, weihevolle Stunde“ als tragende Elemente einer kulturkämpferischen Abgrenzung gegenüber der Kirche, die auf demselben Boden stehe wie das Freidenkertum in der Weimarer Republik. 67 Zudem wurden in der NS-Zeit in offenbar zunehmendem Maße Schulentlassungsfeiern als Lebenswendefeiern deutschnational instrumentalisiert. Auch die Überweisungsfeier in die „Hitler-Jugend“ (HJ) bzw. in den „Bund Deutscher Mädel“ (BDM) wurde ab 1940 als Passageritus inszeniert: „Alle bisher üblichen Feste müssen nach und nach in die Feiern zur Verpflichtung der Hitler-Jugend übergehen, so daß diese die einzigen sind, die in würdiger Weise den neuen Lebensabschnitt der 14jährigen Jungen und Mädchen einleiten.“ 68 Inhalt dieser Passageriten waren v. a. eine Verpflichtung bzw. ein Gelöbnis gegenüber dem nationalsozialistischen Staat und dem Führer. Dementsprechend wurden 1942 die Überweisungsfeiern in die HJ bzw. in den BDM unter das Motto „Weihetag der deutschen Jugend“ gestellt. 69 Nach Ende der NS-Zeit beheimateten sich deutschgläubige und völkische Kreise zum Teil in anderen Organisationen und führten dort in neuem Gewand Jugendfeiern durch („Deutsche Unitarier Religionsgemeinschaft“ 70 und die „Artgemeinschaft e. V.“ 71). 65 Isemayer, a. a. O., S. 46. Helga Kutz-Bauer/Konny G. Neumann: Was ist der Mensch, was soll der Mensch? Hamburg 1990, S. 98. Vgl. auch: Weltanschauung. Jugend verändert die Welt. Das Buch zur humanistischen Jugendweihe, Berlin 32012, S. 15. 66 Döhnert, a. a. O., S. 65–73. 67 Döhnert, a. a. O., S. 77. 68 Verpflichtung der Hitlerjugend, In: Die Spielschar, 14 (1941), Zitiert nach Döhnert, a. a. O., S. 103. 69 Neue Leipziger Tageszeitung, 23.03.1942. Zitiert nach Döhnert, a. a. O., S. 107. 70 Handbuch Weltanschauungen, Weltanschauungen, Freikirchen, Hg. im Auftrag der VELKD von Christiane Jahn/Matthias Pöhlmann, S. 400. Die Unitarier haben seit den 1950er Jahren mehrere Abspaltungs- und Neuorientierungsprozesse durchlaufen. Die „Unitarier – Religionsgemeinschaft freien Glaubens“ bekennt sich zu Toleranz, Menschenrechten und Demokratie, während der „Bund deutscher Unitarier – Religionsgemeinschaft europäischen Geistes e. V.“ völkische Vorstellungen propagiert. 71 Ebd. S. 598. Vgl. Friedrich-Wilhelm Haack: Wotans Wiederkehr. Blut-, Boden- und Rassereligion, München 1981, S. 85 ff. 27 5.2.1.3 Jugendweihe 1945–1989 In den Nachkriegsjahren wurde die freidenkerische Jugendweihetradition aus der Weimarer Zeit wieder aufgegriffen und führte im Westen Deutschlands insbesondere in den Großstädten bis in die 1950er Jahre hinein mit relativ großem Erfolg zum Wiederaufblühen der Jugendweihefeiern. So nahmen in Hamburg 1953 mit 3.020 Jugendlichen etwa 14 % des Jahrgangs der 8. Klassen an der Jugendweihe teil. Die SPD knüpfte jedoch nicht an die frühere enge Verbindung zu den Freidenkerverbänden an; insgesamt blieb die Reichweite der durch die freidenkerischen und freigeistigen Verbände angebotenen Jugendweiheveranstaltungen eher gering. Im Osten Deutschlands wurde in den ersten Nachkriegsjahren ein neuer Typus, die „sozialistische Jugendfeierstunde“, entwickelt, ab 1950 war dann die Jugendweihe „im Sinne der früheren Freidenkerverbände“ 72 verboten; stattdessen wurden die Schulentlassungsfeiern für einige Jahre als kulturpolitisches Instrument zur Inkorporation der Jugendlichen in die sozialistische Gesellschaft eingesetzt. Schon 1954 allerdings wurde die Jugendweihe als Kampfinstrument gegen die kirchliche Jugendarbeit durch die SED wieder eingeführt und leitete eine der schärfsten Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat in der DDR ein. Kirchlicherseits wurde zunächst eine Entweder-Oder-Position vertreten, die durch die repressive staatliche Politik allerdings ab 1958 nicht mehr durchgehalten werden konnte: Immer mehr Jugendliche nahmen an der Jugendweihe teil; auch viele jener, die sich konfirmieren ließen. 73 Döhnert beschreibt verschiedene Etappen der Feiergestaltung: In den ersten Jahren (1955–1957) waren die Feiern patriotisch geprägt und wurden als „aggressiver Akt gegen die Kirchen“ 74 flächendeckend eingeführt. Das den Jugendlichen abverlangte Gelöbnis von 1955 spiegelt dies wider. 75 Ab 1957 wurden die Jugendweihen als parteilich-sozialistische und atheistische Kult- und Kulturveranstaltung mit einem deutlichen Bekenntnis zur Politik der SED inszeniert. 76 Und nach 1960, als mehr als 80 % der Jugendlichen an der Jugendweihe teilnahmen und die Mitgliedschaftszahlen in den Kirchen rapide sanken, wurde der antikirch- 72 Beschluss des Politbüros der SED vom 13.02.1950. Zitiert nach Döhnert, a. a. O., S. 118. 73 Vgl. die Grafik bei Döhnert, a. a. O., S. 136. 74 Andreas Fincke: Anmerkungen zur Jugendweihe aus kirchlicher Sicht. In: Isemayer, a. a. O., S. 110. 75 „Liebe junge Freunde! Seid Ihr bereit, für ein glückliches Leben der werktätigen Menschen und ihren Fortschritt in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst zu wirken? Ja, das geloben wir! Seid Ihr bereit, für ein einheitliches, friedliebendes, demokratisches und unabhängiges Deutschland mit Eurem ganzen Wissen und Können einzutreten? Ja, das geloben wir! Seid Ihr bereit, im Geiste der Völkerfreundschaft zu leben und restlos Eure Kräfte einzusetzen, um gemeinsam mit allen friedliebenden Menschen den Frieden zu verteidigen und zu sichern? Ja, das geloben wir!“ http://www.jugendweiheverein-jungseinerwachsenwerden.de/Geschichte.htm (Letztmaliger Zugriff am 01.04.2016.). 76 „Liebe junge Freunde! Seid Ihr bereit, als treue Söhne und Töchter unseres Arbeiter- und Bauernstaates für ein glückliches Leben des ganzen deutschen Volkes zu arbeiten und zu kämpfen, so antwortet mir: Ja, das geloben wir! Seid Ihr bereit, mit uns gemeinsam eure ganze Kraft für die große und edle Sache des Sozialismus einzusetzen, so antwortet mir: Ja, das geloben wir! Seid Ihr bereit, für die Freundschaft der Völker einzutreten und mit dem Sowjetvolk und mit allen friedliebenden Menschen der Welt den Frieden zu sichern und zu verteidigen, so antwortet mir: Ja, das geloben wir! Wir haben euer Gelöbnis vernommen, Ihr habt euch ein hohes und edles Ziel gesetzt. Ihr habt euch eingereiht in die Millionenschar der Menschen, die für Frieden und Sozialismus arbeiten und kämpfen. Feierlich nehmen wir euch in die Gemeinschaft aller Werktätigen in unserer Deutschen Demokratischen Republik auf und versprechen euch Unterstützung, Schutz und Hilfe. Mit vereinten Kräften vorwärts!“ http://www.ddr-schulrecht.de/Schulrechtssammlung%20-%20DDRDateien/pdf/GELoeBNIS1966.pdf. 28 lich-kämpferische Grundton allmählich zurückgefahren; die Jugendweihe war in breiten Bevölkerungsschichten als Übergangsritual akzeptiert. Ab 1968 dann wurde sie als quasi-religiöse und politisch aufgeladene Bekenntnisfeier mit einem Treuegelöbnis gegenüber dem sozialistischen Staat verbunden. 77 Ab Ende der 1950er bzw. Anfang der 1960er Jahre gehörte die Jugendweihe zum Leben der allermeisten Familien in der DDR und zur gesellschaftspolitischen Realität. Sie gewann rasch als Familienfeier einen hohen Stellenwert und wurde zu einer familiären Festtradition, die die Konfirmation in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung als Passageritual weitgehend ersetzte; 1989 nahmen rund 95 % aller Jugendlichen daran teil. Der gewünschte Erfolg allerdings, klassenbewusste sozialistische Persönlichkeiten zu formen, wurde offenbar in weiten Teilen verfehlt. 78 Im Westen hingegen ist die Jugendweihe ab Mitte der 1950er auch als Folge des sich anbahnenden Kalten Krieges und der in den Westen rückwirkenden politischen Instrumentalisierung in der DDR in der Ruch der geistigen Nähe zur DDR-Jugendweihe geraten. In den Folgejahren fristeten die Jugendweiheangebote im Westen ein Nischendasein. Interne Auseinandersetzungen innerhalb des „Deutschen Freidenker Verbands“ (DFV) mit Abspaltungen und Neugründungen von Jugendweiheorganisationen (Trennung des DFV-Landesverbands Berlin vom DFV mit Sitz in Dortmund 1958, Gründung von „Jugendweihe Hamburg e. V.“ 1982) taten ein Übriges. 79 Verlässliche Zahlen über durchgeführte Jugendweihefeiern und die Teilnehmenden in Westdeutschland sind nicht zu erheben. Nach internen Angaben nahmen in Hamburg von 1950 bis 1960 jährlich zwischen 2.000 und 3.000 80 und in den 1980er Jahren in Berlin und Hamburg zwischen 200 und 400 Jugendliche an Jugendweihefeiern teil 81. Die nach dem Krieg im Westen ebenfalls wieder aufgenommenen bzw. fortgeführten Jugendweiheveranstaltungen der freireligiösen Gemeinden nahmen nach einem kurzen Wiederaufleben in den Nachkriegsjahren kontinuierlich ab. 82 77 „Liebe junge Freunde! Seid ihr bereit, als junge Bürger unserer Deutschen Demokratischen Republik mit uns gemeinsam, getreu der Verfassung, für die große und edle Sache des Sozialismus zu arbeiten und zu kämpfen und das revolutionäre Erbe des Volkes in Ehren zu halten, so antwortet: Ja, das geloben wir! Seid ihr bereit, als treue Söhne und Töchter unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates nach hoher Bildung und Kultur zu streben, Meister eures Faches zu werden, unentwegt zu lernen und all euer Wissen und Können für die Verwirklichung unserer großen humanistischen Ideale einzusetzen, so antwortet: Ja, das geloben wir! Seid ihr bereit, als würdige Mitglieder der sozialistischen Gemeinschaft stets in kameradschaftlicher Zusammenarbeit, gegenseitiger Achtung und Hilfe zu handeln und euren Weg zum persönlichen Glück immer mit dem Kampf für das Glück des Volkes zu vereinen, so antwortet: Ja, das geloben wir! Seid ihr bereit, als wahre Patrioten die feste Freundschaft mit der Sowjetunion weiter zu vertiefen, den Bruderbund mit den sozialistischen Ländern zu stärken, im Geiste des proletarischen Internationalismus zu kämpfen, den Frieden zu schützen und den Sozialismus gegen jeden imperialistischen Angriff zu verteidigen, so antwortet: Ja, das geloben wir! Wir haben euer Gelöbnis vernommen. Ihr habt euch ein hohes und edles Ziel gesetzt. Feierlich nehmen wir euch auf in die große Gemeinschaft des werktätigen Volkes, das unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer revolutionären Partei, einig im Willen und im Handeln, die entwickelte sozialistische Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik errichtet. Wir übertragen euch eine hohe Verantwortung. Jederzeit werden wir euch mit Rat und Tat helfen, die sozialistische Zukunft schöpferisch zu gestalten.“ http://www.ddr-geschichte.de/ Bildung/Schule/Jugendweihe/Jugendweihe-Gelobnis/jugendweihe-gelobnis.html. 78 Döhnert, a. a. O., 146. 79 Kutz-Bauer/Neumann, a. a. O., S. 128–131. Döhnert, a. a. O., S. 148 f. 80 Kutz-Bauer/Neumann, a. a. O., S. 111. 81 Isemayer, a. a. O. S. 52 f. 82 Döhnert, a. a. O. S. 149. 29 5.2.1.4 Jugendweihe ab 1990 Nach 1989 wurden die Jugendweihefeiern in den östlichen Bundesländern ihrer politischen Instrumentalisierung entkleidet und stabilisierten sich nach einem kurzen Einbruch ab 1993 zahlenmäßig auf hohem Niveau. Dabei griffen die Verbände auf erfahrene Mitarbeiter und bewährte Strukturen aus der Zeit vor 1989 zurück 83 und konnten an die in vielen Familien nach zwei Generationen schon traditionell verankerte Jugendweihetradition der DDR anknüpfen, denn im Osten Deutschlands ist die Jugendweihe genau dies: „Ausdruck einer positiv besetzten Familientradition“. 84 So wurde schon Ende 1990 der Verein „Jugendweihe Mecklenburg-Vorpommern e. V.“ gegründet 85; er gehört ebenso wie „Jugendweihe Hamburg e. V.“ 86 als Landesverband dem „Bundesverband Jugendweihe Deutschland e. V.“ an 87. An den im Jahr 2013 vom Bundesverband durchgeführten Jugendweihefeiern, für die es keine verpflichtenden Vorbereitungsstunden gibt, nahmen 34.500 Jugendliche teil, 88 im Zeitraum 1991 bis 2014 waren es insgesamt mehr als 1,5 Millionen Jugendliche 89. Es gibt eine stabile, in den östlichen Bundesländern von einer großen Zahl der Jugendlichen wahrgenommene Tradition der Jugendweihe, während sie in den westlichen Bundesländern ein Nischendasein fristet. 90 Beim „Humanistischen Verband Deutschland“ (HVD), der die Jugendliche über ein halbes Jahr auf die Abschlussfeier vorbereitet, beteiligten sich 2013 bundesweit mehr als 10.000 Jugendliche an Jugendfeiern 91. Der HVD stellt sich zwar in die Tradition der ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Jugendweihe, nennt seine Feiern aber bewusst nicht Jugendweihefeier, vor allem, um sich von der Instrumentalisierung der Jugendweihe in der DDR zu distanzieren. 92 Inhaltlich haben sich die Jugendweihefeiern in ihrer Feiergestalt weitgehend von antikirchlichen und antireligiösen Affekten sowie vom ideologischen Ballast der politischen Instrumentalisierung der DDR-Zeit gelöst 93 und stehen heute für eine religionslose und atheistische Feiertradition. Die humanistische bzw. atheistische Ausrichtung wird bei „Jugendweihe Deutschland e. V.“ durch das als Jugendweihegeschenk überreichte Buch deutlich. Diese Geschenkbücher haben inhaltlich unterschiedliche Ausrichtungen: Es gibt 83 Vgl. http://www.zeit.de/2011/23/S-Jugendweihe/seite-2. 84 Andreas Fincke: Anmerkungen zu Jugendweihe aus kirchlicher Sicht, in: Isemayer, a. a. O., S. 117. 85 http://www.jugendweihemv.de/wir-ueber-uns.html. 86 http://www.jugendweihe-hamburg.de/. 87 http://www.jugendweihe.de/index.html. 88 http://jugendweihe.de/news---informationen.html. 89 http://www.jugendweihe.de/files/Statistiken-JWDL-2015-JW.pdf. 90 Vgl. Emilia Handke: Weder Jugendweihe noch Konfirmation. Erkundungen in einem unbekannten Feld, in: Pastoraltheologie 105, Göttingen 2016, S. 107 f. Während im Osten Deutschlands knapp ein Drittel der Jugendlichen eines Jahrgangs die Jugendweihe in Anspruch nehmen (2010: ca. 33.000), sind es im Westen Deutschlands weniger als 0,1 % (2010: 327). 91 Margrit Witzke: JugendFEIER heute. In: Manfred Isemayer, a. a. O. S. 140. 92 Horst Groschopp: Eine kleine Geschichte der Jugendweihe, in: diesseits, Berlin 14/2000, http://fowid.de/fileadmin/textarchiv/Groschopp_Horst/Jugendweihe_Geschichte_TA2000_9.pdf, Seite 2 f. 93 Das bedeutet nicht, dass insbesondere bei Interessenkonflikten bzw. Forderungen hinsichtlich der Gleichstellung mit den Kirchen, aber auch in der Selbstpositionierung gegenüber den Kirchen auf antireligiöse Affekte verzichtet wird. Vgl. Horst Groschopp: Die Jugendweihe, in Isemayer, a. a. O., S. 98 ff; Siegfried R. Krebs: Passageritus: Jugendweihe und Jugendfeier in Deutschland, insbes. der Abschnitt: Zerrbilder aus kirchlicher Sicht, http://www.freigeist-weimar.de/beitragsanzeige/passageritus-jugendweihe-und-jugendfeier-in-deutschland/. Vgl. auch die Zitate von Friedrich Heer, Hermann Hesse und Ralf Penczig in: Kutz-Bauer/Neumann, a. a. O., S. 212. 30 Bände, die historische Darstellungen zur Jugendweihe enthalten 94, andere, die als Almanach mit Kurzbeschreibungen der Kontinente und Länder 95 oder als Text- und Arbeitsbuch zu einer Fülle jugendspezifischer (z. B. Liebe und Partnerschaft, Drogen, Mobbing, Beruf) und allgemeiner Themen (z. B. Staat und Gesellschaft, wissenschaftliches Weltbild, Sinnfragen, Werte und Wertewandel, globale Entwicklung) gestaltet sind 96. Grundlegend sind den Geschenkbüchern die Vermittlung humanistischer Werte, die Betonung der menschlichen Vernunft zur Gestaltung des persönlichen und des gesellschaftlichen Lebens sowie die Befürwortung eines szientistischen Weltbildes. In einem Programmheft zur Jugendweihe 2016 wird betont, dass die humanistische „Weltanschauung nicht auf veraltete Dogmen und Bibelweisheiten [reduziert], sondern […] die Ergebnisse weltweiter Forschung in unser Weltbild“ einbeziehen würde. 97 In diesem Weltbild gibt es keinen Raum für den christlichen Gottesglauben, der einerseits wissenschaftliche Erkenntnisse akzeptiert 98 und andererseits an durch die Bibel vermittelten Glaubensüberzeugungen und an der Glaubenshoffnung, über den Tod hinaus bei Gott geborgen zu sein, festhält 99. So werden Religionen im Rückgriff auf Feuerbach als menschengemachte Wunschbilder zur Lebensbewältigung definiert 100 oder rein deskriptiv behandelt. 101 Bei der Entscheidung Jugendlicher für die Jugendweihe ist die Rolle der Eltern „kaum zu überschätzen“. 102 Gerade im Osten Deutschlands dürfte es für die nach wie vor weite Verbreitung der Jugendweihe vor allem folgende Gründe geben: Eltern tradieren eine von ihnen als positiv erlebte Feierkultur. Jugendliche, die die Jugendweihe in Anspruch nehmen, verhalten sich mehrheitskonform im sozialen Umfeld, das vor allem durch die Schule repräsentiert wird; dieses mehrheitskonforme Verhalten innerhalb einer Peer-Group ist nicht begründungspflichtig, sondern selbstverständlich. Des Weiteren wird die Jugendweihe von Jugendlichen auch deshalb befürwortet, weil sie bei älteren Geschwistern oder in der Verwandtschaft als Statuszugewinn erlebt wurde. Für Jugendliche – auch im Westen –, die bewusst für die Jugendweihe und gegen eine Konfirmation bzw. Firmung optieren, ist der fehlende Bezug zum Christentum bzw. die familiär tradierte, bewusste Teilnahme an säkularen Ersatzhandlungen (Namensweihe, Jugendweihe) Grundlage der Entscheidung. Für manche Jugendliche ist die Jugendweihe auch aufgrund ihrer Unverbindlichkeit ohne weitere biographische Konsequenzen oder inhaltliche Inanspruchnahme attraktiv. 103 94 Kutz-Bauer/Neumann, a. a. O. 95 Die Welt in der wir leben, Stuttgart 1998. 96 Weltanschauung – Jugend verändert die Welt: Das Buch zur humanistischen Jugendweihe, a. a. O. 97 Kursheft 2016. Informationen für Eltern und Jugendliche, Hg.: Jugendweihe Hamburg e. V. Landesverband Hamburg/Schleswig-Holstein, Hamburg, o. J., S. 5. 98 Vgl. Konny G. Neumann: ID: Die Alternative zur Evolution, in Glauben: Menschen machen Religion, S. 95–97 99 Vgl.: Für die Jugend. Mit der Jugend. 20 Jahre Jugendweihe Deutschland e. V., Berlin 2010, S. 161. 100 Konny G. Neumann: Glauben: Menschen machen Religionen, in: Jugend verändert die Welt: Das Buch zur humanistischen Jugendweihe, Berlin 2009, S. 134 f. Ders.: Glauben: Menschen machen Religionen, in: Jugendweihe. Wendepunkt. Weltanschauung. Werte. Das Buch zur humanistischen Jugendweihe, Berlin 2016, S. 171 ff. 101 Die Welt in der wir leben, a. a. O., passim. Weltanschauung – Jugend verändert die Welt: Das Buch zur humanistischen Jugendweihe. Berlin 2009, 136 ff. 102 Döhnert, a. a. O. 313. 103 Döhnert, a. a. O., S. 313–322. 31 Immer wieder werden vor allem zwei kritische Anfragen an die Jugendweihe gestellt: Worin liegt der biographische Mehrwert einer Jugendweihe für Jugendliche? Und woraufhin erfolgt eigentlich die Weihe? Die Jugendweihefeier nur auf einen schönen, in der Familientradition begründeten Event zu reduzieren, greift sicherlich zu kurz. Denn die Jugendlichen erfahren in ihrem Leben einen Statusgewinn, stehen sie doch – oft erstmalig – in einem größeren Rahmen im Mittelpunkt. Für sie und ihre Familien verschränken sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem privaten und in einem das Private transzendierenden Rahmen. So wird durch die lokale mediale Aufmerksamkeit, durch das Auftreten von Personen aus der Öffentlichkeit (z. B. Politiker, Künstler, Sportler, Verbandsvertreter), durch das Hineintreten des Jugendlichen und seiner Familie in die Öffentlichkeit der private, familiäre Raum zur Gesellschaft hin geöffnet. Und diese bestätigt durch ihre Vertreter und die von ihnen gehaltenen Festreden die Sinnhaftigkeit dieses Ritus, will die Jugendlichen auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden stärken und spricht ihnen damit zu, in der Erwachsenenwelt willkommen zu sein. Dass die Festreden oftmals unverbindlich und appellativ wirken und recht eindimensional von den Höhen und Tiefen des Lebens sprechen, 104 tut der „gefühlten“ größeren Dimension des Lebens, die diese Feier eröffnet, und der ihr beigemessenen Bedeutung keinen Abbruch. 105 Für den festlichen Charakter der Jugend(weihe-)feier wird ein mehr als einstündiges Programm geboten mit einem feierlichen Ein- sowie abschließenden Auszug der Jugendlichen, die während der Veranstaltung auf einem Podium oder in den ersten Reihen sitzen. Bestandteil der Feiern sind Musikdarbietungen, zu denen neben Pop-Repertoire (z. B. von den Beatles, Peter Maffay, Elton John) auch traditionelle Volks- bzw. Freiheitslieder („Die Gedanken sind frei“) gehören können. Rezitationen aus der Literatur, eine Festrede, die Übergabe der Geschenkbücher und Urkunden sowie ein Dankeswort der Jugendlichen sind zentrale Bestandteile von Jugendweihefeiern. 106 Nach wie vor ist die Frage des „Weihe“-Charakters der Jugendweihefeier nicht hinreichend geklärt. Denn der Begriff „Weihe“ impliziert eine wie auch immer geartete religiös-spirituelle Handlung bzw. eine Statusveränderung des Geweihten. Dem entsprachen in den Jahren vor 1989/90 die je nach politischem Hintergrund unterschiedlichen Gelöbnisse, sich in einem größeren Rahmen für die Ideen der Arbeiterbewegung einzusetzen, in die religiöse Verehrung des Arisch-Deutschen und des Führers einzustimmen oder sich dem DDR-Sozialismus mit allen Kräften zu verschreiben. Durch den Verzicht auf ein Gelöbnis bei allen Jugendweiheverbänden 104 Vgl. z. B. die Festreden von: Stefan Liebich (Die Linke, MdB), http://www.stefan-liebich.de/de/article/ 2464.nehmt-euer-leben-in-eure-eigenen-haende.html; Birgit Klaubert (Die Linke, Ministerin für Bildung, Jugend und Sport in Thüringen), http://www.dr-birgit-klaubert.de/reden/jugendweihe_04.htm (Letztmaliger Zugriff 11.04.2016.). 105 Albrecht Döhnert: Kein Grund zu überlegenem Lächeln. Jugendweihe zwischen Konkurrenz und Lernverhältnis, in: Lernort Gemeinde, 20. Jahrgang, Heft 2/2002, Hannover 2002, S. 25 f. Vgl.: Albrecht Döhnert: Jugendweihe zwischen Familie, Politik und Religion. Eine empirische Studie zum Fortbestand der Jugendweihe in Ostdeutschland, in: Detlef Pollack/Gert Pickel: Religiöser und kirchlicher Wandel in Ostdeutschland 1989–1999,Opladen 2000, S. 236–258. 106 Programmheft der Jugendweihe-Feiern 2015 am Samstag 14. Und 28. März, Hg.: Jugendweihe Deutschland e. V., Hamburg o. J., S. 18 f. 32 werden all diese mit dem Begriff „Weihe“ verbundenen, aus der Geschichte der Jugendweihe sich nahelegenden Assoziationen vermieden. So kann hier nur vermutet werden, dass der Begriff „Weihe“ deshalb beibehalten wurde, um neben der Traditionsverhaftung des Begriffs vor allem das Besondere und Einmalige der Feier zu betonen und den Beteiligten zudem die Anknüpfung an die eigene Familientradition zu eröffnen. 5.2.2 Jugendweihe bei Ritualdesignern Angebote zur Jugendweihe finden sich auch bei Ritualdesignern, die in einem familiär-privaten Rahmen eine Feier zum Erwachsenwerden anbieten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Nachfrage nach diesen privaten Feiern angesichts der in fast allen Regionen Deutschlands durch Verbände durchgeführten Jugendweihe in einem zahlenmäßig bescheidenen Umfang stattfinden. Die Vorbereitung, Gestaltung und Durchführung dieser Feiern wird genauso individuell vollzogen wie bei den Namensweihefeiern. 107 5.2.3 Weitere Angebote Freireligiöse Szene Die Unitarier bieten eine Jugendleite „für den wichtigen Übergang von der Jugendzeit zum Erwachsenenwerden“ auch für Jugendliche aus nicht-unitarischen Familien an. In der Vorbereitungszeit auf die Jugendleite-Feier soll den Jugendlichen „Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen und religiöse Eigenständigkeit“ vermittelt werden. Den vorläufigen Abschluss dieses „Weg[s] zur Eigenständigkeit“ bildet die festliche Feier. 108 Neuheidnische Szenen In neuheidnisch-germanischen Kreisen gibt es eine Jugendleite, auch Muntfeier genannt, die den Übergang zum Erwachsenwerden begleitet und nach der ersten Menstruation bzw. nach dem Stimmbruch erfolgen soll. 109 Allerdings scheint dieses Lebenskreisfest in neuheidnischen Kreisen eher am Rande eine Rolle zu spielen. Auch in völkisch-rechtsextremen Kreisen gibt es eine Jugendfeier, die den Übergang zum Erwachsenwerden begleiten soll, in deren Mittelpunkt aber das bewusste Hineinnehmen der Jugendlichen in völkisch-germanische Vorstellungen steht. 110 107 S. o. 3.1.1. 108 https://www.unitarier.de/unitarier/was-wir-tun/feiern/. 109 Das Ritualbuch des Eldaring e. V., a. a. O., S. 13 ff. 110 http://www.asatru.de/nz/index.php?option=com_content&view=article&id=39:die-jugendfeier&catid= 15:schrifttum&Itemid=18. 111 http://www.freie-trauung.com/brautpaar-referenzen/. 33 5.3 Hochzeit Hochzeiten sind die Kasualien, für die in den letzten Jahrzehnten zahlenmäßig am stärksten alternative und neue Formen neben den Kirchen entwickelt wurden. So bieten neben den im Folgenden dargestellten Angeboten Standesämter seit Längerem neue Möglichkeiten für die standesamtliche Eheschließung an: standesamtliche Eheschließungen werden z. B. in Schlössern, auf Schiffen, in historischen Gebäuden oder auch in Hotels ermöglicht. Hochzeiten sind die Kasualien, die am intensivsten einer dynamischen Pluralisierung unterliegen. Diese Veränderungen betreffen alle für eine Hochzeit relevanten Bereiche: Orte, inhaltliche Gestaltungselemente, Symbolhandlungen und musikalische Schwerpunkte. 5.3.1 Freie Ritualdesigner „So mancher unserer Gäste war dieser ‚Zeremonie ohne Pfarrer und dann auch noch im Freien‘ sehr kritisch gegenübergestanden. Und die, denen wir den Preis einer freien Trauung verraten haben, waren sogar der Meinung, so etwas braucht man nicht. Doch wir wollten etwas Besonderes und haben uns nicht beirren lassen. Nach Ende unserer Trauung waren alle eines Besseren belehrt. Es gab Lob aus allen Ecken. Absolut jeder war der Meinung, noch nie eine so persönliche und schöne Traurede gehört zu haben. Die meisten hatten feuchte Augen und sogar die Generation 70+ hat bei der Aussage ‚besser als jeder Pfarrer‘ nickend zugestimmt!“ 111 Diese Danksagung an eine freie Rednerin verdeutlicht exemplarisch, was sich die Klientel von Ritualdesignern für ihre Hochzeit wünscht: Ein individuelles, sich – vermeintlich – von anderen Feiern abhebendes und als schön empfundenes Hochzeitsritual. Zudem wird das Vorurteil bestätigt, dass die persönlichen Vorstellungen und Wünsche von Brautpaaren in kirchlichen Trauungen nicht angemessen berücksichtigt würden. Entsprechend veröffentlichen Ritualdesigner Danksagungen auf ihrer Internetpräsenz, aus denen deutlich wird, wie das Kunde-Dienstleister-Verhältnis den Kontakt bestimmt: „Dass unsere Wünsche für diesen Tag recht groß waren, wussten wir von Anfang an. Von der Limousine zur Trauung im Turm mit Stein setzen, Helikopter fliegen, Schifffahrt, weiße Tauben, die weiße Kutsche, die Torte und das herrliche Feuerwerk hast du mit viel Ruhe und Harmonie für uns den perfekten Tag gestaltet.“ 112 Hauptgrund der Brautpaare, sich an einen Ritualdesigner zu wenden, ist der Wunsch nach einer auf die Vorstellungen des Paares abgestimmten rituell gestalteten Hochzeitsfeier. Im Mittelpunkt stehen hier nach der Ergebnissen der Interviews mit Ritualdesignern vor allem folgende Vorstellungen zur Gestaltung eines Ritus: 111 http://www.freie-trauung.com/brautpaar-referenzen/ 112 http://www.traumhochzeitaufruegen.de/?page_id=11&title=referenzen (Letztmaliger Zugriff am 07.02.2013.). 34 – Paare möchten ihre Feier an einem besonderen Ort durchführen (z. B.: am See, in einer Barkasse, am Strand, in einer Scheune, auf einer Verkehrsinsel etc.); – die Hochzeitsrede soll das Paar und gegebenenfalls die Mitfeiernden in den Mittelpunkt stellen; – ein Äquivalent zur agendarisch vorgesehenen Traufrage soll die gegenseitige Zusage des Paares, in Liebe und Treue einander verbunden zu bleiben, besiegeln; – Symbolhandlungen (Aufsteigen-Lassen von Luftballons, Schwimmkerzen auf dem See, Feuerwerk u. a. m.) sollen dem Wunsch des Paares für Ehe und Partnerschaft während der Hochzeitszeremonie Ausdruck verleihen; – musikalisch soll die Feier den Vorlieben des Paares entsprechen. Auch Paare, die aus verschiedenen Gründen keine standesamtliche Eheschließung vollziehen lassen können oder denen aufgrund einer vorausgegangenen Scheidung in der römisch-katholischen Kirche eine erneute Trauung versagt bleibt, wenden sich oftmals an Ritualdesigner. Mediale Einflüsse haben in den letzten 25 Jahren die Vorstellungen zur Gestaltung von Hochzeiten in starkem Maße geprägt. Zu nennen sind hier in erster Linie zwei um Hochzeiten inszenierte Fernsehshows, bei denen man entweder die Ausrichtung der Feier durch einen Fernsehsender („Traumhochzeit“, RTL) 113 oder eine einwöchige Hochzeitsreise („4 Hochzeiten und eine Traumreise“, VOX 114) gewinnen konnte bzw. kann. Abgesehen vom Wettbewerbsrahmen werden hier Gestaltungsund Inhaltselemente vorgegeben und Geschmacksbeurteilungen abgegeben, die auch Rückwirkungen auf kirchliche Trauungen hatten und haben. Auch TV-Übertragungen von Hochzeiten aus Königshäusern mit den einer breiten Öffentlichkeit zugänglichen Ritualformen dürften auf die Bild- und Vorstellungswelt, wie eine Trauung durchgeführt werden könnte, Einfluss haben. 115 So ist beispielsweise bis Anfang der 1990er Jahre die Begleitung der Braut in den Trauungsgottesdienst durch ihren Vater über Jahrzehnte hin immer mehr in den Hintergrund getreten; seit 1992 mit der ersten Staffel der „Traumhochzeit“ wird die Brautzuführung bei der überwiegenden Zahl kirchlicher Trauungen gewünscht. Auch die Aufforderung nach vollzogenem Traubekenntnis und Segnung des Paares „Nun dürfen Sie die Braut küssen!“ bzw. „Nun dürft Ihr einander küssen!“, die keinen Anhalt in evangelischen Trauagenden hat, aber im Rahmen der Trauhandlung erwartet wird, dürfte auf entsprechende medial geprägte Vorstellungen zurückzuführen sein. 113 „Traumhochzeit“, 1992 bis 2000, RTL, moderiert von Linda DeMol. 114 „Vier Hochzeiten und eine Traumreise“, seit Dezember 2012, VOX, moderiert vom Eventmanager Frank („Froonck“) Mathée; vgl.: http://www.wedding-agency.de/. 115 Vgl. hierzu auch: Jo Reichertz: „Traumhochzeit“ – Magie und Religion im Fernsehen oder: Die Wiederentdeckung des Religiösen, in: Pastoraltheologie 88, Göttingen 1999, S. 2–15. Michael Schibilsky: Kasualien in der Mediengesellschaft, Anmerkungen zu den Beobachtungen von Jo Reichertz zur „Traumhochzeit“, in: Pastoraltheologie 88, Göttingen 1999, S. 16–23. Martin Dutzmann: Das Fernsehen ist nicht die Kirche. „Traumhochzeit“ und kirchliche Trauung. Kritische Anmerkungen zum Aufsatz von Jo Reichertz, in: Pastoraltheologie 88, Göttingen 1999, S. 24–28. Eberhard Hauschildt: Kirchliche Trauungen zwischen Magiebedürfnis und Interpretationschance. Zu den Beiträgen von Jo Reichertz und Martin Dutzmann, in: Pastoraltheologie 88, Göttingen 1999, S. 29–33. 35 Es hat sich eine breit aufgestellte Angebotspalette unterschiedlichster Ritualdesigner und Festredner etabliert, von denen die meisten Hochzeiten und Trauerfeiern als Kern ihrer Angebote beschreiben. In einer der Internetpräsenzen mit mehr als 500 Zeremonienleitern werden die Merkmale einer nichtkirchlichen Hochzeit auch im Gegenüber zur kirchlichen Trauung und zur standesamtlichen Eheschließung dargestellt: Was ist der Unterschied zwischen freier Trauung und kirchlicher Trauung? Die freie Trauung bietet mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Hier nur die wichtigsten Punkte: Ort Zeitpunkt Ablauf Rituale Inhalt Zeremonienleiter Religion(en) Freie Trauung Kirchliche Trauung frei wählbar frei wählbar frei wählbar frei wählbar frei wählbar frei wählbar frei wählbar Kirche, Kapelle beschränkt wählbar nicht wählbar nicht wählbar beschränkt wählbar beschränkt wählbar nicht wählbar Was ist der Unterschied zwischen freier Trauung und standesamtlicher Trauung? Die freie Trauung bietet mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Hier nur die wichtigsten Punkte: Ort Zeitpunkt Ablauf Rituale Inhalt Zeremonienleiter Religion(en) Freie Trauung Standesamtliche Trauung frei wählbar frei wählbar frei wählbar frei wählbar frei wählbar frei wählbar frei wählbar beschränkte Auswahl beschränkte Auswahl nicht wählbar nicht wählbar nicht wählbar nicht wählbar nicht wählbar 116 Da es sich um einen freien Markt mit Angeboten des Ritualdesigns und der Nachfrage von Brautpaaren nach einer Hochzeitsfeier handelt, werden die Angebote auch marktförmig in Anspruch genommen. In einem Interview berichtete ein Ritualdesigner, wie Brautpaare – sofern sie ihn noch nicht bei einer Hochzeit im Familienbzw. Bekanntenkreis erlebt haben – in der Regel zur Auswahl des Anbieters für ihre 116 http://www.zeremonienleiter.de/content/6/Freie_Trauung/Freie_Trauung__ber_500_freie_Theologen_Hochzeitsredner_freie_Redner (Hervorhebungen im Original). 36 Feier gelangen: Im Internet werden mehrere Ritualdesigner aus der regionalen Umgebung gesucht, mit denen zunächst ein kürzeres unverbindliches, kostenloses Vorgespräch geführt wird, um sich danach für einen zu entscheiden. Dann werden ein bis zwei Vorbereitungsgespräche geführt, deren zeitlicher Umfang bis zu sieben Stunden ausmachen kann und in denen die genaue Gestaltung der Hochzeitszeremonie besprochen wird. So nehmen die sich in den letzten Jahrzehnten ausweitenden Angebote für nichtkirchliche Hochzeitsfeiern diese individuellen Vorstellungen auf, um für jedes Paar das passende Ritual zu entwickeln. Ritualdesigner verstehen sich bei der Durchführung von Hochzeitsfeiern als vorübergehende Wegbegleiter für diesen besonderen Moment des Lebens: „Gemeinsam finden wir eine Hochzeitszeremonie, die zu Ihnen passt, und eine Traurede, in der Sie sich wiederfinden.“ 117 Im Mittelpunkt soll das Paar stehen, mit der für das Paar zugeschnittenen Hochzeitszeremonie: „Eine Freie Trauung […] ist […] eine schöne Möglichkeit, dem Bedürfnis nach einer individuellen Zeremonie gerecht zu werden.“ 118 Dabei sind Ritualdesigner bereit, sich auf fast alle religiösen oder weltanschaulichen Wünsche der Brautpaare einzulassen und gleichsam stellvertretend für den Familien- und Freundeskreis eine Aufgabe professionell zu übernehmen: „Man mietet sich einen Freund, einen Menschen, der mit Wohlwollen und Sympathie und seiner Persönlichkeit da ist, ohne einen zu überschwemmen.“ 119 Diesem Selbstverständnis entsprechend eröffnen Ritualdesigner eine Fülle von Gestaltungsspielräumen hinsichtlich des Ortes, der Symbolhandlungen oder der musikalischen Ausgestaltung einer Hochzeitszeremonie. 120 Entsprechend der individuellen Ausrichtung ihres Dienstleistungsangebots stellen Ritualdesigner in ihren Internetpräsenzen auch keinen idealtypischen Ablauf einer Hochzeitszeremonie vor. Zwar werden die o. a. Gestaltungsinhalte (musikalischer Rahmen, Rede, Treuebekenntnis, Symbolhandlungen) bei fast allen Feiern aufgenommen, werden aber in Vorgesprächen ausgehandelt und festgelegt. Da der zeitliche Aufwand je nach Hochzeit sehr stark variiert, vermeiden es die meisten Ritualdesigner bis auf wenige Ausnahmen, die Kosten auf ihrer Homepage anzugeben, sondern klären die finanziellen Rahmenbedingungen im persönlichen Gespräch. 117 Freier Theologe Thomas Domröse, http://www.thomasdomroese.de/index.html. Vgl. Rednerin Michaela Mann, http://michaela-mann.net/?page_id=533; Freie Rednerin Eva Wester, http://www.weltlichetrauung.de/html/zeremonien.html; Freier Theologe Klaus Behner, http://www.freie-theologen.de/wer-undwo/klaus-behner/. 118 http://www.traufeier.com/. 119 Anton Aschenbrenner (Freier Theologe und ehemaliger römisch-katholischer Priester) in: Pfarrer zu mieten, ARD-Reportage Gott und die Welt, 04.11.2012. http://www.antonaschenbrenner.de/biographie.htm). 120 Über Hochzeiten zweier Menschen hinaus werden auch ungewöhnliche Formen der rituellen Begleitung eröffnet: „Kann man sich selbst heiraten? Prinzipiell ist die Anzahl derer, die sich frei trauen lassen, frei wählbar. Sie können sich in einer freien Zeremonie jedes Versprechen geben das Sie möchten. Kann man sich mit einem Tier frei trauen lassen? Beziehungen zu Tieren sind oft sehr innig. Sie können diese Verbundenheit mit einer freien Zeremonie festigen. Ebenso ist es möglich, ein Tier, das einen wichtigen Platz in einer Beziehung einnimmt, mit einer Zeremonie in diese Beziehung mit aufzunehmen.“ http://zeremonienleiter.de/content/6/Freie_Trauung/Freie_Trauung__ber_500_freie_Theologen_Hochzeitsredner_freie_Redner. 37 5.3.2 Humanistische Organisationen Vom „Humanistischen Verband Deutschland e. V.“ wird die Durchführung von Hochzeitsfeiern angeboten, deren Gestaltung in der Absprache mit dem Hochzeitspaar erfolgt. Christliche bzw. religiöse Inhalte sind bei diesen Feiern anders als bei freien Ritualdesignern grundsätzlich ausgeschlossen, vielmehr sind diese Feiern „weltlich, selbstbestimmt und individuell“ ausgerichtet. 121 5.3.3 Weitere Angebote Freireligiöse Szene Die Unitarier bieten eine Eheleite an, die sich von denen der neuheidnischen Szene 122 deutlich unterscheidet. Im Mittelpunkt der unitarischen Form der Eheschließung steht die Bekräftigung beider Eheleute „zum gemeinsamen Lebensweg und zur Verantwortung füreinander“. Die Unitarier würden bei einem glaubensverschiedenen Paar gegebenenfalls auch einen nichtunitarischen Vertreter der anderen Religion mitwirken lassen. 123 Neuheidnische Szenen Im Neopaganismus werden neuheidnische Hochzeitsriten, so genannte Eheleiten 124, angeboten, die den Anspruch erheben, auf vermeintlich alte germanische bzw. nordische Rituale zurück zu greifen, in Inhalt und Ausgestaltung jedoch neuzeitlichen Ursprungs sind. Dabei werden die Götter um Unterstützung zum Gelingen der Ehe gebeten, damit das Ehepaar sagen könne: „Ich bin jetzt nicht mehr allein, denn alles was uns trifft, im Guten wie im Schlechten, trifft uns zusammen. Wir haben unseren Schicksalsfaden miteinander verknüpft. Unser junges Sippenheil liegt in unseren Händen. Es liegt allein an uns, was wir daraus machen. Mit den Göttern an unserer Seite.“ 125 Üblicherweise findet die Eheleite in freier Natur statt, wenn möglich an einem als „heilig“ bezeichneten Ort. Aus dem o. a. Zitat wird deutlich, dass eine heidnische Eheleite zwar eine rituelle Feier bei der Hochzeit eines heterosexuellen Paares ist, allerdings der Beistand der Götter allenfalls als unterstützend angesehen wird; eine göttliche Kraft ist nicht der Grund, auf dem eine solche Ehe aufgebaut ist. Zudem spielt in einem Teil der neuheidnischen Szene bei einer Eheleite die archaische Vorstellung der Sippe in einem weiteren Zusammenhang eine wichtige Rolle, in der der Mann darüber hinaus der Frau übergeordnet wird: „Bei der Ehe/Hochzeit handelt es sich nur sekundär um die Verbindung zweier sich liebender Menschen zu einer neuen Familie. Primär ist es die Verbindung zwischen zwei Sippen – mit all den Implikationen, die das hat. Es handelt sich dabei um einen Vertrag – Ehe kommt von êwa, dem Vertrag auf gegenseitige Treue. Die beiden Individuen, die sich das Ja- 121 http://www.humanismus.de/hochzeitsfeier. 122 S. u. 4.3.3. 123 https://www.unitarier.de/unitarier/was-wir-tun/feiern/. Hinzuweisen ist darauf, dass ein „evangelischer Pfarrer oder eine evangelische Pfarrerin… sich nicht aktiv an einer unitarischen Trauung beteiligen“ können; vgl.: Handbuch Religiöse Gemeinschaften, Weltanschauungen, Freikirchen, Hrsg.: Matthias Pöhlmann/ Christiane Jahn im Auftrag der VELKD, Gütersloh 2015, S. 404. 124 Andere Benennungen: Handfasting, Heidenhochzeit, Hexen- oder Wiccahochzeit, Spirituelle Hochzeit, Germanische oder Keltische Hochzeit. 125 http://www.asentr.eu/eheleite.html#_Toc413004883. 38 Wort geben, sind jeder Teil einer Sippe und die Hochzeit verbindet beide. Die Hochzeit ist ein ‚Adoptionsritual‘, bei dem eine sippenfremde Person in die Sippe des Mannes aufgenommen wird.“ 126 Auch durch die Anrufung bzw. mit der Erwartung des Beistands der Ahnen für das Ehepaar kann einer neuheidnischen Eheleite eine spirituelle Dimension eröffnet werden, durch die die Ehe in einen mythischen, über die Jetzt-Zeit hinausreichenden Kontext gestellt wird. Die Eheleite wird bei den diversen neuheidnischen Gruppen entweder mit eher festgefügtem Ritual 127 oder mit dem Angebot der Gestaltungsfreiheit durchgeführt; 128 allerdings sind die Anrufung der nordischen Götter und der Ahnen, die Einbindung in die Sippe und gemeinsame Ess- bzw. Trinkrituale konstitutiv. Inzwischen gibt es auch kommerzielle Angebote zur Durchführung einer neuheidnischen Eheleite. 129 Zu unterscheiden von diesen neuheidnischen Hochzeitsritualen sind die Eheleiten oder Eheweihen im rechtsextremen Spektrum, die sich zwar ähnlicher inhaltlicher Elemente bedienen, diese aber völkisch überhöhen. 130 5.4 Trauerfeier Trauerfeiern sind als die Passagerituale zu charakterisieren, bei denen seit vielen Jahrzehnten zahlenmäßig am stärksten nicht-religiöse Begleitung stattfindet. Nach Schätzungen seitens des „Kuratoriums deutsche Bestattungskultur GmbH“ werden jährlich ein Viertel bis ein Drittel (d.h. ca. 200.000 bis 275.000) der Bestattungsfeiern von einem Trauerredner durchgeführt. 131 Hierzu hat auch die sich in den letzten Jahrzehnten erheblich wandelnde Sepulkralkultur 132 beigetragen, die zum einen durch eine Vielfalt an Bestattungsmöglichkeiten, die neben die traditionelle Beisetzung eines Sarges bzw. einer Urne auf einem kommunalen oder kirchlichen Friedhof getreten sind, zu charakterisieren ist. So gibt es inzwischen nicht nur die Seebestattung der Urne im Meer, sie kann auch in einem der rund 100 Friedwälder oder auf einem Berg beigesetzt werden. In einigen Bundesländern (u. a. Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern) wird über die Aufhebung des in Deutschland bestehenden Friedhofszwanges diskutiert; in Bremen sind diese Bestimmungen bereits dahingehend gelockert worden, dass die Asche auf Privatgrundstücken und 126 http://www.hochzeitsplaza.de/hochzeits-forum/hochzeitsbereich/trauung-und-organisatorisches/15412germanische-hochzeit/. 127 Vgl. z. B.: http://suchen.asentr.eu/asentreu/eheleite.html#_Toc413004882. 128 Vgl. z. B.: http://www.feuersprung.de/index.php?option=com_content&view=article&id=372%3Ahand fasting&catid=37%3Arituale&Itemid=57; http://www.hochzeitsplaza.de/hochzeits-forum/hochzeitsbereich/ trauung-und-organisatorisches/15412-germanische-hochzeit/; http://www.mconis.de/FS/index.php?option=com_content&view=article&id=276&Itemid=133. 129 http://www.eheleite.com/. 130 http://www.endstation-rechts.de/news/kategorie/sonstige/artikel/voelkische-erlebniswelt.html. Vgl.: http://www.thule-seminar.org/artgemeinschaft_warum_2.htm. 131 Telefonische Auskunft von Oliver Wirthmann (Geschäftsführer des „Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur GmbH) vom 29.04.2016. 132 Michael Nüchtern: Bestattungskultur in Bewegung, in: Micheal Nüchtern/ Stefan Schütze (Hg.): Bestattungskultur in Bewegung, EZW-Texte 200, Berlin 2008, S. 5–9. 39 auf festgelegten öffentlichen Flächen – unter Berücksichtigung von Windstärke und -richtung –verstreut werden kann. Zudem gibt es die Möglichkeit, die Asche mit einer Rakete in den Weltraum transportieren oder zu einem Diamanten pressen zu lassen. 133 Auch bei der Bestattungskultur ist ein deutlicher Wandel im musikalischen Bereich festzustellen. Während bis in die 1980er Jahre überwiegend Musik aus traditionellen Genres (v. a. Choräle, sog. Klassische Musik, Heimat- und Volkslieder) Trauerfeiern prägten, haben sich seither die musikalischen Wünsche von Angehörigen stark pluralisiert. Mit dem Generationswechsel von der Flüchtlingsgeneration zu den Nachgeborenen hat auch der Wunsch nach dem Pommernlied („Wenn in stiller Stund Träume mich umwehn“) oder dem Ostpreußenlied („Land der dunklen Wälder“) deutlich abgenommen. Stattdessen wird in immer stärkerem Maße Musik aus dem Schlager-, Pop- und Rockgenre oder aber Gospelmusik für Trauerfeiern ausgewählt. Von einem Internetportal für Bestattungen werden seit Jahren die „Top 10 der Trauerhits“ erhoben. Oldies und Musik aus den Charts (z. B. „I Will Always Love You”, „Time to Say Goodbye“, „My Way”, „Candle in the Wind”, „Abschied ist ein scharfes Schwert”) sind in dieser Rangliste vorherrschend. Über Jahre war nur eine Musik aus dem klassischen Bereich unter den Top 10: das „Ave Maria“ von Schubert; erstmalig wurde nach vier Jahren in 2015 mit dem „Air Suite Nr. 3“ von Bach ein weiteres aus diesem Genre unter den „TOP 10 der Trauerhits“ aufgeführt. 134 Einhergehend und zeitgleich mit den sich wandelnden musikalischen Wünschen und Vorstellungen von Angehörigen sind zugleich auch weitere Veränderungen bei der Vorbereitung und Gestaltung von Trauerfeiern zu beobachten. Die moderneren Musikstücke sind mit den in Friedhofskapellen und Kirchen vorhandenen Instrumenten oder von den zusätzlich engagierten, eher der traditionellen Musik verpflichteten Streichern oder Trompetern oftmals nur schwer zu spielen – zumal die rein instrumentale Wiedergabe der o. a. modernen Musik nicht befriedigt. So wird in zunehmendem Maße das Abspielen von CDs praktiziert. Bestattungsunternehmen bieten nicht nur Möglichkeiten von Symbolhandlungen (z. B. das Entzünden von Kerzen, Aufsteigen-Lassen von Luftballons oder Tauben, Tanz um den Sarg) im Rahmen der Trauerfeier an, einige ermöglichen auch die Gestaltung des Sarges vor der Trauerfeier durch Bemalen oder Beschreiben. Und ohne dies empirisch erhoben zu haben, wird offenbar auch immer häufiger ein Bild des Verstorbenen für die Trauerfeier aufgestellt. Und sofern im Anschluss an eine Trauerfeier die Trauergemeinde die Beisetzung des Sarges bzw. der Urne begleitet, ersetzt immer häufiger das Streuen von Blumenblüten in die offene Grabstelle den traditionellen Erdwurf. Ein Trauerredner berichtete zudem davon, dass ab und an bereits vor der Trauerfeier ein kleines Buffet aufgebaut und die Trauergesellschaft zu Häppchen und Getränken eingeladen wird. 133 http://www.anternia-bestattungen.de/diamantbestattung. 134 https://www.bestattungen.de/ueber-uns/presse/pressemitteilungen/top-10-der-trauerhits-2015-sarahconnor-singt-jetzt-deutsch-und-trifft-damit-trauernden-ins-herz.html. Vgl.: Ingo Reuter: Totenrede oder Predigt? Zur Plausibilität christlicher Verkündigung angesichts des Todes auf dem Markt der Abschiedsangebote, in: Thomas Klie (Hg.): Performanzen des Todes. Neue Bestattungskultur und kirchliche Wahrnehmung, Stuttgart 2008, S. 168–170. 40 Nicht nur die Ausgestaltung von Trauerfeiern hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Statistische Zahlen für Trauerfeiern markieren auch eine gesellschaftliche Veränderung. Nach Schätzungen wird bundesweit nur noch für höchstens 70 % aller Verstorbenen eine Trauerfeier durchgeführt. Von diesen entfallen jeweils rund 25 % auf Trauerfeiern unter Beteiligung eines Geistlichen der RömischKatholischen Kirche bzw. der großen protestantischen Kirchen und bei rund 50 % wirkt ein Trauerredner mit. 135 Es ist demnach bundesweit von rund 30 % Beisetzungen ohne jegliche Trauerfeier auszugehen; wie viele Sarg- bzw. Urnenbeisetzungen mit oder ohne Trauerfeier anonym – also ohne eigene Grabstelle – erfolgen, ist im Übrigen nicht zu erheben. Während im Osten Deutschlands durch die staatlich forcierte Entkirchlichung in der DDR 1976 77,5 % aller Bestattungen nichtkirchlich gestaltet wurden, hat im Westen die Zahl der nichtkirchlichen Bestattungen sukzessive zugenommen und zu einem immer breiter werdenden Angebot von Trauerrednern geführt. Die in den 1920er Jahren zunächst durch die Arbeiterbewegung und von Freidenkerverbänden gegen den Willen der Kirchen eingeführten Feuerbestattungen machen bundesweit rund 50 % aller Bestattungen aus. Hier sind regionale Unterschiede zwischen dem Norden und dem Osten Deutschlands (höhere Zahlen bei Feuerbestattungen), dem Westen und dem Süden Deutschlands (höhere Zahlen bei Erdbestattungen) sowie zwischen Stadt und Land festzustellen. Die großen Kirchen haben Einäscherungen zunächst als dem Glauben an die leibliche Auferstehung widerstreitend abgelehnt und dann zu unterschiedlichen Zeiten akzeptiert (evangelische Landeskirchen bis 1920, römisch-katholische Kirche 1963). Nach wie vor allerdings ist festzustellen, dass die Zahl der Feuerbestattungen in katholisch geprägten Regionen unter der in evangelisch geprägten liegt. 136 Ein weiteres Moment dürfte die steigende Nachfrage nach nichtkirchlichen Trauerfeiern in den letzten Jahrzehnten befördert haben. In einer empirischen Untersuchung, die 2011 veröffentlicht wurde, sind in der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen Jenseitserwartungen am geringsten ausgeprägt: Während für die drei Alterskohorten der 20- bis 49-Jährigen zwischen 50 % und 59 % und von den über 60-Jährigen 49 % der Befragten eine Jenseitshoffnung bejahten, waren es bei den 50- bis 59-Jährigen nur 44 %. 137 Dies könnte daran liegen, dass diese Altersgruppe beruflich und familiär ihre Lebensziele weitestgehend erreicht hat, Sehnsüchte und Träume verwirklicht sind, sich wenig Neues für die bevorstehenden Lebensphasen abzeichnet und auch auf die Hoffnung über das irdische Leben hinaus eher pessimistisch und mit Zweifeln gesehen wird. Gerade diese Generation hat oftmals für die Bestattung der eigenen Eltern zu sorgen. Und wenn auf ein Jenseits nicht gehofft wird, dann möchte man davon vermutlich eher auch nicht bei der Trauerfeier für die eigenen Eltern hören – selbst wenn diese der Kirche angehörten – und ist 135 Telefonische Auskunft von Oliver Wirthmann (Geschäftsführer des „Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur GmbH“) vom 29.04.2016. 136 Vgl. http://wiki.aeternitas.de/index.php?title=Feuerbestattung. 137 Die Studie wurde im Auftrag des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur des Bundesverbands Deutsche Bestatter von TNS-Emnid erstellt (Befragungszeitrum: 25.02.-07.03.2011) und am 02.08.2011 veröffentlicht, Tabelle 37,https://www.bestatter.de/meta/news-termine-presse/news-details/ ?tx_news_pi1[news]=114&tx_news_pi1[controller]=News&tx_news_pi1[action]=detail&cHash=0049d5e6b0b 44c456e04b74079ca51c3. 41 darum auch stärker geneigt, sich für einen Trauerredner zu entscheiden. Dies könnte die Abnahme der Bestattungsquote bei Trauerfeiern für verstorbene evangelische Kirchenmitglieder erklären 138 und damit auch der Grund dafür sein, dass Trauerredner bzw. Ritualdesigner nach eigener Aussage bis zu einem Drittel Trauerfeiern für verstorbene Kirchenmitglieder gestalten. All diese Entwicklungen und Veränderungen in der Sepulkralkultur haben unmittelbare Konsequenzen für die Gestaltung von Trauerfeiern und für die Vorstellungen und Wünsche von Angehörigen zur Bestattung. Dieser Wandel wirkt sich auch auf die Entscheidung von Angehörigen aus, ob überhaupt eine Trauerfeier durchgeführt werden soll und von wem die Gestaltung einer Trauerfeier (Pastor bzw. Pastorin oder Redner) erbeten wird. 5.4.1 Freie Ritualdesigner – Trauerredner Bei den Passageriten hat die nichtkirchliche Bestattung neben der Jugendweihe die längste Tradition. Bereits in der Weimarer Republik haben die Feuerbestattungskassen der Freidenkerverbände „die Kremation als ausdrücklich atheistische und egalitäre Form der Bestattung verstanden“ und nichtreligiöse Bestattungsfeiern durchgeführt. 139 Inzwischen hat sich eine breit aufgestellte Szene an Trauerrednern etabliert. Trauerredner arbeiten in der Regel selbständig und bewerben ihre Angebote im Internet, zum Teil auch auf Plattformen, auf denen sich mehrere Trauerredner zusammengeschlossen haben. 140 Bei einigen größeren Bestattungsinstituten sind Trauerredner zudem fest angestellt. 141 Auch besetzen einige Bestattungsinstitute Themenfelder, die bisher wie selbstverständlich unter dem Dach der Kirche verortet schienen: „Wenn Sie zum GBI kommen, um uns einzuschalten, dann erhalten Sie einen Trost-Engel oder einen Trauerstein, der Ihnen helfen soll, die schwere Zeit der tiefen Trauer gut zu überstehen. Der Engel hat besondere Eigenschaften, die sich nicht textlich beschreiben lassen, sondern sie können das nur selbst erfahren im "Gebrauch" und im Fühlen.“ 142 Die beruflichen Hintergründe bei Trauerrednern sind vielfältig; auffallend ist aber, dass nach einer stichprobenartigen Untersuchung der Internetauftritte mindestens ein Drittel angibt, als freie Theologen oder nach Abschluss einer theologischen Ausbildung ihren Beruf auszuüben. In der Vergangenheit gab es für Trauerredner in Deutschland keine Möglichkeit fachlicher Ausbildung; inzwischen wird Trauerrednern einhergehend mit einer zunehmenden Professionalisierung von mehreren Aus- und Weiterbildungsinstituten eine berufliche Qualifizierung angeboten. 143 138 S. o. 2. 139 Anja Kirsch: a. a. O., S. 4. 140 Vgl. z. B.: http://www.freie-theologen.de/; http://www.rednergemeinschaft-hamburg.de/; http://www.freie-trauerredner.com/trauersprecher-hamburg-hannover-braunschweig/; http://www.batf.de/index.php; http://www.zeremonienleiter.de/search/2/Trauerredner. 141 Z. B. beim „Großhamburger Bestattungsinstitut rV“ (GBI). Vgl.: http://gbi-hamburg.de/beerdigung/ trauerreden/. 142 http://www.gbi-hamburg.de/home/wir-ueber-uns/gbi-besonderheiten-kopie-1/. 143 Vgl. z. B.: http://www.trauerrednerakademie.de/; http://www.fachberatung-trauerfeier.de/vortragfortbildung/redner; http://www.trauerredner-mossa.de/ausbildung/. 42 Trauerredner bieten eine Dienstleistung zur rituellen Begleitung der Bestattung unabhängig von der Zugehörigkeit des Verstorbenen oder der Angehörigen zu einer Religionsgemeinschaft an: „Auf eine gute Weise Abschied nehmen – das ist nicht leicht, und doch so wichtig! Es geht nicht nur um die Würdigung des Verstorbenen, sondern auch um Sie, die Hinterbliebenen, um Ihre eigene seelische Gesundheit. Wir legen größten Wert auf eine individuelle und persönliche Traueransprache. Darin wird der Verstorbene gewürdigt… Die Rede spendet Mut und Hoffnung auch für Konfessionslose. Bei uns sind Sie in guten Händen!“ 144 Dieses Zitat verdeutlicht den Anspruch von Trauerrednern, der Biographie des Verstorbenen gerecht zu werden und mit einer den Angehörigen angemessenen Gestaltung der Trauerfeier ein Ritual zu schaffen und durchzuführen, das auch den religiösen und weltanschaulichen Vorstellungen der Angehörigen entspricht. 145 So gehen Trauerredner auf die an sie herangetragenen individuellen Wünsche und Vorstellungen ein, indem „eigene Texte der Verblichenen vor ihrem Ableben, Texte der Angehörigen oder gemeinsam ausgearbeitete Grabreden“ verlesen werden 146, und nehmen auf Wunsch auch christliche bzw. religiöse Inhalte und Gestaltungselemente (z. B. Vaterunser, freie Gebete) auf. Dabei orientieren sich Trauerredner in der Regel am Handlungsablauf kirchlicher Trauerfeiern und übernehmen rituelle Handlungsschemata aus kirchlichen Bestattungen wie z. B. den Erdwurf mit begleitenden Worten („Erde zur Erde…“). Etwa fünfzehn nichtkirchliche Trauerfeiern (mehrere davon für verstorbene Kirchenmitglieder) wurden von mir besucht, die einige Generalisierungen zulassen. Die Trauerfeiern hatten in der Regel ein ansprechendes und nach meinem Eindruck der jeweiligen Trauersituation und der Trauergesellschaft angemessenes sprachliches und inhaltliches Niveau; hier dürfte die o. a. Professionalisierung inzwischen in der Praxis angekommen sein. Die Ansprachen bzw. Reden stellen die Biographie des Verstorbenen meist sehr stark in den Vordergrund, so dass – so jedenfalls mein Eindruck – Überlegungen und Anregungen zum Verständnis und zum Umgang mit Sterben und Tod nahezu ausgeblendet bleiben. Häufig wird vor allem an die Angehörigen appelliert, sie mögen den Verstorbenen in ihrem Herzen bewahren, denn „nur wer aus dem Herzen verschwunden ist, ist wirklich tot“ 147. Ein über den Tod hinausreichender, das irdische Leben transzendierender Bezug wird gelegentlich allenfalls angedeutet in Aussagen wie: „Nun sind eure Eltern im Tode wieder vereint; ihre Gräber liegen nebeneinander.“ Weitergehende, auf ein Jenseits gerichtete Hoffnungen spielen auch in den Gesprächen mit Angehörigen selten eine Rolle. Auch offene Fragen hinsichtlich Krankheit und Leiden, Brüchen und Fragmentarischem im Leben der Verstorbenen bzw. in der Beziehung zu anderen werden gelegentlich zwar erwähnt, bleiben jedoch – einschließlich der impliziten Theodizee-Frage – oftmals offen, ohne dass mögliche Deutungsrahmen für Nega- 144 145 146 147 http://www.freie-trauerredner.com/. Vgl.: Christiane Schlott: Bestatter in Leipzig. Ritualanbieter in säkularer Zeit, Dresden 2011, S. 163 ff. http://www.bestattungsredner.info/index.php (Letztmaliger Zugriff am 07.02.2013.). Zitat aus einer im Rahmen der Feldforschung besuchten Trauerfeier. 43 tiverfahrungen angeboten werden. In ihren Ansprachen nehmen die Trauerredner damit die Impulse aus den Gesprächen mit den Angehörigen auf. Trauerredner haben in Interviews bestätigt, dass Angehörige vor allem Wert darauf legen, das Leben des Verstorbenen zu würdigen und durch den Trauerredner eine möglichst vollständige Biographie hören zu können; denn „mit dem Tod ist alles aus!“ 148 Da in nichtkirchlichen Trauerfeiern selten liturgische oder traditionelle religiöse Texte zugrunde gelegt werden, kamen in fast allen von mir wahrgenommenen Trauerfeiern andere Texte zum Tragen, die sich mit den Themen Leben bzw. Sterben befassen: Gedichte (z. B. Paul Celan: „Todesfuge“) oder kürzere literarische Texte (z. B. Antoine de Saint-Exupéry: „Der kleine Prinz“). Diese werden in den Reden allerdings oftmals nur am Rande wieder aufgegriffen. Zuweilen werden, auch in abgewandelter Form, biblische Texte rezitiert (Qohelet 3; 1. Korinther 13) oder irische Segenssprüche aufgegriffen; ein Gottesbezug wird aber in der Regel vermieden. Eine wichtige Rolle spielt in den von Trauerrednern gestalteten Feiern die Rahmung durch die Musik, bei der den Wünschen der Angehörigen fast ausnahmslos entsprochen wird. Bei den von mir besuchten Trauerfeiern wurden Stücke der Popund Schlagermusik, Volkslieder oder Stücke aus der Klassik ausgewählt; letztere spielen nach dem Eindruck von Trauerrednern allerdings ebenso eine abnehmende Rolle wie kirchliche Choräle, die faktisch aus dem Bewusstsein von Angehörigen fast vollständig entschwunden scheinen. So bleiben auch die von Trauerrednern durchgeführten Feiern dem kulturellen Code weitgehend verpflichtet und nehmen die durch kirchliche Trauerfeiern geprägten Schemata ohne den religiösen Gehalt oder die darin eingewobenen Jenseitsvorstellungen und Auferstehungshoffnungen auf. 5.4.2 Humanistische Organisationen Seitens der Freidenkerverbände werden – anders als bei Namensweihe, Jugendweihe und Hochzeit – für die Bestattung keine eigenen Feierangebote gemacht. Der „Humanistische Verband Deutschland e. V.“ bietet sich allerdings als Ansprechpartner an, um die Suche nach einem ausgebildeten Trauerredner für die würdevolle und individuelle Gestaltung einer Trauerfeier zu unterstützen. 149 Der „Deutsche Freidenker-Verband e. V.“, der einem sozialistischen Erbe verpflichtet ist, 150 betont nur seine Unterstützung der „Hinterbliebene[n] in ihrem Bestreben, eine würdevolle, weltlich-freigeistige Trauerfeier für ihre gestorbenen Angehörigen zu gestalten.“ 151 Eine eigene von Freidenkerverbänden verantwortete und gestaltete Trauer- und Sepulkralkultur ist nicht vorhanden; allerdings wird im Blick auf die Sterblichkeit des Menschen ein Transzendenzbezug abgelehnt, was auch Ausdruck in der Bestattung finden soll. 148 Zitat aus einem Interview mit einem Trauerredner am 13.02.2016. 149 http://www.humanismus.de/trauerfeier. 150 Vgl.: Ohne Gott. Konfessionslosigkeit – Ein Überblick, Hg.: Arbeitsstelle Kirche im Dialog der Evangelisch Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Rostock 2015, S. 25 f. 151 http://www.freidenker.org/cms/dfv/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id= 43&Itemid=71. 44 5.4.3 Weitere Angebote Freireligiöse Szene Die Unitarier bieten eine Totenleite an, die nicht mit denen der neuheidnischen Szene identisch ist. Unitarier nehmen bei der Totenfeier von einem Menschen in dem Bewusstsein Abschied, „dass der Tod notwendig zum Kreislauf des Lebens gehört, da er die Voraussetzung für neues Leben ist.“ Inhaltliche Vorgaben zur Gestaltung der Trauerfeier werden von den Unitariern nicht gemacht, vielmehr wird sich an örtlichen Gebräuchen orientiert. 152 Neuheidnische Szenen Im Neuheidentum wird nach dem Tod eines Menschen eine Totenleite durchgeführt. In dieser Totenleite setzen die Familien unter Leitung des „älteste[n] Mitglieds der Sippe zusammen mit einem oder mehreren Goden [i. e. ausgebildete neuheidnische Priester – J. P.]“ die Verstorbenen selbst bei, indem die Angehörigen sich um den aufgebahrten Toten oder den offenen Sarg versammeln. Empfohlen wird angesichts des in Deutschland bestehenden Friedhofszwangs, die Bestattung in einem Friedwald durchzuführen. Gestaltungselemente der neuheidnischen Totenleite sind die Erinnerung an den Verstorbenen, die eigentliche Totenleite zu den Göttern und ein abschließendes Totenmahl. 153 Auch im rechtsextremen Bereich gibt es eine Totenleite, die sich von denen der neuheidnischen Szene vor allem in der Überhöhung des Völkischen, dem sich der Verstorbene verschrieben hat, unterscheidet. 154 152 https://www.unitarier.de/unitarier/was-wir-tun/feiern/. Vgl.: Handbuch Weltanschauungen, Weltanschauungen, Freikirchen, a. a. O., S. 402. 153 http://www.yggdrasil-kreis.org/html/totenleite.html. 154 Vgl.: webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:3bBo9QwwJhBA:www.ekir.de/regionalseminar/material/AB_Kasualien. Vgl. auch die Berichterstattung zur Totenleite für Jürgen Rieger: http://www.hamburg.de/innenbehoerde/schlagzeilen/1930790/riegers-tod/; http://www.worch.info/rundbriefe/09-11-02.htm. 45 6. Irritation und Bestätigung Erlebnisse und Ergebnisse mit einem Blick Im Herbst 2013 und Anfang 2016 luden das „gottesdienstinstitut“ der Nordkirche und die Arbeitsstelle „Kirche im Dialog“ zu zwei Seminaren mit dem Titel „Der fremde Blick“ ein. Während es bei der ersten Veranstaltung um die Trauerfeier ging, stand im Mittelpunkt der zweiten die Taufe. Pastorinnen und Pastoren stellten in einem längeren Anspiel Sequenzen (Texte aus der Bibel, sakramentale oder liturgische Elemente, Gebete, Ansprachen) aus Trauer- oder Tauffeiern vor, die sie in ihren Gemeinden durchgeführt hatten. Zu diesen Seminaren eingeladene konfessionslose Beobachter reagierten auf das Gehörte, Gesehene und Erlebte. Auch wenn bei diesen Beobachtern eine Offenheit, sich mit christlichen und religiösen Fragestellungen zu befassen, vorausgesetzt werden konnte, so verstanden sie sich gleichwohl als areligiös bzw. atheistisch. Beide Seminare fanden in einer „Labor-Situation“ statt, in der die am ursprünglichen Anlass der Kasualie familiär bzw. emotional unbeteiligten Beobachter auf die vorgestellten Sequenzen aus Kasualgottesdiensten mit ihren Eindrücken und Wahrnehmungen reagierten. 6.1 Der fremde Blick – Bestattungspraxis und Kirchenfremde (Oktober 2013) 155 Am ersten „Fremden Blick“ in Rostock nahmen rund 20 Pastorinnen und Pastoren teil. Zehn Beobachter (Konfessionslose, zwei Bestatter) waren eingeladen und bereit, mit ihren Eindrücken, Fragen und kritischen Anmerkungen eine Rückmeldung zur praktischen Gestaltung von kirchlichen Trauerfeiern zu geben. In einer Kirche, in die ein aufgebahrter leerer Sarg, und in einem Tagungshaus, in dem eine Urne auf eine Stele gestellt waren, präsentierten Pastorinnen und Pastoren im Talar jeweils einen etwa viertelstündigen Teil von ihnen durchgeführter Trauerfeiern. Im Anschluss daran haben die Beobachter ihre Wahrnehmungen und Beobachtungen, das von ihnen Gehörte – Verstandenes wie Unverstandenes – in teils sehr ausführlichen Rückmeldungen beschrieben. 155 Seinen Niederschlag fand das Seminar auch in Chrismon Februar 2014: Christine Holch: Lieber Gott, mach mich fromm!, Frankfurt/M. 2014, S. 19 f (http://static.evangelisch.de/get/?daid=wByvd52_3Yd_JCQ4Xfu-AO4T00054426&dfid=download). 46 Die Reaktionen sind vier Themenkreisen zuzuordnen. Bereitschaft hinzuhören Zunächst wurde deutlich, dass Kirchenferne durchaus bereit sind, sich auf eine christliche Trauerfeier einzulassen und den religiösen Charakter trotz aller inneren Distanz auch zu respektieren und zu akzeptieren: „Ich bin Gast in einer Kirche, und ich nehme es so, wie es kommt.“ 156 Dieser grundsätzlichen Offenheit entspricht der Wunsch, die Liturgie einer solchen Trauerfeier auch verstehen und nachvollziehen zu können und hierfür ein sprachliches und liturgisches „Geländer“ angeboten zu bekommen, das durch die Feier hindurch begleitet: „Ein- und Überleitungen helfen mir bei liturgischen Formeln, die ich nicht kenne. Sonst werde ich von so Formeln überrascht.“ Eine hohe Bedeutung kommt daher einleitenden Voten bei Trauerfeiern zu; denn dieser eher kurze Moment eröffnet oder verhindert offenbar gerade bei Kirchenfernen die Möglichkeit, sich auf den weiteren Verlauf des Gottesdienstes einzulassen. Dem entspricht die Reaktion der Beobachter, dass ihnen sehr daran gelegen ist, die biblischen Lesungen, die Texte der Gebete und Lieder nicht nur als „heiliges Geräusch“ an sich vorüberziehen zu lassen, sondern dass ihnen deren Relevanz für die jeweils einmalige Trauerfeier transparent wird. So ungewohnt für Kirchenferne biblische und kirchliche Sprachformen grundsätzlich auch erscheinen mögen, so aufmerksam nehmen sie zugleich sprachliche bzw. inhaltliche Nuancen wahr. Deutlich wurde dies im Austausch zu einer vorgetragenen Trauerpredigt, in der ein Nachfragen hervorrufender Satz fiel: „Nun, im Tode, ist der Verstorbene in Gottes Hand.“ Von einem der Beobachter wurde kritisch zurückgefragt: „Das hat mich irritiert. War der Verstorbene im Leben denn nicht in Gottes Hand?“ Auch wenn für Kirchenferne der christliche Glauben keine lebensbestimmende Dimension hat, macht diese Rückfrage ihr Gespür dafür deutlich, dass für Christen nicht erst im Tode, sondern schon im Leben das Vertrauen auf Gottes Nähe und die Geborgenheit bei ihm zentral sein sollten. Bedeutung der Pastorin bzw. des Pastors Für die Beobachter von großer Bedeutung war die Pastorin bzw. der Pastor. Dabei stellten sie vor allem zwei Aspekte in den Vordergrund. Zum einen war es den Beobachtern wichtig, dass von ihm bzw. ihr eine Beziehung zur Gemeinde hergestellt werden konnte und damit deutlich wurde: Es geht um diese Trauerfeier, um die hier anwesenden Trauernden und um diesen einmaligen Verstorbenen – und nicht um eine beliebige Kasualie neben vielen anderen. Des Weiteren sind Glaubensaussagen z. B. zur Hoffnung über den Tod hinaus von den Beobachtern dann als glaubwürdig und der Trauerfeier angemessen wahrgenommen worden, wenn sie nicht als dogmatische Setzungen, sondern als persönliche christliche Überzeugung einer Pastorin bzw. eines Pastors formuliert wurden. Überzeugen konnte nur, wer persönlich überzeugt war: „Ich merke, wenn der Pastor nicht authentisch ist… Also, er soll echt sein, meinetwegen auch bei einer Trauerfeier lächeln, wenn es zu ihm passt.“ 156 Dieses und die nachfolgenden Zitate zu den beiden Tagungen beruhen auf Äußerungen der Beobachter. 47 Einmaligkeit Bei allen vorgestellten Sequenzen aus Trauerfeiern haben die Beobachter positiv darauf reagiert, wenn das Einmalige der jeweiligen Feier deutlich wurde. Dabei spielte insbesondere eine empathische biographische Beschreibung des Verstorbenen eine zentrale Rolle. Eine solche den Lebensweg nacherzählende Darstellung birgt auch die Chance, dass die in der Trauerfeier angebotene christliche Hoffnung von Kirchenfernen gehört werden kann: „Wenn der Pastor die Biographie nicht vollständig, aber empathisch und im Detail erzählt, dann bin ich dabei. Dann hör’ ich ihm auch zu bei seinen Gottessachen.“ Vorbehalte und Ängste Kirchliche Trauerfeiern treffen bei Kirchenfernen in dreierlei Hinsicht auch auf Vorbehalte. Gerade vereinnahmende Formulierungen führen dazu, dass Kirchenferne sich innerlich distanzieren, und mindern die Bereitschaft, sich auf christliche Aussagen einzulassen: „Vereinnahmende Statements finde ich schwierig. Z. B.: ‚Wir wissen, dass Emilie bei Gott aufgehoben ist.‘ Oder: ‚Nur wer glaubt, wird das Licht sehen.‘“ Als problematisch wurden immer wieder die biblischen Textlesungen empfunden, die nicht nur der Sprache, sondern auch des Inhalts wegen als weit entfernt vom eigenen Lebensgefühl und der eigenen Welt- und Lebensdeutung betrachtet wurden. So verstehen Kirchenferne gerade agendarisch vorgeschlagene Lesungen zur Auferstehung (z. B. 1. Korinther 15; 1. Thessalonicher 4) weder in ihrer Sprache noch in dem inhaltlich Gemeinten; diese Lesungen können dann wie „Texte auf Baskisch“ wirken. Es gibt die große Sorge, in kirchlichen Trauerfeiern würden moralische Urteile über das Leben (des Verstorbenen, der Angehörigen u. a.) gefällt werden. In dieser Hinsicht sind Kirchenfremde sehr wachsam und auch angespannt – gerade wenn es um ein nicht geradlinig verlaufenes Leben geht, dessen in der Trauerfeier gedacht wird: Wie kann der Pastor oder die Pastorin diesem schwierigen Lebensweg gerecht werden, ohne moralisch zu richten? Resümee Kirchenferne sind unter bestimmten Voraussetzungen bereit, sich auf eine christlich geprägte Trauerfeier sowohl in ihrer liturgischen Prägung wie auch im Blick auf christliche Glaubensvorstellungen einzulassen. Sie sind durchaus offen dafür, den christlichen Inhalt zu akzeptieren, können christliche Hoffnungsbilder, die vom Leben jenseits des irdischen sprechen, durchaus auch als tröstlich wahrnehmen – selbst wenn sie nicht einstimmen sollten. Vereinnahmende Formulierungen und dogmatische Aussagen führen allerdings zur inneren Distanzierung während einer Trauerfeier und lassen Kirchenferne innerlich „aussteigen“, während persönliche Glaubensaussagen der Pastorin bzw. des Pastors als authentisch respektiert und als einer kirchlichen Trauerfeier angemessen wahrgenommen wurden. Sicherlich darf den Beobachtern im Rahmen des Seminars eine höhere Aufmerksamkeit und Reflektionsbereitschaft unterstellt werden; zumal einige ihre Wahrnehmungen schon während der Durchführung notierten. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass Kirchenferne nicht per se mit Aversionen kirchliche Trauerfeiern erleben. Vielmehr wünschen sie sich, auch bei einer Trauerfeier in ihrer Distanz zu allem Christlichen bleiben zu können, ohne implizit oder explizit ausgegrenzt zu werden. Und ihnen würde es helfen, wenn im Rahmen von Trauerfeiern Unverständliches (z. B. liturgischer Ablauf, biblische Texte) dekodiert und damit nachvollziehbar würde. Zu vermuten steht, dass viele der Reaktionen, 48 die während des Seminars von kirchenfernen und sich selbst als atheistisch beschreibenden Beobachtern kamen, in ähnlicher Weise auch von Kirchenmitgliedern hätten erfolgen können. Als Quintessenz für die Rezeption und für die Praxis kirchlicher Trauerfeiern lassen sich drei Aspekte benennen: – Das Angebot der christlichen Lebens- und Jenseitsdeutung stößt nicht grundsätzlich auf Widerspruch, sollte aber auch als dies charakterisiert werden: Sie ist eine Wirklichkeitsdeutung neben anderen, in der darauf vertraut und gehofft wird, dass mit Sterben und Tod nicht alles aus ist, sondern der christliche Glaube offen ist für eine von Gott eröffnete Zukunft in seiner Ewigkeit. – Diese christliche Lebensdeutung darf fremd sein für die Anwesenden bei einer Trauerfeier und darf ihnen auch mit konfessorischem Mut zugemutet werden: „Ich glaube das so…“ – Im Kern darf es bei christlichen Trauerfeiern darum gehen, das Christliche nicht als etwas diesem Leben Exotisches, als etwas Fremdes darzustellen, sondern zu erzählen von dem Verstorbenen und von dem Gott, der dieses einmalige, geschenkte Leben begleitet hat – wenn auch vielleicht vom Verstorbenen selbst oftmals unbemerkt, unbedacht, ungeahnt. 157 6.2 Der fremde Blick II – Taufe ( Februar 2016) Zehn Pastorinnen und Pastoren hatten sich zum zweiten Seminar „Der fremde Blick“ in Güstrow angemeldet und stellten ihre Taufpraxis elf konfessionslosen Beobachtern vor. Bei dieser Veranstaltung ging es darum, durch die „fremde“ Wahrnehmung eine Reflektion der mit dem sakramentalen Handeln verbundenen theologischen, kirchlichen und emotionalen Inhalte und Wirkungen zu initiieren. In zwei Tagungsräumen wurden Taufhandlungen im Talar, mit Altar, Lesepult und Taufschale nachgestellt und längere Sequenzen aus gesonderten Taufgottesdiensten oder der in sonntäglichen Gemeindegottesdiensten vollzogenen Taufhandlungen szenisch dargestellt. Wie beim ersten „fremden Blick“ haben die Beobachter darauf mit ihren Eindrücken und Beobachtungen reagiert, haben ihre Nähe oder Distanz zu dem Gehörten und Erlebten beschrieben, Nachfragen gestellt und auch Kritik geäußert. Zur Vorbereitung der Vorstellung von Taufgottesdiensten und Taufhandlungen befassten sich die Seminarteilnehmer ausführlich mit den breit gefächerten Motiven für ein Taufbegehren. In diesem Austausch wurde deutlich, wie sehr die kirchlichen und gesellschaftlichen Realitäten das taufende Handeln beeinflussen. Zu diesen Herausforderungen gehören Taufanfragen, bei denen nur ein Elternteil die Taufe befürwortet und der andere der Taufe eines Kindes gleichgültig bis ablehnend gegenübersteht. Zudem sind die Motive für eine Taufanmeldung oft eher diffus und werden aus der Familientradition oder mit den Erwartungen des familiären oder sozialen Umfelds begründet. Dem ent- 157 Vgl. Christine Lungershausen: Für Sinn offen: Fremde Blicke auf kirchliche Bestattungspraxis. Eindrücke von einer Gottesdienst-Werkstatt in Rostock, unveröffentlichtes Manuskript, o. O. 2014, S. 4. 49 sprechen Beobachtungen, dass die theologischen Topoi der Taufe (Absage an das Böse, Zuspruch der Gotteskindschaft, Aufnahme in die Gemeinschaft der Heiligen, Patenamt als Begleitung im christlichen Glauben) für Tauffamilien oftmals hinter andere Überlegungen zurücktreten. Zu nennen sind hier neben einem eher als magisch zu charakterisierenden Verständnis der Taufe als Schutzritus („Unserem Kind soll nichts Schlimmes passieren.“) auch die Vorstellung, Paten seien dazu da, für das Kind zu sorgen, wenn den Eltern etwas zustößt. 158 In einer weiteren Gesprächsrunde reflektierten die Seminarteilnehmer, was sie mit der je eigenen Taufpraxis vermitteln wollen. Dabei spielten fünf Schwerpunkte eine zentrale Rolle: – Glaube ist etwas Schönes und Wertvolles, der das Leben bereichern und erfüllen kann; symbolisch ausgedrückt durch das Überreichen einer (Kinder-)Bibel. – Der Dank für das Leben soll vor der Gemeinde und vor Gott ausgedrückt werden. – Jeder Mensch ist ein Kind Gottes, dies wird erfahrbar und erlebbar durch das Taufsakrament und im Segenszuspruch: „Ich taufe Gottes Kinder, nicht zu Gottes Kindern.“ Gott wird den Täufling auf seinem Lebensweg nicht allein lassen. – Der Täufling wird durch die Taufe in eine größere als die familiäre Gemeinschaft aufgenommen. Dies wird – sofern es möglich ist – durch das Mitwirken der anwesenden Gemeinde gemeinsam gestaltet oder durch die Taufe ergänzende Handlungen (z. B. Eltern- bzw. Familien- und Patensegnung, Mitwirkung im Rahmen der Taufhandlung) verdeutlicht. – Die Taufe als einmalig vollzogenes Sakrament soll dazu führen, dass die Getauften als mündige, die Kirche mitgestaltende Christen ihr Evangelisch-Sein auch stolz und selbstbewusst leben können und wollen. In den beiden Kleingruppen wurden Taufhandlungen vorgestellt, in denen Babys bzw. Kleinkinder, Kinder im Schulalter, die selbst den Taufwunsch geäußert hatten und Erwachsenentaufen im Mittelpunkt standen. Die Reaktionen und Wahrnehmungen der kirchenfernen Beobachter lassen sich für den zweiten „fremden Blick“ fünf Kategorien zuordnen. Das Einmalige und die Tradition Immer wieder haben die Beobachter nach den vorgestellten Taufhandlungen darauf hingewiesen, dass sie – wohlwissend, dass es sich bei der Taufe um ein tradiertes kirchliches Passageritual handelt – eine Traditionslastigkeit der Taufhandlungen zuungunsten des Individuellen wahrgenommen haben: „Es fehlte die individuelle Note. Der Täufling wirkte austauschbar, sollte aber einzigartig sein.“ Insbesondere die starke Textlastigkeit (Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Taufbefehl, sog. Kinderevangelium) führten dazu, dass das Besondere und Einmalige der jeweiligen Taufhandlung und des jeweiligen Täuflings in den Hintergrund gedrängt schienen. 158 Vgl. hierzu auch: Regina Sommer: Kindertaufe – Elternverständnis und theologische Deutung, Stuttgart 2009, S. 98 ff; 327 f. 50 Emotion und Ratio Ausgesprochen positiv haben die Beobachter auf Momente der persönlichen Hinwendung zum Täufling reagiert. Vor allem der Moment der Segnung, die Versiegelung, für die der Täufling das Zeichen des Kreuzes auf der Stirn empfängt und dabei berührt wird, und die guten Wünsche wurden positiv als „Zeichen des Schutzes“ wahrgenommen. Ebenfalls sehr positiv wurde auf Momente individueller Zuwendung zu den Tauffamilien oder zur Gemeinde reagiert, den im Sakramentsvollzug damit eng verbundenen theologischen Aussagen aber standen fast alle eher reserviert bis ablehnend gegenüber. Dem entsprach auch die von den Beobachtern benannte Schwierigkeit, die Bedeutung von christlich aufgeladenen Symbolen und Zeichenhandlungen – z. B. das Wasser, das Überreichen einer Taufkerze – oder sprachlichen Metaphern – z. B. „Du, N. N., bist Gottes Eigentum…“ – zu entschlüsseln. Individuelles und Gemeinschaftliches Die kirchenfernen Beobachter haben wiederholt die Koppelung von Taufe, Segen und Kirchenmitgliedschaft problematisiert. Während die persönliche Hinwendung zum Täufling, die empathische und freundliche Zuwendung zu den Tauffamilien und der Gemeinde dazu führten, dass die Beobachter innerlich Anteil nehmend dem Gesprochenen und den Handlungen folgen mochten, wurde von ihnen die daraus folgende Konsequenz – Kirchenmitgliedschaft – abgelehnt. Andererseits gab es auch die Rückmeldung, dass die Aufnahme in eine begleitende, tragende Gemeinschaft als stärkend nicht nur für Eltern eines Kleinkindes, sondern auch für einen getauften Erwachsenen wahrgenommen wurde – allerdings ohne Bezug auf die ecclesia invisibilis. Schwer verständliche Theologie Oftmals wurde bei den vorgestellten Taufhandlungen nach zugrundeliegenden theologischen Grundaussagen gefragt: „Was bedeutet überhaupt Taufe?“ Für Kirchenferne blieb der Zusammenhang zwischen dem Wasserritus und der trinitarischen Formel, der Bezug zu Jesus Christus und den liturgisch vorgegebenen Texten eher unklar. Überraschend die Rückfrage eines kirchenfernen Beobachters im Rahmen einer vorgestellten Taufe, ob zur Taufe nicht auch „ein konfessorischer Akt, das eigene Ja-Sagen“ gehören würde. In diesem Zusammenhang haben die Beobachter auch über ihre (Selbst-)Beobachtungen zu liturgisch vorgesehenen Texten bzw. gemeinsam gesprochenen Gebeten (Vaterunser und Apostolicum) gesprochen. Einerseits wurde das Apostolicum als „alte, beschwörende Formel“, „das Gemeinschaftliche des Bekenntnisses und das wie ein Mantra Wirkende“, als schön empfunden und zum Teil sogar mitgesprochen. Andererseits entzündeten sich hieran gerade auch weitergehende Fragen. Erst auf Nachfrage und im Nachgang zu einer vorgestellten Taufhandlung hat sich den Beobachtern erschlossen, dass Kinderevangelium (Matthäus 19,15–17) oder entsprechende Textlesungen, Taufbefehl (Matthäus 28,16–20), Vaterunser und Apostolicum gemäß Agende integrale Bestandteile der Taufhandlung sind. So haben als „verschrobelt“ empfundene Formulierungen des Glaubensbekenntnisses („gestorben“ und „auferstanden“ – Glaube an die Kirche und an die Gemeinschaft der Heiligen) wie auch Worte des Taufbefehls („Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“) dazu geführt, dass die Kirchenfernen sich innerlich von der Taufhandlung distanziert haben und nicht mehr die eine, besondere Taufe im Fokus sahen. 51 Nachfragen löste bei den Kirchenfernen die Absage an das Böse (abrenuntiatio diaoboli) bzw. darauf abzielende Gebetsworte („Befreie N. N. vom Bösen.“) aus: „Sind Kinder vor der Taufe in der Macht des Bösen?“ – „Sind sie selber böse?“ Die in den Taufagenden fakultativ angebotene Absage an das Böse hat den Beobachtern nicht eingeleuchtet und setzt offenbar zu vieles an theologischem Wissen voraus, als dass hierfür ein Verstehen oder eine Akzeptanz erfolgen konnte. In diesen Zusammenhang gehören auch hinführende bzw. deutende Worte, die als übergriffig und Fremdbestimmung („Du, N. N., bist Gottes Eigentum…“ – „Nimm hin das Zeichen des Kreuzes.“) verstanden wurden und sich in ihrer theologischen Bedeutung nicht erschlossen haben. Bedeutung der Pastorin bzw. des Pastors Bei allen vorgestellten Taufhandlungen haben die Beobachter nicht den Vollzug der Taufe an sich, sondern den von der Pastorin bzw. dem Pastor glaubhaft und glaubwürdig vermittelte Zuspruch der Nähe Gottes zum Täufling, die Herstellung einer guten Gottesdienst-Atmosphäre und die Zuwendung nicht nur zum Täufling, der Tauffamilie und den Paten, sondern auch zur gesamten Gemeinde als tragendes Element einer Tauffeier benannt, der sie bei aller Distanz zum christlichen Gehalt anteilnehmend folgen konnten: „Die Zeremonie wirkte schlicht, ohne überflüssigen Schnickschnack, authentisch und nahm alle mit.“ Wenn sich die Pastorin bzw. der Pastor zu sehr auf die unmittelbar am Taufgeschehen Beteiligten konzentrierte, führte dies bei den Beobachtern zu dem Eindruck, ausgeschlossen zu sein. Dies verstärkte das Erleben der eigenen Fremdheit im Gottesdienst und vermutlich auch die Schwierigkeiten bei der Rezeption theologischer Gehalte: „Ich fühlte mich als Gast nicht so sehr angesprochen wie die Tauffamilie.“ Resümee Auch der zweite „fremde Blick“ hat ein dem ersten Seminar vergleichbares Ergebnis gezeitigt. Kirchenferne sind bereit, sich auf eine gottesdienstliche Tauffeier einzulassen, und wissen zwar, dass sie einem religiösen Ritus begegnen, dessen Grundlagen und Inhalte von ihnen nicht geteilt werden. Allerdings darf unterstellt werden, dass auch bei nicht unter „Laborbedingungen“ durchgeführten realen gemeindlichen Tauffeiern Konfessionslose teilnehmen, die mit einer ähnlichen Grundeinstellung wie beim Seminar um des Täuflings bzw. der Tauffamilie willen in die Kirche kommen. Insbesondere eine empathische Zuwendung an Täufling, Familie und Paten sowie die Einbeziehung der Gemeinde können dazu führen, dass auch Kirchenferne den im Taufgeschehen vermittelten Zuspruch als stärkend wahrnehmen. Damit ist keine innere Zustimmung zu den sakramentstheologischen Grundlagen der Taufe verbunden, denn diese wurden von Kirchenfernen nicht mitvollzogen. Aufmerksam machen sollten allerdings die Anmerkungen der Beobachter, dass Sprachformen und Sprachformeln nicht dazu geführt haben, den theologischen Gehalt und die mit der Taufe gestiftete neue christliche Identität des Getauften verstehen zu können. Aus empirischen Untersuchungen, die durch viele Pastorinnen und Pastoren aus Taufgesprächen bestätigt werden können, darf davon ausgegangen werden, dass auch bei Tauffamilien oftmals ein geringes oder gar kein Wissen um die Tauftheologie besteht. 159 159 Vgl. Sommer, a. a. O., S. 193 ff. 52 Als Quintessenz für die Rezeption und für die Praxis des Taufsakraments lassen sich drei Aspekte benennen: – Eine besondere Feier am Anfang des Lebens ist auch für Kirchenfremde als Passageritual berührend und wird als stärkend empfunden. Dabei kann deutlich werden, dass Taufe und der zugesprochene Segen mehr sind als ein familieninternes Fest zur Geburt oder eine Namensweihefeier und auch etwas anderes ist als die Aufnahme in einen Verein. – Gerade weil die Taufe als das die christliche Identität stiftende Sakrament auch die Inkorporation in den Leib Christi zur Folge hat, helfen angemessene theologische Ausführungen der anwesenden Gemeinde, die unterschiedlichen Dimensionen des Taufgeschehens sprachlich und symbolisch nachzuvollziehen. Das Besondere aber, was eine Taufe über eine Namensweihefeier oder einem Geburtsfest hinaus auch zu einem identitätsstiftenden und gemeinschaftsbezogenen Sakrament macht, lässt die kirchliche Taufliturgie für Außenstehende nicht hinreichend deutlich werden. Auch wenn Fremdes fremd bleiben kann und gewiss auch nicht alle theologischen Spitzen abgeschliffen werden dürfen, so ist es eine bleibende Aufgabe, das durch die Taufe vermittelte Neue in der Taufhandlung verstehbar zu machen. – Positive Resonanz erfährt das priesterliche Handeln der Pastorin bzw. des Pastors. Der seelsorgerlich konnotierte Zuspruch der Zuwendung Gottes an den Täufling kann damit im geistlichen Handeln starke Wirkung entfalten und sich nicht nur der Tauffamilie, sondern auch der Gemeinde und den anwesenden Kirchenfernen mitteilen. 53 7. Amtshandlungen auf dem Areopag des Ritualdesigns Die Kirchen haben im Bereich der lebensbegleitenden Kasualien ihre weitgehende Monopolstellung verloren. Das kirchliche Angebot von Passageritualen zur Geburt, zur Adoleszenz, zur Eheschließung und anlässlich des Todes ist kein kirchliches Alleinstellungsmerkmal mehr. Über die seit den Zeiten der Weimarer Republik aus unterschiedlichen Gründen stark angewachsene Zahl von Jugendweihefeiern sowie die nichtkirchliche Begleitung von Trauerfeiern hinaus ist seit rund dreißig Jahren eine Vielzahl von Angeboten getreten, die in Qualität und Quantität in Konkurrenz zu den kirchlichen Kasualien stehen. Zwar sind die kirchlich angebotenen Passagerituale nach wie vor für viele Kirchenmitglieder identitätsstiftend und ein wichtiges Motiv, der Kirche (weiterhin) anzugehören. 160 Zugleich ist aber davon auszugehen, dass viele, vielleicht die meisten Kirchenmitglieder ein nichtkirchliches Passageritual (v. a. eine Jugendweihefeier, eine Hochzeit mit einem Ritualdesigner, eine Bestattung mit einem Trauerredner) erlebt haben dürften. Insofern können Kirchenmitglieder vergleichen und abwägen, um sich dann zu entscheiden. Den Kosten für ein nichtkirchliches Passageritual kommt dabei in den meisten Fällen nicht die entscheidende Bedeutung zu. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung spielt das kirchliche Handeln in und durch Kasualien eine wichtige Rolle. An ihnen wird die Relevanz der christlichen Botschaft für das Leben der Menschen insbesondere in existentiellen Momenten gemessen. Darüber hinaus begegnen in den Kasualgottesdiensten Menschen „der“ Kirche, denen der Glaube, die christliche Botschaft und die damit verbundenen Sprachformen und Sprachformeln fremd sind. Kirchliche Kasualgottesdienste sind nicht die „letzte Bastion gegen die fortschreitende Marginalisierung in der Gesellschaft“ 161, sondern eine Chance, die Relevanz des christlichen Glaubens für den einzelnen deutlich werden zu lassen. In einem Markt konkurrierender Angebote und Anbieter kann daher der „Mehrwert“ des christlichen Glaubens, für den erfülltes Leben nicht von der alleinigen Kraft und den Fähigkeiten des Menschen, vom Erfolg und vom Gelingen aller Vorhaben und Sehnsüchte abhängig ist, in Kasualgottesdiensten ein heilsamer Gegenentwurf zu einem alle Lebensbereiche umgreifenden Leistungsgedanken werden. Das Auswandern von Kasualien auf den Markt des Ritualdesigns weist darauf hin, dass christliche und religiöse Sprachformen und Sprachformeln und die damit verbundene Ausdrucksform eines Kasualgottesdienstes nicht mehr per se verstanden oder akzeptiert werden. Der vielerorts beklagte Verlust religiöser Sprachfähigkeit führt auch zu 160 Vgl.: Anja Schädel/Gerhard Wegner: Verbundenheit, Mitgliedschaft und Erwartungen, in: Engagement und Indifferenz. Kirchenmitgliedschaft als soziale Praxis. V. EKD-Erhebung zur Kirchenmitgliedschaft, Hannover 2015, S. 89. 161 S. o. Anm. 3. 54 einem Verlust christlicher Glaubensinhalte: Wer nicht (mehr) versteht, was mit dem Glauben an „die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“ gemeint sein soll und für diesen Glauben keine eigenen inneren Bilder entwerfen kann, dem vermittelt sich eine solche Glaubenshoffnung auch inhaltlich nicht mehr. Und wem eine solche Glaubenshoffnung fremd ist, hört die Worte, ohne sie innerlich füllen zu können. Die beiden Seminare „Der fremde Blick“ haben einen deutlichen Einblick gegeben, wie schwer es Kirchendistanzierten fällt, diese Sprache zu verstehen und sie dann auch noch inhaltlich zu füllen. Zwar kann gelebter, gemeinschaftlicher Glaube in der Kirche nicht auf geprägte Formen und Formeln wie Vaterunser und Glaubensbekenntnis, Taufbefehl und andere Bibeltexte verzichten, weil er sonst beliebig und willkürlich erscheinen würde. Zugleich zeigen die Reaktionen der konfessionslosen Beobachter während der Seminare „Der fremde Blick“, dass das Gesagte übersetzt und verständlich gemacht werden muss, damit sich christlicher Glaube nicht zu einer esoterischen, nur Eingeweihten verständlichen Lehre entwickelt. Und dies gilt sicher nicht nur für die kirchlich Distanzierten, die eher zufällig einen Kasualgottesdienst erleben. Vielmehr zeigen Erfahrungen aus Kasualgesprächen, dass auch viele Kirchenmitglieder, die anlässlich einer Kasualie um kirchliche Begleitung bitten, mit kirchlich geprägten Formen und Formeln fremdeln. In diesem Zusammenhang sind meines Erachtens auch die bisweilen überraschenden und irritierenden, befremdlichen und in den kirchlichen Agenden nicht vorgesehenen Wünsche zur Gestaltung von Kasualgottesdiensten zu sehen. Die Kasualagenden und die Gestaltung kirchlicher Kasualien sind ein Folge der gesellschaftlichen Entwicklung, des sich an der Kleinfamilie orientierenden Familienbildes, der Hochschätzung von Bildungsidealen und der Homogenität konfessionell bestimmter Milieus des 19. Jahrhunderts. So sind beispielsweise die Bestattungsagenden Ausdruck der kirchlichen Antwort auf den Niedergang kirchlicher Trauerfeiern im 19. Jahrhundert, 162 um der im Zuge der Urbanisierung und Industrialisierung abnehmenden Bedeutung tragfähiger großfamiliärer Strukturen, in die bis dahin die kirchlichen Riten ganz selbstverständlich eingebettet waren, begegnen zu können. Die gesellschaftlichen, kulturellen und kirchlichen Rahmenbedingungen verändern sich jedoch spätestens seit den 1970er Jahren rasant. Damit einhergehend haben sich auch die Wünsche und Vorstellungen, aber auch die Haltung der Menschen gewandelt, die kirchliche Begleitung in den Schwellenmomenten oder Krisensituationen in Anspruch nehmen möchten. Wie kann nun von kirchlicher Seite Menschen begegnet werden, denen die christliche bzw. kirchliche Tradition fremd (geworden) ist oder die eigene Vorstellungen für die Ausgestaltung der kirchlichen Kasualien formulieren? Wie kann geistlich und kirchlich angemessen auf diese Bitten um Begleitung durch eine Kasualie mit agendarisch nicht Vorgesehenem eingegangen werden? Denn immerhin äußert sich hierin der Wunsch, gestützt und geschützt zu werden in einem Gottesdienst, weil sie den damit erbetenen Zuspruch sich nicht selbst sagen und geben können. Die sich daran anknüpfenden Fragen können hier zwar nicht in der eigentlich gebotenen Ausführlichkeit erörtert werden. Gleichwohl möchte ich auf zwei Aspekte hinweisen. In immer stärkerem Maße begegnen uns in den kirchlichen Kasualien Menschen, die auch die auf dem vielgestaltigen Markt des Ritualdesigns durchgeführten Passagerituale 162 Reiner Sörries: Herzliches Beileid. Eine Kulturgeschichte der Trauer, Darmstadt 2012, S. 51. 55 wahrgenommen haben. Von dorther kommend oder aus eigenem Empfinden tragen sie ihre Vorstellungen an eine für sie bestimmte Kasualie heran. Sie begegnen uns meist nicht mit umfangreichem Glaubenswissen, nicht mit einer durch die lutherischen Bekenntnisschriften und durch die kirchlichen Agenden geprägten Vorstellung dessen, was eine evangelisch-lutherische Kasualie ausmachen sollte. Sie sind bewegt von ihren Empfindungen und Wünschen, wie sie die nächste Schwelle in ihrem Leben meistern können. Dazu kann auch das Gefühl gehören, die Braut möge durch den Vater in die Kirche geleitet werden. Oder die Vorstellung, „You’ll never walk alone“ von der CD wäre ein wunderbares Lied für eine Trauerfeier. 163 Oder auch die Bitte, in der Trauerfeier auf das gemeinsame Singen zu verzichten. Ich halte dafür, die Frage, ob so etwas sein kann bzw. sein darf, nicht zum status confessiones zu erheben. Vieles von dem, was gewünscht und geplant wird, erachte ich eher als Geschmacks- oder Stilfrage denn als den Kern der christlichen Botschaft berührend. Und wenn denn solche oder ähnliche Wünsche an eine Kasualie herangetragen werden, dann ginge es meines Erachtens eher darum, in diese Situation hinein das Evangelium zu verkündigen und den Horizont zu weiten für den Zuspruch, der über jeden Geschmack erhaben ist. Denn darin liegt die große Chance der kirchlichen Kasualien: In einer Gesellschaft, die oftmals das olympische Ideal „Schneller! Höher! Weiter!“ zur Maxime in vielen Bereichen erhoben hat, kann deutlich werden: Nicht wir Menschen müssen alles schaffen. Nicht wir haben das Glück in der Hand. Nicht wir müssen in uns selbst nach einem Lebenssinn suchen. Dies ist meines Erachtens das Pfund, mit dem Kirche gegenüber den Angeboten des Ritualdesigns, aber auch in der Begegnung mit Konfessionslosen, die an einem Kasualgottesdienst teilnehmen, wuchern kann. Von diesem Kern aus kann es dann ganz unterschiedliche Formen der Gestaltung geben. Und zum Zweiten möchte ich diese an die Kirche gerichteten Wünsche auch auf andere Weise als konstruktive Herausforderung verstehen. Ritualdesigner betonen immer wieder, dass sie ihre Angebote in hohem Maße individuell auf ihre Kunden ausrichten. Abgesehen davon, dass sie sich im Vollzug oftmals an geprägte kirchliche Kasualformen anlehnen, so kann doch gerade eine lutherische Kirche den Vorstellungen von Eltern zur Taufe, von Jugendlichen zur Konfirmation, von Brautpaaren zur Trauung und von Angehörigen zur Trauerfeier im Wissen um das Priestertum aller Getauften begegnen. Denn es kommen Menschen zu uns, die ihren eigenen Glauben ernst nehmen und für „ihre“ Kasualie Ausdrucksformen ihres Glaubens gesucht und gefunden haben. Ich plädiere dafür, Wünsche und Vorstellungen zu Kasualgottesdiensten als ein dem lutherischen Glauben zutiefst entsprechendes Wahrnehmen dieses allgemeinen Priestertums aller Getauften zu verstehen. Es mag banal sein, soll aber gleichwohl gesagt werden: Ich plädiere nicht dafür, einfach alles zuzulassen. Doch im Miteinander aller Beteiligten– jener, die um Begleitung bitten, Pastorinnen und Pastoren, Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, Kirchengemeinderat – sollte es darum gehen, aus allen Wünschen, Vorstellungen und Überlegungen das Angemessene für die eine, jeweilige Kasualie gemeinsam herauszufinden. 163 Vgl. hierzu auch: Michael Heymel: „You Gotta Love Someone“. Über Musik bei Kasualien, in: Pastoraltheologie 88, Göttingen 1999, S. 34–41. Stefan A. Reinke: Alles Verhandlungssache. Überlegungen zur Musik im Kasualgottesdienst, in: Pastoraltheologie 100, Göttingen 2011, S. 413–425. 56 Der Markt des Ritualdesigns und der nichtkirchlichen Kasualien ist für die Kirchen eine Herausforderung, den allen kirchlichen Kasualien innewohnenden Reichtum und den Mehrwert des Zuspruchs eines den Menschen zugewandten Gottes immer wieder neu zu heben. Die Begegnungen mit Konfessionslosen in den Seminaren „Der fremde Blick“ haben erkennen lassen, dass die biblische und kirchliche Tradition für die Sprachund Gestaltungsformen von Kasualien einer Übersetzung bedarf, damit die Verheißung eines erfüllten und gelingenden Lebens wachgehalten werden und das Geheimnis des Göttlichen durchscheinen kann. 57 Literaturverzeichnis (in Auswahl) Albrecht Döhnert: Jugendweihe zwischen Familie, Politik und Religion, Leipzig 2000 Albrecht Döhnert: Kein Grund zu überlegenem Lächeln. Jugendweihe zwischen Konkurrenz und Lernverhältnis, in: Lernort Gemeinde, 20. Jahrgang, Heft 2/2002, Hannover 2002 Martin Dutzmann: Das Fernsehen ist nicht die Kirche. „Traumhochzeit“ und kirchliche Trauung. Kritische Anmerkungen zum Aufsatz von Jo Reichertz, in: Pastoraltheologie 88, Göttingen 1999, S. 24–28 Engagement und Indifferenz. Kirchenmitgliedschaft als soziale Praxis. V. EKD-Erhebung zur Kirchenmitgliedschaft, Hannover 2015 Andreas Fincke: Freie Theologen, freie Redner, freie Ritendesigner, in: Materialdienst der EZW 4/04, Berlin 2004, S. 123–134 Für die Jugend. Mit der Jugend. 20 Jahre Jugendweihe Deutschland e. V., Berlin 2010 Arnold van Gennepp: Übergangsriten, Frankfurt/M, New York 32005 Horst Groschopp: Eine kleine Geschichte der Jugendweihe, in: diesseits, Berlin 14/2000, http://fowid.de/fileadmin/textarchiv/Groschopp_Horst/ Jugendweihe_Geschichte_TA2000_9.pdf René Gründer: Blótgemeinschaften. Eine Religionsethnografie des ‚germanischen Neuheidentums‘, Würzburg 2010 Bernd-Michael Haese: Kasualien – Lust und Last im pastoralen Dasein. Impulsreferat auf dem Konvent des KK Althamburg, Koppelsberg/Plön, 20.06.2005, http://www.uni-kiel.de/fak/theol/pt/haese/moodle/file.php/1/ lustundlast.pdf Friedrich-Wilhelm Haack: Wotans Wiederkehr. Blut-, Boden- und Rassereligion, München 1981 Handbuch Weltanschauungen, Weltanschauungen, Freikirchen, Hg. im Auftrag der VELKD von Christiane Jahn/Matthias Pöhlmann, Gütersloh 2015 Emilia Handke: Weder Jugendweihe noch Konfirmation. Erkundungen in einem unbekannten Feld, in: Pastoraltheologie 105, Göttingen 2016, S. 105–120 Eberhard Hauschildt: Kirchliche Trauungen zwischen Magiebedürfnis und Interpretationschance. Zu den Beiträgen von Jo Reichertz und Martin Dutzmann, in: Pastoraltheologie 88, Göttingen 1999, S. 29–33. Michael Heymel: „You Gotta Love Someone“. Über Musik bei Kasualien, in: Pastoraltheologie 88, Göttingen 1999, S. 34–41 Manfred Isemayer: Jugendweihe und Jugendfeier in Deutschland, Marburg 2014 Janina Karolewski/Nadja Miczek/Christof Zotter: Ritualdesign. Zur kultur- und ritualwissenschaftlichen Analyse „neuer“ Rituale, Bielefeld 2012 Anja Kirsch: Freie Bestattungsredner, in: Michael Klöckner/Udo Tworusckka: Handbuch der Religionen, 12. Ergänzungslieferung I-11, München 1997 ff Thomas Klie (Hg.): Performanzen des Todes. Neue Bestattungskultur und kirchliche Wahrnehmung, Stuttgart 2008 Bettina Kolwe-Schweda: Trauung im neuen Design? Kirche auf dem Markt zwischen Angebot und Nachfrage, in: Evangelische Stimmen 9, September 2014, Kiel 2014, S. 4 f. 58 Marianne Kramer Abebe: Aufbruch zu neuen Ritualen. Eine Annäherung an die Praxis freiberuflicher Ritualbegleiter und Ritualbegleiterinnen, in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 2000, Göttingen 2000, S. 35–64 Helga Kutz-Bauer/Konny G. Neumann: Was ist der Mensch, was soll der Mensch? Hamburg 1990 Daniela Leitner: „Ritualdesign“ als Beruf. Religionswissenschaftliche Überlegungen zur (In-)Varianz freier Trauungen, in: Forum Ritualdynamik Nr. 19, Heidelberg 2013, http://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/ritualdynamik/ article/view/11459/5314 Dorothea Lüddeckens: Neue Rituale in allen Lebenslagen. Beobachtungen zur Popularisierung des Ritualdiskurses, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, 56(1), 2004, S. 37–53 Michael Nüchtern: Bestattungskultur in Bewegung, in: Micheal Nüchtern/ StefanSchütze (Hg.): Bestattungskultur im Wandel, EZW-Texte 200, Berlin 2008, S. 5–9 Ohne Gott. Konfessionslosigkeit – Ein Überblick, Hg.: Arbeitsstelle Kirche im Dialog der Evangelisch Lutherischen Kirche in Norddeutschland, Rostock 2015 Detlef Pollack/Gert Pickel: Religiöser und kirchlicher Wandel in Ostdeutschland 1989–1999, Opladen 2000 Jo Reichertz: „Traumhochzeit“ – Magie und Religion im Fernsehen oder: Die Wiederentdeckung des Religiösen, in: Pastoraltheologie 88, Göttingen 1999, S. 2–15 Stefan A. Reinke: Alles Verhandlungssache. Überlegungen zur Musik im Kasualgottesdienst, in: Pastoraltheologie 100, Göttingen 2011, S. 413–425 Christian Ruch: Extra ecclesiam etiam salus? Ritualdesign im außerkirchlichen Bereich, in: Materialdienst der EZW 7/12, Berlin 2012, S. 243–248 Michael Schibilsky: Kasualien in der Mediengesellschaft, Anmerkungen zu den Beobachtungen von Jo Reichertz zur „Traumhochzeit“, in: Pastoraltheologie 88, Göttingen 1999, S. 16–23 Christiane Schlott: Bestatter in Leipzig. Ritualanbieter in säkularer Zeit, Dresden 2011 P. Eberhard Schlund: Neugermanisches Heidentum im heutigen Deutschland, Nachdruck der 2. Auflage, München 1924, Augsburg o. J. Stefanie von Schnurbein/Justus H. Ulbricht (Hrsg.): Völkische Religion und Krisen der Moderne, Würzburg 2001 Reiner Sörries: Herzliches Beileid. Eine Kulturgeschichte der Trauer, Darmstadt 2012 Regina Sommer: Kindertaufe – Elternverständnis und theologische Deutung, Stuttgart 2009 Stefan Schütze: Die Kasualie Trauung im Wandlungsprozess. „Alternative Trauungen“ und „Lebensfeiern“ durch „Freie Theologen“ als Herausforderung für kirchliches Handeln, in: Materialdienst der EZW 3/05, Berlin 2005, S. 102–111 59 Impressum Herausgeber: Kirche im Dialog, Arbeitsstelle der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland Bei der Nikolaikirche 1, 18055 Rostock Telefon 0381 49738358, Fax 0381 49738359 info@kircheimdialog.de, www.kircheimdialog.de ViSdP: Jörg Pegelow Autor: Jörg Pegelow Bildnachweis: Roger Schmidt (Foto Umschlag) Bestellungen: info@kircheimdialog.de Gestaltung: Heike Bräuer Druck: adiant druck, Roggentin gedruckt auf Circle Offset Premium white von IGEPA, ausgezeichnet mit dem blauen Umweltengel und dem EU Ecolabel, FSC ® zertifiziert © 2016 Kirche im Dialog Alle Rechte für Abbildungen und Texte liegen bei den Autoren.