Eine Frage der Ausdauer
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Eine Frage der Ausdauer
60 STIL W E LT A M S O N N TA G N R . 12 Das Superwahljahr Auf eine Minute mit den Chefs So sehen Sieger aus. Wir präsentieren die Ergebnisse der Leserwahl der „Uhr des Jahres“ in den Kategorien „Sport“ und „Klassik“. Dazu prämierte eine Fachjury eine Komplikationsuhr und die Trendsetter für Damen und Herren Die Umfrage zur Preisverleihung: Sechs Persönlichkeiten über die Zukunft der Branche und den Wert ihrer Marke Thierry Stern, Präsident Patek Philippe: „Das Jahr 2014 war sehr anstrengend, aber auch ein großer Spaß. Wir haben so viel gearbeitet. Wir mussten drei Kollektionen machen. Das war wirklich ein bisschen verrückt, aber das ist auch das, was wir mögen. Viel Stress, sehr viel Technik, sehr viel Design, jetzt sind wir sehr froh. Es geht schon sehr gut. Aber wenn ich das jedes Jahr machen müsste, wäre ich schon ein wenig müde. Ich persönlich hoffe, dass es uns gelingt, den Schwung des 175. Geburtstags, den wir voriges Jahr begangen haben, auch ins Jahr 2015 zu transportieren. Man muss sich immer weiterentwickeln.“ Uhre SPORTLICH 1 Judith Borowski, Design-Chefin Nomos Glashütte: „Wir haben 2014 mit der Einführung unseres Swing-Systems unsere Fertigungstiefe in Glashütte vervollkommnet. Als kleine Marke sind wir kräftig gewachsen. Nun konnten wir unser Kaliber DUW 3001 vorstellen, ein ultraflaches Automatik-Uhrwerk der neuen Generation. Ich kann mir vorstellen, dass die Applewatch eine junge Generation, die nicht gewöhnt ist, etwas am Handgelenk zu tragen, wieder an Uhren heranführt.“ In der Lesergunst der erste Platz im Bereich „Sportuhr“: Die „Ahoi Atlantik“ von Nomos Glashütte Eine Frage der Ausdauer U Irene Ramme-Dörrenberg, Deutschland-Chefin Parmigiani: „Die Herausforderung besteht darin, weiter an Bekanntheit zu gewinnen. Aber vor allem geht es am Ende darum, dass wir dem Publikum Produkte anbieten, die ihm gefallen. Das Besondere bei uns ist ja, dass wir eh schon alle Teile von mechanischen Uhren selber herstellen können. Da ist es dann tatsächlich schwierig, das noch zu toppen.“ Dank Carole Forestier-Kasapi hat sich die Luxusmarke Cartier auch einen Namen für komplizierte mechanische Uhren gemacht. Dafür wurde sie zur Uhrenpersönlichkeit des Jahres gewählt m Mut war man noch nie verlegen bei Cartier. Bereits 1888, als alle Welt noch Taschenuhren trug, zeigte das Pariser Schmuckunternehmen erste Uhren für das Handgelenk. 1904 fertigte man mit der „Santos“ die erste Fliegeruhr – gleichzeitig die erste Armbanduhr, die sich als Herrenuhr etablierte. 1917 entwarf Louis Cartier den Prototyp der „Tank“, inspiriert von den neuartigen Renault-Panzern, die im Ersten Weltkrieg zum Einsatz kamen. Der Damenuhr-Klassiker „Baignoire“, ein Entwurf von 1906, folgt der Form einer Badewanne. VON LORRAINE HAIST MASSIMO RODARI (6), GETTZ IMAGES Sylvain Dolla, CEO Hamilton: „Für uns ist das ein ganz besonderes Uhrenjahr, weil wir den 80. Geburtstag von Elvis mit einer ganz besonderen Uhr feiern. Die ,Elvis Ventura 80‘ ist eine Hommage an den ,King of Rock ’n’ Roll‘. Das ist eine Charakteruhr, darum geht es doch in dieser Industrie. Seien wir ehrlich, 80 Prozent unseres Business’ bei Hamilton sind mechanische Uhren. Wir reden hier nicht von Consumer Electronics, das ist eine andere Industrie.“ Bei aller Entschlossenheit zur kühnen Form: Als Adresse für Technikfreaks galt Cartier bislang nicht. Dafür war man wohl zu sehr der eigenen Tradition als Schmuckmarke verpflichtet. Ein Versäumnis angesichts der wieder erwachten Begeisterung für mechanische Uhren. Nun hat ausgerechnet eine Frau – und noch dazu eine Pariserin wie Jeanne Toussaint, die Cartier den Panther als Markenzeichen brachte –, das Haus in kurzer Zeit zu einem Uhrenhersteller gemacht, über den man auch in der Welt der großen Komplikationen spricht. Carole Forestier-Kasapi, die aus einer Familie von Uhrmachern stammt und bereits als Kind in der Werkstatt ihres Vaters Uhrwerke zerlegte und wieder zusammensetzte, begann ihre Ausbildung als 16-Jährige in La Chaux-deFonds, einem Zentrum der Schweizer Uhrenindustrie. 1999 kam sie zu Cartier, und schon damals galt sie als eines der ganz großen Talente in der Haute Horlogerie, der hohen Uhrmacherkunst. 2005 machte der damalige Cartier-Chef Bernard Fornas sie zur Chefin der Entwicklungsabteilung in der neu errichteten Cartier-Manufaktur in La Chaux-deFonds. Eine Entscheidung, die wiederum von Mut zeugt, schließlich war das im Jahr 2000 begonnene und 2007 fertiggestellte Großprojekt für Cartier ein sehr riskantes und kostspieliges Unterfangen. Das Ziel: mit Kalibern aus eigener Fertigung zu einem relevanten Player in der Welt der mechanischen Uhren zu werden. Mit Carole Forestier-Ka- GRANDE sapi sollte ausgerechnet eine Frau, als solche eine Ausnah- Tourbillon-Konzipierung: Zum ersten Mal beschränkte sich meerscheinung in der Uhrenindustrie, über Erfolg oder diese Komplikation nicht nur auf ihre technische Funktion, sondern wurde Teil der ästhetischen Komposition. Misserfolg der Mission entscheiden. Im Gegensatz zu einem klassischen Tourbillon, das sich Schon mit ihren ersten Manufaktur-Kalibern für Cartier bewies Forestier-Kasapi, eine Mutter von zwei Kindern, um die eigene Achse dreht, verfügt das Astrotourbillon dass sie die richtige Besetzung für den Job war. Sie zeigte über einen lang gestreckten Käfig. Er sorgt dafür, dass die auch, dass man das Rad in der Uhrmacherei, seit gut 100 Unruh, die an einen Stern am Firmament erinnert, in einer Jahren im Wesentlichen unverändert, eben doch neu erfin- Minute einmal über das Zifferblatt kreist. „Ein magisches den kann. Vorausgesetzt, man ist so hartnäckig, ausdau- Tourbillon, eine universelle Komplikation“, nennt ernd und leidenschaftlich bei der Sache wie Carole Forestier-Kasapi ihre geniale Entwicklung. „Die Uhr spricht nicht nur zu Menschen, die alles Forestier-Kasapi – der „Spirit“, immer über Uhrentechnik wissen. Auch jeetwas Neues schaffen zu wollen, sei mand, der nichts von Uhren versteht, ihr Antrieb und eines ihr Erfolgsgekann die Bewegung des Tourbillons verheimnisse, sagt die Uhrmacherin über folgen und bekommt eine Ahnung dasich selbst. von, wie viel Knowhow dahintersteckt.“ Bis heute hat Forestier-Kasapi mit Komplexe Technik als etwas Müheloihrem Team die erstaunliche Zahl von ses darzustellen ist vielleicht Forestier29 Uhrwerken entwickelt, außerdem Kasapis größte Leistung. Sie verdanke zwei Konzeptuhren, mit denen sie die diese Fähigkeit ihren Vorbildern, den bislang geltenden Regeln der UhrmaMeister-Uhrmachern Abraham Louis cherkunst auf den Kopf gestellt hat. Breguet und Jean-Antoine Lépine, die Bei der 2010 präsentierten „ID One“ sie gelehrt hätten, „auf die Eleganz der machen innovative Materialien die Einfachheit von Uhrwerken zu achten“. aufwendige Schmierung und die ReEtwas Einfaches zu entwickeln, sei die gulierung der Uhr überflüssig. Im Inhöchste Stufe der Uhrmacherkunst, neren der „ID Two“ von 2012 herrscht „weil man dafür alles durchdrungen haein Vakuum, welches das Gehäuse ohben muss, was unseren Beruf ausmacht.“ ne Schrauben zusammenhält, gleich- Meisterin der komplexen Technik: Spricht man sie auf ihre Leistungen zeitig den Luftwiderstand verringert Carole Forestier-Kasapi an, zeigt Carole Forestier-Kasapi, prinziund so die Gangreserve erhöht. Mit der skelettierten „Rotonde de Cartier Grande Com- piell eher von zurückhaltender Natur, dass sie temperaplication“ stellte sie auf der diesjährigen Genfer Uhren- mentvoll sein kann. Ach was, man habe bislang nur ein messe ihre bislang komplexeste Arbeit für Cartier vor – es Prozent von dem erreicht, was in der Uhrmacherei mögwar eine der am meisten beachteten Uhren der Schau: In lich sei. „Mein größter Traum ist es, irgendwann ein ganz fünfjähriger Arbeit entwickelt, enthält sie drei der prestige- neues Level in der mechanischen Uhrentechnik zu erreiträchtigsten Komplikationen der Haute Horlogerie; einen chen.“ Ihr Motto sei es, das Undenkbare zu denken, keine Ewigen Kalender, eine Minutenrepetition und ein fliegen- Grenzen anzuerkennen. „In meinen Augen gibt es immer des Tourbillon. Obwohl Carole Forestier-Kasapi sagt, dass die Möglichkeit, alles neu zu erfinden.“ alle Uhren ihre „Babys“ seien und ihr Stolz der gesamten Manufaktur-Kollektion von Cartier gelte, nennt sie als Für ihre Arbeit wurde Cartiers Chefuhrmacherin Carole Lieblingsuhr die „Rotonde Astrotourbillon“. Mit diesem Forestier-Kasapi von der Jury der „Welt am Sonntag“ zur Stück präsentierte sie 2010 einen neuen Ansatz in der Uhrenpersönlichkeit des Jahres gekürt. SEBASTIEN AGNETTI Raynald Aeschlimann, Vice President Sales International Omega: „Ich glaube, der Frankenkurs hat uns deutlich gemacht, dass wir sehr abhängig sind vom Euroraum und der ganzen Welt. Und es zeigt sich wie schon 2104, dass nur Marken, die Innovation bringen, auch Erfolg haben. Weltweit hegen die Menschen starke Emotionen für Uhren, sie sind aber kostenbewusster geworden, wollen mehr fürs Geld. Das gilt auch für Smartwatches.“ Adrian Bosshard, CEO Certina: „2014 war wieder ein Rekord. Meine Marke ist einem Preissegment, das krisensicher ist. Wir liegen zwischen 300 und 1500 Euro. Sicher war die Anpassung des Franken ein gewisser Schock, wir haben trotzdem das Jahr sehr positiv gestartet: Unsere Kunden schätzen eine hohe Schweizer Qualität zu erschwinglichen Preisen einfach sehr. Ich sehe die Applewatch nicht als Konkurrenz zu einer traditionellen Schweizer Uhr.“ 2 2 . M Ä R Z 2 015