cedric chen ist verschwunden

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cedric chen ist verschwunden
impresso
4| 2015 Z E IT S CHR IF T FÜR Z E IT S CHR IF TENM ACHER
Frecher,
jünger,
lebendiger
Fachmedien werden für Journalisten
der Publikumspresse attraktiver – und
umgekehrt. Mehr Mut zur Meinung,
moderneres Auftreten und Investition
in Inhalte schärfen das Profil der
Business-Titel – und können auch im
Anzeigengeschäft helfen. > Seite 4
Raphaels Geschenk
Titelfiletierung
Fotos lügen doch
Hinter dem Fachverlag HW-Studio
aus dem pfälzischen Leimersheim
steckt eine ganz besondere
Geschichte > Seite 10
Neue Online-Kioske, die nur
einzelne Artikel verkaufen,
versuchen sich am Markt zu
etablieren > Seite 18
Vorsicht! Manipulierte Bilder.
Hier lesen Sie, wie man sie
schon mit einfachen Mitteln
aufspüren kann > Seite 40
12. Jahrgang
Inhalt
Nr.  4 / 2015
Dezember  2015
Seite
V E R L AG S LE I T U N G
Fachmedien: Stärken und Trends
Frecher, jünger, lebendiger
4
Porträt: Hans Weber, Verleger aus Leimersheim
Raphaels Geschenk
10
Mit neuen Online-Kiosken wird experimentiert
Die Filetierung der Titel
18
Zwischen Fachverlagen entstehen immer
mehr Kooperationen
Gemeinsam stark
26
Interview mit Klaus Kresse: Journalist, Verleger,
impresso-Autor und Lehrbeauftragter
Blick vom Spielfeldrand
32
Rechts-Rath.28
Einmal Freier immer Freier?
38
Redakteure müssen Bilder sorgfältiger prüfen
Fotos lügen doch
40
Die sieben schlimmsten Fehler
bei Geschäfts-E-Mails
Klick und weg
44
Schlusswort / Impressum
50
PE R S O N A L
R E DA K T I O N
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Fachmedien: Stärken und Trends
Frecher, jünger,
lebendiger
Fachmedien werden für Journalisten der Publikumspresse attraktiver – und umgekehrt.
Mehr Mut zur Meinung, moderneres Auftreten und Investition in Inhalte schärfen das Profil
der Business-Titel – und können auch im Anzeigengeschäft helfen.
ehn Jahre lang war Holger Externbrink Ressortleiter beim Wirtschaftsmagazin Impulse, ehe er die
Chefredaktion des Branchentitels
Handwerk Magazin von Holzmann Medien übernahm. Seit Mitte dieses Jahres führt Externbrink nun die Geschäfte
des Verlags Siegfried Rohn, einer Toch-
Z
Foto: Fotolia
ter der Rudolf Müller Mediengruppe in
Köln, wo er zuvor schon als Verlagsleiter tätig war. Nun soll der Diplom-Volkswirt das Portfolio, zu dem die drei Fachzeitschriften Baumarktmanager, Motorist und Markt in grün gehören, neu
ausrichten und den Verlag fit machen
für die digitale Zukunft.
Von Roland Karle,
Freier Journalist,
Neckarbischofsheim
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Seit September vergangenen Jahres ist
Matthias Oden stellvertretender Chefredakteur von Werben & Verkaufen. Er hat
zuvor bei der Financial Times Deutschland volontiert, arbeitete als Redakteur
im Finanzen- und Agenda-Ressort, danach für Capital und wurde 2013 schließlich Redaktionsleiter des WirtschaftLifestyle-Magazins Business Punk, ehe
er zur Fachzeitschrift nach München
wechselte.
Fachmedien werden für
Journalisten interessanter
Seit gut zwei Jahren bildet Hagen Seidel zusammen mit Michael Werner die
Chefredaktion der Textilwirtschaft, die
zu den drei werbeumsatzstärksten
Fachtiteln in Deutschland gehört. Seidel war zuvor Leiter des Korrespondentenbüros Nordrhein-Westfalen der
Welt-Gruppe in Düsseldorf und insgesamt fast 14 Jahre lang für die Tageszeitung des Axel Springer Verlags tätig,
nachdem er bei der WAZ Mediengruppe seine journalistische Laufbahn gestartet hatte.
Externbrink, Oden, Hagen, dazu Uwe
Vorkötter (siehe Interview) – vier von
zahlreichen Personalien, die illustrieren:
Fachmedien sind für gestandene Journalisten aus der Publikumspresse ein
attraktives Berufsfeld. Umgekehrt gilt:
Fachverlage zeigen zunehmend Interesse an Redakteuren von Wirtschaftsmagazinen und Zeitungen, die sich an die
Zielgruppe Entscheider wenden. Denn
Unternehmer, Führungs- und Fachkräfte
sind die bevorzugte Klientel der sogenannten Business-to-Business-Medien –
mit ihnen zu kommunizieren, ist eine
Hauptaufgabe von Fachredakteuren.
Und um attraktive, wertvolle Inhalte zu
schaffen, braucht es kompetente Journalisten. „Wir geben heute mehr für die
Redaktion aus als noch vor einigen Jahren“, erklärt Matthäus Hose, Verlagsleiter WEKA Fachmedien.
Lange galten Fachmedien
als zweite oder dritte Wahl
Fachpresse bei Führungskräften
die Nummer eins
Welche Mediengruppen Entscheider für ihre
berufliche Tätigkeit als wichtig einstufen
Mediengruppe
Nennungen
in %
Branchenspezifische Fachzeitschriften
77
Internetseiten von Herstellern,
Händlern, Dienstleistern
52
Überregionale Tages- und Wochenzeitungen
42
Politik- und Wirtschaftsmagazine
37
Internetseiten der Zeitschriften und Zeitungen
36
Soziale Netzwerke
29
Fernsehen
18
Nichts davon
10
Quelle: LAE 2015
Lange Zeit galten Fachzeitschriften als
zweite oder gar dritte Wahl für ambitionierte Journalisten. Die Verlage altmodisch, die Blätter verstaubt, die Kommunikation auf Fachchinesisch – solche
Klischees hielten sich hartnäckig. Bis
heute gibt es B-to-B-Magazine, die dieses Vorurteil bestätigen. Aber sie sind
nicht mehr die Regel. „Gerade in den
vergangenen Jahren haben sich etliche
Titel enorm weiterentwickelt“, sagt
Horizont-Chefredakteur Uwe Vorkötter,
der fast sein gesamtes Berufsleben bei
Tageszeitungen verbracht hat.
Während die kräftig gegen Schrumpfung kämpfen, geht es der Fachpresse
vergleichsweise gut. Im vergangenen
Jahr haben die Fachzeitschriften einen
Umsatz von rund 1,85 Milliarden Euro
erwirtschaftet. Laut Statistik der Deut-
Auf steigendem Ast
Fünf-Jahres-Umsatztrend bei Fachzeitschriften
Jahr
FachzeitschriftenUmsatz gesamt*
in Mio. Euro
Veränderung
zum Vorjahr in %
davon Anzeigenumsatz in Mio.
Euro
davon Vertriebsumsatz in Mio.
Euro
Verhältnis Anzeigenzu Vertriebsumsatz
in % (gerundet)
2014
1853
1,0
869
879
50:50
2013
1835
3,2
889
857
51:49
2012
1779
-0,7
858
832
51:49
2011
1792
-0,6
875
836
51:49
2010
1802
3,3
856
859
50:50
*Anzeigen-, Vertriebs- und sonstige Erlöse ohne Fachbücher, Loseblatt, Elektronische Medien, Dienstleistungen
Basis: Befragung der Mitglieder der Deutschen Fachpresse.
Quelle: Deutsche Fachpresse
schen Fachpresse ist das der höchste
Wert seit 2008. Und: Erstmals übersteigen die Erlöse aus dem Verkauf der
Publikationen den Anzeigenumsatz.
Das bestätigt den Trend, wonach vor allem Publikationen gefragt sind, die sich
bestimmten Themen und klar definierten Nischen widmen. Obwohl B-to-BKommunikation heute verstärkt über
digitale Kanäle stattfindet, führt das
nicht automatisch zu Printsterben. Im
Gegenteil: 2014 registrierte die Deutsche Fachpresse 3824 Titel und im dritten Jahr hintereinander einen Zuwachs,
nur vier Mal seit 2001 gab es mehr Fachzeitschriften. Die verbreitete Auflage beträgt 507 Millionen, das ist der dritt­beste
Wert in diesem Zeitraum.
Auch die „Leseranalyse Entscheidungsträger in Wirtschaft und Verwaltung“
(LAE), wichtigste Markt-Media-Studie
für die Werbeplanung in Entscheidermedien, attestiert den Fachtiteln eine robuste Rolle. Danach gefragt, welche Medien für ihre berufliche Tätigkeit wichtig
sind, nannten 77 Prozent der Entscheider „branchenspezifische Fachzeitschriften“ – in keiner anderen Kategorie
gab es mehr Zustimmung. Internetseiten
von Herstellern, Händlern, Dienstleistern
(52 Prozent) und Überregionale Tagesund Wochenzeitungen (42 Prozent) folgen, erst danach kommen Politik- und
Wirtschaftsmagazine (37 Prozent) sowie
Internetseiten von Zeitschriften und Zeitungen (36 Prozent).
Fachtitel: Von Werbungtreibenden oft unterschätzt
Ein Ergebnis, das Harald Müsse nicht
überrascht. Der Mediaberater und ehemalige Chef der Verlagsgruppe Handelsblatt findet, dass Fachmedien gerade auch von Werbungtreibenden unterschätzt werden. „Führende Fachzeitschriften haben eine hohe Qualität und
produzieren eine starke Leserbindung.
Sie werden auch künftig die Grundlage
für zuverlässigen Werbeerfolg bilden.“
Je nach Zielgruppe sind Business-Titel
großen Magazinen sogar überlegen. Ein
Beispiel aus der LAE: Das Handwerk
Magazin erreicht über eine verbreitete
Auflage von gut 80.000 Exemplaren im
Durchschnitt des vergangenen Jahres
136.000 Selbstständige, während Der
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Spiegel mit rund 894.000 Exemplaren in
dieser Kategorie eine niedrigere Reichweite von 127.000 erzielt. Anders gesagt: Mehr als jeder zweite Leser des
Handwerk Magazins (52 Prozent) ist
selbstständig, eine solche Quote schafft
kein anderer LAE-Titel. Nah dran kom-
men Markt und Mittelstand (40 Prozent)
und Der Handel (39 Prozent), deren
Konzept ebenfalls auf die Belange von
Firmeninhabern zielt.
Die Fachverlage tun gut daran, ihre Stärken auszubauen. Denn „ein Fachmedi-
Interview mit Uwe Vorkötter
„Modernisierung muss zur
Daueraufgabe werden“
Der langjährige Zeitungsjournalist und jetzige Horizont-Chefredakteur Uwe Vorkötter
über die unterschätzte Bedeutung von Fachmedien, wo sie gegenüber Publikumstiteln
im Vorteil sind und wo sie Nachholbedarf haben.
Z
eitungen machen, das liegt Uwe
Vorkötter im Blut. Über Jahrzehnte hinweg führte er Regie bei renommierten Blättern, war Chefredakteur der Berliner Zeitung, Frankfurter Rundschau und Stuttgarter
Zeitung. Seit dem Frühjahr 2014
steht der promovierte Volkswirt an
der Spitze von Horizont, dem wöchentlichen Fachblatt für Entscheider aus Marketing, Werbung und
Medien. Im impresso-Interview erzählt der 62-Jährige, warum Fachmedien oft unterschätzt werden, wo
sie noch besser werden müssen und
was er selbst gelernt hat.
Herr Vorkötter, Sie waren vor Ihrem Start bei Horizont als Berater des DuMont-Schauberg-Vorstands und als Managing Partner
von Consultum Communications
tätig. Wie kam es zur Rückkehr
in den Journalismus und den
Einstieg in die Fachpresse?
Uwe Vorkötter: Fachmedien waren in
meiner beruflichen Lebensplanung
eigentlich nicht vorgesehen. Ich habe
aber auch schnell gemerkt, dass mir
im Beraterjob etwas fehlte – der Redaktionsschluss. Als dann das Angebot von Horizont kam, konnte ich
mich sehr schnell mit dieser verlockenden Perspektive anfreunden.
Was hat Sie besonders überrascht als renommierter Journalist und zugleich Neuling in der
Fachpresse?
Es ist schon außergewöhnlich, wie
viel fachliche Qualifikation in dieser
Redaktion steckt. Für den Tageszeitungs-Journalisten beginnt die Recherche häufig am Morgen bei null.
Fachjournalisten sind dagegen meist
tief verwurzelt und gehen mit beachtlichen Vorkenntnissen an die Recherche heran. Und ich stelle fest, dass
Leser der Redaktion von Fachmedien
mit einem hohen Maß an Respekt begegnen. Auch das ist in der Tagespresse nicht selbstverständlich.
Auf den Medienseiten der überregionalen Zeitungen kommen
Fachmedien nicht vor, da wird
eher über ein neues Format im
indischen Frühstücksfernsehen
berichtet. Das haben Sie vergangenes Jahr in einer Kolumne
geschrieben. Woran liegt das
eigentlich?
Die Medienredaktionen der Publikumstitel haben oft einen verengten
Blick. Sie schauen auf die großen
Leitmedien der Republik, dann natürlich auf Fernsehen und Internet. Weil
sie ein breiteres Publikum ansprechen, ist das durchaus zu verstehen.
Allerdings ist die Entwicklung der
Fachmedien sehr spannend, und es
gibt keinen Grund, sie zu ignorieren.
Was ist denn so spannend an
den Fachmedien?
Allein schon das riesige Spektrum an
Titeln und Themen. Da gibt es für jede
Branche und viele Branchenzweige
ganz spezielle Angebote. Was heute
so gerne als Community bezeichnet
und als neue Erfindung im Internet-Zeitalter hervorgehoben wird, das
praktizieren die Fachmedien schon
seit jeher. Dabei sind die Unterschiede
zum Teil erheblich – vom edel gestalteten Magazin, das auch optisch mit der
Hochglanzpresse mithalten kann, bis
um muss sich Relevanz in seinem Markt
erarbeiten“, betont Matthäus Hose. Der
Verlagsmanager nennt als Beispiel den
WEKA-Wochentitel Computer Reseller
News (CRN), der sich zum Meinungsmacher-Magazin weiterentwickelt habe,
indem er „frecher, pointierter und profi-
zum recht bieder daherkommenden
Schriftwerk. Spannend ist, was sich
aus der spitzen Positionierung ableitet: Für jede Berufsgruppe gibt es
Fachmedien, die für sie nahezu unverzichtbar sind. Wer wissen will, was in
der Branche läuft, informiert sich in
seiner Fachzeitschrift und den angeschlossenen digitalen Kanälen.
Ein Vorteil, den viele der sogenannten General-Interest-Medien nicht haben?
Tageszeitungen und breit informierende Zeitschriften haben mit dem
Problem sinkender Relevanz zu
kämpfen. Deshalb verlieren sie seit
Jahren an Lesern und Anzeigenerlösen. Es kommt nicht von ungefähr,
dass sich hingegen Fachmedien und
Special-Interest-Publikationen in der
Tendenz stabil entwickeln. Sie decken einen wachsenden Bedarf an einem zunehmend differenzierteren Informationsinteresse, das sich durch
die gesamte Gesellschaft zieht und
durch das Internet befeuert wird.
Fachmedien sind für ihre Zielgruppen hoch relevant, das bestätigen auch Studien immer
wieder. Allerdings: In ihrer Mehrheit sind sie nicht gerade Trendsetter des Journalismus.
Ach, da will ich schon differenzieren.
Gerade in den vergangenen Jahren
haben sich etliche Titel enorm weiterentwickelt, sowohl was die optische
Anmutung als auch die redaktionel-
lierter geworden ist“. Das nutzt auch der
Anzeigenvermarktung, sagt Hose. „Wir
stellen eine Renaissance klassischer
Werbekampagnen fest, vermutlich als
Antwort auf die Flut des Onlinemarketings, der die Branchenprofis ausgesetzt sind.“
len Formate betrifft. Inhaltlich bewegten sie sich ohnehin schon immer auf
hohem Niveau.
Trotzdem gibt es noch Fachzeitschriften mit seitenlangen Bleiwüsten und verwackelten Bildern.
Mag sein, aber es werden weniger.
Fachverlage tun natürlich gut daran,
wenn sie in Redaktion, Inhalte und
Gestaltung investieren. Auch, um im
Werbemarkt an Attraktivität zu gewinnen. Denn es kommt nicht vor, dass
sich ein Leser meldet und übers Layout beschwert, übrigens auch bei Publikumsmedien nicht. Umso mehr gilt:
Modernisierung muss zur Daueraufgabe werden, damit man nicht irgendwann ganz alt aussieht.
Wie weit sind die Fachmedien in
ihrer Entwicklung hin zu multimedialen Marken?
Da gibt es erhebliche Unterschiede,
was auch mit dem Kommunikationsverhalten verschiedener Berufsgruppen zusammenhängt. Insgesamt betrachtet, hat unsere Branche da sicher noch Nachholbedarf. Bei der digitalen Transformation muss mehr
Tempo gemacht werden.
Fachredakteure, so hieß es
immer, müssten sich in ihrem
Metier auskennen, aber keine
Edelfedern sein. Was dazu geführt
hat, dass Texte für den Leser
oftmals sehr schwer verständlich
und verdaulich waren.
Hat sich daran etwas geändert?
Es ist sicher auch heute noch so, dass
bei vielen Kollegen das Fachwissen
und der analytische Ansatz dominieren. Aber ich habe den Eindruck, dass
vielerorts auf gute Schreibe und verständliche Vermittlung von Inhalten
mehr Wert gelegt wird als früher. Das
halte ich für unbedingt erforderlich,
wobei es ja längst eine Vielzahl exzellenter Autoren in den Fachmedien gibt.
Sie selbst sind als renommierter
Zeitungsjournalist zu einem
Fachmedium gewechselt, auch
einige andere Kollegen haben
diesen Weg eingeschlagen. Sind
das deutliche Indizien, dass sich
die Fachpresse journalistisch
professioneller aufstellt?
Ja, das sehe ich durchaus so. Ich
glaube, in vielen Fachverlagen ist die
Erkenntnis gereift, dass sie sich mehr
denn je in einem Wettbewerb der Inhalte befinden. Und dass die Angreifer heute nicht nur aus anderen Verlagen kommen, denn es war noch nie
so einfach wie jetzt, als Einzelner oder
mit kleinem Team zum Publisher zu
werden, wie an etlichen Blogs zu sehen ist. Außerdem beschreiten Hersteller, Händler und Dienstleister im
Internet eigene Pfade, um mit ihren
Zielgruppen in Kontakt zu kommen.
Da müssen die Fachmedien aufmerksam sein und ihre Rolle noch besser
ausfüllen als bislang.
Das Interview führte Roland Karle
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Porträt: Hans Weber, Verleger aus Leimersheim
Raphaels Geschenk
Hans Weber hat vor mehr als einem Vierteljahrhundert einen kleinen
Fachverlag im pfälzischen Leimersheim gegründet. Dort erscheinen
drei Zeitschriften, das Geschäft ist auskömmlich, ohne Auffälligkeiten.
Und doch steht eine ganz besondere Geschichte dahinter.
er 1. April 1985 ist ein Montag, der
sich von seiner freundlichen Seite
zeigt. Die Sonne lächelt schon ein bisschen über den Horizont, der Frühling
kündigt sich an. Für Hans Weber und
seine junge Familie, die im pfälzischen
Leimersheim gerade ein Haus gebaut
hat, beginnt scheinbar eine Woche wie
viele andere zuvor. Nichts deutet darauf
hin, dass sich ihr lieb gewonnener Alltag, der unbeschwerte Blick in die Zukunft, ja, ihr ganzes Leben schlagartig
ändern werden.
D
Am helllichten Tag kommt es zur Katastrophe.
Raphael, ihr dreieinhalbjähriger Sohn,
tollt gerade noch fröhlich auf dem Spielplatz. Kurz darauf ein Knall: Er wird von
einem Auto erfasst und lebensgefährlich
verletzt. Der Junge erleidet schwere
Hirnverletzungen, muss maschinell beatmet werden. Die Hoffnung, dass sich
sein Zustand verbessert, schwindet mit
jeder Minute. Raphael steht dem Tod
näher als dem Leben.
Foto: hw-studio weber
Heute ist Raphael 34 Jahre alt. Im
HW-Studio, dem familieneigenen Verlag, hat er seinen Platz gefunden. Direkt neben den Geschäftsräumen in einem ebenerdigen Gebäude, das 2000
errichtet und 2011 erweitert wurde.
Hier ist sein Zuhause, in Nachbarschaft
zum Vater. Der kann ihn durch die Fensterscheiben seines Büros sehen. Im
Gegensatz zu früher, als Raphael jeweils für mehrere Jahre in speziellen
Einrichtungen in Kandel, Mannheim
und Speyer untergebracht war, lässt
sich nun jederzeit Nähe herstellen. Der
junge Mann ist präsent, nur wenige Meter von der Familie entfernt. Ihn besuchen und mit ihm Kontakt aufnehmen
zu können, das hat inzwischen etwas
Selbstverständliches.
Wenn er seinen Sohn anspricht, mit
Worten und Gesten, wenn er ihn anschaut, ihn berührt, dann fühlt sich
Hans Weber eng mit ihm verbunden.
Manchmal lächelt sein Sohn zurück.
„Das“, sagt Hans Weber, „empfinde ich
als Geschenk.“
Von Roland Karle,
Freier Journalist,
Neckarbischofsheim
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Familie Weber: Rechts der
Vater, links die Mutter. Hinten
der Sohn Fabrice, und in der
Mann, der nicht aufgibt. Einer, der viel
aushält. Und sich seinen Optimismus
nicht nehmen lässt.
Mitte Raphael mit seinen
Schwestern Saskia und Joana
Raphaels Zustand ist unverändert. Von
dem schweren Unfall hat er sich nie erholt. Direkt danach verbrachte das Kind
vier Jahre auf der Intensivstation, ohne
wirklich Fortschritte zu machen. Seit
mehr als 30 Jahren liegt Raphael fortwährend im Wachkoma und wird beatmet. Rund um die Uhr muss er betreut
werden, ist komplett auf fremde Hilfe
angewiesen.
Dass aus dem gelernten Verlagskaufmann ein zufriedener Unternehmer geworden ist, hat ganz unmittelbar mit
Raphael zu tun. Treffender gesagt:
Ohne Raphael wäre sein Vater
heute vermutlich nicht
Verleger von drei Fachzeitschriften. Zwei davon – Not und Beatmet
leben – behandeln Inhalte, mit denen
sich Hans Weber und seine Frau Martina aus leidvoller Erfahrung bestens
auskennen. „Wir sind vom Fach“, bemerkt er nüchtern. „Durch den Schicksalsschlag und seine Folgen haben wir
einen direkten, persönlichen Zugang zu
den Themen unserer Zeitschriften.“
Die Magazine Not und
Beatmet leben wenden
sich an die Angehörigen
Es ist ein beschwerliches Dasein, für alle. „Wir wollen ihn so gut versorgen, wie
es nur geht. Ich glaube trotz allem, dass
sich Raphael glücklich fühlt in seinem
Leben“, sagt Hans Weber. Er ist ein
und Pfleger von Hirnverletzten und Schlaganfallpatienten. Außerdem:
Der Zoologische Zentral
Anzeiger zza
15 Fragen an den Verleger Hans Weber
Sagen Sie mal, Herr Weber ...
Welches Buchlesen Sie gerade?
Keines, ich konzentriere mich auf das Lesen von Fachzeitschriften.
Mit welchen Medien
beginnen Sie den Tag?
Mit unserer regionalen Tageszeitung.
Von wem haben Sie beruflich
am meisten gelernt?
Von einem ehemaligen Redaktionskollegen
vor meiner Selbstständigkeit.
Was treibt Sie an?
Mein Ehrgeiz, neue Ideen in hochwertiger Qualität umzusetzen.
Ihr Lieblingsberuf nach Verleger?
Inneneinrichtungsarchitekt.
Ihr Lebensmotto?
Nichts ist so gut, dass es nicht noch verbessert werden kann.
Ihr größtes Laster?
Gutes Essen, guter Wein und das Feierabend-Bier.
Auf welchen Internetseiten
verweilen Sie am längsten?
Auf allen Seiten, die mit Motorsport zu tun haben.
Die (berufliche) Entscheidung,
auf die Sie besonders stolz sind?
Neue Fachzeitschriften in Nischenbereichen initiiert zu haben.
Die (berufliche) Entscheidung, die
Ihnen am meisten Ärger brachte?
Die Zusammenarbeit mit einem Selbsthilfeverband.
Was tun Sie,
wenn Sie nicht arbeiten?
Gartenpflege, gemütlich auf der Terrasse sitzen und
gerne motorsportliche Events verfolgen.
Die wichtigste Fähigkeit
eines Verlegers?
Vorausschauend Entwicklungen am Markt zu erkennen.
In welcher Stadt fühl(t)en
Sie sich am wohlsten?
Früher München und Hamburg, heute eher auf Borkum.
Ihr bislang interessantester
Gesprächspartner?
Dr. Hannelore Kohl.
Welchen Wunsch wollen Sie sich
unbedingt noch erfüllen?
Meine Kinder erfolgreich als Nachfolger im Verlag einführen.
Fotos: hw-studio weber
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Die zza präsentiert sich
bei der Interzoo in
Nürnberg mit einem
Redaktionsbüro
Die 1992 gegründete, zweimonatlich
erscheinende Not befasst sich mit
„Hirnverletzung, Schlaganfall und sonstigen erworbenen Hirnschäden“, wie es
auf dem Cover heißt. Für Außenstehende sind die Heftthemen mitunter schwer
verdauliche Kost, zum Beispiel: Wachkoma – eine Form des Daseins. Basale
Stimulation. Behandlung mit extrakorporalen Stoßwellen. Der Laufroboter in
der neurologischen Rehabilitation. „Wir
wollen Hirnverletzten und Schlaganfallpatienten helfen und Ratgeber für deren Angehörige sein, um ihr Leben lebenswerter und qualitativer zu machen“, betont Weber.
Ein Anliegen, dem sich auch die Fachzeitschrift Beatmet leben verschreibt.
Sie berichtet für und über Menschen,
die dauerhaft auf maschinelle Beatmung angewiesen sind. Nachdem Not
über außerklinische Beatmung öfter
berichtete und später einige Specials
veröffentlicht hatte, wurde daraus 2009
ein eigenständiges Magazin, das ebenfalls zweimonatlich herauskommt. „Die
Medizintechnik hat sich in diesem Feld
stark weiterentwickelt. Die Zeit war reif
für eine kontinuierliche Berichterstattung“, sagt Weber.
Um die Redaktion kümmert sich verantwortlich seine Frau Martina. Sie und
ihr späterer Ehemann haben sich bei
der Arbeit kennengelernt. Beide absolvierten eine kaufmännische Lehre im
G. Braun Verlag in Karlsruhe, der damals neben den bekannten Telefonbüchern auch Fachzeitschriften herausgab. Magazine zu produzieren, zu vermarkten und zu vertreiben, das wurde
für Hans Weber schnell mehr als eine
gewöhnliche Erwerbstätigkeit. Er entdeckte darin seine Leidenschaft und
war entsprechend frustriert, als er nach
seinem Wehrdienst in den Verlag zurückkehrte und seine frühe Stelle anderweitig besetzt war. Nun musste er
im Adressbuch-Verlag Karteikarten aktualisieren und sortieren. „Das war eine
echte Strafarbeit für mich“, erinnert
sich Weber.
Aus der Hinterlassenschaft des elterlichen Spiel- und Papierwarengeschäfts
hatte seine Frau derweil ein nebenberufliches Standbein geschaffen, das sie
von zu Hause aus betrieb. Weber klinkte
sich mit ein, fand Gefallen an der Selbstständigkeit, suchte aber nach einer verlegerischen Aufgabe. „Mein Herz
schlägt halt für die Medien.“ Aus einem
früheren Kontakt zum Zentralverband
Zoologischer Fachbetriebe ergab sich
der Auftrag, deren Zeitschrift zu produzieren, zu vermarkten und zu vertreiben.
Der monatlich erscheinende Zoologische Zentral Anzeiger ist somit die Wurzel des Kleinverlags und gehört mit über
8000 verbreiteten Heften heute noch
zum Portfolio.
Die beiden selbst gegründeten Hefte
kommen halb so häufig heraus, sind
aber etwas auflagenstärker. Sowohl von
Not als auch von Beatmet leben werden
rund 10.000 Exemplare pro Ausgabe
verbreitet, rund die Hälfte davon sind
verkaufte Abonnements. Die Überschneidung der Leser beider Titel liegt
bei geringen etwa 20 Prozent. Gut für
den Verlag, weil das zusätzliche Abon-
„Durch den Schicksalsschlag und seine
Folgen haben wir einen direkten,
persönlichen Zugang zu den Themen
unserer Zeitschriften.“
nenten bringt und auch die Zahl der Anzeigenkunden erweitert. Die Einnahmen
aus dem Werbemarkt sind der wichtigste Teil des Geschäftsmodells, sie machen zwischen 70 und 80 Prozent der
gesamten Zeitschriftenerlöse aus. Der
Firmenumsatz bewegt sich bei knapp
einer Million Euro im Jahr, den deutlich
überwiegenden Anteil steuern die drei
Magazine bei. Der Rest resultiert aus
der Auftragsproduktion von Hauszeitungen, Verbands- und Vereinsschriften, Büchern und Broschüren, Messekatalogen und -zeitungen.
So hat sich das HW-Studio Weber zu einem Kleinverlag mit integrierter Medienagentur entwickelt – und ist ein echter
Familienbetrieb. Neben Hans Weber,
der die Firma 1989 gründete und bis
heute als ihr Denker und Lenker fungiert, arbeiten seine Frau Martina und
Die Mannschaft:
Vier Familienmitglieder
und fünf Festangestellte
arbeiten im Verlag
Weil sich eine Alternative im Betrieb
nicht rasch ergab, wechselte er zu einer kleinen Druckerei („Da habe ich viel
über Technik und Produktion gelernt,
wovon ich später profitiert habe“) und
danach zum Dähne Verlag in Ettlingen,
unter anderem bekannt für DIY, das
Fachmagazin für die Do-it-yourselfBranche. Dort arbeitete er mehr als
zehn Jahre lang, stieg zum Anzeigenund Verlagsleiter auf. Während dieser
Zeit passierte das Unglück mit Sohn
Raphael. Ein Grund, weshalb Weber einen Job im Außendienst begann, aber
schnell merkte, dass er der falsche
Mann am falschen Ort war.
Fotos: hw-studio weber
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zwei der vier Kinder mit. Fabrice, 24,
gelernter Medienkaufmann, kümmert
sich um die Anzeigenvermarktung,
während Tochter Saskia, 38, ausgebildete Verlagskauffrau, den Vertrieb
steuert und sich um Aufgaben in der
Geschäftsleitung kümmert. Ob die
jüngste Tochter Joana, 15, auch mal im
Verlag landen wird – wer weiß. Neben
den vier Familienmitgliedern beschäftigt der Verlag noch fünf weitere festangestellte Mitarbeiter.
„Ich sehe meine Aufgabe darin, meinen
Kindern das unternehmerische Rüstzeug
mitzugeben, um den Verlag erfolgreich
weiterzuführen.“
Fest steht aber, dass Hans Weber sich
in den nächsten Jahren allmählich zurückziehen will. Er ist jetzt 61, vital und
engagiert wie eh und je, keine Spur von
nachlassender Leidenschaft. Das gilt
auch für seinen sozialen Einsatz. Die
Webers haben nach dem Unfall ihres
Sohnes alle Hebel in Bewegung gesetzt,
1996 wurde dem
Ehepaar Weber
das Bundesverdienstkreuz für ihr soziales
Engagement verliehen
dass Menschen mit Hirnverletzungen
besser und auch zu Hause betreut werden können. Sie haben auf die Probleme aufmerksam gemacht, sich in der
Selbsthilfe eingebracht. Schon 1996
wurde ihnen dafür das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen, noch
heute gibt es Kontakte und Veranstaltungen mit öffentlichen Personen aus
Sport, Film und Politik. Besonders eng
ist die Verbindung zur ZNS – Hannelore
Kohl Stiftung für Verletzte mit Schäden
des Zentralen Nervensystems.
Beruflich hat Hans Weber eine recht
klare Vorstellung von der Zukunft – und
er weiß, dass sich vor allem durch die
digitale Entwicklung neue Fragen stellen. „Zur Onlinewelt hat die junge Generation eindeutig den besseren Draht“,
sagt er. Bislang kommen seine Zeitschriften ganz gut mit einem flankierenden Digitalangebot aus, das gedruckte Heft ist für Leser und Werbekunden nach wie vor erste Wahl. Sich
darauf zu verlassen, dass das so bleibt,
wäre fahrlässig. Abzuwarten, was passiert und dann erst zu reagieren – auch
Ohne damit Geld zu
verdienen, veranstaltet
der Verlag zusammen
mit der HanneloreKohl-Stiftung auf
Messen Fachforen
Den will er in den kommenden Jahren
gerne noch ausbauen. Ob durch die
Übernahme von Zeitschriften anderer
Verlage, durch Aufträge von Verbänden
oder die Gründung eines weiteren Magazins – da legt er sich nicht fest. „Es
gibt Möglichkeiten zu wachsen und den
Verlag auf ein noch breiteres Fundament zu stellen“, sagt Hans Weber.
Einmal, es ist schon etliche Jahre her,
sind die Webers zusammen mit Raphael in die Ferien nach Österreich gefahren. Kaum dort angekommen, erreichte
den Verleger der Anruf eines Interessenten, den er schon lange als Anzeigenkunden gewinnen wollte. Ein Treffen mit der Mediaagentur sei anberaumt, und das sei eine gute Gelegenheit, um ins Geschäft zu kommen. Weber setzte sich ins Auto, fuhr von den
Alpen stundenlang ins Weserland –
nach Bremen. „Die Besprechung hat
dann nicht lange gedauert“, erzählt
Weber. Aber sie lohnte sich, denn daraus erwuchs ein Anzeigenauftrag in gut
fünfstelliger Höhe.
Er selbst sieht sich dabei als Antreiber,
der seine Kontakte und Kompetenzen
einbringt. Und als tatkräftiger Ratgeber, der den Übergang managt. Aber er
übt auch schon mal, wie es sein wird,
wenn er den Rückzug antritt. Beispiel:
Dieses Jahr waren die Eheleute Weber
mit dem Reisemobil in Skandinavien
unterwegs. Sie haben dreieinhalb Wochen Urlaub gemacht – fast einen Monat lang, das ist Rekord. „In der Regel
nehmen wir maximal eine Woche frei,
und die passen wir dem Erscheinungsrhythmus unserer Zeitschriften an“, gesteht Weber.
Natürlich würde Weber das wieder tun.
Aber er kann auch loslassen, zumindest
schon ein bisschen. Es gibt inzwischen
Wochenenden, die gestaltet er komplett
arbeitsfrei und fährt nicht mal eben von
zu Hause ins nahe gelegene Büro. Sorgen muss man sich aber nicht machen
um den Fleißigen. Beim 19-maligen deutschen Motoball-Meister MSC Taifun
Mörsch lebt er seine Begeisterung für
den Motorsport aus. Weber ist seit Jahren Vorsitzender des Clubs in seinem
Heimatort. „Und in einem Verein“, sagt
der Verleger mit Ruhestandsperspektive,
„da gibt es immer viel zu tun“.
das ist riskant. Ein Grund mehr, den eigenen Nachwuchs bald in die Verantwortung zu bringen. Weber: „Ich sehe
meine Aufgabe darin, meinen Kindern
das unternehmerische Rüstzeug mitzugeben, damit sie den Verlag erfolgreich weiterführen können.“
Fotos: hw-studio weber
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Mit neuen Online-Kiosken wird experimentiert
Die Filetierung
der Titel
Blendle, Pocketstory, Readly und Pressreader: Am Markt versuchen sich
derzeit neuartige Online-Kioske zu etablieren. Sie bieten den Usern nicht
mehr die ganze Ausgabe, sondern den
Abruf einzelner Artikel. Verlage
experimentieren mit
diesen neuartigen
Paid Content
Modellen.
ier Wochen nach dem Start in
Deutschland haben es die Gründer von Blendle erst einmal richtig krachen lassen. „Ich bin dieses Wochenende mit dem ganzen Team aufs Land gefahren. Wir gingen mountainbiken im
Wald, machten die Rutschen im Wasserpark unsicher und tanzten die
Nächte
durch“,
erzählte
Co-Gründer Marten Blankesteijn gut gelaunt in seinem
Blog. Irgendwann habe er
dann wieder den Laptop
aufgeklappt und die
Zahlen angesehen, die
seine Partylaune so
richtig beflügelten: Rund
500.000 Menschen nutzen Blendle inzwischen,
davon 400.000 in Holland, wo man vor rund
einem Jahr an den Start
ging. Und die Wachstums­
r aten in Deutschland sind ebenfalls vielversprechend: viermal
so schnell wie in den Niederlanden.
V
Mit genauen Zahlen hält sich
Blankesteijn freilich zurück.
Zu jung ist das Start-up, als
dass man sich jetzt schon genau
in die Karten schauen lassen
möchte. Doch es sieht so aus, als ob
mit Blendle tatsächlich ein Paid-Content-Konzept Fuß fassen könnte, das anders als die bisherigen Geschäftsmodelle funktioniert. Bislang haben sich
die Verlage darauf konzentriert, ganze
Abos oder zumindest einzelne AusgaFoto: iStockphoto
Shutterstock– Composing: Nina Bauer
ben als Digitalversion zu verkaufen.
Blendle aber zerlegt die Titel feinsäuberlich in ihre Bestandteile: Verkauft werden an den User einzelne Artikel. Fühlt
der sich durch die Überschrift in die Irre
geführt, erhält er nach der Lektüre sein
Geld zurück. Rund 50.000 Artikel habe
man auf diese Weise in Deutschland bereits verkauft, sagen die Blendle-Macher. Allerdings wurden im Zuge des
Markteintritts auch reihenweise 5-EuroGutscheine verschenkt.
70 Prozent der Einnahmen
bleiben den Verlagen
Im Durchschnitt kostet ein Artikel 20
Cent, den genauen Preis bestimmen die
Verlage, bei denen auch 70 Prozent der
Einnahmen verbleiben. Rund 20 Zeitschriftentitel aus Deutschland beteiligen
sich bislang an dem Experiment, darunter Spiegel, Stern, Wirtschaftswoche,
Capital, Focus, Brigitte, Gala, aber auch
die SZ mit ihrem Magazin oder Computer Bild. Und viele weitere haben sich
angemeldet, an der digitalen Filetierung
ihrer Ausgaben mitzumachen: Wired,
GQ oder Auto Motor und Sport. „Besonders interessant ist die Zielgruppe, die
Blendle anspricht“, sagt ein Sprecher
von Gruner + Jahr. „Neue, junge Leser
können von hochwertigen Inhalten begeistert werden.“
Tatsächlich sind die Menschen, die
Blendle nutzen, eher jünger, das zeigt
eine Auswertung: Danach ist die Hälfte
der Nutzer zwischen 15 und 35 Jahren
alt, nur jeder fünfte Leser ist älter als 45.
Und sie hegen offenbar eine Vorliebe für
Von Helmut van Rinsum,
Medienjournalist,
München
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Der Digitalkiosk Blendle
jubelt: Die Wachstumsraten
Die meistverkauften
Artikel auf Blendle
in Deutschland entwickeln
sich vielversprechend
1.
„Nahost 2035“
Analyse zur Zukunft des Nahen Ostens
Autor: Wilfried Bucht
Titel: Cicero
anspruchsvollere, längere Artikel: Der in
Deutschland meist verkaufter Beitrag
war – Stand 12. Oktober – die Story
„Nahost 2035“, eine Analyse zur Zukunft
des Nahen Ostens von Wilfried Bucht,
veröffentlicht im Magazin Cicero. Ansonsten finden sich unter den beliebtesten Artikeln die Flaggschiffe der deutschen Verlagslandschaft: Zeit, Spiegel,
FAS (siehe Kasten).
Wieso die ganze Zeitschrift
kaufen?, denken viele Leser
Es scheint also durchaus ein Potenzial
interessierter Leser zu geben, die Qualitätsjournalismus im Internet häppchenweise nutzen möchten. Sie schätzen
keine ganzen E-Paper-Ausgaben, auch
keine aufwändig produzierten Multimedia-Versionen von Zeitschriftentiteln, in
denen man sich verliert. Es ist das iTunes-Prinzip, das sie auf die Zeitschriften-Landschaft angewendet sehen
möchten: Wieso die ganze CD kaufen,
wenn man eigentlich nur ein oder zwei
Songs hören will? Wieso den ganzen
Spiegel, wenn man eigentlich nur das
Interview lesen will?
Gefördert wird dieses Mediennutzungsverhalten durch ein gezieltes Empfehlungsmarketing: Registrierte User werden über einen Newsletter täglich auf
neue Artikel hingewiesen, die zu ihren
Interessen passen – eine Marketingmechanik, die im Web schon lange zum
Standard gehört. Ebenso wie der
schnoddrige Ton, mit dem die Beiträge
angepriesen werden. „Wir haben ein gutes Stück über die Hoffnungen junger
Türken gefunden, da wird ja morgen gewählt. Und ganz unten findest du das
Interview, über das das halbe Land
spricht: Günter Walraff im SZ Magazin.“,
heißt es da beispielsweise. „Aber lass
uns erstmal in die Psyche einer Selbstmörderin schauen...“
Erstaunlich ist nur, warum ein Angebot
wie Blendle erst jetzt auf den Markt
kommt. Und wieso so ein Angebot von
einem kleinen Start-up aus den Niederlanden stammt. Suchen nicht die Verlage seit Jahren ständig nach Investitionen, die sie auf ihrem Weg der digitalen
Transformation voranbringen? Welche
Einsichten haben die Manager eigentlich von ihren vielen Reisen ins Silicon
Valley mit ins Büro genommen?
Nur Axel Springer ist an
Blendle finanziell beteiligt
Als einziger Publisher hat sich Axel
Springer mit drei Millionen Euro an
Blendle beteiligt. Das ist im Vergleich zu
anderen Investitionen ins digitale Business keine große Nummer. Aber ein Zeichen. Und immerhin: Julia Jäkel, die
Markt, veranstaltet aber keinen so großen Wirbel. Auch
Pocketstory sammelt auf seiner Plattform Artikel aus meinungsbildenden Medien und
bietet sie dem User einzeln
zum Kauf an.
50 Zeitungs- und Zeitschriftenmarken – darunter Zeit und
2. „Naivität des Bösen“
Spiegel – hat die Plattform unAnalyse zur Angst vor Flüchtlingen
ter Vertrag, rund 1500 Artikel
Autor: Bernd Ulrich
stehen bislang zur Auswahl.
Titel: Die Zeit
Eine kleine Redaktion entscheidet täglich darüber, wel3. „Straight Outta Kontext“
Zur Entbündelung der Medien
che Beiträge aufgenommen
Autor: Stefan Niggemeier
werden. Voraussetzung: Sie
Titel: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
müssen gewisse inhaltliche
Ansprüche erfüllen, dürfen
4. „Heidi und die Brandstifter“
nicht newsgetrieben sein und
Geschichte einer Aussteigerin aus dem
eine Mindestlänge von 5000
“Bund Heimattreuer Jugend”, ein Nazi-Camp
Zeichen umfassen. „Die Artikel
Autoren: Daniel Müller, Christian Fuchs
sollten eine gewisse ZeitlosigTitel: Die Zeit
keit besitzen und über den Tag
hinaus Bestand haben“, erklärt
5. „Die Hetzerjagd“
Höge. Für einen Beitrag mit
Zuhause bei einem wegen rassistischer
5000 Zeichen muss der User
Posts gefeuerten Facebook-Nutzer
39 Cent bezahlen, für weitere
Autoren: Laura Backes und Jonas Leppin
Titel: Der Spiegel
1000 Zeichen mehr erhöht
sich der um jeweils einen Cent.
Stand: 12. Oktober, Quelle: Blendle
30 Prozent der Einnahmen
verbleiben beim Start-up.
Theo­retisch könnten die VerlaCEO von Gruner + Jahr, sitzt im Adviso- ge den Preis ihrer Artikel selbst bestimry Board von Blendle. Viel mehr ist der- men. Doch der überwiegende Teil hält
zeit aber auch nicht. „Verlage investieren sich an diese von den Machern vorgeleider mit ihren Venture-Armen kaum in schlagene Preisstrategie.
Publishing-Projekte. Finanzielle Beteiligungen aus dieser Richtung sind eher
Pocketstory wirkt frischer
schwierig“, bedauert Thorsten Höge.
und näher an den Usern
„Aus dieser Richtung rechnen wir mit
keiner finanziellen Beteiligung mehr.“
Dies ist nicht der einzige Unterschied.
Während bei Blendle die Artikel den
Höge war mal der erste Volontär von Zeitschriftentiteln zugeordnet sind, konSpiegel Online und ist heute einer von kurrieren bei Pocketstory die einzelnen
drei Gründern des Online-Kiosks Po- Medien untereinander. Blendle bietet
cketstory und könnte das Geld eigent- dem User die Artikel in der typischen
lich gut gebrauchen. Das Hamburger E-Paper-Optik an, Pocketstory offeriert
Start-up verfolgt ein ähnliches Konzept sie in ansprechendem Layout. Außerwie Blendle, ist schon seit Mai auf dem dem reichert Pocketstory seine Beiträge
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mit gut formulierten Teasern und dem
Hinweis auf die Lesedauer an. Blendle
dagegen ist aktueller, die Artikel aus
dem Spiegel erscheinen am selben Tag
wie die Printausgabe, bei Pocketstory
erst eine Woche später.
Das mögen Nuancen sein, dennoch
wirkt Pocketstory mit seinem Angebot
deutlich frischer und näher an den Ansprüchen, die User an Publishing-Angebote im Netz stellen. Das Angebot
entfernt die Artikel aber auch weiter
von ihrer Absendermarke. Die Beiträge
sind nach Ressorts geordnet, nicht
nach den Verlagstiteln. Vielleicht ist
dies auch der Grund für die Zurückhaltung, die Verlage diesem Angebot entgegen bringen: Ihre Marke steht nicht
mehr im Mittelpunkt der publizistischen Leistung, sondern wird eher in
die Rolle des Zulieferers für eine Plattform gedrängt. Höge hält allerdings
wenig von solchen Bedenken. „Im
Prinzip bieten wir eine Leistungsschau
des Journalismus“, sagt er. „Wir decken ein breites Meinungsportfolio ab,
haben eine Vielfalt an Inhalten und bieten die unterschiedlichsten journalistische Formate wie Features, Interviews
oder Reportagen.“
Bei Pocketstory denkt man derzeit intensiv darüber nach, ob man den Einzel­
abruf nicht durch eine Flatrate ergänzen
könnte, so wie es beispielsweise der
Streamingdienst Spotify für Musik anbietet. Für einen Monatsbeitrag von 9,99
Euro kann sich der User dort nach Belieben in der viele tausend Songs umfassenden Musikbibliothek bedienen.
Für Verlage, die sich gerade erst mühsam zum Einzelverkauf ihrer Titel durchgerungen haben, wäre dies ein weiterer,
großer Schritt. „Der Verkauf von Einzelartikeln ist ein völlig anderes Geschäftsmodell als das Anbieten von Verbundprodukten in einer Flatrate“, sagt Anja
zum Hingst, Leitung Kommunikation
und Werbung beim Spiegel Verlag.
„Letztere bietet für journalistische Premiumprodukte keine ausreichende Erlösperspektive.“
Readly bietet seinen Kunden
eine Lese-Flatrate an
Nicht alle Verlage sind dieser Ansicht.
Seit einem Jahr ist in Deutschland der
schwedische Dienst Readly verfügbar,
der genau mit so einem Flatrate-Angebot Leser lockt. Für 9,99 Euro im Monat kann sich der User aus inzwischen
Readly arbeitet mit
einem Flatrate-Modell,
was in der Branche
nicht unumstritten ist
168 deutschsprachigen Magazinen
bedienen, darunter vor allem die Titel
des Bauer Verlags und der Funke
Gruppe, aber auch Axel Springer mit
Computer Bild und Sport Bild oder
Weka Media. Zudem hat Readly eine
Kooperation mit der Telekom, deren
Kunden den Dienst dazu buchen können. Weltweit habe man allein im September 135 Millionen gelesene Seiten
gezählt, verbreiten die Macher in einer
Mitteilung. Die durchschnittliche Nutzungszeit betrage 20 Minuten pro Magazin. Auf den Medientagen in München wies Deutschland-Geschäftsführer Philipp Graf Montgelas darauf
hin, dass bereits sechs deutsche Zeitschriften mit Readly mehr Geld verdienen würden als mit ihrer gedruckten
Ausgabe.
Laterpay: Erst lesen, dann zahlen
Eine Möglichkeit, einzelne Artikel im Internet zu monetarisieren, bietet das Start-up Laterpay aus München. Es
beruht dabei auf der Idee, dass der Leser Kleinstbeträge – beispielsweise 40 Cent für einen Artikel – nicht sofort
bezahlen muss. Das System erkennt den User, wenn er die Website neuerlich aufsucht und addiert die von ihm
bestellten Artikel wie auf einer Restaurantrechnung. Erst wenn der Betrag von fünf Euro erreicht ist, muss er sich
registrieren und bezahlen. Er kann dabei websiteübergreifend einkaufen: Je mehr sich also an dem System
beteiligen, umso größer ist damit die Chance, dass es sich durchsetzt. Von den Einnahmen behält Laterpay
15 Prozent für sich, der Rest geht an die Inhalteanbieter. Der Charme der Lösung besteht auch in seiner
einfachen Implementierung – für Wordpress ist es beispielsweise als Plugin verfügbar.
Bei Pocketstory sind die
Beiträge nach Ressorts
geordnet, nicht nach den
Titeln, die dahinter stehen
Genutzt wird das System von der Hamburger Morgenpost oder der Fachzeitschrift Journalist. Der Titel hat
Laterpay im Juni erstmals installiert, weil man, so Chefredakteur Matthias Daniel, kein großes Bezahlsystem
einrichten wollte. Die Erkenntnis seitdem: Leser sind tatsächlich dazu bereit, für umfangreichere Beiträge wie
Interviews zu bezahlen. Die Texte kosten rund einen Euro, womit sich der Journalist ein paar Zusatzerlöse sichert,
die sich freilich noch in überschaubarem Rahmen bewegen. Wichtig sei es jetzt, so Daniel, dass sich das System
weiter verbreite, damit dessen Akzeptanz steige. Denn für die Fachzeitschrift, die auch auf der Plattform Blendle
präsent ist, ist es eine weitere Möglichkeit, sich dem Leser zu nähern. „Es gibt nicht den einen Weg“, so Daniel.
„Wir müssen auf die unterschiedlichen Kundenwünsche eingehen.“
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Konkurrenz aus Kanada:
Pressreader arbeitet
ebenfalls mit dem FlatratePrinzip und kooperiert jetzt
mit dem Bauer Verlag
Seit kurzem hat Readly mit diesem Konzept einen Konkurrenten: Im Oktober
gab der kanadische Online-Kiosk Press­
reader bekannt, der ebenfalls nach dem
Flat-Prinzip arbeitet, dass er mit dem
Bauer Verlag kooperiert. Damit konnte
Pressreader sein Angebot für den deutschen Markt deutlich aufbessern. Denn
bislang waren dort vornehmlich regionale Tageszeitungen wie die Rheinische
Post oder die Passauer Neue Presse zu
finden: Nun kann man dort auch in den
digitalen Ausgaben von Cosmopolitan,
InTouch, Bravo und Joy blättern. „Um
Reichweite und Erträge zu maximieren,
haben wir uns entschlossen, neben
traditionellen Vertriebsportalen und
App-Stores unsere Zielgruppe auf neuen Wegen zu erreichen“, so Cedric Atta,
Director International ePublishing bei
der Bauer Media Group.
Damit zeichnet sich eine Trennlinie ab.
Einmal mehr vertreten die Verlage mit
Blick auf digitale Paid-Content-Modelle
unterschiedliche Strategien. Während
Bauer keine Berührungsängste mit Modellen hat, die nach dem Prinzip „AllYou-Can-Read“ arbeiten, haben Spiegel, Zeit und Gruner + Jahr eher Bedenken, sich daran zu beteiligen. Sie fürchten, in diesem Umfeld und zu diesen
Konditionen ihre Artikel zu entwerten
und damit ihre Marken zu beschädigen.
Irgendwo dazwischen agiert Springer,
die mit unterschiedlichen Titeln die verschiedenen Plattformen testen. „Wir
prüfen laufend unterschiedlichste Vertriebsoptionen auf ihre strategische Relevanz, Attraktivität des Angebots und
natürlich auch im Hinblick auf wirtschaftliche und vertriebliche Rahmenbedingungen“, so Sprecher Michael
Schneider. „Auf dieser Basis entscheiden wir, welche digitalen Vertriebskanäle wir bedienen.“
Und so tasten sich die Verlage erst einmal langsam an die neuen Paid-Con­
tent-Formen heran. Es sei zunächst einmal wichtig, an möglichst vielen Orten
mit den Lesern in Kontakt zu kommen,
sagt ein Sprecher von Gruner + Jahr.
Welche Rolle dabei der Verkauf einzelner
Artikel im Erlösmix eines Verlages einmal
spielen werde, lasse sich aber momentan nicht sagen. Man müsse die Plattformen testen, um zu lernen, wie sich Kundenbedürfnisse entwickeln, heißt es
beim Spiegel.
Das Beispiel der Musikindustrie zeigt,
dass diese Entwicklung Richtung Einzelverkauf und Flatrate gehen könnte. Dort
haben sich die Player lange dagegen gewehrt und mussten sich am Ende doch
den Wünschen der Kunden beugen. Die
Fragmentierung der Medienlandschaft,
sie könnte schon bald auch die einzelnen Zeitschriften-Titel erfassen.
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Die Zeit des Einzelkämpfertums scheint bei
Fachverlagen der Vergangenheit anzugehören.
Zumindest dann, wenn es opportun erscheint.
Kooperationen werden immer beliebter.
ir maßen uns nicht an, alles alleine
zu können“, hat
Arnd-Christian Kulow, Sprecher des
Richard Boorberg Verlags, einmal gesagt. Kooperationen sind schon lange
ein Mittel der Wahl, um das Wachstum
eines Unternehmens zu unterstützen.
Zusammen mit anderen lassen sich
Stärken sowohl im Leser- als auch im
Werbemarkt oft besser ausspielen.
Auch fehlende Ressourcen oder fehlendes (IT)Know-how lassen sich auf diese
Weise kompensieren. In letzter Zeit
steigt die Zahl der Partnerschaften auffällig. „Die Medienbranche ist erheblich
offener für Kooperationen geworden“,
bestätigt Alfons Schräder, Geschäftsführer von Heise Medien. Für besonders
sinnvoll erachtet er Kooperationen „bei
sinnvollen Ergänzungen von unterschiedlichen Geschäftsmodellen“ sowie
bei „ähnlichen Partnern in unterschiedlichen Ländern“.
W stemmen
Zwischen Fachverlagen entstehen immer mehr Kooperationen
Gemeinsam
stark
Grenzüberschreitend hat Heise Medien
vor Kurzem eine Kooperation mit der
Online Technology Plattform The Register vereinbart. Ziel ist es, die von Heise
unterstützte Veranstaltung Continuous
Lifecycle Conference, eine Fach-Veranstaltung für Softwareentwickler, nach
England zu exportieren. Die erste Continuous Lifecyle London wird im Mai
Foto: Shutterstock
Von Susanne Broos,
Redaktionsbüro
Susanne Broos;
Hamburg
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2016 stattfinden, durchgeführt von The
Register und Heise Medien. Eine längere Kooperation besteht bereits mit der
Maker Media Inc. aus Kalifornien, eine
Plattform für die stetig wachsende Maker-Szene. Die deutsche Marke Make,
publiziert im Heise-Medien-Tochterunternehmen Maker Media GmbH, und die
Maker Media Inc. arbeiten eng zusammen. „Aus unserer Sicht ist die Bewegung erst durch die internationale Kooperation mehrerer Partner so stark geworden, wie sie sich bereits heute darstellt“, sagt Schräder.
Nicht Kreativpotenzial, sondern ITKnow-how steht im Zentrum der Kooperationen, die beispielsweise Brain­
yoo mit Verlagen eingeht. Brainyoo,
hervorgegangen aus einer Lernsoftware, ist eine Lernplattform im Internet.
„Wir sehen die Kooperation als partnerschaftliche Zusammenarbeit“, so Geschäftsführer Patrick Schmidt. „Unsere
Verlagspartner können gut Content, wir
können gut Software– so wird dann ein
Schuh daraus.“
Lernsoftware liegt bei
Verlagen im Trend
Die Zusammenarbeit bringe für beide
Seiten eine Menge Kreativpotenzial,
Ideen für redaktionelle Inhalte, Ideen für
die Maker-Faire-Veranstaltungen und
Ideen für Make-Projekte und -Produkte.
Lohnen muss sie sich natürlich auch.
„Aus unserer Sicht ist immer wichtig,
dass sich der Aufwand für beide Seiten
rechnet – wir schauen dabei sehr auf
zusätzliche Umsätze und zusätzliche
Reichweiten.“
Hersteller von LernSoftware eignen sich gut
als Partner für Verlage
Rund 15 Verlage nutzen bereits das
Brainyoo-System und den dazugehörigen Marketplace. Über die E-Learningplattform und die Zusammenarbeit, die
individuell ausgestaltet werden kann,
erschließen sie für ihre Produkte in diesem Bereich unter anderem einen weiteren Absatzmarkt. Nicht nur in Richtung Endkunden, sondern auch in Richtung Corporate Learning, denn etliche
Unternehmen, Akademien und Bildungsinstitute seien gerade dabei, so
Schmidt, Brainyoo intern als standort­
unabhängiges Lernsystem einzuführen.
Zusätzliche Reichweite, das Erschließen neuer Wachstumspotenziale und
attraktive(re) Angebote für alte und
neue Zielgruppen mit sich verändernden Bedürfnissen steht bei vertrieblichen Content-Partnerschaften im Mittelpunkt, vor allem, wenn es um digitale
Medien geht. „Unsere Kunden wollen
Content zunehmend elektronisch verfügbar haben, um den einfach und effizient in die eigenen Workflows einbauen zu können. Und dabei will der Kunde
nicht in unterschiedlichen Plattformen
recherchieren und einkaufen müssen,
sondern alles, was er braucht, an einer
Stelle finden“, hat der scheidende Geschäftsführer des Bundesanzeiger-Verlags, Fred Schuld, bereits vor zwei Jahren festgestellt. Auf diesen Kundenwunsch nach einer Lösung reagieren
Fachmedienanbieter verstärkt, indem
sie dafür Kooperationen mit Wettbewerbern eingehen. Ein noch recht neues Phänomen in der Fachmedienlandschaft. Ein Beispiel dafür ist die verlagsübergreifenden Recherche-Plattform
für Steuerkanzleien, die Haufe und fünf
weitere Fachverlage im Mai vergangenen Jahres gelauncht haben.
Die Lösung, die technologisch auf der
Wissensmanagement-Lösung Haufe
Suite basiert, vereint relevantes Steuerfachwissen der beteiligten Partner unter
einer Oberfläche. Inzwischen ist die
Zahl der Partner auf neun angewachsen. Neu hinzugekommen sind in diesem Jahr der Deubner Verlag, Fachmedien Recht und Wirtschaft, ein Fachbereich der dfv Mediengruppe, und der
Richard Boorberg Verlag. Sie alle bringen ausgewählte Inhalte in die Lösung
ein, die offen ist für weitere Contentpartner. „Die Anforderungen an Steuerexperten steigen. Immer schneller sollen
Foto: Fotolia
Verlagsübergreifende ContentPartnerschaften im Fachmedienmarkt
(Auswahl)
•ESVcampus
www.esvcampus.de
•Handelsblatt Fachmedien
www.der-betrieb.de/inhalte/partnerinhalte
•Jurion
www.jurion.de
•Juris
www.juris.de
•Verlagsübergreifende Recherche Plattform für Steuerkanzleien
www.recherche-plattform.haufe.de
•VetCenter
www.vetcenter.de
sie fundierte Auskünfte erteilen können.
Dieses höhere Arbeitstempo müssen
Tools wie Nachschlagewerke und Fachinformationen heute abbilden können. In dem Konzept, umfassendes
Fachwissen unterschiedlicher renommierter Anbieter unter einer Oberfläche
anzubieten, sehen wir deshalb eine optimale Möglichkeit, Steuerberatern die
tägliche Arbeit zu erleichtern“, so Gerhard Großmann, Prokurist beim Richard
Boorberg Verlag über das Engagement.
Vorbild für RecherchePlattformen war Jurion
Vorbild für die verlagsübergreifenden
Recherche-Plattform für Steuerkanzleien war in gewisser Weise die Wissensmanagementlösung Jurion von Wolters
Kluwer. Sie richtet sich an Juristen und
bietet ihnen als ein Feature Zugriff auf
ausgewählten Content der Fachverlage,
die mit Jurion kooperieren. Content-Partnerschaften sind auch das
Herzstück des vor kurzem komplett
überarbeitete Rechtsportal Juris. Es
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Verlage bringen ihr
gebündeltes Fachwissen
in Form von Zeitschriften,
Handbüchern etc. ein
vereint digitale Fachinformationsangebote von derzeit sieben Fachverlagen,
die zusammen die sogenannte JurisAllianz bilden. Einer davon ist der Bundesanzeiger Verlag, ein anderer der Erich
Schmidt Verlag. „Kooperationen sind für
uns ein zentraler Baustein der Unternehmensstrategie“, sagt Geschäftsführer
Joachim Schmidt. „Im Erich Schmidt
Verlag pflegen wir insbesondere bei den
elektronischen Produkten in fast jedem
unserer Verlagsbereiche erfolgreiche
Content-Partnerschaften mit anderen
Verlagshäusern.“ Der Verlag selbst betreibt mit ESVcampus ein Portal, das offen ist für Inhalte anderer Verlage, einer
der Partner ist der Hueber Verlag.
Eine „zentrale Kooperation für Zielgruppen im Unternehmensbereich“ ist die
kürzlich vereinbarte Zusammenarbeit
mit Handelsblatt Fachmedien, für deren
Fachportale der Erich Schmidt Verlag
verschiedene Zusatzmodule beisteuert.
Die Zielgruppe Steuerberater wird mit
der erwähnten verlagsübergreifenden
Recherche-Plattform für Steuerkanzleien adressiert, die juristischen Kernmärkte mit dem Portfolio der JurisAllianz, bei der sich alle Beteiligten, so
Schmidt, perfekt ergänzen. „Juris liefert
die Normen und Entscheidungen sowie
die Datenbanktechnologie und die Vertriebskraft, die Fachverlage bringen ihr
gebündeltes Fachwissen in Form von
Kommentaren, Handbüchern, Zeitschriften und weiteren Standardwerken
ein.“ Ein komplexes Unterfangen, wie
vermutlich auch bei den anderen verlagsübergreifenden Plattformen und
Kooperationen.
„Neben dem guten Willen müssen Kooperationen insbesondere operativ gelebt werden“, betont Schmidt. „Nur auch
operativ funktionierende Kooperationen
werden gelebte Kooperationen“. Es sei
deshalb von Anfang an darauf zu achten, dass sich strategische Absichten in
der täglichen Arbeit unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten umsetzen lassen. Mitunter die Herkulesaufgabe
Drei Tipps
von Alfons Schräder, Geschäftsführer von Heise Medien
1.
Offene und ehrliche Kommunikation und sich in den potenziellen
Partner hineindenken.
2.
Mut zum Risiko – wie jedes Geschäft kann auch eine Kooperation mal
in die Hose gehen.
3.
Sich nicht zu sehr von der ersten Euphorie anstecken lassen, sondern
nüchtern Aufwand und Nutzen abwägen.
Wie Mieze und Hund
richtig behandelt werden,
erfahren Tierärzte im
Onlineportal VetCenter
schlechthin, die jedoch allzu oft der blinde Fleck des strategischen Blicks sei.
Der Fachverleger geht davon aus, dass
die Zusammenarbeit mit anderen Fachverlagen zum Vorteil der Leserinnen und
Leser beziehungsweise Nutzerinnen
und Nutzer in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird. „Nur wer mit möglichst vielen Perspektiven denkt und
handelt, wird auf Dauer in seinen Geschäftsfeldern erfolgreich sein.“
Gut möglich, dass Kundenwünsche diese Entwicklung in weiteren Segmenten
pushen werden. So wurde im Frühjahr
dieses Jahres auf ausdrücklichen
Wunsch von Tierärzten das Onlineportal
VetCenter aus dem Enke Verlag erweitert. Sie können seitdem nicht nur auf
Fachwissen aus dem Enke und dem
Sonntag Verlag zugreifen, sondern auch
auf Inhalte von Urban & Fischer Verlag/
Elsevier. Ein erster Schritt zu einer umfassenden verlagsübergreifenden Lösung. Weitere Kooperationen seien in
Planung, entsprechende Gespräche
würden bereits geführt.
Unabhängig davon, wie die jeweilige
Kooperation ausgestaltet ist und welche konkreten Ziele verfolgt werden, sie
birgt immer Risiken. Gute Verträge, offene Worte und regelmäßige Kontakte
Foto: Fotolia, Shutterstock
sind in den Augen von Schräder wichtig, ansonsten würden sich Kooperationen auch schnell wieder auseinanderleben. Nicht immer einfach zu beantworten ist auch die Frage „Mit wem?“. „In
erster Linie schauen wir auf eine ähnliche Sichtweise in Bezug auf Qualität
und Glaubwürdigkeit und auf die Möglichkeiten, gemeinsam durch die Kooperation stärker zu werden“, sagt
Schräder von Heise Medien. Wichtig sei
aber auch die Chemie zwischen den
Partnern und ob der potenzielle Partner
vertrauensvoll erscheint und das Gefühl
vorhanden sei, mit ihm gut zusammenarbeiten zu können. Also: Nicht zu sehr
von der ersten Euphorie anstecken lassen, lautet deshalb auch ein Tipp von
ihm (siehe Kasten).
Gemeinsam stärker werden kann eine
Gratwanderung sein, vor allem wenn
der potenzielle Partner ein echter Wettbewerber ist. „Je stärker die Ergänzung
und je geringer die Konkurrenz, desto
mehr Aussicht auf dauerhaften Erfolg
hat die Kooperation“, lautet hier die Erfolgsformel von Schmidt. „Kooperationen sind immer dann langfristig erfolgreich, wenn die Partner sich gut in zentralen Kompetenzfeldern ergänzen und
am Ende das Ganze sowie alle Beteiligten davon profitieren.“
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Interview mit Klaus Kresse: Journalist, Verleger, impresso-Autor und Lehrbeauftragter
Klaus Kresse (68) Journalistische Ausbildung. Von 1971 bis 1977 Redakteur
bei Tageszeitungen, zuletzt Badische Zeitung. 1977 bis 1989 im Burda-Konzern tätig,
zunächst als Reporter und Ressort-Leiter, dann als Textchef und stellvertretender
Chefredakteur. 1989 mit Geschäftspartnerin Heike Discher Gründung des CorporatePublishing-Unternehmens Kresse & Discher GmbH (heute 40 Festangestellte plus
Freelancer, Standorte: Offenburg, Stuttgart und München). Seit 1992 Lehrauftrag an
der Journalisten-Akademie Stuttgart, bis 2007 auch an der Burda-Journalistenschule.
Seit 1994 zusätzlich als Verlagsberater tätig – mit den Themen Workflow-Optimierung
und Redaktionssysteme.
err Kresse, im Dezember
gehen Sie in den Ruhestand.
Sie waren bei Tageszeitungen und
bei Publikumszeitschriften. Sie
haben viele Fachverlage in Sachen
Zeitschriften-Produktion beraten.
Und Sie haben vor 25 Jahren mit
Heike Discher ein inzwischen
erfolgreiches Unternehmen
gegründet, die Kresse & Discher
Corporate Publishing GmbH. Ist
Ihre To-do-Liste abgearbeitet?
Klaus Kresse: Nein. Vor 35 Jahren
hatte ich bei Bunte mit drei Kollegen
geschworen, einmal die Zeile „Der
Papst kommt nicht nach Castrop-Rauxel“ in eine dann auch gedruckte Magazin-Geschichte zu
schmuggeln. Das ist mir bis heute
nicht gelungen.
H
Blick vom
Spielfeldrand
Seit mehr als vier Jahrzehnten beobachtet Klaus Kresse die Medienbranche – in unterschiedlichen Funktionen. Sein Optimismus ist dem Verleger nie abhandengekommen.
Print wird nicht sterben, ist er überzeugt und bedauert es, die neuen Entwicklungen ab
jetzt nur noch von außen beobachten zu können.
Jetzt ernsthaft: Gibt es noch
etwas, dem Sie nachtrauern?
Nachtrauern ist das falsche Wort. Ich
bedaure den Umstand, dass ich von der
Gnade der frühen Geburt wenig profitiere. Denn ich weiß, dass auf die Macher
im Mediengeschäft sehr spannende
Zeiten zukommen. Dass sich viele interessante Perspektiven eröffnen. Und das
werde ich leider nur noch vom Spielfeld­
rand aus erleben.
Aber Sie wollen doch wohl
nicht aufhören, weiter an der
Journalisten-Akademie in
Stuttgart zu unterrichten?
Natürlich nicht. Es macht viel Spaß, mit
jungen Leuten zu tun zu haben. Es betrübt mich nur, dass viele von ihnen so
pessimistisch sind. Ein Beispiel: Wenn
ich vortrage, was sich in der Medienwelt
schon alles verändert hat und in nächster
Zeit noch verändern wird, höre ich oft die
verzagte Frage: Das ist ja schlimm! Wie
kann man das denn stoppen? Ich antworte dann immer lapidar: Stoppen geht
nicht! Seht lieber die Chancen, die die
aktuellen Entwicklungen euch bieten.
Aber leben wir nicht tatsächlich in
Zeiten der Disruption? Das Mediageschäft ist massiv eingebrochen.
Geschäftsmodelle wackeln. Und
Jobs sind bedroht …
Vielleicht sollten die Pessimisten mal
Joseph Schumpeter lesen, den Ökonomen, der das Wort von der schöpferischen Zerstörung geprägt hat. Wobei die
Betonung auf „schöpferisch“ liegt. Denn
Neues entsteht nur, wo Altes verschwindet. Weshalb ich den Satz so schön finde, wonach man – wenn man einen
Sumpf trocken legen will – nicht mit den
Fröschen sprechen darf.
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Wie haben Sie denn Disruption
erlebt?
Mein Vater wollte, dass ich Zahnarzt
werde. Aber ich bin bei einer Tageszeitung gelandet. Was ich nie bereut habe.
Mit klassischem Volontariat und so. Das
war noch in der Bleizeit. Abends wurden
in der Mettage die Seiten umbrochen.
Und wer den Metteuren nicht immer mal
eine Flasche Bier mitbrachte, hatte
schlechte Karten.
Klaus Kresse
als Presseoffizier bei
der Luftwaffe
Also Umbrüche, lange bevor uns
das Internet beschert wurde?
Richtig. Aber auch daran ist die Medienwelt nicht gestorben. Im Gegenteil.
In der Bunte-Redaktion
lernte Kresse (rechts) eine
neue Zeitschriften-Welt
kennen. Gearbeitet wurde
manchmal bis Mitternacht
Nochmal ein Blick zurück: Nach
sieben Jahren bei zwei Tageszeitungen wechselten Sie zu
Burda, und zwar zu Bunte. Wie
war denn das?
Eine komplett andere Welt. Ich habe
zum ersten Mal begriffen, was es wirkUnd dann?
lich heißt, für den Leser zu schreiben.
Dann verschwanden die Lynotype-­ Und zwar nur für den Leser! Wer gegen
Setzmaschinen. Und die Setzer auch. diese Regel verstößt, wird vom Markt
An ihre Stelle rückten Tasterinnen, von gnadenlos abgestraft. Ganz schnell im
denen die Fotosatz-Maschinen gefüttert Einzelverkauf am Kiosk. Oder, etwas
wurden. Und Seiten wurden nicht mehr zeitversetzt, dafür umso härter, mit den
in Blei auf dem Schiff umbrochen, son- Reichweite-Zahlen der MA.
dern geklebt.
Waren das harte Jahre für Sie?
Eine Revolution …
Hart – ich weiß nicht. Obwohl wir oft
… nein, nur ein Intermezzo. Die Revo- bis Mitternacht und an den Wochenenlution kam Anfang der 80er. Ich erinnere den gearbeitet haben. Also nichts mit
mich noch, als auf einer Ifra, der Zei- 40-Stunden-Woche. Doch hart würde
tungs- und Medien-Fachmesse, die ich diese Jahre nicht nennen, eher lehrMacs von Apple und DTP mit Pagema- reich. Ich durfte viele Jahre unter Hubert
ker vorgestellt wurden. Parallel ließen die Burda arbeiten, einem – wie ich finde –
Leute von Berthold die Fachbesucher der bemerkenswertesten Verleger. Unwissen, dieses Desktop Publishing sei ter und von ihm habe ich viel gelernt –
doch Kinderkram. In der Profi-Welt wer- ohne das dabei gewonnene Know-how
de mit Berthold-Satztechnik gearbeitet. wäre später das eigene Unternehmen
Kurze Zeit später war Berthold pleite. nicht so erfolgreich geworden. Am meisten hat mich bei Burda beeindruckt,
Das ist Disruption in der Nussschale.
dass er ein außergewöhnlicher Visionär
ist. Und ein Verleger im klassischen Sinne, weil er die Welt nicht nur durch die
Brille eines Controllers sieht. Ich habe
Burda viel zu verdanken.
Als Hubert Burda von seinem
Vater, dem Senator, zunächst
die Chefredaktion von Bunte
übernommen hatte, umgab er
sich ja mit vielen außerordentlichen Blattmachern …
Ja, ich habe noch Will Tremper erlebt,
einen seiner Favoriten aus der Anfangszeit. Und dann solche Profis wie Ulrich
Blumenschein und Norbert Sakowski
(beide vorher beim Stern), Manfred
Geist, der von der Wams gekommen
war, und den vor kurzem verstorbenen
Paul Sahner. Mit Hans-Hermann Tiedje,
der auch mal Bild-Chefredakteur war,
habe ich einige Zeit sogar das Zimmer
geteilt. Nicht unbedingt vergnügungssteuerpflichtig, aber unvergesslich waren die Monate, in denen ich den als
Gossen-Goethe apostrophierten Franz
Josef Wagner erleben durfte.
Nach Bunte waren Sie auch im
Haus von Aenne Burda?
Ja, ganze sechs Jahre. Eine Frau, die
ebenso charmant wie glashart sein
konnte. Vor ihr ziehe ich noch heute
den Hut, weil sie aus kleinsten Anfängen den größten Modeverlag der Welt
aufgebaut hatte.
Springen wir ins Hier und Jetzt.
Alle reden von der Medienkrise.
Leiden Sie auch darunter?
Leiden nicht. Aber wir spüren bei
Kresse & Discher natürlich auch die
Veränderungen. Und zwar die beiden
Seiten der Medaille. Die eine Seite ist
das weiterhin schwächelnde Anzeigengeschäft, weshalb wir die von uns
selbst verlegten (und vorrangig durch
Anzeigen finanzierten) Objekten verkauft haben. Die andere, sehr erfreuliFotos: privat, E. Mörk
che Seite ist das Corporate Publishing,
oder – wie es immer häufiger genannt
wird – Content Marketing. Da boomt es
ungebrochen. Und es ist auch klar, warum: Weil immer mehr Unternehmen
ihre Etats von paid media zu owned
media umschichten. Denn es hat sich
die Erkenntnis durchgesetzt, dass mit
eigenen Kommunikations-Kanälen das
Verhältnis von Aufwand und Ergebnis
oft besser ist als mit dem Schalten
klassischer Werbung.
Eine komplett andere Welt als
Zeitung und Publikumszeitschrift?
Ja und nein. Ja, weil es immer die
Dreier-Beziehung Leser-Auftraggeber-Dienstleister gibt. Das ist nicht komplizierter als die Dreier-Beziehung Verlag-Leser-Anzeigenkunde, aber anders.
Nein, weil die Erfolgsrezepte etwa bei
Kundenzeitschriften die gleichen sind
wie bei Publikumszeitschriften. Zumindest, was die Qualität des Blattmachens
angeht.
Kurze Frage, kurze Antwort: Stirbt
Print?
Nein. Print tut sich nur dort schwer,
wo es sich nicht verändert. In der crossmedialen Welt des „anything anytime
anywhere“ muss Print eine neue Rolle
finden. Dass dies gelingen kann, haben
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nicht nur Start-ups bewiesen, sondern
auch etablierte Verlage. Und die Mehrzahl der Corporate Publisher. Aber neue
Rolle heißt natürlich auch neue Inhalte
und neue Workflows.
Bei SZV-Veranstaltungen
war Klaus Kresse oft ein
gefragter Redner
Geht es konkreter?
Ja, klar. Beispiel Inhalte: Wer crossmedial erfolgreich sein will, muss begreifen, dass das Storytelling in Print anders funktioniert als online. Print-Leute
denken traditionell in Erscheinungszyklen, was auch völlig richtig ist. Zum Erscheinungstermin sollte daher eine Geschichte möglichst auserzählt sein. Im
Online-Publishing gibt es keine Erscheinungstermine. Viele Geschichten werden daher ständig weiter erzählt. Und
andere wieder sind einfach quick and
dirty. Wo gar individualisiert wird, muss
der Inhalt zum Smart Content werden,
also intelligent. Er muss zum Beispiel für
unterschiedliche Personas optimiert
werden und sich – durch entsprechendes Tagging – beim Ausspielen automatisch den jeweiligen Personas oder Profilen zuordnen lassen. Auch die Formate
sind anders. In der einen Welt ist Bewegtbild ein Muss, in der anderen würde es nicht einmal Sinn machen.
Und wie ist das mit den neuen
Workflows?
Ich will jetzt nicht zu technisch werden.
Nur so viel: Wer den gerade beschriebenen Weg gehen will, landet zwangsläufig
im XML-Workflow und bei der medienneutralen Datenhaltung. Er sollte sogenannte
Content Architekten an Bord haben und
ein Redaktionssystem einsetzen. Doch
genau das ist überall dort immens schwierig, wo heute noch – etwa in Print – wie vor
30 Jahren mit dem Workflow Text vor Layout gearbeitet wird. Dabei gab es selbst
zur Bleizeit schon innovative Tageszeitungs-Redaktionen, in denen vor dem
Schreiben der ersten Zeile erst einmal die
Seiten gespiegelt wurden.
Jetzt der Blick in die Zukunft:
Würden Sie jungen Menschen
empfehlen, in den Journalismus
zu gehen?
Ja, und zwar ohne zu zögern. Ich sehe
allein deshalb sehr gute Chancen, weil
die Anforderungen an Journalisten nicht
kleiner, sondern größer werden. Denn inzwischen ist es ja fast in Echtzeit möglich, Erfolg oder Misserfolg einer Geschichte zu dokumentieren. Bei der Huffington Post wird das konsequent durchgespielt. Hat ein Beitrag nach 30 Minuten
nur lausige Klick-Zahlen, wird er umgeschrieben, bekommt eine neue Zeile
oder eine andere Optik. Und wenn es
dann immer noch nicht schnackelt, fliegt
das Stück raus und wird durch einen
neuen Beitrag ersetzt. Das ist der Beginn
einer Entwicklung, die ich hoch spannend finde.
Und wo ist der Haken?
Ich sehe keinen. Schon der alte Heraklit wusste: Alles fließt! Deshalb mache
ich mir nur Sorgen um jene, die schon
mit 25 im Kopf steinalt und unbeweglich
sind. Wer innovativ unterwegs ist, wer
weniger das Risiko, sondern eher die
Chance erkennt, wer Veränderung als
Herausforderung begreift – auf den
kommen goldene Zeiten zu.
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RECHTS
§RATH.28
Einmal Freier
immer Freier?
s ist Not am Mann, in der Redaktion, im Verlag. Da wird
schon mal schnell jemand beauftragt, eine Geschichte zu schreiben, ein Foto zu machen, in der
Anzeigenabteilung, bei der AboVerwaltung auszuhelfen. Man ist
sich über die Bezahlung einig,
Schriftliches gibt es nicht. Und weil
es so gut klappt, wird der „freie
Mitarbeiter“ immer häufiger gerufen, er hilft in Urlaubszeiten aus, als
Schwangerschaftsvertretung, und
am Ende gehört der Freie, ohne
dass man dies irgendwie bemerkt
hätte, jedenfalls gefühlt zur Stammbesatzung.
E
Rechtsanwalt
Dr. Michael RathGlawatz, Hamburg
In unserer mehr­tei­ligen Serie schreibt
der Medienrechts­
experte Rath-Glawatz
über knifflige
Rechtsfragen aus der
ver­legerischen Praxis
Was aber, wenn man die Zusammenarbeit doch beenden möchte?
Ist der Freie immer noch ein freier
Mitarbeiter, oder eben doch festangestellter (Teilzeit-) Arbeitnehmer?
Und kann der vermeintlich Freie
eventuell sogar die Nachzahlung
von Sozialversicherungsbeiträgen
verlangen, oder aber der Verlag,
wenn der Freie tatsächlich Arbeitnehmer ist, die Rückzahlung zu
hoher Honorare einfordern? Um
dies zu entscheiden, ist immer auf
die Umstände des tatsächlichen
Beschäftigungsverhältnisses abzustellen. Selbst wenn es zu Anfang eine Vereinbarung über freie
Mitarbeit gegeben haben sollte,
bzw. der Freie immer ein Honorar,
nie ein Gehalt oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bzw. Urlaub(-sgeld) bekommen hat, keine
Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, ist dies gleichwohl
ohne Belang, wenn er – von Anfang an oder aber nach gewisser
Zeit – tatsächlich wie ein Arbeitnehmer beschäftigt wurde.
Bei der Frage, ob ein Freier nicht in
Wahrheit Arbeitnehmer ist, gilt es
in der Medienbranche zunächst
zwischen journalistischen Tätigkeiten und Arbeiten für den Verlag zu
unterscheiden.
Bezogen auf redaktionelle Zuarbeit
ist der Spielraum, in denen jemand
als Freier arbeiten kann, sicherlich
größer als bei Tätigkeiten im Verlagsbereich. Verrichtet der Freie jedoch exakt dieselben Tätigkeiten,
die ein für ihn fest angestellter Redakteur/Verlagsmitarbeiter wahrzunehmen hätte, dann ist er in
Wahrheit Arbeitnehmer.
Freie Mitarbeiter sind oft
unentbehrlich. Ohne dass man es
merkt, wachsen sie in das Team
hinein. Was aber, wenn man die
Zusammenarbeit beenden
möchte? Ist ein Freier dann immer
noch ein Freier oder plötzlich ein
festangestellter Arbeitnehmer?
Maßgebend ist damit die Frage,
wie fest der vorgeblich oder tatsächlich Freie in die Arbeitsabläufe, den Produktionsprozess innerhalb von Redaktion bzw. Verlag
eingebunden ist. Muss der Freie
zu vorgegebenen Zeiten weisungsgemäß Aufträge erledigen,
kann er sie nicht ablehnen, dann
ist er unselbstständig, fremdbestimmt und abhängig tätig, also
ein Arbeitnehmer. Dies gilt erst
recht dann, wenn der vorgeblich
Freie tatsächlich nur für einen Verlag tätig ist, also von dessen Aufträgen lebt. Weiter sind als Indizien für eine angestellte Tätigkeit zu
werten, wenn der Freie kein eigenes Arbeitsgerät benutzt (benutzen kann/darf), sondern auf das
Redaktions- und/oder Satzsystem des Verlages zurückgreift, der
Freie seine Tätigkeit jedenfalls in
Teilen auch in den Geschäftsräumen des Unternehmens ausüben,
dort regelmäßig zu (Redaktions-)
Konferenzen erscheinen muss.
Andererseits kann ein freies Mitarbeiterverhältnis im redaktionellen
Bereich selbst dann noch gegeben
sein, wenn der Freie an feste AbgaFotos: Bilderbox, Privat
bezeiten für Themenvorschläge
gebunden ist, die inhaltlichen
Schwerpunkte für die Zuarbeit vom
Verlag vorgegeben werden und
das Layout für die Berichterstattung bindend ist. Bleibt dem Journalisten gleichwohl die Möglichkeit,
Vorschläge abzugeben, frei zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er wann tätig werden will, so
ist er nicht in dem Maße wie ein Arbeitnehmer weisungsgebunden
und damit ein freier Redakteur.
Soll also der Status als Freier erhalten bleiben, tut der Verlag gut
daran, sich genau zu überlegen,
wie fest er den Mitarbeiter einspannt. Es mag irgendwann den
Produktionsnotwendigkeiten geschuldet sein, Freie wie Arbeitnehmer zu behandeln. Über die arbeitsrechtlichen Konsequenzen
sollte sich der Verlag dann klar
sein. Legt jedoch der Mitarbeiter
über Jahre selbst gesteigerten
Wert darauf, als Freier behandelt
zu werden, so kann es durchaus
rechtsmissbräuchlich sein, wenn
er dann plötzlich (und auch noch
rückwirkend) als Arbeitnehmer
eingestuft werden will.
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Redakteure müssen Bilder sorgfältiger prüfen
Fotos lügen doch
Merkel in Bayreuth:
Angela Merkel winkt im
Manipulierte Fotos gehören zum politischen Alltagsgeschäft. Stalin hat es gemacht.
Goebbels hat es gemacht. Assad gibt fast täglich Fälschungen in Auftrag. Doch auch
mancher Bürgermeister lässt nacharbeiten, bevor er ein Bild an die Presse gibt.
Manipulationen lassen sich nachweisen. Man kommt ihnen schon mit den in jeder
Redaktion vorhandenen Bordmitteln auf die Spur. Allein: Oft fehlen Wille und Know-how.
Juli 2003 neben ihrem
Mann Joachim Sauer
vor dem Bayreuther
Festspielhaus den
Journalisten zu – mit
einem Schweißfleck
unter dem Arm. So
wurde das Bild von der
erzeit reißt die Bilderflut von der
Balkanroute und aus Syrien nicht
ab. Mal zeigen die Fotos Dörfer nach
einem angeblichen russischen Luftangriff. Die fotografierte Luftmine mit kyrillischen Buchstaben soll das belegen.
Mal sind angeblich Angehörige der freien syrischen Armee zu sehen, die gerade Soldaten der Regierungstruppen
massakrieren.
D
Die Fotos stammen aus sehr unterschiedlichen Quellen. Und ein Großteil
von ihnen ist erheblich manipuliert. So
Farbwerte und Schatten
sind enorm aussagekräftig
Die Sensoren der digitalen Kameras messen nur die Helligkeit. Farbe
erhält das Foto erst durch das Farbfilterfeld. Die Farbwerte werden
dabei aus Helligkeits- und Temperaturwerten errechnet, interpoliert
nennen die Fachleute das. Deshalb wird vom zu prüfenden Foto ein
Interpolationsmuster genommen und mit den gängigen Mustern der
Kameramodelle verglichen. Bereits die Stärke des vorliegenden
Musters gibt Hinweise auf nachträgliche Bearbeitung.
Auch die auf einem Foto feststellbaren Schatten und Lichtbedingungen
werden von den Forensikern genau untersucht. Zunächst wir dabei
analysiert, woher das Licht in der Gesamtaufnahme kommt. Danach
wird genau geschaut, ob es Bildteile gibt, die diesen Lichtbedingungen
mit entsprechenden Schattenwürfen nicht entsprechen.
Hat der Bildrechercheur es zum Beispiel mit einer Szenerie zu tun, die
sich insgesamt unter wolkigem Himmel abspielt, und wird dieses
diffuse Licht in einem Bildteil durch klar von rechts einfallendem Licht
durchbrochen, weiß er, das hier eine Bildpartie aus einer anderen
Aufnahme hineinkopiert wurde.
soll der jeweilige Kriegsgegner belastet
werden. Es handelt sich also um reine
Propagandabilder. Da ist dann schon
mal ein Aufständischer aus einem anderen Bild mit Photoshop herausgeschnitten und mitten in eine grausame Szene
hineinmontiert worden. Mal wurde einem Soldaten der syrischen Armee eine
Granate virtuell in die Hand gelegt.
Redakteure, denen Fotos zugeliefert
werden, sollten nicht nur bei Bildern aus
Syrien kritisch prüfen, ob ein Manipulationsverdacht gegeben ist. Ein Blick auf
die Metadaten der Bilddatei gehört dabei
zu den ganz grundlegenden Dingen. Jedes Bildverarbeitungsprogramm verrät
zumindest, mit welcher Kamera das Foto
wann mit welcher Blende aufgenommen
wurde. Weiterhin lässt sich so in Erfahrung bringen, ob das Foto mit einem
Bildverarbeitungsprogramm bearbeitet
wurde und gegebenenfalls mit welchem.
Presseagentur DPA
verbreitet ...
... Nur auf der Homepage
des Bayerischen Rundfunks
So haben zum Beispiel Bildauswerter
der britischen Investigativ-Plattform
Bellingcat zwei Satellitenfotos untersucht, die das russische Verteidigungsministerium auf einer Pressekonferenz
am 21. Juli 2014 vorgelegt hat. Das „Bild
5“ genannte Foto in einer hochauflösenden und einer normalen Fassung sollte
belegen, dass zwei ukrainische BUK-Raketenwerfer südlich des Dorfes Zaroschenskoje in Schussposition zum abgeschossenen Malaysia-Airlines-Flug
erschien die Aufnahme ohne
Schweißfleck. Nachdem die
Manipulation aufgedeckt
worden war, verschwand
das geschönte Bild von der
Internetseite
Fotos: Fotolia / dpa Picture Alliance
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MH17 gestanden haben. Das andere
„Bild 4“ genannte Foto sollte als Beweis
dienen, dass in der ukrainischen Raketenwerfereinheit A-1428 nördlich von
Donezk ein BUK-Raketenwerfer fehlte.
Die Erkenntnisse der Bildforensiker:
Beide Bilder sind vor dem 17. Juli 2014
aufgenommen worden. Die Bilder sind
mit Photoshop nachträglich verändert
worden, sind also manipuliert worden.
Die Bellingcat-Forensiker haben sich zunächst die Metadaten angeschaut. Das
sollte auch zum grundlegenden Repertoire in jeder Redaktion zählen. Mit der
Prüfung der Metadaten der Bilddatei
wurde ermittelt, dass ein Bild verkleinert,
nämlich mit 600 mal 900 Pixeln abgespeichert wurde und dass es komprimiert wurde. Außerdem sind beide Bilder
mit der Bildbearbeitungssoftware Photoshop aus der Creative Suite 5 bearbeitet worden. Damit lässt sich in der Tat nur
Sensor-Fehler
identifizieren jedes Bild
Geübte Bildforensiker prüfen bei Fotos standardmäßig das
sogenannte Bild­rauschen, typische Interpolationsmuster bei den
Farben, die durch Kompressionen verursachten Blockartefakte und
Abbildungsfehler vor allen Dingen in der Beleuchtung.
Jeder Sensor in Digitalkameras reagiert nämlich anders auf das
einfallende Licht. Anders gesagt: Jeder Sensor macht seine ganz
individuellen Fehler, die aber bei jeder Aufnahme, die mit diesem
Sensor gemacht wurde, gleich sind.
Das führt zu einem spezifischen Rauschanteil im fotografierten Bild.
Eben dieser Rauschanteil ist über mehrere Aufnahmen einer
Handykamera oder Spiegelreflexkamera ziemlich stabil, variiert aber
von Gerätemodell zu Gerätemodell. Inzwischen existieren regelrechte
Referenzrauschmuster der unterschiedlichen Kameramodelle, mit
denen sich das Rauschsignal auf dem zu prüfenden Foto vergleichen
lässt.
Damit kann der Rechercheur nicht nur überprüfen, mit welchem
Kameramodell das Foto gemacht wurde, sondern auch, ob es
Abweichungen im Rauschanteil gibt, die von Bildbearbeitungsprogrammen wie zum Beispiel Photoshop verursacht wurden.
nachweisen, dass die Bilder nachträglich
bearbeitet wurden, also Manipulationen
möglich sind. Nur wenn es sich um Kamera-Originaldateien mit allen Metadaten handelt, kann von einem authentischen Bild ausgegangen werden.
Häufig finden sich unter den Metadaten
der Bilddatei auch Positionsdaten. Mit
deren Hilfe kann der Ort genau bestimmt werden, an dem die Aufnahme
gemacht wurde. Damit wurde beispielsweise ein Bild als Fälschung entlarvt,
das zeigen sollte, wie Angehörige einer
kurdischen Einheit im irakischen Erbil
von ihren Instrukteuren in gängige Foltermethoden eingewiesen wurden. Die
in den Metadaten enthaltenen Positionsdaten belegten, dass das Foto in
der Nähe des osttürkischen Städtchens
Van aufgenommen worden war. Eine
Manipulation lag also nahe.
Weit über 200 Metadaten, aber auch
weitere forensische Analysen liefert die
Prüf-Plattform www.fotoforensics.com,
auf die fragliche Bilder hochgeladen
werden können. Die Ergebnisse stehen
zumeist nach fünf bis zehn Minuten bereit und liefern zumindest Anhaltspunkte, ob weitere forensische Analysen
sinnvoll oder sogar erforderlich sind.
Die können dann von ausgebildeten
Bildforensikern in Spezialagenturen gemacht werden.
Vergleichsfotos im Internet
zu suchen, lohnt sich
Auch empfiehlt es sich, zugelieferte Fotos mit anderen Bildern im Netz zu vergleichen. Nicht selten findet sich sogar
das Original des zugelieferten gefälschten Bilds. Solch eine Vergleichssuche
nennen die Fachleute „Reverse Image
Search“. Internet-Plattformen wie zum
Beispiel tineye.com bieten das kostenlos an. Unverzichtbar ist die Analyse der
Bildinhalte. Stimmen die auf dem Foto
zu sehenden Häuser, Fahrzeuge, Flag-
gen, Schriften oder Symbole beziehungsweise auch die Kleidung mit dem
Landesüblichen überein? Schon allein
wegen eines falschen Ortshinweisschildes haben Journalisten Bilder aus der
Ostukraine als Fälschungen entlarvt
und dann natürlich auch nicht gedruckt.
Die Wetterverhältnisse
einfach überprüfen
Ähnlich schnell lässt sich das am angeblichen Aufnahmetag herrschende Wetter
am Ort der Aufnahme überprüfen. Behaupten die Einsender des Bildes zum
Beispiel, das Bild sei in der nordafghanischen Provinz gemacht worden, und es
zeigt sengende Sonne, lässt sich anhand der archivierten Wetterdaten leicht
feststellen, ob das Wetter auf dem Bild
den vor Ort herrschenden Wetterverhältnissen entspricht oder nicht.
Das an einem bestimmten Tag an einem
Ort herrschende Wetter lässt sich anhand der Archive nationaler Wetterdienste überprüfen oder über im Internet vorhandene Wetter-Plattformen wie
zum Beispiel wunderground.com.
Doch auch diese sehr einfachen Fotoanalysen, die deutliche Hinweise auf
Bildmanipulationen oder sogar raffinierte Fälschungen liefern, werden in den
meisten Zeitschriften-Redaktionen
nicht gemacht. Redakteure und Verlagsleitungen vertrauen einfach darauf,
dass die eingereichten Fotos schon
stimmen werden, oder berichten nicht
über sensiblere Themen, bei denen
Bildmanipulationen zu befürchten sind.
In den Grundlagenseminaren für Volontäre und Seiteneinsteiger an Zeitschriften, einem Gemeinschaftsprojekt
von Südwestdeutschem Zeitschriftenverleger-Verband (SZV) und Deutschem Journalisten-Verband (DJV)
werden die Grundlagen der Bildanalyse für Redakteure bereits seit dem
Manipuliert oder nicht?
Die Dateistruktur sagt alles
Die meisten Fotos werden im Dateiformat JPEG abgespeichert. Das
Formatkürzel geht dabei auf die Joint Photographic Experts Group
zurück, die die Standards für dieses Dateiformat für Bilddateien
entwickelt hat. Bilddateien, die als JPEGs abgespeichert werden,
werden komprimiert. Und bei dieser Kompression entsteht eine
eigene Dateistruktur, die sogenannte Blockstruktur. Werden
Bildausschnitte in ein JPEG-Bild hineinkopiert, verändert sich die
Blockstruktur der Datei. Diese Veränderung ist nachweisbar und
kann nur durch pixelweises Kopieren vermieden werden. Das aber ist
ein äußerst aufwändiges Verfahren der Bildmanipulation, das die
meisten Foto-Fälscher scheuen.
Wird ein Bildteil aus einem komprimierten Bild in ein unkomprimiert
gespeichertes Bild hineinkopiert, fehlen in der neu entstandenen
Bilddatei bestimmte Bildblöcke. Das gilt auch für Kopien von Material
aus unkomprimierten Dateien in JPEG-Dateien. So lässt sich
zumindest nachweisen, dass montiert wurde.
Am ehesten lässt sich das Einmontieren von Menschen über eine
Analyse der Pixelwerte für Haare nachweisen. Denn Haare haben
keine scharfen Konturen und lassen sich an den Rändern nicht
scharf abbilden, sondern verlaufen regelrecht in den Hintergrund
hinein. So wird das Haar von innen nach außen zunehmend
transparent.
Wenn nun ein Kopf auf einen anderen Körper montiert wird, so
werden vom Algorithmus marktgängiger Bildbearbeitungssoftware
die Transparenzwerte für die einzelnen Haarpixel in der Regel
unzureichend berechnet. Der Transparenzpixelwert für deckendes
Haar müsste also von innen nach außen gleichmäßig abnehmen.
Doch einzelnen Pixeln im Zielbild bleibt der volle Wert für die
Sichtbarkeit zugeordnet, obschon sie sich am Außenrand der Haare
befinden. Das ist ein weiteres sicheres Indiz, dass manipuliert wurde.
Jahr 2010 im Rahmen des Moduls Online-Recherche vermittelt. Andere journalistische Bildungseinrichtungen sind
hier leider noch etwas zögerlich.
Dabei stimmen die Praktiker der Journalistenausbildung, Bildforensiker und
Fotojournalisten sowie Bildredakteure
in einem Punkt völlig überein: Ohne
Grundlagenkenntnisse der Bildauswertung und -forensik können Redakteure nicht entscheiden, ob ein Foto
veröffentlicht werden soll und kann
oder nicht.
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Die sieben schlimmsten Fehler bei Geschäfts-E-Mails
Klick
und weg
Viele Berufstätige erhalten
täglich Dutzende GeschäftsMails – und schreiben selber
welche. Dabei kann man eine
Menge Fehler machen. Diese
Tipps bewahren Sie vor den
schlimmsten E-Mail-Sünden.
Von Markus Reiter,
Schreibtrainer, Stuttgart
www.klardeutsch.de
acebook,
Twitter,
WhatsApp hin oder
her – im Geschäftsverkehr ist die E-Mail
nicht totzukriegen. Jeder Berufstätige in
Deutschland erhält im Durchschnitt 18
geschäftliche E-Mails am Tag, ergab eine Umfrage des Branchenverbandes
Bitkom. Bei Journalisten dürften es wegen der zahllosen Pressemitteilungen
noch mehr sein. Nur jeder fünfte Deutsche im Berufsleben erhält gar keine
Mails; jeder zehnte dafür mehr als 40.
Das summiert sich nach Schätzungen
des Marktforschungsunternehmens
Radicati Group in diesem Jahr auf voraussichtlich über 112 Milliarden Business-E-Mails weltweit. Grund genug,
die eigene elektronische Post so effizient wie möglich zu verfassen.
F
Fotos: Shutterstock
Denn die meisten Mails werden nur
flüchtig wahrgenommen. Ein Lidschlag
dauert 300 bis 400 Millisekunden. So
lange braucht der Mensch für eine sogenannte Fixation, also um mit einem
Blick zwei bis drei Wörter zu lesen. Und
so lange nimmt sich der durchschnittliche Berufstätige Zeit für die Betreffzeile
einer E-Mail. Dann entscheidet der
Empfänger, ob er sie öffnet oder ungelesen im virtuellen Papierkorb des Mailprogramms verschwinden lässt.
Wer seine Mails öffnet, steht nicht selten
vor einer echten Herausforderung:
ellenlange ungegliederte Texte; wirre
hin- und herspringende Gedankenführung; gequältes Deutsch und zahllose
Rechtschreib- und Kommafehler. Nicht
zu vergessen Fehler durch die Auto-Korrektur des Rechtschreibprogramms, die
im schlimmsten Fall aus „Mit besten
Grüßen“ ein „Wir beten Grüße“ macht.
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Für Geschäfts-Mails gilt das gleiche,
was der Journalistenlehrer Wolf Schneider über Artikel sagt: Einer muss sich
quälen – der Autor oder der Leser. Weil
der Absender verstanden und ernstgenommen werden will, ist es gut, wenn er
einige Sorgfalt auf seine Mails verwendet. Hier sind die sieben schlimmsten
Sünden bei Geschäfts-E-Mails:
1. Mangelnde Sorgfalt
Eine Geschäfts-Mail ist nicht
das gleiche wie ein kurzer Chat über
WhatsApp. Während man es bei dem
Kommunikationsdienst nicht so genau
nimmt, hinterlassen Rechtschreib-,
Grammatik- und Zeichensetzungsfehler in der Mail einen schlechten Eindruck beim Empfänger. Selbst wer
mühsam auf dem Bildschirm seines
Smartphones eine E-Mail verfasst, sollte sich deshalb an die elementaren Regeln der Rechtschreibung halten. Dazu
gehört auch die Groß- und Kleinschreibung. Die Autokorrektur und Autovervollständigung vieler Mail-Programme
kann sehr hilfreich sein, sie neigt aber
zu ulkigen Fehlern (aus „Autokorrektur“
hätte sie hier zum Beispiel „Autokauf“
gemacht).
Besonders sollte man darauf achten,
Namen richtig zu schreiben. Empfänger, deren Name in der Anrede verstümmelt wurde, fühlen sich nämlich
nicht ernst genommen.
2. Undurchsichtige
Betreffzeile
„Don’t judge a book by its cover“, sagen
die Engländer. Was so viel heißt wie sich
nicht vom ersten Eindruck täuschen zu
lassen. Leider machen die meisten
Menschen bei Geschäfts-E-Mails genau
das: Sie entscheiden über deren Relevanz anhand der Betreffzeile. Dabei gilt,
sich möglichst knapp zu fassen und das
wichtigste Stichwort an den Anfang zu
stellen. Also nicht: „ Meeting der Marketinggruppe wird auf den Dienstag in
zwei Wochen verschoben“, sondern:
„Terminänderung: Marketing-Meeting
jetzt Dienstag, 30. Juni“).
Betreffzeilen wie „AW: AW: AW: WL:
AW: Treffen“ sind denkbar ungeeignet.
Im Wirrwarr der Antwort- und Weiterleitungsabkürzungen findet sich irgendwann keiner mehr zurecht. Die erste
Antwort sollte man noch mit einem automatischen Antwort-Kürzel („AW“
oder „Re“) zurückschicken. Dann weiß
der Empfänger, dass es sich um die
Antwort auf seine Mail handelt. Danach
sollten Sie die Betreffzeile löschen und
mit neuen Stichworten versehen.
Es gibt ein Gegenargument. Manche
Empfänger würden durch die beibehaltene Betreffzeile die Mails besser einem Sachverhalt zuordnen können.
Aber mal ehrlich: Wer würde bei dem
oben genannten Beispiel noch erkennen können, in welcher Mail die relevanten Informationen zum „Treffen“ zu
finden waren.
Drei Tipps: So lässt sich Ihre E-Mail leichter scannen
• Fetten Sie in jedem Absatz einen zentralen Begriff, der dem Leser
vermittelt, um was es in diesem Absatz geht.
• Setzen Sie Zwischenüberschriften, die Ihren E-Mail-Text gliedern.
• Nutzen Sie Aufzählungszeichen wie Bullett Points und Spiegelstriche.
schen schnell mal zwischendurch auf
dem Smartphone. Deren kleine Bildschirme stellen erhöhte Anforderungen
an das Arbeitsgedächtnis. Kleine Schrift
und fehlender Kontext machen das Lesen mühsamer. Umso wichtiger wird es,
sich vorher zu überlegen, was man sagen will – und das dann Punkt für Punkt
logisch und übersichtlich abzuhandeln.
Softener werden höfliche, wenngleich
im Grunde überflüssige Formulierungen
bezeichnet („herzlichen Dank für Ihre
E-Mail“ oder ähnliches). Sie sind in vernünftigem Maße sinnvoll.
Als Anrede gilt „Sehr geehrte…“ inzwischen als ziemlich steif. „Guten Tag,
Herr Soundso“ hat sich, außer bei sehr
formellen Mails, durchgesetzt. „Liebe
Frau Soundso“ sollten Sie in der ersten
Mail, solange Sie die Person noch nicht
kennen, vermeiden. Auch „Hallo“ setzt
ein höheres Maß an Vertrautheit voraus.
3. Ungeordnete
Gedanken
Heinrich von Kleist schrieb 1805 ein Essay über die „allmähliche Verfertigung
der Gedanken beim Reden“. Einige Autoren von Geschäfts-E-Mails neigen offenbar zur allmählichen Verfertigung
der Gedanken beim Schreiben. Die Folge: Den E-Mails fehlt der rote Faden.
Die Empfänger sind gezwungen, gedanklich hin und her zu springen. Das
ist nicht besonders hilfreich, wenn man
bedenkt, dass die Lesegeschwindigkeit
am Bildschirm bis zu dreimal höher ist
als bei Texten auf Papier.
4. Der falsche Ton
„Hochverehrter Herr Geschäftspartner, ich erlaube mir Ihnen
mitteilen zu dürfen…“ So schreibt heute
keiner mehr. Der Ton in der geschäftlichen Korrespondenz ist lockerer geworden. Schreiben Sie flüssig und natürlich. Dabei sollten allerdings gewisse
formelle Standards eingehalten und der
Ton nicht zu flapsig werden. Wer seine
Geschäfts-E-Mail mit Emoticons überflutet, so dass sie aussieht wie die
WhatsApp-Nachricht einer 14-jährigen
Schülerin, disqualifiziert sich und sein
Anliegen. Klingt selbstverständlich? Ist
es aber nicht. Zumindest in den ersten
Mails sollten Sie ganz auf Emoticons
verzichten. Mit wachsender Vertrautheit, darf auch einmal ein Smiley auftauchen.
5. Zu wenig Absätze
Manche Ratgeber für Geschäftskorrespondenz
empfehlen,
E-Mails kurz zu halten. „Fasse Dich
kurz“ ist an und für sich ein guter Rat.
Er hilft aber wenig, wenn man viel mitzuteilen hat. Wenn Sie eine längere
E-Mail schreiben müssen, sollten Sie
auf jeden Fall ausreichend Absätze setzen. Faustregel: Alle zwei bis drei Sätze
ein Absatz. Das Gehirn nutzt Absätze,
um das Gelesene zusammenzufassen
und es auf seinen Sinngehalt zu reduzieren. So wird das Arbeitsgedächtnis
entlastet und das Lesen erleichtert.
Zudem weiß man aus der Leserforschung, dass E-Mails besonders flüchtig gelesen werden. Meistens werden
sie nur gescannt. Daher ist es entscheidend, dem Leser einen schnellen Überblick zu ermöglichen. Zudem checken
viele Arbeitnehmer ihre E-Mails inzwi-
Umgekehrt kann es auch problematisch werden, wenn Sie den Empfänger
im zackigen Kasernenhof-Ton anschreiben. Linguisten haben nachgewiesen,
dass sogenannte Softener auch in der
schriftlichen Kommunikation eine wichtige psychologische Rolle spielen. Als
Wichtige Informationen durch Fettschreibung, Unterstreichung oder mit
Aufzählungspunkten hervorzuheben ist
übrigens gut. Allerdings sollten Sie sich
zügeln. Wer die Hälfte seines E-Mail-Textes fettet, weil er alles für wichtig hält,
macht ihn unübersichtlicher.
Foto: Shutterstock
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6. Zu komplizierte
Sätze
Ein Teilnehmer eines Schreibseminars
stellte sich einmal mit den Worten vor:
„Ich bin ein großer Freund von Thomas
Mann – und schreibe auch solche Sätze.“ Der Literaturfreund in allen Ehren,
aber Geschäfts-E-Mails sind ein ungeeigneter Ort, sich an Zauberberg-Prosa
zu üben. Kurze, überschaubare Sätze
und einfache Wörter erleichtern es,
E-Mails zu überfliegen und trotzdem die
wichtigsten Informationen herauszuziehen. Faustregel: Zwei Drittel Hauptsätze. Der Rest Hauptsatz-Nebensatz-Konstruktionen. Auf eingeschobene Nebensätze verzichten Sie am besten ganz.
Auch sie sind eine Herausforderung für
das Arbeitsgedächtnis.
Besonders der Verzicht auf das Schreiben im Nominalstil erhöht die Verständlichkeit, wie Neurowissenschaftler in Experimenten zur Erkenntnis gebracht haben. Diese Erkenntnis schreiben Sie
besser so: E-Mail-Schreiber soll­
ten
möglichst Verben benutzen, um besser
verstanden zu werden. Das haben Wissenschaftler herausgefunden.
7. Fehlende Signatur
Am Ende der Geschäfts-­­­­
E-Mail muss eine Signatur stehen. Sie
enthält den Namen der Firma, den An-
sprechpartner, die Adresse und am
besten eine Telefonnummer. In erster
Linie erleichtert das dem Empfänger eine schnelle Kommunikation mit dem
Absender.
Bei Geschäftsbriefen, zu denen auch
E-Mails zählen, handelt es sich um eine
gesetzliche Vorschrift. Je nach Rechtsform der Firma sind noch weitere Angaben notwendig, zum Beispiel die Namen der Geschäftsführer und Aufsichtsratsvorsitzenden. Im Großen und
Ganzen gilt jeder schriftliche Kontakt
zum Beispiel mit Lieferanten und Kunden als Geschäftsbrief im Sinne der
Gesetze.
Oft beantworten Mitarbeiter GeschäftsE-Mails heute von Ihrem Smartphone.
„Gesendet von meinem iPhone“ ist aber
keine Signatur, die den gesetzlichen
Vorschriften entspricht. Stellen Sie also
auch auf diesen Endgeräten eine korrekte Signatur ein.
PS. Früher wurde das Postskriptum bei
Briefen auf Papier besonders intensiv
wahrgenommen. Das haben Blickverlaufsstudien ergeben. Bei E-Mails gilt
das Gegenteil: Das „PS.“ geht beim
Empfänger unter, vermutlich weil er es
für einen Teil der Signatur hält. Verzichten Sie deshalb darauf.
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SOS-Kinderdorf
Weil jeder eine Familie braucht!
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Die Demokratie braucht den
massenmedial organisierten und damit
geordneten öffentlichen Raum nicht nur
als Kontrollinstrument gegen verdeckten
Machtmissbrauch, sondern um überhaupt
als Demokratie sichtbar und wirksam
werden zu können.
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Udo Di Fabio, ehemalige Verfassungsrichter
I M PR E S S U M
Herausgeber:
Südwestdeutscher Zeitschriftenverleger-Verband e.V. (SZV)
Hospitalstraße 22 - 24
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Fax 0711 / 221915
info@szv.de
Redaktion:
Michaela Schnabel (Chefredaktion)
Patrick Priesmann (verantwortlich i.S.d.P.)
Autoren
dieser Ausgabe:
Susanne Broos, Roland Karle, Michael Rath-Glawatz, Markus Reiter,
Helmut von Rinsum, Peter Welchering
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