Leseprobe - context verlag Augsburg
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Inhalt Salomon Idler, der glücklose Flugpionier Augsburgs erster Flugplatz: eine Graspiste Der Augsburger Schuhmacher wollte vom Perlachturm segeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Von 1916 bis 1968 hoben Flugzeuge an der Haunstetter Straße ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Anno 1784: Ballonpremiere für Augsburg Willy Messerschmitt prägte eine Epoche Papierener „Luftball“ der Gebrüder Bader sorgte für gewaltiges Staunen . . . . . . . . . . . . . . . 8 Jagdflugzeuge, Geschwindigkeitsrekorde und das erste Strahlflugzeug . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Lütgendorfs „Luftkugel“ hob nicht ab Eine Flugzeugwerft im Hinterhof „Aerostatische Experimente“ sorgten 1786 für ungeheures Aufsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1931 bauten drei junge Amateure in Augsburg einen Doppeldecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Ein Papierballon trug „Madame Bittorf“ 1931 blickte die Welt auf Augsburg Anno 1811 eröffnete eine Frau die Personen-Luftfahrt in Augsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Auguste Piccards erster Ballonaufstieg in die Stratosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Herrn Siegmanns Riesen-Montgolfiere Fliegende Oldtimer aus Haunstetten Ein „physikalischer Künstler“ ließ 1813 einen Heißluft-Fesselballon steigen . . . . . . . . . . . . 20 „Bitz Flugzeugbau“ rekonstruiert Maschinen für Filme und Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Augsburg bejubelte reisende Aeronauten Vom „Schneewittchensarg“ zum Airbus Der Luftschiffer Wölfert „infizierte“ 1888 August Riedinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 „Premium Aerotec“ ist der jüngste Nachfolger der Messerschmitt AG . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Riedingers „Drachen“ waren Exportschlager Ballonbau Wörner lässt Gashüllen steigen Ein kurioser Fesselballon wurde von den Militärs vieler Länder genutzt . . . . . . . . . . . . . . 26 Weltweit einzige Lizenz für Ballone, die mit Wasserstoff gefüllt werden Ballonfabrik Riedinger lieferte weltweit Vom „Alten Flugplatz“ zum „City Airport“ Eine Augsburger Erfolgsgeschichte der Luftfahrt endete nach 112 Jahren . . . . . . . . . . . . . 30 . . . . . . . . . . . . . . 78 Der „Verkehrslandeplatz“ war der größte Regionalflughafen Bayerns . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Weltweit ältester aktiver Luftsportverein Von der Wolfzahnau ins Weltall Seit 1901: tausende Starts der Mitglieder des Freiballon-Vereins Augsburg . . . . . . . . . . . . . 34 Ariane-Raketen heben mit Hochtechnologie von „MT Aerospace“ ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Das lenkbare Parseval-Luftschiff Das Ballonmuseum in Gersthofen 1906 fanden die Militärs die „Zigarre“ aus Augsburg brauchbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Das Motto „Leichter als Luft“ auf 1000 Quadratmetern in Szene gesetzt . . . . . . . . . . . . . . . 90 Das erste Flugzeug über Augsburg Am Ostersonntag 1911 landete ein Farman-Doppeldecker bei Kriegshaber . . . . . . . . . . . . . 42 Namensregister/Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Rumpler-Doppeldecker aus Augsburg Die Erprobung eines „Helicopters“ stand am Beginn der Rumpler-Werke . . . . . . . . . . . . . . 46 2 Bildnachweis/Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Zum Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .96 3 1786 gen Weg, doch die Schicksalsmächte verweigerten ihm den Erfolg. Das Vorhaben war enorm kostspielig, so dass im Vorfeld alle Register in puncto Werbung gezogen werden mussten. Dies verstand Freiherr von Lütgendorf vorzüglich. Im Januar 1786 legte er dem Rat der Stadt ein Gesuch um die Erlaubnis zur Durchführung von Ballonaufstiegen vor. Ein Misserfolg war nicht eingeplant, sein Unternehmen würde auf jeden Fall „zum Ruhm, zur Ehre, zum Nutzen und zur Lütgendorfs „Luftkugel“ hob nicht ab Zierde der Stadt“ gereichen, versprach er. 1783 hatten in Frankreich die ersten Men- „Aerostatische Experimente“ sorgten 1786 für ungeheures Aufsehen schen sowohl in einem Heißluftballon als auch in einem Gasballon den Luftraum erobert. Nun war es höchste Zeit, dass ein 12 Sieht man von den dilettantischen Flugver- Jahr als erster Deutscher mittels einer „Luft- Deutscher nachzöge. Und das würde er, suchen des Augsburger Schusters Salomon kugel“ entschweben. Er sah für das „aero- Lütgendorf, sein – und zwar in Augsburg. Idler ab, so tritt Augsburg ernsthaft im statische Experiment“, wie er sein Unter- Jahre 1786 in die Luftfahrtgeschichte ein. nehmen im Antrag an den Augsburger Rat Der „Kurpfalz Bayerische Hoff-Kammer- nannte, in der freien Reichsstadt am Lech und Regierungs-Rat“ Joseph Maximilian die besten finanziellen, technischen und Unter der Auflage, der Stadt und der Bür- Freiherr von Lütgendorf wollte in diesem publizistischen Voraussetzungen. gerschaft keine Unkosten zu verursachen, Anno 1786 voreilig verbreiteter Stich mit der Vorbereitungen im Komödienhaus stimmte der Magistrat zu. Die Zeitungen über Augsburg schwebenden „Luftkugel“, die Um es vorwegzunehmen: Es gelang ihm berichteten über den Fortgang der Vorbe- in Wirklichkeit den Boden nie verließ. Bild oben: Das auf den Ilsungwiesen beim nicht. Trotz der Fehlschläge stellten Exper- reitungen im Komödienhaus bei St. Salva- Siebentischwald aufgebaute Amphitheater ten später fest, Lütgendorf sei durchaus tor (Jesuitengasse). Jedermann war gegen mit der zwischen hohen Masten zur Füllung ein Realist und keineswegs ein Scharlatan einen Obolus eingeladen, bei der Fertigung aufgehängten Ballonhülle. gewesen. Technisch war er auf dem richti- des Ballons „aus 1000 Ellen rotem und wei- 13 1911 Schon um 1900 wurden Bilder von „Drachen- seinem Doppeldecker mit Schubpropeller fliegern“ und „Flugmaschinen“ veröffent- und vorderem Höhensteuer auf dem Tem- licht, denen allerdings eines nicht gelang – pelhofer Feld bei Berlin Demonstrations- das Fliegen. 1906 tauchte das erste Bild des flüge durch. Zu den Flügen strömten ins- „Aeroplans“ (Bezeichnung für motorisierte gesamt 350 000 Zuschauer. Dabei stellte Fluggeräte mit Tragflächen) des Franzosen Orville Wright mit 172 m einen neuen Louis Blériot auf, dessen zwei Schrauben Höhenweltrekord auf. Es waren abenteuer- ein 24-PS-Motor treiben sollte. lich anmutende „Apparate“, die da abhoben. Manche ähnelten einem Drachen, Nicht mit diesem aus zwei großen ellipti- andere einer Ente oder Taube. schen stoffbespannten Holzrahmen bestehenden Doppeldecker, sondern mit dem als „Bleriot XI“ bezeichneten „Monoplan“ 1911: ein Aeroplan auf dem Großen Exerzierplatz bei Kriegshaber Der „Aeroplan“ der Brüder Wright, der im 25. Juli 1909 als erster Flieger den Ärmel- Nun dauerte es nicht mehr allzu lange, bis deutschen Flugzeugindustrie. Der Fremden- Jahr 1908 erstmals Flüge von über einer kanal von Calais nach Dover und kassierte auch die Augsburger ein Exemplar dieser verkehrsverein Augsburg hatte die beiden Stunde schaffte. dafür 1000 englische Pfund. Eine bessere fliegenden Konstruktionen zu sehen be- Zwei-Pfennig-Marken für diese „National- Werbung hätte sich die von Juli bis Okto- kamen. Am Ostersonntag 1911 landete auf Flugspende“ herausgegeben. Ingenieur Grade mit seinem „Aeroplan“ ber 1909 terminierte erste deutsche „Inter- dem Großen Exerzierplatz beim heutigen bei einem Schauflug 1909 in Hamburg. nationale Luftfahrt-Ausstellung“ (ILA) in Augsburger Stadtteil Kriegshaber erstmals Frankfurt am Main nicht wünschen können. ein „Aeroplan“ – ein Farman-Doppeldecker, Diese Ausstellung signalisierte den Durch- geflogen von Dr. Oskar von Wittgenstein. bruch der Fliegerei in Deutschland. Der „Aviatiker“ war in München-Puchheim Als im April 1912 Prinz Heinrich von Preußen gestartet. zu einer „National-Flugspende“ zwecks Die ersten einstündigen Flüge der Gebrüder Wright Augsburger „National-Flugspende“ Förderung der deutschen Flugzeugindustrie Das Ereignis soll rund 50 000 Schaulustige aufrief, beteiligte sich Augsburg mit zwei auf die Beine gebracht haben. Nicht alle Spendenmarken über je zwei Pfennig. Die waren begeistert. „Ich war enttäuscht, als „Vervollkommnung der Flugapparate und Wright die ersten Ein-Stunden-Flüge gelun- ich den Flugapparat sah, denn ich hatte ihn die Ausbildung der Flieger“ sollte mit dem gen waren, wich die Skepsis an der Zuver- mir viel größer vorgestellt“, schrieb eine so eingenommenen Geld vorangetrieben lässigkeit von „Aeroplanen“. Vom 4. bis 20. 13-jährige Schülerin des Englischen Insti- werden, denn um diese Zeit war klar: Die September 1909 führte Orville Wright mit tuts über dieses Ereignis in einem Aufsatz. Zukunft in der Luft gehört dem Flugzeug. Nachdem im September 1908 den Brüdern 44 Mit zwei Spendenmarken beteiligte sich Augsburg anno 1912 an der Förderung der (Eindecker) überquerte der Flugpionier am 45 seit 1956 Vom „Schneewittchensarg“ zum Airbus Produktion an: Über 20 000 Stück verließen das Werk. Zu dem 1953 auf den Markt kom- „Premium Aerotec“ ist der jüngste Nachfolger der Messerschmitt AG menden Kabinenroller („Schneewittchensarg“) lieferte Augsburg lediglich Teile. Klein- und Mittelklasseautos folgten, und Die jüngste Epoche von Augsburgs Luftfahrt- ten, die dort noch vorhanden oder anders- geschichte begann etliche Jahre nach dem wo zu bekommen waren. Also lief 1945 Messerschmitt-Werken fast 15 000 „Vespa“- Zweiten Weltkrieg. 1945 war Deutschland die Produktion von Kochtöpfen, Bau- und Motorroller. von den Siegermächten mit Flug- und Pro- Möbelbeschlägen sowie Lockenwicklern an. von 1955 bis 1957 montierte man in den Erst die Pariser Verträge vom 5. Mai 1955 duktionsverbot für fast alles belegt, was sich in die Luft erheben könnte. Es gab die Die wirtschaftliche Lage besserte sich, und erlaubten in Deutschland wieder den Flug- Messerschmitt-Werke noch – das heißt, was ab 1948 wurden bei Messerschmitt Fertig- zeugbau. Bereits 1956 erhielt die Messer- Blick auf die Fertigung von Heckteilen für die Bomben davon übrig gelassen hatten. häuser gebaut und Stahldachstühle vorge- schmitt AG erste Wartungsaufträge, im die beiden Airbus-Langstreckenversionen Etwa 50 vormalige Flugzeugbauer begannen fertigt. 1949 umfasste die Belegschaft 139 selben Jahr begann der Lizenzbau des fran- „A330“ und „A340“. aufzuräumen und Materialien zu verwer- Mitarbeiter. 1951 lief eine Nähmaschinen- zösischen Düsentrainers „Fouga Magister“. Teilefertigung für einen Starfighter Ein ungewöhnlicher Durchblick ergab sich für den Fotografen im Frühstadium der 1959 folgte die Teilefertigung für den Ab- Fertigung eines „Eurofighters“. Für alle fangjäger „Lockheed-F 104G Starfighter“ Bestellernationen wird das Rumpfmittelteil und den italienischen Erdkampfjäger „Fiat im Augsburger Werk hergestellt. G 91“. Die industrielle Serienproduktion kompletter Hochleistungsflugzeuge ist in Augsburg durch nationale und internationale Arbeitsteilung seit dem Zweiten Weltkrieg vorbei. Ab Februar 1959 war die 74 Die Werke IV (Hintergrund) Messerschmitt AG Teil des „Entwicklungs- und III von „Premium Aero- rings Süd“, einer Arbeitsgemeinschaft zur tec“ (unten) sind durch die Entwicklung des ersten deutschen Nach- Haunstetter Straße und ein kriegskampfflugzeugs. Das Ergebnis: Vier Wohngebiet voneinander Jahre später konnte die Erprobung eines getrennt. zweistrahligen Senkrechtstarters beginnen, 75 seit 1969 Von der Wolfzahnau ins Weltall Ariane-Raketen heben mit Hochtechnologie von „MT Aerospace“ ab 1986 erfolgte die Gründung der „MAN Technologie GmbH“, 1989 wurde daraus eine selbstständige Aktiengesellschaft. 1986 Augsburgs facettenreiche Luftfahrtge- sich dabei um eine frühere „MAN-Tochter“ begann die Entwicklung von „Boostern“ schichte begann vor Jahrhunderten mit handelt, schafft Klarheit. Der Geburtsname (Gehäuse für Festtreibstoff-Motore) für Salomon Idlers missglücktem Flugversuch lautete „MAN Neue Technologie“, als Zent- das Raketensystem Ariane. Im Januar 1989 in der Jakobervorstadt – am Beginn des ralbereich für Forschung und Entwicklung wurde der erste Trinkwassertank für einen 21. Jahrhunderts heben Ariane-Raketen am 1. April 1969 ins Leben gerufen. 1971 „Airbus A 320“ ausgeliefert, exakt fünf Jahre mit Komponenten „made in Augsburg“ ab. folgte die Beteiligung am Raumfahrtprojekt später der 1000. Tank. Das Jahr 1997 war Sie werden von „MT Aerospace“ gefertigt. Ariane. Am 24. Dezember 1979 startete geprägt durch den Zukauf der „Zeppelin Dieser Name ist in Augsburg noch nicht schließlich die erste „Ariane I“ mit Augs- Technologie GmbH“ und die Gründung allzu geläufig, doch der Hinweis, dass es burger Beteiligung. einer Tochtergesellschaft für den Betrieb der Ariane-Startanlagen in Kourou. 2005 wurde das Aktienkapital vom Bremer Raumfahrt- und Technologiekonzern „OHB Technology AG“ und von „Apollo Capital Partners“ übernommen. Das Unternehmen erhielt den Namen „MT Aerospace AG“. Fabrikgelände schließt ans Stammareal der MAN an Das Fabrikgelände an der Franz-Josef-StraußStraße auf der Wolfzahnau schließt an das MAN-Stammareal an. Dort entwickeln und fertigen 2010 rund 600 Mitarbeiter mit 86 Schwebend in der Halle von „MT Aerospace“: neuesten Technologien in Faserverbund Die wichtigste Schubstruktur der Ariane oder Metall Komponenten, die höchsten Eine „Ariane 5“ startet in Kourou in den Welt- wird sich einmal zwischen der Zentralstufe Ansprüchen in der Luft- und Raumfahrt raum. „MT Aerospace“ aus Augsburg liefert und der Oberstufe befinden. gewachsen sind. Trägerraketen, Satelliten, zu jeder dieser Raketen wichtige Bauteile. 87