Antrag - Landtag NRW

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Antrag - Landtag NRW
LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
15. Wahlperiode
Drucksache
15/3900
31.01.2012
Antrag
der Fraktion der FDP
Ausbruchsserie in der JVA Bochum aufklären –
Sicherheitsvorkehrungen endlich umfassend überprüfen
I. Ausgangslage
Binnen gut eines Jahres ist nunmehr dem vierten Häftling der Justizvollzugsanstalt Bochum
mit jeweils nur geringem Aufwand die Flucht gelungen. Ein spektakulärer Fluchtversuch
misslang dabei.
Der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten
Deutschland sagte am 30. Januar 2012 gegenüber Medien, „für ihn stehe fest, dass man die
Bausubstanz des um 1900 errichteten Gefängnisses nicht als sicher bezeichnen könne.“ Das
Justizministerium hatte in der nahen Vergangenheit bereits mehrfach Anlass, die Sicherheitseinrichtungen der Justizvollzugsanstalt in Bochum von Experten genau überprüfen zu
lassen. Dabei war dies nicht nur durch Vorkommnisse in der Anstalt selbst, sondern auch
durch solche in anderen Anstalten in Nordrhein-Westfalen geboten. Bereits in der Sitzung
des Rechtsausschusses vom 26. Januar 2011 zu einem Ausbruch aus der JVA Bochum am
21. Januar 2011 war kritisch hinterfragt worden, warum an einigen Stellen Widerhakensperrdraht fehlte und inwieweit man in Bochum auf die Umsetzung einer Anweisung zur separaten
Sicherung von Dachlukenfenstern offenbar verzichtet habe. Das Justizministerium hatte damals pauschal erklärt, „man habe entsprechende Konsequenzen gezogen.“
Am 29. Januar 2012 gelang nunmehr einem aus Polen stammenden Gefangenen die Flucht
aus der JVA Bochum durch ein schlecht gesichertes deckennahes Fenster. Während die
Anstalt von der Schwachstelle nichts gewusst haben will, war der Insasse anscheinend besser informiert und baute das Glas einfach unbemerkt aus. Dabei soll er unter seiner Anstaltskleidung unauffällige Kleidung getragen und als Mitglied der Putzkolonne einen Schraubenzieher für kleinere Reparaturen erhalten haben, den er als Ausbruchswerkzeug genutzt habe. Er verbüßte in der Justizvollzugsanstalt Bochum wegen gewerbsmäßigem Diebstahls,
Nötigung und Körperverletzung eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Dem Gefangenen wird in Polen eine Vielzahl von Delikten, unter anderem eine
Datum des Originals: 31.01.2012/Ausgegeben: 31.01.2012
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Drucksache 15/3900
Brandstiftung und ein Tötungsdelikt, vorgeworfen, weshalb er nach Polen ausgeliefert werden sollte. Er wird deshalb zu Recht als gefährlich eingestuft.
Obwohl der Mann seit dem 7. Dezember 2010 in Bochum einsaß, war dieser für die Einordnung des Häftlings zentral sicherheitsrelevante Umstand der Justizvollzugsanstalt Bochum
nicht bekannt, wie öffentliche Äußerungen der Anstaltsleitung gegenüber Medien, es handele
sich um einen „Kleinkriminellen“, deutlich machen. Auch ein Sprecher des Justizministeriums
erklärte am Fluchttag in einem Fernsehbericht, der Flüchtige sei nicht als besonders gefährlich einzustufen und eine Gefahr für die Bevölkerung bestehe nicht. Die Polizei soll deshalb
ihre Suchmaßnahmen nach zwei Stunden abgebrochen haben. Das Justizministerium korrigierte diese unzutreffende Einschätzung erst einen Tag danach auf eine entsprechende Zeitungsmeldung hin und informierte die Öffentlichkeit über die tatsächliche Gefährlichkeit des
Flüchtigen. Der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm soll indes der europäische Haftbefehl
bereits seit dem 8. August 2011 vorgelegen haben. Zudem wurde bekannt, dass der Mann
bereits in Polen während eines Freiganges aus der dortigen Haft geflohen war und dort noch
dreieinhalb Jahre aus einer früheren Haftstrafe abzusitzen hat.
Erst vor zwei Wochen konnte ein gefährlicher Gewalt- und Sexualverbrecher im Gefängnis in
Bochum unbemerkt per Handy seine Flucht vorbereiten und mit eingeschmuggelten Sägeblättern die Gitterstäbe seiner Zelle durchsägen. Obwohl Anzeichen für einen Fluchtversuch
vorlagen, war der Gefangene nicht in einem Haftraum mit Manganstahlgitter untergebracht.
Erst nach aufwändiger Suche konnte er schließlich in einem Dachspeicher gefunden werden,
wo er sich versteckt hatte. Dabei wurde auch ein Nachschlüssel zum Hafthaus bei ihm aufgefunden.
Am 10. August 2011 war ein 35-jähriger türkischer Insasse der JVA Bochum bei einer so
genannten „Ausführung“ zu seiner Familie in Hattingen geflüchtet. Er hätte noch eine Haftstrafe unter anderem wegen Raubes bis 2016 absitzen müssen.
Bereits am 21. Januar 2011 gelang einem Untersuchungsgefangenen aus der JVA Bochum
die Flucht aus einer Dachluke des Hafthauses II. Zwei mutige Sprünge, und schon war er in
Freiheit. Entlang des in circa 15 Metern Höhe befindlichen Dachstandes gelangte er zum
Ende des Hafthauses und sprang aus einer Höhe von etwa sechs Metern auf das Flachdach
des angrenzenden Hafthauses III. Über dieses Dach lief er bis zur Dachkante, die an die
Straße angrenzt, und sprang rund fünf Meter tief auf die darunter liegende Straße. Eine Sicherung dieses Bereichs durch sogenannten Widerhakensperrdraht fehlte. Danach verlor
sich bis heute seine Spur. Der Inhaftierung lag ein Haftbefehl des AG Bochum wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort, Straßenverkehrsgefährdung und anderer Delikte zugrunde. Während der Inhaftierung ergab sich ein dringender Tatverdacht hinsichtlich eines bewaffneten Raubüberfalls auf einen Supermarkt in Dortmund. Das AG Dortmund erließ in dieser Sache am 1. Dezember 2010 einen Haftbefehl wegen des Verdachts des schweren
Raubes. Schließlich lag der Anstalt eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund
vom 22. Dezember 2010 vor. Hierin werden dem Angeklagten mehrere Einbrüche, Körperverletzung sowie unerlaubter Waffenbesitz zur Last gelegt.
II. Der Landtag stellt fest:
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Der Landtag ist besorgt, dass trotz wiederholter Anlässe und entsprechender Beteuerungen des Justizministeriums, die Sicherheitseinrichtungen der JVA Bochum genau zu
überprüfen, erneut unerklärliche Sicherheitsmängel in der JVA Bochum die Flucht eines
weiteren gefährlichen Gefangenen ermöglicht haben.
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Der Landtag ist darüber irritiert, dass die JVA Bochum nicht zu wissen schien, dass der
Geflohene kein bloßer Kleinkrimineller, sondern ein in Polen unter dem Verdacht eines
Tötungsdelikts und der Brandstiftung stehender Insasse ist und ihn mit Reinigungsarbeiten im Besucherbereich beschäftigte, wie Medienäußerungen der Anstaltsleitung offenbaren.
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Der Landtag betont, dass die Bevölkerung Anspruch darauf hat, dass die Justizvollzugsanstalten des Landes sicher sind und das Bestmögliche unternommen wird, um Ausbrüche zu verhindern.
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Der Landtag ist der Ansicht, dass ein in einer Justizvollzugsanstalt durch teures Panzerglas gesichertes Oberlicht, das sich einfach so aus dem Rahmen nehmen lässt, schwere
Nachlässigkeiten bei der Sicherheit offenbart, die der unverzüglichen Aufklärung und Abhilfe bedürfen.
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Der Landtag erwartet, dass neben baulichen Defiziten auch solchen Schwachstellen mit
Nachdruck begegnet wird, die das Einschmuggeln und Nutzen von Handys, Ausbruchswerkzeug wie Sägeblättern, die Anfertigung von Nachschlüsseln und die Erlangung von
Kenntnis von unsicheren Oberlichtern sowie ungesicherten Fluchtwegen über Flachdächer ermöglichen.
III. Beschlussfassung:
Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
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mit hoher Priorität die dringend gebotene Untersuchung der internen Abläufe und der
Sicherheitseinrichtungen der Justizvollzugsanstalt Bochum, die genauen Umstände der
jüngsten Flucht und des letzten Fluchtversuchs sowie die Untersuchung aller Justizvollzugsanstalten auf vergleichbare Sicherheitsmängel sorgfältig, lückenlos und zügig durchzuführen;

dem Landtag zeitnah an geeigneter Stelle über erkannte Schwachpunkte und erforderliche Maßnahmen zu deren Abstellung zu berichten;
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in diesem Zusammenhang insbesondere die Ausstattung der Justizvollzugsanstalten in
Nordrhein-Westfalen mit Handystörsendern endlich mit Nachdruck voranzutreiben, um
Fluchtversuche mittels Unterstützung durch äußere Fluchthelfer wirksam zu unterbinden.
Dr. Gerhard Papke
Ralf Witzel
Dr. Robert Orth
und Fraktion
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