IM NAMEN DER REPUBLIK

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IM NAMEN DER REPUBLIK
GZ. RV/7100491/2011
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde
der Bf. , vertreten durch Stb. , vom 29.09.2010, gegen die Bescheide des Finanzamtes
Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom 07.06.2010, betreffend Einkommensteuer 2002 und
2003, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt (FA) erließ am 07.06.2010 einen Einkommensteuerbescheid für
das Jahr 2002 und einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003. In beiden
Einkommensteuerbescheiden wird in der Begründung auf die Feststellungen
der abgabenbehördlichen Prüfung verwiesen. In dieser wird ausgeführt, die
Beschwerdeführerin (Bf), die russische Staatsbürgerin ist, sei in Österreich gemäß Art
1 Abs 3 lit a DBA Russland (alt) bzw gemäß Art 4 Abs 1 lit a DBA Russland (neu) in
Österreich ansässig und somit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.
Die nach Fristverlängerung eingebrachte Beschwerde vom 29.09.2010 richtet sich gegen
die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003.
Es wird iW vorgebracht, die Bf habe ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht in
Österreich. Ihre Einkünfte aus selbständiger Arbeit seien daher gemäß DBA ÖsterreichRussland in Österreich nicht zu versteuern.
Im Jahr 2002 gelte das DBA "alt". Dieses ergebe eine Besteuerungshoheit für Russland,
sofern die Person sich dort länger als insgesamt 183 Tage aufhalte.
Im Jahr 2003 gelte das DBA „neu“. Dieses ergebe eine Besteuerungshoheit im
Ansässigkeitsstaat, es sei denn, es stehe eine feste Einrichtung zur Ausübung der
beruflichen Tätigkeit im anderen Staat zur Verfügung. Diese feste Einrichtung müsse vom
Steuerpflichtigen nachhaltig und nicht nur temporär genutzt werden. Die Bf habe ihre
Tätigkeit jedoch überwiegend von Russland aus durchgeführt.
Bezüglich des Mittelpunkts der Lebensinteressen führt die Bf aus, sie sei zwar
regelmäßig, aber nicht überwiegend in Österreich aufhältig. Ihre wirtschaftlichen
Beziehungen betreffend führt sie aus, sie sei im Prüfungszeitraum Geschäftsführerin
der A. HandelsgesmbH gewesen. Die Geschäfte dieser GmbH könnten jedoch von
jedem Ort aus erledigt werden. Zudem sei die Geschäftstätigkeit russlandbezogen. Die
Geschäftskontakte befänden sich vorwiegend in Russland. Die Weichenstellungen, die
Verhandlungen und die Entscheidungen würden daher in erster Linie in Russland getätigt.
An der Firma A. GmbH halte die Bf im Prüfungszeitraum 26% der Anteile. Sie habe
zwar einen Aufenthaltstitel für Österreich, welcher aber nichts über den Mittelpunkt ihrer
Lebensinteressen aussage.
Hinsichtlich der persönlichen Beziehungen führt sie an, ihre privaten Lebensinteressen
seien in Russland. Ihr soziales Umfeld, ihre privaten Kontakte und ihre privaten Aktivitäten
fänden überwiegend in Moskau statt. Ihre Deutschkenntnisse reichten lediglich, um
Basisthemen des täglichen Lebens zu diskutieren. Die Bf habe eine geringe Integration
in Österreich. Sie nutze den überwiegenden Teil des Jahres ihre Wohnung in Moskau.
Zudem habe sie bis 2003 keinen adäquaten Wohnsitz in Österreich gehabt. Lediglich zur
Geburt ihres Sohnes im Jahr 2003 sei sie wegen der besseren medizinischen Versorgung
nach Österreich gezogen.
Zusätzlich liefert sie eine selbst eingeholte Stellungnahme von in Russland lebenden
Zeugen. Diese würden aussagen, die Bf sei bis Mitte 2003 ungefähr 1 Mal jeden zweiten
Monat und immer wieder ein paar Tage in Österreich gewesen.
Ab Mitte 2003 sei laut dieser Stellungnahme wegen der Geburt des Sohnes der Bw ihr
ständiger Aufenthalt Wien gewesen.
Der Betriebsprüfer gab am 09.02.2011 eine Stellungnahme zur Beschwerde ab.
Dabei brachte der Prüfer iW vor, der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf im
Prüfungszeitraum sei in Österreich gewesen.
Bis einschließlich 2003 sei die Bf (wesentlich beteiligte) Gesellschafter-Geschäftsführerin
bei der A. GmbH gewesen. Die Geschäftstätigkeit sei mit Russland und den dortigen
Absatzmärkten untrennbar verbunden und könne daher als russlandbezogen bezeichnet
werden. Bezogen auf das Vorbringen der Bf, ein Großteil der Managementfunktionen
sei örtlich in Russland durchgeführt worden, entgegnete der Prüfer, Sitz und Ort der
Geschäftsleitung der A. GmbH befänden sich in Österreich. Zudem seien hohe Beträge
an verbundene Unternehmen (Fa B. ) für Tätigkeiten in Russland gezahlt worden. Diese
Beträge seien als kostengünstige Alternative anstelle einer eigenen Vertretung in Moskau
erklärt worden. Der Prüfer meint daher, diese Beträge wären nicht notwendig gewesen,
wenn die Bf überwiegend in Russland tätig geworden wäre.
Zudem habe die Bf in zahlreichen Beihilfeverfahren bis 2010 als Mittelpunkt ihrer
Lebensinteressen und als ständigen Wohn- und Familiensitz die diversen Wohnadressen
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in Österreich angegeben. Das Karenzgeld und die weiteren Beihilfeleistungen wären ihr
bei Fehlen der Ansässigkeit wohl nicht zugestanden worden.
Bezogen auf die vorgelegte Bescheinigung des Schulbesuchs in Moskau entgegnet der
Prüfer, der Sohn sei im August 2003 geboren und bis zur ersten Klasse Volksschule im
Inland aufgewachsen.
Dass auch ein Wohnsitz in Russland bestehe, wird vom Prüfer nicht bestritten.
Das FA legte die Berufung (nunmehr Beschwerde) dem Bundesfinanzgericht (BFG) ohne
Erlassung einer BVE vor.
Mit Vorhalt vom 13.03.2014 forderte das BFG die Bf auf, folgende Fragen zu beantworten:
„1. Legen Sie geeignete Unterlagen (zB Kopien des Reisepasses) vor, aus denen die
Aufenthaltsdauer in den jeweiligen Staaten im Jahr 2002 hervorgeht.
2. Nach der Aktenlage und den Ausführungen der Betriebsprüfung wurden hohe Beträge
an verbundene Unternehmen in Moskau für Tätigkeiten in Russland bezahlt, um nicht eine
eigene Vertretung dort installieren zu müssen. Nach Ihrem Vorbringen in der Berufung
haben Sie Ihre Tätigkeit als Geschäftsführer überwiegend aus Russland durchgeführt.
Demnach wären die hohen Vertretungskosten für die Fa. B. in Moskau nicht in dieser
Form notwendig gewesen.
Um Aufklärung wird gebeten.
3. Grundsätzlich werden nach der Judikatur die Einkünfte eines GesellschafterGeschäftsführers einer GmbH am Sitz der GmbH erzielt. Es handelt sich um eine
österreichische Firma mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Österreich. Es ist – der
Stellungnahme der Betriebsprüfung folgend – davon auszugehen, dass Ihnen ein Büro
der A. GmbH in Österreich als feste Einrichtung mit entsprechender Infrastruktur zur
Ausübung der Managementfunktionen ständig zur Verfügung stand.
Um Stellungnahme wird ersucht.
4. Welchen Aufenthaltstitel hatten Sie in den Streitjahren in Österreich? Was war der
"Grund des Aufenthalts" laut Antrag?
Um Vorlage entsprechender Nachweise wird ersucht.“
Mit Schreiben vom 16.05.2014 führte die Bf aus:
„zu 1) bezugnehmend auf geeignete Unterlagen, aus denen die Aufenthaltsdauer in
den jeweiligen Staaten im Jahr 2002 hervorgeht, ist unsererseits anzumerken, dass
die bezughabende Unterlage des Reisepasses nicht mehr verfügbar ist. Es ist gemäß
Aussagen von Frau G. so, dass alle 5 Jahre der alte Reisepass eingezogen wird und
ein neuer ausgestellt wird. Es ist also formal nicht möglich, dieses Dokument des
Reisepasses vorzulegen. Gemäß Aussagen von Frau G. und ihrer Erinnerung ist zu
entnehmen, dass sie sich im Jahr 2002 überwiegend in Russland aufgehalten hat. Als
diesbezügliches klares Indiz ist auch anzumerken, dass für das Jahr 2002 pflichtgemäß
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die Steuererklärung betreffend unbeschränkter Steuerpflicht in Russland eingereicht
wurde und diese Unterlagen in Kopie auch schon im Rahmen der Berufung vorliegen.
zu 2) Wie in Ihrem Fragenvorhalt angeführt, wurde die Tätigkeit als Geschäftsführerin
von Fr. T. G. überwiegend in Russland bzw. in Moskau durchgeführt. Frau G. war in der
A. für den Geschäftsbereich „Möbelhandel“ (Kooperation mit Firma C. ) zuständig und
verantwortlich. Das hierfür angesprochene Kundenpotential setzte sich fast ausschließlich
aus russischen Käufern zusammen, wobei hierfür natürlich auch die persönliche
Anwesenheit von Frau G. notwendig war. Auch der Marktaufbau verlangte die persönliche
Anwesenheit von Frau G., hierfür konnte natürlich auch auf die Infrastruktur der B.
(räumlich, teilweise auch organisatorisch) zurückgegriffen werden. Nachdem sich die
Geschäftsbeziehungen der Firma A. fast ausschließlich in diesem Zeitraum auf den
russischen Raum erstreckten (Kooperation mit Firma C.) war eine Anwesenheit für die
Akquisition von Frau G. in Moskau notwendig.
zu 3) Bezugnehmend auf Ihre Ausführungen, dass grundsätzlich ein Büro der Firma
A. in Österreich zur Verfügung stand, ist anzumerken, dass dieser Standort in der SGasse mehreren Unternehmungen zur Verfügung stand und die personellen Kapazitäten
für die Erledigung der operativen Aufgaben als sehr gering einzustufen waren. Es war
ökonomisch notwendig, dass die Geschäftsführung die Geschäfte primär bzw defacto
ausschließlich in Russland abwickelte, nachdem die Kunden sich anfangs ausschließlich
im Raum der russischen Föderation befanden. Daher war es auch notwendig, dass Frau
G. die Möbelhandelsgeschäfte zu einem weitaus überwiegenden Teil aus Russland
steuerte und sich dort für diese Tätigkeiten der Infrastruktur der Firma B. bedienen konnte.
zu 4) Bezugnehmend auf den angefragten Aufenthaltstitel ist dieser für das Jahr
2002 Frau T. G. nicht erinnerlich, es wäre natürlicherweise möglich, dies über die
Bezirkshauptmannschaft XYZ in Erfahrung zu bringen. Sollte dies Ihrerseits für die
weitere Beweiswürdigung notwendig sein, so ersuchen wir um Mitteilung. Grundsätzlich
ist bezugnehmend auf die Aufenthaltsbewilligungen anzuführen, dass die Familie G
beginnend mit dem Jahr 1997 sich um eine entsprechende Aufenthaltsbewilligung in
Österreich bemühte.
Ein wichtiger Aspekt in diesen Zeiträumen war natürlich auch die Tatsache, dass durch
die hervorragende medizinische Versorgung in Österreich die Entbindung des Sohnes A
in Österreich stattfinden konnte wie auch in weiterer Folge viele medizinische Leistungen
von Herrn DI. G (Mann von Frau T. G.) hier in Österreich konsumiert wurden. Dieser
Schritt in der Verlagerung des Lebensmittelpunktes ist ein mittel- bis langfristiges Projekt,
zumal ja die persönlichen und wirtschaftlichen Umstände darin eine wesentliche Rolle
spielen. Die ökonomischen Gegebenheiten und letztlich auch die Auftragslage in den
Unternehmungen machten es erforderlich, im angefragten Zeitraum den wesentlich
größeren Teil des Aufenthaltes in Russland bzw. Ausland zu haben.
Sollten Ihrerseits noch weitere Punkte offen sein bzw. es notwendig sein die
entsprechenden Aufenthaltstitel zu eruieren ersuchen wir um kurze Mitteilung….“
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Über die Beschwerde wurde erwogen
Eingangs wird darauf hingewiesen, dass die am 31. Dezember 2013 beim Unabhängigen
Finanzsenat anhängigen Berufungen gemäß § 323 Abs 38 BAO vom Bundesfinanzgericht
als Beschwerden im Sinne des Art 130 Abs 1 B-VG zu erledigen sind.
Folgender Sachverhalt steht fest:
Die Bf ist Staatsbürgerin der Russischen Föderation.
Sie hat eine Aufenhaltsgenehmigung für Österreich.
Sie erzielt in den Streitjahren Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit als wesentlich
beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführerin der österreichischen Fa A. Handels- und
Entwicklungs GmbH. Die Höhe der Einkünfte beträgt 2002 € 28.200,00 und 2003
€ 16.450,00. In den Streitjahren hält sie 26% der Anteile an der genannten Firma.
Deren Geschäftszweig ist der Großhandel mit Rohstoffen, Halbwaren und Fertigwaren.
Deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Form eines Büros mit entsprechender
Ausstattung und Infrastruktur befindet sich in den Streitjahren im Inland, und zwar in einem
Einfamilienhaus des Ehegatten der Bf, F. G, in Kärnten . Dieser Firmensitz besteht seit
1996. Die Firma hat seit der Gründung 1993 den Sitz im Inland.
Das Büro am Firmensitz steht der Bf als feste Einrichtung ständig zur Verfügung.
Die Bf übt die Tätigkeit als Geschäftsführerin im Inland aus.
In der Russischen Föderation steht der Bf keine feste Einrichtung zur Verfügung.
Die Bf ist bis einschließlich 2003 Gesellschafter-Geschäftsführerin bei der A. GmbH. Ab
2005 ist sie bei genannter Firma aG einer Beteiligungsänderung im Angestelltenverhältnis
als Teilzeitbeschäftigte tätig.
Die Bf hat in den Streitjahren keine weiteren Einkünfte.
Sie ist in Österreich sozialversichert.
Bei der Fa A. werden Zahlungen hoher Beträge an verbundene Unternehmen in Moskau
für Tätigkeiten in Russland festgestellt.
Die Bf hat einen Hauptwohnsitz im Inland, und zwar vom 27.01.2000 – 29.06.2004
im Eigenheim am Firmensitz der A. GmbH, vom 09.06.2004 – 11.06.2013 in einem
Eigenheim ihres Gatten F. G in Wien-X und seit 11.06.2013 in einem Reihenhaus ihres
Ehegatten in XY , Kärnten.
An letzterer Adresse hatte sie vom 05.02.2009 bis 11.06.2013 einen Nebenwohnsitz.
Die Bf hat auch einen Wohnsitz in Moskau, Russische Föderation. Sie besitzt einen
Führerschein der Russischen Föderation und ist in der Russischen Föderation ebenfalls
sozialversichert.
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Der Sohn der Bf, A, wird im August 2003 in Wien geboren und wächst hier auf. Es
wird von der Bf in den Jahren 2003 und 2004 Karenzgeld in Österreich beantragt
und ausbezahlt. Der Sohn verbringt seine Kindergartenzeit und die erste Klasse der
Volksschule in Österreich. Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld werden bis Oktober
2010 an die Bf ausbezahlt.
Der Ehegatte der Bf führt seine berufliche Tätigkeit (Handelsgeschäfte der A. Gruppe) seit
Ende der 1990er Jahre von Österreich aus bzw leitet er seine Geschäfte überwiegend
von Österreich aus. Auch die weiteren Familienmitglieder (zwei älteren Söhne) haben
ihren Aufenthalt über weite Zeiträume nach Österreich verlegt, hier seit 1999 die Schule
besucht, gearbeitet und/oder studiert.
Die Bf beantragt im Jahr 2003 Familienbeihilfe für den Sohn D. , während im Jahr 2002
Familienbeihilfe für die Söhne D. und E. vom Ehegatten der Bf beantragt wird.
2002 und 2003 hat die Bf den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland.
Der festgestellte Sachverhalt beruht auf folgender Beweiswürdigung:
Die Staatsbürgerschaft der Bf ist erwiesen; ebenso unbestritten ist das Vorliegen einer
Aufenthaltsgenehmigung.
Die Art der Einkünfte, die Beteiligungsverhältnisse, der Geschäftszweig der Firma,
deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sind dem Steuerakt und Abfragen aus
dem Firmenbuch entnommen. Dass sich am Ort der Geschäftsleitung ein Büro mit
entsprechender Ausstattung befindet, ist aus der Stellungnahme der Betriebsprüfung (Bp)
zur Beschwerde ersichtlich und wird auch von der Bf zugestanden, wenn sie ausführt,
dass „grundsätzlich ein Büro der Firma A. zur Verfügung stand“. Dass dieser Standort
„mehreren Unternehmungen zur Verfügung stand“, vermag an dieser Feststellung nichts
zu ändern, befindet sich doch in den Streitjahren dieser Firmensitz am Hauptwohnsitz der
Familie G und handelt es sich bei den Unternehmungen um solche, an denen Mitglieder
der Familie G in leitender Funktion beteiligt sind.
Die Höhe der Einkünfte ist unbestritten.
Bei dem Büro am Firmensitz der Gesellschaft handelt es sich unbestreitbar um eine
ständige feste Einrichtung, welche der Bf als Geschäftsführerin ständig zur Verfügung
steht.
Dass die Tätigkeit der Bf im Inland ausgeübt wird, ergibt sich aus der Tatsache, dass
sich der Firmensitz und der Ort der Geschäftsleitung mit der ständigen festen Einrichtung
im Inland befinden und die persönliche Tätigkeit der Bf (die Leitung des Unternehmens)
hier ausgeführt wird. Die persönliche Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH besteht
iW in der Erteilung von Weisungen, wie die Gesellschaft betrieben werden soll. Die
Ausübung der Tätigkeit eines Geschäftsführers ist erst mit dem Zugang der Weisung an
die GmbH vollendet. Da sich der Zugang der Weisung am Ort des Sitzes der Gesellschaft
vollzieht, ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit der Bf – gleichgültig, ob sie den
Entschluss für die einzelne Weisung im In- oder Ausland gefasst hat – am Ort des Sitzes
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der Gesellschaft und somit im Inland persönlich ausgeübt wird. Daran ändern auch die
unbestreitbaren häufigen Aufenthalte der Bf im Gebiet der Russischen Föderation nichts.
Es ist durchaus glaubhaft, dass sich das Kundenpotential überwiegend aus russischen
Käufern zusammensetzt, was eine häufige persönliche Anwesenheit der Bf in Russland
für die Akquisition erforderlich macht. Allerdings ist davon auszugehen, dass – wenn zB
ein Vertragsabschluss zu Stande kommt – der Auftrag zur Vertragserrichtung an das Büro
im Inland erteilt wird, ebenso wie die Durchführung des Auftrags (Möbellieferung etc)
vom Büro im Inland aus abgewickelt wird. Werden Geschäfte von Russland aus getätigt,
bedient man sich der Infrastruktur der Fa B. vor Ort und zahlt die inländische GmbH dafür
erhebliche Beträge. Dies ist, wie der Bp des FA erklärt wurde (siehe Stellungnahme Bp zur
Beschwerde) die kostengünstigste Variante anstelle einer eigenen Vertretung in Moskau.
Dem FA ist Recht zu geben, dass die hohen Vertretungskosten für die Fa B. in Russland
nicht notwendig wären und die Zahlungen nicht erfolgten, wenn die persönliche Tätigkeit
dort ausgeübt würde.
Nach Lehre und Judikatur zur festen Einrichtung muss der Steuerpflichtige im
Quellenstaat eine „Einrichtung“ haben, die „fest“ ist und „gewöhnlich“ zur Verfügung
stehen muss.
Als feste „Einrichtung“ kommen vor allem Räumlichkeiten wie ein Arbeitsraum, ein Büro,
ein Behandlungsraum oder ein Atelier in Betracht.
„Fest“ ist die Einrichtung, wenn eine bestimmte Beziehung zu einem Punkt der
Erdoberfläche besteht.
Die notwendige Dauer einer festen Einrichtung ist jeweils in der Gesamtbetrachtung des
einzelnen Falles zu beurteilen.
Zudem muss die feste Einrichtung dem selbständig Tätigen „gewöhnlich zur Verfügung
stehen“, dh die selbständig tätige Person muss über die Einrichtung Verfügungsmacht
haben, wobei allerdings weder Eigentum, Pacht oder Miete erforderlich ist.
Nach der Judikatur des VwGH ist eine feste Einrichtung erst gegeben, wenn dem
Geschäftsführer bei Bedarf nicht nur ein Schreibtisch, sondern auch der Raum, in
welchem dieser Schreibtisch steht, und darin weitere Einrichtungsgegenstände (wie etwa
zur Aufbewahrung der benötigten Geschäftsführungsunterlagen) und weitere Hilfsmittel
zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit (wie etwa ein Telefon, ein Telefaxgerät, Material
zur Verfassung eventueller Korrespondenz etc), zur Verfügung stehen. Der Begriff der
"festen Einrichtung" ist aber berufsbezogen zu sehen und erfordert, dass darin die
Tätigkeit ganz oder teilweise ausgeübt wird (vgl VwGH vom 25. 11. 1992, 91/13/0144;
VwGH 18.3.2004, 2000/15/0118 ).
Dass der Bf in der Russischen Föderation eine ständige feste Einrichtung dauerhaft
zur Verfügung steht, in der die Tätigkeit ganz oder teilweise ausgeübt wird, ist nicht
hervorgekommen, befindet sich das Büro der A. GmbH doch an deren Sitz und Ort der
Geschäftsleitung in Österreich. Dass eine weitere Betriebsstätte (Zweigniederlassung,
Geschäftsstelle, Büro) in der Russischen Föderation besteht, ist nicht erkennbar.
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Dass die Bf in den Streitjahren keine weiteren Einkünfte hat, ergibt sich aus den
Feststellungen der Bp des FA.
Dass die Bf in Österreich sozialversichert ist, ist ebenso unbestritten, wie die Tatsache der
Zahlungen hoher Beträge an verbundene Unternehmen (Fa B.) in Moskau.
Die Wohnsitze der Bf im Inland sind durch Abfragen aus dem ZMR erwiesen.
Der Wohnsitz der Bf in Moskau wurde von ihr nachgewiesen, ebenso der Führerschein der
Russischen Föderation und die dortige Sozialversicherung.
Die Feststellungen über den Sohn der Bf, A, beruhen auf Ermittlungen des FA und sind
unbestritten.
Auch die Feststellungen über den Ehegatten der Bf und die weiteren Familienmitglieder
(Söhne) beruhen auf Erhebungen des FA. Der Firmensitz und der Hauptwohnsitz des
Ehegatten der Bf befinden sich in Österreich. Daher leitet dieser den Feststellungen des
FA folgend seine Geschäfte überwiegend von Österreich aus. Dies wird auch in einem
Schreiben des Mag. Y. vom 09.02.2010, welches vom steuerlichen Vertreter der Bf
vorgelegt wurde, bestätigt.
Die Feststellungen betreffend Familienbeihilfe beruhen auf den Erhebungen des FA und
Abfragen im AIS des Bundes.
Dass die Bf den Mittelpunkt der Lebensinteressen in den Streitjahren im Inland hat, beruht
auf folgenden Erwägungen:
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich an dem Ort, zu dem eine Person
die engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen aufweist. Als "persönliche
und wirtschaftliche Beziehungen" einer Person sind nach herrschender Ansicht
(Marschner, Jakom, EStG 2011, § 1 Tz 20 mit Verweis auf Beiser ÖStZ 1989, S 243)
und Rechtsprechung (vgl VwGH 20. 02. 2008, 2005/15/0135 ) die familiären und
gesellschaftlichen Beziehungen, die berufliche, politische, kulturelle und sonstige
Tätigkeit, der Ort ihrer Geschäftstätigkeit und ähnliches zu berücksichtigen, wobei das
Gesamtbild der Lebensverhältnisse und letztlich das Überwiegen der einzelnen Umstände
ausschlaggebend ist. Von Bedeutung sind die Ausübung des Berufs, die Gestaltung
des Familienlebens sowie Betätigungen religiöser und kultureller Art sowie andere
Tätigkeiten zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen (vgl VwGH 20. 02.
2008, 2005/15/0135). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH
28. 10. 2008, 2008/15/0114 ) kommt den wirtschaftlichen Beziehungen in der Regel eine
geringere Bedeutung zu als den persönlichen Beziehungen.
Unter persönliche Beziehungen werden solche verstanden, die einen Menschen aus in
seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz
innehat (UFS 25. 05. 2010, RV/0386-F/08). Von den aufgezählten, eine persönliche
Beziehung prägenden Merkmalen kommt nach der österreichischen Rechtsprechung den
familiären Beziehungen die größte Bedeutung zu. So hält der VwGH in seinem Erkenntnis
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vom 22.03.1991, 90/13/0073 fest, dass "die stärkste persönliche Beziehung im Regelfall
zu dem Ort besteht, an dem jemand mit seiner Familie lebt".
Die Bf lebt mit ihrer Familie in Österreich und hat hier einen Hauptwohnsitz. Der Ehegatte
der Bf beantragt im Jahr 2002 Familienbeihilfe für zwei Söhne. Gemäß § 2 Abs 8 FLAG
1967 hat eine Person nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt
der Lebensinteressen im Inland hat und gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 nur für Kinder,
die sich ständig im Inland aufhalten. Der Ehegatte der Bf geht bei der Beantragung im
Jahr 2002 offenbar von diesem Sachverhalt aus. Die Bf, die mit ihrem Ehemann und
den Kindern im Inland ihren Hauptwohnsitz hat und hier lebt, hat daher im Jahr 2002 zu
Österreich die stärkste persönliche Beziehung.
Im Jahr 2003 wird der Sohn der Bf, A, in Österreich geboren. Die Bf bezieht für
ihn Familienbeihilfe und Karenzgeld. Voraussetzung dafür ist der Mittelpunkt der
Lebensinteressen im Inland. Von der Bf selbst wird ausgeführt, dass die gute medizinische
Betreuung in Österreich ein Grund für die Anwesenheit im Inland war. Der Sohn der Bf
wird im Inland geboren, wird hier ärztlich betreut und wächst hier auf. Daher hat die Bf im
Jahr 2003 unzweifelhaft hier ihren Lebensmittelpunkt, zumal sie im Jahr 2003 auch für
den Sohn D. Familienbeihilfe beantragt. Der Sohn der Bf wird im August 2003 geboren.
Es ist daher davon auszugehen, dass die Bf auch schon vorher uA wegen der ärztlichen
Betreuung und der Geburtsvorbereitung im Inland ihren Lebensmittelpunkt hatte.
Dazu kommt, dass die Bf auch die stärkste wirtschaftliche Beziehung zu Österreich hat,
da sie Geschäftsführerin einer inländischen GmbH, deren geschäftliche Leitung samt Büro
sich an ihrem Hauptwohnsitz befindet, ist.
Auch das Schreiben des RA Mag. Y. vom 09.02.2010 steht zu diesen Feststellungen nicht
im Widerspruch, wenn anfangs ausgeführt wird, dass „Herr G seine berufliche Tätigkeit
seit Ende der 90er Jahre von Österreich aus führt, bzw seine Geschäfte überwiegend
von Österreich aus leitet. Daraus ergibt sich notgedrungen die Notwendigkeit eines
regelmäßigen Aufenthalts, …dass … die Familienmitglieder … über weite Zeiträume ihren
Aufenthalt nach Österreich verlegt haben.“
Die weiteren Ausführungen, in denen versucht wird, einen Mittelpunkt der
Lebensinteressen in Russland zu begründen, sind wenig überzeugend.
Nach Überzeugung des BFG befindet sich am Hauptwohnsitz der Familie im Inland,
an dem sich auch der Firmensitz mehrerer Firmen, an denen Mitglieder der Familie G
beteiligt und in leitenden Funktionen tätig sind und von wo aus der Ehegatte der Bf die
Geschäfte überwiegend leitet, der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf und ihres
Ehegatten, zumal im Jahr 2002 der Sohn D. im Inland studiert und im Jahr 2003 der Sohn
A geboren wird und bezüglich der Bf auch anzumerken ist, dass sie vom Firmensitz aus
die Geschäfte einer inländischen GmbH führt.
Es mag sein, dass verschiedene private Aktivitäten auch in Russland stattfinden, grs lebt
die Familie aber in Österreich und sind der Ehegatte der Bf und die Bf überwiegend im
Inland erwerbstätig.
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Ein weiteres Indiz ist, dass die Bf seit 27.01.2000, somit vor dem Streitzeitraum, einen
inländischen Hauptwohnsitz begründete.
Das von der Bf vorgelegte undatierte und nicht unterfertigte Schreiben „Bericht über den
Aufenthalt der Frau G. in Österreich v. 2001 bis 2006 Jahre“, wonach mehrere Personen
den in dem Schreiben dargestellten Sachverhalt bestätigen könnten, steht mit den
getroffenen Feststellungen nicht im Widerspruch.
Die Ausführungen unter Pkt. 1 und 2 dieses Schreibens – „Ab dem Jahr 2001 bis Mitte
Juli 2003 war die Fr. G. in Österreich – ungefähr 1 Mal jeden zweiten Monat und immer
wieder ein paar Tage. Ab der Mitte 2003 bis zur Mitte 2004 hatte Fr. G. ihren ständigen
Aufenthalt in Wien (Karenz, Geburt des Kindes, Kindespflege)“ – bestätigen nur, dass die
Bf bis Mitte 2003 immer wieder und ab Mitte 2003 ständig in Österreich war. Über den
Ort der Ausübung der persönlichen Tätigkeit als Geschäftsführerin einer GmbH sagen
sie nichts aus. Dass die Weisungen der Bf an den Sitz der Firma, welcher gleichzeitig Ort
der Geschäftsleitung ist, ergingen und dort umgesetzt wurden, wird mit diesem Schreiben
nicht in Frage gestellt. Bestätigt wird hingegen implizit, dass die Bf den Mittelpunkt der
Lebensinteressen 2003 in Österreich hatte, da sie ab Mitte 2003 wegen der Geburt des
Sohnes ständig in Österreich war, was bedeutet, dass sie auch in der ersten Jahreshälfte
2003 wegen der ärztlichen Betreuung und Geburtsvorbereitung ihren persönlichen
Lebensmittelpunkt im Inland hatte.
Rechtlich ist auszuführen wie folgt:
Doppelbesteuerungsabkommen entfalten eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine
sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob
Steuerpflicht besteht, ist zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen.
Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten
Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen
eingeschränkt wird (vgl zB VwGH 28. 11. 2007, Zl 2006/14/0057).
Die Bf hat einen Wohnsitz im Inland. Sie ist damit im Inland grs unbeschränkt
steuerpflichtig. Die strittigen Einkünfte sind nach innerstaatlichem Recht gemäß § 22 Z 2
EStG 1988 als Einkünfte aus selbständiger Arbeit, und zwar aus sonstiger selbständiger
Arbeit als an einer Kapitalgesellschaft wesentlich Beteiligte zu qualifizieren.
Die Bf hat auch einen Wohnsitz in Russland. Sie ist somit auch nach russischem Recht grs
unbeschränkt steuerpflichtig.
Zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen – hier: auf dem Gebiet der Einkommensteuer
– ist im ggstdl Fall für das Jahr 2002 das Abkommen zwischen der Republik
Österreich und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens, BGBl Nr 411/1982
(idF DBA alt) und für das Jahr 2003 das Abkommen zwischen der Regierung der
Republik Österreich und der Regierung der russischen Föderation zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen,
BGBl III Nr 10/2003, Inkrafttreten 30.12.2002 (idF: DBA neu) anzuwenden.
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Das (jeweilige) DBA ist persönlich und sachlich anwendbar.
2002:
Es entspricht der einhelligen Lehre, dass für grenzüberschreitende Aktivitäten im
Verhältnis zur Russischen Föderation auch nach dem Zerfall der Sowjetunion genanntes
DBA bis zum Inkrafttreten eines eigenen (neuen) Abkommens erwähntes Abkommen
weiter anzuwenden ist. (Siehe zB Zach, SWI 2000, 206).
Das genannte DBA weicht in vielen Punkten von den Prinzipien des OECDMusterabkommens ab. Daher kann das Musterabkommen nicht oder nur sehr begrenzt als
Interpretationshilfe herangezogen werden.
Art 1 des DBA alt – "Persönlicher Geltungsbereich" – lautet:
"1. Dieses Abkommen gilt für Personen, die hinsichtlich der Besteuerung in einem oder in
beiden Vertragsstaaten als ansässig gelten.
2. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat
ansässige Person"
a) in bezug auf eine in der UdSSR ansässige Person: eine juristische Person oder eine
andere in der UdSSR steuerlich wie eine juristische Person behandelte Organisation,
die nach den Gesetzen der UdSSR oder einer Unionsrepublik errichtet ist, oder eine
natürliche Person, die in bezug auf die Besteuerung in der UdSSR ihren ständigen
Wohnsitz in der UdSSR hat;
b) in bezug auf eine in Österreich ansässige Person: eine juristische Person oder eine
andere in Österreich steuerlich wie eine juristische Person behandelte Gesellschaft, die
ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in Österreich hat, oder eine natürliche Person, die
in bezug auf die Besteuerung in Österreich ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in Österreich hat.
3. Ist nach den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels eine natürliche Person in beiden
Vertragsstaaten ansässig, so gilt folgendes:
a) Die Person gilt als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte
verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem
Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen
hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);
b) kann nicht bestimmt werden, in welchem der Staaten die Person den Mittelpunkt
ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige
Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen
Aufenthalt hat;
c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der
Staaten, so gilt sie als in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist;
d) wird die Person von beiden Staaten jeweils als ihr Staatsangehöriger behandelt oder
ist die Person Staatsangehöriger keines der Staaten, so gehen die zuständigen Behörden
der Vertragsstaaten gemäß Artikel 18 dieses Abkommens vor. 4. Ist nach den Absätzen
1 und 2 dieses Artikels eine andere als eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten
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ansässig, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen
Geschäftsleitung befindet. "
Die Bf gilt nach Art 1 Z 3 leg cit in Österreich ansässig. Hier ist der Mittelpunkt ihrer
Lebensinteressen. Österreich ist Ansässigkeitsstaat.
Art 11 leg cit lautet:
"1. Arbeitslöhne und andere Einkünfte, die eine in einem der Vertragsstaaten ansässige
natürliche Person für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte Tätigkeit bezieht, dürfen
in diesem anderen Staat nur dann besteuert werden, wenn sich die Person dort länger als
insgesamt 183 Tage aufgehalten hat.
2. Abweichend von den Bestimmungen des Absatzes 1 dieses Artikels dürfen
Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige natürliche Person für eine im
anderen Vertragsstaat ausgeübte hoheitliche Funktion bezieht, nur in dem erstgenannten
Staat besteuert werden.
3. Abweichend von den Bestimmungen des Absatzes 1 dieses Artikels dürfen Löhne
und andere Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine Tätigkeit
bezieht, die auf einer Baustelle oder Montage im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird,
in diesem Staat nur dann besteuert werden, wenn sie von einer Person gezahlt werden,
für die diese Baustelle oder Montage als Repräsentanz im Sinne des Artikels 4 Absatz 2
dieses Abkommens gilt.
4. Abweichend von den Bestimmungen des Absatzes 1 dieses Artikels dürfen folgende
Vergütungen, die eine in einem der Vertragsstaaten ansässige natürliche Person für
Tätigkeiten in dem anderen Vertragsstaat bezieht, nur in dem erstgenannten Staat
besteuert werden: …“
Der Artikel weicht sehr stark vom Musterabkommen der OECD ab. Er bezieht sich
sowohl auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als auch aus selbständiger Arbeit.
Das Besteuerungsrecht steht im Prinzip dem Staat zu, in dem die Tätigkeit ausgeübt
wird. (siehe Philipp, ÖStZ 1982, 278). Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind im
Tätigkeitsstaat (Russische Föderation) zu versteuern, wenn sich die natürliche Person
länger als 183 Tage im Tätigkeitsstaat aufgehalten hat (siehe Art 11 Z 1 leg cit), wobei die
Frist nicht auf das Kalenderjahr bezogen ist, sondern auf die einheitliche Zeitperiode der
Entsendung abstellt (vgl VwGH 24. 02. 1998, 95/13/0137 ).
Anders verhält es sich mit den hier zu beurteilenden Einkünften aus selbständiger
Arbeit. Die entscheidende Frage ist, in welchem Staat die Tätigkeit, die zu selbständigen
Einkünften führt, ausgeübt wird. Nach Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen
im Internationalen Steuerrecht, Wien, Linde, 1994, S 203, mwN ergibt sich bei leitenden
Tätigkeiten "jedoch oftmals keine örtliche Gebundenheit. In diesem Zusammenhang hat
die Rechtsprechung für geschäftsführende Organe von Kapitalgesellschaften entschieden,
dass ihre Tätigkeit am Ort des Sitzes der Gesellschaft ausgeübt wird. Dies gilt auch dann,
wenn der Arbeitnehmer dort nur gelegentlich anwesend ist. Dem liegt die Überlegung
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zu Grunde, dass die eigentliche Wahrnehmung von Leitungsfunktionen sich nicht darin
erschöpft, Entscheidungen zu treffen und bekanntzugeben, sondern vor allem in der
Durchsetzung der erteilten Weisungen am Ort des Unternehmens liegt. ...".
Diese Auffassung entspricht auch der Judikatur des VwGH. Im Erkenntnis vom
07.05.1979, 2669/78 , zum (damals geltenden) DBA Österreich – Deutschland,
insbesondere zur Frage, wo der Geschäftsführer einer österreichischen GmbH seine
Tätigkeit ausübt, führt der Gerichtshof aus:
"In diesem Zusammenhang ist es auch ohne Bedeutung, dass sich der Geschäftsführer
G im Ausland aufhält; denn die persönliche Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH
besteht ja im wesentlichen in der Erteilung von Weisungen, wie die Gesellschaft im
allgemeinen und im einzelnen betrieben werden soll. Die "Ausübung" der Tätigkeit
eines solchen Geschäftsführers iS des Art 9 des DBA zwischen Österreich und der
BRD ist aber erst mit dem Zugang der Weisung an die GmbH vollendet. Da sich nun
dieser Zugang am Ort des Sitzes der Gesellschaft vollzieht, ist davon auszugehen, dass
die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH - gleichgültig, ob der Geschäftsführer
den Entschluss für die einzelne Weisung im In- oder Ausland gefasst hat - am Ort
des Sitzes der Gesellschaft persönlich ausgeübt wird. (...). Befindet sich demnach der
Sitz der betreffenden Gesellschaft im Inland, dann übt der Geschäftsführer nach dem
Vorgesagten ... seine persönliche Tätigkeit ebenfalls grundsätzlich im Inland aus."
Auch der UFS stützt sich auf diese Rechtsprechung (vgl UFS 04.05.2004, RV/3263-W/02).
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass das DBA Deutschland idF BGBl Nr
221/1955 mit vorliegendem DBA Russland (alt) vergleichbar ist. Es behandelt in Art 9
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und weist diese in Art 9 Abs 1 grs dem anderen
(als dem Wohnsitzstaat) zu, wenn die Tätigkeit in dem anderen Staat ausgeübt wird. Dies
gilt jedoch gemäß Art 9 Abs 2 nicht, wenn die natürliche Person sich nur vorübergehend,
zusammen nicht mehr als 183 Kalendertage in dem anderen Staat aufhält und für ihre
Tätigkeit von einem Arbeitgeber entlohnt wird, der seinen Wohnsitz in dem gleichen Staate
wie die natürliche Person hat und ihre Tätigkeit nicht im Rahmen einer in dem anderen
Staate befindlichen Betriebstätte des Arbeitgebers ausübt.
Das zit Judikat des VwGH vom 07.05.1979, 2669/78, behandelt (bei vergleichbarer
Rechtslage) die Zuordnung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eines
Geschäftsführers einer GmbH. Es kann für die Anwendbarkeit der Rechtslage keinen
Unterschied machen, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Geschäftsführerin einer
GmbH zu 26% an der GmbH beteiligt ist und nur deswegen Einkünfte aus sonstiger
selbständiger Arbeit bezieht. Die vom VwGH dargestellten Grundsätze in Bezug auf die Art
der Ausübung der Tätigkeit sind in dem vom VwGH beurteilten und im vorliegenden Fall
die gleichen.
Auch das BMF vertritt in EAS 2046 vom 29.04.2002 zum DBA Russland (alt) die
Rechtsmeinung, dass die Besteuerung der Geschäftsführungstätigkeit einer GesmbH dort
zu erfolgen hat, wo die Tätigkeit ausgeübt wird, nämlich am Sitz der Gesellschaft:
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“Ist ein in Moskau ansässiger russischer Staatsbürger, der in Österreich keinen
Zweitwohnsitz unterhält, geschäftsführender Gesellschafter einer österreichischen
Handels-GesmbH und in dieser Eigenschaft monatlich etwa 2 bis 3 Tage in Wien,
unterliegen die für die Geschäftsführung bezogenen Vergütungen der Besteuerung
in Österreich. Dies deshalb, weil zu erwarten ist, dass die Geschäftsführungstätigkeit
insgesamt eine 183 Tage überschreitende Aufenthaltsdauer in Österreich zur Folge
haben wird; in diesem Fall steht das Besteuerungsrecht gemäß Artikel 11 DBA Sowjetunion Österreich zu. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die in diesem DBA
vorgesehene 183-Tage-Frist nicht kalenderjahresbezogen zu berechnen ist."
Im gegenständlichen Fall sind die Ausführungen des VwGH im Erk 07.05.1979, 2669/78
uneingeschränkt anwendbar (siehe auch oben Sachverhalt und Beweiswürdigung).
Es handelt sich um Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die unter Artikel 11 DBA alt
zu subsumieren sind. Es handelt sich um eine leitende Tätigkeit (GesellschafterGeschäftsführer), wobei sich Sitz und Geschäftsleitung des Unternehmens im Inland
befinden. Im Ausland befindet sich keine Betriebsstätte, Zweigniederlassung, Büro oder
dgl.
Die Geschäftsführerin (Bf) übt ihre persönliche Tätigkeit im Inland aus (siehe oben) und
unterliegt mit diesen Einkünften der inländischen Besteuerung.
Das BFG folgt der Judikatur des VwGH. Die von Gassner uA aaO vorgetragene Kritik
an dieser, von den Autoren selbst dargelegten Rechtsprechung, diese Ausdehnung
des Ausübungstatbestandes stehe einerseits im Widerspruch zu Art 15 OECD-MA
und auch zum Kommentar des OECD-MA, der eindeutig den Verwertungstatbestand
ausschließe, und führe andererseits zu Fällen von Doppelbesteuerung oder doppelter
Nichtbesteuerung; es sei fraglich, ob ein Geschäftsführer im Sinne der Rechtsprechung
am Ort des Sitzes der Gesellschaft oder nicht viel mehr am Ort der faktischen
Geschäftsleitung tätig werde; diese Unterscheidung sei besonders dann von Bedeutung,
wenn Sitz und Ort der Geschäftsleitung auseinanderfallen, wird vom BFG nicht geteilt,
zumal Sitz und Ort der Geschäftsleitung im ggstdl Fall nicht auseinanderfallen. Wie oben
ausgeführt, ist das OECD Musterabkommen nur sehr eingeschränkt als Interpretationshilfe
anwendbar, da gerade der in Frage stehende Artikel sehr stark vom Musterabkommen
abweicht. Auch von der übrigen Lehre wird die Kritik nicht geteilt. So ist im Kommentar
von Philipp/Loukota/Jirousek, Int Steuerrecht, Loseblattausgabe Manz, Bd 1, S 156, zu Art
15 OECD Musterabkommen, der die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt,
ausgeführt:
"Bei Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften wird angenommen, dass sie ihre Tätigkeit
am Sitz der Gesellschaft ausüben (...)".
Auch aus dem Wortlaut des Art 15 des Musterabkommens ist ein Verbot dieser
Auffassung nicht erkennbar.
Im Übrigen würde sich am Besteuerungsrecht Österreichs an diesen Einkünften auch
nichts ändern, wenn die Bf als in Russland ansässig gälte. Dann wäre Russland der
Ansässigkeitsstaat und Österreich der Tätigkeitsstaat. Das Besteuerungsrecht an den
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selbständigen Einkünften würde auf Grund der im Inland ausgeübten Tätigkeit Österreich
zufallen.
Auch durch die Vorlage von nicht übersetzten russischen Steuererklärungen, Bescheiden
und Zahlungsnachweisen ist für die Bf nichts gewonnen. Einerseits können sie mangels
Übersetzung nicht beurteilt werden und sind als Beweismittel ungeeignet und andererseits
enthält das DBA keine für Russland bindende Anordnung über die Art der Vermeidung
der Doppelbesteuerung. Daher kann Russland nicht entgegen getreten werden, wenn
es ebenfalls eine Besteuerung ggstdl Einkünfte vornimmt. Es ist wohl richtig, dass
anlässlich der Unterzeichnung des DBA „alt“ am 10.04.1981 auch ein Notenwechsel
unterzeichnet wurde, in dem sich Österreich zur Steuerfreistellung verpflichtet hat, wenn
die betreffenden Einkünfte nach dem Abkommen in Russland besteuert werden dürfen.
Diese Freistellungsverpflichtung ist aber stets im Sinne des Artikels 23 („Methodenartikel")
des OECD-Musterabkommens auszulegen. Der Notenwechsel kann daher nicht bewirken,
dass eine – wegen Fehlens einer „Methodenbestimmung" – auf russischer Seite
vorgenommene Besteuerung zu einem Verzicht auf die Besteuerung von Einkünften hätte
führen müssen, an denen das Abkommen ausdrücklich Österreich das Besteuerungsrecht
zuweist. (Siehe BMF, EAS 2315 vom 11. 07. 2003).
Die Höhe der str Einkünfte und die Berechnung der auf diese Einkünfte entfallenden
Steuer sind unstrittig.
Die Beschwerde war daher das Jahr 2002 betreffend abzuweisen.
2003:
Art 1 und Art 4 des DBA neu lauten:
„Artikel 1
Persönlicher Geltungsbereich
Dieses Abkommen gilt für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden
Vertragsstaaten ansässig sind.“
„Artikel 4
Ansässige Person
1. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck “eine in einem Vertragsstaat
ansässige Person” eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres
Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung, des Ortes
ihrer Gründung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Der Ausdruck
umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in
diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.
2. Ist nach Absatz 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt
Folgendes:
a) Die Person gilt als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte
verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem
Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen
hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);
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b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer
Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige
Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen
Aufenthalt hat;
c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der
Staaten, so gilt sie als in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist;
d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so werden
sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen, die Frage in gegenseitigem
Einvernehmen zu regeln.
3. Ist nach Absatz 1 eine andere als eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten
ansässig, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen
Geschäftsleitung befindet.“
Die Bf hat in beiden Vertragstaaten eine ständige Wohnstätte. Sie gilt nach Art 4 Z 2 lit a
DBA neu als in Österreich ansässig, da sie hier den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat.
Artikel 5 DBA neu lautet:
„Betriebsstätte
1. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck “Betriebstätte” eine feste
Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise
ausgeübt wird.
2. Der Ausdruck “Betriebstätte” umfasst insbesondere:
a) einen Ort der Leitung,
b) eine Zweigniederlassung,
c) eine Geschäftsstelle,
d) eine Fabrikationsstätte,
e) eine Werkstätte und
f) ein Bergwerk, ein Öl- oder Gasvorkommen, einen Steinbruch oder eine andere Stätte
der Ausbeutung von Bodenschätzen.
3. Eine Bauausführung oder Montage ist nur dann eine Betriebstätte, wenn ihre Dauer
zwölf Monate überschreitet.
4. Ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht als
Betriebstätten:
a) Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von
Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt werden;
b) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung,
Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden;
c) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck
unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu
werden;
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d) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für
das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen;
e) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für
das Unternehmen andere Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder eine
Hilfstätigkeit darstellen;
f) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird,
mehrere der unter lit. a bis e genannten Tätigkeiten auszuüben, vorausgesetzt, dass die
sich daraus ergebende Gesamttätigkeit der festen Geschäftseinrichtung vorbereitender Art
ist oder eine Hilfstätigkeit darstellt.
5. Ist eine Person - mit Ausnahme eines unabhängigen Vertreters im Sinne des Absatzes
6 - für ein Unternehmen tätig und besitzt sie in einem Vertragsstaat die Vollmacht, im
Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, und übt sie die Vollmacht dort
gewöhnlich aus, so wird das Unternehmen ungeachtet der Absätze 1 und 2 so behandelt,
als habe es in diesem Staat für alle von der Person für das Unternehmen ausgeübten
Tätigkeiten eine Betriebstätte, es sei denn, diese Tätigkeiten beschränken sich auf die in
Absatz 4 genannten Tätigkeiten, die, würden sie durch eine feste Geschäftseinrichtung
ausgeübt, diese Einrichtung nach dem genannten Absatz nicht zu einer Betriebstätte
machten.
6. Ein Unternehmen wird nicht schon deshalb so behandelt, als habe es eine Betriebstätte
in einem Vertragsstaat, weil es dort seine Tätigkeit durch einen Makler, Kommissionär
oder einen anderen unabhängigen Vertreter ausübt, sofern diese Personen im Rahmen
ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln.
7. Allein dadurch, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Gesellschaft eine
Gesellschaft beherrscht oder von einer Gesellschaft beherrscht wird, die im anderen
Vertragsstaat ansässig ist oder dort (entweder durch eine Betriebstätte oder auf andere
Weise) ihre Tätigkeit ausübt, wird keine der beiden Gesellschaften zur Betriebstätte der
anderen.“
Art 14 DBA neu lautet:
„Selbständige Arbeit
1. Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf
oder aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit bezieht, dürfen nur in diesem Staat besteuert
werden, es sei denn, dass der Person im anderen Vertragsstaat für die Ausübung ihrer
Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. Steht ihr eine solche feste
Einrichtung zur Verfügung, so dürfen die Einkünfte im anderen Staat besteuert werden,
jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.
2. Der Ausdruck “freier Beruf” umfasst insbesondere die selbstständig ausgeübte
wissenschaftliche, literarische, künstlerische, erzieherische oder unterrichtende Tätigkeit
sowie die selbstständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten,
Zahnärzte und Buchsachverständigen.“
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Im vorliegenden Fall ist die Bf in Österreich ansässig. Die Einkünfte aus sonstiger
selbständiger Tätigkeit dürfen daher nach Art 14 Z 1 DBA neu nur in Österreich besteuert
werden, es sei denn, es stünde ihr in der russischen Föderation für die Ausübung ihrer
Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung, der Einkünfte zugerechnet
werden könnten.
Zu prüfen war daher, ob eine feste Einrichtung iSd DBA vorliegt.
Das OECD Musterabkommen, welches gewöhnlich zur Interpretation der Bestimmungen
der DBA herangezogen wird, enthält keinen eigenen Artikel mehr für die selbstständige
Arbeit. Art 14 OECD-MA wurde aufgrund der Überarbeitung im Jahr 2000 gestrichen.
Daher sind auf eine wie im ggstdl Fall vorliegende selbständige Tätigkeit die allgemeinen
Betriebsstättengrundsätze anzuwenden (Art. 5, 7 OECD-MA).
Art 14 OECD-MA alter Fassung stellte hingegen explizit auf das Vorliegen einer festen
Einrichtung ab. Besondere Unterschiede zwischen dem Begriff der "festen Einrichtung"
und dem Begriff der "Betriebsstätte" dürften nicht bestehen.
In Art 5 Z 1 DBA (dem OECD-MA folgend) ist der Ausdruck „Betriebsstätte“ als eine feste
Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise
ausgeübt wird, definiert. Nach Z 2 umfasst der Ausdruck „Betriebsstätte“ insbesondere uA
einen Ort der Leitung, eine Zweigniederlassung oder eine Geschäftsstelle.
Im ggstdl Fall steht in Russland keine feste Einrichtung gewöhnlich und dauerhaft zur
Verfügung. Die Einkünfte sind vielmehr dem Ort der Leitung des Unternehmens am
Firmensitz zuzurechnen. Hier befindet sich eine feste örtliche Einrichtung (Büro), welche
der Bf dauerhaft und jederzeit zur Verfügung steht.
Nach Art 14 Z 1 DBA neu hat daher der Ansässigkeitsstaat Österreich das
Besteuerungsrecht an den str Einkünften.
Selbst die Annahme der Ansässigkeit der Bf in der russischen Föderation würde an
dieser Beurteilung nichts ändern. In diesem Fall hätte der Quellenstaat Österreich das
Besteuerungsrecht an den str sonstigen selbständigen Einkünften der Bf, da dieser im
Inland eine feste Einrichtung zur Verfügung steht, der diese Einkünfte zugerechnet werden
können.
Nach Art 23 Z 2 DBA neu (Methodenartikel) wird bei einer in der Russischen Föderation
ansässigen Person, die Einkünfte in Österreich hat, welche nach dem Abkommen in
Österreich besteuert werden, die Doppelbesteuerung dadurch vermieden, dass die auf
diese Einkünfte entfallende österreichische Steuer auf die in der Russischen Föderation
erhobene Steuer angerechnet wird, wobei der anzurechnende Betrag jedoch den Betrag
der Steuer der Russischen Föderation nicht übersteigen darf, der in Übereinstimmung mit
den Steuergesetzen und Verordnungen für diese Einkünfte oder dieses Vermögen ermittelt
wird.
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In diesem Fall wäre auch die Russische Föderation berechtigt, auf die str Einkünfte
Steuern zu erheben und die Bf könnte sich die in Österreich bezahlte Steuer aber (nach
den Regeln des Art 23 DBA neu) in der Russischen Föderation anrechnen lassen.
Die Vorlage der russischen Steuererklärungen, Steuerbescheide bzw
Zahlungsbestätigungen kann zur Lösung vorliegender Streitfrage nichts beitragen.
Einerseits können die nur in russischer Sprache vorgelegten Unterlagen nicht beurteilt
werden und sind somit als Beweismittel ungeeignet und andererseits ist auf Grund der
Feststellung, dass Österreich Ansässigkeitsstaat ist und das Besteuerungsrecht an den
str Einkünften Österreich zufällt, davon auszugehen, dass die Russische Föderation eine
allfällige Steuer auf diese Einkünfte zu Unrecht erhoben hat, sodass Art 23 Z 1 DBA neu –
Methodenartikel: Ansässigkeitsstaat Österreich, Zuteilung der Besteuerung der Einkünfte
nach DBA in Russland führt zur Freistellung von der Besteuerung dieser Einkünfte in
Österreich – nicht zur Anwendung gelangt.
Die Höhe der str Einkünfte und die Berechnung der auf diese Einkünfte entfallenden
Steuer sind unstrittig.
Die Beschwerde war daher das Jahr 2003 betreffend abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG
die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der
grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung
fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall handelt es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung, da das BFG der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des
Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf die Beurteilung des Mittelpunktes der
Lebensinteressen, einer festen Einrichtung und der Zuteilung des Besteuerungsrechtes
der sonstigen selbständigen Einkünfte einer Geschäftsführerin einer GmbH nach DBA
Russland folgt. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am 24. November 2015
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E AS
Express Antwort Service
3. Februar 2016
BMF-010221/0603-VI/8/2015
EAS 3370
Speichermedien- und Reprographievergütung im DBA-USA
Wird die Speichermedien- und die Reprographievergütung im Sinne des § 42b Absatz 1 bzw.
2 Urheberrechtsgesetz (BGBl. Nr. 111/1936 idF BGBl. I Nr. 99/2015) durch einen
österreichischen Schuldner an einen in den USA ansässigen Berechtigten ausbezahlt, so
unterliegt der Empfänger nach innerstaatlichem Recht der Abzugsteuer gemäß § 99 EStG
1988. Unabhängig davon, ob die gezahlten Vergütungen dem betrieblichen oder dem
außerbetrieblichen Bereich zuzuordnen sind, wird nämlich die Einkommensteuer beschränkt
Steuerpflichtiger gemäß § 99 Absatz 1 Z 3 EStG 1988 durch Steuerabzug erhoben, wenn es
sich um Einkünfte aus der Überlassung von Rechten oder aus der Gestattung der Verwertung
von Rechten gemäß § 28 Absatz 1 Z 3 EStG 1988 handelt.
Aus zwischenstaatlicher Sicht gelten gemäß Artikel 12 Absatz 3 DBA-USA als Lizenzgebühren
ua. Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von
Urheberrechten an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken
(einschließlich kinematographischer Filme und Filme und Bänder für Rundfunk und
Fernsehen) gezahlt werden. Darunter fällt somit auch die in Rede stehende Speichermedienund die Reprographievergütung. Artikel 12 Absatz 1 DBA-USA teilt das Besteuerungsrecht an
Lizenzgebühren grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Empfängers zu. Lediglich im Fall
einer „Vergütung für die Benutzung oder für das Recht auf Benutzung von
kinematographischen Filmen oder Filmen, Bändern oder anderen Mitteln der Wiedergabe für
Rundfunk und Fernsehen“ wird gemäß Artikel 12 Absatz 2 DBA-USA dem Quellenstaat ein
mit 10% begrenztes Besteuerungsrecht zugeteilt. Artikel 12 Absatz 2 DBA-USA ist zwar
insofern weit gefasst, als die Bestimmung neuen Reproduktionstechnologien im Bereich von
Rundfunk und Fernsehen Rechnung tragen soll. Ausschlaggebend ist dabei aber, dass die
Vergütungen für das Recht gezahlt werden, aufgezeichnete Spielfilme oder Musikstücke „für
Rundfunk und Fernsehen“ zu verbreiten (vgl. EAS 1913, EAS 3258, EAS 3318).
© Bundesministerium für Finanzen
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Davon unterscheidet sich die Speichermedien- und die Reprographievergütung jedoch
bereits ihrem Wesen nach. Schon aus den Gesetzesmaterialien zu § 42b Urheberrechtsgesetz
geht hervor, dass beide Vergütungsansprüche „den Urhebern Einnahmen aus der
Vervielfältigung zum eigenen bzw. privaten Gebrauch sichern sollen“ (ErlRV 687, XXV. GP,
6). So hat gemäß § 42b Absatz 1 Urheberrechtsgesetz der Urheber eines bestimmten Werks,
für das zu erwarten ist, dass es durch Festhalten auf einem Speichermedium zum eigenen
oder privaten Gebrauch vervielfältigt wird, Anspruch auf eine Speichermedienvergütung,
wenn Speichermedien, die für solche Vervielfältigungen geeignet sind, im Inland
gewerbsmäßig in Verkehr kommen. Gemäß § 42b Absatz 2 Urheberrechtsgesetz hat der
Urheber eines Werks, für das zu erwarten ist, dass es mit Hilfe reprographischer oder
ähnlicher Verfahren zum eigenen Gebrauch vervielfältigt wird, Anspruch auf eine
Reprographievergütung, wenn ein Vervielfältigungsgerät im Inland gewerbsmäßig entgeltlich
in den Verkehr kommt oder ein solches etwa in Schulen entgeltlich bereitgehalten wird.
Damit vermag nach Ansicht des BMF die Speichermedien- oder Reprographievergütung, die
eine in den USA ansässige Person als Nutzungsberechtigter (beneficial owner) bezieht, keine
Quellenbesteuerung im Sinne des Artikel 12 Absatz 2 DBA-USA auszulösen. Sind
dementsprechende Vergütungen solcherart ganz oder teilweise von einer inländischen
Abzugsbesteuerung zu entlasten, kommt hierfür einerseits das Veranlagungs- oder
Rückerstattungsverfahren in Betracht. Andererseits kann die Entlastung in unmittelbarer
Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens vom Abfuhrpflichtigen herbeigeführt
werden. Diese Entlastung an der Quelle richtet sich nach der DBA-Entlastungsverordnung
(BGBl. III Nr. 92/2005 idF BGBl. II Nr. 44/2006).
Bundesministerium für Finanzen, 3. Februar 2016
© Bundesministerium für Finanzen
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26.02.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
26.02.2015
Geschäftszahl
2012/15/0128
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser
sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin
Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde des C S in S (Deutschland), vertreten durch die Thurnher
Wittwer Pfefferkorn Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid des
unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Feldkirch, vom 10. Mai 2012, Zl. RV/0031-F/12, betreffend
u.a. Rückzahlung von Lohnsteuer 2010 und 2011, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war bei einem Vorarlberger Unternehmen beschäftigt. Anfang Mai 2010 wurde sein
Dienstverhältnis durch die Arbeitgeberin zum 31. Jänner 2011 gekündigt, wobei er für die Zeit vom 1. Mai 2010
bis 31. Jänner 2011 vom Dienst freigestellt wurde. Bis Ende Juli 2011 wohnte der Beschwerdeführer in der
Schweiz, bevor er nach Deutschland verzog. In Österreich hatte er im streitgegenständlichen Zeitraum keinen
Wohnsitz.
Mit Schreiben vom 7. Februar 2011 beantragte der Beschwerdeführer gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz
die Rückerstattung der für das Jahr 2010 in Höhe von 95.500,00 EUR entrichteten Lohnsteuer; dabei erklärte er
u.a., dass ihm auf Grund seines Wohnsitzes in der Schweiz einerseits und seiner Arbeitgeberin in Österreich
andererseits österreichische Lohnsteuer durch die Arbeitgeberin abgezogen worden sei. Im Rahmen der
Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch seine Arbeitgeberin Anfang Mai 2010 zum 31. Jänner 2011 sei er
freigestellt worden und seither nicht mehr in Österreich anwesend gewesen.
Das Finanzamt gab diesem Antrag (2010) mit Bescheid vom 7. März 2011 statt und zahlte die im
Kalenderjahr 2010 im Abzugswege entrichtete Lohnsteuer im Ausmaß von 95.500,00 EUR zurück.
Mit Schreiben vom 21. Mai 2011 beantragte der Beschwerdeführer gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz
auch die Rückerstattung der für das Jahr 2011 in Höhe von 54.419,98 EUR abgeführten Lohnsteuer.
Das Finanzamt wies diesen Antrag (2011) mit Bescheid vom 7. Juni 2011 ab. Begründend hielt es fest, dass
Gehaltsfortzahlungen eines inländischen Arbeitgebers im Zusammenhang mit einer Dienstfreistellung
nachträgliche Einkünfte aus einer im Inland ausgeübten Tätigkeit seien, deren Besteuerungsrecht nach dem
Kausalitätsprinzip dem Tätigkeitsstaat zukomme.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er sich gegen diese Auslegung des
Kausalitätsprinzips durch das Finanzamt wandte. Sofern die laufende Ausübung einer Tätigkeit nicht in
Österreich erfolge (zB Dienstreisen ins Ausland, mit dem Arbeitgeber vereinbarte Freistellung bis zur
Beendigung des Arbeitsverhältnisses), sei Österreich gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz nicht zur Besteuerung
berechtigt. Die Zahlungen im Jahr 2011 seitens seiner Arbeitgeberin stammten aus dem Gehalt für Jänner 2011
(25.657 EUR bei 0% Ausübung in Österreich) und aus einer Abgangsentschädigung (139.535 EUR). Dabei
handle es sich nicht um nachträgliche Einkünfte, weil das Beschäftigungsverhältnis erst mit 31. Jänner 2011
geendet habe. Sollte das Kausalitätsprinzip jedoch auf die Abgangsentschädigung angewandt werden müssen, so
existierten als Vergleichszeitraum die Jahre 2011 (bei 0% Ausübung in Österreich) und 2010 (bei 16,8%
Ausübung in Österreich). Eine Veränderung seines Wohnorts (Zuflussprinzip) habe nicht stattgefunden, weshalb
www.ris.bka.gv.at
Seite 1 von 4
Verwaltungsgerichtshof
26.02.2015
kein anderer Sachverhalt als in den Vorjahren vorliege, in denen der Beschwerdeführer stets Erstattungen für die
Auslandstage beantragt und erhalten habe.
Mit Bescheid vom 3. November 2011 hob das Finanzamt auch den stattgebenden
Rückzahlungsbescheid 2010 gemäß § 299 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf. Begründend verwies es
erneut auf das Kausalitätsprinzip. Die Einkünfte des Beschwerdeführers wären bei Wegdenken seiner Tätigkeit
als Arbeitnehmer nicht angefallen. Das Besteuerungsrecht für die Zahlungen im Zuge der Dienstfreistellung
stehe daher Österreich zu, soweit sie mit der früheren Ausübung der Tätigkeit im Inland in einem
Zusammenhang stünden. Für die Ermittlung des Inlandsanteiles sei ein repräsentativer Durchschnitt der Vorjahre
heranzuziehen. Die zunächst gewährte Erstattung der gesamten auf den Zeitraum der Dienstfreistellung
entfallenden Lohnsteuer erweise sich somit als rechtswidrig. Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß
geringfügige Auswirkung habe, sei gemäß § 299 BAO die Aufhebung von Amts wegen zu verfügen gewesen.
Mit Bescheid vom 3. November 2011 gab das Finanzamt dem gegenständlichen Rückzahlungsantrag 2010 unter Abweisung des Mehrbetrages von 63.770,05 EUR - im Hinblick auf im Jahr 2010 im Abzugswege
entrichtete Lohnsteuer in Höhe von 31.729,95 EUR Folge. Ergänzend zu den Ausführungen im
Aufhebungsbescheid führte das Finanzamt aus, dass im gegenständlichen Fall der Anteil der nicht dem
österreichischen Besteuerungsrecht unterliegenden Einkünfte (Auslandsanteil) mit 21,56% ermittelt worden sei
(Durchschnitt der Jahre 2007 (21,33%), 2008 (20,18%), 2009 (23,19%)). Daraus ergebe sich ein
Rückerstattungsbetrag für den Zeitraum der Dienstfreistellung (1. Mai bis 31. Dezember 2010) in Höhe von
24.747,35 EUR. Darüber hinaus sei für den Zeitraum der Tätigkeitsausübung (1. Jänner bis 30. April 2010) die
auf den Auslandsanteil der Tätigkeit (36,21%) entfallende Lohnsteuer mit einem Betrag von 6.982,60 EUR zu
erstatten gewesen.
Gegen den Aufhebungs- und den Rückzahlungsbescheid betreffend 2010 erhob der Beschwerdeführer
wiederum Berufung. Die vorgenommene Interpretation des Kausalitätsprinzips sei nicht richtig. Dieses betreffe
vielmehr allein die inhaltliche Verknüpfung der steuerlichen Situation während des ursprünglichen
Arbeitsverhältnisses (Ursache) mit einer weiterhin zulässigen Besteuerung durch den Arbeitsausübungsstaat
trotz eines Zuflusses nach einem Wegzug (Wirkung), wenn sich eine Zahlung auf das einst bestehende
Arbeitsverhältnis beziehe.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 5. Dezember 2011 wies das Finanzamt die Berufung gegen den
Aufhebungsbescheid und den Rückzahlungsbescheid betreffend 2010 als unbegründet ab. Das Kausalitätsprinzip
sei nicht auf Fälle der Ansässigkeitsverlagerung beschränkt.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 6. März 2012 betreffend Rückzahlungsantrag für Abzugssteuern 2011
änderte das Finanzamt seinen diesbezügliche (Erst-)Bescheid vom 7. Juni 2011 insofern ab, als es dem
Rückzahlungsantrag 2011 - unter Abweisung des Mehrbetrages von 42.687,09 EUR - im Hinblick auf im
Jahr 2011 im Abzugswege entrichtete Lohnsteuer im Umfang von 11.732,95 EUR stattgab. Begründend führte
das Finanzamt aus, dass der Anteil der nicht dem österreichischen Besteuerungsrecht unterliegenden Einkünfte
(Auslandsanteil) als Durchschnitt der Jahre 2007 (21,33%), 2008 (20,18%), 2009 (23,19%) mit 21,56% ermittelt
worden sei. Im übrigen Ausmaß behalte Österreich das Besteuerungsrecht an den im Zeitraum der
Dienstfreistellung ab dem 1. Mai 2010 ausbezahlten Bezügen. Dies gelte auch für die den Zeitraum der
Dienstfreistellung (1. Mai bis 31. Dezember 2010) betreffende, aber erst im Jänner 2011 zugeflossene
Abgangsentschädigung. Daraus ergebe sich der Rückerstattungsbetrag in Höhe von 11.732,95 EUR.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde - nach Anträgen des Beschwerdeführers auf
Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz - der Berufung nur im Umfang der
Berufungsvorentscheidungen Folge.
Begründend führte sie aus, dass gemäß § 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit,
die im Inland ausgeübt worden sei, der österreichischen Besteuerung unterlägen. Dabei sei für die Frage der
grundsätzlichen Ertragssteuerbarkeit eine kausale Betrachtung sachgerecht. Auf zwischenstaatlicher Ebene lege
Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz fest, dass Einkünfte aus Dienstverhältnissen grundsätzlich in dem Staat besteuert
würden, in dem die Tätigkeit ausgeübt werde. Dem Wohnsitzstaat stehe nur dann und insoweit ein
Besteuerungsrecht zu, als die Tätigkeit in seinem Gebiet ausgeübt werde. Dabei sei irrelevant, zu welchem
Zeitpunkt, wo und in welcher Währung die Vergütungen bezahlt würden. Relevant sei nur, für welche Tätigkeit
die Einkünfte bezogen worden seien. Deshalb seien auch Nachzahlungen für frühere aktive Tätigkeit
grundsätzlich dem Staat zur Besteuerung zu überlassen, in dem die Arbeit ausgeübt worden sei. Kausal seien die
Einkünfte eines Arbeitnehmers dann mit einer Tätigkeit verknüpft, wenn diese bei Nichtausübung der Tätigkeit
nicht angefallen wären. Es sei damit einzig und allein entscheidend, ob die betreffenden Zahlungen als Entgelt
für die im Arbeitsausübungsstaat erbrachten Arbeitsleistungen anzusehen seien. Je nachdem, welche Tätigkeit
für eine bestimmte Zahlung kausal gewesen sei, habe eine Besteuerung im selben Staat, in dem auch die
ursächliche Tätigkeit besteuert worden sei, zu erfolgen. Dass bei der Arbeitnehmerbesteuerung dem
Kausalitätsprinzip Vorrang zukomme, sei im Verhältnis zur Schweiz auch international abgesprochen worden
(siehe Abschnitt B Punkt 9 des Ergebnisprotokolls vom 10.12.1999, BMF 18.1.2000, 04 4282/3-IV/4/00).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
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Verwaltungsgerichtshof
26.02.2015
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, dass der Beschwerdeführer in der
Schweiz ansässig ist (iSd Doppelbesteuerungsabkommens Einkommen- und Vermögensteuern,
BGBl. Nr. 64/1975, zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 22/2007, im Folgenden DBA Schweiz). Der
Beschwerdeführer erachtet sich im Recht verletzt, dass die während seiner Dienstfreistellung von seinem
österreichischen Arbeitgeber bezogenen Vergütungen in Österreich gemäß Art. 15 DBA Schweiz nicht besteuert
werden.
Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz lautet:
"Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in
einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es
sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die
dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden."
Art. 15 DBA Schweiz kommt im Beschwerdefall schon deshalb zur Anwendung, weil das Dienstverhältnis
des Beschwerdeführers durch die Arbeitgeberin erst zum 31. Jänner 2011 gekündigt worden ist und bis dahin das
Beschäftigungsverhältnis weiterhin aufrecht war. Eine Dienstfreistellung ändert daran nichts, sondern bedeutet
lediglich, dass der Arbeitgeber während einer bestimmten Dauer (meist während der Kündigungsfrist) auf die
Arbeitsleistung seines Arbeitnehmers verzichtet. Die Dienstfreistellung lässt aber grundsätzlich andere
Dienstpflichten - wie beispielsweise vertragliche Treuepflichten - aufrecht (vgl. zB das Urteil des OGH vom
25. Mai 1994, 9 Ob A 61/94).
Mit Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz wird dem Ansässigkeitsstaat grundsätzlich das ausschließliche
Besteuerungsrecht für Vergütungen für unselbständige Arbeit zugeordnet. Diese Zuordnung des
Besteuerungsrechts wird nur dann durchbrochen, wenn die unselbständige Tätigkeit im anderen Staat "ausgeübt"
wird, wobei Art. 15 Abs. 2 DBA Schweiz für diese Durchbrechung Ausnahmen enthält (sog. 183 Tage Regel).
Entscheidend für ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates ist somit die dortige Ausübung der unselbstständigen
Tätigkeit.
Die Zuordnung des Besteuerungsrechts hinsichtlich einzelner konkreter Zahlungen erfolgt dabei nach dem
DBA Schweiz nach kausalen Gesichtspunkten (arg: "dafür bezogene Vergütungen" in Art. 15 Abs. 1
Satz 2 DBA Schweiz). Die Zahlungen müssen somit ihren Grund in der im Quellenstaat ausgeübten Tätigkeit
haben (vgl. Prokisch in Vogel/Lehner, DBA6, Art. 15 Rz 16). Es ist jedoch nicht maßgebend, zu welchem
Zeitpunkt oder in welcher Form oder unter welcher Bezeichnung einzelne Zahlungen für eine im Quellenstaat
ausgeübte Tätigkeit erfolgen (vgl. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 MA
Rz 77).
Wird ein Arbeitnehmer nach ausgesprochener Kündigung vom Dienst unter "Gehaltsfortzahlung" bis zum
Kündigungstermin freigestellt, so sind die in dieser Zeit bezogenen Vergütungszahlungen nach Auffassung des
Verwaltungsgerichtshofs im Sinne des Kausalitätsprinzips keine für die Untätigkeit (ungenutzte
Arbeitsbereitschaft) während der Dienstfreistellung bezogenen Vergütungen. Derartige Zahlungen haben ihren
Grund - ebenso wie die beschwerdegegenständliche Abgangsentschädigung - vielmehr in der vor der
Dienstfreistellung ausgeübten Tätigkeit und ihrer vertraglichen Abbildung. Damit besteht aber ein besonderer
Veranlassungszusammenhang zur bisher ausgeübten Tätigkeit, weil die Zahlungen - vergleichbar mit
Abfindungszahlungen - "quasi den letzten Akt des Dienstverhältnisses" darstellen (vgl. Wassermeyer/Schwenke
in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 15 MA Rz 56e). Dabei liegt es bei vertraglichen Ansprüchen im
Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien eines Dienstvertrages, ob sie für den Kündigungsfall eine höhere
Abfindung oder eine längere Gehaltsfortzahlung vereinbaren. Eine unterschiedliche Besteuerungsfolge soll sich
daraus gerade im Hinblick auf das Kausalitätsprinzip nicht ergeben.
Aufgrund des aufgezeigten besonderen Veranlassungszusammenhangs zur bisher ausgeübten Tätigkeit
besteht daher - wie die belangte Behörde zutreffend angenommen hat - auch für die "Gehaltsfortzahlungen"
während der Zeiträume der Dienstfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses
ein Besteuerungsrecht nach Art 15 Abs. 1 Satz 2 DBA Schweiz (ebenso Loukota/Jirousek, Internationales
Steuerrecht, Z 15 Rz 31 ff, 35; für ein Quellenbesteuerungsrecht für derartige Vergütungen nunmehr auch
ausdrücklich Anmerkung 2.6 des OECD-Musterkommentars in seiner ab 15. Juli 2014 geltenden Fassung: "In
some cases, the employer is required (by law or by contract) to provide an employee with a period of notice
before terminating employment. If the employee is told not to work during the notice period and is simply paid
the remuneration for that period, such remuneration is clearly received by virtue of the employment and
therefore constitutes remuneration 'derived therefrom' for the purposes of paragraph 1. The remuneration
received in such a case should be considered to be derived from the State where it is reasonable to assume that
the employee would have worked during the period of notice."; vgl. dazu Tumpel/Jahn, Termination of
Employment, in Lang ua, The OECD-Model-Convention and its Update 2014, 2015, 121 ff, 130 ff).
Soweit die Beschwerde schließlich auf Art. 15 Abs. 2 DBA Schweiz verweist und aus dem jeweils 183Tage unterschreitenden Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich in den Jahren 2010 und 2011 auf ein
fehlendes Besteuerungsrecht Österreichs schließt, übersieht sie die - neben Art. 15 Abs. 2 lit. a DBA Schweiz hierfür kumulativ notwendigen Voraussetzungen der lit. b und c dieser Bestimmung.
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Verwaltungsgerichtshof
26.02.2015
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 26. Februar 2015
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E AS
Express Antwort Service
19. November 2015
BMF-010221/0691-VI/8/2015
EAS 3368
Entsendung von Leiharbeitskräften zur Arbeitsausübung nach Deutschland
Überlässt ein in Österreich ansässiges gewerbliches Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen
in Österreich ansässige Arbeitskräfte an ein ebenfalls in Österreich ansässiges Unternehmen,
welches das entliehene Personal auf einer Betriebsstätte iSd Art. 5 Abs. 3 DBA Deutschland
in Deutschland einsetzt, ist für die Beurteilung der Frage, ob Deutschland hinsichtlich der
Löhne der entsandten Leiharbeitskräfte auf Grund des DBA Deutschland ein
Besteuerungsrecht zusteht, zunächst zu beachten, dass die Arbeitskräfteüberlassung im
vorliegenden Fall nicht zwischen einem inländischen und einem ausländischen Unternehmen
stattfindet, sondern zwischen zwei inländischen Unternehmen. Da bei der Überlassung
(Gestellung) von Arbeitskräften im Inland an Dritte derjenige als Arbeitgeber anzusehen ist,
der die Arbeitnehmer dem Dritten überlassen hat und sie entlohnt (Überlasser), und nicht
jener (Beschäftiger), der diese Arbeitskräfte in seinem Betrieb zur Arbeitsleistung einsetzt
(VwGH 20.12.1972, 2340/71), ist als Arbeitgeber der vom Beschäftiger nach Deutschland
entsandten Arbeitskräfte nicht der Beschäftiger, sondern das Überlassungsunternehmen
anzusehen (vgl. LStR 2002 Rz 923). Der Erlass des BMF vom 12. Juni 2014, BMF010221/0362-VI/8/2014 betreffend grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassungen, der
für Zwecke der Abkommensanwendung unter den in diesem Erlass näher genannten
Voraussetzungen vom ausländischen Beschäftiger als wirtschaftlichen Arbeitgeber ausgeht,
ist im Verhältnis zu Deutschland gemäß Abs. 5 dieses Erlasses nur auf Fälle konzerninterner
Personalgestellung und nicht auf eine gewerbliche Arbeitskräfteüberlassung im Sinne des
Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes anzuwenden.
Im vorliegenden Fall findet daher nicht der Erlass, sondern Art. 15 Abs. 3 DBA Deutschland
Anwendung. Auf Grund dieser Sonderbestimmung ist in den Fällen von
Arbeitskräfteüberlassungen für Zwecke der Anwendung von Art. 15 Abs. 2 DBA Deutschland
Buchstabe b nicht anwendbar, wenn sich der Arbeitnehmer im anderen Staat insgesamt
nicht länger als 183 Tage aufhält. Absatz 6 des Protokolls zum DBA Deutschland stellt
ausdrücklich klar, dass bei der in Art. 15 Abs. 3 erwähnten Arbeitnehmerüberlassung die
„183-Tage-Klausel“ zur Anwendung kommt. Die Wirkung der „183-Tage-Regelung“ geht nur
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dann verloren, wenn das in einem Vertragsstaat ansässige arbeitnehmerüberlassende
Unternehmen im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte unterhält, die die Vergütungen
trägt. Das arbeitnehmerüberlassende Unternehmen hält jedoch keine Betriebsstätte in
Deutschland, diese wird vielmehr vom Beschäftigerunternehmen gehalten. Unter der
Voraussetzung, dass sich die entliehenen Arbeitskräfte in Deutschland weniger als 183 Tage
während des betreffenden Kalenderjahres aufhalten, wird demnach das Besteuerungsrecht
nach Art. 15 Abs. 2 DBA Deutschland ausschließlich Österreich zugeteilt.
Bundesministerium für Finanzen, 19. November 2015
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30.06.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
30.06.2015
Geschäftszahl
2013/15/0266
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des
Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Beschwerde der P in B, vertreten durch die TU Pircher
Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH in 6020 Innsbruck, Anton-Melzer-Straße 7/I, gegen den
Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 20. August 2013, Zl. RV/2462- W/12,
betreffend Rückerstattung einer Abzugsteuer nach § 99 EStG 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die in Österreich nicht unbeschränkt steuerpflichtige Beschwerdeführerin ist in den Vereinigten Staaten
von Amerika ansässig und unter anderem als Schauspielerin, Fotomodell, Sängerin und Werbeträgerin tätig. Sie
absolvierte im April 2006 einen etwa halbstündigen Auftritt in Österreich bei einer aufwendig inszenierten,
öffentlich zugänglichen und als "Open Air-Party" angekündigten (Werbe-)Veranstaltung (für ein Getränk), bei
der sie im Wesentlichen ein Interview gab, kurze einfache "Tänzchen" etc. aufführte und das im Zuge der
Veranstaltung präsentierte Produkt bewarb (etwa durch Signieren von Getränkedosen und Bekundung eines
positiven Geschmackserlebnisses).
Für diesen Auftritt erhielt die Beschwerdeführerin vom Veranstalter vereinbarungsgemäß ein Honorar, das
der Abzugsteuer gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 unterworfen wurde (siehe dazu sowie zum näheren Ablauf
der gegenständlichen Veranstaltung das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2009, 2009/15/0090).
Mit Antrag vom 5. August 2011 begehrte die Beschwerdeführerin gemäß § 240 Abs. 3 BAO die
Rückzahlung der Abzugsteuer in Höhe von 129.080,78 EUR mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin
keine künstlerische Tätigkeit im Sinne des Art. 17 des zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten
Staaten von Amerika abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA USA, BGBl. III Nr. 6/1998)
ausgeübt, sondern bloß Werbeleistungen erbracht habe, an denen Österreich gemäß den Art. 7 und 14 DBA USA
kein Besteuerungsrecht zustehe. Die Tatsache, dass sich die Hüften der Beschwerdeführerin hin und wieder zur
Musik bewegt hätten, stelle noch kein Indiz für das Vorliegen einer Tanzdarbietung dar.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom 2. Mai 2012 ab und subsumierte den Auftritt unter
Art. 17 DBA USA, der auch anwendbar sei, wenn das künstlerische Niveau einer Darbietung deutlich hinter
ihren Unterhaltungscharakter zurücktrete.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und brachte vor, sie sei nicht als
Künstlerin, sondern als Werbeträgerin ("Testimonial") aufgetreten, wobei der Unterhaltungscharakter in den
Hintergrund getreten sei; außerdem sei der gegenständliche Sachverhalt bereits in den USA besteuert worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Durchführung einer
mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und führte dazu zusammengefasst aus, der Verwaltungsgerichtshof
habe im Erkenntnis vom 24. Juni 2009, 2009/15/0090, bestätigt, dass der persönliche Auftritt der
Beschwerdeführerin vor Publikum eine Mitwirkung an einer Unterhaltungsdarbietung im Sinne des § 99 Abs. 1
Z 1 EStG 1988 dargestellt habe. Zwar gehe die Reichweite der Abzugsteuer nach § 99 EStG 1988 über den
Tatbestand des Art. 17 DBA USA hinaus, doch seien die beiden Normen hinsichtlich der Besteuerung von
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Verwaltungsgerichtshof
30.06.2015
Einnahmen für aufführende Darbietungen vor Publikum mit Unterhaltungswert deckungsgleich. Der
Künstlerbegriff des Art. 17 DBA USA stelle auf eine vor Publikum persönlich aufführende Tätigkeit mit
Unterhaltungscharakter ab, wobei nicht ein künstlerisches Niveau der Tätigkeit, sondern ihr Unterhaltungswert
ausschlaggebend sei; auch sei keine zeitliche oder substanzielle Mindestpräsenz des Auftretenden erforderlich.
Nicht erfasst seien (lediglich) Tätigkeiten, die nicht zumindest auch zur Unterhaltung bestimmt seien.
Demzufolge werde das mittelbare Auftreten von Künstlern für Fernsehwerbung als Unterhaltungsdarbietung
dem abkommensrechtlichen Künstlertatbestand subsumiert, weshalb dem Tätigkeitsstaat aufgrund des
Spezialitätsprinzips das Besteuerungsrecht auf sämtliche auftrittsbezogene Einkünfte des Künstlers zustehe, auch
wenn die Tätigkeit gleichzeitig Unterhaltungs- und Werbungszwecken diene. Das Werbeziel des Veranstalters
ändere nichts am Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 17
DBA USA (durch eine zu Werbezwecken erbrachte Unterhaltungsdarbietung) erfüllt seien.
Die belangte Behörde schloss aus der allgemeinen Lebenserfahrung sowie einer Zeugenaussage, dass der
Auftraggeber bei der Produktpräsentation die Bekanntheit der Beschwerdeführerin und das breite Interesse an
ihrer Person für die Produktwerbung und Vermarktung genutzt habe. Das zahlreiche Publikum und die Medien
seien insofern nicht wegen der Produktwerbung zu der Veranstaltung gekommen, sondern wegen der
Gelegenheit, die international bekannte Beschwerdeführerin bei einem öffentlichen Auftritt unmittelbar zu
erleben, auch wenn es sich um einen Werbeauftritt gehandelt habe, was den Unterhaltungscharakter keinesfalls
ausgeschlossen habe. Die Beschwerdeführerin habe in vertraglicher Abstimmung mit dem Auftraggeber einen im angefochtenen Bescheid näher beschriebenen - aufwendigen Bühnenauftritt mit objektivem
Unterhaltungswert für die Zuseher absolviert, weshalb der Tatbestand des Art. 17 DBA USA erfüllt sei und
Österreich am gesamten für diese Darbietung geleisteten Entgelt ein Besteuerungsrecht zustehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag auf dessen Aufhebung. Die
Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erstattung von zu Unrecht erhobener Abzugsteuer bzw. in
ihrem aus Art. 7 DBA USA erfließenden Recht auf Nichtbesteuerung ihrer Einkünfte aus der gegenständlichen
Veranstaltung in Österreich verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die
kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Die Beschwerdeführerin replizierte darauf.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 98 Z 3 EStG 1988 unterliegen unter anderem Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit als Artist
oder als Mitwirkender an Unterhaltungsdarbietungen im Inland der beschränkten Steuerpflicht, auch wenn keine
inländische Betriebsstätte unterhalten wird und kein ständiger Vertreter im Inland bestellt ist.
Art. 17 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und den Vereinigten Staaten von Amerika zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern
vom Einkommen, BGBl. III Nr. 6/1998 (DBA USA), lautet (auszugsweise) wie folgt:
"Artikel 17 Künstler und Sportler
(1) Ungeachtet der Artikel 7 (Unternehmensgewinne), 14 (Selbständige Arbeit) und 15 (Unselbständige
Arbeit) dürfen Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person als Künstler, wie Bühnen-, Film-,
Rundfunk- und Fernsehkünstler sowie Musiker, oder als Sportler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich
ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden; dies gilt jedoch nicht, wenn der vom Künstler
oder Sportler aus dieser Tätigkeit bezogene Bruttobetrag der Einnahmen, einschließlich der ihm erstatteten oder
für ihn übernommenen Kosten, zwanzigtausend US-Dollar (20000 $) oder den Gegenwert in österreichischen
Schilling für das betreffende Steuerjahr nicht übersteigt.
(2) Fließen Einkünfte aus einer von einem Künstler oder Sportler in dieser Eigenschaft persönlich
ausgeübten Tätigkeit nicht dem Künstler oder Sportler selbst, sondern einer anderen Person zu, so dürfen diese
Einkünfte ungeachtet der Artikel 7 (Unternehmensgewinne), 14 (Selbständige Arbeit) und 15 (Unselbständige
Arbeit) in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem der Künstler oder Sportler seine Tätigkeit ausübt.(...)"
Nach Art. 24 Abs. 3 DBA USA werden sich die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten bemühen,
Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen, in
gegenseitigem Einvernehmen zu beseitigen (Verständigungsverfahren).
Gemäß § 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer beschränkt Steuerpflichtiger bei Einkünften
aus im Inland ausgeübter selbständiger Tätigkeit als Künstler, Artist oder Mitwirkender an
Unterhaltungsdarbietungen durch Steuerabzug erhoben.
Gemäß § 240 Abs. 1 und 3 BAO hat unter den dort genannten Bedingungen bei Abgaben, die für Rechnung
eines Abgabepflichtigen ohne dessen Mitwirkung einzubehalten und abzuführen sind, auf Antrag des
Abgabepflichtigen die Rückzahlung eines zu Unrecht einbehaltenen Betrages zu erfolgen.
Strittig ist im Beschwerdefall, ob der innerstaatlich nach § 98 Z 3 EStG 1988 bestehende
Besteuerungsanspruch
Österreichs
(vgl. das
hg. Erkenntnis
vom
24. Juni 2009,
2009/15/0090)
abkommensrechtlich nach der Verteilungsnorm des Art. 17 DBA USA erhalten bleibt.
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Verwaltungsgerichtshof
30.06.2015
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, der Verwaltungsgerichtshof habe mit dem zitierten
Erkenntnis vom 24. Juni 2009 keine präjudizielle Feststellung getroffen, dass die fragliche Tätigkeit der
Beschwerdeführerin den Künstlertatbestand des Art. 17 DBA USA erfülle, sondern nur eine Aussage
hinsichtlich der Steuerabzugspflicht nach den §§ 98 Z 3 und 99 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 getätigt. Die seitens der
belangten Behörde angenommene Beurteilung der Veranstaltung als öffentliche Unterhaltungsdarbietung
entspreche nicht dem Veranstaltungszweck und dem darauf gerichteten Agieren des Veranstalters, der
verschiedenen Beteiligten sowie der Beschwerdeführerin. Die Veranstaltung sei vielmehr ihrem Charakter und
Inhalt entsprechend als Werbeveranstaltung einzustufen gewesen. Wenn der Zweck einer Veranstaltung nicht
ausschließlich oder vorwiegend darauf gerichtet sei, der Zerstreuung oder dem Zeitvertreib zu dienen bzw. zu
erheitern oder zu vergnügen, sondern diese von anderen Inhalten geprägt sei, falle sie nicht unter
Art. 17 DBA USA. Auch sonst liege kein nach dem DBA erforderlicher Anknüpfungsmoment vor, aus dem für
die gegenständliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin eine Besteuerungsmöglichkeit in Österreich abgeleitet
werden könne. Die Qualifikation der Veranstaltung als Werbeveranstaltung im Rahmen einer gewerblichen
Tätigkeit der Beschwerdeführerin ergebe sich unter anderem aus der seitens des Veranstalters veranlassten
intensiven Medienberichterstattung zwecks Vermarktung des beworbenen Produkts. Der Besuch der
Veranstaltung sei nicht an die Zahlung eines Eintrittsgeldes gebunden gewesen. Es sei insgesamt deutlich
gemacht worden, "dass alleine die Anwesenheit eines Weltstars wie (der Beschwerdeführerin) eine besonders
geschätzte Möglichkeit bot, den Veranstaltungsort (...) weitum in das Bewusstsein vieler Menschen zu rücken
(Werbung!), was veranstaltungsgemäß noch intensiver für das beworbene Getränk (...) der Fall war". Für die
Beschwerdeführerin sei es von vornherein klarer Vertragsinhalt gewesen, als Testimonial für das beworbene
Getränk zu agieren, welches sie dementsprechend im Zuge der Veranstaltung positiv dargestellt und damit
faktisch beworben habe. Der Werbeeffekt sei nicht nur angestrebt, sondern auch in überzeugendem Maße
erreicht worden.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert
die Beschwerdeführerin schließlich, die belangte Behörde habe sich nicht mit der Frage befasst, ob die
gegenständliche Veranstaltung Werbezwecken gedient habe, und damit ihre Verpflichtung zur Feststellung des
maßgeblichen Sachverhaltes verletzt. Zudem hätte die belangte Behörde aufgrund des Umstandes, dass die
Beschwerdeführerin hinsichtlich des gegenständlichen Sachverhaltes in den USA zur Einkommensteuer
herangezogen worden sei, zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung im Sinne von Art. 24 Abs. 3 DBA USA
tätig werden müssen.
Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerde nicht im Recht:
Gemäß Art. 17 DBA USA kommt Österreich ein Besteuerungsrecht an Einkünften zu, die eine in den
Vereinigten Staaten ansässige Person als Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- und Fernsehkünstler oder
Musiker aus ihrer in Österreich persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht. Die Beschwerdeführerin tritt in
verschiedenen Bereichen, darunter jedenfalls im Film,- Fernseh- und Musikgeschäft als Akteurin auf;
diesbezüglich wird auch in der Beschwerde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin "vielseitig im
Showgeschäft tätig (u.a. Fotomodell und Schauspielerin)" ist. Ebenso unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin
im Zuge der gegenständlichen Veranstaltung im April 2006 in Österreich persönlich vor Publikum auf einer
Bühne aufgetreten ist, wobei in der Beschwerdeschrift ausdrücklich zugestanden wird, dass die
Beschwerdeführerin ein breites Publikum angezogen habe. In der in den Verwaltungsakten erliegenden
Vereinbarung mit dem Veranstalter vom 5. April 2006 über den Auftritt wird die Beschwerdeführerin
ausdrücklich als Künstlerin ("artist") bezeichnet und ihr unter anderem ein Mitspracherecht hinsichtlich der
gestalterischen Ausrichtung eingeräumt.
Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das seitens
der Beschwerdeführerin für den Auftritt erhaltene Entgelt dem Tatbestand des Art. 17 DBA USA subsumiert hat.
Es ist nach dieser Bestimmung nämlich nicht entscheidend, ob der fragliche Auftritt selbst eine bestimmte
künstlerische Qualität, Mindestdauer oder dergleichen aufweist, sondern nur, ob die Beschwerdeführerin in ihrer
Eigenschaft als Künstlerin für eine in Österreich persönlich ausgeübte Tätigkeit Einkünfte bezogen hat. Nach
dem Gesamtbild des gegenständlichen Auftrittes in seiner Planung, Durchführung und medialen Präsentation
bzw. Vermarktung konnte die belangte Behörde unbedenklich davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin
diesen Auftritt als Künstlerin absolviert hat, zumal unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin als Hauptattraktion
für das Publikum inszeniert wurde. Dieser bewusst vom Veranstalter in vertraglicher Übereinstimmung mit der
Beschwerdeführerin intendierte Effekt legt es nahe, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als
Künstlerin im Sinne des DBA aufgetreten ist und dafür die streitgegenständlichen Einkünfte bezogen hat, ist es
doch gerade ein typisches Merkmal einer künstlerischen Tätigkeit, Publikum anzuziehen und zu unterhalten.
Der Werbezweck der Veranstaltung selbst schadet nicht, weil deren Unterhaltungscharakter, wie der
Verwaltungsgerichtshof bereits im angeführten Erkenntnis vom 24. Juni 2009 festgehalten hat, in objektiver
Hinsicht jedenfalls gegeben war; zu diesem Unterhaltungswert hat die Beschwerdeführerin vereinbarungsgemäß
durch ihre Mitwirkung in bewusster Nutzung ihrer als Künstlerin erworbenen Bekanntheit maßgeblich
beigetragen und damit den Tatbestand des Art. 17 DBA USA, der, wie schon gesagt, nicht auf einen
künstlerischen Wert eines Auftrittes, sondern auf dessen Absolvierung in der Eigenschaft als Künstler abstellt,
erfüllt.
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Verwaltungsgerichtshof
30.06.2015
Dass dem Ausdruck "Künstler" in Art. 17 DBA USA kein allzu enger Kunstbegriff (in qualitativer
Hinsicht) zu Grunde zu legen ist, bezeugt auch der Begriff "entertainer" in der gleichermaßen authentischen
englischen Fassung des Abkommens, welcher den entscheidenden Charakter des Unterhaltungselementes
deutlich zum Ausdruck bringt (vgl. zum OECD-Musterabkommen z.B. auch Wassermeyer, Doppelbesteuerung
I125 Art. 17 MA Rz. 22, wonach Art. 17 auch dann anzuwenden ist, wenn das künstlerische Niveau einer
Darbietung deutlich hinter ihren Unterhaltungscharakter zurücktritt; sowie Stockmann in Vogel/Lehner,
Doppelbesteuerungsabkommen6, Art. 17 Rz. 22).
Den Verfahrensrügen der Beschwerdeführerin ist zu entgegnen, dass sich die belangte Behörde mit der
Frage des Werbezwecks der gegenständlichen Veranstaltung auseinandergesetzt (und dessen Unschädlichkeit für
die Subsumption der gegenständlichen Einkünfte unter den Tatbestand des Art. 17 DBA USA zu Recht bejaht)
hat. Auch aus der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Bestimmung des Art. 24 Abs. 3 DBA USA
ist für sie schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die Bestimmung kein subjektives Recht auf ein entsprechendes
amtswegiges Tätigwerden der Behörde vermittelt (vgl. zum Zweck eines solchen Verfahrens das
Verständigungsprotokoll vom 31. Mai 1996 zu Art. 24 DBA USA, BGBl. III Nr. 6/1998). Abschließend ist
darauf hinzuweisen, dass es der Beschwerdeführerin nach Art. 24 Abs. 1 DBA USA als einer vom
Anwendungsbereich des Abkommens betroffenen Person unbenommen bleibt, ihren Fall der zuständigen
Behörde des Vertragsstaats, in dem sie ansässig ist, oder dessen Staatsangehörige sie ist, zu unterbreiten.
Da es der Beschwerde nach dem Vorgesagten nicht gelingt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen
Bescheides aufzuzeigen, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiterhin
anzuwenden.
Wien, am 30. Juni 2015
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16.12.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
16.12.2015
Geschäftszahl
2013/15/0200
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde der A T in F, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei
Dr. Lins KG in 6700 Bludenz, Bahnhofstraße 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates,
Außenstelle Feldkirch, vom 8. Mai 2013, Zl. RV/0418- F/12, betreffend Einkommensteuervorauszahlungen
für 2012 sowie 2013 und Folgejahre, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die in Österreich ansässige Beschwerdeführerin ist in Liechtenstein als Lehrerin an einer Privatschule
nichtselbständig tätig, wobei sie in der Regel täglich zwischen ihrem inländischen Wohnsitz und dem
Arbeitsplatz in Liechtenstein pendelt.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2012 setzt das Finanzamt Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das
Jahr 2012 und Folgejahre fest.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung und weiteren Schriftsätzen wandte die Beschwerdeführerin ein, dass
sie an einer Privatschule arbeite, der mit Entscheidung der Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom
29. Jänner 2003 das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden sei. Es handle sich bei der gegenständlichen Schule
um eine von der Regierung bewilligte öffentliche Schule, die auch eine im öffentlichen Interesse liegende
Bildungsaufgabe erfülle. Die Schule sei allgemein zugänglich und es würden die Qualifikationen des Leitungsund Lehrpersonals jährlich durch den Schulrat geprüft. Ihr sei auch das Recht eingeräumt worden,
Schulzeugnisse auszustellen, die mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen
Rechtswirkungen, wie Zeugnisse der öffentlichen Schule ausgestattet seien. In rechtlicher Hinsicht habe die
Verleihung des Öffentlichkeitsrechts zur Folge, dass es sich bei der Schule um eine juristische Person des
öffentlichen Rechts handle und alle angestellten Mitarbeiter, auch jene mit Wohnsitz in Österreich, mit ihrem
Lohn nach Art. 19 Abs. 1 DBA-Liechtenstein nur in Liechtenstein steuerpflichtig seien. Das Arbeitsverhältnis
bestünde juristisch gesehen mit dem Staat Liechtenstein, wo die Beschwerdeführerin eine öffentliche Funktion
als Lehrerin ausübe. Dies werde auch von der liechtensteinischen Steuerverwaltung gleichermaßen gesehen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese sowie eine gegen die Festsetzung der
Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2013 und Folgejahre gerichtete Berufung als unbegründet ab.
Nach Art. 60 des liechtensteinischen Schulgesetzes seien Privatschulen von natürlichen oder juristischen
Personen getragene Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem Lehrplan
unterrichtet werde. Die streitgegenständliche Schule sei - wie den abverlangten Unterlagen zu entnehmen sei zunächst unter der Trägerschaft der Stiftung "Neues Lernen" geführt worden. Dieser sei mit Entscheidung der
Regierung des Fürstentums Liechtenstein vom 29. Jänner 2003 gestützt auf Art. 67 des Schulgesetzes,
LGBl. 2000 Nr. 35, unter Vorbehalt der dort angeführten Bedingungen das Öffentlichkeitsrecht für die von ihr
betriebene Privatschule verliehen worden. Dadurch habe sie das Recht erhalten, Schulzeugnisse auszustellen, die
mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen wie Zeugnisse der
öffentlichen Schule ausgestattet seien (Art. 68 des Schulgesetzes).
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Verwaltungsgerichtshof
16.12.2015
Seit Juli 2007 sei Rechtsträgerin die im Handelsregister eingetragene F Bildungsanstalt, eine Anstalt iSd
Art. 534 ff des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts. Mit Beschluss der Regierung des
Fürstentums Liechtenstein vom 14. August 2007 seien ihr die dort im Einzelnen angeführten, bisher von der
Stiftung gehaltenen Bewilligungen bzw. Rechte (insbesondere zur Errichtung und Führung der Schule mit den
verschiedenen Schulstufen sowie das Öffentlichkeitsrecht) übertragen worden.
Das in Rede stehende Arbeitsverhältnis bestünde daher nicht mit dem Staat Liechtenstein oder einer seiner
Gebietskörperschaften, sondern mit einer selbständigen juristischen Person des privaten Rechts, mit der auch der
vorgelegte Dienstvertrag abgeschlossen worden sei. Dass die Privatschule allgemein zugänglich sei und im
öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgaben erfülle sowie von der zuständigen Schulbehörde und vom
Schulrat regelmäßig überprüft werde, seien Umstände, die daran ebenso wenig zu ändern vermögen, wie die
Verleihung des Öffentlichkeitsrechts. Die Zuerkennung des Rechts, Schulzeugnisse auszustellen, die mit der
Beweiskraft öffentlicher Urkunden und mit den gleichen Rechtswirkungen wie Zeugnisse öffentlicher Schulen
ausgestattet seien, sei für die Frage der Rechtspersönlichkeit der Privatschule ohne Relevanz (Hinweis auf das
Urteil des OGH vom 24. Februar 2000, 6 Ob 321/99w, zur Rechtspersönlichkeit einer Krankenanstalt). Entgegen
der Auffassung der Beschwerdeführerin sowie der liechtensteinischen Steuerverwaltung im Schreiben vom
15. Oktober 2003 könne auch keine Rede davon sein, dass die privatrechtliche Stiftung bzw. die
F Bildungsanstalt durch die Verleihung des Öffentlichkeitsrechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts
geworden wäre, habe dies doch keine Auswirkung auf ihre Rechtsnatur als selbständige juristische Person des
privaten Rechts. Im Übrigen komme der Rechtsansicht einer ausländischen Steuerbehörde auch keine bindende
Wirkung zu (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2000, 97/14/0070).
Hinzu komme, dass Art. 19 DBA-Liechtenstein nur die von einem Vertragstaat oder einer seiner
Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten
Sondervermögen gezahlten Vergütungen und damit - anders als in anderen von Österreich abgeschlossenen
Doppelbesteuerungsabkommen - nicht auch Vergütungen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts
umfasse.
Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, die
Bezüge aus ihrer nichtselbständigen Tätigkeit als Lehrerin im Fürstentum Liechtenstein und nicht in Österreich
versteuern zu müssen.
Wie schon im Verwaltungsverfahren vertritt die Beschwerdeführerin auch in ihrer Beschwerde den
Standpunkt, dass es sich bei der F Bildungsanstalt um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handle,
weil ihr mit Entscheidung des Fürstentums Liechtenstein vom 29. Jänner 2003 das Öffentlichkeitsrecht verliehen
worden sei. Die Beschwerdeführerin stünde somit in einem öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis. Sie erbringe
ihre Dienste gegenüber dem Staat Liechtenstein bzw. einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Die
Beschwerdeführerin übe eine öffentliche Funktion als Lehrerin aus und sei daher gemäß dem DBA-Liechtenstein
von der österreichischen Einkommensteuer befreit. Der F Bildungsanstalt komme seit der Verleihung des
Öffentlichkeitsrechts das Recht zu, Schulzeugnisse auszustellen. Somit könnten die Leistungen der
F Bildungsanstalt seither mit den Leistungen einer öffentlichen Schule verglichen werden. Die Bildungsanstalt
erfülle eine im öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgabe. Der Staat Liechtenstein werde mit dem
ausgestellten Zeugnis der F Bildungsanstalt in Verbindung gebracht. Deshalb trete auch im täglichen Leben der
Konnex zutage, dass der Lehrkörper der genannten Bildungsanstalt Dienste für den Staat Liechtenstein erbringe.
Aus Art. 67 Liechtensteiner Schulgesetz ergebe sich, dass einer Schule nur dann das Öffentlichkeitsrecht
verliehen werden könne, wenn sie allgemein zugänglich sei, die Voraussetzungen des Art. 62 Abs. 1 erfülle und
insgesamt eine im öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgabe erfülle. Aus diesem Grund stünde die
Beschwerdeführerin in einem öffentlich rechtlichen Arbeitsverhältnis. Sie erbringe zwar die Leistungen für die
F Bildungsanstalt, da sie dort als Lehrerin beschäftigt sei, sie erbringe aber zeitgleich im Zuge ihrer Lehrtätigkeit
Leistungen für den Staat Liechtenstein. Es könne im Beschwerdefall (anders als in dem dem Erkenntnis vom
27. Jänner 2011, 2009/15/0151, zu Grunde liegenden Fall eines Bewährungshelfers) nicht angenommen werden,
dass die Leistungen zuerst für die F Bildungsanstalt erfolgen und dann die F Bildungsanstalt Leistungen für den
Staat Liechtenstein erbringe. Es liege eine Leistungserbringung der Beschwerdeführerin für den Staat
Liechtenstein zu jedem Zeitpunkt ihrer Lehrtätigkeit vor. Die Leistungserbringung für die F Bildungsanstalt sei
unausweichlich Hand in Hand mit einer Leistungserbringung für den Staat Liechtenstein verbunden bzw. gehe
mit dieser einher.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Artikel 3 Abs. 2, Artikel 15 Abs. 4 und Artikel 19 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und
dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 24/1971, (in der Folge "DBA") lauten:
"Artikel 3
(2) Bei Anwendung des Abkommens durch einen Vertragstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes
erfordert, jeder nicht anders definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm nach dem Recht dieses Staates über die
Steuern zukommt, welche Gegenstand des Abkommens sind.
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Verwaltungsgerichtshof
16.12.2015
Artikel 15
Unselbständige Arbeit
(4) Einkünfte aus unselbständiger Arbeit solcher Personen, die in einem Vertragstaat in der Nähe der
Grenze ansässig sind und im anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel
an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben (Grenzgänger), werden in dem Vertragstaat besteuert,
in dem sie ansässig sind. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, von den erwähnten Einkünften eine
Steuer von höchstens vier vom Hundert im Abzugsweg an der Quelle zu erheben.
Artikel 19
Öffentliche Funktionen
(1) Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die von einem Vertragstaat oder einer seiner
Gebietskörperschaften unmittelbar oder aus einem von diesem Staat oder der Gebietskörperschaft errichteten
Sondervermögen an eine natürliche Person für die diesem Staat oder der Gebietskörperschaft in Ausübung
öffentlicher Funktion erbrachten Dienste gezahlt werden, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden.
(2) Auf Vergütungen oder Ruhegehälter für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit einer
kaufmännischen oder gewerblichen Tätigkeit eines der Vertragstaaten oder einer seiner Gebietskörperschaften
erbracht werden, finden die Artikel 15, 16 und 18 Anwendung."
Art. 15 Abs. 4 DBA weist somit (grundsätzlich) dem Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht an den
Einkünften der Grenzgänger zu. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz (in Richtung des so genannten
"Kassenstaatsprinzips") bestimmt Art. 19 Abs. 1 DBA für den Fall, dass folgende Voraussetzungen vorliegen:
1. die Zahlung der Vergütung von einem Vertragsstaat oder einer seiner Gebietskörperschaften unmittelbar
oder aus einem vom Vertragsstaat oder der Gebietskörperschaft errichteten Sondervermögen;
2. die Erbringung von Diensten für diesen Staat oder die Gebietskörperschaft, und zwar
3. "in Ausübung öffentlicher Funktionen" (vgl. das Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, 2009/15/0151).
Die Feststellung der belangten Behörde, dass es sich bei der F Bildungsanstalt um ein rechtlich
verselbständigtes ins Öffentlichkeitsregister eingetragenes Unternehmen handelt, wird durch die der Beschwerde
angeschlossenen Unterlagen bestätigt. Der vorgelegte Arbeitsvertrag der Beschwerdeführerin weist nicht den
Vertragsstaat Liechtenstein oder eine seiner Gebietskörperschaften, sondern die F Bildungsanstalt als
Arbeitgeber der Beschwerdeführerin aus. Die belangte Behörde konnte sich daher zu Recht darauf stützen, dass
die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit als Lehrerin nicht auf Grund eines Vertragsverhältnisses mit dem
Vertragsstaat Liechtenstein (oder einer seiner Gebietskörperschaften) ausübt. Dass die Beschwerdeführerin mit
ihrer Tätigkeit als Lehrerin eine im öffentlichen Interesse liegende Bildungsaufgabe erfüllt, führt nicht dazu, dass
Liechtenstein als Kassenstaat Schuldner der gezahlten Vergütung wird, was aber Voraussetzung für die
Anwendung der so genannten Kassenstaatsregelung wäre. Wegen des klaren Wortlautes "Vertragstaat oder einer
seiner Gebietskörperschaften" ist ein Durchgriff durch zwischengeschaltete Personen für Zwecke der
Anwendung des Art. 19 DBA nicht möglich. Damit fallen Vergütungen von privatrechtlich organisierten
Arbeitgebern nicht unter Art. 19 Abs. 1 DBA, auch wenn diese öffentliche Aufgaben wahrnehmen und
staatlicher Aufsicht unterliegen (vgl. Dürrschmidt in Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen6, Art. 19
Rz. 27 und 27a; sowie Wassermeyer in Wassermeyer, MA Art. 19 Rz. 41, zu der insoweit übereinstimmenden
Formulierung des Art. 19 im OECD-Musterabkommen).
Körperschaften öffentlichen Rechts, die keine Gebietskörperschaften sind, werden von der Regelung des
Art. 19
Abs. 1
DBA
nicht
erfasst
(vgl. nochmals
Dürrschmidt
in
Vogel/Lehner,
Doppelbesteuerungsabkommen6, Art. 19 Rz. 22). Damit können die streitgegenständlichen Bezüge selbst für
den Fall, dass es sich bei der F Bildungsanstalt entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht um
eine Körperschaft öffentlichen Rechts handeln sollte, nicht der Zuteilungsregel des Art. 19 Abs. 1 DBA
subsumiert werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den
Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
§§ 47 ff VwGG
in
Verbindung
mit
der
VwGH-
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 16. Dezember 2015
www.ris.bka.gv.at
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E AS
Express Antwort Service
5. Juni 2015
BMF-010221/0086-VI/8/2015
EAS 3360
Schweizerische Ruhebezüge auf Grund einer 2. überobligatorischen Säule
Gemäß Art. 19 Abs. 1 DBA-Schweiz dürfen Ruhegehälter, die ein Vertragsstaat für ihm
erbrachte frühere Dienstleistungen oder Arbeitsleistungen auszahlt, in diesem Staat
besteuert werden. Dies gilt auch dann, wenn solche Vergütungen von einem Land, von
einem Kanton, von einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer anderen juristischen
Person des öffentlichen Rechts eines der beiden Staaten gewährt werden. Gemäß Art. 19
Abs. 2 wird die Frage, ob eine juristische Person eine solche des öffentlichen Rechts sei,
nach den Gesetzen des Staates entschieden, in dem sie errichtet ist.
Wird daher ein auf Grund einer überobligatorischen 2. Säule erworbener Pensionsanspruch
auf Grund einer gegenüber einem Kantonsspital erbrachten ehemaligen Dienstleistung von
einer privaten Pensionskasse ausbezahlt, steht der Wortlaut des Abkommens einer
Anwendung von Art. 19 entgegen, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei der „privaten“
Pensionskasse nicht um eine Person des öffentlichen Rechts handelt. Unter dieser
Voraussetzung unterlägen diese Einkünfte daher bei einem in Österreich ansässigen
Abgabepflichtigen gemäß Art. 18 DBA-Schweiz dem ausschließlichen Besteuerungsrecht
Österreichs. Die Anwendung des Kausalitätsprinzips kann im Anwendungsbereich des Art. 18
nicht in Betracht gezogen werden.
Sollte sich auf Grund dieser Sichtweise bei einem in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen
eine Doppelbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz ergeben, stünde es dem betroffenen
Abgabepflichtigen frei, ein Verständigungsverfahren nach Art. 25 Abs. 1 DBA-Schweiz beim
BMF zu beantragen.
Bundesministerium für Finanzen, 5. Juni 2015
© Bundesministerium für Finanzen
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GZ. RV/7103171/2010
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache der
Bf., adresse, vertreten durch Vertretung, gegen die Bescheide des FA Wien 8/16/17
betreffend die Einkommensteuer 2005, 2006 und 2007 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2005, 2006 und 2007 wird als
unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf.) war im Streitzeitraum als Mentaltrainerin tätig.
Eine abgabenbehördliche Prüfung der Jahre 2005 bis 2007 sowie des
Nachschauzeitraumes Jänner 2008 bis Jänner 2009 hat ergeben, dass die Bf.
seit Oktober 2003 eine Praxis für Mentaltraining und Energiearbeit betreibt und
Selbsterfahrungsseminare, wie Familienaufstellungen, Tiefenmeditationen bzw.
Beziehungscoachings angeboten hat.
Seit dem Jahre 2008 teilte sich die Bf. die Kosten für die Praxisräumlichkeiten mit ihrer
Tochter, die ebenfalls auf diesem Gebiet tätig ist.
Die Bf. erbrachte zudem in den Jahren 2005 und 2006 für ihren Ehegatten EDVLeistungen, Buchhaltungsarbeiten, Aktenorganisation, Korrespondenz, Telefon-Dienste
und Schreibarbeiten. Die Einnahmen aus dieser Tätigkeit haben € 17.775,00 (2005) und €
15.960,00 (2006) betragen.
Aus Tz 1 des Prüfungsberichtes geht hervor, dass die Bf. in den Prüfungsjahren Seminare
bzw. Einzeltherapien nur einmal bis maximal dreimal pro Monat gehalten habe.
Die Einnahmen aus dieser Tätigkeit hätten € 2.660,00 (2005), € 2.010,00 (2006)
und € 3.700,00 (2007) betragen. Diesen Einnahmen standen Ausgaben in Höhe von
€ 14.557,00 (2005), € 12.124,00 (2006) und € 13.972,00 (2007) gegenüber.
Unterlagen für den Nachschauzeitraum Jänner 2008 bis Juli 2009 würden weiterhin
Verluste in ähnlicher Höhe, wie sie in den Jahren 2005 bis 2007 erzielt wurden, aufzeigen.
Aus den Gesprächen mit der Bf. sowie aus ihrem über die besagte Tätigkeit erstellten
Folder, wonach sie sich seit vielen Jahren mit Spiritualität und seelischem Wachstum
befasst habe, gehe nach Ansicht der Außenprüfung klar hervor, dass die Bf. diese
Tätigkeit aus privaten Motiven ausübte. Darüber hinaus sei aus der Broschüre auch zu
entnehmen, dass die Bf. zahlreiche Seminare, wie zB die systemische Theorie und Praxis
des Familienaufstellens, spirituelle Heilung mit Archetypen, Psychosynthese usw. im Inund Ausland besucht habe.
Die Betätigung sei daher lt. Außenprüfung als Liebhaberei zu beurteilen und die erklärten
Verluste seien nicht anzuerkennen gewesen.
Nach Tz. 2 des Prüfungsberichtes habe die Bf. im Unternehmen ihres Ehegatten auch
oben erwähnte Sekretariatstätigkeiten ausgeführt. Im Zuge der Schlussbesprechung
wurde vom steuerlichen Vertreter für diese Tätigkeit das Betriebsausgabenpauschale gem.
§ 17 EStG 1988 in Höhe von 12% beantragt und von der Außenprüfung anerkannt.
Zusätzlich erhielt die Bf. im Jahre 2007 Tantiemen aus dem Nachlass ihres verstorbenen
Vaters in Höhe von € 30.759,10, die das Finanzamt als Einkünfte aus selbständiger Arbeit
versteuerte.
Die Abgabenbehörde erließ den Feststellungen der Außenprüfung folgend die
angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2005, 2006 und 2007 und beurteilte
die Tätigkeit als Mentaltrainerin als eine unter § 1 Abs 2 LVO zu subsumierende
Betätigung, sodass die damit im Zusammenhang stehenden Einnahmen und Ausgaben
einkommensteuerrechtlich nicht anzuerkennen waren.
Die Bf. erhob gegen die genannten Bescheide die als Beschwerde zu behandelnde
Berufung, in der sie ausführte, dass es sich bei der in Rede stehenden Tätigkeit
um eine gemischte Tätigkeit, die aus Mentaltraining, Energiearbeit und Büro- bzw.
Sekretariatsarbeiten bestehen würde. Sowohl die Ausgaben als auch die Tätigkeit ließen
sich nicht eindeutig trennen. In ihrer Praxis würden alle diese Arbeiten durchgeführt
werden.
Die Tätigkeit als Mentaltrainerin werde erst seit wenigen Jahren ausgeübt. Die Praxis
befinde sich daher in der Aufbauphase. Eine gewisse Anlauffrist benötige jeder Betrieb.
Jeder Arzt brauche durchschnittlich mindestens drei Jahre, bis seine Praxis positiv
bilanziert sei. Eine Praxis für Mentaltraining brauche natürlich noch länger.
Die Behauptung der Außenprüfung, die Bf. betreibe die Praxis aus privaten Motiven, sei
nicht schlüssig und deshalb unrichtig. Nach dem zitierten Einleitungssatz folgt im Folder
der Satz: "Ich habe zahlreiche Ausbildungen im In- und Ausland gemacht." Dies deute
auf hohe Professionalität hin. Gerade weil die Bf. sich mit dieser Materie schon so lange
befasst und viele Seminare besucht und Ausbildungen gemacht habe, sei sie befähigt,
so eine Praxis aufzumachen und zu führen. Die Bf. sei geradezu im höchsten Maß für
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diese Art der Praxis prädestiniert. Diese Argumente seien ja die wesentlichsten positiven
Elemente für ihre berufliche Tätigkeit.
Es handle sich um eine berufliche (heilende) Tätigkeit, und habe mit persönlicher Neigung
nichts zu tun. Deshalb sei der § 1 Abs. 2 Liebhabereiverordnung nicht anzuwenden.
Es handle sich um eine selbständige, nachhaltige mit Gewinnerzielungsabsicht
unternommene berufliche Betätigung. Eindeutig bestehe die Absicht, einen Gesamtgewinn
zu erzielen. Dies sei anhand von objektiven Kriterien nachvollziehbar gewesen.
Die Einnahmen aus dem Mentaltraining stiegen stetig, sodass sich die Betriebsergebnisse
laufend verbessern würden. Die Ertragslage verbessere sich auch durch
Kosteneinsparungen, die Tochter, die im gleichen Bereich beruflich tätig sei, beteiligt sich
an den Praxiskosten, was eine Verringerung der Kosten bewirken würde.
Die Aufbauarbeit wäre durch ein unvorhergesehenes Ereignis, dem Tod des Vaters,
wesentlich erschwert worden. Der Vater, sei ein bekannter Kurarzt und medizinischer
Fachbuchautor gewesen, von ihm hätte sich die Bf. vor allem in der schwierigen
Aufbauphase einige Empfehlungen erwarten können. Durch diesen Ausfall sei die
Steuerpflichtige auf sich alleine gestellt und musste sich selbst um ein entsprechendes
Klientel umsehen. Die Anlaufphase sei daher viel schwieriger, aber es gehe langsam
bergauf. Bereits im Jahr 2008 sei ein nahezu ausgeglichenes Ergebnis erwirtschaftet
worden. Für das Jahr 2009 werde voraussichtlich ein Gewinn erzielt.
Die Tätigkeit lasse jedenfalls in einem absehbaren Zeitraum einen Gesamtgewinn
erwarten, weshalb für die Annahme einer Liebhaberei keine Grundlage bestünde.
Die Argumentation im angefochtenen Bescheid widerspreche nach Ansicht der Bf.
auch allen Bestrebungen und Ermunterungen der Politik, der öffentlichen Hand und alle
Interessensvertretungen, die einmütig Eigeninitiativen und den Schritt zur Selbständigkeit
und zu Unternehmensgründungen (die meisten Neugründungen sind Ein-MannUnternehmen) unterstützen und fördern, teilweise mit Staatskrediten und Ähnlichem. Dies
mit "Liebhaberei" zu bestrafen, sei nicht nachzuvollziehen und kontraproduktiv. Dies sei
und könne auch nicht im Sinne des Staates und der öffentlichen Hand sein und stehe im
krassen Widerspruch zu allen Bemühungen, welche die Wirtschaftskammer unternehme,
um gezielt die Selbständigkeit zu fördern und zu bewerben.
In den Begründungsausführungen der abweisenden Berufungsvorentscheidung ging das
Finanzamt davon aus, dass es sich bei den zu beurteilenden Tätigkeiten, Mentaltraining
und Sekretariat um zwei völlig voneinander unabhängige und getrennt zu betrachtende
Tätigkeiten handeln würde:
Büro- bzw. Schreibarbeiten werden ausschließlich für eine Person getätigt, wogegen
das Mentaltraining, Energiearbeit allen angeboten werde. Außerdem werde in den
aufliegenden Foldern ausschließlich für diese Tätigkeit geworben. Sekretariatsarbeiten
werden in diesen mit keinem Wort erwähnt oder angeboten. Eine Zusammenfassung
dieser völlig konträren Tätigkeiten als eine Tätigkeit sei denkunmöglich. Außerdem
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werde selbst in der Beschwerde zugestanden, dass es sich bei diesen Betätigungen um
verschiedene Bereiche handeln würde
Gem. § 1 Abs. 2 Z. 1 Liebhabereiverordnung sei eine Betätigung anzunehmen, wenn
Verluste aus der Bewirtschaftung von Wirtschaftsgütern entstehen, die sich nach
der Verkehrsauffassung in einem besonderen Maß für eine Nutzung im Rahmen der
Lebensführung eignen (z.B. Wirtschaftsgüter, die der Sport- und Freizeitausübung
dienen, Luxuswirtschaftsgüter, Wirtschaftsgüter, die der Befriedigung des persönlichen
Wohnbedürfnisses dienen) und typischerweise einer besonderen in der Lebensführung
begründeten Neigung entsprechen. Bei Betätigungen gem. § 1 Abs. 2 liegt gem.
§ 2 Abs. 4 Liebhabereiverordnung Liebhaberei dann nicht vor, wenn die Art der
Bewirtschaftung oder der Tätigkeit in einem überschaubaren Zeitraum einen
Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 3)
erwarten lässt. Andernfalls ist das Vorliegen von Liebhaberei ab Beginn dieser Betätigung
so lange anzunehmen, als die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit nicht im Sinn
des vorstehenden Satzes geändert wird. Unter Gesamtgewinn ist gem. § 3 Abs. 1 1. Satz
Liebhabereiverordnung der Gesamtbetrag der Gewinne zuzüglich steuerfreier Einnahmen
abzüglich des Gesamtbetrages der Verluste zu verstehen.
Ob es sich um eine ernstgemeinte Tätigkeit handelt, könne man auch ersehen, in
welcher Art und Weise und in welcher Intensität der Tätigkeitsbereich Mentaltraining und
Energiearbeit in den einzelnen Jahren ausgeübt werde:
Die Außenprüfung hat festgestellt, dass die Bf. als Mentaltrainerin 21 Sitzungen im
Jahre 2005 , 19 Sitzungen im Jahre 2006 und 26 Sitzungen im Jahre 2007 und an
vier Tagen ein Seminar für fünf bzw. sechs Personen, 14 Sitzungen im Jahr 2008 und
fünf Seminare an neun Tagen und bis inkl. Juli 2009 14 Sitzungen und zwei Seminare
an insgesamt vier Tagen abgehalten hatte. Nach Ansicht des Finanzamtes liege bei
dieser Art der Bewirtschaftung (im Schnitt an 2,5 Tage pro Monat eine Sitzung ) kein
marktgerechtes Verhalten vor. Man könne nicht zur Auffassung gelangen, dass sich die Bf.
dem oben angeführten Tätigkeitsbereich in einem der für typische erwerbswirtschaftliche
Betätigungen erforderlichen Maß widmete.
Die von der Bf. erwirtschafteten Verluste hätte in einzelnen Jahren ein Vielfaches der
Einnahmen betragen, auch einzelne Aufwendungen hätten die Einnahmen einzelner Jahre
überschritten:
So habe allein die Miete € 480,00 monatlich betragen, sodass der in Abzug gebrachte
Mietaufwand die Einnahmen bei Weitem überstiegen habe. Das Ausmaß der Verluste
wäre von 2005 auf 2007 fast auf das Doppelte gestiegen:
Die Verluste der Jahre 2005 bis 2007 hätten insgesamt mehr als € 42.000,00 betragen.
In den folgenden Jahren wäre also ein durchschnittlicher jährlicher Gewinn in Höhe von
€ 2.500,00 erforderlich gewesen, um innerhalb eines Zeitraumes von rund 20 Jahren zu
einem möglichen Gesamtgewinn zu kommen. Dafür seien jedoch im gegenständlichen
Verfahren keine Anhaltspunkte zu erblicken gewesen, die für eine solche Entwicklung
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sprechen würden. Auch der ab September 2008 bezahlte Miet- und Unkostenbeitrag
ändere daran nichts.
Der von der Bf. ins Treffen geführte Tod ihres Vaters im Jahre 2003 würde keine
Unwägbarkeit darstellen. Daraus folge, dass bei einem Gesamtverlust von € 42.000,00
Liebhaberei vorliegen würde. Sollte sich die Art der Bewirtschaftung gravierend
ändern, müsste in Zukunft auf die neuen Verhältnisse abgestellt werden und der
Beobachtungszeitraum würde dann neu zu laufen beginnen.
Es dürfe auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Bf. über eine Einkunftsquelle
verfüge, die es ihr erlaubt, hätte, daraus ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Vieles
spreche dafür, dass sie schon vor der Betriebseröffnung am Mentaltraining interessiert
gewesen sei. Aufgrund all dieser Umstände vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass die
Tätigkeit typischerweise einer besonderen, in der Lebensführung begründeten Neigung
entspreche.
Im Vorlageantrag verwies der steuerliche Vertreter der Bf. erneut auf eine nach seiner
Ansicht gegebenen gemischten Tätigkeit, die die Bf. ausübe. Diese Tätigkeit umfasse
Mentaltraining, Energiearbeit und Büro- bzw. Sekretariatsarbeiten.
Entgegen den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung handle es sich nicht um
zwei völlig unabhängige, getrennt zu betrachtende Tätigkeiten. Eine Subsummierung der
verschiedenen Tätigkeiten in einer Einkunftsart sei möglich und in diesem Fall angebracht.
Sowohl die Ausgaben als auch die Tätigkeit ließen sich nicht eindeutig trennen. In ihrer
Praxis werden alle diese Arbeiten vorgenommen.
Alle Ausgaben würden von der Betriebsprüferin dem Mentaltraining zugeordnet, dem
anderen Bereich werden keine Ausgaben zugerechnet, sodass sich ein hoher Verlust bei
der Energiearbeit ergab, während der Bereich Büroarbeit dadurch einen ungerechtfertigt
hohen Gewinn aufwies. Die Ausgaben seien aber in einem nicht unbeträchtlichen Maße
den Büroarbeiten zuzuordnen (z.B. die Miete wäre aufzuteilen). Tatsächlich wären die
Gewinne bei der Büroarbeit nicht so hoch und die Verluste im Rahmen des Mentaltrainings
wesentlich geringer als die Betriebsprüfung annahm.
Wenn man die Bereiche, wie die Betriebsprüfung versucht hat, trenne und Verluste
errechne, spreche dies noch lange nicht für eine Liebhaberei.
Ergänzend führte die Bf. aus, dass es auch bei Ärzten und vielen anderen Berufen nicht
von Nachteil sei, vielmehr unbedingt notwendig sei, wenn sich der angehende Arzt schon
vor Praxiseröffnung für Medizin und Heilung interessiere, und nicht erst während seiner
Tätigkeit. Denn das könnte dann schon zu spät sein. Dies treffe übrigens für viele Berufe
(z.B. Lehrer) zu. Es wäre sehr empfehlenswert, wenn sich die Anwärter vieler Berufe
vor Beginn ihrer Tätigkeit mit wesentlich größerem Interesse auf ihr Gebiet vorbereiten
würden. Das Interesse der Steuerpflichtigen an Mentaltraining vor Betriebseröffnung sei
nicht verwerflich, sondern höchst lobenswert.
Seite 5 von 15
Es handle sich um eine berufliche, heilende Tätigkeit und hat mit persönlicher Neigung
nichts zu tun. Darüber hinaus komme es auf die Anzahl der Sitzungen zur Beurteilung
einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit sicherlich nicht an. Denn manche berufliche
Tätigkeiten werden nur wenige Male pro Jahr durchgeführt (z.B. Fernseh- und
Unterhaltungssendungen) und trotzdem müsse man von hoher Professionalität sprechen.
Außerdem würde sich die Bf. freuen, wenn sie mehr Sitzungen und Seminare veranstalten
könnte, sie versuche auch die Anzahl durch Werbung (Folder, Mundpropaganda etc.) zu
steigern.
Bereits im Jahr 2008 sei ein kleiner Gewinn erwirtschaftet worden, für das Jahr 2009
sei ein Gewinn von 1.545,81 Euro erzielt worden. Die Tätigkeit ließe jedenfalls in einem
absehbaren Zeitraum einen Gesamtgewinn erwarten.
Über Vorhalt des Bundesfinanzgerichts gab die Bf. am 22.9.2015 bekannt, dass sie ihre
Tätigkeit als Mentaltrainerin im Jahre 2010 beendet, und nachfolgende Einnahmen und
Ausgaben im abgeschlossenen Beobachtungszeitraum 2002 bis 2010 erzielt habe:
EinnahmenAusgaben
Ergebnis
2002
0
1.680,00
-1.680,00
2003
0,00
14.971,32
-14.971,32
2004
1.620,00
12.337,65
-10.717,65
2005
2.660,00
14.557,18
-11.897,18
2006
2.010,00
12.123,62
-10.113,62
2007
36.387,35 13.972,38
22.414,97
2008
6.275,00
-3.689,79
2009
11.123,42 8.638,79
2.484,63
2010
12.367,88 8.321,41
4.046,47
Gesamt:
9.964,79
-24.123,49
Darüber hinaus führte sie aus:
"Der Schwerpunkt meiner Tätigkeit lag auf dem Mentaltraining, (heute vorwiegend
Coaching genannt).
Um die Effizienz des Mentaltrainings zu steigern und damit meine Möglichkeiten durch
eine breitere Basis zu erweitern, also um mehr Klienten zu erreichen, machte ich diverse
Zusatzausbildungen, ( für die ich alle selbst bzw. meine Familie aufkam). Diese umfassten
vor allem das Erlernen ergänzender Methoden, um das Unterbewusstsein zu erreichen
Seite 6 von 15
und positiven Einfluss darauf zu nehmen. ( Dabei ging es stark um eine Bildersprache,
Visualisationen, geführte Meditationen, Tiefenentspannung etc.) Auch das Familienstellen,
das ich erlernte, kann tiefe Einblicke gewähren und Blockaden auflösen und hat sich als
sehr hilfreich erwiesen.
Als ich die Praxis eröffnete, befand ich mich in einer Erfolg versprechenden
Ausgangslage, was die Voraussetzungen für einen ausreichenden Zulauf an Klienten
betraf: Mein Vater, ein bekannter naturmedizinisch tätiger Arzt und Autor zahlreicher
Gesundheitsbücher, hatte mich sehr ermutigt, den Schritt in die Selbstständigkeit zu
machen. Er wollte mir aus seinem großen Patientenkreis Personen schicken, für die
eine persönliche Begleitung und Unterstützung in ihrer Lebensgestaltung wichtig undaus seiner Sicht- gesundheitsfördernd wären. Davon gab es, wie er mir versicherte,
genügende. Auch stellte er mir in Aussicht, nach einigen Jahren Praxiserfahrung, mit ihm
gemeinsam ein Buch zu schreiben über die möglichen positiven Auswirkungen mentaler
Arbeit auf die Gesundheit. Dies hätte mir zu einem gewissen Bekanntheitsgrad verholfen
und den Zulauf an Klienten noch vermehrt. Mein Vater verstarb jedoch unerwartet im Mai
2003. Damit war ich plötzlich auf mich selbst gestellt. Als völlig Unbekannte sollte ich
nun Klienten auftreiben, und das erwies sich als äußerst schwierig und zäh. Ohne eine
überzeugende persönliche Empfehlung, abgegeben vom Arzt des Vertrauens, sieht sich
kaum jemand veranlasst, Geld für Dienstleistungen auszugeben, deren Qualität es nicht
kennt und die noch dazu stark in den persönlichen Bereich gehen, wovor viele Manschen
grundsätzlich Scheu haben. Ich tat, was ich konnte, um auf die Existenz meiner Praxis
hinzuweisen. So legte ich in diversen Arztpraxen und Apotheken Folders auf. (Genau eine
einzige Person kam dadurch zu mir.)
Die Ärzte, die mich persönlich kannten, bat ich, mich weiter zu empfehlen. Da sie
scheinbar aber keinen Bezug zu meiner Arbeit hatten, empfahlen sie mich wohl nicht
weiter. Schließlich hoffte ich auf die Weiterempfehlung durch bereits zufriedene Klienten.
Dabei musste ich die Erfahrung machen, dass die wenigsten Leute bereit sind, in ihrem
Bekanntenkreis darüber zu sprechen, dass sie irgendeine Form von Lebenshilfe in
Anspruch nehmen. Das scheint deshalb sehr heikel zu sein, weil doch fast jeder den
Anschein erwecken will, als hätte er sein Leben
bestens im Griff. So blieben erhoffte Weiterempfehlungen die Ausnahme. Ende des
Jahres 2010 beendete ich dann im Alter von 60 Jahren meine berufliche Tätigkeit mit
Bedauern. Ich bin auch heute noch davon überzeugt, dass eine Tätigkeit wie die meine
wichtig ist und viel Positives bewirken kann und rein gar nichts mit Liebhaberei zu tun
hat. Wäre mein Vater am Leben geblieben, hätte ich heute- dessen bin ich mir sichereine gut ausgelastete Praxis. Ich finde - wenn ich mir diese Einschätzung erlauben
darf- den Liebhaberei – Paragraphen nicht nur obsolet, sondern auch entwürdigend,
unterstellt er doch, dass man in nicht ernst zu nehmender Weise irgend einem kapriziösen
Hobby, einer Art von als Beruf getarnter Spielerei, frönen will, und das dann in unlauterer
Weise steuerlich geltend machen will. Die Bezichtigung der Liebhaberei unterstellt
eine unseriöse, verantwortungslose und unehrenhafte Gesinnung, von der ich nur
Seite 7 von 15
aufrichtig sagen kann, dass eine solche mit mir überhaupt nichts zu tun hat. Ich
habe mit bestem Wissen und Gewissen gehandelt, meine Absichten waren immer
seriös, ehrlich und verantwortungsvoll darauf ausgerichtet, gegen eine angemessene
Entlohnung einen positiven Beitrag für andere Menschen zu leisten. Ich kann es daher
mit meinem Gerechtigkeitssinn überhaupt nicht in Einklang bringen, dass ich mit der
hohen Nachzahlung von € 12.575,24 für etwas bestraft werden soll, dessen ich mich
nicht schuldig gemacht habe. Die Zahlung dieser enormen Summe würde überdies eine
außerordentliche Härte für mich bedeuten. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass
ich nie irgendwelche Fördergelder aus öffentlicher Hand in Anspruch genommen habe,
sondern immer selbst für alles aufgekommen bin. Andere angehende Selbstständige - und
darunter befinden sich auch Coaches - lassen sich ihren Schritt in die Selbstständigkeit
aus öffentlichen Mitteln finanzieren. Dabei ist es keinesfalls so, dass diese Menschen
Erfolgsgarantien abgeben müssen oder können. Auch werden sie wohl nicht bei
ausbleibendem Erfolg mit dem Paragraphen der Liebhaberei bedroht. Wer den Mut
aufbringt, etwas zu wagen, an dessen Erfolg er glaubt, wird im Allgemeinen nicht dafür
bestraft."
Das Finanzamt verwies in der schriftlichen Stellungnahme vom 27.10.2015 erneut darauf
hin, dass die zu beurteilende Tätigkeit keine typisch erwerbswirtschaftliche, sondern
vielmehr typisch der Lebensführung zuzurechnen sei. Die dazu ergangenen ausführlichen
Darlegungen folgen im Wesentlichen jenen in der Berufungsvorentscheidung vom
3.9.2010 , denen zufolge die Bf. das „Mentaltraining“ in einem geringen Maß ausgeübt
habe und deshalb die Tätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach als nicht typisch
erwerbswirtschaftlich zu beurteilen gewesen sei. Zu dieser Schlussfolgerung kam das
Finanzamt auf Basis der von der Bf. übermittelten Einnahmen- und Ausgabenaufstellung,
aus der im Zeitraum 2005 bis 2010 unter anderem jährliche Sitzungen in folgender Anzahl
hervorgehen:
2005: 21 Sitzungen
2006: 19 Sitzungen
2007: 26 Sitzungen + 4 Tage ein Seminar für 5 bzw 6 Personen
2008: 14 Sitzungen + 5 Seminare (Gesamtdauer 9 Tage)
2009: 32 Sitzungen + 3x 2-tägig Familienstellungen
2010: 44 Sitzungen + 2x 2-tägig Familienstellung
Die Sitzungen hätten sich zwar im Laufe der Jahre verdoppelt, allerdings sei aufgrund der
vorliegenden Unterlagen ersichtlich gewesen, dass auch in späteren Jahren maximal fünf
Termine pro Monat abgehalten worden seien, und die Einnahmen auch im Jahr 2010 nicht
ausgereicht hätten, um die Aufwendungen auszugleichen.
Darüber hinaus könne von keiner Unwägbarkeit ausgegangen werden, wenn ein
Geschäft/Umsatz nicht wie geplant verlaufe. Die Tatsache, dass ein Familienmitglied zu
Tätigkeitsbeginn verstirbt, sei natürlich tragisch und könne sich auf die Intensivität der
Seite 8 von 15
Ausübung auswirken. Allerdings könne der Umstand, dass der verstorbene Vater einen
gewissen Bekanntheitsgrad gehabt habe, nicht allein ausschlaggebend für die Prognose
von positiven Einkünften sein. Betätigungen im Bereich des Coachings, Mentaltrainings
etc. führen dazu, stark in den persönlichen Bereich von Kunden einzudringen. Diese
Tatsache werde der Bf. aufgrund ihrer intensiven Auseinandersetzung mit diesem
Themenbereich bereits im Vorfeld bekanntgewesen sein und könne nun nicht nachträglich
als Mitgrund für die geringen Einnahmen vorgebracht werden. Aufgrund der Gestaltung
der Tätigkeit sei es von vornherein äußerst schwierig gewesen, positive Einkünfte zu
erzielen. So müssten alleine für Mietaufwendungen jährlich zwischen € 5.450 (2003) und €
6.240 (2010) an Einnahmen erwirtschaftet werden.
Die Reaktion der Mitbenützung der Räumlichkeiten durch die Einmietung der Tochter
ab 2008 habe die Mietaufwendungen nur in einem bestimmten Ausmaß verringern
können(2008: € 840,00, 2009+2010 jeweils € 2.520,00) und könnte auch als Änderung
der Bewirtschaftung angesehen werden. Weiters sei zu bedenken, dass Frau B.
zumindest in den Jahren 2005 und 2006 ganzjährig für Ihren Ehegatten (EDV Leistungen,
Buchhaltungsarbeiten, Aktenorganisation, Korrespondenz, Telefon-Dienste und
Schreibarbeiten) tätig war.
Aufgrund der von der Bf. vorgelegten Einnahmen- und Ausgabenaufstellung für die
Jahre 2002 bis 2010 stelle sich die Verlustsituation unter Berücksichtigung, dass alle
Einnahmen und Aufwendungen laut den vorgelegten Aufstellungen in dieser Tabelle, auch
der nichtabzugsfähige Kirchenbeitrag übernommen, und lediglich Rechen- bzw Tippfehler
abgeändert wurden, wie folgt dar:
EinnahmenAusgaben
Ergebnis
2002
0
1.680,00
-1.680,00
2003
0,00
14.971,32
-15.264,30
2004
1.620,00
12.337,65
-10.717,65
2005
2.660,00
13.603,39
-10.943,39
2006
2.010,00
11.184,78
-9.174,78
2007
3.700,00
13.972,38
-10.275,38
2008
6.275,00
9.964,79
-3.689,79
2009
8.085,00
8.638,79
-553,79
2010
8.070,00
8.321,41
-251,41
Gesamt:
-59.802,00
Die von der Bf. erhaltenen Tantiemen in Höhe von € 32.687,35 (2007) von €
5.561,71 (2009) und von € 4.297,88 (2010) seien gesondert zu versteuernde
Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit und wurden daher vom Finanzamt nicht in die
Liebhabereibetrachtung mit einbezogen.
Seite 9 von 15
Die Ertragslage habe sich zwar verbessert, die in den Jahren 2009 und 2010
erwirtschafteten Gewinne seien jedoch so gering gewesen, dass unter Berücksichtigung
aller Ergebnisse ein Gesamtverlust in Höhe von € 59.802,00 erwirtschaftet worden sei.
Die Bf. nahm mit Schriftsatz vom 14.10.2015 ihren Antrag auf Durchführung einer
mündlichen Senatsverhandlung zurück
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des Akteninhaltes und der
Parteienvorbringen nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen fest:
Die Bf. erzielte als Mentaltrainerin von Beginn ihrer Tätigkeit im Jahre 2002 bis zu ihrer
Beendigung im Jahre 2010 nachfolgende Verluste:
EinnahmenAusgaben
Ergebnis
2002
0
1.680,00
-1.680,00
2003
0,00
14.971,32
-15.264,30
2004
1.620,00
12.337,65
-10.717,65
2005
2.660,00
13.603,39
-10.943,39
2006
2.010,00
11.184,78
-9.174,78
2007
3.700,00
13.972,38
-10.275,38
2008
6.275,00
9.964,79
-3.689,79
2009
8.085,00
8.638,79
-553,79
2010
8.070,00
8.321,41
-251,41
Gesamt:
-59.802,00
Das Bundesfinanzgericht folgte bei der Ermittlung des Gesamtverlustes den
Abänderungen des Finanzamtes, zumal die Bf. in den Jahren 2007, 2009 und 2010
Einnahmen aus Tantiemen aus dem Nachlass ihres verstorbenen Vaters in Höhe von
€ 32.687,35, € 5.561,71 und € 4.297,88 bezogen hat, die die Bf. zweifelsfrei nicht
im Rahmen der zu beurteilenden Tätigkeit erwirtschaftete und welche daher nicht in
der Einnahmen- und Ausgabenberechnung berücksichtigt werden durften.
Die Einnahmen aus Tantiemen sind bereits im angefochtenen Einkommensteuerbescheid
2007 als Einkünfte aus selbständiger Arbeit einkommensteuerpflichtig behandelt worden.
Erwiesen ist zudem, dass die Bf. nach Abzug einer Ausgabenpauschale in Höhe von 12%
für Sekretariatsarbeiten im Unternehmen ihres Ehegatten Einkünfte im Ausmaß von €
15.642,00 (2005) und von € 14.045,00 (2006) bezogen hatte.
Einkünfteermittlung
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Dazu ist in rechtlicher Hinsicht auszuführen, dass die Einkünfteermittlung für jeden Betrieb
gesondert vorzunehmen ist (Jakom/Laudacher EStG 2014, § 2 Tz 107).
Solcherart sind die Tätigkeit als Mentaltrainerin und die für den Ehegatten der Bf.
erbrachten Büro- und Sekretariatsarbeiten keine einheitliche Tätigkeit.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein einheitlicher
Betrieb vor, wenn mehrere Betriebszweige nach der Verkehrsauffassung und nach den
Betriebsverhältnissen als Teil eines Betriebes anzusehen sind. Dies trifft bei engem
wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischem Zusammenhang zu. Dabei kommt
es auf das Ausmaß der objektiv organisatorischen, wirtschaftlichen und finanziellen
Verflechtung zwischen den einzelnen Betrieben an (VwGH 22.11.1995, 94/15/0154).
Merkmale, die für einen einheitlichen Betrieb sprechen sind zB. ein Verhältnis der
wirtschaftlichen Über- und Unterordnung zwischen den Betrieben, eine Hilfsfunktion
eines Betriebes gegenüber dem anderen, einheitliche Betriebsaufschrift und räumliche
Verflechtung (vgl. VwGH 19.9.1973, 261/72).
Im Beschwerdefall zeigt die unterschiedliche Art der Leistungserbringung der oben
angeführten Tätigkeiten klar auf, dass zwischen ihnen eine wirtschaftliche, technische
oder organisatorische Verflechtung nicht erkennbar war. Das Beschwerdevorbringen
konnte keineswegs glaubhaft darlegen, dass Büroarbeiten im Unternehmen des Ehegatten
in einem für die Annahme eines einheitlichen Betriebes erforderlichen Zusammenhang mit
dem zu beurteilenden Mentaltraining gestanden wären.
Angesichts dieser Ausführungen waren auch die der Bf. zugeflossenen Tantiemen
gesondert als Einkünfte aus der Verwertung von Urheberrechten des verstorbenen Vaters
zu beurteilen und im angefochtenen Bescheid als selbständige Einkünfte zu behandeln.
Dadurch scheiden sie aus obiger Einnahmen- und Ausgabenaufstellung aus.
Die Frage einer Liebhabereitätigkeit war daher nur in Bezug auf die Tätigkeit als
Mentaltrainerin zu prüfen.
Liebhabereibetrachtung
Die oben dargestellte Einnahmen- und Ausgabenentwicklung von Beginn der Tätigkeit
bis zu ihrer Beendigung im Jahre 2010 legt zweifelsfrei dar, dass die Bf. innerhalb
eines abgeschlossenen Zeitraumes einen Gesamtverlust in Höhe von ca. € 59.802,00
erwirtschaftete.
Strittig ist nunmehr allein die Frage, ob die Tätigkeit der Bf. als Mentaltrainerin eine
solche gemäß § 1 Abs 1 LVO mit Annahme einer Einkunftsquelle oder mit Annahme von
Liebhaberei im Sinne des § 1 Abs 2 LVO ist.
In rechtlicher Hinsicht ist auf die Liebhabereiverordnung (LVO) BGBl Nr 33/1993 idF BGBl
II Nr 358/1997, zu verweisen, die auszugweise wie folgt lautet :
§ 1. (1) Einkünfte liegen vor bei einer Betätigung (einer Tätigkeit oder einem Rechtsverhältnis), die durch die Absicht veranlasst ist, einen Gesamtgewinn oder einen
Seite 11 von 15
Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 3) zu erzielen, und nicht
unter Abs 2 fällt.
Voraussetzung ist, dass die Absicht anhand objektiver Umstände (§ 2 Abs 1 und 3)
nachvollziehbar ist. Das Vorliegen einer derartigen Absicht ist für jede organisatorisch in
sich geschlossene und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete Einheit gesondert
zu beurteilen.
(2) Liebhaberei ist bei einer Betätigung anzunehmen, wenn Verluste entstehen
1. aus der Bewirtschaftung von Wirtschaftsgütern, die sich nach der Verkehrsauffassung
in einem besonderen Maß für eine Nutzung im Rahmen der Lebensführung eignen (zB
Wirtschaftsgüter, die der Sport- und Freizeitausübung dienen, Luxuswirtschaftsgüter) und
typischerweise einer besonderen in der Lebensführung begründeten Neigung entsprechen
oder
2. aus Tätigkeiten, die typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung
begründete Neigung zurückzuführen sind.
Gemäß § 2 Abs. 1 LVO BGBl Nr 33/1993 idF BGBl II Nr 358/1997 ist das Vorliegen
der Gesamtgewinnabsicht bei Verlustanfall aus Betätigungen im Sinne des § 1 Abs 1,
insbesondere anhand folgender Umstände zu beurteilen:
1. Ausmaß und Entwicklung der Verluste,
2. Verhältnis der Verluste zu den Gewinnen oder Überschüssen,
3. Ursachen, auf Grund deren im Gegensatz zu vergleichbaren Betrieben, Tätigkeiten oder
Rechtsverhältnissen kein Gewinn oder Überschuss erzielt wird,
4. marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf angebotene Leistungen,
5. marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf die Preisgestaltung,
6. Art und Ausmaß der Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage durch
strukturverbessernde Maßnahmen (zB Rationalisierungsmaßnahmen).
Nach § 2 Abs 2 LVO liegen innerhalb der ersten drei Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) ab
Beginn einer Betätigung (zB Eröffnung eines Betriebes) im Sinne des § 1 Abs 1, längstens
jedoch innerhalb der ersten fünf Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) ab dem erstmaligen
Anfallen von Aufwendungen (Ausgaben) für diese Betätigung jedenfalls Einkünfte vor
(Anlaufzeitraum).
Nach Ablauf dieses Zeitraumes ist unter Berücksichtigung der Verhältnisse auch innerhalb
dieses Zeitraumes nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen, ob weiterhin vom
Vorliegen von Einkünften auszugehen ist.
Ein Anlaufzeitraum im Sinn des ersten Satzes darf nicht angenommen werden, wenn nach
den Umständen des Einzelfalls damit zu rechnen ist, dass die Betätigung vor dem Erzielen
eines Gesamtgewinnes (Gesamtüberschusses) beendet wird.
Einkünfte aus Tätigkeiten, die nicht von vornherein der Liebhaberei verdächtig sind,
liegen nach § 1 Abs 1 LVO dann vor, wenn die Betätigung durch die Absicht veranlasst
ist, einen Gesamtgewinn- bzw Überschuss zu erzielen und nicht unter § 1 Abs 2 LVO
fällt. Entscheidend sind die Erfolgsaussichten im jeweiligen Kalenderjahr, für jeden
Seite 12 von 15
Veranlagungszeitraum wird gesondert beurteilt, ob nach den objektiven Umständen die
Absicht besteht, einen Gesamtgewinn zu erzielen (vgl. Jakom/Laudacher EStG 2014 § 2
Rz 233).
Demgegenüber ist grundsätzlich Liebhaberei zu vermuten, wenn in den in § 1 Abs 2 LVO
bezeichneten Fällen Verluste auftreten. Tätigkeiten, die typischerweise auf eine in der
Lebensführung begründete Neigung zurückgeführt werden ( § 1 Abs 2 Z 2 LVO), sind
insbesondere solche, die ohne Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern in typisierender
Betrachtungsweise mit der Lebensführung zu tun haben. Bei der Beurteilung ist nicht
auf die konkrete Neigung des Steuerpflichtigen abzustellen, sondern darauf, ob die
Tätigkeit bei Anlegen einer Durchschnittsbetrachtung einen Zusammenhang mit einer in
der Lebensführung begründeten Neigung aufweist (vgl. Jakom/Laudacher EStG 2014, § 2
Rz 266, VwGH 28.11.07, 2004/15/0128).
Ob nun im Beschwerdefall von vornherein die Liebhabereivermutung gilt, hängt von der
Beurteilung ab, ob die konkrete Betätigung bei Anlegen eines abstrakten Maßstabes (arg.
"typischerweise") einen Zusammenhang mit einer in der Lebensführung begründeten
Neigung aufweist. Dies kann auch auf Tätigkeiten zutreffen, die ihrer Art nach typisch
erwerbswirtschaftlich sind, jedoch zB im Hinblick auf ihren Umfang nicht erwerbstypisch
ausgeübt werden (vgl. Rauscher/Grübler, steuerliche Liebhaberei², Rz 157).
So kann sich auch unter Heranziehung einzelner Elemente des oben erwähnten § 2
Abs 1 LVO die Beurteilung einer in der Lebensführung liegenden Neigung ergeben
(vgl. Jakom/Laudacher EStG 2015, § 2 Rz 258, VwGH 23.5.96, 93/15/0215). Der
Unabhängige Finanzsenat hat eine nebenberuflich ausgeübte schriftstellerische
Tätigkeit eines Steuerberaters als nicht erwerbstypisch bezeichnet, da er mit dieser
Betätigung kaum bis gar keine Einnahmen erzielte (UFS 8.7.2010, RV/0514-S/09).
Ebenso übte ein nebenberuflich tätiger Reitlehrer eine Liebhabereitätigkeit im Sinne
des § 1 Abs 2 LVO aus, da angesichts von Nebenerwerbserträgen eine Steigerung der
Einnahmen, demnach eine Deckung der Ausgaben nicht mehr erwartet werden konnte
(UFS 25.1.2010, RV/1058-L/08).
Vor diesem Hintergrund gilt es nunmehr zu beurteilen, ob die von der Bf. in der
konkreten Art betriebenen Tätigkeit auf eine in der Lebensführung begründeten Neigung
zurückzuführen war.
Als Mentales Training und Mentalcoaching wird eine Vielfalt von psychologischen
Methoden bezeichnet, welche die soziale Kompetenz und die emotionale Kompetenz, die
kognitiven Fähigkeiten, die Belastbarkeit und die mentale Stärke fördern sollen.
Die Bf. verwies zunächst darauf hin, dass sie sich anfangs in einer Erfolg versprechenden
Ausgangslage befunden habe, was die Voraussetzungen für einen ausreichenden
Zulauf an Klienten aus einem großen Patientenkreis ihres leider unerwartet im Mai 2003
verstorbenen Vaters, betroffen habe. Dieser hätte sie auch ermuntert, den Schritt in die
Selbständigkeit zu machen und geplant, mit ihr gemeinsam ein Buch zu schreiben.
Seite 13 von 15
Auch wenn für die Bf. der Tod ihres Vaters bedauerlicherweise unerwartet und zu früh
eingetreten ist, muss sie auf vorstehende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes
und des Unabhängigen Finanzsenats verwiesen werden, wonach eine Betätigung
dahingehend zu prüfen ist, ob sie typischerweise erwerbswirtschaftlich betrieben wird
oder nicht. Demzufolge wäre die Bf. gerade wegen der durch den Tod ihres Vaters
bewirkten geänderten Situation verpflichtet gewesen, bei der zukünftigen Planung ihrer
Tätigkeit streng nach erwerbswirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzugehen.
Tatsache ist jedoch, dass von Beginn der Tätigkeit an Verluste erwirtschaftet wurden
und die Bf. selbst nach dem Tod ihres Vaters keine wesentliche Änderung des
erwerbwirtschaftlichen Vorgehens setzte, um die Ertragslage zu verbessern, zumal sie die
Höhe der Ausgaben trotz geringer Einnahmen nicht wesentlich veränderte und dadurch
keinesfalls das Vorliegen einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit unter Beweis stellte.
Dass das Hoffen auf Weiterempfehlung durch andere Ärzte und das Auflegen von Folders
in diversen Arztpraxen und Apotheken nicht zum gewünschten Ergebnis führte, mag
zutreffen, trotzdem blieben, wie oben erwähnt, die jährlichen Ausgaben im Zeitraum 2003
bis 2007 zwischen ca. 11.000,00 und ca. 15.000,00 € annähernd gleich und ließ die Bf.
auch darüber hinaus eine Setzung von unbedingt notwendigen strukturverbessernden
Maßnahmen nicht erkennen. Aufwendungen für Wohnung, Fachbücher, Ausbildung und
Praxishilfsmittel machten den Großteil der Ausgaben aus und waren derart hoch, dass
eine maßgebende Änderung bei der Erwirtschaftung von Einnahmen erforderlich gewesen
wäre.
Unter Bedachtnahme auf diese Ausgabensituation und der als gering zu beurteilenden
Anzahl jährlicher Sitzungen im Ausmaß von 14 bis 44 Einheiten, muss die
beschwerdegegenständliche Tätigkeit, auch wenn sie grundsätzlich erwerbswirtschaftlich
ausgeübt werden kann, hinsichtlich ihres Umfanges als nicht erwerbswirtschaftlich
eingestuft werden.
Selbst wenn sich die Sitzungen im Laufe der Jahre schließlich verdoppelt haben und
solcherart eine Einnahmensteigerung bewirkt werden konnte, hat die Bf. auf Basis
ihrer vorgelegten Unterlagen Sitzungen an maximal fünf Tagen pro Monat abgehalten,
was den zuvor festgestellten geringen Umfang der ausgeübten Tätigkeit darlegt. Dazu
kommt, dass trotz steigender Einnahmen in den Jahren 2008, 2009 und 2010 und einer
Ausgabenverringerung im Ausmaß von ca. 30% jährlich ein Verlust und insgesamt nach
Beendigung der Betätigung ein bedeutender Gesamtverlust erzielt wurde.
Eine Gesamtbetrachtung des vorliegenden Falles legt unmissverständlich dar, dass die
Ausgaben die Einnahmen um ein Vielfaches überstiegen haben und daher keine Gewinne
zu erwarten waren.
Dazu kommt, dass die Bf. im Jahre 2005 und 2006 sowie ab dem Jahr 2007 ebenso
andere Einkünfte erwirtschaftete, was im Zusammenhang mit der festgestellten
Verlustsituation und dem fehlenden marktgerechten Verhalten ebenso die Annahme einer
Liebhabereitätigkeit nach § 1 Abs 2 LVO begründet hat.
Seite 14 von 15
Die Art der Bewirtschaftung ließ somit, wie auch das Finanzamt zutreffend festhielt, von
vornherein keinen Gesamtgewinn innerhalb eines absehbaren Zeitraumes erwarten,
sodass unabhängig von den Gründen der Beendigung jedenfalls von Liebhaberei
auszugehen war.
Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird. Das vorliegende Erkenntnis weicht nicht von den zur Liebhaberei in ständiger
Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck gebrachten Grundsätzen ab,
weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag.
Wien, am 5. November 2015
Seite 15 von 15
25.11.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
25.11.2015
Geschäftszahl
2011/13/0091
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie Senatspräsident
Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Beschwerde des J W in M, vertreten durch die Dr. Walter
Kristen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1130 Wien, Lainzer Straße 35, gegen
den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 16. Juni 2011, Zlen. RV/1302- W/08,
RV/1303-W/08, RV/1304-W/08 und RV/1305-W/08, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich
Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2000 bis 2005 sowie Umsatz- und Einkommensteuer für die
Jahre 2000 bis 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Dirigent und erklärte in den Streitjahren aus dieser Tätigkeit erzielte Entgelte
bzw. Einkünfte aus selbständiger Arbeit zur Umsatz- und Einkommensteuer.
Anlässlich der Abgabe der Steuererklärungen für das Jahr 1997 habe der Beschwerdeführer - so die
Ausführungen im angefochtenen Bescheid - dem Finanzamt Mödling in einem Schreiben vom
5. November 1999 mitgeteilt, dass er seit dem Jahr 1997 sowohl in Deutschland als auch in Österreich einen
Wohnsitz habe und damit in beiden Staaten unbeschränkte Steuerpflicht bestehe. Da wegen eines
Dienstverhältnisses in Deutschland der Mittelpunkt der Lebensinteressen Deutschland zuzuordnen sei, habe das
zuständige Finanzamt in Deutschland "vor kurzem die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland unterstellt".
In den für 1997 und die Folgejahre beim österreichischen Finanzamt eingereichten Umsatz- und
Einkommensteuererklärungen seien die Umsätze und Einkünfte aus im Inland ausgeübter Dirigententätigkeit
ausgewiesen worden. In mehreren diese Jahre betreffenden Schreiben habe der Beschwerdeführer dem
Finanzamt gegenüber erklärt, dass sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland befinde, weil er
Generalmusikdirektor eines deutschen Orchesters sei. Die Umsatz- und Einkommensteuerveranlagungen u.a. für
die Streitjahre 2000 bis 2005 seien jeweils erklärungsgemäß durchgeführt worden.
Beginnend mit September 2007 habe das Finanzamt - so die weiteren Ausführungen im angefochtenen
Bescheid - eine Außenprüfung durchgeführt. Zur Prüfung der Ansässigkeit des Beschwerdeführers sei in der
Niederschrift über die Schlussbesprechung festgehalten worden, dass wegen der engeren persönlichen
Beziehungen die Ansässigkeit in Österreich anzunehmen sei. Der Beschwerdeführer sei seit Februar 1997
geschieden gewesen, wobei die drei Kinder bei der Mutter gewohnt hätten. Im Prüfungszeitraum habe der
Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz in Bad Aussee gehabt, zusätzlich sei der Beschwerdeführer seit
28. Mai 1997 in Mödling bei seiner Managerin Mag. S, mit der er seit 12. Juli 2005 verheiratet sei, mit einem
Nebenwohnsitz gemeldet gewesen. Diese Adresse habe er auch auf seinen Steuererklärungen seit dem Jahr 1996
als Wohnanschrift angegeben. Auf den - von seiner Managerin vermittelten - Verträgen sei immer die
gemeinsame Wohnanschrift in Österreich angegeben gewesen. Die Überweisung der Honorare sei ausschließlich
auf ein Bankkonto in Österreich erfolgt. Weiters habe sich der Beschwerdeführer in den Medien als
"österreichischer Dirigent" präsentiert. Aus den Aufzeichnungen gehe ferner hervor, dass der Beschwerdeführer
seine Reisen im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit großteils von Wien bzw. Mödling aus beginne und
großteils auch wieder in Mödling beende. Auf einer Flugumbuchung finde sich auch der Vermerk seiner
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Managerin, dass der Beschwerdeführer "möglichst früh zu Hause sein möchte". Soweit aus den Belegen
ersichtlich, habe sich der Beschwerdeführer jedes Jahr über die Weihnachtsfeiertage in Österreich aufgehalten.
Sämtliche "Käufe und Reparaturen von Musikinstrumenten bzw. Einkäufe und Reinigung etwa von Fräcken"
seien in Österreich getätigt worden. Seinen Pkw habe der Beschwerdeführer am 11. Februar 2002 in Österreich
abgemeldet, am 22. Jänner 2001 habe er einen Pkw in Deutschland gekauft und dort angemeldet.
Auch bei den Betriebsausgaben und den Vorsteuerbeträgen sei seitens der Außenprüfung eine Kürzung im
Zusammenhang etwa mit geltend gemachten Kfz-Aufwendungen, den Ausgaben für Kleidungsstücke, wie
"Fräcke, Anzughosen, Mascherln und Hemden", oder "Essensrechnungen" erfolgt.
In weiterer Folge habe das Finanzamt die Wiederaufnahme der Umsatz- und Einkommensteuerverfahren
für die Jahre 2000 bis 2005 verfügt und in den wiederaufgenommenen Verfahren die Abgaben den
Feststellungen der Außenprüfung entsprechend festgesetzt. Gegen diese Bescheide vom 27. Februar 2008 habe
der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 1. April 2008 Berufung erhoben.
Nach der Wiedergabe des Ganges des Berufungsverfahrens beschäftigt sich die belangte Behörde im
Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides zunächst mit der "Wiederaufnahme und Einkommensteuer 2000
bis 2005".
Aus der Niederschrift bzw. den darin enthaltenen Feststellungen, welche das Finanzamt zur Begründung der
Wiederaufnahmsbescheide herangezogen habe, sei mit hinreichender Deutlichkeit der in Bezug auf die Frage der
Ansässigkeit als neu hervorgekommen zu beurteilende Tatsachenkomplex zu entnehmen. Den im
Verwaltungsakt einliegenden, vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers eingereichten Schriftsätzen
(beispielsweise zu den Steuererklärungen für das Jahr 1997, einer Vorhaltsbeantwortung betreffend
Einkommensteuer 1999 und einem Herabsetzungsansuchen betreffend Einkommensteuervorauszahlungen für
das Jahr 2002) seien jeweils nur die Erklärungen zu entnehmen, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen
des Beschwerdeführers in Deutschland befunden habe, weil er Generalmusikdirektor gewesen sei und auf Grund
dieses Dienstverhältnisses der Mittelpunkt der Lebensinteressen Deutschland zuzuordnen sei bzw. das deutsche
Finanzamt auf Grund der "stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen den Mittelpunkt der
Lebensinteressen in Deutschland angenommen" habe. Durch diese Erklärungen sei der Sachverhalt aber nicht so
vollständig dargestellt gewesen, dass das Finanzamt schon im Veranlagungsverfahren "bei richtiger rechtlicher
Subsumtion zu dem nunmehr gefundenen Ergebnis hätte gelangen können". Dass das Finanzamt den über die
Ansässigkeit abgegebenen Erklärungen des Beschwerdeführers ungeprüft gefolgt sei und anlässlich der
Veranlagungen keine weiteren Erhebungen über den Mittelpunkt der Lebensinteressen vorgenommen habe,
schließe die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht aus.
Das Finanzamt sei auf Grund der anlässlich der Außenprüfung neu hervorgekommenen
Sachverhaltsmomente zum Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer in Österreich ansässig gewesen sei. Die
Ansässigkeit bzw. der Mittelpunkt der Lebensinteressen seien nach Art. 16 des bis Ende 2002 anzuwendenden
Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und Deutschland BGBl. Nr. 221/1955 und ab dem
Jahr 2003 nach Art. 4 des Abkommens BGBl. III Nr. 182/2002 zu prüfen gewesen. Da der Beschwerdeführer
sowohl in Österreich als auch in Deutschland unstrittig über einen Wohnsitz bzw. über eine ständige Wohnstätte
verfügt habe, sei entscheidend, in welchem Vertragsstaat der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gelegen sei.
Die Erhebungen der Außenprüfung hätten zu Tage gebracht, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer seit dem
Jahr 1997 (dem Jahr seiner Scheidung von seiner ersten Ehefrau) auf seinen in Österreich eingereichten
Einkommensteuererklärungen angegebenen Wohnanschrift in Mödling zugleich um die Wohnanschrift seiner
späteren Ehefrau gehandelt habe. Die Prüferin habe weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Reisen
im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit großteils von Mödling aus begonnen und dort auch wieder beendet
habe. Mit seinem Berufungsvorbringen, wonach Mödling bzw. Wien als "Drehkreuz" für internationale Reisen
gedient habe, sei der Beschwerdeführer dieser Feststellung auch nicht entgegengetreten. Dies alles lasse darauf
schließen, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seiner zweiten Ehefrau bereits seit der im Jahr 1997
erfolgten Verlegung seines Wohnsitzes nach Mödling eine persönliche Bindung bestanden habe. Der in der
Berufungsverhandlung vorgebrachte Einwand, es habe sich bei Mag. S. nur um die Managerin des
Beschwerdeführers gehandelt, könne angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz
unmittelbar nach seiner Scheidung in die Wohnung der von ihm später geehelichten Managerin verlegt und dort
"unstrittig auch tatsächlich gewohnt hat bzw. er sich dort, zumal er seinen Flügel ebenfalls in diese Wohnung
mitgenommen hat, offenkundig auch eingerichtet und damit dort, da er den Flügel bei seinen selbständigen
Einkünften abgesetzt hat, auch Aktivitäten im Rahmen seiner Einkünfte entfaltet hat", nicht überzeugen. Ob
auch eine "Wirtschaftsgemeinschaft" bestanden habe, könne dahingestellt bleiben, weil nach den vorliegenden
Verhältnissen jedenfalls eine in Österreich angesiedelte Gestaltung der privaten Lebensumstände zu erkennen
sei, an die für die Bestimmung des Mittelpunktes der Lebensinteressen angeknüpft werden könne. Dass der
Beschwerdeführer im Rahmen seiner in Deutschland durchgeführten Einkommensteuerveranlagungen
Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung abgesetzt habe und dabei, wie etwa einer Beilage zur
Erklärung für das Jahr 2004 zu entnehmen sei, Kosten für "Heimfahrten nach Wien" und Gebühren für
Telefonate mit "zum eigenen Hausstand gehörenden Angehörigen" als Werbungskosten geltend gemacht habe,
stehe mit diesem Ergebnis im Einklang. Auch der von der Außenprüfung festgestellte Vermerk von Mag. S. in
einem die Buchung eines Fluges von Warschau nach Wien betreffenden e-mail, der Beschwerdeführer wolle
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unbedingt möglichst früh zu Hause sein, sowie der von der Außenprüfung weiters aufgezeigte Umstand, dass der
Beschwerdeführer jedes Jahr die Weihnachtsfeiertage in Österreich verbracht habe, fügten sich "in dieses Bild".
Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 1997 und damit auch im Berufungszeitraum in
Österreich in einer Wohnung mit seiner späteren Ehefrau "gelebt" habe, sei ein gewichtiges Indiz dafür, dass
auch während der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Generalmusikdirektor in Deutschland die stärkeren
persönlichen Beziehungen zu Österreich bestanden hätten (auch die Reinigung der bei den Konzertauftritten
getragenen Kleidungsstücke ausschließlich in Österreich bzw. in der näheren Umgebung seines in Österreich
befindlichen Wohnsitzes deuteten auf eine schwerpunktmäßig in Österreich gelegene Gestaltung der
Lebensumstände hin). Weiters lasse die Feststellung der Außenprüfung, dass der Beschwerdeführer in
Bad Aussee über einen weiteren Wohnsitz (eine dem Beschwerdeführer im Zuge des Scheidungsvergleiches im
Jahr 1997 ins Alleineigentum übertragene Eigentumswohnung) verfügt habe, erkennen, dass stärkere persönliche
Bindungen zu Österreich bestanden hätten. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Beschwerdeführer diese
Wohnung kaum benutzt habe, stelle sie doch ein Indiz dafür dar, dass die persönlichen Lebensverhältnisse nach
Österreich ausgerichtet gewesen seien. In Deutschland habe der Beschwerdeführer mit einer aus einem Zimmer,
Küche und Nebenräumen bestehenden Wohnung lediglich eine für ein (vorübergehendes) Wohnen am
Beschäftigungsort zweckentsprechende Wohnung angemietet gehabt. Der Umstand, dass die Kinder des
Beschwerdeführers die Wohnung in Bad Aussee genutzt hätten, spreche ebenfalls nicht gegen das Bestehen einer
mit dieser Wohnung verknüpften Bindung zu Österreich. Dass die (noch minderjährigen) Kinder auch nach der
Scheidung (das Sorgerecht sei der geschiedenen Ehefrau zuerkannt worden) Zeiten in der in Österreich
befindlichen Eigentumswohnung des Beschwerdeführers zugebracht hätten, deute vielmehr auf familiäre
Beziehungen zu den Kindern auch nach der Scheidung hin. Angesichts dieser Verhältnisse sei es für die
Feststellung der stärkeren persönlichen Beziehungen nicht wesentlich, ob nach dem Berufungsvorbringen
Mag. S. "so oft wie möglich" nach Deutschland gependelt sei oder der Beschwerdeführer in Deutschland ein Kfz
angemeldet gehabt habe. Die Beziehungen zum Orchester in Deutschland seien beruflicher Natur gewesen.
Warum im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers erfolgte CD-Einspielungen von "einer
freundschaftlichen Verbundenheit mit diesem Orchester" zeugen sollten, sei nicht ersichtlich. Inwiefern die in
Deutschland ausgeübte Tätigkeit des Beschwerdeführers eine gesellschaftliche Integration notwendig gemacht
hätte, sei ebenfalls nicht einsichtig gemacht worden.
Die Bestellung zum Chefdirigenten eines Orchesters stelle zwar zweifellos einen wichtigen
Anknüpfungspunkt für die Feststellung des Ortes dar, nach dem die wirtschaftlichen Interessen orientiert seien.
Entgegen dem Vorbringen in der Berufung sei aber keine über zehn Jahre reichende Fixanstellung in
Deutschland vorgelegen. Ein anfänglicher Vertrag aus dem Jahr 1997 mit einer Dauer von drei Jahren sei in der
Folge noch zweimal in den Jahren 1999 und 2002 um drei bzw. vier Jahre verlängert worden. Schließlich sei die
Mietwohnung in Deutschland unmittelbar nach Beendigung des Engagements wieder aufgegeben worden. Eine
mehrjährige Beobachtung zeige daher, dass die Beschäftigung in Deutschland jeweils nur von kurzer Dauer
gewesen sei und die Begründung des Wohnsitzes in Deutschland nur auf die Dauer der Beschäftigung angelegt
gewesen sei, was ebenfalls darauf hindeute, dass der Lebensmittelpunkt in Österreich auch während der
Bestellung des Beschwerdeführers zum Chefdirigenten des deutschen Orchesters beibehalten worden sei. Das
zeitliche Ausmaß der Inanspruchnahme des Beschwerdeführers durch seine Tätigkeit als Chefdirigent - die
Verträge verpflichteten ihn zu einer Zusammenarbeit mit dem Orchester an 150 Tagen im Jahr - bilde ebenfalls
keine triftigen Grund dafür, abweichend von den vorherrschenden persönlichen Beziehungen zu Österreich den
Mittelpunkt der Lebensinteressen in Deutschland anzunehmen. Die Dirigententätigkeit des Beschwerdeführers
habe sich weiters keineswegs auf Deutschland beschränkt, er sei vielmehr während seines Engagements in
Deutschland bei Konzerten in zahlreichen anderen Ländern aufgetreten, beispielsweise in China, Italien,
Ägypten oder Österreich. Wie die Außenprüfung festgestellt habe, seien die entsprechenden Verträge stets unter
der Anschrift des Beschwerdeführers in Mödling abgeschlossen worden. Auch mit dem Berufungsvorbringen,
wonach Mödling als "Drehkreuz für internationale Reisen" fungiert habe, habe der Beschwerdeführer zu
erkennen gegeben, dass er seine auf selbständiger Basis ausgeübte internationale Dirigententätigkeit von
Österreich aus betrieben habe. Die Überweisung der Honorare aus dieser Tätigkeit nach den Feststellungen der
Prüferin ausschließlich auf das in Österreich unterhaltene Bankkonto und der Umstand, dass der Flügel, den der
Beschwerdeführer im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit genutzt habe, in der Wohnung in Mödling
aufgestellt gewesen sei, deuteten ebenfalls darauf hin, dass sich die wirtschaftlichen Beziehungen des
Beschwerdeführers keinesfalls nur auf Deutschland, sondern auch auf Österreich erstreckt hätten. Die aus der
nichtselbständigen Beschäftigung in Deutschland erzielten Einkünfte des Beschwerdeführers hätten sich in den
Jahren 2000 bis 2005 insgesamt auf zwischen 57 % und 64 % seiner Gesamteinkünfte belaufen. Die Höhe der
aus der Tätigkeit als Generalmusikdirektor in Deutschland erzielten Einkünfte sei daher im Vergleich zu den
sonstigen, vom Unternehmensort Mödling aus erzielten Dirigenteneinkünften nicht derart "überragend, dass die
auf Grund dieser Tätigkeit begründeten wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland entscheidend für die
Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen" des Beschwerdeführers sein könnten. Da die persönlichen
Beziehungen des Beschwerdeführers eindeutig in Österreich angesiedelt gewesen seien, die wirtschaftlichen
Beziehungen zu Deutschland nur ein geringes Übergewicht zeigten und zudem wirtschaftlichen Betätigungen im
Leben eines Menschen nur eine weitergehenden Zwecken dienende Funktion zukomme, sei davon auszugehen,
dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers auch während seiner Tätigkeit als
Generalmusikdirektor in Österreich gelegen gewesen sei.
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Zu dem zur verfügten Wiederaufnahme erfolgten Einwand, die Finanzbehörde "sei in Kenntnis des
Doppelwohnsitzes seit rund 10 Jahren untätig geblieben", sei darauf hinzuweisen, dass das Finanzamt dem
Beschwerdeführer keine Auskunft zu seiner steuerlichen Ansässigkeit erteilt und ihn damit auch nicht zu einer
bestimmten Vorgangsweise verhalten habe. Dass das Finanzamt den in Bezug auf seine Ansässigkeit gemachten
Angaben des Beschwerdeführers ungeprüft gefolgt sei, stehe einer späteren abweichenden Beurteilung nicht
entgegen. Der Einwand einer mangelnden Rückerstattbarkeit der in Deutschland entrichteten Einkommensteuer
zeige ebenfalls keine gegen die Verfügung der Wiederaufnahme sprechende Unbilligkeit auf.
Den Feststellungen der Außenprüfung - so die belangte Behörde im Rahmen der Begründung zur
Abziehbarkeit strittiger Betriebsausgaben -, wonach der Beschwerdeführer auch Ausgaben für "Fräcke,
Anzughosen, Mascherln und Hemden" abgesetzt habe, habe der Beschwerdeführer entgegengehalten, dass der
Frack eines Dirigenten typische Berufskleidung darstelle und der Verschleiß auf Grund des täglichen Einsatzes
höher als üblich sei. Diesem Vorbringen könne die belangte Behörde nicht folgen, weil es sich auch bei einem
Frack um normale bürgerliche Bekleidung handle, wofür das Abzugsverbot auch dann gelte, wenn die Kleidung
ausschließlich bei der Berufsausübung getragen werde oder allgemein ein beruflich bedingter erhöhter
Bekleidungsaufwand vorliege.
Zur "Wiederaufnahme und Umsatzsteuer 2000 bis 2005" wird im angefochtenen Bescheid schließlich
ausgeführt, bei der Kürzung der abzugsfähigen Vorsteuern in den Jahren 2000 bis 2005 laut der Niederschrift zur
Betriebsprüfung habe es sich um jene Beträge gehandelt, die auf die als nicht abzugsfähig festgestellten
Betriebsausgaben entfallen seien. Im Rahmen der Ermessensübung sei zwar auch zu beachten, ob die
steuerlichen Auswirkungen geringfügig seien. Die gesamte Umsatzsteuernachforderung für die (sechs)
Streitjahre von rund 600 EUR sei allerdings weder absolut noch relativ als geringfügig zu bezeichnen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung
einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
In der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer u.a. im Recht "auf rechtsrichtige Anwendung des
Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen, insbesondere in Hinblick auf
die Feststellung des Mittelpunktes der Lebensinteressen verletzt".
Der Beschwerdefall umfasst die Einkommensteuer der Jahre 2000 bis 2005 und fällt damit in den
Anwendungsbereich zweier Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit Deutschland.
Zum "Doppelwohnsitz" bestimmte Art. 16 des einschließlich des Jahres 2002 anzuwendenden DBADeutschland, BGBl. Nr. 221/1955 idF BGBl. Nr. 361/1994, dass in diesen Fällen, soweit sich das
Besteuerungsrecht nach dem Wohnsitzstaat richtet, der Wohnsitz maßgebend ist, zu dem die stärksten
persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Wenn dies nicht
festzustellen ist, werden sich die Finanzbehörden der Vertragsstaaten nach Art. 21 verständigen.
Art. 4 des ab 2003 wirksam gewordenen DBA-Deutschland, BGBl. III Nr. 182/2002, enthält Regelungen
über die "Ansässige Person". Nach Art. 4 Abs. 1 bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige
Person" eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen
Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist. Ist nach
Art. 4 Abs. 1 eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, gilt gemäß Art. 4 Abs. 2 Folgendes:
a) Die Person gilt als nur in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie
in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie nur in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren
persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);
b) kann nicht bestimmt werden, in welchem Staat die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder
verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als nur in dem Staat ansässig, in dem
sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;
c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als
nur in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist;
d) ist die Person Staatsangehöriger beider Staaten oder keines der Staaten, so werden sich die zuständigen
Behörden der Vertragsstaaten bemühen, die Frage in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass der
Beschwerdeführer in den Streitjahren sowohl in Österreich als auch in Deutschland über einen Wohnsitz bzw.
eine "ständige Wohnstätte" verfügte. Strittig ist allein die Feststellung des Mittelpunktes der Lebensinteressen.
Für die Beurteilung der Frage, an welchem Ort (in welchem Staat) der Steuerpflichtige die engeren
persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat, ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag
gibt (vgl. z.B. Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar § 1 EStG 1988 Tz 9). Wirtschaftlichen
Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter
persönlichen Beziehungen sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden
Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 22. März 1991,
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90/13/0073, zur Auslegung des Art. 16 DBA-Deutschland). Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen
sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung
persönlicher Interessen und Neigungen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Februar 2008, 2005/15/0135), aber
auch Verbindungen zu Sachgesamtheiten, wie Privatsammlungen, die Mitgliedschaft in Vereinen und andere
soziale Engagements (vgl. das Erkenntnis vom 25. Juli 2013, 2011/15/0193, mwN). Die stärkste persönliche
Beziehung besteht im Regelfall zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt. Diese Annahme
setzt die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen
zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen voraus (vgl. nochmals das
Erkenntnis vom 22. März 1991, 90/13/0073, mwN).
Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von
Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine
zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für
die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. wiederum das Erkenntnis vom 25. Juli 2013, 2011/15/0193, mwN),
wobei die Beurteilung anhand objektiv feststellbarer Umstände vorzunehmen ist (vgl. das Erkenntnis vom
22. März 1991, 90/13/0073).
Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse
eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. Philipp/Loukota/Jirousek,
Internationales Steuerrecht, Z 4 Tz 11).
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1997 ein
Auslandsdienstverhältnis in Deutschland (mit Wohnsitznahme in Deutschland) angetreten hat, das - trotz
befristeter, jeweils aber verlängerter Verträge - über 10 Jahre gedauert hat. Damit lag entsprechend der
geforderten Gesamtbetrachtung insgesamt ein Zeitraum vor, der von seiner Dauer entgegen der im
angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht nicht mehr ein Indiz für ein Bestehen des Mittelpunktes der
Lebensinteressen in Österreich bildete. Der Befristung von Verträgen kommt außerdem keine wesentliche
Bedeutung zu, wenn diese erfahrungsgemäß immer wieder verlängert werden (vgl. in diesem Sinne auch Beiser,
Doppelwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen im zwischenstaatlichen Steuerrecht, ÖStZ 1989, 241 ff
(244), sowie beispielsweise die beiden Erkenntnisse vom 26. April 1977, 1841/75 und 1828/75, ÖStZB 1977,
244).
Die belangte Behörde hat zwar ein "Übergewicht" der wirtschaftlichen Beziehungen des Beschwerdeführers
zu Deutschland eingeräumt, dieses allerdings nur als "gering" bezeichnet. Der in der Beschwerde vorgetragenen
Kritik an dieser Bewertung (so habe der Beschwerdeführer laut Beschwerde nur 4 % bis 9 % der
Gesamteinkünfte in den Jahren 2000 bis 2005 aus selbständiger Tätigkeit als Dirigent in Österreich erzielt,
wobei er sich dazu - auch nicht durchgehend, sondern über das ganze Jahr verteilt - nur rund 14 bis maximal
30 Tage in Österreich aufgehalten habe) kommt Berechtigung zu.
Die belangte Behörde kommt nämlich zu einem Anteil von "zwischen 57 % und 64 %" der aus der
nichtselbständigen Tätigkeit in Deutschland erzielten Einkünfte an den jährlichen Gesamteinkünften des
Beschwerdeführers deshalb, weil sie sämtliche Auslandsauftritte des Beschwerdeführers als Dirigent (u.a. in
China, Italien oder Ägypten) seinem "Unternehmensort Mödling" zuordnete. Dabei lässt die belangte Behörde
aber außer Acht, dass sich in Mödling unstrittig auch der Sitz der Künstleragentur von Mag. S. befand, die nach
den Feststellungen der Betriebsprüfung beispielsweise die Konzertverträge vermittelte. Der Aufenthalt am
Wohnort der Managerin wird im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen mit der mit dieser bestehenden
persönlichen Beziehung des Beschwerdeführers begründet. Dass es sich bei der Tätigkeit eines freiberuflich
tätigen Dirigenten selbst um eine örtlich gebundene Tätigkeit in der Form handelte, dass zu ihrer Ausübung der
Aufenthalt in Mödling notwendig gewesen wäre, hat auch die belangte Behörde offenbar nicht angenommen
(und ist auch durch den Hinweis auf den in der Wohnung in Mödling vorhandenen Flügel nicht evident). Mit der
Zuordnung sämtlicher Auslandsauftritte des Beschwerdeführers als Dirigent im Rahmen der Prüfung der
wirtschaftlichen Beziehungen zu einem "Unternehmensort" Mödling hat die belangte Behörde somit in Wahrheit
die persönlichen Beziehungen des Beschwerdeführers zu seiner Managerin (und damit zum Wohnort in
Österreich) auch im Rahmen der wirtschaftlichen Beziehungen als maßgebend erachtet und solcherart in
unzulässiger Weise doppelt berücksichtigt.
Damit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid bereits im Rahmen der Prüfung der
wirtschaftlichen Beziehungen und somit auch des Bestehens ausschlaggebender beruflicher Gründe für eine
stärkere Bindung des Beschwerdeführers an den Ort seiner nichtselbständigen Tätigkeit als
Generalmusikdirektor in Deutschland (die unstrittig u.a. mit vertraglichen Anwesenheitspflichten am Ort des
Orchesters verbunden war; die Verträge verpflichteten den Beschwerdeführer beispielsweise zu einer
Zusammenarbeit mit dem Orchester an zumindest 150 Tagen pro Jahr) mit Rechtswidrigkeit belastet.
Soweit die belangte Behörde im Übrigen zu "vorherrschenden persönlichen Beziehungen" des
Beschwerdeführers zu Österreich "familiäre Beziehungen" des Beschwerdeführer zu seinen in Österreich
lebenden Kindern aus erster Ehe ins Spiel bringt, wird dadurch noch keine ins Gewicht fallende persönliche
Bindung zu Österreich plausibel, zumal die belangte Behörde ein gemeinsames Wohnen mit diesen Kindern, für
die seiner geschiedenen Ehefrau das Sorgerecht zugesprochen war, nicht festgestellt hat. Eine gemeinsame
Haushaltsführung mit der am Wohnsitz (dem "Nebenwohnsitz" des Beschwerdeführers) in Mödling lebenden
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Verwaltungsgerichtshof
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Managerin geht außerdem aus dem angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht hervor. Vom Vorliegen einer
Wirtschaftsgemeinschaft mit Mag. S. ging die belangte Behörde offenbar selbst nicht aus, die im angefochtenen
Bescheid zudem nicht dem Berufungsvorbringen entgegentrat, wonach die spätere Ehefrau "so oft wie möglich
nach Deutschland gependelt" sei. Aus der Anschaffung oder der Reinigung von bei Konzertauftritten getragenen
Kleidungsstücken lässt sich noch kein "gemeinsames Wohnen" ableiten, zumal nach dem unbestrittenen
Beschwerdevorbringen durch die in der Berufungsverhandlung vorgelegten Kalender des Beschwerdeführers für
die Jahre 2000 bis 2005 auch die Tatsache bestätigt worden sei, dass der Beschwerdeführer "über 90 % des
Jahres in Deutschland oder auf Konzertreisen außerhalb Österreichs" verbracht habe. Da es zur Beurteilung des
Mittelpunktes der Lebensinteressen auf objektiv feststellbare Umstände ankommt, ist die Angabe etwa von
"Heimfahrten nach Wien" in einer deutschen Steuererklärung ebenfalls nicht von wesentlicher Bedeutung.
Die Annahme des Mittelpunktes der Lebensinteressen erweist sich damit nicht tragfähig begründet, weshalb
der angefochtene Bescheid hinsichtlich Wiederaufnahme und Einkommensteuer 2000 bis 2005 schon deshalb
aufzuheben war.
Strittig ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren weiters in allen Streitjahren sowohl ertrag- als auch
umsatzsteuerrechtlich die Versagung des Betriebsausgaben- und des Vorsteuerabzuges in Bezug auf die
Ausgaben des Beschwerdeführers für die für seine Dirigententätigkeit benötigten Fracks. Ein Abzug dieser
Aufwendungen komme nach Ansicht der belangten Behörde nicht in Betracht, weil es sich dabei um Ausgaben
für "normale bürgerliche Kleidung" gehandelt habe.
Aufwendungen für Bekleidung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar, auch wenn
die Kleidung tatsächlich nur in der Arbeitszeit getragen wird, wenn es sich dabei um bürgerliche Kleidung und
nicht um typische Berufskleidung handelt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. April 2007, 2006/14/0036,
VwSlg 8228/F, mwN). Entscheidend ist, dass sich die beruflich verwendete Bekleidung ihrer objektiven
Beschaffenheit nach unstrittig nicht von einer solchen Bekleidung unterscheiden lässt, wie sie üblicherweise im
Rahmen der privaten Lebensführung Verwendung findet. Mit der Begrenzung auf typische Berufskleidung soll
der Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug auf solche Bekleidung beschränkt werden, bei der
offensichtlich ist, dass sie im Wesentlichen nur für die berufliche Verwendung geeignet ist, und damit ein
Konnex zur privaten Lebensführung und zur privaten Bekleidung von vornherein ausscheidet; dabei ist auch auf
geänderte Lebensgewohnheiten Bedacht zu nehmen (vgl. das Erkenntnis vom 23. April 2002, 98/14/0219,
VwSlg 7704/F).
Dass Fracks - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift anmerkt - auch bei "privaten Anlässen wie etwa
Ballbesuchen" Verwendung finden könnten, ändert nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nichts daran,
dass sich dieses Bekleidungsstück seiner objektiven Beschaffenheit nach - auch mit Rücksicht auf geänderte
Lebensgewohnheiten - von solcher Bekleidung unterscheidet, wie sie üblicherweise im Rahmen der privaten
Lebensführung Verwendung findet. Mit dessen Zuordnung zur so genannten "bürgerlichen Bekleidung" hat
damit die belangte Behörde die Rechtslage verkannt (vgl. in diesem Sinne auch Doralt, EStG13, § 16 Tz 220,
Stichwort "Kleidung" unter "Einzelfälle" zum Frack eines Kellners, mwN).
Der angefochtene Bescheid war damit insgesamt wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit nach § 42 Abs. 2
Z 1 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der
VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 25. November 2015
www.ris.bka.gv.at
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GZ. RV/7104463/2014
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Radschek in der
Beschwerdesache Bf., W, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom
27.11.2013, St.Nr., betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2012 zu
Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) machte in seiner Erklärung zur
ArbeitnehmerInnenveranlagung 2012 Werbungskosten in Höhe von 3.780,00 EUR
geltend. Im Rahmen des vom Finanzamt durchgeführten Ermittlungsverfahren gab er
bekannt, dass es sich hierbei um Zahlungen an die Justizanstalt gehandelt habe.
Mit Schreiben vom 10.10.2013 wurde der Bf. aufgefordert, die beantragten Aufwendungen
belegmäßig nachzuweisen, eine Aufstellung zu übermitteln und seine berufliche Tätigkeit
darzustellen.
In Beantwortung dieses Schreibens gab der Bf. bekannt, dass er keinen belegmäßigen
Nachweis dieser Kosten übermitteln könne, da die Beträge durch die Justizanstalt
eingezogen würden, und reichte eine Aufstellung seiner Zahlungen nach. Hinsichtlich
seiner beruflichen Tätigkeit führte er aus, er sei "Mädchen für alles", er unterstütze die
TrainerInnen bei der Betreuung von KursteilnehmerInnen, bereite Schulungs-PCs und
Schulungsunterlagen vor, erkläre Schulungsprogramme, führe Beratungsgespräche und
erstelle Kostenvoranschläge, reinige die Schulungsplätze, fertige Teilnahmebetätigungen
aus und erledige diverse "Sekretariatsaufgaben" wie bspw. Telefonate, E-Mails etc.
Im Einkommensteuerbescheid 2012 blieben die genannten Werbungkosten mit der
Begründung unberücksichtigt, Zahlungen an die Justizvollzugsanstalt stellten keine
Werbungskosten im Sinne des EStG 1988 dar.
In der fristgerecht eingebrachten nunmehr als Beschwerde zu behandelnden Berufung
beantragte der Bf., die genannten Zahlungen als Werbungskosten zu berücksichtigen,
da er diese zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung seiner steuerpflichtigen Einnahmen
habe leisten müssen. Um überhaupt ein Einkommen erwerben zu können, habe er diese
Zahlungsvereinbarung mit der Justizanstalt treffen müssen. Ohne diese hätte er kein
Einkommen und die Finanzbehörde auch keine Steuereinnahmen gehabt.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 31. März 2014 wies die belangte Behörde die
Beschwerde mit der Begründung, Kosten, die sich aus dem Strafvollzug ergäben, stellten
keine Werbungskosten dar, als unbegründet ab.
Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag führte der Bf. aus, Werbungskosten seien
beruflich veranlasste Aufwendungen oder Ausgaben, die objektiv in Beziehung mit
einer nichtselbständigen Tätigkeit stünden und subjektiv zur Erwerbung, Sicherung oder
Erhaltung der Einnahmen geleistet würden, oder den Steuerpflichtigen unfreiwillig treffen
würden.
Dies alles treffe auf die von ihm geltend gemachten Kosten zu und habe im Prinzip
nicht wirklich mit dem Strafvollzug zu tun. Der Bf. sei gezwungen gewesen, zur
Erwerbung und Sicherung seiner Einnahmen diese Kosten zu übernehmen, andernfalls
hätte er kein Einkommen erwerben können. Um überhaupt eine nichtsselbständige
Tätigkeit aufnehmen und dadurch Einkommen erwerben und erhalten zu können,
habe er sich verpflichten müssen, die in Frage kommenden Kosten abzuführen. Somit
hätten sich diese Kosten nicht aus dem Strafvollzug sondern aus der Aufnahme eines
Beschäftigtenverhältnisses ergeben.
Im Rahmen des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens stellte
sich heraus, dass der Bf. als Strafgefangener um die Bewilligung eines elektronisch
überwachten Hausarrests angesucht habe und es sich bei den geltend gemachten
Werbungskosten um die im Rahmen der Genehmigung dieses Antrages festgesetzten
Zahlungen an die Justizanstalt handelt.
Das Finanzamt legte die Beschwerde an das Bundefinanzgericht zur Entscheidung
vor und beharrte im Vorlagebericht darauf, dass die geltend gemachten Kosten
ursächlich in der vom Bf. beantragten Strafvollzugsform begründet seien, die ohne diese
Kostenersätze nicht möglich gewesen wäre.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Der Bf. verbüßte im Jahr 2012 eine ihm auferlegte Freiheitsstrafe, die durch elektronisch
überwachten Hausarrest vollzogen wurde. Als Voraussetzung für die Genehmigung
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dieser Art des Strafvollzuges musste er einer nichtselbständigen Tätigkeit nachgehen.
Er erzielte dementsprechend während seiner Strafzeit Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit. An Kosten des elektronisch überwachten Hausarrests wurden für das Jahr 2012
von der Justizanstalt per Einziehungsauftrag insgesamt 3.812,70 EUR von seinem Konto
eingezogen.
Dieser Sacherhalt ergibt sich aus den vom Bf. im Rahmen des Beschwerdeverfahrens
vorgelegten Unterlagen und ist nicht strittig. Er ist folgendermaßen rechtlich zu würdigen:
Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur
Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften
Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst
wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich
bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Das Bundesgesetz vom 26. März 1969 über den Vollzug der Freiheitsstrafen und der
mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen (Strafvollzugsgesetz StVG.)sieht für den Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest Folgendes
vor:
"Grundsätze des Strafvollzugs durch elektronisch überwachten Hausarrest
§ 156b. (1) Der Vollzug der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests
bedeutet, dass der Strafgefangene sich in seiner Unterkunft aufzuhalten, einer
geeigneten Beschäftigung (insbesondere einer Erwerbstätigkeit, einer Ausbildung,
der Kinderbetreuung, gemeinnütziger Arbeit oder einer vergleichbaren der
Wiedereingliederung dienenden Tätigkeit) nachzugehen und sich angemessenen
Bedingungen seiner Lebensführung außerhalb der Anstalt (Abs. 2) zu unterwerfen
hat. Dem Strafgefangenen ist es untersagt, die Unterkunft außer zur Ausübung seiner
Beschäftigung, zur Beschaffung des notwendigen Lebensbedarfs, zur Inanspruchnahme
notwendiger medizinischer Hilfe oder aus sonstigen in den Bedingungen genannten
Gründen zu verlassen. Er ist durch geeignete Mittel der elektronischen Aufsicht zu
überwachen und soweit zu betreuen, als dies zur Erreichung des erzieherischen
Strafzwecks erforderlich ist.
(2) Die Bedingungen sollen eine den Zwecken des Strafvollzugs dienende Lebensführung
sicherstellen und insbesondere die in der Unterkunft zu verbringenden Zeiten sowie die
Beschäftigungszeiten, welche tunlichst der Normalarbeitszeit zu entsprechen haben,
festlegen. Die Bundesministerin für Justiz ist ermächtigt, durch Verordnung Richtlinien für
die Gestaltung der Bedingungen der Lebensführung außerhalb der Anstalt sowie über die
Art und die Durchführung der elektronischen Überwachung, einschließlich der Festlegung
jener Justizanstalten, die über Einrichtungen zur elektronischen Aufsicht zu verfügen
haben, zu erlassen.
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(3) Der Strafgefangene hat die mit Verordnung der Bundesministerin für Justiz
festzusetzenden Kosten des elektronischen Hausarrests zu ersetzen. Diese Verpflichtung
entfällt, soweit durch ihre Erfüllung der zu einer einfachen Lebensführung notwendige
Unterhalt des Strafgefangenen und der Personen, zu deren Unterhalt er verpflichtet
ist, gefährdet wäre. Die Kosten sind monatlich im Nachhinein bis zum Fünften des
Folgemonats zu entrichten. Die Verpflichtung zum Kostenersatz bildet einen gesonderten
Ausspruch der Bewilligung (§ 156d Abs. 2).
(4) Die §§ 1 bis 3, 4 bis 20, 22, 26, 27, 30 Abs. 1, 32a, 35, 36 Abs. 1, 64 Abs. 2 letzter
Satz, 72, 99, 99a, 102 Abs. 1, 102a, 103 Abs. 4 bis Abs. 6, 104 bis 106, 107, 108, 109
Z 1, 4 und 5, 110, 113 bis 116a, 118, 119 bis 122, 123, 126 Abs. 2 Z 4, 133, 144 Abs. 2,
145, 146 Abs. 1, 147, 148, 149 Abs. 1, Abs. 4 und Abs.5, 152, 152a, 153, 154 Abs. 2, 156
Abs. 1 erster Satz, 156a, 179, 179a, 180 und 180a gelten sinngemäß.
Bewilligung und Widerruf
§ 156c. (1) Der Vollzug einer zeitlichen Freiheitsstrafe in Form des elektronisch
überwachten Hausarrests ist auf Antrag des Strafgefangenen oder auf Grund eines schon
vor Strafantritt zulässigen Antrags des Verurteilten zu bewilligen, wenn
1. die zu verbüßende oder noch zu verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteigt
oder nach sinngemäßer Anwendung des § 145 Abs. 2 voraussichtlich nicht übersteigen
wird,
2. der Rechtsbrecher im Inland
a. über eine geeignete Unterkunft verfügt,
b. einer geeigneten Beschäftigung nachgeht,
c. Einkommen bezieht, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann,
d. Kranken- und Unfallversicherungsschutz genießt,
3.die schriftliche Einwilligung der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen
vorliegt,
und
4. nach Prüfung der Wohnverhältnisse, des sozialen Umfelds und allfälliger Risikofaktoren
sowie bei Einhaltung der Bedingungen (§ 156b Abs. 2) anzunehmen ist, dass der
Rechtsbrecher diese Vollzugsform nicht missbrauchen wird.
(1a) Wurde der Rechtsbrecher wegen einer strafbaren Handlung nach den §§ 201,
202, 205, 206, 207, 207a oder 207b StGB verurteilt, so kommt ein Vollzug in Form
des elektronisch überwachten Hausarrests nicht in Betracht, bevor die zeitlichen
Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 StGB erfüllt sind, im Übrigen und wenn der Täter wegen
einer anderen im § 52a Abs. 1 StGB genannten strafbaren Handlung verurteilt wurde, nur
dann, wenn aus besonderen Gründen Gewähr dafür geboten ist, dass er den elektronisch
überwachten Hausarrest nicht missbrauchen werde.
(2) Die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest ist zu widerrufen, wenn
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1. eine für ihre Anordnung notwendige Voraussetzung wegfällt, wobei § 145 Abs. 3
sinngemäß gilt,
2. der Strafgefangene eine Anordnung oder eine ihm auferlegte Bedingung entweder in
schwerwiegender Weise oder trotz einer förmlicher Mahnung nicht einhält,
3. der Strafgefangene länger als einen Monat mit der Zahlung des Kostenbeitrags
in Verzug ist, wobei eine neuerliche Bewilligung nicht in Betracht kommt, bevor der
rückständige Kostenbeitrag entrichtet worden ist,
4. der Strafgefangene erklärt, die Bedingungen nicht mehr einhalten zu können, oder
5. gegen den Strafgefangenen der dringende Verdacht besteht, eine vorsätzliche
gerichtlich strafbare Handlung während des elektronisch überwachten Hausarrests oder
eine vorsätzliche oder fahrlässige gerichtlich strafbare Handlung, deren Aburteilung nach
Abs. 1 Z 4 einer Bewilligung des Strafvollzugs durch elektronisch überwachten Hausarrest
entgegenstehen würde, begangen zu haben oder sich dem weiteren Strafvollzug
entziehen zu wollen.
Zuständigkeit und Verfahren
§ 156d. (1) Die Entscheidungen über die Anhaltung im elektronisch überwachten
Hausarrest und den Widerruf stehen dem Leiter jener Anstalt zu, die im Sprengel des
Landesgerichtes liegt, in dem auch die Unterkunft des Strafgefangenen oder Verurteilten
gelegen ist, und die über Einrichtungen zur elektronischen Überwachung verfügt
(Zielanstalt). Ist die Zielanstalt nicht die Anstalt, in der die Freiheitsstrafe im Zeitpunkt der
Antragstellung vollzogen wird oder in der sie anzutreten wäre, so wird sie mit Rechtskraft
der die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest bewilligenden Entscheidung
Strafvollzugsort. § 135 Abs. 2 erster Satz letzter Halbsatz und zweiter Satz sowie Abs. 3
ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Zugleich mit der Bewilligung des Vollzugs der Strafe in Form des elektronisch
überwachten Hausarrests sind dem Strafgefangenen die Bedingungen seiner
Lebensführung außerhalb der Anstalt (§ 156b Abs. 2) sowie der von ihm zu entrichtende
Betrag des Kostenersatzes (§ 156b Abs. 3) aufzuerlegen und ihm erforderlichenfalls
Betreuung durch eine in der Sozialarbeit erfahrene Person (§ 29c Bewährungshilfegesetz
in der Fassung BGBl. I Nr. 64/2010) zu gewähren.
(3) Wurde der Rechtsbrecher wegen einer im § 52a Abs. 1 StGB genannten strafbaren
Handlung verurteilt, so ist vor der Entscheidung zur Prüfung der Voraussetzungen
des § 156c Abs. 1 Z 4 eine Äußerung der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für
Gewalt- und Sexualstraftäter einzuholen und einem Opfer einer solchen strafbaren
Handlung, das eine Verständigung nach § 149 Abs. 5 beantragt hat, unbeschadet des
§ 156c Abs. 1 Z 3 Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ein solches Opfer ist von der
Bewilligung des Vollzugs der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests zu
verständigen. Für die Wahrnehmung dieser Antrags- und Anhörungsrechte hat das Opfer
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einer im § 52a Abs. 1 StGB genannten strafbaren Handlung Anspruch auf psychosoziale
Prozessbegleitung in sinngemäßer Anwendung des § 66 Abs. 2 StPO.
(4) Kann über den Antrag eines Verurteilten nicht innerhalb der Frist des § 3 Abs. 2
entschieden werden, so ist die Anordnung des Strafvollzuges bis zur rechtskräftigen
Entscheidung vorläufig zu hemmen, wenn der Antrag nicht offenbar aussichtslos ist. Wird
dem Antrag stattgegeben, hat sich die Aufnahme auf die in den §§ 131 Abs. 1 sowie 132
Abs. 4 und 7 vorgesehenen Maßnahmen zu beschränken."
Gemäß § 5 Abs 1 der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über den Vollzug
von Strafen und der Untersuchungshaft durch elektronisch überwachten Hausarest
(HausarrestV) vom 31.8.2010, BGBl II Nr. 279/2010, werden die Kosten des elektronisch
überwachten Hausarrests mit 22 Euro für jeden angefangenen Kalendertag festgesetzt, an
dem Strafzeit durch elektronisch überwachten Hausarrest verbüßt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass Geldund Wertersatzstrafen in der Regel der Lebenssphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen sind
und daher keine Werbungskosten darstellen. Nur bei einem ursächlichen Zusammenhang
mit den Einkünften können Geldstrafen, die vom Nachweis eines Verschuldens
unabhängig sind (sog. Ungehorsamsdelikte) oder die auf nur geringes Verschulden
zurückzuführen sind, abzugsfähig sein (vgl. Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar,
§ 16 allgemein Tz 5.2 "Geld- und Wertersatzstrafen" und die dort angeführte Judikatur des
Verwaltungsgerichtshofes).
Auch bezüglich Strafprozesskosten (Rechts-, Beratungs- und Gerichtskosten), die mit der
Verübung einer strafbaren Handlung oder Unterlassung zusammenhängen, vertritt der
Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass diese regelmäßig
Aufwendungen für die Lebensführung darstellen. Die Auffassung, dass eine Bestrafung
und somit auch ein Strafverfahren niemals in die betriebliche Sphäre eines Unternehmens
fallen können, sondern immer der privaten Sphäre angehören müssen, wäre aber zu
eng. Unter Umständen kann ein so enger Zusammenhang einer strafbaren Handlung
oder Unterlassung mit der betrieblichen Sphäre bestehen, dass die aus dieser Handlung
oder Unterlassung entspringenden Kosten und Strafen als durch den Betrieb veranlasst
und somit als Betriebsausgaben angesehen werden müssen. Der VwGH hat in diesem
Zusammenhang in ständiger Rechtsprechung Strafprozesskosten (nur) dann zum Abzug
als Betriebsausgaben zugelassen, wenn der Angeklagte von einer ausschließlich aus
seiner betrieblichen Tätigkeit heraus erklärbaren Tat deshalb freigesprochen wurde,
weil ihm die betreffende Straftat nicht anzulasten, der diesbezügliche Verdacht nach
den Urteilsfeststellungen also zu Unrecht erhoben wurde. Ein Freispruch aus anderen
Gründen - etwa wegen Verjährung - steht dem Abzug als Betriebsausgaben entgegen
(vgl. Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 20 Tz 5 "Prozesskosten" und die dort
wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Gleiches muss wohl auch für die Kosten des Strafvollzuges gelten. Dabei darf nicht
übersehen werden, dass Strafen, die durch eigenes Verschulden ausgelöst worden
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sind, in der Regel nicht in den Rahmen einer ordnungsgemäßen Betriebsführung
bzw. Tätigkeit fallen und daher nicht abzugsfähig sind, denn es geht nicht an, eine Strafe
durch steuerliche Berücksichtigung als Abzugspost zumindest teilweise um ihre Wirkung
zu bringen (vgl. Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 20 Tz 5 "Strafen und
Wertersätze").
Der Bf. zeigt selbst keinen Zusammenhang zwischen der von ihm verbüßten
Freiheitsstrafe und seiner beruflichen Tätigkeit auf, wobei im Hinblick darauf, dass die
von ihm begangene Tat mit einer Freiheitsstrafe geahndet wurde, im Sinne der obigen
Ausführungen ohnehin nicht davon auszugehen ist, dass die Straftat im Rahmen einer
ordnungsgemäßen Betriebsführung begangen worden sein kann. Die genannten
Strafvollzugskosten stellen daher Aufwendungen der privaten Lebensführung dar.
Wenn der Bf. argumentiert, ohne Leistung dieser Kosten hätte er keiner nichtselbständigen
Tätigkeit nachgehen und daher auch keine Einnahmen erzielen können, so ist dem
entgegenzuhalten, dass auch viele andere Aufwendungen der privaten Lebensführung
- wie bspw. für Nahrung, Kleidung, Körperpflege, etc. - unerlässlich für die Ausübung
einer beruflichen Tätigkeit sind, und zweifellos dem Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 2
lit a EStG 1988 unterliegen.
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des
Bundesfinanzgerichtes nur zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage
abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis
von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche
Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die im gegenständlichen Fall zu klärende Rechtsfragedarin besteht darin, ob Kosten des
in Form des elektronisch überwachten Hausarrests durchgeführten Strafvollzuges im
Rahmen der vom Bf. ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit als Werbungskosten
abgezogen werden können. Da zu dieser Frage explizit keine Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, wird die Revision zugelassen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 18. Mai 2015
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GZ. RV/3100919/2010
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. D in der Beschwerdesache
BF, Anschrift, vertreten durch Vertreter, gegen die Bescheide des
FA Kufstein Schwaz vom 19. Juni 2009 betreffend einheitliche und
gesonderte Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO sowie betreffend
Umsatzsteuer jeweils für die Jahre 2005 bis 2007 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Höhe der Einkünfte sowie die auf die Beteiligten entfallenden Beträge
und der Bemessungsgrundlagen für die Umsatzsteuer sowie die darauf
entfallende Umsatzsteuer ist den zwei beiliegenden Berechnungsblättern
zu entnehmen, die einen Spruchbestandteil dieses Erkenntnisses bilden.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art.
133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG wurde mit 1. Jänner 2014 der Unabhängige
Finanzsenat aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des
31. Dezember 2013 bei dieser Behörde anhängigen Verfahren ging auf das
Bundesfinanzgericht über.
Die streitgegenständlichen beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter
Instanz am 31. Dezember 2013 bereits anhängigen Berufungen sind daher gemäß § 323
Abs. 38 BAO vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130. Abs 1 B-
VG zu erledigen. Im folgenden Text wird bereits die der neuen Rechtslage entsprechende
Terminologie verwendet.
1.) Die beschwerdeführende Miteigentumsgemeinschaft (Ehepaar Z ) hat im November
2001 die Gründung einer Mitbesitzgemeinschaft mit dem Unternehmenszweck Vermietung
bzw. Verpachtung beim Finanzamt Kufstein angezeigt und ließ sodann in den Jahren
2001 bis 2002 ein Ferienhaus errichten, welches in weiterer Folge vom Ehepaar Z an
deren Kinder als Ferienhaus zur gemeinsamen Nutzung vermietet wurde. Weiters lies die
Miteigentumsgemeinschaft in den Jahren 2005 und 2006 auf einem Grundstück, welches
der Sohn A von der Gemeinde B käuflich erworben hat, ein Wohnhaus sowie eine
Arztpraxis als Superädifikat errichten, welches nach Fertigstellung mit zwei gesonderten
Mietverträgen an den Sohn A vermietet wurde.
Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung durch das Finanzamt wurde die
Feststellung getroffen, dass die vom Ehepaar Z mit ihren Kindern bzw mit dem
Sohn abgeschlossenen Mietverhältnisse fremdunüblich gestaltet und somit steuerlich
unbeachtlich seien.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ mit
Ausfertigungsdatum 19. Juni 2009 gem. § 200 Abs. 2 BAO endgültige Bescheide
betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte gem. § 188
BAO sowie betreffend Umsatzsteuer jeweils für die Jahre 2001 bis 2007. Dabei
wurden in den Bescheiden betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung der
Einkünfte gem. § 188 BAO die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. in den
Umsatzsteuerbescheiden die steuerpflichtigen Lieferungen und Leistungen jeweils mit 0 €
festgestellt. Weiters wurden in den Umsatzsteuerbescheiden keine Vorsteuern zum Abzug
zugelassen.
Gegen diese Bescheide wurde von der steuerlichen Vertretung mit Schreiben vom 17.
Juli 2009 Berufung erhoben und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung (Ausfertigungsdatum 23.
September 2010) wurde mit Schreiben der steuerlichen Vertretung vom 21. Oktober
2010 der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde
zweiter Instanz gestellt, welcher in weiterer Folge dem Unabhängigen Finanzsenat zur
Entscheidung vorgelegt wurde.
Das Bundesfinanzgericht forderte die beschwerdeführende Miteigentumsgemeinschaft in
weiterer Folge auf, hinsichtlich des Gebäudes, welches den Kindern zur gemeinsamen
Nutzung als Ferienhaus überlassen wurde, einen umfangreichen Fragenvorhalt zu
beantworten.
In einem diesbezüglichen Antwortschreiben der steuerlichen Vertretung wurde das
Beschwerdebegehren sodann auf die Anerkennung der Mietverhältnisse, welche mit
dem Sohn geschlossen wurden (Vermietung des Wohnhauses und der Arztpraxis)
eingeschränkt und die Beschwerden gegen die Bescheide betreffend einheitliche und
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gesonderte Feststellung der Einkünfte sowie Umsatzsteuer jeweils für die Jahre 2000 bis
2004 zurückgezogen.
2.) Zum eingeschränkten Beschwerdebegehren betreffend die Vermietung des
Wohnhauses samt Arztpraxis lassen sich aufgrund der Aktenlage nachstehende
Sachverhaltsfeststellungen treffen:
Der Sohn der Miteigentümer ist praktischer Arzt und erwarb mit Kaufvertrag vom 25. Juli
2005 von der Gemeinde B eine Liegenschaft. In diesem Kaufvertrag wurde u.a. laut
den nachstehend wiedergegebenen Punkten IV und V ein Wiederkaufsrecht sowie ein
Vorkaufsrecht zugunsten der Gemeinde vereinbart.
„IV. Wiederkaufsrecht
Die Verkäuferin behält sich am vertragsgegenständlichen Grundstück mit Zustimmung
des Käufers …….. ein Wiederkaufsrecht vor. Dieses Wiederkaufsrecht ist
vereinbarungsgemäß grundbücherlich sicherzustellen. Dazu vereinbaren die Parteien,
dass der Käufer auf der vertragsgegenständlichen Liegenschaft eine Arztpraxis samt
Arztwohnung und entsprechende Parkflächen (insgesamt Bauwerk genannt) errichtet. Die
Fertigstellung dieses Bauwerkes hat innerhalb von fünf Jahren nach Unterfertigung des
Kaufvertrages zu erfolgen. ………….Die Gemeinde B darf von ihrem Wiederkaufsrecht
nur dann Gebrauch machen, wenn innerhalb der vereinbarten Fünfjahresfrist
a) eine Errichtung des Bauwerkes samt Fertigstellungsmeldung nicht erfolgt ist und
b) der Arzt innerhalb der genannten Frist die Arztpraxis nicht eröffnet und in Betrieb
genommen hat.
Das Wiederkaufsrecht erlischt automatisch, ohne dass es hiezu noch einer weiteren
Erklärung oder sonst irgendeines Ersuchens der Vertragsparteien bedarf:
1. in jedem Fall, wenn es nicht bis zum 30.06.2012 geltend gemacht worden ist,
2. vorher, sobald der Käufer das Bauwerk errichtet, die Fertigstellung der Baubehörde
meldet und die Arztpraxis eröffnet hat.
…………Die Verkäuferin erklärt sich damit einverstanden, dass das Bauwerk im Auftrag
und auf Rechnung eines Dritten errichtet wird (Superädifikat).………..
V. Vorkaufsrecht
Die Gemeinde B behält sich am vertragsgegenständlichen Grundstück mit Zustimmung
des Käufers …….. ein Vorkaufsrecht vor. Ein Entgelt hiefür wird nicht vereinbart. Die
grundbücherliche Sicherstellung ist vorgesehen.
Das Vorkaufsrecht wird bis zum 30.06.2020 für alle Veräußerungsarten vereinbart, mit
Ausnahme von
a) Übergang bzw. Übertragung der Liegenschaft im Erbwege,
b) Veräußerung wegen dauerhafter Erwerbsunfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit,
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c) Veräußerung an einen anderen Arzt, welcher die Ordination fortführt.
ln den Fällen b) und c) hat jedoch der Erwerber entweder das Vorkaufsrecht für die
vereinbarte Restlaufzeit zu übernehmen oder für die vereinbarte Restlaufzeit neu
einzutragen…..“
Die Gemeinde erteilte sodann aufgrund eines Bauansuchens vom 7. Juli 2005 (also
bereits vor Abschluss des schriftlichen Kaufvertrages am 25. Juli 2005) mit Baubescheid
vom 15. September 2005 die Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit
Garage und Schwimmbecken sowie angeschlossenem Ordinationsgebäude auf dem
streitgegenständlichen Grundstück, wobei im ursprünglichen Baubescheid der Sohn als
Grundstückseigentümer als Bauwerber angeführt wurde.
Dieser Bescheid wurde in weiterer Folge von der Gemeinde B insoweit amtswegig
berichtigt als darin die Eltern (also die beschwerdeführende Miteigentumsgemeinschaft)
als Bauwerber angeführt wurden. In einer bezughabenden Bestätigung der Gemeinde B
vom 10. Juli 2009 wurde ausgeführt, dass der Verkauf des Grundstückes an die Eltern aus
Gründen der Flächenwidmung (Arztpraxis und Wohnhaus) nicht möglich gewesen sei.
Weiters wurde zwischen dem Sohn A und der Miteigentumsgemeinschaft ein am 30.
September 2005 unterfertigter „Bestandsvertrag“ geschlossen. Darin wurde soweit
verfahrensgegenständlich relevant Nachstehendes vereinbart:
„PRÄAMBEL
…….Die beiden Bestandnehmer, Frau X Z und Herr Y Z beabsichtigen mit
Zustimmung des Eigentümers, Bauwerke auf der Liegenschaft zu errichten. Bauwerke, die
aufgrund dieses Bestandvertrages auf der Liegenschaft entstehen, werden in der Absicht
errichtet, dass diese Bauwerke nicht ständig dort verbleiben und Bestandteil oder Zubehör
des Grundes werden, sondern Gegenstand selbständigen Eigentums (Superädifikate).
I. Bestandobjekt
Der Bestandgeber gibt das in seinem Eigentum stehende Grundstück…..den
Bestandnehmern in Bestand und diese nehmen die Liegenschaft zum Zwecke der
Errichtung eines Bauwerkes bzw. mehrerer Bauwerke, welche aber nur in der Absicht
aufgeführt werden, dass sie nicht ständig auf der bestandgegenständlichen Liegenschaft
bleiben sollen, in Bestand…….
II. Beginn und Dauer des Bestandvertrages
1. Das Bestandverhältnis beginnt mit Unterfertigung dieses Vertrages und wird auf
unbestimmte Zeit abgeschlossen. Das Bestandverhältnis kann von beiden Vertragsteilen
zur Gänze unter Einhaltung einer 12-monatigen Kündigungsfrist zum Ende eines
jeden Kalenderjahres schriftlich per eingeschriebenen Brief aufgekündigt werden. Der
Bestandgeber verzichtet auf die Ausübung seines Kündigungsrechtes auf die Dauer von
50 Jahren ab 1.12.2005, das ist bis 30.11.2055.
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2. Der Bestandgeber erklärt sich bereits jetzt bereit, nach Ablauf des
Kündigungsverzichtes von 50 Jahren um weitere 30 Jahre auf die Kündigung diese
Vertrages zu verzichten, wenn dies die Bestandnehmer oder deren Rechtsnachfolger
im Bestandsrecht schriftlich spätestens bis 30.11.2054 verlangen. Der Bestandgeber
verpflichtet sich, im Fall einer Verlängerung des Kündigungsverzichtes einen
entsprechenden Nachtrag zu diesem Vertrag grundbuchsfähig zu unterfertigen, um
dadurch das Bestandsrecht für weitere 30 Jahre grundbücherlich sicherzustellen.
3. Dem Bestandgeber steht jedoch das Recht zu, gegenständliches Bestandsverhältnis
mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn
a) ein Bestandzinsrückstand von 12 Monatsraten trotz schriftlicher Mahnung und Setzung
einer 3-monatigen Nachfrist nicht bezahlt wird;
b) über das Vermögen der Bestandnehmer ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.
III. Bestandentgelt
…….
IV. Wertsicherung
……
V. Rechte und Pflichten
………
5. Der Bestandgeber anerkennt schon jetzt das Eigentum der beiden Bestandnehmer bzw
von den Bestandnehmern namhaft gemachten Dritten (Unterbestandnehmer) an den von
ihnen aufzuführenden Bauwerken, Superädifikaten einschließlich aller Bauwerke, die auch
unter der Erdoberfläche liegen können, und räumt daher schon jetzt den Bestandnehmern
das Recht ein, diese/dieses Superädifikat/Superädifikate zu belasten oder an dritte
Personen zu veräußern. Für den letzteren Fall verpflichtet sich der Bestandgeber, den
Erwerber des/der Superädifikates/Superädifikate oder von Teilen desselben, in diesen
Bestandvertrag neben den beiden derzeitigen Bestandnehmern allenfalls eintreten zu
lassen.
………
VII. Vorkaufsrecht
Der Bestandgeber räumt den beiden Bestandnehmern und ihren allfälligen
Rechtsnachfolgern im Bestandsrecht ein Vorkaufsrecht gem. den §§ 1072 ff ABGB an der
bestandgegenständlichen Liegenschaft bis 30.11.2055 ein. Den Bestandnehmern ist das
diesbezüglich ihnen im Grundbuchsrang vorgehende Vorkaufsrecht für die Gemeinde
B bekannt. Für den Fall, dass die Bestandnehmer oder deren Rechtsnachfolger im
Bestandrecht von ihrem Recht gemäß Punkt II 2) Gebrauch machen, gilt auch das
Vorkaufsrecht bis zum 30.11.2085. Die beiden Bestandnehmer nehmen die Einräumung
des Vorkaufsrechtes ausdrücklich an.
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…..
IX. Rückgabe des Bestandobjekte
Die Bestandnehmer sind gem. § 1109 ABGB verpflichtet nach Beendigung des
Bestandverhältnisses das Bestandsobjekt geräumt von allen Fahrnissen und somit von
den allenfalls auf dem Bestandobjekt errichteten Superädifikaten ursprünglichen Zustand
wieder herzustellen. Sollte der Bestandgeber mindestens ein Jahr vor Beendigung
des Bestandsverhältnisses schriftlich hierauf verzichten und den Weiterbestand der
Superädifikate wünschen, sind die betreffenden Gebäude und Anlagen zum halben
Zeitwert abzulösen. Der Zeitwert ist durch einen von beiden Seiten ernannten Gutachter
(allenfalls einem gerichtlich beeideten Sachverständigen) zu ermitteln. …………
X. Vorzeitige Beendigung des Bestandvertrages
Wird das Bestandverhältnis vor Ablauf von 50 Jahren vom Bestandgeber aus
Gründen, die die beiden Bestandnehmer oder deren Vertragspartner nicht zu vertreten
haben, entgegen dem abgegebenen Kündigungsverzicht aufgelöst, so erhalten die
Bestandnehmer vom Bestandgeber ihr Interesse ersetzt.
…………
Während das Vorkauf- und Wiederkaufsrecht zugunsten der Gemeinde in das Grundbuch
eingetragen wurde, wurde weder das in dem am 30. September 2005 unterfertigten
„Bestandsvertrag“ vereinbarte „Bestandsrecht“ noch das Vorkaufsrecht zugunsten der
Miteigentumsgemeinschaft in das Grundbuch einverleibt.
Nach Fertigstellung der Gebäude wurde das Wohnhaus sowie die Arztpraxis jeweils mit
gesondertem Mietvertrag von der Miteigentumsgemeinschaft (den Eltern) an deren Sohn
vermietet.
Die beiden Mietverträge sind mit Ausnahme des Mietgegenstandes sowie der Mietdauer
und des Mietentgeltes ident und weisen soweit verfahrensgegenständlich relevant
nachstehende Inhalte auf:
„PRÄAMBEL
Herr Dr. A Z ist aufgrund des Kaufvertrages …..…grundbücherlicher Alleineigentümer
der Liegenschaft in ……..mit einem Ausmaß von 1.355 m². Auf dieser Liegenschaft haften
unter C-LNr. 1 das Wiederkaufsrecht und unter C-LNr.: 2 das Vorkaufsrecht, beide für die
Gemeinde B . Diese Liegenschaft ist mit beurkundetem Bestandsvertrag vom 30.09.2005
an Frau X Z und Herrn Y Z vermietet. Auf diesem Grundstück/dieser Liegenschaft
ist aufgrund des Bauplanes …….von Frau X Z und Herrn Y Z folgendes Gebäude
errichtet worden und zwar:
Wohnhaus:
• Einfamilienwohnhaus samt Garage mit Bescheid der Gemeinde B vom 15.9.2005…..
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Arztpraxis:
• Arztpraxis mit Beschied der Gemeinde B vom 15.9.2005……
Diese/s Wohnhaus/Arztpraxis wurde von den Bauführern im eigenen Namen und auf
eigene Rechnung errichtet und stellen deren Vermögen dar. Diese Gebäude wurden in
der Absicht errichtet, dass diese nicht ständig auf der gemieteten Liegenschaft verbleiben
bzw. ein zeitlich beschränktes Nutzungsrecht vereinbart ist und nicht Eigentum der
Bestandnehmer sind. Es wird somit einvernehmlich festgehalten, dass es der gemeinsame
Wille des Bestandgebers und der beiden Bestandnehmer (laut dem beurkundeten
Bestandsvertrag vom 30.9.2005) war, die von den Bestandnehmern in ihrer Funktion als
Bauführer auf dem Grundstück ……… errichteten Gebäude als Superädifikate (im Sinne
des § 435 ABGB) herzustellen.
I. Mietobjekt
Wohnhaus:
Vermietet wird das vorgenannte Superädifakt das Einfamilienwohnhaus, …...
Arztpraxis:
Vermietet wird das vorgenannte Superädifakt die Arztpraxis im Hause……. Das
Mietobjekt besteht aus…….
II. Mietdauer
Wohnhaus:
Der Klarheit halber wird einleitend festgehalten, dass gegenständlicher Mietvertrag bereits
am 1. Jänner 2006 (zweitausendsechs) mündlich vereinbart worden ist, mit 1.1.2006
begann und nunmehr beurkundet wird.
Das Mietverhältnis begann gemäß der mündlichen Vereinbarung am 1. Jänner 2006
(zweitausendsechs) und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
Arztpraxis:
Der Klarheit halber wird einleitend festgehalten, dass gegenständlicher Mietvertrag bereits
am 1. Juli 2006 (zweitausendsechs) mündlich vereinbart worden ist, mit 1.7.2006 begann
und nunmehr beurkundet wird.
Das Mietverhältnis begann gemäß der mündlichen Vereinbarung am 1. Juli 2006
(zweitausendsechs) und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
Jede Vertragspartei hat das Recht, den Mietvertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist
von drei Monaten jeweils zum Quartalsende (31. März, 30. Juni, 30. September und 31.
Dezember eines jeden Jahres) aufzukündigen. Dessen ungeachtet kann der Mietvertrag
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von den Vermietern bei groben Verstößen gegen die Vertragsbestimmungen mit sofortiger
Wirkung aufgelöst werden. …………
III. Mietzins
Der am Ersten eines jeden Monats im vorhinein zu entrichtende Mietzins besteht aus
Wohnhaus:
a) dem frei vereinbarten Hauptmietzins von EUR 1.800 monatlich.
b) den Betriebskosten und öffentlichen Abgaben,
c) der Umsatzsteuer in der jeweiligen gesetzlichen Höhe
Arztpraxis:
a) dem frei vereinbarten Hauptmietzins von EUR 1.000 monatlich
b) den Betriebskosten und öffentlichen Abgaben,
c) der Umsatzsteuer in der jeweiligen gesetzlichen Höhe
Der Gesamtmietzins ist monatlich jeweils bis zum Monatsersten spesen- und abzugsfrei
bei den Vermietern einlangend auf ein noch bekannt zu gebendes Konto der Vermieter
zu bezahlen. Bei Zahlungsverzug sind Verzugszinsen in Höhe von 6 % p.a. über dem
Basiszinssatz, mindestens jedoch 10 % p.a. zu bezahlen.
Der vereinbarte Mietzins wird wertgesichert nach dem von der Bundesanstalt Statistik
Österreich verlautbarten Index für Verbraucherpreise 2000 oder einem an seine Stelle
tretenden Index, wobei Grundlage für die Wertsicherungsberechnung die für den
Monat Jänner 2006 verlautbarte Indexzahl ist. Schwankungen der Indexzahl nach
oben oder unten bis ausschließlich 5 % bleiben unberücksichtigt. Bei Überschreiten der
Schwankungen von 5 % wird die gesamte Änderung berücksichtigt. Der Spielraum ist
bei jedem Überschreiten nach oben oder unten neu zu berechnen, wobei stets die erste
außerhalb des jeweils geltenden Spielraums gelegene Indexzahl die neue Bezugsgröße
sowohl für die neue Festsetzung des Forderungsbetrages als auch für die Berechnung
des neuen Spielraums zu bilden hat. Bei Überschreitung der 5 %igen Schwankungsbreite
erhöht sich der Bestandzins während des laufenden Vertragsjahres nicht, sondern erst ab
dem 1. Jänner des Folgejahres. Eine Nachzahlung für einen allenfalls dadurch erhöhten
Mietzins erfolgt nicht.
Arztpraxis:
Ab 1. Jänner 2009 wird der Hauptmietzins auf EUR 1.400 erhöht werden.
IV. Vom Mieter zu tragende Kosten - Umfang des Benützungsrechtes
Zusätzlich zum vereinbarten Mietzins hat der Mieter alle auf das Mietobjekt (anteilig)
entfallenden Betriebs- und Heizkosten (z. B.: Energie, Heizung etc.) entsprechend dem
tatsächlichen Verbrauch zu tragen.
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Im Übrigen verpflichtet sich der Mieter, die mit dem Betrieb, der Pflege, der Wartung und
Verwaltung des Hauses samt Parkflächen verbundenen (Betriebs-)Kosten, Abgaben und
sonstigen Aufwand selbst zu tragen.
Der Mieter verpflichtet sich, das ihm überlassene Haus in gutem, vollkommen
benutzbarem bzw. bewohnbarem Zustand zu erhalten und das Mietobjekt pfleglich und mit
Schonung zu behandeln.
……
Der Mieter verpflichtet sich, die Schönheitsreparaturen (das Tapezieren und Anstreichen
der Wände und Decken, das Streichen der Fenster und Türen) im Haus auszuführen,
sowie Licht und Klingelanlagen, Schlösser, Wasserhähne, Wasch- und Abflussbecken
instand zu halten und zerbrochene Glasscheiben zu ersetzen. Kommt der Mieter dieser
vorstehend ausgeführten Verpflichtung trotz schriftlicher Aufforderung nicht firstgerecht
nach, so hat die Vermieterin das Recht, die erforderlichen Arbeiten auf Kosten des Mieters
vornehmen zu lassen.
…….
VI. Kaution
Zur Sicherung der weiteren Mietzinszahlungen und der fristgerechten und
ordnungsgemäßen Zurückstellung des Mietobjektes wird auf Kaution ausdrücklich
verzichtet.
…………
XI. Schlussbestimmungen - Nebenabreden -gesonderte Vereinbarungen
Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit
der Schriftform, dies gilt auch für das Abgehen vom Schriftformerfordernis selbst.
…….Festgehalten wird, dass keinerlei Nebenabreden zu diesem Vertrag getroffen wurden.
Über die Beschwerde hat das Bundesfinanzgericht erwogen:
Im vorliegenden Fall ist nunmehr ausschließlich strittig, ob die Vermietung des
Wohnhauses und der Arztpraxis ertrags- und umsatzsteuerrechtich anzuerkennen ist.
In ertragssteuerlicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass wie vom Finanzamt
zutreffenderweise ausgeführt wurde, vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen
Angehörigen für den Bereich des Steuerrechts nach ständiger Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes nur dann als erwiesen angenommen werden und damit
Anerkennung finden können, wenn sie
1. nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen,
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2. einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und
3. auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen
worden wären (zuletzt VwGH 28.5.2015, 2012/15/0106)
und diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind.
Während in der Regel zwischen sich fremd gegenüberstehenden Vertragsparteien
bei Abschluss von Verträgen ein Interessensgegensatz besteht, ist dieser unter
nahen Angehörigen gewöhnlich nicht vorhanden. Um zu gewährleisten, dass durch
fremdunübliche Gestaltungen steuerliche Folgen nicht willkürlich herbeigeführt werden,
hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung diese Kriterien für die
steuerliche Anerkennung von sogenannten Familienverträgen aufgestellt und haben
diese ihre Bedeutung im Rahmen der Beweiswürdigung, weshalb sie in jenen Fällen zum
Tragen kommen, in denen berechtigte Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt einer
behaupteten vertraglichen Gestaltung bestehen.
Ergibt die Beweiswürdigung im konkreten Fall, dass die zwischen den nahen Angehörigen
geschlossenen Vereinbarungen den oben angeführten Kriterien nicht entsprechen bzw.
dass sie nicht fremdüblich umgesetzt wurden, ist in der Vermietung keine entgeltliche
Nutzungsüberlassung zu erblicken. Die Einnahmen unterliegen diesfalls nicht der
Einkommensteuer, die mit der (privaten) Nutzungsüberlassung in Zusammenhang
stehenden Ausgaben sind steuerrechtlich den Kosten der Lebensführung (§ 20 Abs. 1 Z 1
EStG 1988) zuzurechnen.
Zur Umsatzsteuer ist zunächst auf die Bestimmung des § 2 Abs. 1 UStG 1994 zu
verweisen. Danach ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit
selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche
Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur
Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine
Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
Für die Umsatzsteuer vertritt der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen
Rechtsprechung die Auffassung, dass auch die Vermietung einer Immobilie zu
Wohnzwecken als fortlaufende Duldungsleistung als unternehmerische Tätigkeit im Sinne
des § 2 Abs. 1 UStG 1994 bzw. als wirtschaftliche Betätigung im Sinne des Unionsrechtes
in Betracht kommt.
Hinsichtlich der Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Nutzungsüberlassung als
wirtschaftliche Tätigkeit, verweist der Verwaltungsgerichtshof u.a. auf das Urteil des EuGH
vom 26. September 1996, C-230/94, Enkler.
Danach ist die konkrete Nutzungsüberlassung an Hand eines Vergleichs zwischen den
Umständen, unter denen ein Wohngebäude im konkreten Fall überlassen wird und unter
den Umständen unter denen die entsprechende Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird,
zu beurteilen. Dabei fehlt es an einer wirtschaftlichen Tätigkeit insbesondere, wenn die
Überlassung der Nutzung nicht deshalb erfolgt, um Einnahmen zu erzielen, sondern
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um dem anderen einen Vorteil zuzuwenden (VwGH 7.7.2011, 2007/15/0255; 19.3.2013,
2009/15/0215).
Wesentlich für die Beantwortung der Frage, ob die Nutzungsüberlassung einer Immobilie
eine unternehmerische Tätigkeit darstellt, ist somit ebenfalls wie für das Ertragssteuerrecht
das Vorliegen einer marktkonformen Vermietung, wobei dies an Hand des Gesamtbildes
der Verhältnisse zu beurteilen ist.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren wurden folgende Umstände ins Treffen geführt,
die nach Auffassung der Abgabenbehörde gegen eine fremdübliche bzw. marktkonforme
Vermietung sprechen:
1) Mietentgelt (nachträgliche Erhöhung des Mietentgeltes für das Wohnhaus)
2) verspätete Zahlung des Mietentgeltes
3) verspätete Zahlung des Mieterhöhungsbetrages für die ersten Monate
4) Fremdunüblichkeit der Vereinbarung bezüglich der Indexierung des Mietentgeltes
5) kein schriftlicher Mietvertrag in den ersten Monaten
6) Mieter hat Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen
7) ursprünglicher Baubescheid lautet auf den Mieter
8) Wiederkaufs- und Vorkaufsrecht der Gemeinde
9) kein wirksamer Superädifikatsvertrag bzw.
10) fehlende Verbücherung des im Superädifikatsvertrag vereinbarten Vorkaufsrechtes
sowie des Bestandsrechtes
Hinsichtlich der beiden Bestandsverträge bezüglich der Nutzungsüberlassung der
Arztpraxis und des Wohnhauses, welche die Eltern mit ihrem Sohn geschlossen haben,
ergeben sich folgende Erwägungen:
1) Mietentgelt:
Sachverhaltsbezogen ist dazu vorweg festzustellen, dass im Mietvertrag die Arztpraxis
betreffend für die ersten drei Jahre ein Mietentgelt in Höhe von 1.000 € zuzüglich 20 %
Umsatzsteuer vereinbart wurde, welches sich lt. Punkt III des Mietvertrages in weiterer
Folge nach drei Jahren auf 1.400 € erhöht hat.
Im Mietvertrag betreffend das Wohnhaus vom 4.12.2005 wurde ein Mietentgelt in Höhe
von 1.800 € zuzüglich 10 % Umsatzsteuer vereinbart. Eine Erhöhung des Mietentgeltes
nach Ablauf von drei Jahren war im Mietvertrag hingegen nicht vereinbart worden. Im
Zuge der Betriebsprüfung wurde hiezu eine mit 15. Jänner 2007 datierte, nachträglich
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geschlossene Vereinbarung vorgelegt, nach welcher sich das Mietentgelt nach den ersten
drei Jahren von 1.800 € auf 2.400 € erhöht.
Zur Höhe der vereinbarten Mietentgelte für das Wohnhaus und die Arztpraxis wurde dem
Finanzamt vom Bundesfinanzgericht vorgehalten, dass die Vermietung des Wohnhauses
und der Arztpraxis auf Grund der konkreten Gegebenheiten nach Auffassung des
Bundesfinanzgerichtes als Einheit zu betrachten sei und der nach der retrograden
Ertragswertermittlung (welche ebenfalls an das Finanzamt übermittelt wurde) für beide
Liegenschaften gemeinsam errechnete Renditeprozentsatz – auch ohne Berücksichtigung
der vereinbarten Mieterhöhung für das Wohnhaus - noch als fremdüblich zu beurteilen sei.
Dem wurde in einer Vorhaltsbeantwortung des Finanzamtes grundsätzlich nicht entgegen
getreten und zur Höhe der vereinbarten Mietentgelte für das Wohnhaus und die Arztpraxis
lediglich vorgebracht, dass die vorliegende Rendite nur bei einer Investition von bereits
vorhandenem Kapital für die Fremdüblichkeit sprechen würde, da eine Fremdfinanzierung
einer Investition Finanzierungskosten verursachen würde (zur Finanzierung der
Gebäudeerrichtungskosten sei ein Darlehen in der Höhe von 900.000 € aufgenommen
worden), weshalb eine entsprechend höhere Rendite der Investition erforderlich sei.
Dazu ist anzumerken, dass ein Investor bei einer Renditeberechnung darauf abstellen
wird, welche Rendite der Höhe nach eine allfällige Alternativveranlagung (Anschaffung
von Aktien, Anleihen, Fondsbeteiligungen, etc) ergibt bzw. abwirft und welche Risiken
allenfalls eine Alternativveranlagung im Vergleich dazu in sich birgt. Der Umstand, ob
eine Investition bzw. Veranlagung mit vorhandenen Barmitteln finanziert oder aber dazu
Fremdkapital aufgenommen wird, ist dabei eine von der Vergleichsrenditeberechnung
unabhängige Grundsatzentscheidung.
Im übrigen wurde in der Vorhaltsbeantwortung des Finanzamtes lediglich darauf
verwiesen, dass die rechnerische Rendite einer Investition für sich betrachtet nicht dazu
zu führen vermöge, dass eine nach dem Gesamtbild fremdunübliche Gestaltung von
Rechtsbeziehungen zwischen nahen Angehörigen anzuerkennen wäre und im konkreten
Fall die gewählte Vorgangsweise bei einer Gesamtbetrachtung der gegebenen Umstände
unter Fremden nicht üblich sei.
Insoweit ist das in den Mietverträgen vereinbarte Mietentgelt grundsätzlich offenbar
auch nach Ansicht des Finanzamtes (auch ohne Berücksichtigung der vereinbarten
Mieterhöhung für das Wohnhaus) noch als fremdüblich zu beurteilen, wenngleich in
diesem Zusammenhang festzustellen ist, dass ein fremder Mieter einer nachträglichen
Erhöhung des Mietentgeltes für das Wohnhaus nicht zugestimmt hätte.
Soweit dass Finanzamt darauf Bezug nimmt, dass es unter Fremden nicht üblich sei, im
Rahmen eines unbefristeten Mietverhältnisses in den ersten drei Jahren der Gültigkeit
des Mietvertrages ein geringeres Mietentgelt zu vereinbaren und gerade die Erhöhung
des Mietentgeltes nach den ersten drei Jahren für das Wohnhaus aufzeige, dass die
ursprünglich vereinbarte Miete in Höhe von 1.800 € nicht fremdüblich sei, ist dem
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Finanzamt zunächst darin beizutreten, dass es sich bei der Vereinbarung, wonach sich
das Mietengelt nach den ersten drei Jahren erhöht, um eine zumindest ungewöhnliche
Vereinbarung handelt, wenngleich diesbezüglich von der steuerlichen Vertretung darauf
verwiesen wird, dass es nicht unüblich sei, einem Unternehmen in den Anfangsjahren als
Starthilfe ermäßigte Mieten zu verrechnen bzw. oft auch umsatz- bzw. ertragsabhängige
Mietvereinbarungen geschlossen würden.
Weiters ist aber bezüglich der Fremdüblichkeit des Mietentgeltes darauf Bedacht zu
nehmen, dass bei der Ermittlung einer Gesamtrendite unter Berücksichtigung der langen
Nutzungsdauer der vermieteten Gebäude ein in den ersten drei Jahren reduziertes
Mietengelt nicht ins Gewicht fällt und darüberhinaus dem Finanzamt bezüglich des
Wohnhauses unwidersprochen geblieben vorgehalten wurde, dass bereits das im
Mietvertrag vereinbarte Mietentgelt für das Wohnhaus gemeinsam mit dem Mietentgelt für
die Arztpraxis eine gerade noch fremdübliche Rendite abwirft.
Zum weiteren Einwand des Finanzamtes, dass der Mieter in einem solchen Fall
den Vertrag nach Erhöhung der Miete kündigen könnte und sich ein Vermieter
gegenüber Fremden diesbezüglich vertraglich absichern würde, zumal die Abnutzung
von Gebäude und Einrichtung in den ersten Jahren höher ist als in den folgenden
Zeiträumen, wird darauf hingewiesen, dass im konkreten Fall die beschwerdeführende
Miteigentumsgemeinschaft insoweit abgesichert war, dass im konkreten Fall der Sohn die
in Bestand genommene Arztpraxis gerade zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als
praktischer Arzt benötigt und insoweit nicht zu befürchten war, dass er das Mietverhältnis
vorzeitig beenden wird, zumal ihm das bezughabende Grundstück von der Gemeinde
gerade unter der Auflage der Errichtung einer Arztpraxis veräußert wurde.
Hinsichtlich der Einwände des Finanzamtes, dass bei der Ergänzung des Mietvertrages
betreffend der Erhöhung des Mietentgeltes für das Wohnhaus irrtümlich vom Mietvertrag
vom 1.12.2006 anstatt 4.12.2006 gesprochen und diese Ergänzung nur von einem der
beiden Miteigentümer unterzeichnet worden sei, schließt sich das Bundesfinanzgericht
den Ausführungen im Vorlageantrag an, wonach diese Umstände nicht geeignet sind, eine
Fremdunüblichkeit der Mietverträge aufzuzeigen.
2) Zahlung des Mietengeltes abweichend von den Verträgen erst am 19. eines jeden
Monats:
In der Beschwerdevorentscheidung wurde vom Finanzamt weiters ins Treffen, dass
entgegen den Vereinbarungen in den Mietverträgen, wonach die Bestandsentgelte
jeweils am Ersten eines jeden Monats im Vorhinein zu entrichten seien, diese jeweils erst
am 19. des laufenden Monats zur Überweisung gebracht worden seien und bei einem
Mietverhältnis unter Fremden eine derartige Vorgehensweise nicht denkbar wäre, weil
der Vermieter in einem Mietverhältnis unter Fremden auf eine zeitgerechte Zahlung
bestehen würde, zumal durch die verspätete Entrichtung jeweils ein Zinsverlust für 19
Tage entstehen würde.
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Diesbezüglich ist der Abgabenbehörde beizupflichten, dass ein Vermieter auf zeitgerechte
Zahlung des Mietentgeltes bestehen wird und insoweit die tatsächliche Durchführung
des Vertragsverhältnisses zumindest hinsichtlich des Zahlungszeitpunktes nicht den
getroffenen schriftlichen Vereinbarungen entspricht.
3) verspätete Zahlung des Mieterhöhungsbetrages für die ersten Monate:
Hiezu wurde vom Finanzamt ins Treffen geführt, dass die Differenz vom ursprünglich
vereinbarten Mietentgelt auf das nach Ablauf von drei Jahren erhöhte Mietentgelt für
die Monate Jänner bis April 2009 offenbar im Hinblick auf die für den 16. April 2009
angesetzte Besprechung mit dem Betriebsprüfer erst am 13. April 2009 im Nachhinein
bezahlt worden sei, gegenüber Fremden ein Vermieter aber auf die im Mietvertrag
vereinbarte pünktliche und vollständige Zahlung der Mieten bestanden hätte.
Dem wurde seitens der steuerlichen Vertretung entgegen gehalten, dass der
Zahlungsverzug der Differenzbeträge betreffend das erhöhte Mietentgelt lediglich drei
Monate betragen habe und die Erfahrungen des täglichen Lebens zeigen würden, dass
solche Unregelmäßigkeiten bei sehr vielen Mietverhältnissen vorkommen würden. Weiters
könne die Herstellung eines zeitlichen Zusammenhanges der Nachzahlungen mit der
Besprechung mit dem Betriebsprüfer am 16. April 2009 nicht nachvollzogen werden, da
auch ohne Betriebsprüfung der Zahlungsverzug festgestellt und eine eheste Zahlung
gefordert worden wäre.
Auch diesbezüglich ist dem Finanzamt grundsätzlich darin beizupflichten, dass ein
Vermieter auf Zahlung des Mietentgeltes bzw. von Erhöhungen des Mietentgeltes
zu dem im Mietvertrag vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt bestehen wird und insoweit
die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses zumindest hinsichtlich des
Zahlungszeitpunktes nicht den getroffenen schriftlichen Vereinbarungen entspricht.
Hinsichtlich der verspäteten Nachforderung der Erhöhungsbeträge ist aber nach
Auffassung des Gerichtes den Ausführungen der steuerlichen Vertretung beizupflichten,
wonach solche Unregelmäßigkeiten in der tatsächlichen Durchführung von vertraglich
getroffenen Vereinbarungen auch bei Mietverhältnissen, bei denen keine Nahebeziehung
zwischen Mieter und Vermieter bestehen, durchaus vorkommen.
4) Fremdunüblichkeit der Indexvereinbarung:
In den streitgegenständlichen Mietverträgen wurde bezüglich der Wertsicherung
des Mietentgeltes gleichlautend vereinbart, dass als Grundlage der Index für
Verbraucherpreise 2000 und zwar die für den Monat Jänner 2006 verlautbarte Indexzahl
heranzuziehen sei und erst ab überschreiten einer Schwankung von 5 % der Indexzahl die
gesamte Änderung zu berücksichtigen sei.
Soweit hiezu vom Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt wurde, dass
in dem Vertrag eine Indexerhöhung erst bei Schwankungen über 5 % enthalten sei, ist
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darauf hinzuweisen, dass die in den streitgegenständlichen Mietverträgen getroffene
Vereinbarung bezüglich der Wertsicherung der gängigen Praxis entspricht. Hiezu darf auf
eine Vielzahl von im world wide webb enthaltenen Mietvertragsmustern verwiesen werden,
in welchen genau dieser Prozentsatz vorgeschlagen wird.
5) Fehlender schriftlicher Mietvertrag für die Anfangsmonate:
Hiezu wurde vom Finanzamt zusammengefasst ins Treffen geführt, dass in den
Mietverträgen darauf hingewiesen worden sei, dass das Mietverhältnis jeweils gemäß
der mündlichen Vereinbarung bereits begonnen habe und nun auf unbestimmte Zeit
abgeschlossen werde. Da für die Anfangsmonate jeweils weder ein schriftlicher Vertrag
noch eine Punktation der mündlich getroffenen Vereinbarungen vorgelegt worden sei,
sei das Mietverhältnis für diesen Zeitraum steuerlich als nicht existent zu beurteilen, da
rückwirkende Vereinbarungen nicht anerkannt würden.
Dem wurde seitens der steuerlichen Vertretung entgegengehalten, dass im Mietvertrag
vom 4. Dezember 2006 das Einfamilienhaus betreffend, unter Punkt 11 ausdrücklich
festgehalten worden sei, dass das Mietverhältnis mit 1. Juli 2006 begonnen habe und die
Vertragsinhalte selbstverständlich auch schon in der Zeit vom 1. Juli 2006 bis 4. Dezember
2006 Gültigkeit gehabt hätten. Gleiches gelte für den Mietvertrag betreffend die Ordination
für die Zeit vom 1. Jänner 2006 bis 25. Mai 2006.
Zu dem vom Finanzamt ins Treffen geführten Umstand, dass für die ersten
Monate eine schriftliche Vereinbarung gefehlt habe, wird auf die Judikatur
des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach die fehlende Schriftlichkeit
einer vertraglichen Vereinbarung nicht per se zur steuerlichen Negierung des
Vertragsverhältnisses führt. Vielmehr müssen bei Fehlen einer schriftlichen
Vereinbarung zumindest die wesentlichen Vertragsbestandteile (Bestandgegenstand,
zeitlicher Geltungsbereich des Vertrages, Höhe des Bestandzinses, allfällige
Wertsicherungsklausel, Vereinbarung über das Schicksal der Mieterinvestitionen und über
die Instandhaltungspflichten, Tragung von Betriebskosten) mit genügender Deutlichkeit
fixiert sein (vgl. zuletzt VwGH vom 5.9.2012, 2010/15/0018 sowie vom 8.9.1992,
87/14/0186).
Da in den vorgelegten schriftlichen Verträgen die wesentlichen Vertragsbestandteile fixiert
sind und unter Punkt II der Mietverträge jeweils festgehalten ist, dass gegenständliche
Mietverträge bereits am 1. Jänner 2006 bzw. 1. Juli 2006 mündlich vereinbart worden
seien und mit 1. Jänner 2006 bzw. 1. Juli 2006 begonnen hätten und nunmehr beurkundet
würden und auch vom Finanzamt hinsichtlich deren Gültigkeit für die Anfangsmonate
keinerlei Umstände ins Treffen geführt werden konnten, die aufzeigen würden, dass
dies nicht der Fall gewesen wäre, vermag dieser Umstand eine fehlende mündliche
Vereinbarung für die Anfangsmonate nicht aufzuzeigen.
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6) Instanhaltungsarbeiten:
Wenn seitens des Finanzamtes ins Treffen geführt wird, dass sich der Mieter in den
Mietverträgen zur Durchführung von Instandhaltungsarbeiten verpflichtet habe und
dies als fremdunüblich zu beurteilen sei, mit der Begründung, dass die Kosten hiefür
immer vom Vermieter zu tragen seien, ist vorweg auf die Ausführungen der steuerlichen
Vertretung hinzuweisen, wonach die Objekte nicht dem MRG unterliegen würden und
sohin die Vereinbarungen betreffend Übernahme der Instandhaltungskosten durch den
Mieter grundsätzlich möglich und auch nicht fremdunüblich seien.
Weiters werden in diesem Zusammenhang die diesbezüglich getroffenen vertraglichen
Vereinbarungen nachstehend wiedergegeben:
„Im Übrigen verpflichtet sich der Mieter, die mit dem Betrieb, der Pflege, der Wartung und
Verwaltung des Hauses samt Parkflächen verbundenen (Betriebs-)Kosten, Abgaben und
sonstigen Aufwand selbst zu tragen.
Der Mieter verpflichtet sich, das ihm überlassene Haus in gutem, vollkommen
benutzbarem bzw. bewohnbarem Zustand zu erhalten und das Mietobjekt pfleglich und mit
Schonung zu behandeln.
……
Der Mieter verpflichtet sich, die Schönheitsreparaturen (das Tapezieren und Anstreichen
der Wände und Decken, das Streichen der Fenster und Türen) im Haus auszuführen,
sowie Licht und Klingelanlagen, Schlösser, Wasserhähne, Wasch- und Abflussbecken
instand zu halten und zerbrochene Glasscheiben zu ersetzen.
Kommt der Mieter dieser vorstehend ausgeführten Verpflichtung trotz schriftlicher
Aufforderung nicht firstgerecht nach, so hat die Vermietern das Recht, die erforderlichen
Arbeiten auf Kosten des Mieters vornehmen zu lassen.“
Bei diesen Vereinbarungen handelt es sich nach Auffassung des Richters keineswegs
um Vereinbarungen die als fremdunüblich zu beurteilen wären. Vielmehr sind diese mit
Ausnahme der Bestimmung, dass auch die Fenster und Türen zu streichen sind, durchaus
übliche Vertragsbestimmungen. Weiters wird die Verpflichtung zu Instandhaltungsarbeiten
allenfalls in der Mietzinsbildung seinen Niederschlag finden.
Diese Beurteilung wurde dem Finanzamt im übrigen durch das Bundesfinanzgericht
vorgehalten und ist seitens des Finanzamtes unwidersprochen verblieben.
7) Baubescheid
Zum Einwand des Finanzamtes, dass im ursprünglichen Baubescheid vom 15.
September 2005 der Grundstückseigentümer als Bauwerber und Bauherr aufscheine
und dass der Bestandvertrag betreffend die Liegenschaft in Zusammenhang mit der
Errichtung eines Superädifikates erst am 30. September 2005 und damit nach dem der
Baubescheid erlassen wurde, abgeschlossen worden sei, wurde dem Finanzamt vom
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Bundesfinanzgericht vorgehalten, dass bereits im Kaufvertrag das Grundstück betreffend
vom 25. Juli 2005 mit der Gemeinde unter dem Punkt IV „Wiederkaufsrecht“, vereinbart
worden sei, dass die Verkäuferin sich damit Einverstanden erkläre, dass das Bauwerk im
Auftrag und auf Rechnung eines Dritten (als Superädifikat) errichtet werde und insoweit
nach Auffassung des Gerichtes offenkundig bereits zu diesem Zeitpunkt festgestanden
sei, dass die Gebäude nicht vom Erwerber des Grundstückes errichtet werden sollten,
sondern von einem Dritten in Form eines Superädifkates.
Im übrigen ist zu berücksichtigen, dass das Bauansuchen bereits am 7. Juli 2005
und somit bereits vor Abschluss des Kaufvertrages über die Liegenschaft mit der
Gemeinde (25. Juli 2005) gestellt wurde und gerade dieser Umstand aufzeigt, dass es im
Wirtschaftsleben durchaus vorkommt, dass bereits mündlich geschlossene Verträge erst
zu einem späteren Zeitpunkt im Schriftform gegossen werden, da das Bauansuchen nicht
gestellt werden hätte können, nenn mit der Gemeinde der Verkauf des Grundstückes nicht
bereits mündlich vereinbart worden wäre.
Weiters wurde hiezu vom steuerlichen Vertreter ins Treffen geführt, dass der ursprüngliche
Baubescheid der Gemeinde irrtümlich an Dr. A Z gerichtet worden sei, offensichtlich weil
dieser Käufer des Grundstückes gewesen, dieser Fehler von der Gemeinde umgehend
berichtigt und sodann das Ehepaar Z als Bauwerber angeführt worden sei, was durch
ein separates Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde vom 10. Juli 2009 bestätigt
worden sei.
Insoweit vermag auch dieser Umstand nicht dazu führen, dass die Mietverhältnisse
steuerlich nicht anzuerkennen wären.
Zu den Punkten 8, 9 und 10:
Bezüglich der weiteren Punkte 8 bis 10 (Wiederkaufs- und Vorkaufsrecht der
Gemeinde; kein wirksamer Superädifikatsvertrag; fehlende Verbücherung des im
Superädifikatsvertrag vereinbarten Vorkaufsrechtes sowie des Bestandsrechtes)
ist vorweg auf die vom Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 4.9.2014,
2011/15/0135 und 0136, vertretene Rechtsauffassung hinzuweisen.
Nach dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Sachverhalt schloss die
Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann einen Vertrag über die unentgeltliche Einräumung
eines auf zehn Jahre befristeten und jederzeit widerrufbaren Fruchtgenussrechtes
am Ober- und Dachgeschoss seines Hauses ab, führte sodann unter Übernahme von
beträchtlichen Kosten (133.000 €) Baumaßnahmen am Fruchtgenussobjekt durch und
vermietete die Räumlichkeiten in weiterer Folge an ihren Sohn zu einem Mietentgelt in
festgelegter Höhe, welches in einem Nachtrag auf 800 € aufgebessert wurde. Aus der
Vermietung hat die Beschwerdeführerin sodann Einkünfte und Umsätze erklärt sowie
Vorsteuern geltend gemacht.
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Die belangte Behörde hat die Einkünfte aus der Vermietung sowie Vorsteuern nicht
anerkannt im Wesentlichen u.a. mit der Begründung, dass der im Vorfeld abgeschlossene
Fruchtgenussvertrag, der der Beschwerdeführerin erst die Grundlage für die
Einkommenserzielung verschafft habe, dem Fremdvergleich nicht standhalte, weil durch
Abschluss der Vereinbarung mangels Verbücherung kein Fruchtgenussrecht, sondern nur
ein (auf zehn Jahre befristetes) inhaltlich ähnliches, obligatorisches Recht am Mietobjekt
erworben worden sei, der Berechtigten auch die Tragung jener Aufwendungen auferlegt
worden sei, welche nach dem Zivilrecht den Fruchtgenussbesteller als bücherlichen
Eigentümer treffen würden und auch keine Absicherung durch ein Veräußerungsverbot
zugunsten der Berechtigte vereinbart worden sei.
Dazu wurde vom Verwaltungsgerichtshof die Rechtsauffassung vertreten, dass
Gegenstand des Berufungsverfahrens die Einkünfte der Beschwerdeführerin aus der
Vermietung von Räumlichkeiten an ihren Sohn sowie die in diesem Zusammenhang
erklärten Umsätze und geltend gemachten Vorsteuern seien und daher ausschließlich zu
prüfen ist, ob der abgeschlossene Mietvertrag nach außen ausreichend zum Ausdruck
gekommen ist, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt hatte
und auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen
worden wäre (VwGH 25. Juli 2013, 2011/15/0151).
Dies bedeutet aber für den streitgegenständlichen Fall, dass lediglich die beiden
Bestandsverträge betreffend die Nutzungsüberlassung des Wohnhauses und der
Arztpraxis nach den Kriterien der Angehörigenjudikatur zu prüfen sind. Ob dabei der der
Vermietung vorangehende, von den Eltern mit dem Sohn geschlossene „Bestandsvertrag“
in welchem der Sohn den Eltern das Recht eingeräumt hat, die streitverfangenen
Gebäude auf seinem Grundstück zu errichten und der beschwerdeführenden
Miteigentümergemeinschaft erst die Grundlage für die Einkommenserzielung verschafft
hat, einem Fremdvergleich standhält, hat dabei sohin außer Betracht zu bleiben.
Ergänzend wird zu diesen Punkten dennoch Nachstehendes angemerkt:
8) Wiederkaufs- und Vorkaufsrecht der Gemeinde bezüglich des Grundstückes:
Dazu wurde von der Abgabenbehörde ins Treffen geführt, dass der Gemeinde als
Verkäuferin der Liegenschaft ein Wiederkaufs- bzw. Vorkaufsrecht eingeräumt worden sei
und diese gemäß den Bestimmungen des Kaufvertrages bei Einlösen dieser Rechte für
den Grund lediglich den gezahlten Preis und für das Gebäude lediglich den Verkehrswert
zu zahlen hätte und ein fremder Dritter bei derartigen Vertragsbestimmungen weder ein
Superädifikat noch ein Bauwerk im Rahmen eines Baurechtes errichten würde.
Hiezu wird hinsichtlich des ins Treffen geführten Wiederkaufsrechts der Gemeinde
vorweg auf die Ausführungen im Vorlageantrag bzw. auf die Vertragsbestimmung
Punkt IV des Kaufvertrages „Wiederkaufsrecht“ verwiesen. Danach erlischt nämlich
das Wiederkaufsrecht automatisch, ohne dass es einer weiteren Erklärung durch die
Gemeinde bedarf, sobald das Bauwerk errichtet und die Arztpraxis eröffnet wird. Da laut
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den Ausführungen im Vorlageantrag gerade die Errichtung einer Arztpraxis der Grund für
den Kauf des Grundstückes war und das Wiederkaufsrecht bereits mit Praxiseröffnung
im Jahre 2006 erloschen war, geht das Argument der Abgabenbehörde diesbezüglich ins
Leere.
Zum Vorkaufrecht der Gemeinde ist anzumerken, dass dieses einerseits zeitlich begrenzt
ist (laut Punkt V des Kaufvertrages bis zum 30. Juni 2020) und bei Veräußerung wegen
dauerhafter Erwerbsunfähigkeit bzw bei Veräußerung an einen anderen Arzt bzw. wenn
die Liegenschaft im Erbwege übergeht, ohnehin nicht zur Anwendung gelangt (vgl.
nochmals Punkt V des Kaufvertrages). Darüber hinaus könnte ein Vorkaufsrecht nur im
Falle der Veräußerung der Liegenschaft ausgeübt werden. Für eine mögliche Veräußerung
der Liegenschaft liegen aber keinerlei naheliegenden Anhaltspunkte vor, zumal der Sohn
der Miteigentümer in dem Gebäude seine berufliche Tätigkeit als praktischer Arzt ausübt.
Zu den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung, wonach ein Fremder niemals ein
Superädifikat bzw. im Rahmen eines Baurechtes ein Gebäude errichten würde, wenn er
bei Ausübung des Vorkaufs- bzw. Wiederkaufsrechtes durch die Gemeinde lediglich den
Verkehrswert des Gebäudes erhalten würde, wird auf die diesbezügliche Entgegnung im
Vorlageantrag verwiesen. Darin wird nach Auffassung des Gerichtes zutreffenderweise
zum Ausdruck gebracht, dass bei einer Liegenschaftsveräußerung nur in seltenen
Fällen ein höherer Kaufpreis erzielbar sein wird, als der von einem gerichtlich beeideten
Sachverständigen festgestellte Verkehrswert.
Auch diese Überlegungen wurden dem Finanzamt vorgehalten und verblieben in der
Vorhaltsbeantwortung des Finanzamtes unkommentiert.
9) Superädifikat:
Diesbezüglich wird von der Abgabenbehörde die Auffassung vertreten, dass die
gegenständlichen Gebäude weder als Superädifikate zu klassifizieren noch als im
Rahmen der Einräumung eines Baurechtes errichtet anzusehen seien, weil einerseits die
Gebäude in der Absicht errichtet worden seien, sie stets auf der Liegenschaft zu belassen
und daher unter den Begriff des Gebäudes nach § 297 ABGB (unbewegliche Sachen) zu
subsummieren seien und andererseits die vertragliche Gestaltung des „Bestandvertrages“
(bezüglich der Errichtung eines Superädifikates) und dessen tatsächliche Durchführung
schon aufgrund der fehlenden Verbücherung nicht der Angehörigenjudikatur entsprechen
würde. Weiters sei nach Ansicht des Finanzamtes auch kein Baurecht eingeräumt worden,
weil dieses erst durch Eintragung im C-Blatt des Grundbuches der belasteten Liegenschaft
entstehe, weshalb im Ergebnis das Einfamilienhaus samt Garage und Ordinationsgebäude
zivilrechtlich dem Grundstückseigentümer zuzurechnen sei.
Hiezu ist vorweg auf die voranstehenden Ausführungen im letzten Absatz zu Punkt 9 zu
verweisen, weshalb im Streitfall nicht zu prüfen ist, ob der Bestandvertrag (betreffend die
Errichtung der Superädifikate) einem Fremdvergleich standhält.
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Ergänzend wird aber hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation der auf fremden Grund
und Boden als Superädifikate errichteten Baulichkeiten und der dazu vom Finanzamt ins
Treffend geführten Entscheidungen des OGH darauf hingewiesen, dass Superädifikate
rechtlich selbständige Bauwerke sind, die auf fremden Grund in der Absicht aufgeführt
werden, dass sie nicht stetes darauf bleiben sollen (§ 435). Solche Bauwerke, die nach
den allgemeinen Regeln zu unselbständigen Bestandteilen der Liegenschaft würden,
sind als Überbauten sonderrechtsfähig. Damit werden Superädifikate im Gegensatz
zu sonstigen Gebäuden nicht Zugehör der Liegenschaft und sind Gegenstand eines
besonderen Eigentumsrechtes
Dem Erbauer fehlt in einem solchen Fall die Belassungsabsicht schon dann, wenn
die Trennung des Eigentums am Bauwerk von jenem an der Liegenschaft nicht
für die gesamte natürliche Nutzungsdauer des Bauwerks geplant ist, wobei eine
Entfernungsabsicht nicht erforderlich ist und ist es daher nicht schädlich, wenn für die
Beendigung des Grundnutzungsverhältnisses nicht der Abriss des Überbaus, sondern
dessen Übertragung an den Liegenschaftseigentümer vereinbart wird (Koziol-Welser,
Bürgerliches Recht, Band 1 13. Auflage, Seite 250 ff).
Im übrigen wird auf Punkt IX des „Bestandvertrages“ hingewiesen, in welchem vereinbart
wurde, dass die Bestandnehmer nach Beendigung des Bestandsverhältnisses primär
verpflichtet sind, das Bestandobjekt geräumt (von den Superädifikaten) zurück zu stellen
bzw. der Bestandgeber das Recht hat, sollte er den Weiterbestand der Superädifikate
wünschen, die Gebäude zum halben Zeitwert abzulösen.
10) Fehlende Verbücherung des Bestandsrechtes sowie des Vorkaufsrechtes
In der Berufungsvorentscheidung führte die Abgabenbehörde weiters ins Treffen,
dass in der Aufsandungserklärung des Bestandvertrages (betreffend die Errichtung
der Superädifikate) vereinbart worden sei, dass das Bestandrecht ebenso wie das
Vorkaufsrecht zugunsten der Beschwerdeführerin ins Grundbuch eingetragen werden
sollte, in diesem Zusammenhang aber festzustellen sei, dass lediglich das Wiederkaufssowie das Vorkaufsrecht der Gemeinde verbüchert worden sei und es insoweit an der
ausreichenden Publizitätswirkung bezüglich der Errichtung der Gebäude durch die
Vermietergemeinschaft fehle.
Hiezu ist anzumerken, dass die beschwerdeführende Miteigentumsgemeinschaft sowohl
in dem von der Gemeinde berichtigten Baubescheid als Bauwerber angeführt und auch
in den Rechnungen betreffend die Errichtungskosten als Rechnungsadressat benannt
ist. Zudem ist den Ausführungen der steuerlichen Vertretung zu entnehmen, dass der
notariell beglaubigte Bestandsvertrag (betreffend die Errichtung der Superädifikate) der
finanzierenden Bank vorgelegt worden ist und auch dem Finanzamt bekannt war, dass die
Gebäude im Rahmen eines Superädifikatvertrages errichtet werden sollten.
Im übrigen darf dazu nochmals darauf hingewiesen werden, dass Gegenstand des
Beschwerdeverfahrens die Einkünfte aus der Vermietung von Räumlichkeiten an den
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Sohn sowie die in diesem Zusammenhang erklärten Umsätze und geltend gemachten
Vorsteuern sind und daher ausschließlich zu prüfen ist, ob die abgeschlossenen
Mietverträge nach außen ausreichend zum Ausdruck gekommen ist, einen eindeutigen,
klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und auch zwischen
Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären (vgl.
nochmals VwGH 4.9.2014, 2011/15/0135 und 0136).
Hinsichtlich der steuerlichen Anerkennung der beiden Mietverträge ergibt sich
sohin aufgrund der voranstehenden Ausführungen nachstehende Würdigung des
Sachverhaltes:
Für die Beurteilung der Fremdüblichkeit eines Mietverhältnisses wird vor allem der
fremdüblichen Höhe des Mietentgeltes sowie dessen tatsächlicher Entrichtung
maßgebliche Bedeutung beizumessen sein.
Dabei ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass die Höhe der Mietentgelte
unbestrittenermaßen noch als fremdüblich zu beurteilen sind und zwar auch ohne
Erhöhung des Mietentgeltes für das Wohnhaus nach den ersten drei Jahren (vgl.
dazu Ausführungen unter Punkt 1). Weiters ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die
vereinbarten Mietentgelte auch jeweils monatlich - wenn auch abweichend von der
vertraglichen Vereinbarung anstatt am ersten eines jeden Monats erst am 19. eines jeden
Monats – entrichtet wurden.
Wie den voranstehenden Ausführungen zu den einzelnen Punkten zu entnehmen ist,
entsprechen auch die übrigen vertraglichen Vereinbarungen durchaus den unter Fremden
üblichen Vertragsgestaltungen.
Somit verbleiben als Umstände, die gegen die fremdübliche Vertragsgestaltung bzw
gegen deren tatsächliche fremdübliche Durchführung sprechen würden, lediglich die
Tatsache, dass das Mietentgelt abweichend vom Vertrag nicht jeweils am ersten sondern
erst am 19. eines jeden Monats entrichtet wurde bzw. die Erhöhungsbeträge des
Mietengeltes ab dem 1.1.2009 erst im April dieses Jahres nachgezahlt bzw. überwiesen
wurden. Diese vermögen aber bei einer Gesamtbetrachtung nicht dazu führen, dass
den Mietverhältnissen die steuerliche Anerkennung zu versagen wäre, zumal solche
Unregelmäßigkeiten in der tatsächlichen Durchführung von Mietverhältnissen auch bei
Mietverhältnissen, bei denen keine Nahebeziehung zwischen Mieter und Vermieter
bestehen, durchaus vorkommen.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Unüblichkeit einzelner Vertragsbestimmungen
des Mietvertrages bzw deren mangelhafter Umsetzung nicht entscheidend ist (vgl. dazu
BFH 22.10.2013, X R 26/11, zu Darlehensverträgen zwischen Angehörigen).
Das die Bauwerke dabei allenfalls nach den Vorstellungen und Wünschen des zukünftigen
Mieters errichtet wurden (worauf in einer Vorhaltsbeantwortung des Finanzamtes
hingewiesen wurde), ist im übrigen eine im Geschäftsleben nicht unübliche Vorgangsweise
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(vgl. VwGH 26.7.2007, 2005/15/0013) und vermag insoweit eine Fremdunüblichkeit auch
nicht aufzuzeigen.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird.
Da im Streitfall ausschließlich zu beurteilen war, ob die verfahrensgegenständlichen
Mietverhältnisse betreffend die Arztpraxis und das Wohnhaus sachverhaltsbezogen als
fremdüblich zu beurteilen sind, lag dem Erkenntnis keine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung zugrunde.
Dass für die Beurteilung der steuerlichen Anerkennung der beiden Mietverhältnisse,
der Bestandsvertrag mit dem der Beschwerdeführerin das Recht eingeräumt wurde,
ein Superädifikat zu errichten, nicht auf dessen Fremdüblichkeit zu prüfen ist, ist im
übrigen durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt (VwGH
4.9.2014, 2011/15/0135 und 0136).
Innsbruck, am 18. November 2015
Seite 22 von 22
GZ. RV/7103448/2010
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch Senat in der Beschwerdesache Bf., gegen den
Bescheid des FA betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2009 in der Sitzung am 13.
Oktober 2015 zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes abgeändert:
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem angeschlossenen
Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf.) erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als ITProjektleiterin.
In ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2009 machte sie unter
anderem Kosten für Ausbildung/Fortbildung bzw. Umschulung in Höhe von € 4.364,90,
damit zusammenhängende Reisekosten von € 838,32 sowie Kosten für Fachliteratur
von € 92,70 geltend. Über Aufforderung des zuständigen Finanzamtes (FA) legte die
Bf. die diesen Ausgaben zugrunde liegenden Belege (Seminarbestätigungen „Lehrgang
universitären Charakters Supervision, Coaching und OE“, Zahlungsbestätigungen,
Hotelrechnungen usw.) vor.
Mit Bescheid vom 17.08.2010 führte das FA die Arbeitnehmerveranlagung durch, wobei
im Zusammenhang mit dem beantragten Lehrgang lediglich Kosten für Fachliteratur in
Höhe von € 36,26 mit folgender Begründung berücksichtigt wurden: „Gemäß § 16 Abs.
1 EStG 1988 sind Werbungskosten alle Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung,
Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Die Supervision vermittelt Anregungen zur
Verbesserung des menschlichen Verhaltens und der menschlichen Kommunikation in
verschiedenen Lebenslagen, wie dies für alle Personen von Bedeutung ist, die zu anderen
Menschen Kontakt haben. Dh Supervision kommt in erster Linie jenen Personen zugute,
die mit anderen Personen oder Personengruppen außerberufliche bzw. berufliche oder
sonstige menschliche Kontakte pflegen und ist nicht nur auf pädagogisch tätigte Personen
mit Führungsaufgaben beschränkt. Daraus ergibt sich, dass keine berufsspezifische
Fortbildung vorliegt.
Die Supervision und die Reisekosten konnte daher nicht berücksichtigt werden.“
In ihrer Berufung (nunmehr Beschwerde) legte die Bf. dar, dass sie im Jahr 2008 mit der
Ausbildung für Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung begonnen habe,
wobei mehrere Beweggründe dafür ausschlaggebend gewesen seien.
Einerseits sei sie damals als IT-Projektleiterin in sehr großen, schwierigen und sehr
konfliktreichen Projekten tätig gewesen. Da es im Projektverlauf immer wieder zu
schwierigen Situationen gekommen sei, durch die sie das Projektteam durchführen
musste und die sie bewältigen musste, sei es ihr dringend notwendig erschienen, eine
Weiterbildung im Mitarbeitercoaching anzustreben.
Andererseits möchte sie sich mit ihrer neuen Ausbildung auf ein neues
berufliches Standbein vorbereiten: Selbständig als Supervisorin, Coach und
Organgisationsentwicklerin zu arbeiten. Dafür habe sie derzeit Bildungskarenz und arbeite
auch an der Renovierung eines Raumes, der dann als Praxisraum für ihre Beratungen zur
Verfügung stehen werde.
Jedenfalls möchte sie sich mit der Ausbildung und Umschulung, die sie in diesen Jahren
absolviere, ein neues berufliches Standbein schaffen, das es ihr ermögliche, auch in der
zweiten Hälfte ihrer Berufstätigkeit gesund und selbständig für ihr Einkommen zu sorgen.
Daraufhin erging eine abweisende Berufungsvorentscheidung des FA vom 30.09.2010:
„Aus Ihrem Schreiben vom 28.08.2010 geht hervor, dass Sie auf ein zukünftiges neues
Standbein abzielen. Es besteht somit kein konkreter Zusammenhang mit einer neu
ausgeübten Tätigkeit. Die in Zusammenhang mit der eventuellen Tätigkeit geltend
gemachten Werbungskosten konnten daher nicht berücksichtigt werden.
Sie werden jedoch höflich darauf aufmerksam gemacht, dass falls Sie in den nächsten
Jahren Einkünfte als Supervisorin, Coaching- und Organisationsentwicklerin beziehen,
gemäß § 295a BAO ein Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit
geändert werden kann, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die
Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs hat.
Ihre Berufung war somit abzuweisen.“
Dagegen stellte die Bf. einen Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde
zweiter Instanz. Ergänzend führte die Bf. aus, dass sie in der EDV-Abteilung der A. ( M. )
arbeite. In der M. würden die B. -Förderungen beantragt, berechnet und ausbezahlt.
Die Software für die B. -Förderungen müsse sehr oft unter großem Zeitdruck entwickelt
werden, da die EU-Richtlinien und auch die Terminvorgaben sehr streng eingehalten
werden müssten, die Vorgaben für die Software aber sehr spät erst wirklich fixiert würden.
Eine verspätete Auszahlung der EU-Gelder würde ein großes Pönale nach sich ziehen,
was der Bund und die M. auf jeden Fall vermeiden wollen.
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Als Projektleiterin in der EDV-Abteilung leite sie diesen Entwicklungsprozess und führe
das Projektteam durch die Analyse des Pflichtenhefts, das Design der Softwarearchitektur,
die Softwareentwicklung, Software-Tests und -Fertigstellung. Anschließend werde diese
Software gewartet und im Echtbetrieb betreut. Bei der Pflichtenheft-Analyse würden die
Kunden eingeladen mit dem Projektteam das gemeinsame Bild des Geschäftsprozesses,
sowie das Potential der Software zu entwickeln. Dabei müssten die Grenzen des
Möglichen in technischer und zeitlicher Sicht verhandelt werden, widersprüchliche
Anforderungen an die neue Software seien dabei leider an der Tagesordnung. Es gelte
herauszuarbeiten, was dem Kunden das Wichtigste sei, was das für die Software bedeute,
welche Schwerpunkte gesetzt werden, was als nice-to-have klassifiziert werden könne.
Dieser Projektteil bestehe zum größten Teil aus Besprechungen und Verhandlungen mit
dem Kunden und dem Versuch die Reibungsverluste möglichst gering zu halten.
Der Prozess der Erstellung der Softwarearchitektur erfordere einen offenen Umgang mit
Ideen, brauche eine Atmosphäre wo auch neues und außergewöhnliches zugelassen
werden könne, damit im Entwickeln von Ideen die Chance bestehe das Projekt auch
wirklich weiter zu entwickeln. Es brauche sowohl eine offene Haltung für Veränderungen
als auch den Blick auf Bewährtes, weil Bewährtes bewahrt werden könne.
Die Phase der Softwareentwicklung sei hingegen sehr streng strukturiert und gekoppelt
mit der Aufgabe möglichst rasch ein gutes Ergebnis zu erzielen, damit die Fachabteilung
mit den Softwaretests auch zeitnah beginnen könne. Dazwischen gebe es immer wieder
Zeiten wo das Team durch Unsicherheit, Innehalten und Ambivalenzen, Unstimmigkeiten,
Konkurrenz, Konflikte etc. geführt werden müsse – und das alles unter enormem
Zeitdruck.
Die Zusammenarbeit mit der „anderen“ Abteilung, der Fachabteilung, brauche immer
wieder Klärung, klare Kommunikation, Konfliktlösungen. Es brauche viel Know How und
professionellen Umgang mit MitarbeiterInnen, die diese Anforderungen unter zeitlichem
Erfolgsdruck bewältigen müssten. Dazu sei es wichtig, verschiedene Sichtweisen
integrieren zu können, in Konfliktsituationen – sowohl im Team – als auch mit einzelnen
Kollegen wertschätzend und lösungsorientiert handeln zu können.
Dieser Prozess könne mit den Methoden und der Haltung des Coachings professionell,
lösungsorientiert und zielgerichtet durchlaufen werden. Die Teambesprechungen
und Projekt-Jour Fixe könnten mit dem Know How aus dem Teamcoaching und der
Teamentwicklung professionell bereichert und motivierend durchgeführt werden. Im
Modul Projektmanagement habe sie ihre bisherigen Projektmanagement-Erfahrungen
erweitern können mit Sichten auf verschiedene Rollen im Projekt, die Dynamik zwischen
Linie und Projekt, die Wichtigkeit des Projektreviews, das Verhältnis von Planung- und
Projektcontrolling, die besondere Gestaltung von Projektanfang und -ende.
Die gelernten Strategien und Methoden aus dem Kommunikations- und
Konfliktmanagement könnten jederzeit im Projektverlauf angewendet werden und
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unterstützen die MitarbeiterInnen in ihrer Zusammenarbeit und in dem Bewusstsein,
gemeinsam die Aufgaben des Projekts lösen zu können.
Die Organisationsentwicklung sei ein weiterer Teil dieser Ausbildung. Dabei gehe es
darum, Veränderungsprozesse in einer Organisation zu begleiten. Eine Organisation
müsse sich immer verändern, um bestehen zu bleiben. Das Wissen darum, wie
Veränderungsprozesse ablaufen, wie sie gestaltet werden, welche Gefühle/Ängste/
Widerstände sie bei den MitarbeiterInnen hervorrufen, in welchen Situationen sie
angewendet werden könnten sei wichtiges Know How um sich selbst innerhalb der
Organisation weiterentwickeln und etablieren zu können.
Ständige Weiterbildung sei für die Bf. in ihrer Position unumgänglich, um auf dem
aktuellem Stand zu sein und auch die Karrieremöglichkeiten innerhalb des Unternehmens
seien mit den absolvierten Aus- und Weiterbildungen korreliert. Damit Frauen ihre
Karrierechancen auch realisieren könnten, müssten sie immer einen Schritt voraus sein.
Ständige Weiterbildung sei sehr, sehr wichtig für erfolgreiche Menschen.
Die M. unterstütze sie in dieser Ausbildung, indem sie mehrere Ausbildungstage habe
dienstlich besuchen können und indem ab Februar 2010 eine Bildungskarenz für ein Jahr
genehmigt worden sei.
Weiters möchte sie ihre fundierte, vielseitige Ausbildung nutzen, um auf selbständiger,
vorerst nebenberuflicher Basis dieses spezielle Leistungsangebot bei größeren ITProjekten bewerben zu können.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 seien Werbungskosten auch Aufwendungen für
Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen
ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit. Mit der Einführung der
Z 10 durch das StRefG 2000 sollte die früher bestandene strenge Differenzierung von
steuerlich nicht abzugsfähigen Aufwendungen für die Ausbildung einerseits und steuerlich
abzugsfähigen Aufwendungen für die Fortbildung andererseits gelockert werden. Der
Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 22.09.2005, 2003/14/0090,
ausgesprochen, dass nunmehr „solche Bildungsmaßnahmen als abzugsfähige
(Fort-)Bildung angesehen werden, die nicht spezifisch für eine bestimmte betriebliche
oder berufliche Tätigkeit sind, sondern zugleich für verschiedene berufliche Bereiche
dienlich sind, die aber jedenfalls im ausgeübten Beruf von Nutzen sind und somit einen
objektiven Zusammenhang mit dem ausgeübten Beruf aufweisen. Von einer begünstigen
Bildungsmaßnahme wird somit jedenfalls dann zu sprechen sein, wenn die Kenntnisse im
Rahmen der ausgeübten Tätigkeit verwertet werden können.“
Als Beilage übermittle die Bf. die Seiten 8 bis 16 aus dem Curriculum für die Ausbildung
„Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung“ der C. Wien, zu finden unter link .
In diesem Dokument fände sich eine Beschreibung der Module mit kurzen Inhaltsangaben.
Sie stelle daher den bereits im Schreiben vom 02.09.2010 gestellten Antrag, den
angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Ausbildungs-, Reise- und
Fachliteraturkosten in Höhe von € 5.295,92 als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
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Es wurde erwogen:
Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass die am 31. Dezember 2013 bei dem unabhängigen
Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängige Berufung gemäß § 323 Abs.
38 BAO vom Bundesfinanzgericht als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 BVG zu
erledigen ist.
Im gegenständlichen Verfahren ist strittig, ob die von der Bf. geltend gemachten
Aufwendungen für Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung sowie die damit
zusammenhängenden Fahrtkosten und die Kosten für Fachliteratur als Werbungskosten
anzuerkennen sind.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen für Aus- und
Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten
oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende
Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes
abzielen.
Von einem Zusammenhang mit der ausgeübten oder verwandten Tätigkeit ist zu
sprechen, wenn die vermittelten Kenntnisse im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit
verwertet werden können. Es sollen auch "solche Bildungsmaßnahmen als abzugsfähige
(Fort-)Bildung angesehen werden, die nicht spezifisch für eine bestimmte betriebliche
oder berufliche Tätigkeit sind, sondern zugleich für verschiedene berufliche Bereiche
dienlich sind, die aber jedenfalls im ausgeübten Beruf von Nutzen sind und somit einen
objektiven Zusammenhang mit dem ausgeübten Beruf aufweisen. Von einer begünstigten
Bildungsmaßnahme wird somit jedenfalls dann zu sprechen sein, wenn die Kenntnisse
im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit verwertet werden können" (VwGH 22.09.2005,
2003/14/0090).
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften
Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung jedoch nicht abgezogen werden,
selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen
mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen
erfolgen.
Nicht abzugsfähig sind daher Bildungsmaßnahmen, die auch bei nicht berufstätigen
Personen von allgemeinem Interesse sind oder die grundsätzlich der privaten
Lebensführung dienen (zB Persönlichkeitsentwicklung, Sport, Esoterik, B-Führerschein).
Die von der Bf. im Zuge des Vorlageantrages übermittelten Auszüge aus dem
Curriculum für die Ausbildung „Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung“
der C. Wien lassen erkennen, dass Lehrinhalt unter anderem auch Themen wie
„Die eigene Persönlichkeit, die Gestaltung der persönlichen Rolle als Beraterin, die/
der Einzelne und das soziale System“, „Gesprächsführung & Fragetechniken: die
Frage als Intervention“, „Themenorientierte Selbsterfahrung – Zwischenbilanz und
Verankerung“ oder „Kommunikations- und Konfliktmanagement“ sind, welche neben
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einer beruflichen Verwendungsmöglichkeit auch eine private Veranlassung in Form einer
Persönlichkeitsentwicklung nicht ausschließen.
Für solche Bildungsmaßnahmen ist zur steuerlichen Berücksichtigung die berufliche
Notwendigkeit erforderlich. Die Notwendigkeit bietet in derartigen Fällen das verlässliche
Indiz der beruflichen im Gegensatz zur privaten Veranlassung (vgl. VwGH 30.05.2001,
2000/13/0163). Diese Notwendigkeit ist dahingehend zu verstehen, ob die Aufwendungen
objektiv für die Erwerbstätigkeit sinnvoll sind (VwGH 12.03.1994, 91/14/0024).
„Für die berufliche Notwendigkeit einer Bildungsmaßnahme spricht es, wenn sich der
Teilnehmerkreis im Wesentlichen aus Angehörigen der Berufsgruppe des Steuerpflichtigen
zusammensetzt. Trägt der Arbeitgeber einen Teil der Kurskosten oder stellt er den
Arbeitnehmer für die Zeit der Schulungsmaßnahme gegen Weiterbezug des Gehalts
dienstfrei, ist dies gleichfalls ein Indiz für die berufliche Notwendigkeit.“ (VwGH
31.03.2011, 2009/15/0198).
Der Informationsbogen zum gegenständlichen Lehrgang beschreibt Supervision, Coaching
und Organisationsentwicklung als verwandte Beratungsmethoden mit der gemeinsamen
Fokussierung auf den Arbeits- und Leistungsauftrag in Organisationen und Betrieben.
Supervision sei eine Methode der reflektierten Begleitung von Professionellen in
ihrer Arbeit mit Menschen (Aus- und Weiterbildung, Pädagogik, Gesundheitswesen,
Sozialarbeit, Personalführung, Training etc.). Sie sei international verbreitet und habe sich
in vielen sozialen, pädagogischen, medizinischen und wirtschaftlichen Berufsfeldern als
Qualitätsstandard etabliert.
Coaching konzentriere sich auf Themen wie Gestaltung der Führungsrolle,
Karriereplanung, Management von Veränderungsprozessen oder Management
von Krisensituationen und richte sich vor allem an Führungskräfte in Leitungs- und
Managementfunktionen bzw. an Personen in beruflich verantwortungsvollen Positionen.
Organisationsentwicklung wiederum habe unter anderem die Planung von Veränderungsund Umstrukturierungsprozessen von Organisationen oder deren Teilbereichen zum Inhalt,
ermögliche die Einübung eines konstruktiven Umgangs bei Konflikten in oder zwischen
Teams bzw. Hierarchieebenen und könne in Wirtschaftsunternehmen sowie in NonProfitorganisationen eingesetzt werden.
Ziele des Lehrganges sei der Erwerb professioneller Beratungskompetenz in den
Methoden Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung mit dem Ziel
Problemsituationen aus dem Zusammenspiel zwischen den Persönlichkeiten der
MitarbeiterInnen und der KundInnen auf der einen Seite und der Organisationsdynamik
auf der anderen Seite zu verstehen, alternative Problemlösungen zu finden, die für alle
Beteiligten neue Perspektiven eröffnen und das Beziehungs-, Lebens- und Arbeitsklima
verbessern sowie die Kooperations- und Konfliktfähigkeit aller Beteiligten zu erhöhen und
damit die persönliche und berufliche Handlungskompetenz zu erweitern.
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Der Lehrgang richte sich unter anderem an Personen aus Wirtschafts- und
Gesundheitsberufen und TrainerInnen und BeraterInnen, Personen in Managementund Leitungsfunktionen in Profit- und Nonprofit-Unternehmen – alle mit einschlägigen
Erfahrungen in der Praxis und Erfahrungen mit der Arbeit in Organisationen.
Als Angestellte in einer Management- bzw. Leitungsfunktion ist es aufgrund der
Tätigkeitsbeschreibung der Bf. glaubhaft und schlüssig, dass die im Lehrgang vermittelten
Inhalte sinnvoll und nützlich für ihre Erwerbstätigkeit eingesetzt werden können.
Dies betrifft vor allem Seminare wie
• „Kommunikations- und Konfliktmanagement“,
• „Methodik der Teamsupervision & Teamentwicklung“, in welchem u.a. Rollen in Teams,
die Identität des Teams und die Förderung von Selbstorganisation behandelt werden,
• „Systemische Interventionsmodelle der Supervision in Organisationen“, in welchem
beispielsweise Techniken zur Bearbeitung der Organisationsdynamik von Teams
mit Schwerpunkt auf dem „organisationalen Faktor“ und ein lösungsorientiertes
supervisorisches Vorgehen bei eskalierenden Konfliktverläufen in Teams behandelt
werden,
• „Coaching I: „Coaching als Beratungsansatz““, in welchem auch Managementfunktion
und –konzepte vermittelt werden sowie
• „Kontrakting und Projektmanagement in der Organisationsentwicklung“, in welchem
u.a. die Abgrenzung und Definition von Projekten, Projektmanagementaufgaben,
unterschiedliche Rollen in Projekten, Aufbau und Gestaltung von Projektstrukturen
(Organisation, Kommunikation), Tools zur Projektplanung, Verhältnis von Planung
(zeitlich) und Controlling im Projektmanagement behandelt werden.
Selbst wenn sich der Lehrgang an einen eher weiten und damit heterogenen
Teilnehmerkreis wendet, was als Indiz gegen eine Notwendigkeit der Bildungsmaßnahme
zu werten ist, überwiegen dennoch die glaubhaften Ausführungen der Bf. in ihrem
Vorlageantrag, dass ihr Arbeitgeber sie in dieser Bildungsmaßnahme unterstützte,
indem sie mehrere Ausbildungstage dienstlich besuchen konnte und überdies ein Jahr
Bildungskarenz genehmigt wurde.
Als weiteres Indiz ist die Bewilligung der NÖ Bildungsförderung in Höhe von € 750,-zu werten, da Voraussetzung der Förderung u.a. der „Besuch eines berufsspezifischen
Weiterbildungskurses“ ist und dass die berufsspezifische Weiterbildung zur
Arbeitsplatzsicherung erfolgen muss.
Die oben erwähnten Punkte sind bei Betrachtung des Gesamtbildes als nicht
unerheblicher Hinweis auf die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Bildungsmaßnahme zu
werten, weswegen die angefallenen streitgegenständlichen Kosten dem Grunde nach als
Fortbildungskosten anzuerkennen sind.
Dies umso mehr, als bestimmte Schlüsselqualifikationen wie Sozialkompetenz und
Methodenkompetenz insbesondere bei leitenden Positionen in jüngster Vergangenheit
neben der Fachkompetenz zu einem weiteren zentralen Bereich in Personalwirtschaft und
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Personalentwicklung geworden sind und damit ein zusätzliches Element für die langfristige
berufliche Beschäftigung bilden und somit der Erwerbung, Sicherung oder Einhaltung der
Einnahmen dienen.
Doch selbst eine negative Beurteilung der Fortbildungskosten würde im gegenständlichen
Verfahren aus folgenden Gründen zu keinem anderen Ergebnis führen.
Die Bf. führte nämlich weiters aus, dass sie sich mit den Bildungsmaßnahmen auf
ein neues berufliches Standbein stellen und selbständig als Supervisorin, Coach
und Organisationsentwicklerin tätig sein möchte. Diese Ausführungen machten eine
Auseinandersetzung mit der Frage des Vorliegens einer Umschulungsmaßnahme
erforderlich.
Abzugsfähig sind Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen dann, wenn sie derart
umfassend sind, dass der Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglicht wird,
welche mit der bis dato ausgeübten Tätigkeit nicht verwandt ist und auf eine tatsächliche
Ausübung eines anderen Berufes abzielt. Daher wäre der Besuch einzelner Kurse oder
Veranstaltungen nicht unter diesen Begriff zu subsumieren. Es ist jedoch unerheblich,
dass der Steuerpflichtige während der Umschulung auch weiterhin einer beruflichen
Tätigkeit nachgeht.
Laut VwGH ist es für die Annahme einer erwerbsorientierten Umschulungsmaßnahme
ausreichend, dass die bisherige Tätigkeit wesentlich einschränkt wird. Diese muss
jedoch nicht vollständig aufgegeben werden. (vgl. VwGH 15.09.2011, 2008/15/0321
, VwGH, 23.05.2013, 2011/15/0159 ). Umschulungskosten sind daher auch dann
steuerlich zu berücksichtigen, wenn der andere Beruf, auf den die umfassende
Umschulungsmaßnahme abzielt, nicht als Haupttätigkeit ausgeübt werden soll.
Zusätzlich sind laut VwGH vom 25.10.2011, 2011/15/0047 steuerlich zu berücksichtigende
Umschulungskosten solche Aufwendungen, welche zur Sicherung des künftigen
Lebensunterhaltes des Steuerpflichtigen beitragen sollen und daher künftiges
Steuersubstrat darstellen.
Es handelt sich bei Umschulungskosten inhaltlich um „vorweggenommene
Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten“. Voraussetzung für die Anerkennung solcher
„vorweggenommener Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten“ ist, dass die Kosten
in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Zusammenhang mit künftigen
steuerbaren Einnahmen aus der angestrebten beruflichen Tätigkeit stehen. Nicht
ausreichend ist daher, dass die Umschulung eine Tätigkeit in einem neuen Beruf
ermöglicht. Die angestrebte Tätigkeit muss überdies auch zur Sicherung des künftigen
Lebensunterhaltes dienen oder zumindest zu einem wesentlichen Teil beitragen.
Für die Anerkennung von Umschulungskosten muss daher das Motiv vorliegen, eine
andere Berufstätigkeit tatsächlich ausüben zu wollen.
Die Beweggründe für Umschulungsmaßnahmen können mannigfaltig sein. Es kann
sich dabei beispielsweise um eine Unzufriedenheit im bisherigen Beruf handeln oder
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auch nur um ein Interesse an einer Neuorientierung. Ob es dem Steuerpflichtigen darum
geht eine andere Berufstätigkeit tatsächlich auszuüben oder ob andere Motive für die
Umschulungsmaßnahme entscheidend sind (z.B. hobbymäßige Verwertung), ist im
Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (vgl. VwGH 15.09.2011,
2008/15/0321). Selbst wenn die tatsächliche Ausübung des angestrebten Berufes
letztendlich scheitert, z.B. weil die Steuerpflichtige tatsächlich keinen Arbeitsplatz findet,
das Gesamtbild jedoch für das Vorliegen dieser Absicht spricht, liegen Betriebsausgaben
bzw. Werbungskosten vor. Eine Ausbildung in einem bestimmten Bereich garantiert
nämlich nicht, nach ihrem Abschluss in einem vorher festgelegten Bereich beruflich tätig
sein zu können.
Dass eine Umschulungsmaßnahme auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen
Berufes abzielen muss, ist daher einerseits im Zusammenhang mit dem allgemeinen
Abzugsverbot von Aufwendungen der Lebensführung (§ 20 Abs. 1 Z 2 EStG) und
andererseits auch mit den Grundsätzen der Liebhabereibeurteilung zu sehen.
Gemäß § 1 Abs. 1 Liebhabereiverordnung (LVO) 1993 idgF liegen Einkünfte bei einer
Betätigung vor, die durch die Absicht veranlasst ist, einen Gesamtgewinn oder einen
Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Voraussetzung
ist, dass die Absicht zur Erzielung von Einnahmenüberschüssen anhand objektiver
Umstände nachweisbar ist.
Sollte eine Umschulung nach der Verkehrsauffassung auch zur Befriedigung privater
Interessen geeignet sein, erhöht sich die Intensität dieser Nachweisführung oder
Glaubhaftmachung.
Für die Anerkennung von Umschulungsmaßnahmen als Werbungskosten sind somit drei
Voraussetzungen zu erfüllen:
1. Es muss sich um Umschulungsmaßnahmen handeln,
2. es müssen diese Maßnahmen umfassend sein und
3. diese Maßnahmen müssen auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufs (mit
der Absicht Einkünfte zu erzielen) abzielen (vgl BFG 02.07.2014, RV/1100410/2011).
Bei dem Universitätslehrgang Beratungs- und Managementwissenschaften,
Studienschwerpunkt Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung (OE) handelt
es sich zweifelsohne um eine umfassende Umschulungsmaßnahme.
Abgeschlossen werden kann der Lehrgang entweder innerhalb von 5 Semestern
mit Diplom nach ÖVS-Qualitätskriterien als „Akademische/r SupervisorIn, Coach &
OrganisationsberaterIn“ oder innerhalb eines Semesters als „Master of Science –
MSc (Supervision, Coaching & Organisationsentwicklung). Laut Informationsblatt des
Lehrganges werden die AbsolventInnen aufgrund der vermittelten Qualifikationen befähigt,
die Methoden „Supervision“, „Coaching“ und „Organisationsentwicklung“ freiberuflich und
organisationsintern auszuüben.
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Entsprechend der vorgelegten Zahlungsbestätigung vom 26.01.2010, aus welcher
sich ergibt, dass die Bf. den fünfsemestrigen Lehrgang mit insgesamt 320 Stunden an
Seminaren besucht, kann bei einer solchen Ausbildungsdauer und den oben genannten
weiteren Kriterien davon ausgegangen werden, dass es sich bei der gegenständlichen
Bildungsmaßnahme um eine umfassende Umschulungsmaßnahme handelt, die den
Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglicht.
Grundsätzlich genügt es, wenn die neue Tätigkeit neben den bisherigen alten Beruf tritt,
der weiterhin ausgeübt wird. Allerdings kann diese Aussage nur insofern gelten, als die
Betätigung ernsthaft und nicht nur hobbymäßig betrieben wird. Gegen die steuerliche
Abzugsfähigkeit würde daher sprechen, wenn lediglich ein Ausmaß angestrebt würde, das
nur mehr als geringfügig anzusehen wäre.
Der subjektive Wille der Bf. zur Einkünfteerzielung im neuen Beruf kann nur anhand von
objektiven Umständen beurteilt werden und daher nur dann berücksichtigt werden, wenn
der innere Entschluss zur Aufnahme einer neuen Tätigkeit klar und eindeutig nach außen
in Erscheinung tritt und durch geeignete Unterlagen nachweisbar ist (vgl BFG 02.07.2014,
RV/1100410/2011).
Zur geplanten Ausübung des neuen Berufs führte die Bf. in ihrer Bescheidbeschwerde
vom 28.08.2010 sowie in ihrem Vorlageantrag vom 06.10.2010 an, dass sie sich mit
diesem Lehrgang auf eine neues berufliches Standbein vorbereiten möchte. Sie möchte
selbständig als Supervisorin, Coach und Organisationsentwicklerin arbeiten. Deswegen
sei sie zum Zeitpunkt des Schreibens in Bildungskarenz und arbeite an der Renovierung
eines Raumes, welcher als Praxisraum für Beratungen zur Verfügung stehen soll. Vorerst
möchte sie ihre fundierte und vielseitige Ausbildung auf selbständiger nebenberuflicher
Basis bei größeren IT-Projekten bewerben.
In dem Vorlagebericht der belangten Behörde vom 04.11.2010 führte das Finanzamt
aus, dass bis dato neben der nichtselbständigen Tätigkeit keine Einnahmen aus der
Supervision etc. getätigt wurden. Auch in den Jahren danach wurden von der Bf. bisher
keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit deklariert. Hierbei handelt es sich jedoch um kein
Kriterium der steuerlichen Anerkennung von Umschulungsmaßnahmen.
Selbst wenn die tatsächliche Ausübung des angestrebten Berufes letztendlich scheitert,
liegen Werbungskosten vor, wenn das Gesamtbild für das Vorliegen der Absicht der
Einkünfteerzielung spricht. Wie bereits erwähnt, verschafft keine Ausbildung eine Garantie,
nach ihrem Abschluss in einem vorher festgelegten Bereich beruflich tätig sein zu können.
Recherchiert man die Schlagworte „ D. “ in der Internetsuchmaschine www.google.at ,
scheinen mehrfache Eintragungen auf, welche Coachingleistungen der Bf. bewerben. Dies
unter http:// xy , der Homepage der Marktgemeinde S. ( link2 ) sowie auf weiteren Internetseiten betreffend
Coaching ( link3 ).
Anzumerken ist, dass diese Internetseiten zwar auf die mittlerweile nicht mehr zugängliche
Homepage der Bf. unter www verweisen, diese jedoch zumindest bis zum 12.09.2013
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aufrufbar war und die Bf. daher über mehrere Jahre hinweg einen aktiven Aufwand
machte, ihre neu erworbenen Fähigkeiten und Leistungen auf dem Markt anzubieten,
indem sie sich eine werbende und informative Präsenz im Internet schaffte.
Dies war auch bereits vor Erlassung der Beschwerdevorentscheidung vom 30.09.2010
durch das FA ersichtlich, da im Jahr 2010 ein Kurs mit Terminen in den Monaten April, Mai
und Juni an der Volkshochschule S. mit dem Thema „Beratung für Menschen in leitenden
Funktionen“ gegen Entgelt durch den Internetauftritt der Bf. angeboten wurde.
Der innere Entschluss zur Aufnahme einer neuen Tätigkeit erscheint dem Senat aus
den oben genannten Gründen daher ausreichend klar und eindeutig nach außen in
Erscheinung getreten.
Da die oben dargestellten Voraussetzungen erfüllt sind, wären – selbst bei Nichtvorliegen
von Fortbildungskosten - die beantragten und anhand von Belegen nachgewiesenen
Kosten für Umschulungsmaßnahmen und damit zusammenhängendem Kilometergeld
grundsätzlich anzuerkennen.
Bezüglich der geltend gemachten Kosten für Fachliteratur ist auszuführen, dass sich aus
§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 im Wesentlichen ein Abzugsverbot gemischt veranlasster
Aufwendungen ergibt.
„Bei Aufwendungen, die auch in den Kreis der privaten Lebensführung fallen können, ist
ein strenger Maßstab anzulegen und eine genaue Unterscheidung vorzunehmen (vgl.
VwGH 15. 11. 1995, 94/13/0142). Soweit sich Aufwendungen für die Lebensführung und
Aufwendungen beruflicher Natur nicht einwandfrei trennen lassen, ist entsprechend dem
"Aufteilungsverbot" der gesamte Betrag nicht abzugsfähig.
Bei der Abgrenzung beruflich bedingter Aufwendungen von den Kosten der
Lebensführung ist eine typisierende Betrachtungsweise derart anzuwenden, dass nicht
die konkrete tatsächlich Nutzung, sondern die typischerweise zu vermutende Nutzung als
allein erheblich angesehen werden muss “ (UFS 20.06.2011, RV/0717-W/11).
Daher begründet laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die
Anschaffung von Werken der Literatur, die von allgemeinem Interesse oder für einen
nicht fest abgrenzbaren Teil der Allgemeinheit mit höherem Bildungsgrad bestimmt ist,
nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung (VwGH 24.11.1999, 99/13/0202). Dies
gilt selbst dann, wenn aus den betreffenden Publikationen Anregungen für die berufliche
Tätigkeit gewonnen werden können (VwGH 26.4.2000, 96/14/0098 betr. Literatur für
Unterrichtsgestaltung eines Lehrers).
Bei den Werken Asgodom/Bock/Mahler/Lienhart/Volk „Die Frau, die ihr Gehalt mal eben
verdoppelt hat … - 25 verblüffende Coaching-Geschichten“ (€ 18,45) und Pásztro/Gens
„Ich höre was, das du nicht sagst: Gewaltfreie Kommunikation in Beziehungen“ (€ 10,23)
handelt es sich um allgemeine Ratgeber des Lebens.
Bei typisierender Betrachtungsweise zeigen diese Artikel zwar einen gewissen
Zusammenhang mit den Bildungsmaßnahmen der Bf. auf, jedoch sind sie von
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allgemeinem Interesse bzw. zumindest für einen nicht fest abgrenzbaren Teil der
Allgemeinheit mit höherem Bildungsgrad bestimmt. Es handelt sich um keine Fachbücher,
welche derart auf die spezifischen beruflichen Bedürfnisse eines Coachs abgestellt sind,
dass ihnen die Eignung fehlt, private Bedürfnisse interessierter Bevölkerungskreise
zu befriedigen (vgl. UFS 20.06.2011, RV/0717-W/11), weswegen diese Kosten nicht
anerkannt werden konnten.
Bei den Werken Radatz, „Beratung ohne Ratschlag: Systemisches Coaching für
Führungskräfte und BeraterInnen“ (€ 39,88) sowie Reichel/Rabenstein „Kreativ
beraten: Methoden und Strategien für kreative Beratungsarbeit, Coaching und
Supervision“ (€ 24,13) handelt es sich um praxisnahe Handbücher zu den Themen
Beratungsarbeit, Coaching und Supervision, welche sich vor allem an entsprechende
Professionisten richten und auf die spezifischen beruflichen Bedürfnisse dieser
Berufsgruppen abstellen. Diese Aufwendungen waren daher als Fachliteratur im
Zusammenhang mit den Fortbildungs-/Umschulungskosten steuerlich anzuerkennen.
Bezüglich der beantragten Höhe von € 5.295,92 ist auszuführen, dass als Aus-,
Fortbildungs- und Umschulungskosten insbesondere Kurskosten, Kosten für Lehrbehelfe,
Nächtigungskosten und Fahrtkosten anzusehen sind.
Anhand von Belegen und Aufzeichnungen nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht
wurden anzuerkennende Fortbildungskosten in Höhe von € 4.332,90, davon € 3.080,-- für
Semestergebühren, Fahrtkosten in Höhe von € 838,32 sowie Kosten für Fachliteratur in
Höhe von € 64,01.
Da die Bf. laut übermitteltem Schreiben vom 15.04.2009 € 750,-- als Beitrag zu den
Kurskosten von der NÖ Bildungsförderung erhalten hat, war dieser Betrag gemäß § 20
Abs. 2 EStG 1988 als allfällig erhaltener steuerfreier oder nicht steuerbarer Ersatz von den
beantragten Kosten abzuziehen (vgl. UFSW vom 22.08.2011, RV/2002-W/11).
Es waren daher streitgegenständliche Aufwendungen in folgender Höhe anzuerkennen:
Fortbildungskosten
€ 4.332,90
– NÖ Bildungsförderung
– € 750,00
+ Fahrtkosten
+ € 838,32
+ Kosten für Fachliteratur
Insgesamt anzuerkennender Betrag
+ € 64,01
€ 4.485,23
Zulässigkeit der Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses
auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch
ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).
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Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind
sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von
grundsätzlicher Bedeutung oder die Auslegung des Gesetzes ist unstrittig. Damit liegt
gegenständlich kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Wien, am 21. Oktober 2015
Seite 13 von 13
GZ. RV/2100685/2012
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache X, gegen
den Bescheid des Finanzamtes Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg vom 23. Juli 2012
betreffend Einkommensteuer 2011 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) machte in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011
den Betrag von 5.860 Euro als außergewöhnliche Belastung geltend. Ergänzend führte er
aus, er habe den genannten Betrag aufgewendet, um seinem spielsüchtigen und dadurch
hoch verschuldeten Sohn einen „Privatkonkurs“ zu ermöglichen. Sein Sohn habe im
Jahr 2011 nur 670 Euro monatlich verdient und sei auf Grund seiner Krankheit (Spielsucht)
nicht in der Lage gewesen, den für die Abwicklung eines „Privatkonkurses“ erforderlichen
Betrag aufzubringen. Der Bf. habe sich aus sittlichen Gründen verpflichtet gefühlt, den
Konkurs seines Sohnes nicht platzen zu lassen. Um die Spielsucht zu überwinden, sei
sein Sohn vom Landesgericht für Strafsachen zur Teilnahme an einer Therapie verurteilt
worden.
Vom Finanzamt wurden die – vom Bf. nachgewiesenen - Zahlungen nicht als
außergewöhnliche Belastung bei der Veranlagung der Einkommensteuer des Jahres 2011
berücksichtigt, weil die Aufwendungen dem Bf. weder aus tatsächlichen noch aus
rechtlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen seien.
In der Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen den Einkommensteuerbescheid 2011
wiederholte der Bf., dass sein Sohn krankhaft spielsüchtig und dadurch in eine hohe
Verschuldung geraten sei. Die Verschuldung habe nur durch einen „Privatkonkurs“
beendet werden können. Damit das Gericht dem Antrag auf Durchführung eines
„Privatkonkurses“ überhaupt stattgegeben habe, habe der Bf. 5.000 Euro hinterlegen
müssen. Von diesem Geld sei im Oktober 2011 die erste und im Dezember 2011 die
zweite Rate an die Gläubiger überwiesen worden. Außerdem habe sein Sohn seiner
Freundin 2.635 Euro entwendet. Im Strafverfahren sei er zur Wiedergutmachung des
Schadens verurteilt worden. Auch diese Zahlung habe der Bf. geleistet. Der Bf. habe
darüber hinaus befürchtet, dass es zu weiteren Verurteilungen seines Sohnes kommen
werde, wenn dieser seine Schulden nicht begleichen könne. Er habe auch befürchtet,
dass sein Sohn, wenn er „eine Strafe absitzen“ müsse noch weiter „ins Kriminelle
absinken“ würde. Auch aus diesem Grund habe für den Bf. eine sittliche Verpflichtung
bestanden, die Konkurszahlungen seines Sohnes zu übernehmen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines
unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche
Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein.
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen.
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben
sein.
Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen
zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht
entziehen kann.
Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die Zahlungen in Höhe von 5.860 Euro, die der
Bf. im Zusammenhang mit dem Schuldenregulierungsverfahren („Privatkonkurs“) seines
Sohnes leistete, beim Bf. als außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 EStG 1988
zu berücksichtigen sind, weil sie dem Bf. aus sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen
sind.
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Unbestritten ist, dass der Sohn des Bf. auf Grund seiner Spielsucht Schulden angehäuft
hatte. Der Bf. befürchtete, dass sein Sohn, wenn das Schuldenregulierungsverfahren nicht
erfolgreich abgeschlossen werden könne, „noch weiter ins Kriminelle absinken“ würde.
Das Vorliegen einer Zwangsläufigkeit für die Übernahme der Schulden seines Sohnes aus
tatsächlichen oder rechtlichen Gründen wurde vom Bf. nicht behauptet und ist auch nicht
erkennbar.
Sittliche Gründe für eine Zwangsläufigkeit können nach Lehre und Rechtsprechung
(vgl. Doralt, EStG 11. Aufl., § 34 Tz 40-42, sowie die dort zitierte Judikatur des
Verwaltungsgerichtshofes) nur aus dem Verhältnis zu anderen Personen, in erster Linie zu
nahen Angehörigen, erwachsen. Eine sittliche Verpflichtung liegt nur dann vor, wenn die
Übernahme von Aufwendungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen
durch die Sittenordnung objektiv geboten erscheint. Es reicht nicht aus, dass das Handeln
des Steuerpflichtigen menschlich verständlich, wünschens- oder lobenswert erscheint oder
eine ungünstige Nachrede vermieden werden soll. Es besteht nach der Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu nochmals die in Doralt, EStG 11. Aufl.,
§ 34 Tz 40-42, zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere VwGH
23.04.1985, 84/14/0158, und VwGH 20.09.1988, 86/14/0015) ua. keine sittliche Pflicht,
einen nahen Angehörigen vor dem Konkurs zu bewahren, dem Ehegatten angesichts
der drohenden Ersatzfreiheitsstrafe die Geldstrafe zu bezahlen oder seinem straffällig
gewordenen Kind den Strafverteidiger zu bezahlen und ihm die Resozialisierung zu
ermöglichen.
Eine sittliche Verpflichtung zur Übernahme von Schulden für nahe Angehörige kann nach
der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 26.03.2003, 98/13/0072,
m.w.N.) nur als gegeben angenommen werden, wenn der Steuerpflichtige glaubt, durch
die Übernahme der Schulden eine existenzbedrohende Notlage eines nahen Angehörigen
mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können, wobei eine existenzbedrohende Notlage
erst dann vorliegt, wenn die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen überhaupt
verloren zu gehen droht, also sowohl Vermögensverlust (Überschuldung) als auch die
Unmöglichkeit, seine berufliche Existenz überhaupt auf zumutbare Weise erhalten zu
können, drohen.
Der Bf. behauptet nicht, dass sein Sohn im Fall des Scheiterns des
Schuldenregulierungsverfahrens seine gesamte wirtschaftliche (berufliche) Existenz
verloren hätte. Das Einkommen des Sohnes des Bf. hätte zwar bis zum Existenzminimum
gepfändet werden können, er hätte aber jedenfalls weiterhin einer nichtselbständigen
Beschäftigung nachgehen können. Auch wenn das Verhalten des Bf., die Schulden seines
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Sohnes (zum Teil) zu übernehmen unter diesen Umständen menschlich verständlich ist,
fehlt diesem Verhalten des Bf. dennoch die Zwangsläufigkeit auf Grund einer sittlichen
Verpflichtung.
Inwiefern die Zahlungen des Bf. unmittelbar dazu gedient haben, seinen Sohn nicht
„noch weiter ins Kriminelle absinken“ zu lassen, ist nicht nachvollziehbar. Die vom
Bf. im Streitjahr geleisteten Zahlungen standen weder mit der vom Strafgericht
angeordneten Therapie der Spielsucht noch mit der Schadenswiedergutmachung
gegenüber der Freundin des Sohnes in einem Zusammenhang. Da nach der Judikatur
des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu nochmals die oa. zitierten Erkenntnisse VwGH
23.04.1985, 84/14/0158, und VwGH 20.09.1988, 86/14/0015) selbst Aufwendungen,
die konkret eingetretene strafrechtliche Folgen für nahe Angehörige beseitigen oder
zumindest mildern sollen, nicht als - aus sittlichen Gründen - zwangsläufig erwachsen
anzusehen sind, muss dies für Aufwendungen, die lediglich befürchtete strafrechtliche
Folgen abwenden sollen, umso mehr gelten.
Die Zahlungen des Bf. können auch nicht deshalb als zwangsläufig erwachsen angesehen
werden, weil sie mit der Spielsucht (und somit mit einer Krankheit) des Sohnes in
Zusammenhang stehen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen
Krankheitskosten zählen nur solche, die unmittelbar zur Heilung oder Linderung
einer Krankheit aufgewendet werden, nicht aber bloß mittelbar mit einer Krankheit
zusammenhängende Kosten (vgl. VwGH 23.05.1996, 95/15/0018).
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass § 34 EStG 1988 an den Begriff der „Belastung“
anknüpft. Aus diesem Begriff ist abzuleiten, dass nur endgültige Vermögensminderungen
abzugsfähig sind (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG 16. Lfg., § 34
Anm. 10). Auch wenn der Bf. sich subjektiv verpflichtet gefühlt hatte, im Streitjahr
einen Teil der Schulden seines Sohnes zu übernehmen und ihm dadurch das
Schuldenregulierungsverfahren zu ermöglichen, ist nicht erkennbar, warum zur Erreichung
dieses Ziels nicht auch eine Darlehensgewährung des Bf. an den - offensichtlich
arbeitsfähigen und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielenden - Sohn ausgereicht
hätte. In diesem Fall wäre beim Bf. im Streitjahr lediglich eine Vermögensumschichtung
und noch kein (endgültiger) Vermögensverlust eingetreten, weshalb die Berücksichtigung
einer außergewöhnlichen Belastung beim Bf. auch aus diesem Grund zu verneinen wäre.
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Zulässigkeit einer Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes
die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der
grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung
fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich
beantwortet wird.
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist im vorliegenden Fall nicht zulässig,
weil dieser Entscheidung die vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung
vertretene Rechtsansicht zugrunde gelegt wurde.
Graz, am 26. Februar 2015
Seite 5 von 5
GZ. RV/5100581/2012
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin Peherstorfer in der
Beschwerdesache Bf., AdresseBf., vertreten durch Stb., gegen die Bescheide
des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom 2. Dezember 2010 und vom
6. September 2012 betreffend Einkommensteuer 2004 bis 2008
zu Recht erkannt:
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Einkommensteuerbescheid 2008 wird insofern abgeändert, als die Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 273,50 € dem Dienstgeber Studio zuzuordnen sind.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensablauf
Die Beschwerdeführerin erzielte im gegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit als Bankangestellte.
Laut Fragebogen betreffend Beginn einer Tätigkeit vom 22. September 2005 wurden von
ihr ab Oktober 2005 Seminare und Einzeltraining im Hinblick auf Beckenbodentraining
abgehalten.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 2. Dezember 2010 wurden
neben den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Bankangestellte auch solche
aufgrund eines Lohnzettels der Firma Studio in Höhe von 2.460,23 € festgesetzt.
Laut Einkommensteuererklärung für das Jahr 2005 wurden neben den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit als Bankangestellte auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe
von -1.560,03 € erzielt.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 2. Dezember 2010 wurden
neben den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Bankangestellte auch solche
aufgrund eines Lohnzettels der Firma Studio in Höhe von 2.404,54 € sowie die oben
angeführten Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgesetzt.
Laut Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 wurden neben den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit als Bankangestellte auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe
von -1.834,60 € erzielt.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 2. Dezember 2010 wurden
neben den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Bankangestellte auch solche
aufgrund zweier Lohnzettel der Firma Studio in Höhe von 1.002,44 € und 488,47 € sowie
die oben angeführten Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgesetzt.
Laut Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 wurden neben den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit als Bankangestellte auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe
von -1.655,45 € erzielt.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 2. Dezember 2010 wurden
neben den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Bankangestellte auch solche
aufgrund zweier Lohnzettel der Firma Studio in Höhe von 754,46 € und 279,50 € sowie die
oben angeführten Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgesetzt.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 2010 wurde gegen obige Bescheide Beschwerde
erhoben wie folgt:
Die Voraussetzung für die Vorschreibungen an Einkommensteuer in den gegenständlichen
Bescheiden sei die Annahme eines freien Dienstvertrages, den es nie gegeben habe. Die
Beschwerdeführerin wäre nie für das Studio Studio tätig gewesen, sondern im Studio in
einem angemieteten Saal für den Verein .
Diese Vorschreibung resultiere aus einer GPLA-Prüfung durch die GKK aufgrund der
Annahme einer Scheintätigkeit des Vereins, welche bereits vom VwGH im angeführten
Erkenntnis widerlegt worden sei.
Begründung
Vereinstätigkeit, VwGH 4.6.2008, 2008/08/0105; 30.6.2009, 2008/08/0130
Sportvereine, die in der Vergangenheit insbesondere in der Wintersaison Fitness,
Aerobic oder Schigymnastik angeboten hätten, seien vermehrt dem Konkurrenzdruck
der Fitnessstudios ausgesetzt. Nicht nur, dass sie ihre „Mitglieder“ verlieren würden,
sondern auch die von ihnen ausgebildeten Trainer. Die Studios hätten durch mehr
Komfort und durch zusätzliche Ausrüstung (Fitnessgeräte und Gewichte) einen enormen
Wettbewerbsvorteil. Die gemeinnützigen Sportvereine wären in der Vergangenheit
auf schulische oder kirchliche Räumlichkeiten angewiesen gewesen (Turnsäle, etc.),
deren Ausstattung vergleichsweise notdürftig gewesen wäre. Zum Zweiten hätte es für
Aerobictrainer bis vor kurzem lediglich die Ausbildung im Rahmen der Bundesanstalt für
Leibeserziehungen gegeben, die nur über die Vereine beschickt worden wäre. So hätten
die Vereine die Trainer ausgebildet, die jetzt in den Fitnessstudios tätig seien. Es gebe
jetzt eine Zweiklassengesellschaft, nämlich jene, die sich das Studio leisten könnten und
jene (insbesondere Jugendliche), denen die Beiträge zu hoch seien.
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Beispiel: Im Sportangebot 2010 des Verein1 der Stadt A. seien z.B. 52 Vereine
angeführt, die Gymnastik – Aerobic anbieten würden und zwar in unmittelbarer Nähe von
kommerziellen Fitnessstudios. Ein klassischer Fall für Konkurrenz. Dabei sei noch garnicht
die Rede von ebenfalls vorhandenen Verein2 oder Verein1-Vereinen. Mit anderen Worten:
gemeinnützige Vereine und Fitnessstudios würden sich konkurrenzieren. Damit nicht alle
Trainer „abwandern“ und die Vereine ihre Kompetenz als Sportanbieter verlieren würden,
hätten jetzt Vereine Kooperationen mit Studios vereinbart.
Zum einen würden Räumlichkeiten und Geräte angemietet, damit Vereinsmitglieder auch
in Studios trainieren könnten. Zum anderen würden Aerobicstunden von Vereinstrainern
im Studio gegeben, die auch Vereinsmitgliedern zugänglich seien.
Die Vereinstrainer seien weiterhin beim Verein tätig, würden nicht mehr als maximal
540,00 € pro Monat erhalten, gemäß § 3 Z 16 lit c EStG 1988. Nach Randziffer 154 der
Vereinsrichtlinien seien für Sportvereine die Einnahmen aus Unterrichtserteilung als
Verwirklichung des gemeinnützigen Zweckes gegeben. Die Erzielung zweckgerichteter
Vorteile gelte für den Verein als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb iSd § 31 BAO,
z.B. Eintrittsgeld beim Besuch eines Fußballspieles. Ob sich das so motivierte
Zweckverwirklichungsgeschäft nur auf Nichtmitglieder oder auch auf Mitglieder und
Nichtmitglieder erstrecke, sei bedeutungslos („Die Besteuerung der Vereine“, Kohler,
Quantschnigg, Wiesner, 9. Auflage, Seite 177, Beitrag Renner).
Der Verein3 sei von der GKK als Scheingründung gesehen worden und erst der VwGH
hätte die Existenz des Vereines anerkannt und damit den behaupteten Schwindel
widerlegt. Der VwGH hätte eine solche Kooperation als mögliche Gesellschaft
Bürgerlichen Rechts angesehen. Durch eine Kooperation könne die gemeinnützige
Förderung des Körpersportes erreicht werden. Die Zusammenarbeit könne unentgeltlich
durchgeführt werden, was jedoch nichts an der unmittelbaren Zweckverwirklichung
ändere (VereinsR Rz 154). Nach der MwStRL vom 28.11.2006 des Rates würde eine
Steuerbefreiung nur eine sachliche Befreiung sein. Die österreichische Befreiung erfasse
neben Dienstleistungen auch Lieferungen und stelle nicht darauf ab, dass die Leistungen
an sporttreibende Empfänger erbracht würden.
Eine Konkurrenzsituation verlange geradezu eine Kooperation mit gewerblichen
Fitnessanbietern (Rz 156, vermeidbare Konkurrenzierung), so wie diese schon immer
gegeben gewesen wäre zwischen den Vereinen (gemeinsame Veranstaltungen,
Personalaushilfe), mit Schulen bzw. dem Betriebssport der Arbeiterkammer und der
Bundesanstalt für Leibeserziehung, wo Vereinstrainer tätig gewesen wären.
Damit sei eine Kooperation nach dem Erkenntnis des VwGH ein Weg, um dem
Konkurrenzdruck auszuweichen, der in Zentralräumen durch die große Anzahl von
Fitnessstudios jedenfalls gegeben sei. Ohne Kooperation würde bei einem konkreten
lokalen Wettbewerb der unentbehrliche Hilfsbetrieb diese Eigenschaft verlieren.
Kommentare:
Die Besteuerung der Vereine, 9. Auflage, Kohler-Quantschnigg u.a., Wien 2002:
Seite 88: begünstigt sei die Förderung jeglicher Art von körperlicher Betätigung, nicht
begünstigt sei die Ausübung des Berufssportes.
Seite 3 von 30
Seite 93, Rz 14: eine Förderung der Allgemeinheit liege aber nicht vor, wenn der
geförderte Personenkreis eng begrenzt sei. Rz 19: fördere der Sportverein zwar nur die
sportlichen Aktivitäten seiner Mitglieder, stehe die Mitgliedschaft aber jedem offen, sei er
gemeinnützig.
Seite 96: der zweite Weg der Förderung der Allgemeinheit sei der, dass ein Verein seine
Tätigkeit zwar nur auf seine Mitglieder erstrecke, die Mitgliedschaft zum Verein aber
jedermann offen stehe.
Seite 120, Rz 120: bediene sich die Körperschaft zur Erfüllung ihrer Zwecke
der Hilfe eines Dritten, müsse dessen Wirken wie eigenes Wirken anzusehen
sein. Beispiel: Vertragliche Vereinbarung eines Sportvereines mit einer
Sportanlagenbetreibergesellschaft über die Nutzung der Anlage für Vereinszwecke.
Seite 143: Leistungsabhängige Zweckverwirklichung
Würden die Aktivitäten des Vereines nicht kostenlos erfolgen, sondern würden sie
von der Gegenleistung des Empfängers abhängig gemacht werden, werde die
Zweckverwirklichung zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Beispiel: Eintrittsgeld
zum Besuch eines Fußballspieles, Eintrittspreis für einen Vortrag.
Die Verbindung zur Zweckverwirklichung und ökonomischem Denken sei an sich nichts
Begünstigungsschädliches, solange die Gegenleistung den Zweck der Verwirklichung
überhaupt ermögliche. Ob sich das so motivierte Zweckverwirklichungsgeschäft nur auf
Mitglieder oder auf Mitglieder und Nichtmitglieder erstrecke, sei bedeutungslos.
Seite 159: ob die Betätigung gegenüber der Allgemeinheit und nur gegenüber
den Mitgliedern entfaltet werde, sei mangels de Erfordernisses der Beteiligung am
allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, wie dies für das Entstehen des Gewerbebetriebes
Voraussetzung sei, dann nicht entscheidend, wenn für die Allgemeinheit prinzipiell freie
Beitrittsmöglichkeit zum Verein bestehe.
Seite 168, Rz 154: beispielsweise könne die Förderung des Körpersportes nicht anders
als durch Sportveranstaltungen erreicht werden. Diese Veranstaltungen könnten
unentgeltlich durchgeführt werden, es könne aber auch zu deren Unkostendeckung ein
Entgelt verlangt werden, was jedoch nichts an der unmittelbaren Zweckverwirklichung
ändere. Dasselbe gelte beispielsweise für einen Sportverein, der Einnahmen aus der
Unterrichtserteilung erziele, soweit die unmittelbare Einheit mit der Verwirklichung seines
gemeinnützigen Zweckes gewahrt bleibe.
Ez 156: die Eigenschaft als unentbehrlicher Hilfsbetrieb gehe nur bei einer vermeidbaren
Konkurrenzierung steuerpflichtiger Betriebe verloren, nicht hingegen bei einem
Wettbewerb mit gleichartigen Betrieben anderer begünstigter Rechtsträger. Der Verlust
der Eigenschaft als unentbehrlicher Hilfsbetrieb könne durch Veränderung der lokalen
Gegebenheit dadurch eintreten, dass sich steuerpflichtige Konkurrenzbetriebe im
Versorgungsgebiet neu ansiedeln. Beispiel: begünstigter Verein als Sportverein,
konkurrenzierter Unternehmer, Fitnesscenter.
Seite 177: eine Änderung der Wettbewerbsverhältnisse können dazu führen, dass
ein ehemals unentbehrlicher Hilfsbetrieb zu einem entbehrlichen werde. Beispiel:
Seite 4 von 30
ein Sportverein betreibe eine Tennishalle, die nur Mitgliedern und im Rahmen von
Gästestunden auch Dritten zur Verfügung stehe.
Seite 279: als steuerpflichtige Betriebe würden die so genannten entbehrlichen
Hilfsbetriebe gelten (§ 45 Abs. 1 BAO). Der unentbehrliche Hilfsbetrieb sei von der
Körperschaftsteuer befreit (§ 45 Abs. 2 BAO).
Seite 355, Rz 367: zum Sportbetrieb würden alle durch den Betrieb veranlassten
Einnahmen gehören (Erlöse aus Sport- und Fitnessveranstaltungen). Von einem
Sportverein veranstaltete Fitnessveranstaltungen würden einen unentbehrlichen
Hilfsbetrieb darstellen.
Seite 356: die Qualifikation des Sportbetriebes als unentbehrlicher Hilfsbetrieb
gelte prinzipiell auch bei Vereinen, die im Rahmen des Sportbetriebes auch
Fitnessveranstaltungen abhalten würden, selbst wenn auch bei diesen Veranstaltungen
nachhaltig Überschüsse erzielt würden.
Seite 358, Rz 304: stehe die Erteilung von Unterricht mit dem begünstigten Vereinszweck
in Zusammenhang, sei sie als unentbehrlicher Hilfsbetrieb anzusehen. Beispiel Tennisoder Segelunterricht des Sportvereines.
Zur Kooperation:
Die Kooperation sei ein freiwilliges Zusammenwirken von selbständigen Vereinen oder
Unternehmen mit dem Zweck, Tätigkeiten gemeinsam auszuführen. Die Kooperation
solle die Unterdeckung von gewissen Ressourcen ausgleichen. So sei bei Vereinen
die Erfahrung von ausgebildeten Trainern vorhanden, während bei Fitnessstudios
beispielsweise Geräte und das Kapital vorhanden seien. Formen der Kooperation würden
von einer losen Kooperation über Netzwerke bis hin zur Clusterbildung gehen oder auf der
anderen Seite von Arbeitsgemeinschaften bis zu Franchise-Modellen.
Die Kooperationspartner würden die Rechte und Pflichten jedes Partners festlegen,
insbesondere die Aufgabenteilung und die Verrechnungssätze für die jeweils erbrachten
Leistungen. Die Vorteile einer Kooperation würden darin bestehen, dass bestehende
Organisationen und Strukturen weitgehend erhalten bleiben würden. Durch das größere
Potential von Personen und Geräten könne Sport in einem weiteren Ausmaß ausgeübt
werden und vor Allem sei es ein Weg für Vereine, aus der steuerlichen Konfliktsituation
herauszukommen, die darin bestehe, dass der Sportbetrieb zu einem entbehrlichen
Hilfsbetrieb werde (VereinsR, Rz 175: „Dient der Geschäftsbetrieb zwar unmittelbar dem
begünstigten Vereinszweck, stehe er aber mit anderen abgabepflichtigen Betrieben in
vermeidbarer Konkurrenz, sei die Vereinstätigkeit ebenfalls als entbehrlicher Hilfsbetrieb
zu beurteilen.“).
Der entbehrliche Hilfsbetrieb sei körperschaftsteuerpflichtig, während die Einnahmen aus
der unentbehrlichen Tätigkeit von der Körperschaftsteuer befreit seien. Diese steuerliche
Folge könne durch eine Kooperation vermeiden werden, eben genau die Kooperation
verhindere die Wettbewerbssituation.
Die konkrete Vereinstätigkeit laufe wie folgt ab:
Der Verein miete Räumlichkeiten in Studios, in Schulen, beim Betriebssport in Betrieben,
um jeweils eine bestimmte Anzahl von Unterrichtseinheiten abzuhalten.
Seite 5 von 30
Die Inhalte, die angeboten werden würden, würden von der Qualität und der Fachkunde
der Trainer abhängen. Der Verein sie für die Abwicklung verantwortlich, hafte auch
für Inhalte, Termineinhaltung und Ausführung. Die Trainer selbst würden für ihre
Vertretung sorgen, nachdem sie als Fachkundige genau wissen würden, wer diese Inhalte
vertretungsweise darbieten könne.
Eine Unterrichtseinheit werde nur dann abgehalten, wenn mindestens fünf Teilnehmer
anwesend seien. In den Vereinsstatuten sei festgehalten, dass 10% der Einnahmen
aus der Unterrichtserteilung für die Aus- und Weiterbildung der Trainer und für die
Supervision junger Trainer aufgewendet werden würden. Der Verein kassiere die
Einnahmen (Eintrittsgelder und/oder Mitgliedsbeiträge) und zahle am Monatsende gegen
Nachweis von Reiseaufwendungen Taggelder und Kilometergelder iS der damaligen
Vereinsrichtlinien bzw. iSd § 3 Z 16 EStG 1988 und § 49 ASVG steuerfrei und beitragsfrei
an die Trainer aus. Darüber hinausgehende Vergütungen würden nicht bezahlt.
Studio, Schule oder Betriebssport
Am Veranstaltungsort werde der Mitgliedsbeitrag bzw. das Eintrittsgeld kassiert oder
auch pauschal für jede abgehaltene Stunde abgerechnet, z.B. Vergütung je abgehaltener
Stunde an den Verein 12,00 €, abzüglich 2,00 € Saalmiete. Die Nettoüberweisung
mit 10,00 € je Stunde vom Vermieter an den Verein als Mieter erfolge monatlich, von
Bankkonto zu Bankkonto, daher in der Regel unbar. Aus Vereinfachungsgründen werde
der eingehobene Mitgliedsbeitrag mit z.B. 12,00 € pauschaliert, weil das Abkassieren
in bar vor Beginn der jeweiligen Trainingsstunde nicht durchführbar sei. In manchen
Fällen erfolge die Unterrichtserteilung unentgeltlich z.B. in Schulen oder für Vereine beim
Weihnachtsturnen etc..
Es werde daher die ersatzlose Aufhebung der Bescheide beantragt.
Laut Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 wurden neben den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit als Bankangestellte auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe
von 877,58 € erzielt.
Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 vom 6. September 2012 wurden
neben den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Bankangestellte auch solche
aufgrund eines Lohnzettels des Verein in Höhe von 273,50 € sowie die oben angeführten
Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgesetzt.
Mit Schreiben vom 3. Oktober 2012 wurde gegen diesen Bescheid Beschwerde
eingereicht und unter anderem wie folgt ausgeführt:
Im Bescheid sei für die Beschwerdeführerin als Vereinstrainerin ein Betrag enthalten, der
vom Verein stamme und fälschlich als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beurteilt
worden wäre.
Anstelle der steuerfreien Spesenvergütung, die der Verein iSd Abschnitt 7 der
Vereinsrichtlinien ausgezahlt hätte, sei von der Amtspartei der betreffende Betrag
unrichtigerweise den Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit zugerechnet worden.
Seite 6 von 30
Nachfolgend erlaube man sich, den Sachverhalt zu erläutern und Hinweise auf die
rechtlichen Rahmenbedingungen zu geben und ersuche, den angefochtenen Bescheid
aufzuheben.
1. Genesis
Sie Verein1 Vereine insbesondere in den Zentralräumen hätten in Turnsälen Aerobic
unterrichtet, damals unter dem Titel Schigymnastik oder Zirkeltraining und ihre Vergütung
an die Trainer ausschließlich nach den Vereinsrichtlinien gezahlt. Ende 1990 sei durch
das Aufkommen der kommerziellen Studios infolge der besseren Ausrüstung ein
Mitgliederschwund eingetreten, zumal jene Personen, die es sich leisten hätten können,
zu Studios gewechselt hätten. Zum Zweiten hätten die Studios nach Trainern gesucht, die
es aber nur in den Vereinen gegeben hätte.
Daher hätten sich in den zwei Vereinen Verein3 und Verein Trainer aus diesen gefunden,
um Aerobic nicht nur in Turnsälen, sondern dort auszuüben, wo Interesse dafür bestanden
hätte.
Die Vereine hätten in den Studios die „Turnsäle“ gratis erhalten, damit hätten die Vereine
die Möglichkeit gehabt, dort zu unterrichten. Trainer, die aus den Vereinen gekommen
seien, die Tätigkeit nebenberuflich ausgeübt hätten und üblicherweise wöchentlich nur
zwei oder vier Stunden tätig gewesen wären, hätten so wie bisher im neuen Verein
lediglich gegen Spesenvergütungen iSd Vereinsrichtlinien tätig werden wollen. In Summe
würde sich also die Vereinstätigkeit von den Schulturnsälen in die Räumlichkeiten des
Studios verlagert haben. Der Unterricht als solcher sei der gleiche geblieben und ebenfalls
die Spesenvergütung. Die beiden Verein1 Vereine hätten idente Statuten und ein Großteil
der Trainer wäre auch als Funktionär tätig gewesen.
Die Tatsache, dass die Trainer auch gleichzeitig Vereinsfunktionäre gewesen wären,
würde eine besondere Bedeutung haben (OLG Wien 7Ra 16203 z vom 26.2.2004).
2. Die Trainerausbildung
Sie wäre über den Verein oder, vom Verein finanziert, an der Bundesanstalt für
Leibeserziehung oder durch den Dachverband Verein1 erfolgt. Die Mitwirkung des
Trainers wäre nur durch die Mitgliedschaft im Verein möglich gewesen. Auf der anderen
Seite hätten interessierte Trainierende an der Ausbildung teilnehmen können. Jedenfalls
hätte der Verein Subventionen erhalten für die Teilnahme an sportlichen Veranstaltungen.
In Summe sei das Trainerpotential völlig unabhängig von den jeweiligen Studios. Die
Inhalte, die der Verein im Unterricht angeboten hätte, wären wiederum abhängig von der
Qualität der Trainer.
3. Entgelt
Das Entgelt für jeden Teilnehmer für jede Stunde würde zwei Euro betragen, bei maximal
30 Teilnehmern würden das 60,00 € sein. Es gebe eine Mindestteilnehmerzahl von vier
und einen durchschnittlichen Erfahrungswert von 10 Teilnehmern. Schließlich sei ein
Pauschalhonorar für jede abgehaltenen Stunde von ursprünglich 200,00 S ausgemacht
worden und zwar unabhängig von der Anzahl der Teilnehmer. Mit diesen 200,00 S
wäre es nur möglich, die Spesenersätze zu vergüten und den verbleibenden Überhang
für die Aus- und Fortbildung zu verwenden, was tatsächlich über Jahre geschehen
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sei. Die Trainer seien insgesamt nur nebenberuflich tätig, daher könne nicht von einer
erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit gesprochen werden. Zudem seien Vereinsmitglieder
nicht weisungsgebunden.
4. Tätigkeitsort
Nicht mehr im Turnsaal, sondern im Studio als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung. In
den Studios seien gewerbliche Betreiber, die für eine „ordentliche“ Ausstattung sorgen
würden.
5. Außenwirkung
Ein Verein sei mit Adresse in jener Publikation enthalten, die an 80.000 A.er Haushalte
gesendet worden sei. Die Unmittelbarkeit der Sportausübung erfolge deswegen, weil
der Verein tätig gewesen wäre. Dass Sportvereine unmittelbar selbst tätig seien, sei
selbstredend.
7. Ergebnis
Der Verein hätte einmal 60 Trainer gehabt, davon 20 in Ausbildung, Ende vergangenen
Jahres hätte es keine Trainer mehr gegeben.
Der VwGH hätte im Verfahren des Vereines Verein3 festgestellt, dass der Verein
durchaus im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit einem Studio
zusammenarbeiten könne. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts hätte der VwGH nur als
Metapher verwendet und damit eine Scheinkonstruktion, die der Vorschreibung der GKK
zugrunde gelegen wäre, entkräftet. So wäre der Verein keine Scheingründung und hätte
mit dem Studio zusammenarbeiten können. Die Vorschreibung beim Studio sei deswegen
rechtswidrig, weil es nie eine GesBR gegeben habe. Die Tatsache einer GesBR ließe
sich leicht feststellen, die GesBR würde umsatzsteuerpflichtig sein und es würde eine
Gewinnverteilung stattfinden.
Davon abgesehen hätte der UFS die Trainer als selbständig Erwerbstätige beurteilt,
daher weder ein Dienstverhältnis zum Verein, noch ein Dienstverhältnis zum Studio.
Die UFS-Entscheidung beziehe sich auf die Vereinsrichtlinien, die wie bekannt vom
UFS nicht anerkannt würden. Nunmehr seien aber die Vergütungen an Trainer gemäß
§ 3 EStG 1988 mit 540,00 € als Spesenersatz gedeckelt. Diese Beträge könnten
vom Verein ausgezahlt werden. Mittlerweile gebe es 80 Vereine im Großraum A., die
Aerobicunterricht anbieten würden, zum Teil in Turnsälen, zum Teil in Studios.
8.
Die grundlegenden Vorschriften für Vereine seien in der BAO festgehalten. Ein
Kulturverein, sowie der Sportverein, sei gemeinnützig, wenn Inhalte in der Satzung
dargestellt würden und diese Sport oder Kultur beträfen. Sport werde sehr weit
ausgelegt, gehe bis Motorsport und Schach. Sportausübung und Unterrichtserteilung
sei zweifelsfrei gemeinnützig. Auf der anderen Seite müssten nicht alle Inhalte,
die gemeinnützig sein würden, ausgeübt werden. Daher sei eine Aufteilung
von Sportausübung und Unterrichtserteilung für die Beurteilung irrelevant. Der
Verein dürfe alles machen, soweit dies mit der Satzung konform sei, dargestellt
in § 45 BAO. Es werde unterschieden zwischen unentbehrlich, entbehrlich und
begünstigungsschädlich. Begünstigungsschädliche Tätigkeit sei infolge dann
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steuerpflichtig. Begünstigungsschädliche Tätigkeit dürfe aber die Vereinstätigkeit nicht
dominieren.
Der Verein diene der Allgemeinheit dann, wenn eine große Anzahl von Teilnehmern
Zugang hätte. Hürde sei hier die Höhe des Mitgliedsbeitrages, wobei festzuhalten sei,
dass die Leistungserbringung nicht nur gegenüber Mitgliedern, sondern auch gegenüber
Nichtmitgliedern im Sinne der Allgemeinheit gesehen sei. Das Mitglied in einem Golfclub
dürfe selbstverständlich in einem anderen Golfclub spielen, ohne dort Mitglied zu
sein. Die Unmittelbarkeit sei ebenfalls in der BAO geregelt, zwar mit einem anderen
Hintergrund. Die Ausübung von Sport und Kultur der Vereine bedürfe, insbesondere
bei Meisterschaftsbetrieb, einer Organisation. Daher seien Vereine in Verbänden
zusammengeschlossen, im Sport Fachverbände und Dachverbände. Diese Verbände
würden den Sport nicht unmittelbar ausüben, sondern nur dafür sorgen, dass die Vereine
den Sport ausüben könnten. In der BAO sei auch für diese Verbände die Gemeinnützigkeit
vorgesehen, unter der Voraussetzung, dass die untergeordneten Vereine ihre Tätigkeit
unmittelbar ausüben würden.
Abschließend zur Kooperation zwischen Verein und Auftraggeber: Wesentlich für
die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Verein und Studio wäre die Rz 156
VereinsR, wo festgehalten sei, dass die Eigenschaft als unentbehrlicher Hilfsbetrieb
dann verloren gehe, wenn ein Wettbewerb mit einem gleichartigen Konkurrenzbetrieb
bestehe. Daher sei im Rahmen der Vereinbarung mit den Studios darauf geachtet
worden, dass das Studio selbst nicht den Aerobicunterricht durchführe. Seien die beiden
angeführten Vereine in Übereinstimmung mit den Vereinsrichtlinien, so wie im konkreten
Fall den Vereinsrichtlinien entsprochen worden und zwar genau mit dem Beispiel,
das in den Vereinsrichtlinien gegeben sei, wo festgehalten sei, dass abhängig vom
Angebot zu unterscheiden sein würde und zwar in dem Beispiel der Schutzhütte eines
Touristenvereines.
Wenn man die gegebenen Sachverhalte anhand der steuerlichen Vorschriften betrachte,
da könne man leicht zu dem Ergebnis kommen, dass die Vereinstätigkeit steuerlich in
Ordnung sei.
9. Beitrittserklärung zum Verein
Mit dieser Beitrittserklärung werde die Mitgliedschaft erworben. In Punkt 2 sei dargestellt,
in welcher Form der Verein Leistungen an andere Vereine oder Dritte anbiete. In Punkt 4
und das sei ganz wesentlich, sei mit den Trainern vereinbart worden, dass der maximale
Auszahlungsbetrag pro Monat 537,00 € betrage. Darüber hinaus gehende Beträge würden
vom Verein für Aus- und Fortbildung einbehalten werden.
Wesentlich sei Punkt 6, wo festgehalten sei, dass keine Verpflichtung mit der
Mitgliedschaft verbunden sei, eine Tätigkeit auszuüben. Damit sei eigentlich klargelegt, auf
welcher Basis die Vereinsmitglieder ihre Leistungen erbringen würden.
10. Die rechtlichen Verhältnisse
Als Beispiel für das Funktionieren des Vereines gebe es das Protokoll der
Vorstandssitzung und Jahreshauptversammlung vom 21. April 2006 (vergleiche Beilage).
Seite 9 von 30
Damit sei nicht erkannt worden, dass die Bezahlung der Trainer nicht ein Entgelt
darstellen würde, sondern lediglich eine Spesenabgeltung, die vom Verein ausgezahlt
werde, schließlich und ganz wesentlich, dass es keine Verpflichtung zur persönlichen
Arbeitsleistung gebe.
Eine Rechtsbeziehung zwischen der Beschwerdeführerin gebe es nur über die
Mitgliedschaft zum Verein. Rechte und Pflichten würden sich nach dem Vereinsgesetz
ergeben. Nachdem diese Organ des Vereines gewesen wäre, hätte sie für den Verein
gehandelt.
Die Tatsache, dass die Trainer auch gleichzeitig Vereinsfunktionäre gewesen wären,
hätte nun eine besondere Bedeutung. Das OLG Wien hätte in der Entscheidung vom
26.2.2004, 7 Ra 16203 z, festgestellt, „dass ein Vereinsfunktionär, der gleichzeitig Trainer
ist, nicht die Eigenschaft eines Arbeitnehmers hat, weil das erforderliche Element der
Fremdbestimmtheit fehlt, selbst wenn die sonstigen Merkmale für ein Dienstverhältnis
bestehen.“
Wenn man schon davon ausgehen würde, dass Funktionäre und Vereinsmitglieder
Dienstnehmer sein könnten, was eigentlich denkunmöglich sei, dann solle man
wenigstens die Bestimmungen der Rz 763 und 765 der Vereinsrichtlinien beachten.
In Rz 763 sei festgehalten, dass die Übernahme ehrenamtlicher Vereinsfunktionen in der
Regel kein Dienstverhältnis begründe, auch wenn laufend Aufwandsentschädigungen
gezahlt würden. In Rz 764 sei für Vereinsmitglieder festgehalten: Stelle ein Vereinsmitglied
seine Leistungen gegen ein niedriges Entgelt dem Verein zur Verfügung, liege kein
Dienstverhältnis vor.
In Rz 765 sei über die Mitarbeit im Verein festgehalten worden, dass bei geringfügigem
Entgelt kein Dienstverhältnis vorliege, also für Personen außerhalb der Funktionäre und
Vereinsmitglieder.
Die Auszahlungen seien immer in jener Höhe erfolgt, wie sie in Rz 774 festgelegt
seien. Hier werde zwischen den Tätigkeiten bis vier Stunden und über vier Stunden
unterschieden. Grundsätzlich gebe es die Vergütung mit 75% des amtlichen
Kilometergeldes. Daher hätte jeder Trainer in der monatlichen Abrechnung den
Zeitaufwand festzuhalten und zwar einschließlich der Reisezeit, also Anreise bis
Studio und Heimfahrt, und die Anzahl der Kilometer. Schließlich hätte nach Rz 772 ein
monatliches Spesenpauschale von 75,00 € ausgezahlt werden können.
Schließlich sei in Rz 766 festgehalten, dass ein Dienstverhältnis nicht vorliege, wenn die
monatlichen Einnahmen unter Außerachtlassung dieser Fahrt- und Reisekostenersätze
nicht höher seien als der für den Eintritt der Vollversicherungspflicht nach ASVG.
Diese Tatsache sei bei der Auszahlung jeweils genau berücksichtigt worden, sodass
in keinem Fall ein Dienstverhältnis vorliege. Deswegen, weil bei den Funktionären
und Vereinsmitgliedern ein Dienstverhältnis per se unmöglich sei. Wenn man dies
verneine, dann auch nicht, weil die jeweiligen Grenzen für ein Dienstverhältnis nicht
erreicht worden wären oder mit anderen Worten: lediglich die steuerfreien Fahrt- und
Reiseaufwandentschädigungen ausbezahlt worden wären.
11. Missbrauch iSd § 22 BAO
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Die Bestimmung des § 22 BAO verbietet nicht, Formen und Gestaltungsmöglichkeiten
des bürgerlichen Rechts so einzusetzen, dass die geringste Steuerbelastung
erzielt werde: Grundsätzlich stehe es jedermann frei, seine Rechtsverhältnisse und
wirtschaftlichen Beziehungen so zu gestalten und zu ordnen, dass der günstigste
Effekt, nämlich der bestmögliche Erfolg bei geringster der gesetzlich vorgegebenen
Abgabenbelastung erreicht werde (Ritz, BAO, § 22 Rz 1). Die Ausnützung der
zivilrechtlichen Gestaltungsfreiheit, also das Recht des wahlweisen Gebrauchs der
Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts in der ausschließlichen
Absicht der Abgabenersparnis, stehe jedermann offen und bleibe auch abgabenrechtlich
unangetastet, denn die Möglichkeit günstiger rechtlicher Gestaltungen entspreche einem
von der Rechtsordnung anerkannten und berechtigten Interesse (Stoll, BAO, 252; VfGH
8.5.1980, V 14/80).
12. Definition der Tätigkeit: Sportbetrieb
Der Verein unterhalte einen Sportbetrieb. Folgende Einnahmen würden beispielsweise im
Rahmen eines Sportbetriebes (unentbehrlicher Hilfsbetrieb) anfallen: Einnahmen aus der
Erteilung von Sportunterricht, von Gästestunden oder Einnahmen aus Trainingskursen und
Sportprüfungen, die der Verein abhalte. Auch Sponsoreneinnahmen seien Einnahmen aus
dem Sportbetrieb (Wolfgang Berger, Der Verein im Steuerrecht, 2. Auflage, S 30).
Begünstigt sei die Förderung jeglicher Art von körperlicher Betätigung, also nicht bloß
Körpersport im engeren Sinn (Baldauf, Besteuerung der Vereine, 9. Auflage).
Dieser Vergleich zeige aber deutlich eine Struktur, die für den Sport geradezu die Norm
sei. Der Fußballverein spiele auf der Anlage, die der Gemeinde gehöre, die Zuschauer,
die nicht unbedingt Vereinsmitglieder seien, würden für die Sportveranstaltung zahlen und
nichts anderes finde sich beim Gymnastikverein, der im Fitnessstudio Unterricht erteile.
Aber gerade die Nichtmitglieder seien es, die dem Gemeinnützigkeitsgedanken mehr
entsprechen würden, als eine Leistungserbringung nur für Vereinsmitglieder. In beiden
Fällen (Fußball und Gymnastikverein) gehe es um die Förderung der Allgemeinheit, wie
dies im § 35 Abs. 2 BAO wie folgt geregelt sei: eine Förderung der Allgemeinheit liege
dann vor, wenn die Tätigkeit dem Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder
materiellen Gebiet nütze. Dies gelte insbesondere für die Förderung des Körpersports.
Ergebnis: Nachdem nun ein größerer Kreis von Personen einen Nutzen (externe
Nutzensstiftung) aus der Vereinstätigkeit ziehen würde, werde die Allgemeinheit iSd von
§§ 35 und 26 BAO tatsächlich gefördert.
13. Über den unentbehrlichen Hilfsbetrieb
Der unentbehrliche Hilfsbetrieb werde in § 45 Abs. 2 BAO wie folgt beschrieben: Der
wirtschaftliche Geschäftsbetrieb müsse in seiner Gesamtrichtung auf Erfüllung der
gemeinnützigen Zwecke eingestellt sein. Der Zweck dürfe nicht anders als durch
diesen Geschäftsbetrieb erreichbar sein. Der Geschäftsbetrieb dürfe zu anderen
abgabepflichtigen Betrieben nicht in größerem Umfang in Wettbewerb treten.
In Rz 253ff würden als typische Beispiele eines unentbehrlichen Hilfsbetriebes der
Sportbetrieb von Sportvereinen dargestellt.
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Im ABC der Förderungszwecke im Rahmen der Vereinsrichtlinien gebe es zum Sport
folgende Aussagen: begünstigt sei die Förderung jeglicher Art von körperlicher Betätigung.
Die Finanzverwaltung vertrete die Auffassung, dass als Körpersport jede Art von
sportlicher Betätigung verstanden werden könne. Als Beispiele würden sich in der
Literatur die Veranstaltung entgeltlicher Kurse zur Erlangung des Flugscheines, des
Motorbootführerscheines oder andere Unterrichtserteilung wie z.B. Segelunterricht finden
unter der Voraussetzung, dass daraus kein Gewinn erzielt werde.
Rz 366: Der mit der Erzielung von Einnahmen verbundene Sportbetrieb stelle in der Regel
einen unentbehrlichen Hilfsbetrieb dar. Die dabei erzielten Überschüsse würden steuerfrei
bleiben.
Rz 367: Zum Sportbetrieb würden alle durch den Betrieb veranlassten Einnahmen
gehören (Erlöse aus Sport- und Fitnessveranstaltungen, Werbeeinnahmen).
Rz 296: Von einem Sportverein veranstaltete Fitnessveranstaltungen würden einen
unentbehrlichen Hilfsbetrieb darstellen.
14. Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sportverein
(Zitierung: die Seitennachweise würden sich auf das Buch Kohler, Baldauf, Renner,
Wakounig, Die Besteuerung der Vereine, 9. Auflage beziehen, die Rz auf die der
Vereinsrichtlinien.)
Würden die Aktivitäten des Vereins nicht kostenlos erfolgen, sondern würden sie
von Gegenleistungen des Leistungsempfängers abhängig gemacht, werde die
Zweckverwirklichung zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 31 BAO, Rz 136ff).
Beispiele dafür: Eintrittspreis für einen Vortrag, Eintrittsgeld zum Besuch eines
Fußballspiels, Kostenersatz für gehaltenen Aerobicstunden.
Diese Verbindung von Zweckverwirklichung und ökonomischem Denken sei an
sich nicht begünstigungsschädlich, solange die Gegenleistungen den Sinn hätten,
die Zweckverwirklichung überhaupt zu ermöglichen. Ob sich das so motivierte
Zweckverwirklichungsgeschäft nur auf Nichtmitglieder oder auf Mitglieder und
Nichtmitglieder erstrecke, sei bedeutungslos (Seite 143).
Bestehe am Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes kein Zweifel, sei
als nächster Schritt zu prüfen, ob dessen Ergebnis abgabenrechtlich bedeutsam
sei. Der Gesetzgeber hätte diesbezüglich nur im § 45 BAO bei der Abgrenzung der
abgabenbefreiten von den abgabepflichtigen Geschäftsbetrieben Stellung genommen.
Zum Sportbetrieb finde sich die Definition in den Rz 366ff der Vereinsrichtlinien.
„Der mit der Erzielung von Einnahmen verbundene Sportbetrieb von Sportvereinen stellt
in der Regel einen unentbehrlichen Hilfsbetrieb dar. Dabei erzielte Überschüsse bleiben
steuerfrei.“
Zum Sportbetrieb würden alle durch den Betrieb veranlassten Einnahmen gehören (Erlöse
aus Sport- und Fitnessveranstaltungen, Werbeeinahmen).
Von einem Sportverein veranstaltete Fitnessveranstaltungen würden einen
unentbehrlichen Hilfsbetrieb darstellen.
Die Vereinsrichtlinien würden den Begriff des Sportbetriebes weit auslegen und würden
darunter nicht nur sportliche Aktivitäten, sondern auch Zwecke (Werbung) subsumieren,
Seite 12 von 30
die im Zusammenhang mit sportlichen Veranstaltungen als Finanzierungsquelle dienen
würden.
Als Beispiel dafür: Bei einer Veranstaltung würden die Trainer Dressen tragen mit dem
Logo des Sponsors. Obwohl der unmittelbare Zusammenhang mit der Förderung des
Körpersports nicht mehr vorhanden sei, gehe die Verwaltungspraxis dennoch vom
Vorliegen eines unentbehrlichen Hilfsbetriebes aus (Seite 356).
Die Qualifikation des Sportbetriebes als unentbehrlicher Hilfsbetrieb gelte auch bei
Vereinen, die Fitnessveranstaltungen abhalten würden, selbst wenn aus diesen
Veranstaltungen nachhaltig Überschüsse erzielt würden. Derartige Überschüsse würden
in der Regel als bloße Zufallsüberschüsse gelten, die nicht zu einer Einstufung als
steuerpflichtiger Gewerbebetrieb führen würden (Seite 356).
15. Qualifizierung der Vereinstätigkeit
Gemäß § 1151 ABGB entstehe ein Dienstvertrag, wenn sich jemand auf gewisse Zeit
zur Dienstleistung für einen anderen verpflichte. Ähnliche Bestimmungen würden
sich in § 2 Abs. 4 ASVG, § 1 AngG, § 33 Arbeitsverfassungsgesetz und in § 25 EStG
1988 finden. Diese Definitionen seien zumindest deckungsgleich. Es gehe also um die
Verpflichtung zur Dienstleistung. Aus der normalen Mitgliedschaft im Verein lasse sich
eine solche Verpflichtung nicht begründen, dazu brauche man nur in die Musterstatuten
einsehen (vergleiche Homepage BMF).
Die Rechte und Pflichten der Mitglieder seien in § 3 Vereinsgesetz wie folgt festgelegt: Die
Mitglieder seien berechtigt, an allen Veranstaltungen teilzunehmen und die Einrichtungen
des Vereins zu beanspruchen. Sie hätten Stimmrecht in der Generalversammlung. Die
einzige Verpflichtung bestehe darin, die Interessen des Vereins zu fördern bzw. alles zu
unterlassen, was das Ansehen und den Zweck des Vereines schädige.
Gemäß § 3 könne der Austritt jederzeit erfolgen. Das Mitglied könne ausgeschlossen
werden, wenn die Mitgliedsbeiträge nicht gezahlt werden könnten. Funktionäre seien
gemäß § 6 Vereinsgesetz als Kollektivorgan für die Vereinsführung verantwortlich.
16. Dienstverhältnis
Üblicherweise müsse ein Dienstverhältnis gekündigt werden, wenn es nicht von
vornherein befristet sei. Im Sport werde oft der Misserfolg ein Grund sein, warum einen
Tätigkeit beendet werde, die Initiative werde dann vom Verein ausgehen oder es sei eine
Krankheit des Sportlers, dann werde die Initiative vom Sportler ausgehen. Daher werde
es in der Regel bei einer Vereinstätigkeit keine Kündigungsvereinbarungen bzw. keine
Befristungen geben.
Der zweite Anknüpfungspunkt sei die persönliche Abhängigkeit. Dieser Begriff hätte
zwei Inhalte, nämlich Einbindung in fremde Strukturen bzw. die Weisungsgebundenheit.
Einbindung in fremde Strukturen bedeute, dass Ort und Zeit der Leistungserbringung und
die Art der Leistungserbringung vom Verein vorgegeben würden. Die Kriterien Ort, Zeit
und Art der Leistungserbringungen seien alleine nicht ausreichend, um eine persönliche
Abhängigkeit zu begründen (OGH 5.5.1999, 9 OBA 10/99, RDW 99/673).
Üblicherweise unterliege der Mitarbeiter dem Weisungsrecht des Arbeitgebers
(Vereinsvorstand) als Voraussetzung für eine Dienstleistung. Weisungsrecht bedeute, dass
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der Mitarbeiter der Kontrolle unterworfen sei, z.B. ob er die Trainingsverpflichtung erfülle
und er sei damit auch disziplinär verantwortlich.
Dabei sei zu berücksichtigen, dass laut Vereinssatzung ein solches Weisungsrecht nicht
gegeben sei. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass Vereinsmitarbeiter auch Organe des
Vereins sein könnten, z.B. der Kassier sei gleichzeitig Spieler oder Trainer. Damit könne
sich der Mitarbeiter nicht selbst Weisungen geben, außer im Profisport werde es keine
Verpflichtung der Mitarbeiter geben, das hieße es gebe für die Mitarbeiter im Verein keine
Verträge, aus denen eine solche Verpflichtung abzuleiten sein würde.
Gemäß § 1153 ABGB bestehe die Pflicht zur persönlichen Arbeitsleistung. Der
Vereinsmitarbeiter werde in der Regel sich selbst seinen Vertreter aussuchen. Wenn der
Vereinsmitarbeiter nach eigenem Gutdünken delegiere, könne er nicht Dienstnehmer sein.
Beim Dienstverhältnis würde der Dienstnehmer seine Arbeitskraft schulden. Der
Vereinsmitarbeiter schulde garnichts, wenn er nicht Angestellter des Vereins (Verbands)
sei. Es gebe daher keinen Vertragsbruch, weil es keine Arbeitspflicht gebe.
Der Vereinsmitarbeiter hätte keine Treuepflichten, kein Konkurrenzverbot, keine
Geheimhaltungspflicht. Die Mitarbeit im Verein werde bedarfsorientiert sein. Der Platzwart
werde nur nach dem Heimspiel gebraucht, bei einem unbespielbaren Platz wird das Spiel
ausfallen. Es gebe daher keine garantierte Mindestarbeitszeit.
17. Vereinsmitglied
Die Mitarbeit im Verein erfolge nicht primär aus wirtschaftlichen, sondern aus sportlichen
Motiven. Dies gelte jedenfalls für den Amateur, wo Sport, Spiel, Hobby Motive seien und
nicht Arbeit und Geld verdienen. Der Freizeitsportler sei nicht Arbeitnehmer des Vereins,
so auch der OGH vom 13.3.1997, 8 Ob S 69/97 y, RDW 97, 620).
Wenn der Vereinsmitarbeiter 30,00 € pro Tag erhalte und sein Zeitaufwand fünf
Stunden betrage, dann ergebe sich daraus ein Stundensatz von 6,00 €, der keine
Vergütung darstelle, sondern im Sinne der Vereinsrichtlinien einen Reisekostenaufwand,
Reisekostenaufwandsersatz bzw. seit dem 1.1.2009 Werbungskosten. Für
Vereinsmitglieder gebe es laut den Statuten die Mitwirkungsrechte bei der Erfüllung
des Vereinszweckes. Es fehle grundsätzlich die Fremdbestimmung, daher werde ohne
vertragliche Extravereinbarung eine Verpflichtung, Weisungen nachzukommen, nicht
bestehen.
Ergebnis: Der Arbeitnehmerbegriff sei gesetzlich definiert. Der Tatbestand des
Dienstvertrages, freies Dienstvertrages, Werkvertrages sei dann erfüllt, wenn einzelne
Elemente stark ausgeprägt seien. Diese starke Ausprägung erkenne man aber nur nach
qualitativer Gewichtung der typischen Elemente. Dabei seien jene Elemente nicht relevant,
die bei allen drei Vertragsarten vorkommen könnten. Insbesondere sei darauf einzugehen,
welche Vereinbarungen zwischen dem Mitarbeiter und dem Verein bestehen würden,
zumal aus der Satzung keine Weisungsberechtigung bzw. keine Dienstverpflichtung
abzuleiten sei.
Zusammenfassung:
Seite 14 von 30
Die Funktionäre seien das Willensbildungsorgan des Vereins. Grundsätzlich finde eine
einheitliche Willensbildung statt (Kollektivorgan). In einer Geschäftsordnung könne eine
Aufgabenverteilung erfolgen.
Die Vereinsmitglieder hätten grundsätzlich keine Pflichten, außer der Vermeidung eines
vereinsschädigenden Verhaltens. Sie dürften an den Vereinsaktivitäten teilnehmen,
seien berechtigt, abzustimmen, Fragen zu stellen und Informationen einzufordern. In der
Generalversammlung würden sie an der Willensbildung mitwirken. Für die Einbindung in
die Tätigkeit des Vereins gebe es keine Verpflichtung, sondern die Vereinsmitglieder seien
selbstbestimmt und motiviert und im Wesentlichen am Erfolg orientiert.
Damit sei die Annahme eines Dienstverhältnisses im Verein denkunmöglich und rechtlich
nicht begründet.
Es werde ersucht, die Bescheid aufzuheben.
Beigelegt wurde eine Beitrittserklärung zum Verein, aus der unter anderem Folgendes
hervorgeht:
„1. Der Verein erteilt Unterricht für Gesundheitstraining, fördert die Ausbildung von
Trainern und sichert damit höchstes Trainingsniveau.
2. Der Verein stellt seine Leistungen Vereinen, Verbänden, Firmen und privaten
Nachfragern zur Verfügung. Die Leistungserbringung erfolgt in folgender Form:
Trainerbeistellungen zur Planung und Gestaltung von Aerobiceinheiten,
Projektentwicklung, Vorträge, Seminare, Veranstaltungen und Workshops, Schulungen
von vereinseigenen Trainern, Gesundheitsausbildung und Fitnessberatung
(Ernährungsinformationen; Trainingsplanung, Fitnesstests, Erholungsmaßnahmen,
öffentliche Projekte, etc.) mit den Vertragspartnern.
3. Der Verein ist ausschließlich gemeinnützig tätig, das heißt, die erbrachten Leitungen
werden ohne Gewinnabsicht kalkuliert.
4. Die im Verein Tätigen erhalten für ihre Leistung kein Entgelt, sondern ausschließlich
Spesenvergütungen iSd Vereinsrichtlinien und des „Hostasch“-Erlasses. Diese sind mit
einer maximalen Auszahlung von 537,00 € pro Monat limitiert. Darüber hinausgehende
Beträge werden zugunsten des Vereines einbehalten.
5. Mit der Beitrittserklärung bestätigen sie ausdrücklich, dass Ihre Tätigkeit im Verein
nebenberuflich erfolgt, was eine Haupttätigkeit voraussetzt, mit der Sie mehr Zeit
aufwenden, als für die Vereinstätigkeit und auch mehr verdienen (ausgenommen
Hausfrau, Student, Selbständige).
6. Mit der Mitgliedschaft ist keine Verpflichtung verbunden, eine Tätigkeit auszuüben.
…...“
Zudem ein Formular unter dem Titel „Nebenbeschäftigungsnachweis“, aus dem unter
anderem hervorgeht:
„Bestätige hiermit, dass meine Tätigkeit im Verein eine nebenberufliche Tätigkeit darstellt
und ich für meine sonstigen steuerlichen Angelegenheiten selbst verantwortlich bin.“
Seite 15 von 30
Weiters vorliegend ist ein Auszug aus dem Vereinsregister zum Stichtag 15.5.2006,
wonach die Beschwerdeführerin von 21.4.2006 bis 20.4.2008 für den Verein als Kassier
Stellvertreterin fungiert hat.
Am 31. Oktober 2012 wurde folgendes Ergänzungsersuchen vom Finanzamt an die
Beschwerdeführerin gerichtet:
Aufgrund der Feststellungen im Rahmen der GPLA-Prüfung beim Verein über die
Modalitäten und den Ablauf der dort erfolgten Trainertätigkeit (wie beispielsweise
terminlich und örtlich fixierte Trainingseinheiten, Ersatztrainer nur nach Abklärung mit
dem Obmann des Vereins, Einhaltung bestimmter organisatorischer Verpflichtungen)
seien nach Ansicht des Finanzamtes die Merkmale eines Dienstverhältnisses iSd
§ 47 Abs. 2 EStG 1988 erfüllt und die strittigen Zahlungen wären im Rahmen der Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit in die Einkommensteuerveranlagung des Jahres 2008
einzubeziehen. Die Auszahlung von steuerfreien Tages- und Kilometergeldern nach den
Vereinsrichtlinien sei deshalb nicht zulässig, da der Verein aufgrund der Feststellungen im
Rahmen der GPLA-Prüfung nicht als gemeinnützig iSd §§ 34ff BAO anzusehen sei.
Zur Frage, ob die strittigen Zahlungen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer
steuerbegünstigt oder steuerbefreit seien, werde außerdem ergänzend darauf
hingewiesen, dass der Unabhängige Finanzsenat nur an die Rechtsquellen iSd Art
18 Abs. 1 B-VG gebunden sein würde. Die Vereinsrichtlinien würden lediglich einen
Auslegungsbehelf für die Besteuerung von Vereinen darstellen und seien für den
UFS nicht bindend. Eine Regelung, die ähnlich den Vereinsrichtlinien pauschale
Reiseaufwandsentschädigungen durch bestimmte begünstigte Rechtsträger von
vornherein steuerfrei stelle, sei erst mit dem Abgabenänderungsgesetz 2009, BGBl I
2009/151, ins EStG eingefügt worden (§ 3 Abs. 1 Z 16c EStG 1988) und sei für das
strittige Veranlagungsjahr nicht anwendbar.
Mit Schreiben vom 15. November 2012 wurde von der Beschwerdeführerin wie folgt
geantwortet:
In der Berufung sei bereits eindeutig dargelegt worden, dass der Verein die
Auszahlungsbeträge iSd Abschnitt 7 der Vereinsrichtlinien durchgeführt hätte. In der Folge
sei eindeutig dargestellt worden, dass der Verein, wie unzählige andere Sportvereine,
ausschließlich gemeinnützig tätig sei. Die Tätigkeit selbst sei dem Finanzamt bereits seit
über 10 Jahren bekannt. Im Schwesterverein wäre die UFS-Erledigung der Trainer in
diesem Sinne erfolgt.
Weiters werde darauf hingewiesen, dass Vereinsmitglieder und/oder Funktionäre nie
Dienstnehmer sein könnten und wenn überhaupt nicht im Dienstverhältnis, sondern im
Werkvertrag (gelte für Funktionäre). Dazu gebe es eine Entscheidung des OLG Wien.
Zudem werde festgehalten, dass kein Entgelt, sondern nur Spesenersätze iSd Rz 765
und 766 der Vereinsrichtlinien gezahlt worden seien. Insgesamt scheine es, dass die
wirtschaftliche Betrachtungsweise iSd § 21 BAO nicht berücksichtigt worden sei, sondern
nur die äußere Erscheinungsform, wie Zeitvorgaben, Einbindung in die Struktur. Zweitens
Seite 16 von 30
zeige die Fragestellung, dass Angaben der Beschwerdeführerin nicht iSd § 115 BAO
geprüft worden wären.
Vom Verein3 zum Verein (idente Statuten, idente Tätigkeiten, unterschiedliche Standorte)
In den Bescheiden werde aufgrund einer GPLA-Prüfung von einem Sachverhalt
ausgegangen, den es garnicht gegeben habe. Was wirklich geschehen sei, werde in
der Folge dargestellt und sei endlich mit fünf verschiedenen Entscheidungen des UFS
festgestellt worden.
Mit dem Aufkommen der Fitnessstudios hätten die Vereine, die bisher in den Schulen
Unterricht erteilt hätten, ihr Mitglieder verloren. Auf der andern Seite hätten die neu
gegründeten Studios keine ausgebildeten Trainer gefunden. Die Trainer, um die es hier
gehe, wären nebenberuflich tätig gewesen und hätten lediglich Spesenersätze erhalten.
Die Kooperation mit einem Studio sei auch verständlich, wenn man Rz 155 und 156 der
VereinsRL kenne, mit der Vermeidung eines Wettbewerbs.
Die Vereine hätten anstelle einer Turnhalle im Studio unterrichtet und je abgehaltene
Stunde damals 200,00 S erhalten. Der Verein hätte davon 10% für die Aus- und
Fortbildung und den Rest als Vergütung an die Trainer ausbezahlt, jedoch nur im Ausmaß
der steuerfreien Taggelder und Kilometergelder.
Im Rahmen der Studioprüfung seien die dort angemeldeten Mitarbeiter erfasst worden.
Von den Nichterfassten, weil vereinszugehörig, sei lediglich eine Person bei der GKK
vorgeladen und befragt worden. Sinngemäß hätte sie ausgesagt, dass die Tätigkeit im
Verein so gewesen wäre, wie eine Tätigkeit im Studio.
Aufgrund dieser Aussage sei die GKK davon ausgegangen, dass der Verein nur eine
Scheingründung gewesen sein würde, um SV-Beiträge zu sparen.
Der Landeshautpmann als zweite Instanz hätte sich verständlicher Weise nicht mit den
Argumenten der Schwindler auseinandergesetzt und sei der Argumentation der GKK
gefolgt. Der VwGH hätte in seinem Erkenntnis festgehalten, dass ein Verein durchaus im
Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Studio zusammenarbeiten könne
und wenn die Studiomitarbeiter quasi das Studio führen würden, dann könne sogar das
Studio Arbeitgeber sein.
Es hätten die nebenberuflichen Vereinsarbeiter nicht ein Studio geführt. Dazu müsse man
wissen, dass die Studiofläche 5.200 m² betragen hätte, einschließlich Badmintonhalle und
Restaurant, und dass das Studio 365 Tage im Jahr offen gewesen wäre, von 8 Uhr bis 23
Uhr. Davon abgesehen hätte es hauptberufliche Geschäftsführer des Studios gegeben.
Überraschend dabei sei, dass man ursprünglich von der Scheingründung ausgegangen
sei und plötzlich mit dem VwGH der Meinung gewesen wäre, dass dieser Verein sogar das
Studio gemietet hätte.
Dazu müsse man aber wissen, dass beide Parteien im Verfahren nicht die GesbR
behauptet hätten, und zweitens der VwGH keine Sachverhaltsermittlungen durchführe. Die
Annahme einer GesbR wäre nur eine Metapher dafür, dass es tatsächlich einen Verein
gegeben habe, der tätig gewesen wäre und der Verein, so im Konjunktiv, auch mit dem
Studio kooperieren hätte können.
Seite 17 von 30
Nachdem es sich um eine GPLA-Prüfung gehandelt hätte, wo die Vorschriften der
BAO gelten würden, sei festzuhalten, dass gemäß § 21 BAO in wirtschaftlicher
Betrachtungsweise der Sachverhalt zu ermitteln sei und nicht die äußere
Erscheinungsform maßgebend sein würde. Das Bestehen der GesbR hätte zumindest
hinterfragt werden müssen. Ganz leicht hätte man beim Finanzamt feststellen können, ob
die GesbR auch umsatzsteuerpflichtig gewesen sei, da es steuerlich die Folge sein würde.
Zum Zweiten würde die GesbR den Gewinn aufzuteilen gehabt haben, nämlich auf das
Studio und auf den Verein. Beides sei nicht hinterfragt worden. Dazu komme noch, dass
der Verein keine Parteistellung gehabt hätte. Nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz sei
der Verein damit eine übergangene Partei, weil die Annahme gewesen wäre, dass eine
Scheingründung vorliegen würde.
Und dann hätte es zusätzlich während des Beitragszeitraumes eine Veränderung
beim Verein gegeben. Statuten seien geändert worden, neue Organe bestellt und ein
Mietvertrag mit dem Studio abgeschlossen worden mit einer monatlichen Miete von
3.000,00 €, die auch noch an die Insolvenzverwalterin weitergezahlt worden wäre. Zum
zweiten sei ein Paylifesystem eingeführt worden, wo die Teilnehmer mit Kreditkarten ihren
Betrag gezahlt hätten. Damit hätte es in der zweiten Hälfte des Beitragszeitraumes ein
Mietverhältnis gegeben, keine Zahlung vom Studio an den Verein, sondern umgekehrt,
eine Mietenzahlung.
Weil GPLA-Prüfung hätten die Finanzbehörden ungeschaut für die entsprechenden
Trainer aufgrund der Unterlagen der GKK die Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt,
was bei den Trainern zu Nachzahlungen geführt habe. Die daraus resultierenden
Bescheide seien beeinsprucht worden, schließlich hätte der UFS in den verschiedenen
Erkenntnissen die Existenz des Vereines anerkannt und die Trainertätigkeit für den Verein.
Der UFS hätte aber nicht die steuerfreien Taggelder nach dem Vereinsgesetz bzw. damals
Vereinsrichtlinien anerkannt. Erst ab 2010, durch die neue Bestimmung in § 3 Z 16 EStG
1988 wäre dies möglich. Die Trainer hätten aber ihre Werbungskosten geltend machen
können.
In Summe sei daher in den eingangs angeführten Bescheiden von einem
Sachverhalt ausgegangen worden, den es gar nicht gegeben habe. Die Angaben des
Abgabepflichtigen (Verein) seien auch nicht zu Gunsten, sondern überhaupt nicht geprüft
worden, damit Verletzung des § 115 BAO und schließlich sei der wahre wirtschaftliche
Sachverhalt iS von § 21 BAO im Rahmen des Verfahrens nicht erforscht worden.
Zu den Ergänzungspunkten
Absolut unzulässig seien die Feststellungen, dass der Verein nicht gemeinnützig sein
würde. Die Vereinsrichtlinien hätten in der Rz 72, 296 und 304 eine Tätigkeit beschrieben,
die vom Verein abgewickelt werde. Dieser Verein sei kein Einzelverein, sondern in der
Liste der Vereine, die in A. tätig seien, gebe es rund 60 Fitnessvereine, die diese Tätigkeit
ausüben würden. Davon abgesehen, gehörten sie dem Dachverband Verein1 an. In
der Berufung seien mit der Satzung und den Auszahlungsbelegen alle Sachverhalte
dargestellt worden, die dafür sprechen würden. Daher die Annahme der Verletzung des
Parteiengehörs, zumal es keine Aussage darüber gebe, warum eine Gemeinnützigkeit
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iSd §§ 34 BAO nicht vorliegen würde. Zusammenfassend würde noch einmal festgestellt
werden, dass Funktionäre Willensbildungsorgane des Vereins seien und die Funktionäre
niemals Vergütungen, sondern lediglich Spesenersätze erhalten hätten. Noch weiter
entfernt seien Vereinsmitglieder. Vereinsmitglieder hätten keine Pflichten, daher könne ein
Dienstverhältnis ohne vertragliche Vereinbarung gar nicht angenommen werden. Daher
sei jede Vorschreibung rechtswidrig und nicht begründet.
Gemeinsame Prüfung der Lohnabgaben führe zu zwei Arbeitgebern!
Nach Aufforderung des VwGH hätte die GKK folgende Sachverhaltsdarstellung gegeben:
Mit Bescheiden hätte die GKK betreffend der Beschwerdeführerin stellvertretend für alle in
gleicher Wiese beschäftigten Fitnesstrainerinnen das Dienstverhältnis beim Studio Studio
festgestellt.
Auf der anderen Seite sei die Finanzbehörde zu dem Ergebnis gekommen, dass
die Beschwerdeführerin und alle in gleicher Weise beschäftigen Fitnesstrainerinnen
Dienstnehmer beim Verein sein würden.
Damit hätten wir im Ergebnis für ein und dieselbe Person gleich zwei Dienstgeber.
Die Finanzbehörde meine, dass aufgrund Ort, Zeit und Einbindung der Verein nicht
gemeinnützig sein würde und dass damit die Fahrtkostenersätze und Taggelder
steuerpflichtig sein würden.
Die Irrationalität dieser Vorgangsweise solle spiegelbildlich das darstellen, was
im konkreten Fall geschehen sei, nämlich die Vorschreibung der Beiträge an das
Fitnessstudio mit der nachfolgenden Arbeitnehmerveranlagung. Dies sei beim
Parallelverein Verein3 nach der UFS-Entscheidung korrigiert worden.
Die Annahme der Finanzbehörde, dass Fahrtkosten und Taggelder, die umgerechnet
einen Stundensatz von 5,00 € ergeben würden, ein Dienstverhältnis zum Verein sein
würden, sei denkunmöglich. Vereinsmitglieder und Funktionäre könnten gegen ihren
Willen nicht Dienstnehmer werden. Davon abgesehen seien einige Trainer Funktionäre,
die, wenn überhaupt, nur im Werkvertrag tätig sein könnten. In diesem Sinne die
Vorschriften des Abschnitts 7 der Vereinsrichtlinien, die offensichtlich übersehen worden
sind.
Aktenkundig ist eine Niederschrift über die Einvernahme der Beschwerdeführerin vom
28. März 2008 durch die Gebietskrankenkasse wie folgt:
„Ich bin seit 1988 hauptberuflich als Bankerin beschäftigt. Seit 1998 bin ich dort im
Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung (15,5 Stunden pro Woche) tätig.
Etwa seit dem Jahr 1998 bin ich im Fitnessstudio als Gymnastiktrainerin (Chi-Yoga,
Bodymind) tätig. Zu Beginn meiner Tätigkeit 1998 habe ich hauptsächlich Aerobicund Steppkurse abgehalten. Ich habe mich weiterentwickelt und halte nun andere
Stundeninhalte ab.
Im Jahr 1998 habe ich mündliche Vereinbarungen mit dem Eigentümer des Studios
getroffen, vereinbart wurde, dass ich für zwei bis drei Stunden pro Woche cirka 200,00 S
pro Stunde erhalte. Darüber hinaus bekam ich ab dem fünften Teilnehmer einer Einheit
einen Zuschlag pro weiterem Teilnehmer. Den Einsatzplan hat Frau B. erstellt. Wenn
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ich bei meinen eingeteilten Sunden verhindert war, habe ich Frau B. angerufen. Diese
hat sich dann um einen Ersatz gekümmert. Wenn allerdings weniger als drei oder vier
Personen anwesend waren, ist die Stunde entfallen. Für eine entfallene Stunde gab es
kein Geld. Ich habe nach jeder abgehaltenen Stunde eine Liste geführt aus der die Anzahl
der teilnehmenden Personen ersichtlich war. Diese Liste, die ich Frau B. übergab, diente
der Evaluierung der einzelnen Stunden. Ich habe eine Stundenliste geschrieben, in die ich
meine gehaltenen Stunden eingetragen habe. Diese Liste habe ich Frau B. gegeben. Die
Liste war Basis für die Berechnung des mir zustehenden Geldes. Dieses Geld wurde mir
monatlich auf mein Konto angewiesen.
Etwa im Jahr 2000 wurde der Verein gegründet. Frau B. und der Eigentümer des Studios
sind an mich herangetreten und haben mir mitgeteilt, dass ab sofort über den Verein
abgerechnet wird. Ich kann nicht mehr angeben, ob ich eine Beitrittserklärung zum Verein
unterschrieben habe oder nicht. Für mich ergaben sich dadurch keine Änderungen,
es war mir egal, wer mein Geld überweist. In der Höhe des Geldes ergab sich keine
wesentliche Änderung, allerdings musste ich andere Formulare ausfüllen. Ich habe
zwar weiterhin meine Stunden aufgeschrieben, bekam aber den Zuschlag ab dem
fünften Teilnehmer nicht mehr. Dafür bekam ich auch Vorbereitungsarbeiten (Musik- und
Stundenvorbereitung) bezahlt. Außerdem wurden Besprechungen mit Info-Charakter,
Erfahrungsaustausch mit Kollegen, bezahlt. Dafür erfolgte dieselbe Verrechnung wie für
die geleisteten Stunden. Ich Summe habe ich daher ab dem Jahr 2000 dasselbe erhalten
wie vorher. Den Einsatzplan hat wie bisher Frau B. gemacht. Die Stundenliste wurde
ebenfalls weitergeführt. Meine geleisteten Stunden und die Vorbereitungsstunden habe
ich in einer vorgegebenen Liste monatlich eingetragen. Dabei habe ich Beginn und Ende,
sowie Kilometer von zu Hause ins Studio sowie Inhalt der Tätigkeit und Ort angegeben. In
meinem Fall war der Ort immer das Studio. Über vier Stunden bekam ich 29,40 €, darunter
14,70 €. Die Berechnung erfolgte automatisch, weil ich die geleisteten Stunden in eine
Excel-Tabelle im Studio eingetragen habe. Frau B. hat meine Eingaben auf ihre Richtigkeit
geprüft. Erst im Anschluss wurde diese Liste zur Verrechnung weitergeleitet, ich hatte
damit nichts mehr zu tun. Ich habe auch keine Honorarnote gelegt. Ich habe jedes Monat
mein verrechnetes Geld korrekt auf mein Konto überwiesen erhalten.
Durch den Verein ergaben sich für mich Verbesserungen: z.B.: konnte ich mich
mit Vereinskolleginnen austauschen, außerdem organisieren wir uns selbst interne
Fortbildungen. Der Trainer dieser Fortbildung verrechnet mit dem Verein. Ich selber habe
eine solche Fortbildung noch nicht abgehalten. Allein im Studio waren etwa vier bis fünf
Kolleginnen auch Vereinsmitglieder. Alle Trainerinnen im Studio waren Vereinsmitglieder.
Etwa zweimonatlich hatten wir Vereinstreffen in einem der Studios, deren Trainerinnen
ebenfalls Vereinsmitglieder waren.
Ich glaube, dass ich seit 2006 Vorstandsmitglied bin. Die Generalversammlung findet
einmal jährlich statt (Aussage Steuerberater: alle zwei Jahre). Wie oft der Vorstand
gewählt wird kann ich nicht angeben. Wo die letzte Generalversammlung, bei der ich
anwesend war, gewesen ist, kann ich nicht angeben, es müsste ein Protokoll existieren.
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Mein Mitgliedsbeitrag beträgt 36,00 € im Jahr. Dieser Beitrag wird von meiner
Trainerentlohnung automatisch abgezogen. Über den Verein konnten Mitglieder
Fortbildungen in Anspruch nehmen, ich habe einmal eingereicht, wurde aber nicht
berücksichtigt. Abgegeben habe ich den Antrag bei Frau B., entschieden darüber
wurde nach meiner Ansicht vom Vorstand des Vereines. In den Sitzungen, in denen
ich als Vorstandsmitglied anwesend gewesen bin, wurde über solche Anträge nicht
entschieden. Ich war zwei bis dreimal anwesend. Eine Sitzung findet etwa alle zwei
Monate statt. Es war für mich jedoch nicht unterscheidbar, ob es sich bei unserem Treffen
um ein informelles Mitgliedertreffen oder Vorstandmitgliedertreffen handelte. Schriftliche
Einladungen zu Vorstandstreffen habe ich jedenfalls nicht erhalten.
Ich kann nicht angeben, wie viele Mitglieder der Verein hat.“
Zudem liegt vor eine Niederschrift vom 16. August 2006 über eine Einvernahme von
C. , Obmann des Vereines Verein, aus der unter anderem Folgendes hervorgeht:
Die Lösung, dass Trainer an Fitnessstudios über den Verein vermietet würden, sei schon
aus Abgabensicht die bessere Lösung für nebenberufliche Trainer.
Die Trainer würden eine Abrechnung stellen (monatlich, teilweise drei- bis viermal im
Jahr). Das Entgelt werde ausschließlich unbar auf das durch die Trainer bekanntgegebene
Konto überwiesen.
Organisation der Trainer: In Absprache mit dem Fitnesscenter werde ein Plan (Saison)
über die jeweiligen Angebote erstellt. Federführend für den Verein sei die sportliche
Leitung. Danach würden die jeweiligen Trainer mit den festgesetzten Terminen besetzt.
Würde ein Trainer verhindert sein, sei der Verein verpflichtet, einen Ersatz zu stellen. Der
Trainer selbst hätte damit nichts zu tun.
Die Abrechnung erfolge in der Weise, dass die Trainer die geleisteten Stunden an den
Verein melden würden, dieser die Stunden mit dem Fitnesscenter abkläre und dann zur
Überweisung bringe.
Die zu trainierenden Personen seien Mitglieder bzw. Kunden des jeweiligen
Fitnesscenters.
Über die Abrechnungen würden eigene Rechnungen an die Fitnesscenter vom Verein
gelegt.
Grundsätzlich seien die Trainer dem Verein verpflichtet, bei Absenzen dem Verein dies
bekannt zu geben, damit dieser für eine Vertretung sorgen könne.
Die Entgelte würden als Aufwandsentschädigungen bezeichnet werden und kein
Einkommen darstellen.
Bei den Trainern werde das Modell über den Verein propagiert, da es sich um ein
„steuerschonendes“ Modell handle.
Weiters liegt vor ein unausgefüllter Geschäftsbesorgungsvertrag, der im Wesentlichen
Folgendes beinhaltet:
„Abgeschlossen zwischen dem….und dem Verein:
1. Der Verein übernimmt die Abwicklung der Kurse und Seminare. Die Anzahl und Inhalte
der Kurse sowie die Auswahl der Trainer sind mit dem….abzusprechen.
Seite 21 von 30
2. Der Verein verpflichtet sich, dem Kurs-. Seminar. bzw. Trainingsbetrieb abzuwickeln.
Der Verein sorgt für die Einteilung der Referenten und Trainer, sorgt für einen eventuellen
Ersatz anlässlich Krankheit bzw. Verhinderung.
3. Der Verein verpflichtet sich, höchste Qualitätsansprüche an die Trainer zu stellen. Der
Verein verpflichtet sich, für qualifizierte Ausbildung zu sorgen und auch dafür, dass nur
motivierte Trainer eingesetzt werden.
4. Der Verein trägt das Unternehmerrisiko insoweit, als nur geleistete Tätigkeit durch den
….. bezahlt wird.
5. Der Verein verpflichtet sich, Workshops und Seminare, entweder unentgeltlich oder zu
Kostenersätzen, den Clubmitgliedern des ….. zugänglich zu machen.
6. Der ….. verpflichtet sich, monatlich nach Erhalt der Stundenabrechnung zum
vereinbarten Richtsatz die Überweisung auf das Vereinskonto….vorzunehmen.
…..“
Des Weiteren liegt vor ein Schreiben des C., Obmann des Vereines Verein, vom
8. Jänner 2007, aus dem unter anderem Folgendes hervorgeht:
„…..
Die Rekrutierung der Mitglieder des Vereines Verein erfolgt bei den Mitgliedern anderer
Sportvereine bzw. bei den Mitgliedern von Fitnessstudios. Denn einige Mitglieder,
die dieses Fitnesstraining machen, sind an einer weiteren Ausbildung und Förderung
interessiert.
…..
Nicht nur Studios, sondern auch andere Sportvereine sind an unseren Inhalten
interessiert.
…..
Alle diese Adressaten haben Sportinteressierte und sorgen für den Veranstaltungsort,
wir sorgen für die Inhalte und die perfekte Abwicklung. Soweit ist mein Verständnis über
unsere Vereinstätigkeit und ich kann nach Rücksprache mit dem Steuerberater nicht
erkennen, welche Vorschrift es verbietet, unsere Leistungen an Nachfrager zu erbringen,
solange sie satzungsmäßig gedeckt sind.
Und nun zum Einvernahmeprotokoll:
Es wird festgehalten, dass „Trainer an Fitnessstudios über den Verein vermietet werden“,
diese Feststellung erscheint insofern nicht richtig, als es keinen Miet- oder Leasingvertrag,
sondern einen Vertrag mit dem Studio gibt, Stunden zu konzipieren und abzuwickeln.
Damit ist nicht ein bestimmter Trainer gemeint, sondern ein Trainer mit bestimmten
Qualifikationen und der zu diesem Termin auch Zeit hat, diese Stunden abzuhalten. Auch
erhalten Trainer keine Vergütungen, sondern nur Spesenersätze.
…..
Mit den Studios gibt es so genannte Geschäftsbesorgungsverträge, in denen es der Verein
übernommen hat, sportliche Inhalte samt Trainer zur Verfügung zu stellen und so die
Qualitäten zu vermitteln, die früher in Sportvereinen vorhanden waren.
…..“
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Zudem liegt vor ein Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung beim Verein vom
19. Mai 2011, betreffend die Jahre 2001 bis 2009.
Darin wird unter anderem wie folgt ausgeführt:
Im Zuge einer gemeinsamen Prüfung lohnabhängiger Abgaben bei einem Fitnessstudio
sei festgestellt worden, dass dieses in der Buchhaltung auf dem Aufwandskonto
„Fremdleistungen“ monatlich laufend Ausgaben an den Verein in nicht unbeträchtlicher
Höhe verbucht gehabt hätten.
Erhebungen zum Verein hätten folgenden Sachverhalt ergeben:
Zweck wäre fast ausschließlich die professionelle Bereitstellung von Fitnesstrainern an
verschiedenen Studios (steuerlich und sozialversicherungsrechtlich als Dienstgeber
erfasst). Die bisherigen Dienstnehmer bei den Studios seien somit laufend abgebaut
und durch Trainer des Vereins ersetzt worden, wodurch sich die Studios Lohn- und
Lohnnebenkosten ersparen hätten können. Zwischen den Studios und dem Verein
seien Gestellungsverträge abgeschlossen worden, in denen sich der Verein den Studios
gegenüber verpflichtet hätte, bestimmte Trainer für bestimmte Trainingseinheiten
zu festgesetzten Zeiten und Orten zur Verfügung zu stellen. Das Angebot an den
verschiedenen Sportarten, die die Studios anbieten hätten können und mit den Trainern
des Vereins beschickt worden wären, sei am Anfang jeden Semesters zwischen den
Betreibern der Studios und dem Verein (Obmann) abgesprochen worden, und mit dem
Gestellungsvertrag rechtlich fixiert worden. Die Trainer des Vereins wären dabei nie für
den Verein in Erscheinung getreten, sondern hätten bei den Kunden der Studios den
Anschein erweckt, dass diese vom Studio bereitgestellt worden seien. Abgerechnet
worden sei je Trainingseinheit und einem Verwaltungspauschale (1,00 € pro Einheit für
den Verein) zwischen den Studios und dem Verein, der die Zahlungen erhalten hätte.
Die so gestellten Trainer, die alle Mitglieder des Vereins gewesen wären, hätten die
Anweisung gehabt, die vom Verein erhaltenen Zahlungen pro Trainingseinheit im Rahmen
der Vereinsrichtlinien in Fahrtkosten und Tagesdiäten umzuschreiben und dadurch so
Kostenersätze steuer- und sv-frei (bis zu den rechtlich vorgegebenen Höchstgrenzen)
behandelt worden seien. Diese Abrechnungen der Trainer seien monatlich an den Verein
gestellt worden, der dann die Auszahlungen an die einzelnen Trainer vorgenommen
hätte. Bei Verhinderung eines Trainers, die Stunden abzuhalten wäre dieser verpflichtet
gewesen, den Obmann des Vereins zu verständigen und der Verein hätte einen anderen
gleichwertigen Trainer des Studios (die Merkmale eines Dienstverhältnisses wären
gegeben gewesen, ebenso die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Verein und nicht
den Studios).
Aus angeführtem Sachverhalt handle es sich bei dieser Art der Bereitstellung von
Personal durch den Verein an Firmen um eine Personalgestellung. Die Tatsache,
dass das gestellte Personal Fitnesstrainer sein würden, ändere nichts an dieser
Tatsache. Im Rahmen der Prüfung hätte die in den Statuten des Vereins festgehaltene
Gemeinnützigkeit nie nachvollzogen werden können. Ebenso hätte die Tätigkeit der
Personalgestellung über eine Einzelfirma, Personengesellschaft oder GesmbH ausgeführt
werden können. Die Gründung eines Vereins und die Angabe der Gemeinnützigkeit in den
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Statuten reiche allein noch nicht aus, dass die Gemeinnützigkeit zugestanden werden
müsse. Vielmehr sei vom wahren wirtschaftlichen Gehalt auszugehen. Die Auszahlung
von steuer- und sv-freien Tagesgeldern und Kilometergeldern nach den Vereinsrichtlinien
sie daher nicht zulässig.
Am 18. Mai 2012 und am 4. Februar 2013 wurden obige Beschwerden dem
Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schreiben vom 8. Jänner 2015 wurde folgender Ergänzungsvorhalt an die
Beschwerdeführerin abgefertigt:
„Laut Aktenlage wurden in den angeführten Jahren folgende Einkünfte als Fitnesstrainerin
im Studio Studio erzielt:
2004: 2.460,23 €
2005: 2.404,54 €
2006: 1.002,44 € und 488,47 €
2007: 754,46 € und 279,50 €
2008: 273,50 €
Gemäß Art. 18 Abs. 1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf
Grund der Gesetze ausgeübt werden. Die Vereinsrichtlinien stellen lediglich einen
Auslegungsbehelf für die Besteuerung von Vereinen dar, der "im Interesse einer
einheitlichen Vorgangsweise" mitgeteilt wird. Über die gesetzlichen Bestimmungen
hinausgehende Rechte und Pflichten können aus den Richtlinien - wie diese im Übrigen
eingangs selbst zum Ausdruck bringen - nicht abgeleitet werden. Sie stellen keine
Rechtsquelle im Sinn des Art. 18 Abs. 1 B-VG dar. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen
Bescheide ist daher nur am Gesetz zu prüfen (vgl. VwGH 9.3.2005, 2001/13/0062; UFS
19.1.2007, RV/0641-I/06).
§ 3 Abs. 1 Z 16c EStG 1988 lautet wie folgt:
„(1) Von der Einkommensteuer sind befreit:
…..
16c
Pauschale Reiseaufwandsentschädigungen, die von begünstigten Rechtsträgern im Sinne
der §§ 34 ff BAO, deren satzungsgemäßer Zweck die Ausübung oder Förderung des
Körpersportes ist, an Sportler, Schiedsrichter und Sportbetreuer (z.B. Trainer, Masseure)
gewährt werden, in Höhe von bis zu 60 Euro pro Einsatztag, höchstens aber 540 Euro pro
Kalendermonat der Tätigkeit. Die Steuerfreiheit steht nur zu, wenn beim Steuerabzug vom
Arbeitslohn neben den pauschalen Aufwandsentschädigungen keine Reisevergütungen,
Tages- oder Nächtigungsgelder gemäß § 26 Z 4 oder Reiseaufwandsentschädigungen
gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b steuerfrei ausgezahlt werden.“
Nach § 124b Z 159 EStG 1988 tritt § 3 Abs. 1 Z 16c leg. cit. in der Fassung des
Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009 mit 1. Jänner 2009 in Kraft und ist folglich für die
Beschwerdejahre nicht anwendbar.
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Für die Beschwerdejahre ist es grundsätzlich irrelevant, ob die Zahlungen vom
Arbeitgeber Studio oder vom Arbeitgeber Verein oder im Rahmen von Einkünften aus
Gewerbebetrieb erfolgten – eine Steuerfreiheit ist jedenfalls nicht gegeben.
Sollten Ausgaben im Zusammenhang mit der angeführten Tätigkeit angefallen sein,
werden Sie nun aufgefordert, diese geltend zu machen und nachzuweisen.
Hingewiesen wird darauf, dass Ausgaben, die bereits im Zuge der von Ihnen erklärten
Einkünfte aus Gewerbebetrieb geltend gemacht wurden, nicht nochmals zum Abzug
gebracht werden können.
Für die von Ihnen erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb ist zu erläutern, aus welcher
Tätigkeit diese stammen - die Einnahmen sind aufzuschlüsseln.“
Mit Schreiben vom 22. Jänner 2015 wurde wie folgt geantwortet:
In der gemeinsamen Prüfung der Lohnabgaben sei von der Gebietskrankenkasse davon
ausgegangen worden, dass die Tätigkeit der Vereinstrainer von Verein4 bei einem
gewerblichen Fitnessstudio ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten sein würde.
Auch die Vorsprache des Verein1 Präsidenten bei der Gebietskrankenkasse hätte nichts
an deren Beurteilung geändert. Der VwGH hätte in seinem Erkenntnis vom 4. August
2014, 2012/08/0132, festgehalten, dass die Vorschreibung der Gebietskrankenkasse
rechtswidrig gewesen sein würde.
Im Rahmen der GPLA Prüfung hätte das Finanzamt dem Fitnessstudio Beiträge
vorgeschrieben, obwohl die Auszahlung der Beträge durch den Verein erfolgt sei
und ausschließlich den Vereinsrichtlinien entsprochen hätte. Der Verein selbst sei
überprüft worden und zwar für den Zeitraum 2003 bis einschließlich 2009. Erst am
18. Dezember 2014 hätte man fünf Jahre später den Bericht über die Außenprüfung
gemäß § 150 BAO erhalten, mit dem Hinweis, dass die Prüfung zu keinen Feststellungen
geführt habe.
Daher sei die Antwort auf den Ergänzungsvorhalt der Hinweis, dass Beträge lediglich vom
Verein ausgezahlt worden wären und der Verein Mieter im gewerblichen Fitnessstudio
gewesen wäre und die Unterrichtstätigkeit in den Vereinsrichtlinien Rz 304 als
gemeinnützig angesehen werde.
Beigelegt wurde ein Betriebsprüfungsbericht vom 18. Dezember 2014 betreffend Verein4
im Hinblick auf die Jahre 2003 bis 2009.
Zudem wurde vorgelegt das Erkenntnis des VwGH vom 4.8.2014, 2012/08/0132,
betreffend Beitragsvorschreibung nach dem ASVG an die Studio.
Dem Erkenntnis zu Grunde gelegter Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin bezog folgende Zahlungen für ihre Tätigkeit als Fitnesstrainerin
im Studio Studio:
2004: 2.460,23 €
2005: 2.404,54 €
2006: 1.002,44 € und 488,47 €
2007: 754,46 € und 279,50 €
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2008: 273,50 €
Die Zahlungen erfolgten durch den Verein, der diese wiederum von der Studio erstattet
erhielt.
Folgende Vorgangsweise wurde von der Beschwerdeführerin niederschriftlich bestätigt
und wird der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:
Die abgehaltenen Trainingseinheiten fanden in den Räumlichkeiten der Studio
und unter Nutzung der dortigen Infrastruktur statt, deren Kunden wurden von der
Beschwerdeführerin betreut.
Die abgehaltenen Stunden wurden mit einem einheitlichen Stundensatz abgegolten und
im Rahmen eines im vorhinein fixierten Stundenplanes abgehalten.
B., eine Mitarbeiterin des Studios, hat den Einsatzplan, nach dem die Beschwerdeführerin
tätig war, erstellt. Diese wurde auch kontaktiert, falls die Beschwerdeführerin verhindert
war und hat sich um einen Ersatz gekümmert. B. wurden auch die geführten Stunden- und
Teilnehmerlisten zur Evaluierung übergeben, die die Basis für die Höhe der Bezahlung
bildeten.
Im Zusammenhang mit der Tätigkeit, die zu den strittigen Zahlungen geführt hat, sind für
die Beschwerdeführerin keine zusätzlichen Werbungskosten angefallen. Es ist daher auch
nicht davon auszugehen, dass allfällige durch die Tätigkeit angefallene Ausgaben von ihr
zu übernehmen waren.
Strittig ist, ob die von der Beschwerdeführerin erhaltenen Beträge Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit darstellen und ob allenfalls der Verein oder die Studio als
Arbeitgeber iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 anzusehen ist.
Rechtliche Begründung
Der Begriff des Dienstverhältnisses iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 ist ein eigenständiger
Begriff des Steuerrechts; er deckt sich weder mit dem Arbeitsrecht noch mit dem
Sozialversicherungsrecht, auch wenn er im Wesentlichen mit dem Arbeitsrecht und
dem Sozialversicherungsrecht übereinstimmt (VwGH 19.10.1976, 742/67, 1986, 23;
6
27.10.1987, 87/14/0145, 1988, 182; Doralt, EStG , § 47 Tz 14).
Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer
dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in
der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder
im geschäftlichen Organismus des Arbeitsgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet
ist.
Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für
das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit
gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen
Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare
Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit
ermöglichen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch
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Untersuchung der nach dem Gesamtbild tatsächlich verwirklichten vertraglichen
Vereinbarungen auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines
Unternehmerrisikos oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu
nehmen (VwGH vom 10.11.2004, 2003/13/0018; 24.11.2011, 2008/15/0180; 22.3.2010,
2009/15/0200).
Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko besteht darin, dass
der Leistungserbringer die Möglichkeit hat, im Rahmen seiner Tätigkeit sowohl die
Einnahmen -, als auch die Ausgabenseite maßgeblich zu beeinflussen und solcherart den
finanziellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend zu gestalten. Allein die Möglichkeit; die
Höhe der Einnahmen durch entsprechende Leistungen zu beeinflussen, bedingt noch kein
Unternehmerwagnis, wenn der Steuerpflichtige nicht auch die mit der Leistungserbringung
6
verbundenen Kosten tragen muss (Doralt, EStG , § 47 Rz 60).
Nach VwGH vom 15.9.1999, 97/13/0164, „mögen Sozialleistungen, wie die Gewährung
von Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder Absicherung bei Verletzungen zwar
Kennzeichen eines allgemein üblichen Dienstverhältnisses sein, ihr Fehlen bedeutet aber
noch nicht, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeitskraft iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 nicht
schuldet.“
Kennzeichnend für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ist, dass der Verpflichtung des
Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft (laufend) zur Verfügung zu stellen,
die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenübersteht, dem Arbeitnehmer einen vom Erfolg
unabhängigen Lohn zu bezahlen (vgl. etwa das schon zur inhaltsgleichen Regelung des
§ 47 Abs. 3 EStG 1972 ergangene Erkenntnis des VwGH vom 17.5.1989, 85/13/0110).
Ein vereinbarter Stundenlohn spricht grundsätzlich, auf Grund des Fehlens einer
erfolgsabhängigen Leistungskomponente, für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses
(vgl. VwGH 18.10.1995, 94/13/0121 u 15.9.1999, 97/13/0164). Die Vereinbarung eines
Stundenhonorars stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
ein Indiz dafür dar, dass die im Betrieb des Arbeitgebers tätigen Personen nicht einen
bestimmten Arbeitserfolg geschuldet, sondern ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt
haben. Leistungsanreize sind auch im Rahmen von Dienstverhältnissen nicht unüblich
(VwGH 28.5.2009, 2007/15/0163; 22.3.2010, 2009/15/0200).
Monatliche Einnahmenschwankungen auf Grund einer unterschiedlich hohen Zahl
geleisteter Arbeitsstunden sprechen nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses
(vgl. VwGH 2.2.2012, 2009/15/0191 ; 22.3.2010, 2009/15/0200 ).
Wesentliches Merkmal eines Dienstverhältnisses ist, dass fortlaufende, im Wesentlichen
gleich bleibende Arbeiten mit einem fortlaufenden, gleich bleibenden Betrag entlohnt
werden (vgl. Fellner in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar, § 47, Tz 4.3).
Die Entlohnung der Beschwerdeführerin erfolgte nach geleisteten Arbeitsstunden mit fixem
Stundensatz. Die Einnahmenseite konnte von ihr lediglich durch eine höhere Anzahl von
Arbeitsstunden, die Ausgabenseite nicht beeinflusst werden.
Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber
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Nicht schon jede Unterordnung unter den Willen eines anderen hat die
Arbeitnehmereigenschaft einer Person zur Folge, denn auch der Unternehmer, der einen
Werkvertrag erfüllt, wird sich in aller Regel bezüglich seiner Tätigkeit zur Einhaltung
bestimmter Weisungen seines Auftraggebers verpflichten müssen, ohne dadurch seine
Selbständigkeit zu verlieren. Dieses sachliche Weisungsrecht ist auf den Arbeitserfolg
gerichtet, während das für die Arbeitnehmereigenschaft sprechende persönliche
Weisungsrecht einen Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit fordert. Die
persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet
und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten
verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (VwGH vom 21.12.1993,
90/14/0103; 24.11.2011, 2008/15/0180).
6
Nach Doralt, EStG , § 47, Rz 38, spricht für eine Weisungsgebundenheit zum Beispiel
- die Unterwerfung unter die betrieblichen Ordnungsvorschriften (z.B. Regelung der
Arbeitszeit und Arbeitspausen);
- die Unterwerfung unter die betriebliche Kontrolle (Überwachung der Arbeit durch den
Arbeitgeber;
- die disziplinäre Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers (von der Ermahnung bis zur
Entlassung).
Die Beschwerdeführerin war nach einem mit dem Studio vereinbarten Stundenplan tätig,
somit an die dortigen Arbeitszeiten gebunden. Sie stellte zu den vereinbarten Zeiten ihre
Arbeitskraft zur Verfügung.
Stundenlisten samt Teilnehmerlisten mussten für das Studio geführt werden – eine
Kontrolle der Tätigkeit durch das Studio war folglich gegeben.
War die Beschwerdeführerin auch in der Gestaltung der Trainingsstunden nicht an
konkrete Vorgaben des Studios gebunden, war sie dennoch den persönlichen Weisungen
zum zweckmäßigen Einsatz ihrer Arbeitskraft unterworfen.
Bei Verhinderung wurde nicht von der Beschwerdeführerin, sondern vom Studio eine
Vertretung organisiert. Sie war daher zur persönlichen Erbringung der Leistung verpflichtet
und konnte sich nicht beliebig vertreten lassen.
Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers
Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin erforderte ihrer Art nach eine gewisse Eingliederung
in den geschäfltichen Organismus der Studio. Die Bereitstellung von entsprechend
ausgestatteten Trainingsräumen und das Bestehen eines im voraus fixierten
Stundenplanes sprechen für das Bestehen einer organisatorischen Eingliederung
der Trainerinnen und Trainer in den Betrieb des Fitnessstudios (VwGH 28.5.2009,
2007/15/0163; 22.3.2010, 2009/15/0200; 21.11.2013, 2012/15/0025).
Nach VwGH vom 15.9.1999, 97/13/0164, bringt ein „Tätigwerden nach den jeweiligen
zeitlichen Gegebenheiten eine Eingliederung in den Unternehmensorganismus zum
Ausdruck, was dem Vorliegen eines Werkverhältnisses zuwiderläuft.“
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Für ein Dienstverhältnis spricht die Bindung an einen bestimmten Arbeitsort und an eine
bestimmte Arbeitszeit sowie dass der Arbeitgeber Arbeitsmittel und Arbeitsräume zur
6
Verfügung stellt (Doralt, EStG , § 47 Rz 44 und 47).
Die Beschwerdeführerin wurde im Rahmen der Infrastruktur des Studios laut mit diesem
festgelegten Stundenplan tätig und war folglich in dessen geschäftlichen Organismus
eingegliedert.
Abgesehen davon, dass bereits die vorrangig zu prüfenden Kriterien Weisungsgebundenheit und Eingliederung - eindeutig für das Vorliegen von
Dienstverhältnissen sprechen, ist auch nicht zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin
ein ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko zu tragen hatte. Die Bezahlung nach
geleisteter Arbeitszeit begründet kein einnahmenseitiges Unternehmerrisiko. Ein
ausgabenseitiges Unternehmerrisiko lag nicht vor (VwGH 28.5.2009, 2007/15/0163).
Nach § 47 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988, ist derjenige Arbeitgeber, wer den Arbeitslohn
nach § 25 EStG 1988 auszahlt. Auf die Zahlung kommt es allerdings nicht an. Arbeitgeber
ist vielmehr derjenige, zu dessen Lasten der Arbeitslohn gezahlt wird und in dessen
Bereich der Arbeitnehmer organisatorisch und auf Grund der Weisungsgebundenheit
6
eingegliedert ist (Doralt, EStG , § 47 Tz 6). Werden die Lohnzahlungen von einem Dritten
übernommen, so ist der Dritte allein deshalb noch nicht der Arbeitgeber, wenn dem Dritten
nicht auch die Arbeitskraft geschuldet wird (vgl. VwGH 19.4.1988, 85/14/0145, 1988, 412;
6
Doralt, EStG , § 47 Tz 6).Die Einwendungen der Beschwerdeführerin dahingehend, dass
die Bezahlung durch den Verein erfolgte, gehen daher ins Leere.
Es ist daher als erwiesen anzusehen, dass die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit
im Rahmen eines Dienstverhältnisses mit der Studio ausgeführt hat. Es wurde
weder ein Werkvertrag abgeschlossen, noch wurde sie als Dienstnehmerin des
Sportvereines tätig.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass weder die Vereinsrichtlinien,
noch § 3 Abs. 1 Z 16c EStG 1988 für die gegenständlichen Beschwerden von Relevanz
sind.
Gemäß Art. 18 Abs. 1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund
der Gesetze ausgeübt werden. Die Vereinsrichtlinien stellen lediglich einen
Auslegungsbehelf für die Besteuerung von Vereinen dar, der "im Interesse einer
einheitlichen Vorgangsweise" mitgeteilt wird. Über die gesetzlichen Bestimmungen
hinausgehende Rechte und Pflichten können aus den Richtlinien - wie diese im Übrigen
eingangs selbst zum Ausdruck bringen - nicht abgeleitet werden. Sie stellen keine
Rechtsquelle im Sinn des Art. 18 Abs. 1 B-VG dar. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen
Bescheide ist daher nur am Gesetz zu prüfen (vgl. VwGH 9.3.2005, 2001/13/0062; UFS
19.1.2007, RV/0641-I/06).
§ 3 Abs. 1 Z 16c EStG 1988 lautet wie folgt:
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„(1) Von der Einkommensteuer sind befreit:
…..
16c
Pauschale Reiseaufwandsentschädigungen, die von begünstigten Rechtsträgern im Sinne
der §§ 34 ff BAO, deren satzungsgemäßer Zweck die Ausübung oder Förderung des
Körpersportes ist, an Sportler, Schiedsrichter und Sportbetreuer (z.B. Trainer, Masseure)
gewährt werden, in Höhe von bis zu 60 Euro pro Einsatztag, höchstens aber 540 Euro pro
Kalendermonat der Tätigkeit. Die Steuerfreiheit steht nur zu, wenn beim Steuerabzug vom
Arbeitslohn neben den pauschalen Aufwandsentschädigungen keine Reisevergütungen,
Tages- oder Nächtigungsgelder gemäß § 26 Z 4 oder Reiseaufwandsentschädigungen
gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b steuerfrei ausgezahlt werden.“
Nach § 124b Z 159 EStG 1988 tritt § 3 Abs. 1 Z 16c in der Fassung des Bundesgesetzes
BGBl. I Nr. 52/2009 mit 1. Jänner 2009 in Kraft und ist folglich für die Beschwerdejahre
nicht anwendbar.
Zulässigkeit einer Revision
Gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes
die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der
grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der
Rechtsprechung abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende
Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage, ob es sich bei der Tätigkeit als Fitnesstrainerin in einem Studio um Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit handelt, sind zahlreiche Entscheidungen des UFS ergangen
(26. September 2013, RV/1625-W/09; 21. Juni 2013, RV/2026-W/10; 10. Oktober 2013,
RV/0740-L/10; 30. März 2012, RV/0892-L/10), die zu unterschiedlichen Ergebnissen
kommen. Es wird ein Dienstverhältnis zu einem Verein, ein Dienstverhältnis zum Studio,
aber auch das Vorliegen von Einkünften aus Gewerbebetrieb angenommen.
Da die Einstufung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin von den Umständen des
Einzelfalles - es ist das konkret vorliegende tatsächliche Geschehen zu beurteilen
- abhängig und somit eine Frage der Beweiswürdigung ist, liegt keine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung vor.
Linz, am 25. Februar 2015
Seite 30 von 30
GZ. RV/4100971/2015
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter az in der Beschwerdesache
der Bf1 BF2 BF22 , vertreten durch die STB1 Stb2 , diese vertreten durch Mag.
Stb3 Stb4 , p.A. Straße 2, Dorf2 , gegen den Bescheid des Finanzamtes Dorf2 vom
7.11.2013 betreffend Körperschaftsteuer 2012
zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben. Der bekämpfte Bescheid wird aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Ablauf des Verfahrens:
Die Beschwerdeführerin (Bf) verkaufte 3 Grundstücke, die als Bauland gewidmet
waren, am 23.7.2012. Die gegenständlichen Grundstücke waren vor diesem Verkauf
verpachtet (Mail vom 1.10.2015 des Rechtsreferenten der steuerlichen Vertreterin an die
Amtsvertreterin).
Diese Grundstücke sind am 1.1.1998 in Bauland umgewidmet worden (Erklärung der
steuerlichen Vertreterin vom 13.5.2013).
Mit Körperschaftsteuererklärung 2012 vom 13.5.2013 erklärte die Bf Einkünfte aus
Grundstücksveräußerungen nach Umwidmung in Höhe von 126.576 S.
Mit Schreiben vom 8.7. 2015 fragte das Finanzamt den Rechtsreferenten der Vertreterin
der Bf, wie die Grundstücke der Bf vor dem Verkauf genutzt worden seien.
Der Rechtsreferent antwortete am 1.10.2015: Die verkaufsgegenständlichen
Grundstücke seien verpachtet gewesen; sie seien dem land- und forstwirtschaftlichen
Betrieb der Bf zuzurechnen.
Mit Bescheid vom 7.11.2013 betreffend Körperschaftsteuer 2012 wurde ein Betrag
von 126.576 € der Körperschaftsteuer unterworfen.
Mit Schreiben vom 4.12.2013 erklärte die Vertreterin der Bf, eine andere Körperschaft
öffentlichen Rechts (KÖR) vertrete die Ansicht, dass bei Grundstücken, die der Land – und
Forstwirtschaft dienen und die dem Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen
Betriebes einer KÖR zuzuordnen seien, keine Immobilienertragsteuerpflicht gegeben sei.
Nach Fristverlängerungen brachte die Bf mit Schreiben vom 25.2.2014 eine
Beschwerde ein. Die verkauften Grundstücke seien land- und forstwirtschaftlich genutzt
worden. KÖR seien mit Grundstücken, die dem Betriebsvermögen zuzurechnen seien,
nicht in die Immobilienertragsbesteuerung einbezogen (§ 21 Abs 3 KStG 1988 iVm § 30
EStG).
Land- und forstwirtschaftliche Betriebe seien weder Betriebe gewerblicher Art
noch Hoheitsbetriebe, aber Betriebe. Im gegenständlichen Fall liege ein landund forstwirtschaftlicher Betrieb und damit Betriebsvermögen vor. Daher sei keine
Immobilienertragsteuerpflicht gegeben. Die Bf beantragte die Aufhebung des bekämpften
Bescheides.
Mit BVE vom 14.3.2014 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das
gegenständliche Grundstück sei gem. § 30 Abs 4 EstG zu besteuern.
Die Bf stellte mit Schreiben vom 7.4.2014 einen Vorlageantrag.
Im Vorlagebericht des Finanzamtes vom 10.12.15 heißt es dazu: Die Bf sei eine KÖR.
Sie habe im Juli 2012 ein landwirtschaftliches Grundstück, welches davor dem land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb der Bf zugehörig gewesen sei und verpachtet worden sei,
verkauft. Strittig sei, ob das verkaufte Grundstück einem Betriebsvermögen angehört
habe.
Der Begriff „Betriebsvermögen“ stehe einkommensteuerrechtlich im Zusammenhang
mit steuerpflichtigen betrieblichen Einkünften. Sei z.B für einen betrieblichen Bereich
Liebhaberei anzunehmen, so sei das dieser Betätigung zuzurechnende Vermögen nicht
Betriebsvermögen (VwGH vom 24.9.1996, 93/13/0166).
Das Körperschaftsteuerrecht kenne keinen eigenständigen Betriebsvermögensbegriff.
Gehöre ein betrieblich genutztes Wirtschaftsgut nicht zum Betriebsvermögen, sei seine
Veräußerung zur Gänze kein betrieblicher Vorgang. Auch Körperschaften könnten einen
außerbetrieblichen Vermögensbereich haben.
Auch die Veräußerung von Grundstücken, die zum Betriebsvermögen eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebes einer KÖR gehören, sei steuerpflichtig (Bodis/Mayr, RdW
2012, S 239).
Eine Steuerpflicht ergebe sich auch aus der ausdrücklichen Erwähnung des § 21 Abs 2
Z 3 KStG in § 30 c Abs 4 erster Teilstrich EStG und aus § 7 Abs 2 KstG (Urtz, die neue
Immobiliensteuer-Update 2013, S. 184).
Land- und forstwirtschaftliche Grundstücke einer KÖR (Naucke, ÖStZ 2015, S 221 ff)
dienten nicht einem Betrieb gewerblicher Art und seien folglich nicht als Betriebsvermögen
im steuerlichen Sinn anzusehen.
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Es sei unbestritten, dass die Bf keinen Betrieb gewerblicher Art führe. Es sei nicht
gerechtfertigt, den Begriff „Betriebsvermögen“ im Zusammenhang mit Tätigkeiten einer
KÖR anders zu definieren als einkommensteuerrechtlich. In § 21 Abs 3 Z 4 EStG werde
auf eine Besteuerung nach dem EStG (gem. § 30 EStG ) verwiesen.
Das gegenständliche Grundstück könne mangels Vorliegens eines nach dem KStG
steuerpflichtigen Betriebes (eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit von KÖR sei
nicht steuerbar) kein Betriebsvermögen im ertragsteuerlichen Sinn darstellen. Der
Argumentation, wonach Liegenschaften eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes von
KÖR Betriebsvermögen seien und daher nicht der privaten Grundstücksveräußerung nach
§ 30 ff EstG unterliegen , werde nicht gefolgt.
Im Schreiben des steuerlichen Vertreters vom 16.12.2015 wurde der Antrag auf mündliche
Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Das Finanzamt bezweifelt nicht, dass die gegenständlichen Grundstücke vor ihrer
Veräußerung im Juli 2012 landwirtschaftliche Grundstücke waren, die vor ihrer
Veräußerung dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Bf zugehörig waren
(Vorlagebericht 10.12.15). Auch die Bf selbst bezweifelt diesen Sachverhalt nicht
(Beschwerde vom 25.2.2014; E-Mail des Rechtsreferenten der steuerlichen Vertreterin
vom 1.10.2015). Daraus folgt:
Feststellungen :
Die Bf , eine Körperschaft Öffentlichen Rechts (KÖR), verkaufte im Juli 2012 drei
Grundstücke , die ihrem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zugehörig waren um
210.960 € ( Vorlagebericht des Finanzamtes vom 10.12.2015, Beschwerde vom
25.2.2014, E-Mail des Rechtsreferenten der Vertreterin der Bf vom 1.10.2015).
Nach Abzug pauschaler Anschaffungskosten von 40% (84.384 €) unterwarf das Finanzamt
126.576 € der Besteuerung in Höhe von 25%.
Rechtsfolgen :
Nur die Betriebe gewerblicher Art von KÖR sind unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig.
Die gegenständlichen Einkünfte fallen jedoch in den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb
der Bf, der nicht der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt (§ 1 Abs 1, § 1
Abs 2 Z 2; § 2 Abs 2 KStG).
KÖR sind beschränkt steuerpflichtig mit ihren Einkünften i.S. des § 21 Abs 3 Z 4 KStG
(private Grundstücksveräußerungen gem. § 30 EStG). Private Grundstücksveräußerungen
sind Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen
angehören (§ 30 Abs 1 EStG). Da die gegenständlichen Grundstücke unmittelbar vor
ihrem Verkauf zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Bf gehörten, liegt insoweit
keine private Grundstücksveräußerung vor. Dieser Vorgang unterliegt daher nicht der
Körperschaftsteuer [Blasina/Modarressy/Schellmann in Q/R/S/SV, KStG § 21 TZ 219, 220;
Aigner/Kofler/Kofler/Tumpel, SPRW 2013, Steu A , 1 (11); Wurm, SWK 2012, 533].
Seite 3 von 11
Überdies ist dieser Veräußerungsvorgang gem. § 21 Abs 3 Z 4 KStG i.V.m. § 21 Abs 2 Z
3, 6. Teilstrich KStG, der sinngemäß anzuwenden ist, jedenfalls nicht zu besteuern. Indem
der Gesetzgeber die sinngemäße Anwendung von § 21 Abs 2 Z 3 KStG angeordnet hat,
hat er zu erkennen gegeben, dass gem. § 21 Abs 2 Z 3 6.TS die von der unbeschränkten
Steuerpflicht befreiten Steuerpflichtigen im Rahmen ihrer ebenfalls steuerbefreiten
Betriebe nicht besteuert werden dürfen. Die Bf als KÖR ist nicht unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs 1 und 2, § 2 Abs 1 KStG). Der strittige Vorgang
fällt in den Rahmen eines ebenfalls nicht der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht
unterliegenden Betriebes (der landwirtschaftliche Betrieb der KÖR ist nicht unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig, vgl. § 1 Abs 1, 2 und § 2 Abs 1 KStG) . Diese strittigen
Einkünfte sind der nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Bf im Rahmen ihres
ebenso nicht unbeschränkt steuerpflichtigen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes
zuzurechnen und daher jedenfalls in sinngemäßer Anwendung des § 21 Abs 2 Z 3 6. TS
KStG nicht zu besteuern.
Anders formuliert: Nicht nur durch die Zitierung von § 30 EStG (insbesondere Abs 1) nicht
nur durch die Verwendung des Begriffes der privaten Grundstücksveräußerung, sondern
auch durch die Anordnung der sinngemäßen Anwendung des § 21 Abs 2 Z 3 6. TS hat
der Gesetzgeber den von der unbeschränkten Steuerpflicht ausgenommenen Betrieb der
Land- und Forstwirtschaft der KÖR von der Grundstücksbesteuerung ausgenommen.
Nach Achatz sei § 21 Abs 2 Z 3 KStG auf land- und forstwirtschaftliche Betriebe einer
KÖR nicht anwendbar, da es an einer entsprechenden Abgabenbefreiung fehle (Achatz
in Achatz/Kirchmayr, KStG, § 21 TZ 387). Dieser Ansicht wird nicht gefolgt. Achatz
selbst nennt die Nichtbesteuerung der KÖR und ihrer landwirtschaftlichen Betriebe an
anderer Stelle (Achatz in Achatz/Kirchmayr, KStG, § 2 TZ 84) eine "Steuerbegünstigung".
In diesem Zusammenhang besteht zwischen einer "Nichtbesteuerung", einer
"Steuerbegünstigung" oder einer "Steuerbefreiung" kein substanzieller Unterschied. KÖR
sind nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs 1 und 2 KStG). Dasselbe
gilt für landwirtschaftliche Betriebe einer KÖR (§ 1 Abs 1 und 2 ; § 2 Abs 1 KStG).
Agrargemeinschaften als Körperschaften privaten Rechts sind in Bezug auf ihre
landwirtschaftlichen Betriebe von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht
befreit (§ 5 Z 5 KStG). Das Ergebnis ist in Bezug auf KÖR, landwirtschaftliche
Betriebe der KÖR und auf Agrargemeinschaften als Körperschaften privaten Rechts
in Bezug auf deren land –und forstwirtschaftliche Betriebe dasselbe: Es besteht
unabhängig von der unterschiedlichen Formulierung des Gesetzes keine unbeschränkte
Körperschaftsteuerpflicht. Daher liegt im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebes der
Bf, einer KÖR, eine Steuerbefreiung vor, die sinngemäß anzuwenden ist. Auch die Bf
ist als KÖR steuerbefreit , weil sie nicht der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht
unterliegt (§ 1 Abs 1 und 2, § 2 Abs 1 KStG). Daher ist § 21 Abs 2 Z 3, 6. TS sinngemäß
anzuwenden (vgl. Marschner in Jakom, EStG, 2015, § 94 TZ 53 und 54, zum § 94 Z 5
ESTG und zum § 94 Z 6 lit c 5. TS EStG, der inhaltlich dem § 21 Abs 2 Z 3 , 6. TS in den
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wesentlichen Punkten gleicht; vgl. zum Meinungsstand auch Prillinger in Lang/Schuch/
Staringer, KStG (2009) § 21 TZ 97,98).
Agrargemeinschaften als Körperschaften privaten Rechts unterliegen im Rahmen
ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe jedenfalls gem. § 21 Abs 3 Z 4 KStG der
sinngemäß anzuwendenden Befreiung gem. § 21 Abs 2 Z 3 , 6. TS KStG 1988 , weil
sie von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht im Rahmen eines ebenfalls
steuerbefreiten Betriebes befreit sind [§ 5 Z 5 KStG; Prillinger in Lang/Schuch/Staringer,
KSTG (2009), § 21 TZ 97,98; Marschner in Jakom , ESTG (2015), § 94 TZ 53 und
54 zu § 94 Z 5 und insbesondere zur inhaltlich gleichartigen Bestimmung § 94 Z 6 lit
c TS 5 EStG 1988]. Es wäre nicht verständlich, warum diese Befreiung für KÖR im
Rahmen ihrer landwirtschaftlichen Betriebe nicht ebenso sinngemäß gelten sollte,
obwohl insoweit in den wesentlichen Punkten ein gleichartiger Sachverhalt vorliegt . Bei
verfassungskonformer Auslegung ist daher die sinngemäß anzuwendende Befreiung gem.
§ 21 Abs 2 Z 3 , 6. TS KStG 1988 nicht nur für Agrargemeinschaften als Körperschaften
privaten Rechts in Bezug auf deren land- und forstwirtschaftliche Betriebe, sondern auch
für KÖR im Rahmen ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe von Bedeutung. Der
streitgegenständliche Sachverhalt unterliegt daher nicht der Körperschaftsteuer.
Zum Vorbringen des Finanzamtes:
Nach Zorn/Varro und Bodis/Mayr betreffe die neue Grundstücksbesteuerung auch die
Grundstücksveräußerungen im Rahmen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe der
KÖR (Bodis/Mayr, RdW 2012, 239; Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG,
Zorn/Varro, 16. Veräußerung von Grundstücken aus dem Betriebsvermögen, TZ 220/1 ).
Diese Ansicht steht im Widerspruch zum Wortlaut des § 21 Abs 3 Z 4 KStG 1988 i.V. mit
§ 30 Abs 1 EStG 1988 i. V. m. § 21 Abs 2 Z 3, 6. TS KStG 1988 . Nur die Einkünfte aus
privaten Grundstücksveräußerungen fallen grundsätzlich unter diese Steuerpflicht. Die
Veräußerung eines Grundstückes des land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens
ist keine private Grundstücksveräußerung. Zudem fällt dieser Sachverhalt auch noch unter
die o.e. sinngemäß anzuwendende Nicht-Besteuerung (21 Abs 2 Z 3, 6. TS).
In den ErlRV 1680 der Beilagen 24. GP, 22 heißt es im Hinblick auf § 21 Abs 3
Z 4 KStG 1988: „Auch Körperschaften öffentlichen Rechts ….sollen unter die
Neuregelung der Besteuerung von Grundstücksveräußerungen fallen. Einkünfte aus
der Veräußerung von Grundstücken sollen für die genannten Körperschaften daher
grundsätzlich der beschränkten Steuerpflicht im Sinne des § 21 Abs 3 unterliegen…
Veräußerungsgewinne aus Grundstücken, die dem Betriebsvermögen eines Betriebes
gewerblicher Art zugerechnet werden, sind schon nach der geltenden Rechtslage im
Rahmen der Gewinnermittlung….zu erfassen…Hinsichtlich der Veräußerungsgewinne
aus Grundstücken soll § 21 Abs 2 Z 3 sinngemäß gelten. Steuerfrei sind daher zB
Veräußerungen von Grundstücken, die einem unentbehrlichen Hilfsbetrieb eines
gemeinnützigen Vereins zuzurechnen sind….“
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Die ErlRV enthalten entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes keine ausdrückliche
Einschränkung auf private Grundstücksveräußerungen. Sie geben aber auch nicht
ausdrücklich zu erkennen, dass betriebliche Grundstücksveräußerungen gem. § 21 Abs
2 Z 3 KStG beschränkt steuerpflichtig seien. Die Erläuterungen geben zu erkennen, dass
Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken bestimmter Körperschaften (KÖR
und Körperschaften, die von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht befreit sind)
„grundsätzlich“ der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. „Grundsätzlich“ bedeutet, dass
es Ausnahmen gibt. Welche Ausnahmen von der beschränkten Steuerpflicht damit konkret
gemeint sind, wird in den ErlRV nicht taxativ aufgezählt. Daher bleibt nichts anderes übrig,
als sich an den ohnedies unmissverständlichen Gesetzestext zu halten.
Nach der Ansicht von Naucke (ÖStZ 2015, 221), sei jedwedes Vermögen einer KÖR,
welches nicht zu einem Betrieb gewerblicher Art zähle, außerbetriebliches Vermögen.
In diesem Zusammenhang bringt das Finanzamt ferner vor: Der Begriff
„Betriebsvermögen“ stehe einkommensteuerrechtlich im Zusammenhang mit
steuerpflichtigen betrieblichen Einkünften. Sei z.B für einen betrieblichen Bereich
Liebhaberei anzunehmen, so sei das dieser Betätigung zuzurechnende Vermögen nicht
Betriebsvermögen (VwGH vom 24.9.1996, 93/13/0166).
Hiezu wird bemerkt: Die Gleichsetzung einer Liebhabereitätigkeit mit den nicht der
Körperschaftsteuer unterliegenden Einkünften einer KÖR aus einem land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb ist weit hergeholt. Dass ein Betrieb, der zur Erzielung
von Einkünften verwendet wird, die nicht der Körperschaftsteuer unterliegen, nicht
als Betrieb mit Betriebsvermögen anzuerkennen sei, ist eine Behauptung, die im
KStG und EStG keine Deckung findet (vgl. § 94 Z 6 lit c, 5. TS ESTG 1988; § 21
Abs 2 Z 3, 6. TS KStG 1988). Es gibt nicht nur Betriebe gewerblicher Art, sondern
auch landwirtschaftliche Betriebe der Körperschaften öffentlichen Rechts. Es gibt
keinen spezifisch körperschaftsteuerrechtlichen Begriff des Betriebsvermögens.
Betriebsvermögen, welches einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnen ist,
ist Betriebsvermögen, auch wenn die Einkünfte, die daraus erwirtschaftet werden, nicht
der Körperschaftsteuer unterliegen (vgl. § 94 Z 6 lit c, 5. TS ESTG 1988; § 21 Abs 2 Z 3, 6.
TS KStG 1988; vgl. Achatz in Achatz/Kirchmayr, KStG,§ 2 Tz 83; § 21 TZ 387; Marschner
in Jakom, EStG, § 94 TZ 53,54; vgl. UFS 18.2.2013, RV/0318-F/08). Eine betriebliche
Tätigkeit, die nicht besteuert werden darf, ist - im Unterschied zu einer Liebhabereieine besonders lukrative betriebliche Tätigkeit. Warum einer solchen Tätigkeit kein
Betriebsvermögen zuzuordnen sein soll, ist anhand des KStG und EStG nicht begründbar.
Die Rechtsansicht Nauckes würde im Ergebnis zu einer unsachlichen
Differenzierung führen:
§ 2 Abs 1 , 2 und 3 i.V.m § 21 EStG 1988: Der Einkommensteuer unterliegen u.a. die
Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betrieben…
Dh, land- und forstwirtschaftliche Betriebe sind laut EStG als Betriebe anerkannt, wenn es
um die Begründung einer Steuerpflicht zu Gunsten des Fiskus geht.
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§ 94 Z 6 lit c EStG: Der Abzugsverpflichtete hat keine KESt abzuziehen: Bei folgenden
Einkünften beschränkt Körperschaftsteuerpflichtiger im Sinne des § 1 Abs 3 Z 2 und 3 des
KStG: Einkünfte….
die einer von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht befreiten Körperschaft im
Rahmen eines ebenfalls steuerbefreiten Betriebes (beispielsweise § 45 Abs 2 BAO)
nachweislich zuzurechnen sind.
Die Agrargemeinschaften als Körperschaften privaten Rechts fallen mit ihren
steuerbefreiten Einkünften (§ 5 Z 5 KSt) aus einem land – und forstwirtschaftlichen Betrieb
unter diese Befreiung von der Abzugsverpflichtung (Marschner in Jakom, 2015, EStG §
94 TZ 53 und 54; Achatz in Achatz/Kirchmayr, KSTG, zur vergleichbaren Bestimmung
§ 21 Abs 2 Z 3, 6. TS KStG, TZ 388). Dass der Gesetzgeber des EStG auch einen
steuerbefreiten Betrieb als Betrieb ansieht, ist somit evident.
§ 21 Abs 2 Z 3, 6. TS KStG, § 21 Abs 3 Z 4 KStG: Beschränkt steuerpflichtig sind nicht:
bestimmte Einkünfte, darunter auch Einkünfte aus Grundstücksverkäufen…. beschränkt
Körperschaftsteuerpflichtiger im Sinne des § 1 Abs 3 Z 2 und 3 des KStG….
die einem von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht befreiten Steuerpflichtigen
im Rahmen eines ebenfalls steuerbefreiten Betriebes (beispielsweise § 45 Abs 2 BAO)
nachweislich zuzurechnen sind.
Die Agrargemeinschaften als Körperschaften privaten Rechts fallen mit ihren
steuerbefreiten Einkünften (§ 5 Z 5 KStG) aus einem land – und forstwirtschaftlichen
Betrieb unter diese Befreiung [§ 21 Abs 3 Z 4 KSTG iVm § 21 Abs 2 Z 3, 6.TS KStG;
Marschner in Jakom, 2015, EStG § 94 TZ 53 und 54; Achatz in Achatz/Kirchmayr, KSTG,
zum § 21 KStG, TZ 388; Prillinger in Lang/Schuch/Staringer , KSTG (2009) § 21 TZ
97,98]. Dass auch der Gesetzgeber des KSTG einen steuerbefreiten Betrieb als Betrieb
ansieht, ist somit evident. Daher muss auch der land- und forstwirtschaftliche Betrieb der
KÖR , der nicht der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, als Betrieb anerkannt werden.
Eine Differenzierung zwischen einem steuerbefreiten (§ 5 Z 5 KSTG) Betrieb einer
Agrargemeinschaft als Körperschaft privaten Rechts und einem nicht der unbeschränkten
Körperschaftsteuerpflicht unterliegenden Betrieb einer KÖR (§ 1 und 2 KStG) wäre
insoweit unsachlich.
Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, nicht auch eine KÖR mit ihrem land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb (weder sie noch der Betrieb unterliegt der unbeschränkten
Körperschaftsteuerpflicht) unter diese Befreiung (§ 21 Abs 2 Z 3, 6. TS KStG) zu
subsumieren. Zwischen einer Steuerbefreiung gem. § 5 Z 5 KStG und einer nicht
bestehenden Steuerpflicht gem. § 1 Abs 1 und 2 KSTG i.V.m. § 2 Abs 2 KSTG
besteht kein wesentlicher Unterschied. Alle diese Bestimmungen führen dazu,
dass die Körperschaften, die unter diese Bestimmungen fallen, nicht unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig sind.
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Kirchmayr vertritt in Anlehnung an einen Erlass der Finanzverwaltung (EStR 7762
a) die Ansicht (Kirchmayr in Doralt, Kirchmayr,Mayr,Zorn, EStG, § 94 TZ 98), bei
KÖR sei ein Betrieb im steuerlichen Sinn nur dann gegeben, wenn dieser auch eine
steuerpflichtige oder steuerbefreite Einkunftsquelle darstelle. Nicht zulässig sei eine
Befreiungserklärung gem. § 94 EStG (eine solche setzt einen Betrieb voraus) bei einem
land- und forstwirtschaftlichen Betrieb einer KÖR (Ebenso EStR 7762 a).
Dieser Ansicht wird nicht gefolgt (vgl. Achatz in Achatz/Kirchmayr, KSTG § 21 TZ 387).
Weder das EStG noch das KStG (§ 94 Z 6 lit c 5. TS; § 21 Abs 2 Z 3 , 6. TS) lassen
abgesehen vom nicht vergleichbaren Sonderfall der Liebhaberei erkennen, dass ein
nicht der ESt oder KöSt unterliegender Betrieb kein Betrieb im steuerlichen Sinn sei.
Die von Kirchmayr zitierte Ansicht der Finanzverwaltung läuft auf eine unsachliche
Differenzierung hinaus: Ein gem. §§ 1 und 2 KStG nicht der KöSt unterliegender Betrieb
(zB land- und forstwirtschaftlicher Betrieb einer KÖR) sei kein Betrieb im steuerlichen
Sinn. Ein steuerfreier Betrieb (z.B. gem. § 5 Z 5 KStG Agrargemeinschaft als Körperschaft
privaten Rechts mit ihrem land-und forstwirtschaftlichen Betrieb) sei jedoch ein Betrieb
im steuerlichen Sinn (EStR 7762 a). Eine sachliche Rechtfertigung dieser Differenzierung
ist nicht erkennbar. Ob ein Betrieb nicht körperschaftsteuerpflichtig ist oder ob dessen
Einkünfte köst-steuerbefreit sind, macht keinen wesentlichen Unterschied (vgl. auch
Marschner in Jakom, ESTG, 2015, § 94 TZ 53, 54, der nur ein hoheitliches Gebilde nicht
als Betrieb ansieht).
Grenze jedweder Auslegung, auch der historischen, teleologischen und
verfassungskonformen Interpretation , ist jedenfalls der äußerstenfalls denkmögliche
Gesetzeswortlaut (VwGH 18.9.2000, 95/17/0103). Nur die Einkünfte aus privaten
Grundstücksveräußerungen fallen nach dem unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes
unter diese Steuerpflicht. Eine private Grundstücksveräußerung i.S. von § 21 Abs 3 Z 4
KStG 1988 i.V. m. § 30 Abs 1 EStG ist auf Grund der Grenzen, die durch den Wortlaut
des Gesetzes vorgegeben sind, mit der Veräußerung eines betrieblichen land- und
forstwirtschaftlichen Grundstückes nicht gleichzusetzen.
Die nicht bestehende Steuerpflicht von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben der KÖR
sei nach Achatz als Steuerbegünstigung zu verstehen, die gegen das unionsrechtliche
Behilfenverbot verstoße (Achatz in Achatz/Kirchmayr, KSTG, § 2 TZ 84 m.w.N.). Es stellt
sich die Frage, ob durch unionsrechtskonforme Auslegung des § 21 Abs 3 Z 4 KStG
i.V.m. § 30 Abs 1 EStG eine Steuerpflicht bejaht werden darf. Dies ist zu verneinen,
da jedwede Auslegung ihre Grenze am äußerstenfalls denkmöglichen Wortsinn des
Gesetzes findet. Eine Veräußerung eines Grundstückes des land- und forstwirtschaftlichen
Betriebsvermögens ist keine private Grundstücksveräußerung und darf daher nach dem
Wortlaut des Gesetzes (§ 21 Abs 3 Z 4 KStG i.V.m. 30 Abs 1 EStG ) nicht besteuert
werden.
Zur Frage der Zulässigkeit eines Analogieschlusses: Die beschränkte Steuerpflicht
erstreckt sich auf Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen (§ 21 Abs 3 Z 4
KStG 1988 i.V. m. § 30 Abs 1 EStG 1988). Aus dieser unmissverständlichen Formulierung
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zu schließen, der Gesetzgeber habe nicht daran gedacht, wie mit betrieblichen
Grundstücksveräußerungen zu verfahren sei, oder gar, der Gesetzgeber habe entgegen
seiner Erklärung im Gesetz auch bestimmte betriebliche Grundstücksveräußerungen
besteuern wollen, sodass eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes (vgl.
Koziol-Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts, 8. Auflage, S. 24; vgl. Bydlinski,
Grundzüge des Privatrechts, 9. Auflage, S. 12) vorliege, erscheint nicht als nahe liegend.
Weitaus nahe liegender ist ein Umkehrschluss: Durch die Einbeziehung nur der privaten
Grundstücksveräußerungen in die beschränkte Steuerpflicht gibt der Gesetzgeber zu
erkennen, dass betriebliche Grundstücksveräußerungen nicht unter den Tatbestand des §
21 Abs 3 Z 4 KStG zu subsumieren waren.
Eine analoge Anwendung des § 21 Abs 3 Z 4 KStG auf die Veräußerung von betrieblichen
Grundstücken würde das Vorliegen einer echten Gesetzeslücke, also das Bestehen
einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraussetzen. Ein Abweichen vom
Gesetzeswortlaut ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nur dann zulässig,
wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum
Ausdruck gebracht hat, so beispielsweise wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger
Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine
andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt;
im Zweifel ist das Bestehen einer Gesetzeslücke nicht anzunehmen ( VwGH 30.4.2015,
2013/15/0086; vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. November 2009, 2007/15/0252,
VwSlg. 8493/F, sowie vom 30. März 2011, 2008/13/0053, je mwN).
Die ErlRV 1680 der Beilagen XXIV. GP 22 führen in diesem Zusammenhang
(Für und Wider einer Analogie) nicht weiter, weil sie nicht erkennen lassen, dass
die Bundesregierung etwas andreres gemeint hat, als sie im Text der RV erklärt
hat: Einerseits werden die Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken als
beschränkt steuerpflichtig angesehen, andererseits solle dies nur „grundsätzlich“
gelten, ohne dass die deshalb zu erwartenden Steuerbefreiungen oder NichtBesteuerungstatbestände taxativ aufgezählt werden. Daher liegt es nahe, sich am
unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes zu orientieren, der nur private, dh nicht
betriebliche Grundstücksveräußerungen in die beschränkte Steuerpflicht aufgenommen
hat.
Eine Regierungsvorlage geht idR in Begutachtung, um den Sozialpartnern
eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen und um den gesetzgebenden
Körperschaften danach eine Entscheidung über die Gesetzesinitiative zu ermöglichen.
Das Wort der Sozialpartner hat dermaßen großes Gewicht, dass zum Teil Gesetze nach
dem Abschluss des Begutachtungsverfahrens abweichend vom Text der RV beschlossen
werden, weil sich die gesetzgebenden Körperschaften über den Willen der Sozialpartner
nicht hinwegsetzen wollten. Daher ist von großer Bedeutung, dass Regierungsvorlagen
nicht zuletzt wegen ihrer Fülle klar und deutlich formuliert werden , damit die Sozialpartner
erkennen können, was mit den verba legalia gemeint ist, ohne sich in der Kunst des
Lesens zwischen den Zeilen üben zu müssen. Diesem Erfordernis der Klarheit wird der
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Text der RV in Bezug auf § 21 Abs 3 Z 4 KStG i.V. m. den ErlRV gerecht. Dem Text der RV
1680 der Beilagen NR 24.GP,12 ist klar und deutlich zu entnehmen, dass nur Einkünfte
aus privaten Grundstücksveräußerungen gem. § 30 EStG die Steuerpflicht gem. § 21
Abs 3 Z 4 KStG auslösen sollten. Daher sollten laut RV Einkünfte aus betrieblichen
Grundstücksveräußerungen nicht von der Steuerpflicht umfasst sein. In den ErlRV 1680
der Beilagen 24. GP 22 wurde jedenfalls nichts anderes behauptet.
Sollte aber die Bundesregierung etwas anderes als das beabsichtigt haben, was sie in
der RV unmissverständlich erklärt hat, und tatsächlich entgegen dem klaren Wortlaut der
RV auch zum Teil betriebliche Grundstücksveräußerungen der beschränkten Steuerpflicht
unterwerfen gewollt haben, wird vom BFG folgende Ansicht vertreten:
In so einem Fall läge eine Mentalreservation der Bundesregierung vor.
Mentalreservationen im Zuge einer Erklärung ändern nichts an der Gültigkeit der
abgegebenen Erklärung, es sei denn, dass der Empfänger der Erklärung den geheimen
Vorbehalt durchschaut hat (§ 869 letzter Satz ABGB p.analogiam, vgl. OGH vom
25.5.1955, EvBl 1955/325; MietSlg 17.117 vom 21.9.1965; MietSlg 22.160 vom
20.5.1970).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Veräußerungen land-und
forstwirtschaftlicher Grundstücke gemäß § 21 Abs 3 Z 4 KSTG noch deutlicher von der
beschränkten Steuerpflicht ausgenommen worden wären, wenn den Sozialpartnern
von Anfang an klar und deutlich vor Augen geführt worden wäre, dass mit „privaten“
Grundstücksveräußerungen jedenfalls auch die Grundstücksveräußerungen im
Rahmen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe der durch § 21 Abs 3 Z 4 erfassten
Steuerpflichtigen gemeint waren .
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass
die Sozialpartner in so einem Fall der Absicht der Regierung eine Absage erteilt hätten,
weshalb land- und forstwirtschaftliche Grundstücksverkäufe von der Steuerpflicht gem. §
21 Abs 3 Z 4 KStG noch deutlicher ausgenommen worden wären.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Sozialpartner während des
Begutachtungsverfahrens oder die gesetzgebenden Körperschaften spätestens beim
Beschluss dieses Gesetzes davon ausgegangen sein könnten, dass entgegen dem klaren
Gesetzeswortlaut mit privaten Grundstücksveräußerungen auch Veräußerungen von
Grundstücken land- und forstwirtschaftlicher Betriebe gemeint waren.
Es kann nicht mit eindeutiger Sicherheit festgestellt werden , dass der Wille
des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie im
Gesetzesbeschluss, der 1:1 den Worten der RV entspricht, zum Ausdruck kommt;
das Bestehen einer Gesetzeslücke kann nicht festgestellt werden. Laut dem
unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes sind nur private Grundstücksveräußerungen
bestimmter Steuerpflichtiger der beschränkten Steuerpflicht gem. § 21 Abs 3 Z 4 KStG
unterworfen worden. Veräußerungen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sind von
diesem Begriff nicht umfasst.
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Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass die Veräußerung eines Grundstückes des
landwirtschaftlichen Betriebsvermögens durch eine KÖR gem. § 21 Abs 3 Z 4 KStG keine
private Grundstücksveräußerung ist und somit nicht der Körperschaftsteuer unterliegt.
Begründung gemäß § 25 a Abs 1 VwGG:
Durch diese Entscheidung wird eine Rechtsfrage iS von Art 133 Abs 4 B-VG berührt, der
grundsätzliche Bedeutung zukommt:
Sachverhalt : Es wurden im Jahr 2012 durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts
Grundstücke verkauft, die zu ihrem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen
gehört haben. Es ist im gegenständlichen Fall die Rechtsfrage strittig, ob die daraus
erfließenden Einkünfte als Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß §
30 des Einkommensteuergesetzes 1988 anzusehen sind. Zu dieser auch im Schrifttum
strittigen Rechtsfrage [verneinend Blasina/Modarressy/Schellmann in Q/R/S/SV, KStG §
21 TZ 219, 220; Aigner/Kofler/Kofler/Tumpel, SPRW 2013, Steu A , 1 (11); Wurm, SWK
2012, 533;
a.A Bodis/Mayr, RdW 2012, 239; Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG,
Zorn/Varro, 16. Veräußerung von Grundstücken aus dem Betriebsvermögen, TZ 220/1;
ErlRV 1680 BlgNR 24. GP, 22]
existiert keine RSp des VwGH.
Daher wird spruchgemäß entschieden.
Klagenfurt am Wörthersee, am 22. Dezember 2015
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01.09.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
01.09.2015
Geschäftszahl
2012/15/0089
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des K in G, vertreten durch Dr. Christian Kuhn
Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates,
Außenstelle Graz, vom 7. März 2012, Zl. RV/0707-G/09, betreffend Körperschaftsteuer 2004 bis 2006 sowie
Körperschaftsteuervorauszahlungen 2009, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften
aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der beschwerdeführende Konvent brachte zum 1. Jänner 2003 das bis zu diesem Zeitpunkt selbst betriebene
Krankenhaus in eine GmbH (100%ige Tochtergesellschaft) ein. In der Folge wurden die bisher im Krankenhaus
beschäftigten geistlichen Schwestern der GmbH auf Basis eines Gestellungsvertrages gegen ein fremdübliches
Entgelt zur Verfügung gestellt.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass im Jahr 2004 neunzehn, 2005 siebzehn
und 2006 dreizehn Schwestern der GmbH zur Dienstleistung überlassen worden waren. Bei der
Personalgestellung handle es sich um einen Betrieb gewerblicher Art. Die Gestellungsentgelte von
rund 1,283.000 EUR (2004), 1,082.000 EUR (2005) und 963.000 EUR (2006) unterlägen - so die Prüferin - der
Körperschaftsteuer, wobei vom Bundesminister für Finanzen anerkannte Vergütungssätze für die Tätigkeit von
Ordensangehörigen als fiktive Betriebsausgaben in Abzug gebracht werden könnten.
Das Finanzamt erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechende Körperschaftsteuerbescheide 2004 bis 2006
sowie einen Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheid für 2009 und Folgejahre.
In der dagegen erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme eines Betriebes
gewerblicher Art. Der Konvent gelte per Dekret als Körperschaft öffentlichen Rechts. Seit Gründung der
Krankenanstalt arbeiteten sämtliche Schwestern ausschließlich und uneingeschränkt im Krankenanstaltenbetrieb;
sie verfolgten damit das im Dekret verankerte Ziel der Nächstenliebe durch Ausübung der Krankenpflege und
seien solcherart hoheitlich tätig. Die gegenständliche Gestellung von Ordensschwestern erfülle aber auch andere
Voraussetzungen eines Betriebes gewerblicher Art nicht. So werde dem Erfordernis der wirtschaftlichen
Selbständigkeit, die durch eine besondere Leitung, einen geschlossenen Geschäftskreis oder ein ähnliches auf
Einheit hindeutendes Merkmal zum Ausdruck kommen müsse, nicht entsprochen. Auch bestehe keine
Dispositionsfreiheit, was völlig konträr zum freien Unternehmertum sei. Der jeweilige Unternehmer entscheide
selbst, wie und wo die Mitarbeiter am gewinnträchtigsten eingesetzt werden könnten und ob er seine
Unternehmertätigkeit beenden wolle oder nicht. Dies sei gegenständlich nicht der Fall. Zusätzlich zur fehlenden
Dispositionsfreiheit bestehe auch keine besondere Leitung und Überwachung der Tätigkeit durch den Konvent.
Ebenso werde die Schwesterngestellung in keinem eigenen Rechnungskreis in der Finanzbuchhaltung
abgebildet. Das Merkmal der "wirtschaftlichen Selbständigkeit" sei somit nicht gegeben.
Für die Rechtsansicht des Beschwerdeführers sprächen zudem im Einzelnen angeführte
Umsatzsteuerkommentare sowie der Erlass zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Einrichtungen der
www.ris.bka.gv.at
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Verwaltungsgerichtshof
01.09.2015
katholischen Kirche, Orden und Kongregationen. Da sich sogar die umsatzsteuerliche Auslegung des Betriebes
gewerblicher Art auf die fehlende wirtschaftliche Selbständigkeit des Körperschaftsteuerrechts beziehe, sei es
nicht nachvollziehbar, dass es trotzdem nun zu einer abweichenden Beurteilung im Körperschaftsteuerrecht
kommen solle (umsatzsteuerlich kein Unternehmer, körperschaftsteuerrechtlich sehr wohl Unternehmer).
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Betrieb
einer Krankenanstalt falle nicht unter den Begriff des Hoheitsbetriebes, weil damit weder klassische
innerkirchliche Aufgaben übernommen würden, noch eine Tätigkeit in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolge.
Die Ausgliederung einer Betätigung aus einer Körperschaft öffentlichen Rechts stelle auch im
Zusammenhang mit der Personalgestellung durch die Körperschaft öffentlichen Rechts keine ungewöhnliche
Gestaltung dar. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derartige Maßnahmen für
privatwirtschaftliche Bereiche - nicht zuletzt aus der Überlegung, dass im Rahmen der Kapitalgesellschaft
vermehrt betriebswirtschaftliche Aspekte einfließen können - von einer größeren Zahl von Körperschaften
öffentlichen Rechts gesetzt würden.
Ob das Merkmal der wirtschaftlichen Selbständigkeit erfüllt sei, sei nach den Umständen des Einzelfalles
zu beurteilen. Wie im jüngsten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2011,
2010/15/0192, ASFINAG, seien im Beschwerdefall auf Grund einer Vertragsbeziehung Leistungen erbracht
worden und sei die Vertragserfüllung in der Absicht der Erzielung von Einnahmen erfolgt. Entscheidend sei
gegenständlich, dass die Betreuung der Patienten nicht auf Grund öffentlicher Regelungen, sondern auf Grund
einer vertraglichen Vereinbarung mit der GmbH erfolgt sei. Es bestehe sohin kein Anhaltspunkt dafür, die
laufende Erfüllung dieser Aufgaben dem Hoheitsbereich zuzuordnen. Im vorgenannten Erkenntnis werde weiters
auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. November 2010, 2007/15/0101, WIFI, verwiesen,
wonach der Umstand, dass eine Körperschaft öffentlichen Rechts die Kosten für das überlassene Personal
laufend und kontinuierlich in Rechnung stelle, für die Eigenständigkeit der Vertragserfüllung und Trennung von
einer hoheitlichen Tätigkeit spreche.
Warum zum Zeitpunkt des Ordenseintrittes in den Konvent auf Grund der geltenden Konstitutionen, die ein
künftiges Mitwirken in der Krankenanstalt festlegen, keine Dispositionsfreiheit bestehen sollte, bleibe nicht
hinreichend nachvollziehbar, zumal auch beim satzungsgemäßen Handeln des Konvents im Dienste der
Krankenpflege noch nichts darüber gesagt werde, in welcher Form dies zu geschehen habe. Der
eigenwirtschaftliche Betrieb sei nicht zwingend erforderlich, denn sonst wäre die Gründung der
Tochterkapitalgesellschaft ohnehin nicht zulässig gewesen. Somit könne der Einsatz der Ordensangehörigen im
Dienste der Krankenpflege auch an ausgegliederte Rechtsträger im Wege der Entsendung im Rahmen eines
Personalgestellungsvertrages statutengemäß erfolgen.
Nach Darstellung der Betriebsprüfung erfolge eine monatliche Gesamtabrechnung der Entgelte nach den
verschiedenen Einsatzbereichen des Personals. Von einer vollständigen fremdüblichen Einstufung der
Ordensangehörigen in Anlehnung an kollektivvertragliche Bezüge könne insofern nicht gesprochen werden, weil
weder Sozialversicherungsbeiträge geleistet werden noch ein entsprechender Lohnsteuerabzug erfolge. Dieser
Hinweis könne den angefochtenen Bescheid allerdings nicht stützen, zumal es für die GmbH gleichgültig sei, ob
von den ausbezahlten Gestellungsentgelten ein Teil für Lohn- und Sozialabgaben abgeführt werde. Der
Gesamtaufwand der Tochterkapitalgesellschaft bleibe unverändert, nur könne der Beschwerdeführer den
Gesamtbetrag vereinnahmen.
In diesem Zusammenhang sei auf die herrschende Lehre der Besteuerung von Angehörigen der Orden und
Kongregationen hinzuweisen. Nach den Lohnsteuerrichtlinien werde im Regelfall ein Dienstverhältnis zwischen
den abgestellten Ordensangehörigen und der ihre Dienste in Anspruch nehmenden Einrichtung nicht begründet.
Folglich unterbleibe auch der Lohnsteuerabzug für die verrechneten Bezüge, da ein (bloßer)
Personalgestellungsvertrag vorliege.
Die steuerliche Beurteilung der Einkünfte von Ordensangehörigen sei insgesamt betrachtet nach der
angeführten Judikatur des RFH und des BFH - wie näher dargestellt - widersprüchlich, kasuistisch und nicht
konsistent, weil Einkünfte aus verschiedenen Betätigungen völlig unterschiedlich behandelt würden.
Tätigkeitseinkünfte würden einerseits der Individualbesteuerung des Ordensangehörigen (Lohnsteuer)
unterworfen, andererseits würden Personalgestellungen mit Einschränkungen steuerlich anerkannt.
Daraus ergebe sich folgende Besteuerungssituation: Ein Ordensangehöriger mit einem
Individualdienstvertrag unterliege selbst der Besteuerung und liefere die ihm zugeflossenen Nettoeinkünfte an
den Orden ab. Somit komme dem Orden der Nettobezug zu, aus dem die Lebenshaltungskosten der
Ordensgemeinschaft gedeckt werden. Im Rahmen der Personalgestellung unterliege der Ordensangehörige
mangels Dienstverhältnisses nicht der Einkommensbesteuerung, das Gestellungsentgelt werde durch den Orden
vereinnahmt. Der Vergleich mit einer üblichen Arbeitnehmerüberlassung sei gegenständlich nicht
vollumfänglich möglich, weil der "Arbeitnehmer" weder mit dem Arbeitskräfteüberlasser (Orden) noch mit dem
Gestellungsnehmer (GmbH) über einen Dienstvertrag verbunden sei.
Bei Steuerfreistellung des Gestellungsentgeltes würden zwar Einnahmen erzielt, aber keine darauf lastenden
Abgaben entrichtet und somit das volle Arbeitsentgelt dem Orden zur Deckung satzungsgemäßer Zwecke und
auch der Lebenshaltungskosten gereichen. Soweit sich der Beschwerdeführer auf die umsatzsteuerliche
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Verwaltungsgerichtshof
01.09.2015
Beurteilung bezöge, handle es sich bei den genannten Erlässen um keine verbindlichen Rechtsquellen. Spezielle
Ausführungen zur ertragsteuerlichen Beurteilung der Besteuerung der Orden und Kongregationen fänden sich im
zitierten Umsatzsteuerkommentar nicht.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht auf Körperschaftsteuerfreiheit
der für die Gestellung seiner Ordensschwestern von der gemeinnützigen GmbH bezogenen Entgelte verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 KStG 1988 ist Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts jede
Einrichtung, die
- wirtschaftlich selbständig ist und
- ausschließlich oder überwiegend einer nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit von
wirtschaftlichem Gewicht und
- zur Erzielung von Einnahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen und
- nicht der Land- und Forstwirtschaft (§ 21 des Einkommensteuergesetzes 1988) dient.
Nach § 2 Abs. 5 KStG 1988 liegt eine privatwirtschaftliche Tätigkeit iSd Abs. 1 nicht vor, wenn die
Tätigkeit überwiegend der öffentlichen Gewalt dient (Hoheitsbetrieb). Eine Ausübung der öffentlichen
Gewalt ist insbesondere anzunehmen, wenn es sich um Leistungen handelt, zu deren Annahme der
Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist.
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Abgrenzung zur grundsätzlich nicht der
Steuerpflicht unterliegenden hoheitlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand dahin gehend gefunden, dass
unter Ausübung öffentlicher Gewalt Tätigkeiten zu verstehen sind, durch welche die Körperschaft
öffentlichen Rechts Aufgaben erfüllt, die ihr in ihrer Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt
eigentümlich und vorbehalten sind. Die Aufgaben können dabei ausdrücklich durch die Rechtsordnung
übertragen sein oder sich aus dem allgemeinen Aufgabenbereich der Körperschaft öffentlichen Rechts
ergeben (vgl. mit weiteren Hinweisen das Erkenntnis vom 17. November 2005, 2001/13/0239).
Die Gestellung von Personal zur Ausübung der Krankenpflege ist Körperschaften öffentlichen Rechts
weder eigentümlich noch vorbehalten.
Im Erkenntnis vom 24. Februar 2004, 98/14/0062, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen,
wenn eine Körperschaft öffentlichen Rechts einen Betrieb in privatrechtlicher Form, also durch einen
ausgegliederten Rechtsträger, führt und dem ausgegliederten Rechtsträger einen Teil ihrer Dienstnehmer in
der Form des Personalleasings entgeltlich überlässt, wird von den Merkmalen eines Betriebes gewerblicher
Art in der Regel (nur) jenes der wirtschaftlich selbständigen Einrichtung strittig sein. Ob dieses Merkmal
vorliegt, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.
Das Kriterium der wirtschaftlichen Selbständigkeit wird in § 2 Abs. 1 KStG 1988 nicht definiert. Nach der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Anhaltspunkte, aus denen auf eine wirtschaftliche
Selbständigkeit im Sinn des § 2 Abs. 1 KStG 1988 geschlossen werden kann, eine besondere Leitung, ein
geschlossener Geschäftskreis oder ein ähnliches auf Einheit hindeutendes Merkmal (vgl. das Erkenntnis
vom 22. Dezember 2004, 2001/15/0141 und 0145). Völlige Selbständigkeit verlangt dieses
Tatbestandsmerkmal jedenfalls nicht (vgl. das Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, 99/13/0002).
Im Rahmen der Gesamtbetrachtung ist auch auf den Gesetzeszweck der Besteuerung von Betrieben
gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts Bedacht zu nehmen. Dieser besteht nach
einhelliger Auffassung in der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zu privaten Wirtschaftseinheiten,
indem durch die Besteuerung der von Körperschaften öffentlichen Rechts geführten Betriebe im Sinne
einer Wettbewerbsneutralität der Besteuerung eine Gleichbehandlung solcher Betriebe mit privaten
Unternehmen bewirkt werden soll (vgl. nochmals das Erkenntnis vom 17. Oktober 2001, 99/13/0002, mit
weiteren Hinweisen).
In der Beschwerde wird vorgebracht, die Tätigkeit hebe sich im vorliegenden Fall innerhalb der
Körperschaft öffentlichen Rechts nicht wirtschaftlich heraus, da die hoheitliche (kirchliche) Tätigkeit des
Beschwerdeführers auf Grund der geltenden Ordenskonstitutionen mit der Tätigkeit der Krankenpflege
durch die Ordensschwestern im gemeinnützigen Krankenhaus ident sei. Für die von der belangten Behörde
unterstellte Einrichtung der Schwesterngestellung an das gemeinnützige Krankenhaus gebe es weder eine
besondere Leitung noch einen geschlossenen Geschäftskreis und auch kein anderes auf eine
Selbständigkeit hindeutendes Merkmal. Insbesondere werde die Vergütung nach Fremdüblichkeit seitens
des Krankenhauses, und nicht vom Beschwerdeführer, festgesetzt. Auch bestehe keine vertragliche
Verpflichtung betreffend die Anzahl sowie das Zeitausmaß der gestellten Schwestern. Die fremdübliche
Ermittlung der Gestellungsentgelte erfolge in Übereinstimmung mit den krankenanstaltenrechtlichen
Bestimmungen zur Finanzierung privater Krankenanstalten mit öffentlichem Versorgungsauftrag. Es liege
auch weder ein geschlossener Verrechnungskreis vor, noch werden die Kosten der Gestellung ermittelt.
Die vom Bundesminister für Finanzen verlautbarten Vergütungssätze für die Tätigkeit von
Ordensangehörigen in ordenseigenen Betrieben, die von der Erstbehörde als fiktive Betriebsausgaben
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anerkannt worden seien, und deren Heranziehung die Erstbehörde letzten Endes überhaupt erst zu der
Annahme geführt habe, es würde ein Gewinnaufschlag verrechnet, könnten nicht zur Annahme führen,
dass die Kosten der Personalgestellung ermittelt worden wären. Der Beschwerdeführer unterliege keinen
Rechnungslegungsvorschriften. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom
22. Dezember 2004, 2001/15/0141, reiche die Verbuchung von Einnahmen für sich nicht aus, um von einer
wirtschaftlichen Selbständigkeit dieser Tätigkeit sprechen zu können.
Wie der Gerichtshof im Erkenntnis vom 25. November 2010, 2007/15/0101, ausgesprochen hat, spricht der
Umstand, dass eine Körperschaft öffentlichen Rechts die Kosten (für das überlassene Personal) aus einem
auf einen längeren Zeitraum hin angelegten Vertrag laufend ermittelt und dem Vertragspartner diese
Kosten laufend und kontinuierlich in Rechnung stellt, somit eigene Verrechnungskreise für die
Abrechnung des Vertrages bestehen, für die Eigenständigkeit der Vertragserfüllung und Trennung von
einer hoheitlichen Tätigkeit der Körperschaft.
Dem angefochtenen Bescheid lässt sich nicht entnehmen, auf Grund welchen Sachverhaltssubstrats die
belangte Behörde zur Bejahung des Kriteriums der wirtschaftlichen Selbständigkeit der
streitgegenständlichen Personalgestellung gelangt ist. Die Bescheidbegründung beschränkt sich in diesem
Zusammenhang weitgehend auf die Wiedergabe von Literaturmeinungen und Erkenntnissen des
Verwaltungsgerichtshofes, deren Einschlägigkeit in Bezug auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres
nachvollzogen werden kann. So lag dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom
25. November 2010, 2007/15/0101, eine Personalgestellung zu Grunde, deren Entgelt im
Rechnungsabschluss der Körperschaft öffentlichen Rechts eigenständig ausgewiesen war, wobei die
Körperschaft die Kosten für das überlassene Personal exakt ermittelt und der GmbH diese Personalkosten
eigens in monatlichen Abrechnungen in Rechnung gestellt hatte. Überdies stand der Geschäftsführer der
GmbH in einem Weisungsverhältnis zur Körperschaft und wurde die GmbH ausschließlich mit von der
Körperschaft bereit gestellten Dienstnehmern betrieben, selbst die Nachbesetzung ausgeschiedener
Dienstnehmer erfolgte durch die Körperschaft.
Welche diesbezüglichen Verhältnisse im Beschwerdefall vorliegen, wurde im Verwaltungsverfahren nicht
festgestellt. Die in der Beschwerde hervorgehobene kirchliche Zweckbestimmung der Körperschaft spricht
jedenfalls gegen die Annahme, dass Schwestern je nach dem Bedarf des Krankenanstaltenbetriebes
"angeworben" und der GmbH "zur Verfügung gestellt" werden können und insoweit eine
Konkurrenzierung mit privaten Arbeitskräftevermittlern auf der Hand läge. Alleine die Vereinnahmung
eines Gestellungsentgeltes für die Überlassung der Ordensangehörigen vermag einen Betrieb gewerblicher
Art nicht zu begründen (vgl. das schon vom Beschwerdeführer angeführte Erkenntnis vom
22. Dezember 2004, 2001/15/0141 und 0145). Weitergehende Feststellungen wurden vom Prüfer wie auch
der belangten Behörde nicht getroffen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge
Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II
Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 1. September 2015
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GZ. RV/7101509/2011
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R über die Beschwerde der Bf. ,
vertreten durch Stb , vom 5. November 2010, gegen die Bescheide des Finanzamtes
Wien 4/5/10 vom 28. Oktober 2010, betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer für die
Jahre 2005 bis 2009 sowie Körperschaftsteuervorauszahlung 2011, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2009 wird Folge
gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilagen
angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses
Bescheidspruches.
Der Beschwerde betreffend Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 bis 2009 sowie
Körperschaftsteuervorauszahlung 2011 wird Folge gegeben.
Eine Veranlagung zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 bis 2009 unterbleibt, die
Körperschaftsteuervorauszahlung 2011 wird mit Null festgesetzt.
II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG
nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist, ob die A ein gemeinnütziger Verein mit einem unentbehrlichen Hilfsbetrieb ist,
oder ob die A1 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.
Die Statuten des Vereins OGMS– soweit hier von Bedeutung – lauten auszugsweise:
Vereinszweck laut Statuten:
(1) Der Verein, der von politischen, religiösen oder sonstigen Weltanschauungen
unabhängig und nicht auf Gewinn gerichtet ist, bezweckt die Förderung von Anwendungen
der Mikrosystem- und -strukturtechniken sowie die Behandlung von Problemen der
technologischen Entwicklung im Bundesgebiet der Republik Österreich entsprechend den
Zielsetzungen der Republik Österreich.
Insbesondere verfolgt die OGMS. das Ziel, die wissenschaftlichen und insbesondere
anwendungsnahen Erkenntnisse dieser Techniken bekannt zu machen und den Einsatz in
der Österreichischen Industrie zu unterstützen.
Den Mitgliedern des Vereins erwachsen aus ihrer Mitgliedschaft weder unmittelbare noch
mittelbare materielle Vorteile.
(2) Um die genannten Ziele zu erreichen, sind insbesondere folgende Aktivitäten zu
nennen:
a) Errichtung und Unterhaltung von Instituten, die sich mit den genannten Zielen befassen
b) Zusammenarbeit mit einschlägigen Instituten und Unternehmen im In- und Ausland
c) Beratung von Unternehmungen und öffentlichen Körperschaften
d) Übernahme von entsprechenden Forschungsvorhaben und Einrichtung von
Forschungsanstalten für besondere Aufgabengebiete
e) Durchführung der organisatorischen und verwaltungstechnischen Arbeiten für die vom
Verein betreuten Forschungsvorhaben und Anschaffung von Geräten und Hilfsmitteln für
Forschungszwecke
f) Technologietransfer zwischen der Industrie und universitären sowie außeruniversitären
Forschungsinstitutionen
g) Planung, Organisation und Durchführung von Fach-, und Informationsveranstaltungen,
insbesondere auch für kleine und mittlere Unternehmen in Österreich
h) Förderung des Kontaktes von in- und ausländischer Experten untereinander und mit der
Wirtschaft
i) Anregung und Unterstützung der praktischen Anwendung wissenschaftlicher
Erkenntnisse in Kooperation mit Hochschulen, wissenschaftlichen Institutionen und
sonstigen öffentlich anerkannten Einrichtungen
j) Publikationen aus dem Arbeitsgebiet des Vereins
k) Bildung von Arbeitsgruppen
I) Ausarbeitung von Studien
m) Gesellschaftliche Veranstaltungen
n) Gründung von Kapitalgesellschaften bzw. Beteiligung an solchen, insbesondere
Gesellschaften mit beschränkter Haftung, welche oben genannte Aktivitäten verfolgen
bzw. Projekte im Bereich Mikrosystemtechnik abwickeln oder sich als Projektträger für
solche beschäftigen.
Die tatsächliche Tätigkeit umfasst:
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- Technologietransfer für die Industrie
- MST Technologieberatung
- Unterstützung bei multidisziplinären Forschungsprojekten
- Beratung & Support im Bereich Forschungsförderung
- Vermittlung von Partnern für F&E Projekte
- Technisch / wirtschaftliche Voruntersuchungen
- MST -Netzwerk Österreich - EU-weit
- Projektmanagement
- Organisation von fach- und firmenspezifischer Aus- und Weiterbildung
- Beteiligung an EU-Projekten
- Organisation von Veranstaltungen und Gemeinschaftsständen an MST Fachmessen
(Hannover, München u.A.)
Die erforderlichen Mittel sollen laut Statuten aufgebracht werden durch:
a) Beitrittsgebühren und Mitgliedsbeiträge,
b) Erträge aus Aktivitäten gem. § 2 (2)
c) Erträge aus Veranstaltungen, Publikationen und sonstigen Leistungen,
d) Erträge aus Gutachten und Beratungen und Kongressen,
e) Spenden, Zuwendungen von Todes wegen und sonstige Zuwendungen und
f) Subventionen.
Die tatsächlich erzielten Einnahmen stammen aus Förderungen des BMVIT
(Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie), Innovationsschecks, die
Unternehmen bei OGMS einlösen, Honoraren etc.
Da die Bf. zunächst keine Vereinsabrechnungen vorlegte, hat das Finanzamt
Umsätze und Einkünfte aus Gewerbebetrieb wie folgt geschätzt (siehe Umsatz- und
Körperschaftsteuerbescheide vom 28. Oktober 2010):
USt
Schätzung
Umsatz zu
20 %
2005
2006
2007
2008
2009
200.000
200.000
210.000
210.000
220.000
(= 200.000 (= 200.000 (= 200.000
+ 5 %)
+ 5 %)
+ 10 %)
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Vorsteuer
10.000
10.000
10.500
10.500
11.000
(= 10.000
+ 5 %)
(= 10.000
+ 5 %)
(= 10.000
+ 10 %)
KSt
Schätzung
KVZ 2011
50.000
50.000
E.a.GW
(1/4 vom
Umsatz)
Köst 25 %
12.500
12.500
52.500
52.500
55.000
(= 50.000
+ 5 %)
(= 50.000
+ 5 %)
(= 50.000
+ 10 %)
13.125
13.125
13.750
14.987,50
(= 13.750
+ 9 %)
In der dagegen eingebrachten Beschwerde (Berufung) vom 5. November 2010 führt die
Bf. im Wesentlichen wie folgt aus:
Die Bf. sei ein Verein, der von politischen, religiösen oder sonstigen Weltanschauungen
unabhängig und nicht auf Gewinn gerichtet sei; er bezwecke die Förderung von
Anwendungen der Mikrosystem- und –strukturtechniken sowie die Behandlung von
Problemen der technologischen Entwicklung im Bundesgebiet der Republik Österreich
entsprechend den Zielsetzungen der Republik Österreich. Insbesondere verfolge die
Bf. das Ziel, die wissenschaftlichen und insbesondere anwendungsnahen Erkenntnisse
dieser Techniken bekannt zu machen und den Einsatz in der österreichischen Industrie zu
unterstützen.
Verwiesen werde auch auf die in den Statuten aufgelisteten Aktivitäten.
Die tatsächliche Tätigkeit der Bf. umfasse die Förderung der Allgemeinheit durch
Erweiterung des menschlichen Wissenstands. Die Ergebnisse würden der Allgemeinheit
dienen und der Allgemeinheit zeitnah zugänglich gemacht.
Die Einnahmen des Vereins würden zum größten Teil aus Förderungen stammen,
und zwar vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie,
von der Europäischen Union (z.B. EMINENT) und vom FFG (Österreichische
ForschungsförderungsgesmbH).
Nach Ansicht der Bf. unterliege der Verein mangels Unternehmereigenschaft mit den
Einnahmen nicht der Umsatzsteuer.
Ertragssteuerlich läge gem. § 45 Abs. 2 BAO keine Abgabenpflicht bei einem
unentbehrlichen Hilfsbetrieb vor.
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In mehreren Ergänzungsvorhalten ersuchte das Finanzamt die Bf. um Vorlage von
Unterlagen zur Vermarktung von Erkenntnissen, zu den Verträgen über erhaltene
Förderbeträge und zum ZVR Technologieberatungszentrum.
Aufgrund der nunmehr doch von der Bf. vorgelegten Unterlagen
(Umsatzsteuererklärungen, Einnahmen-/Ausgaben-Rechnungen etc.) geht das Finanzamt
lt. Schreiben vom 24. September 2015 davon aus, dass es sich beim gegenständlichen
Verein OGMS um einen unentbehrlichen Hilfsbetrieb handelt, wobei der erklärte
steuerbare Umsatz unter 30.000 € betrage.
Gem. § 323 Abs. 38 erster und zweiter Satz BAO sind die am 31. Dezember 2013 bei dem
unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen
und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130
Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit 1. Jänner
2014 auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu
Grunde gelegt:
Die satzungsgemäße Gemeinnützigkeit sowie das Vorliegen eines Unentbehrlichen
Hilfsbetriebes wird aufgrund von der Bf. nachgereichten Unterlagen nunmehr auch vom
Finanzamt nicht weiter bestritten, weshalb sich weiter gehende Ausführungen darob
erübrigen.
Dieser Sachverhalt war rechtlich folgendermaßen zu würdigen:
Gemäß § 5 Z 6 KStG 1988 sind Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 leg.cit., die
der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke nach Maßgabe
der §§ 34 bis 47 der Bundesabgabenordnung (BAO) dienen, von der unbeschränkten
Körperschaftsteuerpflicht befreit.
§ 34 Abs. 1 1. Satz BAO normiert:
Die Begünstigungen, die bei Betätigung für gemeinnützige, mildtätige oder
kirchliche Zwecke auf abgabenrechtlichem Gebiet in einzelnen Abgabenvorschriften
gewährt werden, sind an die Voraussetzungen geknüpft, dass die Körperschaft,
der die Begünstigung zukommen soll, nach Gesetz, Satzung oder ihrer sonstigen
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Rechtsgrundlage und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und
unmittelbar der Förderung der genannten Zwecke dient.
Gem. § 35 Abs. 1 BAO sind solche Zwecke gemeinnützig, durch deren Erfüllung die
Allgemeinheit gefördert wird.
Nach Abs. 2 leg.cit. liegt eine Förderung der Allgemeinheit nur vor, wenn die Tätigkeit dem
Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder materiellem Gebiet nützt.
Nach § 36 Abs. 1 BAO ist aber ein Personenkreis nicht als Allgemeinheit aufzufassen,
wenn er durch ein engeres Band, wie Zugehörigkeit zu einer Familie, zu einem
Familienverband oder zu einem Verein mit geschlossener Mitgliederzahl, durch Anstellung
an einer bestimmten Anstalt und dergleichen fest abgeschlossen ist oder wenn infolge
seiner Abgrenzung nach örtlichen, beruflichen oder sonstigen Merkmalen die Zahl der in
Betracht kommenden Personen dauernd nur klein sein kann.
Gem. § 39 BAO liegt eine ausschließliche Förderung vor, wenn folgende 5
Voraussetzungen zutreffen:
1. Die Körperschaft darf, abgesehen von völlig untergeordneten Nebenzwecken, keine
anderen als gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen.
2. Die Körperschaft darf keinen Gewinn erstreben.
Die Mitglieder dürfen keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keine
sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten.
3. Die Mitglieder dürfen bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung oder Aufhebung
der Körperschaft nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert
ihrer Sacheinlagen zurückerhalten, der nach dem Zeitpunkt der Leistung der Einlagen zu
berechnen ist.
4. Die Körperschaft darf keine Person durch Verwaltungsausgaben, die dem Zweck der
Körperschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen.
5. Bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen
Zweckes darf das Vermögen der Körperschaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile
der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen
übersteigt, nur für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verwendet werden.
Gem. § 40 Abs. 1 BAO liegt eine unmittelbare Förderung vor, wenn eine Körperschaft
den gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck selbst erfüllt. Dies kann auch
durch einen Dritten geschehen, wenn dessen Wirken wie eigenes Wirken der Körperschaft
anzusehen ist.
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Gem. § 41 Abs. 1 BAO muss die Satzung der Körperschaft eine ausschließliche und
unmittelbare Betätigung für einen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zweck
ausdrücklich vorsehen und diese Betätigung genau umschreiben.
Gem. § 42 BAO muss die tatsächliche Geschäftsführung einer Körperschaft auf
ausschließliche und unmittelbare Erfüllung des gemeinnützigen, mildtätigen oder
kirchlichen Zweckes eingestellt sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung
aufstellt.
Ob ein Verein gemeinnützig im Sinne der genannten Bestimmungen ist, ist zunächst
einmal anhand seiner Statuten zu überprüfen.
Gemeinwohl im Sinne des § 35 Abs. 2 erster Satz BAO bedeutet allgemeines Wohl
im Gegensatz zur nichtbegünstigten Förderung des Einzelwohls bzw. des Wohls der
Mitglieder der Körperschaft. Eine Förderung des Gemeinwohls ist abgabenrechtlich
gegebenenfalls nur dann begünstigt, wenn sie auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder
materiellem Gebiet erfolgt (vgl. Ritz BAO-Kommentar, 5. Aufl., Tz. 1 und 2 zu § 35).
Ein unentbehrlicher Hilfsbetrieb nach § 45 Abs. 2 BAO liegt somit nur dann vor, wenn der
begünstigte Zweck nicht anders als durch den Geschäftsbetrieb erreicht werden kann. Der
Zweckverwirklichungsbetrieb muss notwendiger Bestandteil der gemeinnützigen Tätigkeit
sein. Die Unentbehrlichkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der angestrebte
Zweck auch durch unentgeltliche, nur durch Spenden und echte Mitgliedsbeiträge
finanzierte Leistungen der Körperschaft erreicht werden könnte. Der in § 45 Abs. 2 lit. b
BAO gebrauchte Ausdruck "nicht anders als durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
erreichbar" ist auf Tätigkeiten, die Leistungen des Betriebes zu beziehen, nicht auf die
Leistungsentgelte.
Die Erzielung von Einnahmen zur Deckung der Kosten berührt den Status als
unentbehrlichen Hilfsbetrieb nicht, weil er ja erst durch die Einnahmenerzielung zum
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb wird, wenn die unmittelbare Einheit des Betriebes
mit der Verwirklichung des begünstigten Zweckes gewahrt bleibt. Eine bloße materielle
Förderung genügt nicht. Ein Betrieb, der nur als Geldbeschaffungsquelle für die Erfüllung
des begünstigten Zweckes dient, kann hingegen nicht als unentbehrlicher Hilfsbetrieb
angesehen werden (VwGH 30.10.2001, 98/14/0006). Gewinne aus dem Betrieb dürfen
nicht angestrebt werden (Prinz-Prinz, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht², S 138 unter
Hinweis auf VereinsRL Rz. 154).
Seite 7 von 8
Das Bundesfinanzgericht schließt sich im gegenständlichen Beschwerdefall aufgrund
der nunmehr vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen der Rechtsansicht des
Finanzamtes und der Bf. an, dass es sich bei der OGMS in den o.a. Streitjahren um einen
Unentbehrlichen Hilfsbetrieb handelte, der die o.a. gesetzlichen Voraussetzungen erfüllte.
Betreffend Umsatzsteuer für die Streitjahre 2005 bis 2009 wird somit der erklärte
steuerbare Umsatz der Besteuerung unterzogen, wobei § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994
(Kleinunternehmerregelung) zur Anwendung gelangt.
Ertragsteuerlich hat eine Veranlagung zur Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 bis
2009 zu unterbleiben, die Körperschaftsteuervorauszahlung 2011 ist daher mit Null
festzusetzen, da der gegenständliche Unentbehrliche Hilfsbetrieb gem. § 5 Z 6 KStG
1988, wie oben ausgeführt, von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht befreit ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Zulässigkeit der Revision:
Gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG wird eine ordentliche Revision
beim Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen, da die Revision von der Lösung einer
Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
nicht abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum gemeinnützigen Verein bzw. zum
Unentbehrlichen Hilfsbetrieb ab, noch fehlt es an einer diesbezüglichen Rechtsprechung.
Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch
nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine
grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 12. Oktober 2015
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26.11.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
26.11.2015
Geschäftszahl
2012/15/0041
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde der G GmbH in T, vertreten durch MMag.Dr. Hans-Jörgen
Aigner, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 47/3/5, gegen den Bescheid des unabhängigen
Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 3. Jänner 2012, Zlen. RV/1207-L/11, RV/1208-L/11, in der Fassung des
Berichtigungsbescheids vom 11. Jänner 2012, betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2009, zu Recht
erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die auf dem Gebiet der
Steuerberatung tätig ist, machte in der Körperschaftsteuererklärung 2009 Bewirtungsaufwendungen von
5.239,89 EUR (50% von 10.479,79 EUR) und in der Umsatzsteuererklärung 2009 Vorsteuern aus
Bewirtungsaufwendungen von 1.389,70 EUR geltend. Diese Aufwendungen wurden vom Finanzamt bei der
Umsatz- und Körperschaftsteuerveranlagung (Bescheide vom 26. November 2010) zunächst berücksichtigt.
In der Folge wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18. Mai 2011 u.a. ersucht, die geltend
gemachten Bewirtungsspesen belegmäßig nachzuweisen, woraufhin sie dem Finanzamt eine Reihe von Belegen
(Restaurantrechnungen) in Kopie übermittelte.
Unter Hinweis darauf, dass die Berücksichtigung von Repräsentationsaufwendungen als Betriebsausgaben
von dem der Partei obliegenden Nachweis zweier Voraussetzungen (Werbezweck und erhebliches Überwiegen
der betrieblichen oder beruflichen Veranlassung) abhängig sei, forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin
mit Schreiben vom 21. Juni 2011 zu einer weiteren Ergänzung der Abgabenerklärungen auf. Das Zutreffen der
angeführten Voraussetzungen sei für jede einzelne Ausgabe nachzuweisen. Die bloße Glaubhaftmachung gemäß
§ 138 Abs. 1 BAO reiche nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus. Abgesehen davon
seien einige - im Schreiben vom 21. Juni 2011 konkret angeführte - Belege in leserlicher Kopie bzw. im Original
vorzulegen.
Die Beschwerdeführerin gab dem Finanzamt bekannt, dass sie aufgrund berufsrechtlicher
Verschwiegenheitspflichten nicht befugt sei, ihre Mandanten bzw. die Themen der mit Mandanten geführten
Gespräche auf Belegen zu nennen. Daher habe sie dies auch auf den Bewirtungsbelegen unterlassen. Am
14. Juli 2011 langten beim Finanzamt zudem die angeforderten Belege im - ebenfalls unlesbaren - Original ein.
Mit
Bescheiden
vom
19. August 2011
hob
das
Finanzamt
die
Umsatzund
Körperschaftsteuerbescheide 2009 vom 26. November 2010 gemäß § 299 BAO auf und erließ neue Umsatz- und
Körperschaftsteuerbescheide 2009, in welchen es die geltend gemachten Bewirtungsaufwendungen und die mit
diesen Aufwendungen im Zusammenhang stehenden Vorsteuern nicht berücksichtigte.
Die Beschwerdeführerin berief mit Schriftsatz vom 20. September 2011 gegen die Umsatz- und
Körperschaftsteuerbescheide vom 19. August 2011 und brachte in der Berufung im Wesentlichen vor, sie sei vor
sechs Jahren gegründet worden und habe ihren Umsatz - ohne Übernahme oder Zukauf eines Klientenstocks von 0 auf über 1,300.000 EUR gesteigert. Es sei daher "nahezu absurd", einen Nachweis über die
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Verwaltungsgerichtshof
26.11.2015
Werbekomponente der strittigen Bewirtungsaufwendungen erbringen zu müssen. Abgesehen davon sei dem
Finanzamt telefonisch zugesagt worden, für verschiedene - vom Finanzamt ausgewählte - Rechtsgeschäfte nach
Rücksprache mit den Mandanten den jeweiligen einzelnen konkreten Nachweis zu erbringen. Aufgrund der in
§ 91 WTBG normierten Verschwiegenheitspflicht sei die Beschwerdeführerin jedoch nicht dazu berechtigt,
jeden Fall einzeln und im Voraus namhaft zu machen.
Das Finanzamt legte die Berufung mit Vorlagebericht vom 6. Oktober 2011 der belangte Behörde zur
Entscheidung vor.
Über Anregung der Beschwerdeführerin vom 8. November 2011 setzte die belangte Behörde für den
14. Dezember 2011 eine mündliche Verhandlung an. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom
22. November 2011 forderte sie die Beschwerdeführerin nochmals auf, die vom Verwaltungsgerichtshof in
ständiger Rechtsprechung geforderten Nachweise für die Anerkennung der Bewirtungskosten (Werbezweck und
erhebliches Überwiegen der betrieblichen oder beruflichen Veranlassung) für jeden einzelnen Geschäftsfall zu
erbringen. Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht
nicht nach. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung legte sie keine weiteren Unterlagen vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und begründete dies
u.a. damit, dass die Beschwerdeführerin die in § 12 Abs. 1 Z 3 KStG 1988 iVm § 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988
geforderten Nachweise für den Betriebsausgabencharakter der gegenständlichen Bewirtungsaufwendungen trotz
mehrfacher Aufforderung hierzu nicht erbracht habe. Der Verwaltungsgerichtshof vertrete in ständiger
Rechtsprechung die Auffassung, dass Rechtsanwälte - und damit auch Steuerberater, Ärzte oder andere
Freiberufler - nicht mit Sonderrechten ausgestattet seien. Ausgehend davon könne auch bei Rechtsanwälten unter
dem Begriff Werbung nicht anderes als die Produkt- und Leistungsinformation verstanden werden (Hinweis auf
die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 2000, 94/13/0260, und 94/13/0262). Auch
ein Rechtsanwalt habe darzutun, inwiefern die einzelne Bewirtung tatsächlich jeweils eine auf seine berufliche
Tätigkeit bezogene Leistungsinformation geboten habe, wobei eine Leistungsinformation bei einer Besprechung
betreffend anhängige Prozesse, diverse Schadensfälle oder Gutachtenserstellung von vornherein nicht in
Betracht komme (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. August 2000, 94/13/0259).
Damit sei aber nicht nur bei Rechtsanwälten, sondern generell auch bei der Prüfung von anderen Freiberuflern
inkludiert, dass das Klientenverhältnis und der zur Leistungsinformation führende sachliche Hintergrund
aufgedeckt werden müssten.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem
gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Anerkennung der im Zusammenhang mit der Bewirtung
geltend gemachten Betriebsausgaben und Vorsteuern verletzt.
Sie vertritt - wie im Verwaltungsverfahren - die Auffassung, dass die vom Finanzamt und der belangten
Behörde geforderten Nachweise für den Betriebsausgabencharakter der in Rede stehenden Bewirtungskosten nur
durch einen Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht des § 91 WTBG erbracht werden könnten, weshalb für
Zwecke des Nachweises die Glaubhaftmachung gemäß § 138 BAO genügen müsse.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 KStG 1988 sind Repräsentationsaufwendungen iSd § 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988
nicht abziehbar. Die Regelung des § 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 ist somit auch für Körperschaften maßgebend.
Nach § 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 idF des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, dürfen
Repräsentationsaufwendungen oder Repräsentationsausgaben bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen
werden. Darunter fallen auch Aufwendungen oder Ausgaben anlässlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden.
Weist der Steuerpflichtige nach, dass die Bewirtung der Werbung dient und die betriebliche oder berufliche
Veranlassung weitaus überwiegt, können derartige Aufwendungen oder Ausgaben zur Hälfte abgezogen werde.
Die in § 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 vorgesehene Ausnahme von dem grundsätzlichen Abzugsverbot von
Repräsentationsaufwendungen oder Repräsentationsausgaben ist von dem der Partei obliegenden Nachweis
zweier Voraussetzungen - Werbezweck und erhebliches Überwiegen der betrieblichen oder beruflichen
Veranlassung - abhängig. Eine bloße Glaubhaftmachung dieser Voraussetzungen gemäß § 138 Abs. 1 BAO
reicht daher für die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen (Ausgaben) nicht aus (vgl. Kofler in Doralt, EStG11,
§ 20 Tz 91/6; Jakom/Baldauf, EStG, 2015, § 20 Rz 72; Krafft in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG 12. GL, § 20
Anm 61; jeweils mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung).
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich wiederholt mit der Abzugsfähigkeit der Bewirtungsspesen von der
Verschwiegenheitspflicht gemäß § 9 Abs. 2 RAO unterliegenden Rechtsanwälten befasst (vgl. die Erkenntnisse
vom 17. März 1999, 97/13/0211, vom 2. August 2000, 94/13/0259, vom 26. September 2000, 94/13/0260,
94/13/0262 und 98/13/0092, vom 22. Juni 2001, 2001/13/0012, und vom 24. Oktober 2002, 2002/15/0123). In
den angeführten Erkenntnissen wurde - worauf im angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen wird - u.
a. ausgesprochen, dass Rechtsanwälte mit keinen Sonderrechten ausgestattet sind. Das bedeutet, dass auch bei
einem Rechtsanwalt unter dem Begriff Werbung nichts anderes als die Produkt- und Leistungsinformation (zu
diesem Inhalt des Begriffs vgl. das Erkenntnis 94/13/0262) verstanden werden kann. Auch ein Rechtsanwalt hat
darzutun, dass er anlässlich der Bewirtung jeweils eine auf seine berufliche Tätigkeit bezogene
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Verwaltungsgerichtshof
26.11.2015
Leistungsinformation geboten hat und dass die Bewirtung überwiegend betrieblich oder beruflich veranlasst war.
In den angeführten Erkenntnissen wurde zudem klargestellt, dass Aufwendungen zur im weitesten Sinn
Kontaktpflege, somit letztlich zur Herstellung einer gewissen positiven Einstellung zum "Werbenden", lediglich
als werbeähnlicher und somit im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 nicht abziehbarer Aufwand zu beurteilen
ist. Weiters wurde klargestellt, dass die geforderte Leistungsinformation bei einer Besprechung "betreffend
anhängiger Prozesse" oder "diverser Schadensfälle" oder "betreffend Gutachtenerstellung" von vornherein nicht
in Betracht kommt (vgl. dazu das Erkenntnis vom 2. August 2000, 94/13/0259). Nichts anderes kann für
Wirtschaftstreuhänder gelten, die der Verschwiegenheitspflicht nach § 91 WTBG unterliegen.
Soweit in der Beschwerde die Auffassung vertreten wird, der Nachweis dafür, dass es sich bei den
streitgegenständlichen Bewirtungsspesen um abziehbare Betriebsausgaben handle, könne nur durch einen
Verstoß gegen die in § 91 WTBG normierte Verschwiegenheitspflicht erbracht werden, ist ihr zunächst zu
erwidern, dass sich die Verschwiegenheitspflicht nach § 91 Abs. 1 und 2 WTBG auf dem Wirtschaftstreuhänder
anvertraute Angelegenheiten sowie auf persönliche Umstände und Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse
erstreckt, die diesem bei Durchführung erteilter Aufträge oder im Zuge eines behördlichen, nicht öffentlichen
Verfahrens in Ausübung seines Berufes als solche bekannt geworden sind. Zum Beweis dafür, dass es sich bei
Bewirtungsspesen um abziehbare Betriebsausgaben handelt, hat der Wirtschaftstreuhänder hingegen
nachzuweisen, dass er anlässlich der Bewirtung jeweils eine auf seine berufliche Tätigkeit bezogene
Leistungsinformation (wie etwa seinen beruflichen Werdegang, die Rechtsgebiete auf denen er tätig ist und
etwaige vom ihm verfasste Fachpublikationen usw.) geboten hat und die Bewirtung überwiegend betrieblich
oder beruflich veranlasst war. Die Offenlegung von Klienten betreffenden Angelegenheiten ist nicht erforderlich.
Dazu kommt, dass die im Gesetz geforderte Leistungsinformation bei Arbeitsessen, in deren Rahmen
Angelegenheiten eines Klienten besprochen werden, nach der Rechtsprechung von vornherein nicht in Betracht
kommt (vgl. nochmals das Erkenntnis vom 2. August 2000, 94/13/0259). Damit ist aber nicht nachvollziehbar,
wieso die nach § 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 geforderte Nachweisführung - wie in der Beschwerde behauptet zwangsläufig gegen § 91 WTBG verstoßen soll.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in dem Ausmaß, in dem die Möglichkeiten amtswegiger
Ermittlungen der Behörde aus Gründen eingeschränkt sind, die der Sphäre des Abgabepflichtigen zugehören,
dessen Mitwirkungspflicht im Rahmen des Zumutbaren steigt. Die gesetzliche Geheimhaltungspflicht stellt bei
Wirtschaftstreuhändern eine solche Besonderheit in der Sphäre des Abgabepflichtigen dar. Da die
Geheimhaltungspflicht nicht der Behinderung oder Erschwerung der Erhebung von Abgaben bei
Wirtschaftstreuhändern dient, ist es deren Aufgabe, durch gesteigerte Mitwirkung im Verfahren, aber auch schon
bei Führung der Bücher und Aufzeichnungen sowie bei Gestaltung der Unterlagen und Belege und durch
sonstige Vorleistungen die Verminderung amtswegiger Erhebungsmöglichkeiten der Behörde im Rahmen des
Zumutbaren auszugleichen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1571, mit weiteren Nachweisen). Dass der
Beschwerdeführerin das Erbringen der in § 20 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 geforderten Nachweise von vornherein
unzumutbar wäre, trifft - wie oben ausgeführt - nicht zu.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen
war.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand
genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem
Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche
Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 26. November 2015
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GZ. RV/4100476/2011
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Sheg in der Beschwerdesache
der BF BF2 GesmbH, vertreten durch die LBG Wirtschaftstreuhand- und
Beratungsgesellschaft m.b.H., 8021 Graz, Niesenbergergasse 37 , gegen die
Kapitalertragsteuerhaftungsbescheide 2006-2009 des Finanzamtes FA vom 1.6.2011
zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben. Die bekämpften Bescheide werden aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Ablauf des Verfahrens:
Es ist strittig, ob durch die Bf geleistete Zahlungen an eine Gesellschaft, mit der ein
gesellschaftsrechtliches Nahverhältnis bestand, als vGA anzusehen sind.
BP-Bericht vom 30.5.2011 und Niederschrift Schlussbesprechung, jeweils TZ 1:
Die Beschwerdeführerin (Bf ), die BF BF2 GmbH (FM GmbH) , habe 2006 -2009
Darlehensbeträge an die BF BF3 GmbH (BT GmbH= Zahlungsempfängerin) gewährt
und diese in den Bilanzen als sonstige Forderungen (2006, 2007) und als sonstige
Ausleihungen (2008, 2009) ausgewiesen.
59.672 € Forderungen der Bf 31.12.2006
305.635 € Forderungen der Bf 31.12.2007
320.000 € Forderungen der Bf 31.12.2008
320.000 € Forderungen der Bf 31.12.2009
Zusätzlich habe die Bf der Zahlungsempfängerin weitere Zahlungen im Jahr 2009 (8.815
€) geleistet, die als „Darlehen BF BF3 “ in der Bilanz ausgewiesen worden seien. Die
Zahlungsempfängerin sei wegen Gesellschafteridentität ein nahestehendes Unternehmen.
Dr. Klaus Gester1 sei an der Bf mit 46% des Stammkapitals beteiligt, an der
Zahlungsempfängerin mit 50%. Jörg Gester2 sei an der Bf mit 31% des Stammkapitals
beteiligt, an der Zahlungsempfängerin mit 50%.
Die Zahlungsempfängerin sei am 23.7.2009 auf „ BF5 GmbH“ umbenannt worden.
Es gebe eine Darlehensvereinbarung, datiert vom 2.1.2007 und eine Ergänzung zur
Vereinbarung, datiert vom 28.2.2008.
Diese hätten nach der Ansicht des Finanzamtes einem Fremdvergleich nicht
standgehalten.
In der Vereinbarung vom 2.1.2007 werde zur Abwendung einer drohenden Insolvenz
und eventuellen Zahlungsunfähigkeit der Zahlungsempfängerin ein Kapital von 300.000
€ zur Verfügung gestellt. Das Kapital werde in Abhängigkeit vom Erfolg des angestrebten
Zivilprozesses der Zahlungsempfängerin wegen Fehlleistungen des Architekten verzinst
rückgeführt werden. Weitere Vereinbarungen über Rückzahlungszeitpunkt, Verzinsung,
Besicherungen , seien in der Vereinbarung vom 2.1.2007 nicht getroffen worden. Somit
gebe es in Bezug auf die Geldhingabe in Höhe von 305.635 € laut Bilanz 31.12.2007 keine
konkrete Vereinbarung über das Darlehen an die Zahlungsempfängerin.
In der ergänzenden Vereinbarung vom 28.2.2008 heißt es:
Der Zahlungsempfängerin werde die Möglichkeit eingeräumt (Punkt 4 der Vereinbarung),
eine Tilgung des Kapitalbetrages dann vorzunehmen, wenn das Unternehmen einen
positiven Cash Flow aufweise. Diese Rückzahlungsmodalität wäre einem fremden Dritten
gegenüber insbesondere in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit und Ertragslage der
Zahlungsempfängerin nicht eingeräumt worden (VwGH 27.6.2000, 99/14/0263).
Die Zahlungsempfängerin trete die ihr zustehende Forderung gegen den Generalplaner
aus dem Titel der Gewährleistung und des Schadenersatzes in vollem Umfang an
das geprüfte Unternehmen (Bf) ab. Es handle sich jedoch um keine ausreichende
Besicherung, da man vom Erfolg einer Klage bei Gericht gegen den Generalplaner nicht
mit Sicherheit habe ausgehen können und letztendlich das Klagebegehren von 700.000
€ in Höhe von 200.000 € verglichen worden sei. Dass die vereinbarte Abtretung der
Vergleichssumme von 200.000 € an die Bf nicht erfolgt sei, sei ein weiterer Hinweis auf
die von Beginn an nicht vorhandene Rückzahlungsabsicht. Weder der ausstehende
Darlehensbetrag noch die Vergleichssumme sei durch die Bf eingefordert oder eingeklagt
worden.
Die Hingabe des Darlehens sei auf Grund der nicht ausreichend klar vereinbarten
Rückzahlungszusagen eine vGA zu Gunsten der Anteilsinhaber der Bf Dr. Gester1 und
Jörg Gester2 .
Mit Hingabe der Darlehenszahlungen durch die Bf an die Zahlungsempfängerin seien
durch das Finanzamt verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an die Anteilsinhaber der
Bf Dr. Gester1 und Jörg Gester2 unterstellt worden. Beide Gesellschafter beherrschten
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nach dem Vorbringen des Finanzamts (Niederschrift über die Schlussbesprechung, TZ 1)
beide Gesellschaften, sowohl die Bf als auch die Zahlungsempfängerin.
Das Finanzamt nahm wegen der strittigen Zahlungen der Bf an die BT folgende vGA an
(BP-Bericht, TZ 1):
59.672 € vGA 2006
14.918 € 25% KEST 2006
245.963 € vGA 2007
61.491 € KESt 2007
14.365 € vGA 2008
3.591 € KESt 2008
8.815 € vGA 2009
2.204 € KEST 2009
Soweit der BP-Bericht.
Das Finanzamt erließ sodann die bekämpften KESt-Haftungsbescheide vom 1.6.2011 an
die Bf.
Beschwerde der Bf vom 28.7.2011:
Die Zahlungsempfängerin entwickle Wohnbauprojekte, stelle die Finanzierung und
Versicherung sicher und wickle den Verkauf der fertig gestellten Wohnungen an die
Endverbraucher ab.
Es bestehe ein gesellschaftsrechtliches Nahverhältnis zwischen der Bf und der
Zahlungsempfängerin.
Der im Zuge des Bauprojektes der Zahlungsempfängerin „ RioGrande “ beauftragte
Architekt habe eine Baukostenüberschreitung von 34 % verursacht. Der gesamte Schaden
habe sich auf 950.000 € belaufen; eine Weiterverrechnung dieser Kosten an die Kunden
sei nicht möglich gewesen. Daher sei die Zahlungsempfängerin im November 2006
zahlungsunfähig und konkursreif gewesen (Berufung, S. 2).
Eine Insolvenz der Zahlungsempfängerin hätte gravierende wirtschaftliche Nachteile für
die Bf bedeutet, da die Bf und die Zahlungsempfängerin beide die Firmenbezeichnung
BF getragen hätten, da die für die Bf und für die Zahlungsempfängerin handelnden
Personen sowie deren Gesellschafter zum Teil ident gewesen seien, und da die Bf und die
Zahlungsempfängerin miteinander wirtschaftlich verzahnt gewesen seien . Daher habe die
Bf der Zahlungsempfängerin zur Überbrückung eines kurzfristigen Liquiditätsbedarfes den
strittigen Kontokorrentkredit gewährt.
Dadurch sei der Konkurs der Zahlungsempfängerin abgewendet worden. Die Lieferanten
hätten auf Forderungen in Höhe von 353.100 € verzichtet. Die Quote habe 40% betragen.
Am 2.1.2007 sei eine schriftliche Vereinbarung zu diesen kontokorrentmäßigen Zahlungen
errichtet worden. In dieser sei eine verzinste Rückführung des Kapitals festgelegt
Seite 3 von 14
worden. Diese Rückführung sei vom Ausgang eines Schadenersatzprozesses gegen den
Architekten abhängig gewesen.
Am 28.2.2008 sei eine Ergänzungsvereinbarung abgeschlossen worden. Der maximal
ausnützbare Kapitalbetrag sei um 30.000 € auf insgesamt 330.000 € erhöht worden.
Die Höhe der Verzinsung sei erstmalig schriftlich fixiert worden und eine Zinsstundung
sei bis 31.12.2010 vereinbart worden. Die Forderungen der Zahlungsempfängerin aus
dem Prozess gegen den Architekten seien Zug um Zug gegen die Gewährung des
Darlehens an die Bf abgetreten worden, Der danach noch aushaftende Betrag werde
beginnend mit 1.1.2011 bei einer Laufzeit von 15 Jahren verzinst rückgeführt werden. Die
Zahlungsempfängerin sei nur dann zur Tilgung des Kapitals verpflichtet, wenn der Cash
–Flow positiv sei. Sollte der Cash-Flow nicht reichen, werde der Differenzbetrag auf das
nächste Jahr vorgetragen und aus dem Cash-Flow des Folgejahres getilgt werden.
Die Zahlungsempfängerin habe mit der Haftpflichtversicherung des Architekten einen
Vergleich, in dem eine Zahlung an die Zahlungsempfängerin von 200.000 € vereinbart
worden sei, abgeschlossen. Die Vergleichssumme habe nicht ausgereicht, alle Gläubiger
zu befriedigen. Die Bf und die Kreditbank -Bank hätten sich darauf verständigt, dass
diese Bank den gesamten Vergleichsbetrag erhalte. Im Gegenzug habe die Bank auf
einen Betrag in Höhe von 108.700 € verzichtet (Berufung, S. 4)
Die 2006 bereits geleisteten Beträge von rund 60.000 € beruhten auf einer mündlichen
Vereinbarung, die Anfang 2007schriftlich festgehalten worden sei. Die Laufzeit
des Darlehens sei mit der Überbrückung der finanziellen Schwierigkeiten der
Zahlungsempfängerin oder dem positiven Prozessausgang bestimmbar gewesen. Zum
Rückgriff auf dispositives Recht mangels vertraglicher Vereinbarung vgl. VwGH 31.5.2006,
2002/13/0168.
Bei Abschluss der Vereinbarung wurde eine vom positiven Cash-Flow abhängige Tilgung
vereinbart. Damit sei die Rückzahlungsabsicht evident (S. 5).
Die Bf wies auf die Erkenntnisse des VwGH vom 21.11.2007, 2004/13/0001 und
31.5.2006, 2002/13/0168 hin. Es komme darauf an, ob eine wirtschaftliche Veranlassung
der Geldhingabe gegeben sei (S. 5).
Es sei die Vereinbarung vom 2.1.2007 und die Vereinbarung vom 28.2.2008 geschlossen
worden. Die Rückzahlungsabsicht sei evident (Berufung, S. 8).
Die Zahlungsempfängerin sei gegründet worden, um der Bf Neukunden zuzuführen.
Es sei das Ziel gewesen, den Erwerb einer Immobilie (Geschäftsbereich der
Zahlungsempfängerin) , deren Versicherung (Geschäftsbereich der Bf) und Finanzierung
(Geschäftsbereich der Bf) aus einer Hand, der BF- Gruppe, die aus der Bf und der
Zahlungsempfängerin bestanden habe, am Markt anzubieten.
Auf Grund der gemeinsamen Werbestrategien unter einer Marke ( BF ), dh einer
gemeinsamen Kundenzeitschrift, einem gemeinsamen Imagefolder, einer gemeinsamen
Homepage, dem gemeinsamen Videoauftritt bei den Eishockeyspielen des DorfSeite 4 von 14
Sportvereins, einem gemeinsamen Geschäftsssitz, sowie der personellen Identität aller
Mitarbeiter und Entscheidungsträger, hätten die Kunden nicht zwischen der Bf und der
Zahlungsempfängerin unterschieden. Beide Gesellschaften seien als „eine Firma“
wahrgenommen worden (Berufung, S. 6).
Daher wäre nach der Ansicht der Bf ein Konkurs der Zahlungsempfängerin auf Grund
der Namensgleichheit „ BF “ mit einem Imageverlust für die Bf und deren Geschäftsführer
und Konzessionsträger (für Wertpapierhandel und Versicherungsvermittlung) Dr. Gester1
verbunden gewesen.
Auf Grund der Konkursgerüchte um die Zahlungsempfängerin seien zahlreiche
Akquisitionsversuche durch Konkurrenten auf bestehende Kunden der Bf erfolgt.
Hiezu seien wegen Schwarzgeldzahlungen an die Zahlungsempfängerin im Zuge ihrer
Wohnungsverkäufe auch noch Selbstanzeigen der Wohnungseigentümer des Projektes
„ RioGrande “ getreten. Allerdings seien die Gesellschafter der Zahlungsempfängerin in
diesem Zusammenhang nicht finanzstrafrechtlich bestraft worden.
Dennoch habe die Bf mit ihren sehr auf persönlichem Vertrauen gegenüber den
handelnden Personen aufbauenden Geschäftsbereichen (Kredit-, Versicherungs- und
Wertpapiervermittlung ) stark unter dem zunehmenden Imageverlust in der Öffentlichkeit
gelitten.
Als Folge der Gerüchte sei bei der FMA eine anonyme Anzeige eingebracht worden.
Um die drohenden wirtschaftlichen Schäden einzudämmen und weil man die
Geschäftsstrategie „Immobilien plus Finanzierung und Versicherung“ aus einer Hand
nicht auf Grund des wirtschaftlich gescheiterten Erstprojektes der Zahlungsempfängerin
(„ RioGrande “) aufgeben habe wollen, sei es im betrieblichen Interesse der Bf gewesen,
die Konkursgerüchte aus der Welt zu schaffen und die wirtschaftliche Gesundung der
Zahlungsempfängerin sicher zu stellen.
Das wirtschaftliche Scheitern des Erstprojektes sei nicht durch ein schlechtes
Management seitens der Zahlungsempfängerin bedingt gewesen, sondern durch
gravierende Fehlleistungen des beauftragten Generalunternehmers und Architekten DI
GP (Generalplaner). Es habe daher kein Anlass bestanden, nicht auf die wirtschaftliche
Gesundung der Zahlungsempfängerin zu vertrauen.
Die Provisionseinnahmen aus der Kreditvermittlung gegenüber den Wohnungeigentümern
des bisher einzigen abgeschlossenen Immobilienprojektes der Zahlungsempfängerin („
RioGrande “) repräsentierten 10 bis 15 % des Gesamtumsatzes der Bf. Die Erlöse aus
Wertpapiervermittlung beliefen sich im Prüfungszeitraum auf rund 5-10%. Den Großteil
(über 80% erwirtschafte die Bf aus der Vermittlung von Versicherungsgeschäften.
Die Bf sei der xgrößte Versicherungsmakler in Österreich .
Soweit der Text der Berufung.
Beilagen der Berufung vom 28.7.2011:
Seite 5 von 14
Anlage 1:Vereinbarung vom 2.1.2007: „Zur Abwendung einer drohenden Insolvenz
habe die Bf der Zahlungsempfängerin ein Kapital von bis zu 300.000 € eingeräumt. Durch
die
Zahlungsempfängerin sei eine Schadenersatzklage in Auftrag gegeben worden. Der
voraussichtliche Streitwert werde in Höhe von ca 650.000 € geschätzt. In Abhängigkeit
vom Erfolg des angestrebten Prozesses werde das …zur Verfügung gestellte Kapital
verzinst rückgeführt“.
Anlage 2: Vereinbarung vom 28.2.2008 : „…zur Abwendung der Insolvenz wegen
Zahlungsunfähigkeit der Zahlungsempfängerin und der damit verbundenen nachteiligen
Auswirkungen auf die Bf habe die Bf der Zahlungsempfängerin in den Jahren 2006
und 2007 ein Kapital von bis zu 300.000 € eingeräumt. Der Kapitalbetrag werde um
allfällige Zahlungen im Zuge des Schadenersatzprozesses seitens der Bf für die
Zahlungsempfängerin um einen Betrag in Höhe von 30.000 € erhöht. Daher betrage der
maximal auszunützende Kapitalbetrag 330.000 €.
Der Kapitalbetrag sei bis zur Beendigung des Schadenersatzprozesses unverzinslich und
werde danach mit einem Zinssatz von 4,995% p.a. verzinst. Der Zinssatz betrage 1,25%
über dem 3 – Monats – Euribor. Die Zinsanpassung werde jeweils am 31.3., 30.6., 30.9.
und 31.12. jeden Jahres mit Wirksamkeit für das darauf folgende Quartal vorgenommen.
Die Zinsen seien jedenfalls bis 31.12.2010 gestundet.
In Abhängigkeit vom Erfolg des angestrebten Prozesses werde das …zur Verfügung
gestellte Kapital verzinst rückgeführt. Sollte der Betrag nicht ausreichen, um die Forderung
zu tilgen, werde vereinbart, dass der dann noch aushaftende Kapitalbetrag beginnend
mit1.1.2011 verzinst ab diesem Zeitpunkt rückgeführt werde. Der Kapitalbetrag sei je
zur Hälfte am 30. Juni und am 31. Dezember eines Jahres an die Bf fällig. Die Laufzeit
betrage 15 Jahre. Die Zahlungsempfängerin sei allerdings nur dann zur Tilgung des
Kapitalbetrages bis zur vereinbarten Höhe verpflichtet, wenn der Cash-Flow in den
einzelnen Vertragsjahren positiv gewesen sei. Sollte der Cash-Flow nicht ausreichen,
werde der Differenzbetrag auf das nächste Geschäftsjahr vorgetragen und aus dem CashFlow des Folgejahres getilgt.
Zug um Zug gegen die Gewährung des Darlehens habe die Zahlungsempfängerin die ihr
zustehende Forderung gegen den Generalplaner aus dem Titel der Gewährleistung und
des Schadenersatzes, sowie hinsichtlich jeglicher weiterer Ansprüche, die auf Grund des
Fehlverhaltens des Generalplaners zu Gunsten der Zahlungsempfängerin bestehen, in
vollem Umfang abgetreten.“
Soweit die Anlage 2-Vereinbarung vom 28.2.2008.
Anlage 3 – Umlaufbeschluss der Gesellschafter der Bf vom 27.8.2009
…Punkt 4. Darlehensgewährung an die Zahlungsempfängerin
Seite 6 von 14
„…zur Abwendung der Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit der Zahlungsempfängerin
und der damit verbundenen nachteiligen Auswirkungen auf die Bf habe die Bf der
Zahlungsempfängerin ein Kapital von 320.000 € eingeräumt.
Die Laufzeit des Darlehens betrage 15 Jahre. Es sei je zur Hälfte am 30. Juni und am 31.
Dezember eines Jahres an die Bf fällig.
Der Zinssatz betrage 1,25% über dem 3 – Monats – Euribor . Die Zinsanpassung werde
jeweils am 31.3., 30.6., 30.9. und 31.12. jeden Jahres mit Wirksamkeit für das darauf
folgende Quartal vorgenommen. Die Zinsen seien jedenfalls bis 31.12.2010 gestundet.
Die Zahlungsempfängerin sei allerdings nur dann zur Tilgung des Kapitalbetrages bis
zur vereinbarten Höhe verpflichtet, wenn der Cash-Flow in den einzelnen Vertragsjahren
positiv gewesen sei. Sollte der Cash-Flow nicht ausreichen, werde der Differenzbetrag auf
das nächste Geschäftsjahr vorgetragen und aus dem Cash-Flow des Folgejahres getilgt.
…“
Soweit der Umlaufbeschluss vom 27.8.2009
Anlage 4:Auszug aus dem Jahresabschluss (JA) vom 31.12.2007 und 2008
betreffend
Ad JA 2007: Offenlegung und Anhangsangaben
…Punkt II Erläuterungen zur Bilanz:
In den sonstigen Forderungen (332.679,91 €) sei eine Forderung gegenüber der
Zahlungsempfängerin in Höhe von 305.634,85 € enthalten. Die Bf hat gegenüber der
Zahlungsempfängerin umfangreiche Haftungserklärungen abgegeben, um eine mögliche
Insolvenz der Zahlungsempfängerin abzuwenden. Dies deshalb weil eine Insolvenz auf
Grund des Naheverhältnisses, auch hinsichtlich der handelnden Personen, gravierende
wirtschaftliche Nachteile für die Bf mit sich bringen würde.
Zur Abwendung eines drohenden Insolvenzverfahrens auf Grund der Zahlungsunfähigkeit
der Zahlungsempfängerin habe die Bf der Zahlungsempfängerin ein Kapital bis zu
300.000 € im Geschäftsjahr 2007 zur Verfügung gestellt. Im Jahr 2008 sei auf Grund
der Fehlleistungen des beauftragten Architekten eine Schadenersatzklage gegen den
Architekten eingebracht. Der Streitwert sei mit 700.000 € beziffert worden. In Abhängigkeit
vom Erfolg des angestrebten Prozesses werde das …..zur Verfügung gestellte Kaptal
verzinst rückgeführt.
Auszug aus JA 2008:
….II. Erläuterungen zur Bilanz:
…Die unter Punkt III.2.ausgewiesene Ausleihung in Höhe von 320.000 € betreffe die
Forderung an die Zahlungsempfängerin. Im Geschäftsjahr 2008 sei eine entsprechende
Vereinbarung mit der Zahlungsempfängerin geschlossen und der im Geschäftsjahr
2007 unter den sonstigen Forderungen ausgewiesene Betrag von ursprünglich 300.000
Seite 7 von 14
€ umgegliedert. Der aushaftende Betrag werde ab 1.1.2011 verzinst und ab diesem
Zeitpunkt rückgeführt. Die Laufzeit betrage insgesamt 15 Jahre.
…Ad Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände:
…In den sonstigen Forderungen sei im Geschäftsjahr 07 eine Forderung gegenüber der
Zahlungsempfängerin in Höhe von 305.634,85 enthalten. Die Bf habe gegenüber der
Zahlungsempfängerin umfangreiche Haftungserklärungen abgegeben, um eine mögliche
Insolvenz der Zahlungsempfängerin abzuwenden. Dies deshalb weil eine Insolvenz
aufgrund des Nahverhältnisses, auch hinsichtlich der handelnden Personen , gravierende
wirtschaftliche Nachteile für die Bf mit sich bringen würde.
Zur Abwendung eines drohenden Insolvenzverfahrens auf Grund der Zahlungsunfähigkeit
der Zahlungsempfängerin habe die Bf der Zahlungsempfängerin ein Kapital bis zu 300.000
€ im Geschäftsjahr 2007 zur Verfügung gestellt.
Soweit die Anlage 4- Auszüge aus den JA 2007-2008
Anlage 5: Beispiel eines gemeinsamen Imagefolders der BF
Auf diesem Prospekt tritt die „ BF “ als BF2 GmbH, BF2 GmbH & Co KG und als BF3
GmbH in Erscheinung
Anlage 6 : Auszug aus der Homepage der Bf, auf welcher das Immobilienprojekt
„RioGrande“ beworben worden ist.
Soweit die Beilagen der Berufung vom 28.7.2011
Stellungnahme des Prüfers vom 8.8.2011:
Zur Namensgleichheit betreffend die Bf und die Zahlungsempfängerin: Man hätte jederzeit
eine Namensänderung durchführen können. Die Zahlungsempfängerin heiße jetzt „ BF5
GmbH“.
Die Wertpapiergeschäfte seien über die BF BF2 GmbH & Co KG ( St.Nr067 ) erfolgt und
hätten einen geringen Umfang:
30.600 € 2007
6.300 € 2008
5.500 € 2009.
In ihrer Eingabe vom 13. 11.2015 zog die Vertreterin der Bf die Anträge auf mündliche
Verhandlung und auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat zurück.
Soweit der wesentliche Ablauf des Verfahrens bisher.
Über die Beschwerde wird erwogen:
I.)Feststellungen:
Betriebsgegenstand der Bf
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Die im Jahr 2001 gegründete Bf , die BF BF2 GmbH (FM GmbH) (FN 0007 s) ,
erzielt ihre Umsätze zum weit überwiegenden Großteil aus der Vermittlung von
Versicherungsverträgen. In diesem Zusammenhang erzielte sie in den Jahren 2007-2009
jährliche Umsätze in der Größenordnung von einer Million € (Berechnung Verhältnis
Erlöse 2007-2009 = elektronischer Arbeitsbogen eAB 20-22).
Die Bf war in den Jahren 2006-2009 auch an der BF BF2 GmbH & Co KG beteiligt, die
sich mit der Vermittlung des Abschlusses von Wertpapiergeschäften befasste. Diese
GmbH und Co KG erzielte aus der Vermittlung dieser Geschäfte folgende Umsätze:
30.600 € 2007
6.300 € 2008
5.500 € 2009 (Schreiben des Prüfers vom 8.8.2011).
Gründung der Zahlungsempfängerin – Zweck
Im Jahr 2004 gründeten die beiden beherrschenden Gesellschafter der Bf Dr. Gester1
und Jörg Gester2 die BF BF3 GmbH ( Zahlungsempfängerin) (FN 007 z). Deren
Betriebsgegenstand war , Immobilien zu erwerben, darauf Gebäude zu errichten und
diese sodann zu verkaufen. Die Zahlungsempfängerin wurde deshalb gegründet,
um ins BF3geschäft einzusteigen, aber auch, um der Bf zusätzliche Umsätze zu
verschaffen. Es war die Absicht des Geschäftsführers der Bf, der auch Geschäftsführer
der Zahlungsempfängerin war, die Versicherungsverträge, die im Zusammenhang mit
den Immobilien, die die Zahlungsempfängerin verkaufen würde, abgeschlossen werden
würden, durch die Bf zu vermitteln. Zudem beabsichtigte der Geschäftsführer der Bf,
den Käufern der Immobilien der Zahlungsempfängerin, die eine Fremdfinanzierung
wünschten, Kreditverträge durch die Bf zu vermitteln. Es war somit das Ziel der Bf und der
Zahlungsempfängerin, vertreten durch ihre Geschäftsführer, den Erwerb von Immobilien
(Geschäftsbereich der Zahlungsempfängerin), deren Versicherung (Geschäftsbereich
der Bf ) und Finanzierung (Geschäftsbereich der Bf) aus einer Hand, der BF -Gruppe,
bestehend aus der Bf und der Zahlungsempfängerin, anzubieten (Berufung, S. 6 mit allen
Beilagen, insbesondere Anlage 5 Imagefolder der Gruppe BF; Anlage 6:Auszug aus der
Homepage der Bf mit der Bewerbung eines Immobilienprojektes) .
Wirtschaftliche Probleme der Zahlungsempfängerin
Im Jahr 2006 beschäftigte sich die Zahlungsempfängerin mit dem Immobilienprojekt
„ RioGrande “, einer Wohnanlage, die sie in einem Erholungsgebiet errichten ließ
(Anlage 6, Berufung insbesondere S. 2). In diesem Zusammenhang verkaufte die
Zahlungsempfängerin Eigentumswohnungen (Berufung, insbesondere S. 2). Ein Teil der
Käufer dieser Wohnungen wünschte eine Kreditfinanzierung, die von der Bf vermittelt
wurde (Berufung , insbesondere S. 8). In diesem Zusammenhang erzielte die Bf 2007
jedenfalls einen Umsatz von ca 55.000 € (Berechnung Verhältnis Erlöse 2007= eAB 20 R).
Dieses Projekt der Zahlungsempfängerin war geprägt durch hohe, nicht vorhergesehene
Kosten, die an die Käufer der Immobilien nicht weiterverrechnet werden konnten, sodass
die Zahlungsempfängerin im Jahr 2006 einen Verlust von -332.860 € und im Jahr 2007
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einen Verlust von -80.448,16 € (Körperschaftsteuerbescheide 2006 und 2006 betreffend
die Zahlungsempfängerin; Berufung, S. 2,8) erlitt.
Im ursächlichen Zusammenhang mit diesen Verlusten war die Zahlungsempfängerin im
November 2006 zahlungsunfähig (Berufung, insbesondere S. 2,8).
Folgewirkungen auf die Bf
Die Bf ( BF BF2 GmbH) und die Zahlungsempfängerin ( BF BF3 GmbH) hatten
damals (1.1.2006-Juli 2009) Firmenbezeichnungen, die einander sehr ähnlich waren .
Die Zahlungsempfängerin wurde erst im Juli 2009 in BF5 GmbH umbenannt, vgl.
Firmenbuchauszug AB 007 z). Beide Gesellschaften hatten damals (1.1.2006-Juli
2009) denselben Sitz. Für beide Gesellschaften handelten dieselben Personen.
Die wichtigsten Gesellschafter der Bf (Dr. Gester1 , Jörg Gester2 , die zusammen
77% der Anteile an der Bf hielten, (vgl. Firmenbuchauszug AB 0007 s) waren auch
die einzigen Gesellschafter der Zahlungsempfängerin. Die Kunden der Bf und der
Zahlungsempfängerin haben nicht zwischen der Bf und der Zahlungsempfängerin
unterschieden , da beide Gesellschaften bei Werbemaßnahmen (Homepage, Videowall
bei Spielen eines populären Eishockeyclubs, Kundenzeitung) gemeinsam unter der Marke
„ BF “ auftraten, (Berufungsvorbringen, S. 6; Anlage 5 der Berufung; ).
Wegen der Zahlungsunfähigkeit der Zahlungsempfängerin kam das Gerücht auf, dass
die „ BF “ konkursreif sei. Dieses Gerücht gefährdete den geschäftlichen Erfolg der Bf, da
damit eine Verminderung des guten Rufs der Bf verbunden war. Im Zusammenhang mit
der Konkursreife der Zahlungsempfängerin gab es zahlreiche Versuche von Konkurrenten
der Bf, Kunden der Bf abzuwerben (Berufung, S. 7, 4. Absatz „Angriffe durch Konkurrenten
auf bestehende Kunden der Bf“).
Zudem ereigneten sich Selbstanzeigen der Wohnungseigentümer des Projektes „
RioGrande “, die Schwarzgeldzahlungen an die Zahlungsempfängerin geleistet hatten,
die eine Verkürzung von Grunderwerbsteuern und Eintragungsgebühren bewirkt hatten
(Berufung S. 7).
Auch dieser Umstand brachte die Bf in Misskredit und führte zu einem zunehmenden
Imageverlust der Bf in der Öffentlichkeit. Die Bf ( BF BF2 GmbH) hatte auf Grund der
Konkursgerüchte und der Schwarzgelddelikte, die die Zahlungsempfängerin ( BF BF3
GmbH) betrafen, erhöhten Erklärungsbedarf gegenüber bestehenden Kunden und bei der
Akquisition von neuen Kunden (Berufung, S. 7).
Die Feststellungen über den Imageverlust, den die Bf in der Öffentlichkeit im
Zusammenhang mit der Zahlungsunfähigkeit der Zahlungsempfängerin) und den
Schwarzgeldgeschäften der Zahlungsempfängerin erlitten hat, und über die Gefährdung
des wirtschaftlichen Erfolgs der Bf erscheinen aus folgenden Gründen nachvollziehbar:
Ein schlechter Ruf kann einem Versicherungsmakler sehr schaden. Die Kunden eines
Versicherungsmaklers streben bestmöglichen Versicherungsschutz bei geringstmöglichen
Prämien an. Sie haben selbst idR keine Kenntnisse des Versicherungsrechts und des
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Versicherungswesens und sind daher auf fundierte Beratung durch einen ihnen als
vertrauenswürdig erscheinenden Versicherungsberater angewiesen. Ohne Vertrauen
des Kunden wird der Versicherungsberater nicht einmal die Gelegenheit zu einem
Beratungsgespräch bekommen. Ohne Beratungsgespräch wird er keine Geschäfte
machen können. Je seriöser ein Versicherungsmakler in der Öffentlichkeit in Erscheinung
tritt, desto eher wird er Kunden finden, die ihm vertrauen, sich von ihm beraten lassen
und zum Abschluss von Verträgen überzeugen lassen. Ein Makler, der ein bekanntes
Nahverhältnis zu einem konkursreifen Betrieb hat, wird daher wesentlich weniger Kunden
finden, die ihm vertrauen, als ein Makler, dessen wirtschaftliche Aktivitäten auf dem Markt
nicht unangenehm auffallen.
Aus diesen Gründen erscheint es glaubhaft, dass die Konkursreife und die
Schwarzgeschäfte der Zahlungsempfängerin den wirtschaftlichen Erfolg der Bf
wegen ihres Nahverhältnisses (gemeinsamer Geschäftssitz, gemeinsame Mitarbeiter,
gemeinsame Werbemaßnahmen, sehr ähnliche Firmenbezeichnungen der Bf und der
Zahlungsempfängerin, aufeinander abgestimmte Geschäftsziele „Verkauf von Immobilien,
deren Finanzierung und Versicherung aus einer Hand“ ;siehe Berufung insbesondere S. 6)
zur Zahlungsempfängerin ernsthaft gefährdet haben.
Die Bf ist im Streitzeitraum schon auf Grund ihres Geschäftsumfanges auf dem
Markt auffällig gewesen, weil sie zu den umsatzstärksten österreichischen
Versicherungsmaklern zählte . Jeder Versicherungsberater handelt in seinem
wirtschaftlichen Interesse, wenn er Maßnahmen trifft, die seinem Ruf dienlich sind. Je
auffälliger ein Makler ist, desto mehr handelt er in seinem wirtschaftlichen Interesse,
wenn er Maßnahmen verwirklicht, die seinem Ruf förderlich sind. Die Bf war schon auf
Grund ihres ungewöhnlich großen Geschäftsumfanges auf dem Versicherungsmarkt sehr
auffällig. Die Verhinderung des Konkurses der Zahlungsempfängerin, zu der die Bf ein
den Kunden erkennbares Nahverhältnis hatte , war jedenfalls geeignet, den Ruf der Bf zu
verbessern und lag daher im wirtschaftlichen Interesse der Bf.
Reaktion der Bf
Um den Konkurs der Zahlungsempfängerin zu verhindern, leistete die Bf folgende
Zahlungen an die Zahlungsempfängerin:
59.672 € 2006
245.963 € 2007
14.365 € 2008
8.815 € 2009
328.815 € Summe (BP-Bericht, TZ 1).
Diese Zahlungen versetzten die Zahlungsempfängerin in die Lage, ihren Gläubigern
(mit Ausnahme der Bf) einen außergerichtlichen Ausgleich mit einer Quote von 40%
anzubieten. Die Gläubiger nahmen diesen Ausgleich an. Dadurch wurde der Konkurs der
Zahlungsempfängerin abgewendet. Der einzige Gläubiger der Zahlungsempfängerin, der
leer ausging, war die Bf , die ihre Zahlungen von 328.815 € nicht zurückerhielt.
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Vereinbarungen über die Rückzahlung?
Im Zusammenhang mit den Zahlungen der Bf an die Zahlungsempfängerin von 328.815 €
wurden folgende Vereinbarungen abgeschlossen:
Vereinbarung 2.1.2007 (eAB 25):
Die Bf und die Zahlungsempfängerin hielten fest:
Die Zahlungsempfängerin habe das Projekt „ Skyline RioGrande “ betrieben . Dabei
habe der beauftragte Architekt Fehler gemacht, durch die die Zahlungsempfängerin
einen Schaden erlitten habe. In diesem Zusammenhang werde es eine gerichtliche
Auseinandersetzung geben. Die Bf habe gegenüber der Zahlungsempfängerin
umfangreiche Haftungserklärungen abgegeben. Eine mögliche Insolvenz der
Zahlungsempfängerin hätte gravierende Nachteile für die Bf im Zusammenhang mit dem
Naheverhältnis der Zahlungsempfängerin und der Bf gehabt. Die Zahlungsempfängerin
habe einen außergerichtlichen Ausgleich mit ihren Gläubigern erzielt (Quote 40%).
Zur Abwendung einer drohenden Insolvenz der Zahlungsempfängerin habe die Bf der
Zahlungsempfängerin ein Kapital von 300.000 € eingeräumt.
In Abhängigkeit vom Erfolg des beabsichtigten Prozesses werde das zur Verfügung
gestellte Kapital verzinst zurückgeführt.
Soweit die Vereinbarung vom 2.1.2007
Vereinbarung vom 28.2.2008 der Bf und der Zahlungsempfängerin (eAB 26):
Die Fehlleistungen des Generalplaners ( Anm: damit ist der o.e. Architekt gemeint) seien
Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung.
Zur Abwendung der Insolvenz der Zahlungsempfängerin und zur Abwendung der damit
verbundenen nachteiligen Auswirkungen auf die Bf habe die Bf der Zahlungsempfängerin
2006 und 2007 ein Kapital von bis zu 300.000 € eingeräumt. Der Kapitalbetrag werde
um allfällige Zahlungen im Zuge des Schadenersatzprozesses um 30.000 € erhöht. Der
maximal auszunützende Kapitalbetrag betrage daher 330.000 €.
Der Kapitalbetrag sei bis zur Beendigung des Schadenersatzprozesses unverzinslich
und werde dann mit einem Zinssatz von 4,995 % p.a. verzinst. Die Zinsen seien bis
31.12.2010 gestundet.
In Abhängigkeit vom Erfolg des angestrebten Zivilprozesses werde das vorstehende zur
Verfügung gestellte Kapital verzinst rückgeführt. Sollte der Betrag nicht ausreichen, um
die Forderung zu tilgen, werde der dann noch aushaftende Kapitalbetrag beginnend mit
1.1.2011 verzinst ab diesem Zeitpunkt rückgeführt. Der Kapitalbetrag sei je zur Hälfte
am 30. 6. und am 31.12. eines Jahres an die Bf fällig. Die Laufzeit betrage 15 Jahre. Die
Zahlungsempfängerin sei nur dann zur Tilgung verpflichtet, wenn der Cash-Flow in den
einzelnen Vertragsjahren positiv gewesen sei. Sollte der Cash Flow nicht ausreichen,
werde der Differenzbetrag auf das nächste Geschäftsjahr vorgetragen und aus dem
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Cash-Flow des Folgejahres getilgt. Die Zahlungsempfängerin habe die ihr zustehende
Forderung gegen den Generalplaner an die Bf abgetreten (eAB 26, 26 R).
Soweit die Vereinbarung vom 28.2.2008.
Die Vereinbarung vom 28.2.2008 wurde im Jahresabschluss (JA) 2008 der Bf erwähnt.
Damals betrug die Forderung noch 320.000 €. In denselben Erläuterungen wurde erwähnt,
dass diese Forderung per 2007 noch 305.634,85 € betragen habe (Punkt II. Erläuterungen
zur Bilanz = eAB 27 und 27 R).
Die wesentlichen Punkte der Vereinbarung vom 28.2.2008 wurden auch in einem
Umlaufbeschluss aller Gesellschafter vom 27.8.2009 erwähnt (AB 30-31).
Obwohl in der Vereinbarung vom 28.2.2008 von einer Abtretung der Forderung der
Zahlungsempfängerin gegen den Generalplaner an die Bf die Rede war, erhielt die Bf in
jener Zeit, in der diese Forderung zum Teil einbringlich gemacht werden konnte, nichts.
Im Feber 2008 klagte die Zahlungsempfängerin den Generalplaner des Projektes
„ RioGrande “ auf eine Schadensersatzzahlung von 700.000 € (eAB 28). Im
Juli 2008 einigten sich die Zahlungsempfängerin, der Generalplaner und dessen
Haftpflichtversicherer auf eine Zahlung von 200.000 € an die Zahlungsempfängerin bei
gegenseitiger Kostenaufhebung (eAB 28, 29).
Nach Abzug der Anwaltskosten der Zahlungsempfängerin blieben von diesem Betrag
196.752,82 € übrig (eAB 29). Mit diesem Betrag wurden im Einvernehmen mit der Bf die
Schulden der Zahlungsempfängerin bei deren Hausbank ( Kreditbank Bank) zum Teil
beglichen. Die Hausbank verzichtete im Gegenzug auf ihre weiteren Forderungen gegen
die Zahlungsempfängerin in Höhe von 108.700 € (Beschwerde, S. 4; eAB 32).
Der Prüfer wies in seinem Schreiben vom 8.8.2011 darauf hin, dass eine Vereinbarung
zwischen der Bf und der Bank im Zuge der Prüfung nicht behauptet worden sei. Dennoch
besteht nach Ansicht des Gerichtes kein Zweifel daran, dass es diese Vereinbarung
gegeben hat, da der Prüfer in einem Aktenvermerk vom 28.2.2011 (eAB 32) einen
„Schuldnachlass Kreditbank “ , von dem er in einem Gespräch mit den Herren Mag.
Berater1 und Mag. BeraterA (Vertreter der Bf) erfahren habe, dokumentiert hat.
Im Ergebnis hat die Bf mit der Zahlungsempfängerin Rückzahlungsvereinbarungen
geschlossen, die jeweils unter der Bedingung standen, dass sich die BT eine Rückzahlung
überhaupt leisten konnte.
Waren die Zahlungen der Bf an die Zahlungsempfängerin betrieblich veranlasst?
Die Konkursreife der Zahlungsempfängerin hatte den wirtschaftlichen Erfolg der Bf
gefährdet (siehe oben).
Die Bf ( BF BF2 GmbH) hat die Zahlungen geleistet, um eine Insolvenz der
Zahlungsempfängerin [ BF BF3 GmbH ] zu verhindern und um damit die den
wirtschaftlichen Erfolg der Bf gefährdenden Gerüchte aus der Welt zu schaffen, die „
BF “ sei konkursreif. Daher lagen die Zahlungen der Bf an die Zahlungsempfängerin
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im wirtschaftlichen Interesse der Bf (vgl. VwGH vom 31.5.2006, 2002/13/0168). Diese
Zahlungen waren daher betrieblich veranlasst und daher auch keine verdeckten
Ausschüttungen.
Zum Hinweis des Finanzamtes, dass jederzeit eine Namensänderung der
Zahlungsempfängerin durchführbar gewesen wäre: Negative Gerüchte verbreiten sich
erfahrungsgemäß sehr leicht und sie sind erfahrungsgemäß hartnäckig. Das negative
Gerücht bestand in der Information , dass die „ BF “ konkursreif sei. Die “ BF “ , das
war jedoch nicht nur die tatsächlich zahlungsunfähige, erfolglose BF BF3 GmbH
(Zahlungsempfängerin), sondern auch die BF BF2 GmbH (Bf), eine der erfolgreichsten
österreichischen Versicherungsmaklerinnen, die in diesem Gerücht eine Gefährdung
ihrer wirtschaftlichen Interessen erkennen musste. Es erscheint als unrealistisch, dass
durch eine bloße Änderung der Firmenbezeichnung der erfolglosen „ BF “-Gesellschaft
das negative Gerücht beseitigt worden wäre, da die wichtigsten Gesellschafter der
BF BF2 GmbH auch die einzigen Gesellschafter der BF BF3 GmbH waren, da
beide Gesellschaften denselben Firmensitz und dieselben Mitarbeiter , sowie auch
dieselben Werbestrategien hatten (Berufung, S. 6). Niemand hätte in so einer Situation
angenommen, dass die konkursreife „ BF “-Gesellschaft nur wegen der Änderung ihrer
Firmenbezeichnung nun nichts mehr mit der BF BF2 GmbH zu tun habe. Die Beseitigung
der Zahlungsunfähigkeit der BF BF3 GmbH durch das finanzielle Opfer der BF BF2
GmbH musste ex ante betrachtet als wesentlich wirksamere und nachhaltigere Maßnahme
zur Verbesserung des Rufes der BF BF2 GmbH erscheinen.
Die Zahlungen der Bf an die Zahlungsempfängerin waren daher keine verdeckten
Ausschüttungen.
Die KEST-Haftungsbescheide ergingen daher nicht zu Recht.
Begründung gemäß § 25 a Abs 1 VwGG:
Durch dieses Erkenntnis werden keinerlei Rechtsfragen iS von Art 133 Abs 4 B-VG
berührt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Im gegenständlichen Fall hat die Bf Zahlungen an eine andere Kapitalgesellschaft
geleistet, zu der die Bf ein gesellschaftsrechtliches Nahverhältnis hatte. Diese Zahlungen
lagen nach den Feststellungen, die in diesem Erkenntnis getroffen worden sind, im
wirtschaftlichen Interesse der Bf. Daher können diese Zahlungen keine verdeckten
Ausschüttungen gewesen sein
(VwGH vom 31.5.2006, 2002/13/0168). Rechtsfragen , denen i.S. von Art 133 Abs 4 B-VG
grundsätzliche Bedeutung zukommt, sind insoweit nicht erkennbar (siehe oben).
Klagenfurt am Wörthersee, am 16. November 2015
Seite 14 von 14
GZ. RV/7101313/2010
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Six in der Beschwerdesache
D GmbH & Co KG (vormals A AG NfG & Co KG) als Rechtsnachfolger der A AG (FN
XXX1 ), Adresse, gegen den Bescheid des FA Wien 1/23 vom 7. Juli 2008 , betreffend
"Gruppenfeststellungsbescheid 2005 Änderung gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 zu Bescheid
vom 06.02.2006", zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Am 30. Dezember 2005 stellte die A AG (FN XXX1) gemeinsam mit anderen
Körperschaften einen Antrag auf Feststellung einer Unternehmensgruppe mit dem
Gruppenträger GT AG beim zuständigen Finanzamt Wien 1/23. Mit Bescheid vom 6.
Februar 2006 stellte das Finanzamt das Vorliegen einer Unternehmensgruppe fest.
Mit Vertrag vom 28. September 2006 wurde die A AG gemäß Umwandlungsgesetz und
unter Anwendung des Umgründungssteuergesetzes zum Stichtag 31. Dezember 2005
errichtend in die A AG Nfg & Co KG (FN XXXX2) umgewandelt.
Die errichtende Umwandlung in eine KG erfolgte unter Beitritt der C AG (FN XXXX3,
Umfirmierung in A AG - NEU) als Komplementär ohne Vermögenseinlage (reiner
Arbeitsgesellschafter). Der bisherige alleinige Aktionär und Gruppenträger GT AG wurde
durch die errichtende Umwandlung zum alleinigen Kommanditisten, dem 100% des
Vermögens der KG zustehen.
Die errichtende Umwandlung erfolgte unter Anwendung des Artikel II UmgrStG in
Gesamtrechtsnachfolge.
Das Finanzamt erließ daraufhin am 7. Juli 2008 einen geändertem
Gruppenfeststellungsbescheid mit dem festgestellt wurde, dass die Zugehörigkeit der
A AG (FN XXX1) zur Gruppe rückwirkend ab der Veranlagung 2005 gemäß § 295a
BAO in Verbindung mit § 9 Abs. 9 und Abs. 10 TS 3 KStG 1988 im Hinblick auf die
Nichteinhaltung der Mindestdauer der Gruppenzugehörigkeit als aufgehoben gilt.
Dagegen erhob die A AG NfG & Co KG als Rechtsnachfolger der A AG (kurz Bf.) Berufung
(gemäß § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde zu erledigen), und beantragte die Änderung
des bekämpften Gruppenfeststellungsbescheides dahingehend, dass festgestellt werde,
dass die Bf. für das Jahr 2005 inländisches Gruppenmitglied sei und erst mit Wirkung für
die Veranlagung 2006 aus der Gruppe ausscheide.
Zur Begründung wurde folgendes vorgebracht:
"Nach § 9 Abs 10 KStG muss die Unternehmensgruppe für einen Zeitraum von
mindestens drei Jahren bestehen. Scheidet eine Körperschaft innerhalb von drei
Jahren nach dem Eintritt aus der Unternehmensgruppe aus, sind insoweit im Wege der
Veranlagung oder der Wiederaufnahme des Verfahrens jene steuerlich maßgebenden
Verhältnisse herzustellen, die sich ohne Gruppenzugehörigkeit ergeben hätten.
Nach § 9 Abs. 5 4. Satz KStG gelten Vermögensübertragungen innerhalb der
Unternehmensgruppe nicht als. Änderung der Voraussetzungen für Gruppenverhältnisse,
sofern die Unternehmensgruppe weiterhin finanziell verbunden bleibt.
Gemäß Rz 620d UmgrStRl scheidet bei einer errichtenden Umwandlung, bei der zum
Umwandlungsstichtag die dreijährige Mindestbestandsdauer noch nicht gegeben ist, das
umgewandelte Gruppenmitglied rückwirkend von Anfang an aus der Unternehmensgruppe
aus, da die Mindestdauer nicht eingehalten ist. Dieser Aussage folgend wurde unser
Mandant mit geändertem Gruppenfeststellungsbescheid 2005 vom 7. Juli 2008
rückwirkend für das Jahr 2005 aus der Unternehmensgruppe der GT AG ausgeschieden.
Diese Aussage in Rz 620d UmgrStRl ist überschießend und vom Gesetzestext nicht
gedeckt.
Hintergrund dieser Ansicht sei laut BMF, dass es im Falle der errichtenden Umwandlung
zivilrechtlich (gesellschaftsrechtlich) zu einer Übertragung von Vermögen auf eine
Personengesellschaft kommt, die niemals Gruppenmitglied sein könne. Dass das
Vermögen bei einer unter § 7 Abs. 3 KStG fallenden Körperschaft im Zuge einer
errichtenden Umwandlung steuerrechtlich den dahinter stehenden Personen zugerechnet
wird und es somit ertragsteuerlich zu einer Übertragung auf diese Personen komme, sei
unbeachtlich.
Kernfrage der Berufung ist somit, ob § 9 Abs. 5 4. Satz sowie § 9 Abs. 10 KStG eine
zivilrechtliche (gesellschaftsrechtliche) oder steuerrechtliche Anknüpfung vorsehen.
Unseres Erachtens ergibt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den erläuternden
Bemerkungen zur Regierungsvorlage eine zivilrechtliche (gesellschaftsrechtliche)
Seite 2 von 7
Anknüpfung, weswegen im Zweifel nur eine steuerrechtliche Anknüpfung unterstellt
werden kann.
Für Vermögensübertragungen im Zusammenhang mit Umgründungsvorgängen kann
als Grundsatz festgehalten werden, dass die Mindestdauer nach § 9 Abs. 10 iVm § 9
Abs. 5 4. Satz KStG dann nicht beeinträchtigt ist, wenn der Vermögensübergang im
Rahmen einer Umgründung auf Gruppenangehörige (somit auch den Gruppenträger) als
Rechtsnachfolger stattfindet (so der bisherige Gruppenerlass und auch nunmehr Rz 349b
UmgrStRl). Rz 349b UmgrStRl geht im ersten Satz pauschal davon aus, dass dies auch
für Umwandlungen gilt und führt im zweiten Satz aus, dass dies auch für eine errichtende
Umwandlung und eine verschmelzende Umwandlung auf eine die finanzielle Verbindung
an der übertragenden Gesellschaft vermittelnde Hauptgesellschafter-Personengesellschaft
gilt.
Für die Verschmelzung eines Gruppenmitglieds auf den Gruppenträger sowie die
verschmelzende Umwandlung eines Gruppenmitglieds auf den Gruppenträger
führen Rz 353e sowie 620h iVm 362 UmgrStRI aus, dass die Nichterfüllung der
dreijährigen Mindestbestandsdauer nicht zu einer selbständigen Steuerpflicht für die
Jahre bis zur Verschmelzung bzw. verschmelzenden Umwandlung führt, da mit der
Vermögensübernahme durch den Gruppenträger ein Fortsetzungstatbestand gegeben ist.
Das gleiche muss gelten, wenn aufgrund einer errichtenden Umwandlung das Vermögen
der neu errichteten Kommanditgesellschaft zu 100% dem Gruppenträger zugerechnet
wird und der neu beitretende Haftgesellschafter als bloßer Arbeitsgesellschafter keine
Beteiligung am Vermögen der Kommanditgesellschaft erwirbt. Es kommt bei unter § 7 Abs
3 KStG fallenden Körperschaften aus steuerlicher Sicht aufgrund des Durchgriffsprinzips
zu einem wirtschaftlichen Vermögensübergang auf den Gruppenträger (in diesem Sinne
wohl auch EStRl Rz 5931, KÖStRl Rz 348 sowie VwGH vom 19.5.2005).
Bei unter § 7 Abs 3 KStG fallenden Körperschaften ist immer von einem einheitlichen
Gewerbebetrieb auszugehen. Im Zuge einer errichtenden Umwandlung einer 100%igen Tochtergesellschaft in eine Kommanditgesellschaft unter Beitritt eines bloßen
Arbeitsgesellschafters wird somit der Betrieb der umgewandelten Tochtergesellschaft aus
steuerlicher Sicht zu 100% dem bestehenden Betrieb des Kommanditisten zugerechnet.
Aus ertragsteuerlicher Sicht entspricht die errichtende Umwandlung in diesem Fall
somit der Verschmelzung bzw. verschmelzenden Umwandlung. Es liegt ertragsteuerlich
eine Übertragung von Vermögen innerhalb der Unternehmensgruppe vor, weswegen
eine errichtende Umwandlung des Gruppenmitglieds in eine KG unter Beitritt eines
reinen Arbeitsgesellschafters zu keinem Verstoß gegen die Mindestdauer der
Unternehmensgruppe führt. Es liegt somit ein Fortsetzungstatbestand vor."
Das Bundesfinanzgericht legt seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zu Grunde.
Die Bf. war im Jahr 2005 aufgrund der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen
Mitglied einer Unternehmensgruppe mit der GT AG als Gruppenträgerin. Das Vorliegen
Seite 3 von 7
der Gruppenzugehörigkeit ab der Veranlagung 2005 wurde mit Bescheid des Finanzamtes
Wien 1/23 vom 6. Februar 2006 gemäß § 9 Abs. 8 letzter Satz KStG 1988 festgestellt.
Mit Vertrag vom 28. September 2006 wurde die A AG gemäß Umwandlungsgesetz und
unter Anwendung des Umgründungssteuergesetzes zum Stichtag 31. Dezember 2005
errichtend in die A AG Nfg & Co KG (FN XXXX2) umgewandelt.
Die errichtende Umwandlung in eine KG erfolgte unter Beitritt der C AG (FN XXXX3,
Umfirmierung in A AG - NEU) als Komplementär ohne Vermögenseinlage (reiner
Arbeitsgesellschafter). Der bisherige alleinige Aktionär und Gruppenträger GT AG wurde
durch die errichtende Umwandlung zum alleinigen Kommanditisten, dem 100% des
Vermögens der KG zustehen.
Die errichtende Umwandlung erfolgte unter Anwendung des Artikel II UmgrStG in
Gesamtrechtsnachfolge.
Dieser Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus den im Akt vorhandenen Unterlagen sowie
den Angaben der Bf. und ist zwischen den Parteien unstrittig.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 KStG 1988 idF Steuerreformgesetz 2005, BGBl I Nr. 57/2004,
können finanziell verbundene Körperschaften (Abs. 2 bis 5) abweichend von § 7
eine Unternehmensgruppe bilden. Dabei wird das steuerlich maßgebende Ergebnis
des jeweiligen Gruppenmitglieds (Abs. 6 und Abs. 7) dem steuerlich maßgebenden
Ergebnis des beteiligten Gruppenmitglieds bzw. Gruppenträgers jenes Wirtschaftsjahres
zugerechnet, in das der Bilanzstichtag des Wirtschaftsjahres des Gruppenmitgliedes fällt.
Gruppenmitglieder können gemäß § 9 Abs. 2 KStG 1988 nur Kapitalgesellschaften und
Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sein.
Gemäß § 9 Abs. 4 KStG 1988 gelten als finanziell verbundene Körperschaften solche,
bei denen die beteiligte Körperschaft unmittelbar mehr als 50% des Grund-, Stamm- oder
Genossenschaftskapitals und der Stimmrechte der Beteiligungskörperschaft besitzt.
Gemäß § 9 Abs. 5 KStG 1988 muss die finanzielle Verbindung im Sinne des
Abs. 4 während des gesamten Wirtschaftsjahres des jeweiligen Gruppenmitgliedes
vorliegen. ........... Steuerlich wirksame rückwirkende Anteilserwerbe und
Anteilsübertragungen im Sinne der Abgabenvorschriften sind auch für die Frage
der finanziellen Verbindung maßgebend. Vermögensübertragungen innerhalb
der Unternehmensgruppe gelten nicht als Änderung der Voraussetzungen für
Gruppenverhältnisse, sofern die Unternehmensgruppe weiterhin finanziell verbunden
bleibt.
Nach § 9 Abs. 10 KStG 1988 muss die Unternehmensgruppe für einen Zeitraum von
mindestens drei Jahren bestehen. Dabei gilt nach TS 3 folgendes:
Scheidet eine Körperschaft innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt aus der
Unternehmensgruppe aus, sind insoweit im Wege der Veranlagung oder der
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Wiederaufnahme des Verfahrens jene steuerlich maßgebenden Verhältnisse herzustellen,
die sich ohne Gruppenzugehörigkeit ergeben hätten.
Für Änderungen einer bestehenden Unternehmensgruppe sieht § 9 Abs. 9 TS 4 KStG
1988 vor, dass der Feststellungsbescheid (Abs. 8) in allen Fällen der Änderung gegenüber
dem Gruppenträger und allen Gruppenmitgliedern der Unternehmensgruppe abzuändern
ist.
Gemäß § 295a BAO idF AbgÄG 2003, BGBl I Nr. 124/2003 kann ein Bescheid auf Antrag
der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis
eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder
Umfang eines Abgabenanspruches hat
Zu § 9 Abs. 10 KStG 1988 wird in den Gesetzesmaterialien des
Steuerreformgesetzes 2005 (ErlRV 451 BlgNr. XXII. GP) erläuternd ausgeführt:
"Um unerwünschte Gestaltungen hintan zu halten, sollen die steuerlichen Wirkungen
der Gruppenbildung bleibend nur dann gegeben sein, wenn diese durch einen
Zeitraum von drei - insgesamt sechsunddreißig Monate umfassende - Wirtschaftsjahre
durch Ergebniszurechnung wirksam wird. ........Dabei ist jedes einzelne in der
Gruppe bestehende Zurechnungsverhältnis für sich zu betrachten. Scheidet also die
Enkelgesellschaft in einer aus drei Körperschaften bestehenden Gruppe vor Ablauf der
Dreijahresfrist aus der Gruppe aus, ist hinsichtlich dieses Mitgliedes die Rückabwicklung
der in Vorjahren zugerechneten steuerlichen Ergebnisse durchzuführen. ....... Die
Berechnung der Dreijahresfrist hat für jedes einzelne Gruppenmitglied ausgehend von
dem ersten Wirtschaftsjahr zu erfolgen, in dem sein Ergebnis seinem unmittelbaren
Gruppenmitglied bzw. Gruppenträger zugerechnet wurde. Bei Ausscheiden nach Ablauf
der Dreijahresfrist verbleiben die bis zum Austritt zuzurechnenden Ergebnisse des
ausscheidenden Gruppenmitglieds - von der möglichen Nachversteuerung ausländischer
Verluste abgesehen - bei der Gruppe."
Durch die Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft weist die Bf. zum Stichtag 31.
Dezember 2005 nicht mehr die für ein Gruppenmitglied erforderliche Rechtsform auf.
Daher hatte jedenfalls zwingend das Ausscheiden der Bf. aus der Gruppe zu erfolgen.
Im Hinblick auf die dadurch bewirkte Nichteinhaltung der Mindestdauer der Zugehörigkeit
zur Gruppe gemäß § 9 Abs. 10 TS 3 KStG 1988, die dem Finanzamt durch die Anzeige
der Umwandlung der Bf. bekannt wurde, war in dem in diesem Zusammenhang zu
erlassene geänderte Gruppenfeststellungsbescheid im Hinblick auf § 295a BAO auch das
rückwirkende Ausscheiden der Bf. aus der Gruppe bezüglich des Veranlagungsjahres
2005 auszusprechen.
Soweit die Bf. vermeint, die errichtende Umwandlung stelle eine Vermögensübertragung
innerhalb der Gruppe im Sinne des § 9 Abs. 5 KStG 1988 dar, so ist dem
entgegenzuhalten, dass dies nicht zutrifft. So erfolgte im Zuge der errichtenden
Umwandlung eine Vermögensübertragung auf eine Kommanditgesellschaft, die
Seite 5 von 7
außerhalb der Gruppe steht und nicht Gruppenmitglied ist bzw. aufgrund der gesetzlichen
Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 KStG 1988 auch nie sein kann.
§ 9 Abs. 5 KStG 1988 spricht von der finanziellen Verbindung von Gruppenmitgliedern,
die durch Vermögensübertragungen innerhalb der Gruppe dann unberührt bleibt, wenn
durch die Übertragungsvorgänge die finanzielle Verbundenheit innerhalb der Gruppe
bestehen bleibt.
Unter finanzieller Verbundenheit ist die finanzielle Verbindung im Sinne des § 9 Abs.
4 KStG 1988 zu verstehen, die auf ein Beteiligung von mehr als 50% am Stamm oder
Genossenschaftskapital abstellt.
Zu einer Mitunternehmerschaft kann es aber keine finanzielle Verbindung im Sinne des § 9
Abs. 4 KStG 1988 geben.
Insofern unterscheidet sich der Fall einer errichtenden Umwandlung von der
verschmelzenden Umwandlung auf den Hauptgesellschafter, da in diesem Fall, wenn
der Hauptgesellschafter eine Körperschaft ist, eine finanzielle Verbundenheit über die
Gesellschaftsanteile weiterhin gegeben ist.
Der Umstand, dass die GT AG als 100%ige Kommanditistin der Bf. das gesamte das
gesamte Ergebnis der Bf. aufgrund einkommensteuerlicher Vorschriften zuzurechnen
ist (der von der Bf. ansgesprochende Artikel von Beiser (SWK 2008, S 594) spricht davon,
das die Effekte einer Unternehmensgruppe noch "verstärkt" bzw. "vollendet" würden),
vermag aber eine Gleichbehandlung mit einer verschmelzenden Umwandung auf den
Hauptgesellschafter nicht zu rechtfertigen.
Das Rechtsinstitut der Unternehmensgruppe soll nach den Ausführungen des VwGH im
Erkenntnis vom 18. Oktober 2012, 2009/15/0214, der in diesem Zusammenhang auf die
oben zitierten Erläuterungen zu § 9 Abs. 1 KStG 1988 verweist, das Zusammenfassen
der steuerlichen Ergebnisse finanziell verbundener Körperschaften bei einem
Gruppenträger ohne Verschmelzungen und ohne die Hemmnisse des Erfordernisses
einer wirtschaftlichen und organisatorischen Unter-/Überordnung dieser Körperschaften
ermöglich(en). Im Gegensatz zur Verschmelzung ist die gemeinsame steuerliche
Erfassung dabei jedoch nicht von der Aufgabe der eigenen Rechtssubjektivität der
beteiligten Körperschaften abhängig. Vielmehr bilden alle Gruppenmitglieder mit dem
Gruppenträger lediglich einen einheitlichen Zurechnungskreis beim Gruppenträger.
Die Vorteile der Unternehmensgruppe werden jedoch an verschiedene
Voraussetzungen gebunden. Eine Voraussetzung ist dabei das dreijährige Bestehen
der Unternehmensgruppe gemäß § 9 Abs. 10 KStG 1988. Scheidet eine Körperschaft
innerhalb von drei Jahren nach dem Eintritt aus der Unternehmensgruppe aus, sind
insoweit jene steuerlich maßgebenden Verhältnisse herzustellen, die sich ohne
Gruppenzugehörigkeit ergeben hätten.
Die Mindestbestandsdauer von drei Jahren gemäß § 9 Abs. 10 KStG 1988 soll eine
Schranke gegen die Nutzung der Gruppenbesteuerung für kurzfristige Steuergestaltungen
Seite 6 von 7
bilden, nachdem mit einer Gruppenbildung steuerliche Zurechnungsverschiebungen
zwischen eigenständigen Steuersubjekten und damit beispielsweise kurzfristige
Verlustverlagerungen möglich sind. Ausnahmen von der Mindestbestandsdauer kennt das
Gesetz nicht.
Wenn es aber nach den Erläuterungen zu § 9 Abs. 10 KStG 1988 gerade das erklärte Ziel
des Gesetzgeber war, durch formale Regelungen die Nutzung der Gruppenbesteuerung
für kurzfristige Steuergestaltungen zu verhindern, erscheint es teleologisch nicht
gerechtfertigt im interpretativen Weg von der von ihm normierten Mindestdauer der
Gruppenzugehörigkeit von drei Jahren abzuweichen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4
B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche
Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende
Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht
einheitlich beantwortet wird.
Der Lösung der Rechtsfrage, ob bei einer errichtenden Umwandlung, bei der zum
Umwandlungsstichtag die dreijährige Mindestbestandsdauer noch nicht gegeben ist, das
umgewandelte Gruppenmitglied rückwirkend von Anfang an aus der Unternehmensgruppe
ausscheidet kommt eine grundsätzliche Bedeutung zu. Da eine Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes dazu fehlt, ist die Revision zulässig.
Wien, am 14. Oktober 2015
Seite 7 von 7
GZ. RV/7101944/2011
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden R1 und die weiteren
Senatsmitglieder R2-4 im Beisein der Schriftführerin S in der Beschwerdesache GM1,
Adresse, vertreten durch V, gegen den Bescheid des FA Wien 1/23 vom 12. Mai 2011,
betreffend Körperschaftsteuer 2008 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu
Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Die GM1 (im folgenden Bf.) war gemäß Gruppenfeststellungsbescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom 18. Jänner 2006 ab der Veranlagung
2005 Gruppenmitglied einer Unternehmensgruppe gemäß § 9 KStG 1988 mit der
Gruppenträgerin GT-alt und den weiteren Gruppenmitgliedern GM2 , GM3 , GM4 ,
GM5 , GM6 , GM7 und GM8 .
Die Gruppenträgerin und alle Gruppenmitglieder hatten einen einheitlichen Bilanzstichtag
zum 31.Dezember.
Mit Bescheid vom 27. März 2008 wurde das rückwirkende Ausscheiden der
Gruppenmitglieder GM4 und GM7 ab der Veranlagung 2005 festgestellt.
Am 16. Oktober 2008 stellte die Gruppenträgerin einen Antrag auf Zustimmung zur
Umstellung des Wirtschaftsjahres und Wechsel des Bilanzstichtages auf den 31. Oktober.
Die Änderung sollte erstmals mit 31. Oktober 2008 wirksam werden und somit ein
Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Jänner 2008 bis 31. Oktober 2008 entstehen. Als Grund für
die angestrebte Änderung wurde die Möglichkeit einer zeitnäheren Ausschüttung an die
Muttergesellschaft angeführt.
Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 stattgegeben.
Der Gruppenfeststellungsbescheid wurde mit Bescheid vom 14. Juli 2010
dementsprechend geändert.
Am 29. Oktober 2009 erstattet die Bf. beim Finanzamt Wien 1/23 eine Anzeige gemäß
§ 9 Abs. 9 KStG 1988 und teilte mit, dass sie mit Schreiben vom 23. Oktober 2009
einen Antrag auf Einbeziehung in eine Unternehmensgruppe mit der. GT-neu ab dem
Veranlagungsjahr 2009 gestellt habe.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2011 stellte das Finanzamt fest, dass die Unternehmensgruppe
mit der Veranlagung 2007 beendet sei.
Zur Begründung wurde sinngemäß ausgeführt, dass das steuerlich maßgebende Ergebnis
der Bf. betreffend das Wirtschaftsjahr 1. November 2008 bis 31. Oktober 2009 gemäß § 9
Abs. 1 KStG 1988 bereits der GT-neu (Gruppenträgerin neue Gruppe) zuzurechnen sein
werde. Dieser Umstand habe aber zwingend zur Folge, dass die steuerlich maßgebenden
Ergebnisse der alten Gruppenmitglieder für das Jahr 2008 (Bilanzstichtage jeweils 31.
Dezember 2008) für das Veranlagungsjahr 2008 der Bf. als Gruppenträgerin der alten
Gruppe nicht mehr zugerechnet werden könnten.
Am 12. Mai 2011 erließ das Finanzamt einen Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr
2008, mit dem der Bf. Körperschaftsteuer in Höhe von 1.750 Euro vorgeschrieben wurde.
Gegen diesen Bescheide erhob die Bf. Berufung, die nunmehr als Beschwerde gilt, und
beantragte die ersatzlose Aufhebung des bekämpften Bescheides.
Zur Begründung wurde zusammengefasst folgendes vorgebracht:
Die Bf. sei bis zum 31. Dezember 2008 als Gruppenmitglied finanziell mit dem
Gruppenträger GT-alt verbunden gewesen. Die finanzielle Verbindung und somit die
materiellen Voraussetzungen für das Bestehen einer Gruppe waren während des
gesamten Wirtschaftsjahres 2008 der Bf. gegeben. Die Gruppe der GT-alt sei mit der
Veranlagung 2008 zu beenden. Dies gelte für sämtliche Gruppenmitglieder. Da das
Veranlagungsjahr dem Kalenderjahr entspreche, sei das steuerliche Ergebnis der Bf.
im Veranlagungsjahr 2008 noch von den Wirkungen der Gruppenbesteuerung umfasst
und daher an den Gruppenträger GT-alt weiterzuleiten. Aufgrund der unterschiedlichen
Bilanzstichtage ergebe sich der Sonderfall, dass das steuerlich maßgebende Ergebnis
der Bf. für die Veranlagung 2008 daher dem Gruppenträger erst in dem Wirtschaftsjahr
zuzurechnensei, in das der Bilanzstichtag des Gruppenmitgliedes falle (siehe die in der
Bescheidbegründung angeführte Bestimmung des 9 Abs 1 KStG 1988). Im Falle der GTalt sei das das Wirtschaftsjahr 2008/2009. Konkret bedeute dies, dass das Ergebnis der
Bf. im Veranlagungsjahr 2009 des Gruppenträgers zu berücksichtigen und somit dem
steuerlich maßgebenden Ergebnis der GT-alt im Veranlagungsjahr 2009 zuzurechnen sei.
In der mündlichen Verhandlung verwies die Bf. und das Finanzamt auf ihr bisheriges
Vorbringen.
Das Bundesfinanzgericht legt seiner Entscheidung den am Beginn des Erkenntnisses
angeführten Sachverhalt als erwiesen zu Grunde. Dieser ergibt sich aus den in den
vorgelegten Finanzamtsakten enthaltenen Unterlagen und ist zwischen den Parteien nicht
strittig.
Seite 2 von 6
Mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2015, RV/7101945/2011 gab das Bundesfinazgericht
der Beschwerde gegen den Feststellungsescheid vom 11. Mai 2011 über die
Beendigung der Unternehmensgruppe mit der Veranlagung 2007 insofern statt als
der Spruch dahingehend geändert wurde, dass d ie steuerlichen Wirkungen der mit
Bescheid vom 18. Jänner 2006 festgestellten Unternehmensgruppe mit der GT-alt als
Gruppenträgerin mit der Veranlagung der Gruppenträgerin GT-alt (Bilanzstichtag 31.
Oktober 2008) für das Jahr 2008 enden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 KStG 1988 ist der Körperschaftsteuer ist das Einkommen zugrunde zu
legen, das der unbeschränkt Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.
Bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr ist gemäß § 7 Abs. 5 KStG 1988 der Gewinn
bei Ermittlung des Einkommens für jenes Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem das
Wirtschaftsjahr endet.
Nach § 9 Abs. 1 KStG 1988 idF BGBl. I Nr. 161/2005, können finanziell verbundene
Körperschaften abweichend von § 7 nach Maßgabe des Abs. 8 eine Unternehmensgruppe
bilden. Dabei wird das steuerlich maßgebende Ergebnis des jeweiligen Gruppenmitglieds
dem steuerlich maßgebenden Ergebnis des beteiligten Gruppenmitglieds bzw.
Gruppenträgers jenes Wirtschaftsjahres zugerechnet, in das der Bilanzstichtag des
Wirtschaftsjahres des Gruppenmitgliedes fällt.
Gemäß § 9 Abs. 8 KStG erstreckt sich die Gruppenbesteuerung auf den Gruppenträger
und die Gruppenmitglieder, die in einem schriftlichen Gruppenantrag genannt sind. Dabei
gilt folgendes:
TS 1 Der Gruppenantrag ist von den gesetzlichen Vertretern des Gruppenträgers und aller
einzubeziehenden inländischen Körperschaften zu unterfertigen.
TS 2 Der Gruppenantrag muss nachweislich vor dem Ablauf jenes Wirtschaftsjahres jeder
einzubeziehenden inländischen Körperschaft unterfertigt werden, für das die Zurechnung
des steuerlich maßgebenden Ergebnisses erstmalig wirksam sein soll.
TS 5 Der Gruppenantrag ist vom Gruppenträger, bei Vorliegen einer
Beteiligungsgemeinschaft vom Hauptbeteiligten oder im Zweifel von einem von der
Beteiligungsgemeinschaft bestimmten Mitbeteiligten bei dem für den Antragsteller für
die Erhebung der Körperschaftsteuer zuständigen Finanzamt, unter Verwendung des
amtlichen Vordruckes, innerhalb eines Kalendermonats nach der Unterfertigung des
letzten gesetzlichen Vertreters zu stellen. Alle übrigen einzubeziehenden inländischen
Körperschaften haben dem jeweils für jede Körperschaft zuständigen Finanzamt die
Tatsache einer Antragstellung anzuzeigen.
TS 6 Das für die Erhebung der Körperschaftsteuer des Antragstellers zuständige
Finanzamt hat das Vorliegen der Voraussetzungen für das Bestehen der
Unternehmensgruppe gegenüber allen den Antrag unterfertigten Körperschaften
bescheidmäßig festzustellen.
Seite 3 von 6
Gemäß § 9 Abs. 9 KStG 1988 gilt für Änderungen einer bestehenden
Unternehmensgruppe u.a. folgendes:
TS 2 Jedes Gruppenmitglied kann dem für den Antragsteller zuständigen Finanzamt
(Abs. 8) gegenüber sein Ausscheiden aus der Unternehmensgruppe erklären.
Erklärt der Gruppenträger sein Ausscheiden aus der Unternehmensgruppe, ist die
Unternehmensgruppe beendet.
TS 4 Der Feststellungsbescheid (Abs. 8) ist in allen Fällen der Änderung gegenüber dem
Gruppenträger und dem betroffenen Gruppenmitglied abzuändern.
Gemäß § 24a Abs. 1 KStG 1988 ist das Ergebnis jedes unbeschränkt
steuerpflichtigen Gruppenmitgliedes (§ 9 Abs. 2) mit Bescheid (§ 92 Abs. 1 lit. b der
Bundesabgabenordnung) festzustellen. Nach Abs. 3 leg.cit wird die Körperschaftsteuer
nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Gruppeneinkommen
veranlagt, das dem Gruppenträger zuzurechnen ist (§ 9 Abs. 6 Z 2).
Ansonsten wird bei unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften gemäß § 24 KStG 1988
die Körperschaftsteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem
Einkommen oder dem Gesamtbetrag der Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger im Sinne
des § 21 Abs. 1 und 3 veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum
bezogen hat.
Strittig ist, ob das steuerlich maßgebende Ergebnis der Bf. für das Jahr 2008
(Bilanzstichtag 31.12.2008), das aufgrund des abweichenden Bilanzstichtages
der Gruppenträgerin GT-alt (Bilanzstichtag 31. Oktober 2008) erst zu einem
Zeitpunkt (30. September 2009) erreicht, in dem dieser bereits aus der Gruppe
ausgeschieden war (Aufnahme in eine neue Gruppe ab der Veranlagung 2009), zu einer
Individualbesteuerung gemäß § 7 Abs. 1 KStG 1988 bei der Bf. führt, oder nach Ansicht
der Bf. an die GT-neu als Gruppenträgerin der neuen Gruppe weiterzuleiten ist.
Unbestritten ist, dass die Bf. im Veranlagungszeitraum 2008 die Voraussetzungen
für die finanzielle Eingliederung in die alte Gruppe erfüllt hat. Dessen ungeachtet
kann das Ausscheiden des Gruppenträgers oder eines Gruppenmitglieds zu
einem danach liegenden Zeitpunkt dazu führen, dass die abgabenrechtliche
"Hauptwirkung" der Unternehmensgruppenbesteuerung, nämlich die Zurechnung
des steuerlich maßgebenden Ergebnisses beim Gruppenträger nicht erfolgt, obwohl
die Voraussetzungen für die finanzielle Eingliederung während des gesamten
Veranlagungszeitraumes des Gruppenmitglieds vorlagen (vgl. etwa das Ausscheiden einer
Körperschaft innerhalb von drei Jahren nach Eintritt in die Unternehmensgruppe gemäß §
9 Abs. 10 TS 3 KStG 1988).
Bei der Ergebniszurechnung innerhalb der Unternehmensgruppe wird das Ergebnis
der Gruppenmitglieder nicht automatisch dem Gruppenträger, sondern dem unmittelbar
übergeordneten Gruppenmitglied zugerechnet (stufenweise oder ebenenweise
Zurechnung). § 9 Abs. 1 KStG 1988 konkretisiert den Zeitpunkt der Zurechnung. Danach
wird das steuerlich maßgebende Ergebnis des jeweiligen Gruppenmitglieds dem steuerlich
Seite 4 von 6
maßgebenden Ergebnis des unmittelbar übergeordneten, beteiligten Gruppenmitgliedes
bzw. des Gruppenträgers in jenem Wirtschaftsjahr zugerechnet, in das der Bilanzstichtag
des Wirtschaftsjahres des Gruppenmitgliedes fällt (vgl. Wiesner/Kirchmayr/Mayr,
Praxiskommentar Gruppenbesteuerung K44).
Die Ergebniszurechnung gilt gleichermaßen auch für Rumpfwirtschaftsjahre und kann
dazu führen, dass im Falle eines Rumpfwirtschaftsjahres eines Gruppenmitglieds dem
übergeordneten Gruppenmitglied bzw. dem Gruppenträger in einem Wirtschaftsjahr
die Ergebnisse des Gruppenmitglieds von zwei Wirtschaftsjahren zugerechnet werden
(vgl. Wiesner/Kirchmayr/Mayr, Praxiskommentar Gruppenbesteuerung K45) aber auch
dazu, dass bei einem Rumpfwirtschaftsjahr beim übergeordneten Gruppenmitglied oder
des Gruppenträgers in einem Wirtschaftsjahr kein Ergebnis eines Gruppenmitglieds
zuzurechnen ist.
Die Zurechnungsregelung in der Unternehmensgruppe kann bei zeitlich
„verschobenen Bilanzstichtagen“ zu einer späteren Besteuerung von Ergebnissen
von Gruppenmitgliedern führen (vgl. Wiesner/Kirchmayr/Mayr, Praxiskommentar
Gruppenbesteuerung K48).
In der Literatur wurde zu den verschobenen Bilanzstichtagen aber auch darauf
hingewiesen, dass sich diese Verschiebung durchaus auch als nachteilig erweisen kann
(vgl. Wiesner/Kirchmayr/Mayr, Praxiskommentar Gruppenbesteuerung K48). Die in
diesem Zusammenhang im Ministerialentwurf zum BBG 2009 vorgesehene zwingende
Vereinheitlichung der Bilanzstichtage wurde in weiterer Folge nicht beschlossen (vgl.
Achatz/Kirchmayer Körperschaftsteuer Kommentar, Wien 2011, Tz 22 zu § 9)
Der von der Bf. vertretenen Rechtsansicht, dass bei Ausscheiden des bisherigen
Gruppenträgers und Beitritt zu einer neuen Gruppe, die aufgrund abweichender
Bilanzstichtage noch nicht zugerechneten Ergebnisse seiner Gruppenmitglieder gleichsam
an den neuen Gruppenträger weiterzuleiten wären, steht die grundsätzlichen Konzeption
der Gruppenbesteuerung entgegen.
Gemäß § 9 TS 2 KStG 1998 ist die Unternehmensgruppe beendet, wenn der
Gruppenträger ausscheidet. Da es nach der grundsätzlichen Konzeption der
Gruppenbesteuerung ausgeschlossen ist, dass ein Gruppenträger gleichzeitig
Gruppenmitglied einer anderen Gruppe sein kann (vgl. Grünberger SWK11/2005, S 383)
ist der Beitritt des bisherigen Gruppenträgers zu einer anderen Gruppe jedenfalls als
Beendigungsgrund für die bisherige Gruppe anzusehen.
Durch den am 16. Oktober 2008 gestellten Gruppenantrag ist die bisherige
Gruppenträgerin GT-alt aus der mit Bescheid vom 18. Jänner 2006 festgestellten
Unternehmensgruppe ausgeschieden und die Unternehmensgruppe dadurch beendet
worden. Dies hat abgabenrechtlich zur Folge, dass letztmals für das Veranlagungsjahr
2008 der GT-alt (alter Gruppenträger) eine Besteuerung nach dem Regime des § 24a
KStG 1988 für die alte Gruppe vorzunehmen war. Das steuerlich maßgebende Ergebnis
der GT-alt des Jahres 2009 (Wirtschaftsjahr 1. November 2008 bis 31. Oktober 2009)
Seite 5 von 6
ist infolge der Unterzeichnung des Gruppenantrages vor dem 31. Oktober 2008 bereits
der GT-neu (neuer Gruppenträger) zuzurechnen. Eine Zurechnung der steuerlich
maßgebenden Ergebnisse der bisherigen Mitglieder der Gruppe (Bilanzstichtag 31.
Dezember 2008) an die GT-neu (neuer Gruppenträger) hätte gemäß § 9 TS 2 KStG
1988 nur dann erfolgen können, wenn die Vertreter der Bf. den Gruppenantrag betreffend
Bildung der Gruppe mit der GT-neu. (neuer Gruppenträger) vor dem 31. Dezember 2008
unterschrieben hätten. Der Antrag wurde aber erst 2009 unterschrieben.
Daraus ergibt sich die rechtliche Folge, dass bei den bisherigen Gruppenmitgliedern
eine Individualbesteuerung gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 24 KStG 1988 für den
Veranlagunszeitraum 2008 vorzunehmen ist, weil die steuerlich maßgebenden Ergebnisse
zum 31. Dezember 2008 den bisherigen Gruppenträger nicht mehr erreichen und dem
neuen Gruppenträger noch nicht zugerechnet werden können (siehe dazu auch W/K/M
K411, Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, Die Körperschaftsteuer KStG 1988,
Tz 973 zu § 9).
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird.
Im gegenständlichen Beschwerdefall ist strittig, ob der Umstand, dass das steuerlich
maßgebende Ergebnis eines Gruppenmitgliedes, das aufgrund abweichender
Bilanzstichtage den Gruppenträger erst zu einem Zeitpunkt erreicht, in dem dieser
bereits aus der Unternehmensgruppe ausgeschieden ist, zu einer Individualbesteuerung
gemäß § 7 Abs. 1 KStG 1988 beim Gruppenmitglied führt. Da eine Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes dazu fehlt, war die Revision zuzulassen.
Wien, am 16. Dezember 2015
Seite 6 von 6
https://www.lexisnexis.com/at/recht/delivery/PrintDoc.do?fromCartFu...
Dokument 1 von 38
ZFS 2015, 198
Heft 3 v. 01.09.2015
Steuerrecht/Nationales Steuerrecht
Ist die Sachzuwendung einer Privatstiftung aus ertragsteuerlicher Sicht unentgeltlich
oder doch entgeltlich?
Ernst Marschner
Die Zuwendung einer Privatstiftung an Begünstige stellt nach bisher herrschender Ansicht steuerlich einen
unentgeltlichen Vorgang dar. Dennoch normiert das Ertragsteuerrecht beim Begünstigten eine fiktive Anschaffung,
die letztendlich auch beim Begünstigten zur Aufdeckung stiller Reserven und Besteuerung der Substanz mit KESt
führt. Insbesondere bei Sachzuwendungen ergeben sich weiterführende Fragen, wobei das BMF tendenziell
durchblicken ließ, dass eine Sachzuwendung steuerlich auch als entgeltlich angesehen werden könnte. Dieser
Frage wird im folgenden Beitrag nachgegangen.
Deskriptoren: Privatstiftung; Zuwendung; Entgeltlichkeit; unentgeltlich; Sachzuwendung; Anschaffungsfiktion;
fiktive Anschaffungskosten; Wegzug.
Normen: EStG § 15 Abs 3 Z 2, EStG § 27 Abs 5 Z 7, EStG § 27 Abs 6 Z 1 lit a, OECD-Musterabkommen Art 10,
OECD-Musterabkommen Art 21
1. Zuwendung der Privatstiftung grundsätzlich unentgeltlich
Ausgangspunkt dieses Beitrags sind die Bestimmungen im Einkommensteuergesetz. Gemäß § 27 Abs 5 Z 7 S 1
EStG gehören "Zuwendungen jeder Art von nicht [gemeinnützigen] Privatstiftungen" zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen (genauer: Einkünfte aus der Überlassung von Kapital iSd § 27 Abs 2 EStG). Das Abgabenrecht
setzt den Begriff der Zuwendung voraus. Eine Legaldefinition des Zuwendungsbegriffs existiert weder im EStG
noch im KStG.1 Begleitend enthält § 15 Abs 3 Z 2 EStG die Normierung einer Anschaffungsfiktion sowie eine
Bewertungsregel für Sach- und Nutzungszuwendungen, auf die unter Punkt 3 Bezug genommen wird.
Aus zivilrechtlicher Sicht können Zuwendungen in jeder geldwerten Leistung bestehen (Geld- bzw Sach- und
Nutzungszuwendungen2).3 Bei der Zuwendung an Begünstigte handelt es sich um eine unentgeltliche Leistung der
Privatstiftung. Eine Schenkung im Rechtssinn liegt jedoch nicht vor, da der Grund einer Zuwendung im
Stiftungszweck liegt.4 Das AFRAC definiert die Zuwendung an Begünstigte folgendermaßen:5 "Eine Legaldefinition
des Zuwendungsbegriffs gibt es nicht. Unter Zuwendungen von Privatstiftungen sind im Wesentlichen
unentgeltliche Vermögensübertragungen von Privatstiftungen an Begünstigte oder Letztbegünstigte zu verstehen.
Zuwendungen von Privatstiftungen können sowohl in Geldwerten als auch in Sachwerten oder in der
unentgeltlichen Überlassung von Nutzungsmöglichkeiten erfolgen."
Die Finanzverwaltung vertritt in Rz 213 StiftR eine sehr weitgehende Definition des Begriffs der Zuwendung
und tritt somit auch für einen breiten Tatbestand des § 27 Abs 5 Z 7 EStG ein: "Eine Legaldefinition des
Zuwendungsbegriffes existiert nicht. Zuwendungen von Privatstiftungen ... sind unentgeltliche
Vermögensübertragungen an einen Empfänger. Zuwendungen sind unabhängig davon gegeben, aus welchen
Gründen sie erfolgen, ob sie in offener oder verdeckter Form vorliegen, oder in der jeweiligen Satzung oder
Stiftungserklärung Deckung finden oder nicht. Eine Zuwendung liegt daher auch dann vor, wenn von einer
Privatstiftung ... außerhalb des in ihrer jeweiligen Satzung bzw. in der Stiftungserklärung vorgegebenen Rahmens
Vermögen (offen oder verdeckt) unentgeltlich auf einen nicht (letzt)begünstigten Dritten übertragen wird."6 Im
Ergebnis
1 von 7
20.02.2016 10:11
https://www.lexisnexis.com/at/recht/delivery/PrintDoc.do?fromCartFu...
Marschner, Ist die Sachzuwendung einer Privatstiftung aus ertragsteuerlicher Sicht unentgeltlich oder doch
entgeltlich?, ZFS 2015, Seite 198
vertritt das BMF an dieser Stelle der StiftR, dass die Zuwendung der Privatstiftung ertragsteuerlich als
unentgeltlich einzustufen ist.
Wendet die Privatstiftung dem Begünstigten ein Grundstück zu, unterliegt dieser Vorgang der
Grunderwerbsteuer. Dieser Vorgang ist unstrittig als unentgeltlich im Sinne des GrEStG zu verstehen.7 Bei
Zuwendungen bis zum 31.5.2014 bildete daher der dreifache Einheitswert sowie zwischen 1.6.2014 und
31.12.2015 der gemeine Wert des Grundstückes gemäß § 4 Abs 2 GrEStG die Bemessungsgrundlage der
3,5%igen Grunderwerbsteuer. Ab 2016 stellt gemäß § 4 Abs 1 GrEStG idF StRefG 2015/16 der Grundstückswert
die Bemessungsgrundlage dar, welcher - näheres wird noch durch VO des BMF bestimmt - etwa 70% bis 80% des
gemeinen Wertes betragen soll. Ab 2016 gilt für Grundstückszuwendungen der Privatstiftung auch der Stufentarif
gemäß § 7 Abs 1 Z 2 lit a GrEStG idF StRefG 2015/16, wonach für die ersten 250.000 0,5%, für die nächsten
150.000 2% sowie erst für Wertteile über 400.000 3,5% Grunderwerbsteuer anfallen. Bei Zuwendungen an
denselben Begünstigten innerhalb von fünf Jahren sowie bei unentgeltlichem Erwerb einer wirtschaftlichen Einheit
durch eine Person innerhalb von fünf Jahren erfolgt eine Zusammenrechnung.8
Zuwendungen aus Stiftungen können - als unentgeltlicher Rechtsakt - der Meldepflicht gemäß § 121a BAO für
Schenkungen unterliegen.9 Nach dem BMF stellt die Zuwendung an Begünstigte grundsätzlich weder eine
Schenkung noch eine freigebige Zuwendung dar, da diese aufgrund der Satzung der Stiftung erfolgt.10 Das BMF
erkennt in Rz 336 StiftR auch an, dass die Zuwendung ohnehin zur Kapitalertragsteuer zu erklären ist.11 Dies
bedeutet im Ergebnis, dass die Zuwendung der Privatstiftung zwar grundsätzlich unter die Meldepflicht gemäß §
121a BAO fällt; nach der Verwaltungspraxis jedoch von einer Meldung abgesehen werden darf.
2. Unentgeltliche Zuwendung der Privatstiftung
Aus ertragsteuerlicher Sicht der Privatstiftung stellt die Zuwendung einen unentgeltlichen Vorgang dar. Die
Privatstiftung tätigt zwar keine Schenkung, da sie satzungsgemäß handelt; sie erhält aber auch keine
Gegenleistung für die Zuwendung. Aus Sicht der Privatstiftung liegt eine steuerneutrale Einkommensverwendung
vor, was auch das BMF in dieser Form so sieht.12 § 8 Abs 2 KStG normiert die Zuwendung (an Begünstigte) als
Einkommensverwendung der Privatstiftung sowie ist in § 12 Abs 1 Z 1 KStG ein Abzugsverbot für Aufwendungen
vorgesehen.13
Die Privatstiftung kann Wirtschaftsgüter an Begünstigte vollkommen ohne Gegenleistung übertragen; in diesen
Fällen liegt ein voll unentgeltlicher Vorgang vor. Ist der Kaufpreis, den die Privatstiftung für ein Wirtschaftsgut
erhält, im Fremdvergleich herabgesetzt, liegt steuerlich in Höhe der Preisreduktion eine unentgeltliche Zuwendung
vor. Dies gilt - nach den Beispielen des BMF - auch dann, wenn der Vorgang insgesamt als entgeltlich angesehen
wird, da eine Gegenleistung zumindest 50% des Wertes der Leistung erreicht.14
Die Finanzverwaltung führt in Beispiel 1 in Rz 85 StiftR folgendes aus: "Die Privatstiftung erwirbt im Jahr 0 eine
Liegenschaft in ihr Privatvermögen zum Preis von 1.000. Im Jahr 5 hat diese Liegenschaft einen Verkehrswert von
4.000. Sie veräußert im Jahr 5 diese Liegenschaft um 3.000 an einen Begünstigten. Sie hat einen
Spekulationsüberschuss von 2.000 zu versteuern (25 Prozent). In Höhe der restlichen 1.000 liegt eine Zuwendung
an den Begünstigten vor." In diesem Beispiel liegt insgesamt ein entgeltlicher Vorgang vor (ansonsten hätte die
Privatstiftung nicht einen Spekulationsgewinn im Sinne des § 30 EStG aF zu besteuern). Im Beispiel 1 aus Rz 85
StiftR ist der Kaufpreis aufgrund des Naheverhältnisses von Privatstiftung und Begünstigten "herabgesetzt",
sodass der Begünstigte eine Zuwendung von 1.000 zu besteuern hat. Die Bewertung der Sachzuwendung erfolgt
stets zu den fiktiven Anschaffungskosten
Marschner, Ist die Sachzuwendung einer Privatstiftung aus ertragsteuerlicher Sicht unentgeltlich oder doch
entgeltlich?, ZFS 2015, Seite 199
(dazu unter 3.). Für die Zuwendungsbesteuerung (im vorliegenden Fall den Betrag, um den der Kaufpreis unter
dem Verkehrswert der Liegenschaft liegt) kann es daher keinen Unterschied machen, ob insgesamt ein
entgeltlicher oder unentgeltlicher Vorgang vorliegt. Die Anschaffungskosten des Begünstigten betragen im Beispiel
1 aus Rz 85 StiftR 4.000.15 Die Grundstücksveräußerung unterliegt seit 1.4.2012 der Zwischenkörperschaftsteuer;
für die Zuwendungsbesteuerung ergibt sich mE keine Änderung durch 1. StabG 2012.16
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Aus ertragsteuerlicher Sicht des Begünstigten ist festzuhalten, dass der Begünstigte keine Gegenleistung für den
Erhalt der Zuwendung erbringt.17 Im Unterschied zur Kapitalgesellschaft kann eine Zuwendung der Privatstiftung
auch deswegen nicht als entgeltlich qualifiziert werden, da bei einer Dividende eine Gegenleistung für die
hingegebene Einlage als Anteilsinhaber vorliegt; ein Gesellschaftsverhältnis besteht zwischen der Privatstiftung
und ihren Begünstigten nicht. Im Ergebnis ist daher die Zuwendung der Privatstiftung auch aus Sicht des
Begünstigten ertragsteuerlich als unentgeltlich anzusehen.18
Nur zur Klarstellung, aber nicht zur weiteren Vertiefung sei darauf hingewiesen, dass die Zuwendung des Stifters
an die Privatstiftung (ebenfalls) als steuerlich unentgeltlich einzustufen ist. Eine etwaige Gegenleistung der
Privatstiftung ist nach der - im Zusammenhang dieses Beitrags - nicht interessierenden Sonderbestimmung des §
27 Abs 5 Z 7 Satz 2 EStG zu beurteilen.
3. Änderung der Sichtweise durch Anschaffungsfiktion beim Begünstigten?
3.1. Grundsätzliches zur Anschaffungsfiktion
Ergänzend zur unter 2. dargestellten Regelung über die Besteuerung von Zuwendungen normiert § 15 Abs 3 Z 2 lit
a EStG im außerbetrieblichen Bereich zur Bewertung von Sach- und Nutzungszuwendungen folgendes: "Die
zugewendeten Wirtschaftsgüter und zugewendetes sonstiges Vermögen gelten bei Ermittlung der Einkünfte als
angeschafft; zugewendete sonstige geltwerte Vorteile gelten als zugeflossen." Weiters normiert Satz 1 der lit b
dieser Bestimmung folgendes: "Die Zuwendungen sind mit dem Betrag anzusetzen, der für das einzelne
Wirtschaftsgut, für sonstiges Vermögen oder sonstige geldwerte Vorteile im Zeitpunkt der Zuwendung hätte
aufgewendet werden müssen (insbesondere fiktive Anschaffungskosten)."19 Diese Bestimmung normiert daher
für Zuwendungen in das Privatvermögen des Begünstigten einerseits eine fingierte Anschaffung20 sowie die
Bewertung mit den fiktiven Anschaffungskosten.
Erfolgt die Zuwendung der Privatstiftung in das Betriebsvermögen des Begünstigten, bestimmt § 4 Abs 11 Z 2
lit a EStG, dass Zuwendungen "mit dem Betrag anzusetzen [sind], der für das einzelne Wirtschaftsgut, für
sonstiges Vermögen oder sonstige geldwerte Vorteile im Zeitpunkt der Zuwendung hätte aufgewendet werden
müssen (insbesondere fiktive Anschaffungskosten). ... Die sich ergebenden Anschaffungskosten sind evident zu
halten." Die Bewertung mit den fiktiven Anschaffungskosten gilt daher auch im Betriebsvermögen. Eine
Anschaffungsfiktion - wie sie § 15 Abs 3 Z 2 lit a EStG für die Zuwendung in das Privatvermögen des Begünstigten
normiert - gilt im Betriebsvermögen jedoch ausdrücklich nicht. Hintergrund dieser unterschiedlichen Regelung
dürfte der Umstand gewesen sein, dass für von der Privatstiftung zugewendete (und gegebenenfalls fiktiv
angeschaffte) Wirtschaftsgüter keine - mit einer Anschaffung in Zusammenhang stehende - Investitionsbegünstigen
geltend gemacht werden dürfen.21
Die Bewertung der Zuwendung zur Bemessung der Kapitaleinkünfte mit den fiktiven Anschaffungskosten alleine
kann auf den ersten Blick die unentgeltliche Zuwendung steuerlich beim Begünstigten nicht in einen entgeltlichen
Vorgang umqualifizieren. Die Bewertung mit fiktiven Anschaffungskosten dient gerade dazu bei unentgeltlich
erworbenen Wirtschaftsgütern eine Bewertung - etwa für Zwecke der AfA - zu ermöglichen. So führt eine
Bewertung gemäß § 16 Abs 1 Z 8 lit c EStG eines unentgeltlich erworbenen Grundstückes, das erstmals für die
Erzielung von Einkünften verwendet wird, nicht dazu, dass das Wirtschaftsgut dadurch entgeltlich erworben worden
wäre.22 Quantschnigg/Schuch unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen fiktiven Anschaffungskosten, die
von tatsächlichen Anschaffungskosten (aus einem vorherigen entgeltlichen Erwerb) abgeleitet werden und fiktiven
Anschaffungskosten,
Marschner, Ist die Sachzuwendung einer Privatstiftung aus ertragsteuerlicher Sicht unentgeltlich oder doch
entgeltlich?, ZFS 2015, Seite 200
"die auf Grund der Fiktion einer Anschaffung insgesamt fiktiv ermittelt werden" (betrifft unentgeltliche Erwerbe).23
Bei der Zuwendung der Privatstiftung kommt die Besteuerung dieser Zuwendung und in diesem
Zusammenhang die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der KESt hinzu. Der gesamte Wert des von der
Privatstiftung zugewendeten Wirtschaftsgutes wird beim Begünstigten durch Abzug von KESt besteuert. Dazu
gehören unter anderem auch die bei der Privatstiftung aufgelaufenen stillen Reserven. Dazu kommen auch die
beim unentgeltlich zuwendenden Stifter noch nicht aufgedeckten stillen Reserven. Es findet eine Besteuerung der
Substanz statt; nur in bestimmten Fällen werden Stiftungseingangswerte angerechnet.24
Ertragsteuerlich fällt auf, dass - abweichend von den allgemeinen Regeln - der Begünstigte die bei den
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unentgeltlichen Rechtsvorgängen, also in der Privatstiftung sowie gegebenenfalls auch beim Stifter aufgelaufenen
stillen Reserven besteuert. Dies stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, wonach im Falle unentgeltlicher
Übertragungen der Geschenknehmer die Buchwerte bzw Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers fortführt. Die
Besteuerung von stillen Reserven bei einer Person (dem Begünstigten), die diese gar nicht erwirtschaftet hat, ist in
diesem Fall gesetzlich angeordnet und unterbricht die Buchwertfortführung trotz grundsätzlich unentgeltlicher
Zuwendung.25 Dieser Umstand kann für die Entgeltlichkeit der Zuwendung sprechen. Die besondere
Anschaffungsfiktion bei Zuwendung der Privatstiftung führt zu einer Besteuerung bisheriger stiller Reserven und
könnte daher auf Seiten des Begünstigten eine entgeltliche Anschaffung vorliegen. Dieser Umstand unterscheidet
die Anschaffungsfiktion in § 15 Abs 3 EStG von einer bloßen Bewertung mit den fiktiven Anschaffungskosten.
Damit spricht im Ergebnis die Besteuerung der Substanz (und nicht die Anschaffungsfiktion) für die
Entgeltlichkeit beim Begünstigten als Zuwendungsempfänger. Damit würden Zuwendungen sowohl in das
Privat- als auch in das Betriebsvermögen des Begünstigten gleich behandelt werden, da in beiden Fällen der
Substanzwert der Besteuerung unterliegt. Der Umstand, dass nur im Privat-, nicht aber im Betriebsvermögen eine
Anschaffungsfiktion vorgesehen ist, würde demnach keinen weiteren Unterschied machen.
Eine besondere Regelung besteht für den Fall, dass das zugewendete Wirtschaftsgut negative
Anschaffungskosten in der Privatstiftung aufweist (etwa bei Beteiligungen). In diesem Fall soll die KESt nach der
Verwaltungspraxis von den fiktiven Anschaffungskosten erhoben werden; für die weitere Bewertung beim
Begünstigten werden die negativen Anschaffungskosten der Privatstiftung jedoch von den fiktiven
Anschaffungskosten abgezogen.26 Schuchter folgert aus dieser Regelung, dass die Zuwendung aus Sicht der
Privatstiftung unentgeltlich erfolgt, jedoch auf Seiten des Begünstigten eine entgeltliche Anschaffung vorliegt.27
Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden, dass die Zuwendung seitens der Privatstiftung unentgeltlich
erfolgt. Entgeltlichkeit liegt jedenfalls vor, soweit der Begünstigte eine Gegenleistung erbringt. Allerdings bestehen
jedoch gute Gründe die Anschaffungsfiktion in § 15 Abs 3 EStG beim Begünstigten als entgeltliche Anschaffung
beim Begünstigten auch betreffend die Sachzuwendung ohne Gegenleistung des Begünstigten anzusehen. Diese
Problematik soll in der Folge an Einzelfällen näher betrachtet werden.
3.2. Konsequenzen für Einzelfälle
Die fiktive Anschaffung bewirkt gemäß Rz 251 StiftR 2009 unter anderem, dass Kapitalvermögen bzw Grundstücke
ertragsteuerlich als angeschafft gelten.28 Umgelegt auf heutiges Recht bedeutet dies, dass nach der
Verwaltungspraxis die jeweilige Altbestandsregelung sowohl für Kapitalanlagen als auch Grundstücke nicht zur
Anwendung kommen kann.29
Kapitalvermögen, das die Privatstiftung vor dem Wirksamwerden der durch das BudgBG 2011 eingeführten
Kursgewinnbesteuerung entgeltlich erworben hat ("Altbestand"),30 verliert nach Meinung des BMF durch eine
Sachzuwendung an Begünstigte diesen Status,31 da aufgrund
Marschner, Ist die Sachzuwendung einer Privatstiftung aus ertragsteuerlicher Sicht unentgeltlich oder doch
entgeltlich?, ZFS 2015, Seite 201
der Anschaffungsfiktion ein entgeltlicher Erwerb vorliegt.32 Die Übergangsbestimmung des § 124b Z 185 EStG
stellt für die Anwendung der Kursgewinnbesteuerung ausdrücklich auf einen entgeltlichen Erwerb - und nicht (nur)
auf eine Anschaffung(sfiktion) - ab. Kapitalanlagen des Altbestandes können vom Begünstigten nicht mehr
steuerfrei veräußert werden, wenn diese erst nach dem 31.12.2010 (bzw nach dem 31.3.2012) durch die
Privatstiftung dem Begünstigten zugewendet wurden.33 Würde man entgegen der Verwaltungspraxis die
Sachzuwendung von Kapitalanlagen als unentgeltlich ansehen, würde bei Kapitalanlagen des Altbestandes dieser
Status erhalten bleiben; obwohl eine Besteuerung in Höhe des Wertes im Zeitpunkt der Zuwendung erfolgt, würden
zukünftige Wertsteigerungen im Vermögen des Begünstigten gemäß § 124b Z 185 EStG keiner Besteuerung
unterliegen. Die Übergabe der Kapitalanlagen an den Begünstigten erfolgt in der Regel durch Übertrag auf dessen
Bankdepot. Da auf Seite der Privatstiftung jedenfalls ein unentgeltlicher Vorgang vorliegt, liegt keine Veräußerung
vor, die der Zwischenkörperschaftsteuer unterliegen würde.34
Stellt die Zuwendung einer Beteiligung einen unentgeltlichen Vorgang dar, kann bei Übertragung von
Gesellschaftsanteilen jedenfalls kein Mantelkauf iSd § 8 Abs 4 Z 2 lit c KStG vorliegen. Liegt ein entgeltlicher
Vorgang vor, können Verlustvorträge der übertragenden Gesellschaft verloren gehen.
Bei Zuwendung von Grundstücken des Altbestandes führt die Annahme einer entgeltlichen Anschaffung dazu,
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dass diese durch den Begünstigten nur als Neu- und nicht mehr als Altbestand weiter veräußert werden können.
Dies bedeutet, dass die Pauschalierung der Anschaffungskosten gemäß § 30 Abs 4 EStG nicht zur Anwendung
kommen kann, da die Kette von unentgeltlichen Übertragungen "durchbrochen" wurde. Würde man entgegen der
Verwaltungspraxis die Sachzuwendung des Grundstücks als unentgeltlich ansehen, hat zwar der Begünstigte den
Wert des Grundstücks im Zeitpunkt der Zuwendung zu besteuern; bei späterer Veräußerung könnte neben dem
Unterschiedsbetrag zwischen Veräußerungserlös und fiktiven Anschaffungskosten (als solche des Begünstigten)
wahlweise auch die Pauschalbesteuerung gemäß § 30 Abs 4 EStG zur Anwendung kommen.
Allerdings erscheint die Sichtweise der Finanzverwaltung, eine entgeltliche Anschaffung des zugewendeten
Grundstücks anzunehmen, nicht durchgehend konsequent, wenn man auf die Konsequenzen bei vermieteten
Grundstücken blickt: Rz 251 StiftR 2009 sieht keinen Ansatz besonderer Einkünfte gemäß § 28 Abs 7 EStG idF
vor 1.StabG 2012 vor obwohl diese Bestimmung auf einen entgeltlichen Erwerb abgestellt hat.
Bei der Zuwendung von Mietwohngrundstücken sind die fiktiven Anschaffungskosten beim Empfänger als
Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer anzusetzen. Die auf das Gebäude entfallenden fiktiven
Anschaffungskosten stellen die Bemessungsgrundlage für die Absetzung für Abnutzung nach allgemeinem
Steuerrecht dar. Nimmt man eine entgeltliche Anschaffung des Begünstigten an, kann es mE aufgrund
überlappender Abschreibungsperioden im Halbjahr der Übertragung zu einem mehrfachen Abzug von AfA
kommen.35
Bei entgeltlicher Übertragung von vermieteten Grundstücken können gemäß § 28 Abs 2 EStG
Sonderabsetzungen ab dem folgenden Kalenderjahr nicht mehr abgezogen werden; bei unentgeltlicher
Übertragung können die offenen Sonderabsetzungen vom Rechtsnachfolger jedoch fortgesetzt werden. Gemäß Rz
253 StiftR 2009 kann der Begünstigte "die noch offenen Teilbeträge gemäß § 28 Abs. 2 und 3 EStG 1988
weiterführen, hat aber die AfA-Bemessungsgrundlage um diese Teilbeträge zu vermindern". Das BMF nimmt daher
insoweit im Rahmen der Zuwendung einen unentgeltlichen Vorgang an. Als "Praxislösung" werden
Sonderabsetzungen als Teil der fiktiven Anschaffungskosten angesehen. Nach Stangl ist hingegen Folge der
Anschaffungsfiktion, dass Sonderabsetzungen (10tel bzw 15tel) durch den Begünstigten nicht mehr abgesetzt
werden dürfen.36
3.3. Sachzuwendungen an ausländische Begünstigte
Das derzeitige System der Zuwendungsbesteuerung führt bei Zuwendungen mit Auslandsbezug zu
unsystematischen Ergebnissen. Erfolgt die Zuwendung eines ausländischen Grundstücks an einen
inländischen Begünstigter, unterliegt dieser Vorgang der Zuwendungsbesteuerung mit KESt. Der Lagestaat
nimmt gegebenenfalls
Marschner, Ist die Sachzuwendung einer Privatstiftung aus ertragsteuerlicher Sicht unentgeltlich oder doch
entgeltlich?, ZFS 2015, Seite 202
eine Veräußerung des Grundstücks an, sodass es zu einer Doppelbesteuerung kommen kann. Die Frage, ob die
Zuwendung nun entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, macht für den vorliegenden Qualifikationskonflikt keinen
Unterschied. Österreich nimmt nämlich bei Zuwendung aus der Privatstiftung stets Einkünfte aus
Kapitalvermögen an. Die Zuwendung wird von österreichischer Seite gegebenenfalls37 unter Art 10 DBA
(Dividenden) subsumiert und Quellensteuer iHv regelmäßig 15% erhoben.38 Der Belegenheitsstaat der
Liegenschaft (gegebenenfalls derselbe, in dem der Begünstigte ansässig ist) wird hingegen die Steuerpflicht
gemäß Art 6 OECD-MA für sich reklamieren.
Erfolgt die Zuwendung eines inländischen Grundstücks an einen ausländischen Begünstigten, unterliegt
dieser Vorgang zwar grundsätzlich der Zuwendungsbesteuerung. Allerdings liegt das Besteuerungsrecht für die
Zuwendung oftmals bei Ansässigkeitsstaat des Begünstigten.39 Die fiktive Anschaffung des inländischen
Grundstücks in den Händen des ausländischen Begünstigten wird daher in der Regel nicht oder nur teilweise
(Quellensteuer iHv 15%) besteuert. Da es sich um ein inländisches Grundstück handelt, wird der andere Staat
nach dem Lageprinzip möglicherweise keine Besteuerung vornehmen, sodass es zu einer doppelten
Nichtbesteuerung kommen kann. Die Frage, ob die Zuwendung nun entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt, macht für
den möglicherweise negativen Qualifikationskonflikt keinen Unterschied.
Die Zuwendung einer der Zwischensteuer unterliegenden Beteiligung an den Begünstigten, unterliegt gemäß Rz
81 StiftR nicht (als Veräußerung) der Zwischenbesteuerung. Allerdings fällt KESt an, die vom Verkehrswert der
Beteiligung bemessen wird.40 Zwischensteuer fällt nicht an, da auf Seite der Privatstiftung ein unentgeltlicher
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Vorgang vorliegt. Ist der Begünstigte im Ausland ansässig, wird Österreich dadurch in der Regel das
Besteuerungsrecht an den stillen Reserven in der Beteiligung verlieren. Dadurch wird - unabhängig von der
(Un)Entgeltlichkeit der Zuwendung - der Tatbestand der Wegzugsbesteuerung erfüllt und Zwischenkörpersteuer
ausgelöst.41 Ist der Begünstigte in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder Norwegen oder
Liechtenstein42 ansässig, kann auf Antrag der Privatstiftung die Besteuerung bis zur tatsächlichen Veräußerung
oder bis zum Wegzug aus der Europäischen Union aufgeschoben werden.43 Ob auch die Finanzverwaltung dem
Nichtfestsetzungskonzept in diesem Fall folgt, ist offen.44 Bei Zuwendung der Beteiligung an den ausländischen
Begünstigten kommt es grundsätzlich zum Anfall von KESt, der jedoch durch ein DBA (teilweise) unterdrückt
wird.45 Bei DBA-Entlastung bleibt die Zwischenbesteuerung mangels voll kestpflichtiger Zuwendung - zumindest
vorläufig bis zur Auflösung der Privatstiftung - als quasi endgültiger Steueraufwand hängen. Bei Auflösung der
Privatstiftung wird die Zwischenkörperschaft zur Gänze erstattet.46
Zusammenfassung
Die (Sach)Zuwendung an einen Begünstigten stellt bei der Privatstiftung jedenfalls einen unentgeltlichen Vorgang
dar. Dies gilt grundsätzlich auch für den Begünstigten, wobei jedoch eine Anschaffungsfiktion und Bewertung mit
fiktiven Anschaffungskosten hinzutritt. Die Verwaltungspraxis nimmt - wie unter 3.2 aufgezeigt - teilweise
Entgeltlichkeit (Verlust des Altbestandsstatus bei Kapitalanlagen und Grundstücken) sowie teilweise
Unentgeltlichkeit (Fortführung von Sonderabsetzungen bei vermieteten Grundstücken)
Marschner, Ist die Sachzuwendung einer Privatstiftung aus ertragsteuerlicher Sicht unentgeltlich oder doch
entgeltlich?, ZFS 2015, Seite 203
an. Bei Zuwendungen mit Auslandsbezug kann die Subsumtion unter die Besteuerung aus Kapitalvermögen
(Dividenden im Kontext des Abkommens) Qualifikationskonflikte erzeugen, die jedoch durch die Qualifizierung der
Zuwendung als entgeltlichen oder unentgeltlichen Vorgang nicht gelöst sondern nur durch eine gesetzliche
Umstellung des Systems der Zuwendungsbesteuerung vermieden werden können.
1 Vgl König, Kapitalertragsteuer und Privatstiftungen, in Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalertragsteuer (2003) 219 (226), Ludwig, Der
Begriff der Zuwendung im Ertragsteuerrecht einer Privatstiftung, in Ludwig/Widinski, Generationenwechsel, FS Bruckner (2008) 157
mit krit Anm von König.
2 Auch die Bestellung von Sicherheiten oder Übernahme einer Bürgschaft im Interesse des Begünstigten.
3 Vgl Arnold, PSG-Kommentar3 (2013) §5 Rz 11 mwN.
4 Vgl Arnold, PSG-Kommentar3 (2013) §5 Rz 14 mwN, Löffler in Doralt/Nowotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz (1995) § 5 Rz 2.
5 AFRAC, Stellungnahme "Einzelfragen zur Rechnungslegung von Privatstiftungen" (2014) Erläuterungen zu Rz 19 bis 21.
6 Rz 213 StiftR weiter zu einem hier nicht näher behandelten Thema: "Eine Zuwendung liegt auch vor, wenn die
Vermögensübertragung von Privatstiftungen ... durch eine Bedingung oder Befristung auferlegt wurde (zB Nacherbschaft). Neben der
Übertragung von Geld- oder Sachwerten kommen auch geldwerte Vorteile wie zB die Nutzungsüberlassung an Wohnungen,
Luxuswirtschaftsgütern ua als Zuwendung in Betracht."
7 Vgl näher Marschner, Optimierung der Familienstiftung3 (2015) Rz 1291.
8 Vgl näher Rief, Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes, in Marschner/Stefaner, Steuerreform 2015/16 (2015) sowie Bodis in
diesem Heft.
9 Vgl Marschner, Optimierung der Familienstiftung3 (2015) Rz 1252, Beiser, Schenkungsmeldepflicht für Zuwendungen von
Privatstiftungen, SWK 2008 S 846. Im Gegensatz dazu ist die Zuwendung an eine Stiftung (Stiftungsakt) gemäß § 121a Abs 2 lit d
BAO ausdrücklich meldefrei; für Zuwendungen der Stiftung besteht keine (ausdrückliche) Befreiung von der Meldepflicht.
10 Rz 336 StiftR sowie BMF 17.8.2008, BMF-010103/0219-VI/2008 (Erlass zu § 121a BAO, Punkt 1.1). Ebenso Bruckner,
Zweifelsfragen zur Stiftungseingangssteuer, PSR 2009, 85 (Fn 3). Dem Vernehmen nach gehen manche Finanzämter bei Bestimmung
von Begünstigten durch eine Stelle gemäß § 5 PSG nicht von einer satzungsmäßigen und damit von einer meldepflichtigen Zuwendung
der Privatstiftung aus.
11 Vgl Marschner, Schenkungsmeldegesetz bringt (unbeabsichtigt?) auch Meldepflicht für Stiftungen und Begünstigte, ZFS 2008, 20.
12 Rz 77 ff StiftR 2009.
13 Stangl in Arnold/Stangl/Tanzer, Privatstiftungssteuerrecht2 (2009) II/510 f.
14 Vgl die Beispiele in Rz 85 StiftR 2009, die sich - nach damaliger Rechtslage - noch auf Spekulationsgeschäfte gemäß § 30 EStG
bzw Veräußerungen qualifizierter Beteiligungen gemäß § 31 EStG (jeweils in der bis 31.3.2012 geltenden Rechtslage) beziehen. ME
besteht jedoch kein Grund im Rahmen der aktuellen Rechtslage (§ 27 Abs 3, § 30 sowie § 31 EStG) von dieser Sichtweise abzugehen.
15 Vgl Stangl in Arnold/Stangl/Tanzer, Privatstiftungssteuerrecht2 (2009) II/517.
16 Marschner, Die für Stiftungen relevanten Änderungen im Sparpaket (1. StabG 2012), ZFS 2012, 59 (64).
17 Soweit eine Gegenleistung erfolgt, liegt insoweit keine Zuwendung vor.
18 Vgl auch Ludwig in Arnold/Ludwig, Stiftungshandbuch2 (2013) Rz 13/22.
19 Hervorhebungen durch den Verfasser.
20 Eine derartige fiktive Anschaffung liegt mE auch dann vor, wenn die Zuwendung beim Begünstigten als Substanzzuwendung oder
im Rahmen des Widerrufs der Privatstiftung steuerfrei ist.
21 ZB Übertragung stiller Reserven gemäß § 12 EStG.
22 Vgl Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Einkommensteuergesetz Kommentar13 (2009) § 6 Rz 108.
23 Quantschnigg/Schuch, ESt-Handbuch (1992) § 6 Tz 64 ff, insb Tz 67,
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24 Vgl auch Marschner, Optimierung der Familienstiftung3 (2015) Rz 1371 ff (zur Substanzzuwendung) sowie Rz 1461 ff (zum
Widerruf der Stiftung).
25 Hinzu kommt, dass in diesem Fall nicht der Veräußerer (dh die Privatstiftung) "seinen Gewinn" besteuert sondern dies der
Empfänger (= Begünstigter) übernimmt.
26 Rz 251 StiftR, Marschner, Optimierung der Familienstiftung3 (2015) Rz 1295 f.
27 Schuchter in Achatz/Kirchmayr, Kommentar zum KStG (2011) § 13 Rz 544.
28 Diese Richtlinienbestimmung bezieht sich auf die Rechtslage aus dem Jahr 2009, wonach die Spekulationsfristen des § 30 EStG
idF vor BudgBG 2011 neu zu laufen beginnen.
29 Vgl auch Marschner, Optimierung der Familienstiftung3 (2015) Rz 1290, 1292.
30 Jakom/Marschner, EStG8 (2015) § 27 Rz 123 f.
31 Im Gegensatz zum umgekehrten Vorgang (Zuwendung des Stifters auf die Privatstiftung), wo der Status als Altbestand unstrittig
erhalten bleibt.
32 Protokoll Bankenauskunftstelle vom 11.3.2013, nicht veröffentlicht.
33 Wendet die Privatstiftung dem Begünstigten Wertpapiere des "Neubestandes" zu, bleiben diese auch nach der Zuwendung
steuerhängig gemäß § 27 Abs 3 EStG. Als Anschaffungskosten dienen die fiktiven Anschaffungskosten. Die in der Privatstiftung
aufgelaufenen stillen Reserven werden im Rahmen der Zuwendung (mit den fiktiven Anschaffungskosten als Bemessungsgrundlage für
die KESt) besteuert; dies erfolgt unabhängig vom Status als Alt- oder Neubestand.
34 Würde man auf Seite der Privatstiftung die Zuwendung als entgeltlich ansehen, ist zu beachten, dass gemäß § 27 Abs 6 Z 1 lit a
EStG ein steuerpflichtiger Depotübertrag (von der Privatstiftung an den Begünstigten) vorliegt (Zwischenkörperschaftsteuer in der
Privatstiftung), der mangels Unentgeltlichkeit auch nicht befreit werden kann.
35 Rz 253 StiftR 2009.
36 Stangl in Arnold/Stangl/Tanzer, Privatstiftungssteuerrecht2 (2009) II/553.
37 Vgl die DBA-Übersicht im Beitrag von Kofler in diesem Heft.
38 Vgl Marschner, Optimierung der Familienstiftung3 (2015) Rz 1354.
39 Vgl die DBA-Übersicht im Beitrag von Kofler in diesem Heft, weiters Marschner, Optimierung der Familienstiftung3 (2015) Rz 1353
f.
40 Vgl Marschner, Optimierung der Familienstiftung3 (2015) Rz 1286 ff.
41 Gemäß § 31 Abs 2 Z 2 EStG für Veräußerungen bis 31.12.2012 sowie § 27 Abs 6 Z 1 lit b EStG idF BudgBG 2011 für
Veräußerungen ab 1.4.2012. Vgl weiters Rz 102 StiftR, Stangl in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, KStG - Kommentar
(Loseblatt), § 13 Rz 58.
42 Norwegen und Liechtenstein sind Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes, mit denen eine umfassende Amts- und
Vollstreckungshilfe mit der Republik Österreich besteht (Liechtenstein seit 2014).
43 Vgl Stangl, in Arnold/Stangl/Tanzer, Privatstiftungssteuerrecht2 (2009) II /404.
44 So König E., Ausgewählte Themen zur Zwischenbesteuerung, in Renner/Schlager/Schwarz, Praxis der steuerlichen
Gewinnermittlung, GS Köglberger (2008) 361 (374).
45 Vgl Marschner, Optimierung der Familienstiftung3 (2015) Rz 1353 f.
46 Vgl Kofler in diesem Heft.
Privatstiftung, Zuwendung, Entgeltlichkeit, unentgeltlich, Sachzuwendung, Anschaffungsfiktion, fiktive
Anschaffungskosten, Wegzug.
Ein Inhalt der Verlag Österreich GmbH
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GZ. RV/7106001/2015
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache APrivatstiftung, Adresse, vertreten durch B, gegen die Bescheide des Finanzamt Wien 1/23
vom 2. März 2005 betreffend Körperschaftsteuer 2001 und 2002 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird stattgegeben.
Die Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den angeschlossenen
Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses
Erkenntnisses.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die A-Privatstiftung (im folgenden Bf.) brachte in ihren Körperschaftsteuerererklärungen
für die Jahre 2001 und 2002 jeweils an zwei in Belgien bzw. Deutschland ansässige
Begünstigte getätigte Zuwendungen, von denen sie Kapitalertragsteuer einbehalten
hatte, bei der Bemessungsgrundlage für die sogenannte Zwischenbesteuerung von
Kapitalerträgen und Einkünften aus der Veräußerung von Beteiligungen gemäß § 13
Abs. 3 KStG 1988 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000,
in Abzug. Die Körperschaftsteuerbescheide ergingen zunächst erklärungsgemäß.
Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das Finanzamt unter Wiederaufnahme
der Verfahren neue Körperschaftsteuerbescheide, in denen der Abzug der
erwähnten Zuwendungen von der Bemessungsgrundlage insoweit, als auf Grund
der Doppelbesteuerungsabkommen mit Belgien und Deutschland Erstattungen von
Kapitalertragsteuer an die beiden ausländischen Begünstigten stattgefunden hatten,
nicht mehr berücksichtigt wurde. Dieses Vorgehen gründete sich auf § 13 Abs. 3
letzter Satzteil KStG 1988 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I
Nr. 142/2000 ("sowie keine Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Grund eines
Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt").
In ihrer Berufung gegen diese Bescheide wandte sich die beschwerdeführende
Privatstiftung gegen diesen Ausschluss der Zuwendungen an die ausländischen
Begünstigten vom Abzug bei der Bemessungsgrundlage. Hilfsweise machte sie geltend,
entgegen der Ansicht des Finanzamtes stünde ihr, falls der Ausschluss der Zuwendungen
vom Abzug gerechtfertigt sei, im zweiten der beiden Streitjahre gemäß § 24 Abs. 5
KStG 1988 eine Gutschrift für im ersten Streitjahr entrichtete "Zwischensteuer" zu.
Mit Berufungsentscheidung vom 10. Juni 201, RV/1163-W/05 bestätigte der Unabhängige
Finanzsenat in der Hauptsache die Ansicht des Finanzamtes, wohingegen er für das
zweite Streitjahr im Sinne des Eventualbegehrens eine teilweise Gutschrift der für das
erste Streitjahr festgesetzten "Zwischensteuer" gewährte.
In ihrer Beschwerde gegegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof machte die
Bf. geltend, der Ausschluss der Zuwendungen vom Abzug bei der Bemessungsgrundlage
verletze die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß (im Streitzeitraum) Art. 56 EG.
Mit Beschluss vom 23. Oktober 2013, 2010/13/0130, EU 2013/0007, legte der
Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage
zur Vorabentscheidung vor:
"Ist Art. 56 EG (nunmehr Art. 63 AEUV) dahin auszulegen, dass er einem System
der Besteuerung von einer österreichischen Privatstiftung erzielter Kapitalerträge
und Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen entgegensteht, das eine
steuerliche Belastung der Privatstiftung in Form einer 'Zwischensteuer' zur Sicherung
einer inländischen Einfachbesteuerung nur für den Fall vorsieht, dass auf Grund
eines Doppelbesteuerungsabkommens beim Empfänger von Zuwendungen aus der
Privatstiftung eine Entlastung von der an sich auf solchen Zuwendungen lastenden
Kapitalertragsteuer erfolgt?"
Der EuGH entschied darüber mit Urteil vom 17. September 2015, C-589/13, wie folgt:
"Art. 56 EG ist dahin auszulegen, dass er einer Steuerregelung eines Mitgliedstaats wie
der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach der eine im Inland ansässige
Privatstiftung im Rahmen der Zwischenbesteuerung der von ihr erzielten Kapitalerträge
und Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen nur die Zuwendungen von ihrer
Steuerbemessungsgrundlage für einen bestimmten Veranlagungszeitraum in Abzug
bringen darf, die in diesem Veranlagungszeitraum vorgenommen und im Mitgliedstaat der
Besteuerung der Stiftung bei den Begünstigten dieser Zuwendungen besteuert wurden,
während diese nationale Steuerregelung einen derartigen Abzug ausschließt, wenn der
Begünstigte in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und in dem Mitgliedstaat der
Besteuerung der Stiftung aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von der Steuer,
der die Zuwendungen grundsätzlich unterliegen, befreit ist."
Mit Erkenntnis vom 10. November 2015, 2015/13/0001 hob der Verwaltungsgerichtshof
die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom 10. Juni 2010, RV/1163-W/05
wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf und führte unter Berufung auf das Urteil des
EuGH aus, dass der lezte Satzteil der Bestimmung des § 13 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 in der
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Fassung des Budgetbegleitgesetztes 2001, BGBl. Nr. 142/2000 ("sowie keine Entlastung
von der Kapitalertragsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt")
in Bezug auf Begünstigte in einem anderen Mitgliedstaat mit Art. 56 EG unvereinbar und
daher - entgegen der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten
Ansicht - im vorliegenden Fall nicht anzuwenden war.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
§ 13 Abs. 3 KStG 1988 lautete in der hier maßgeblichen Fassung des
Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, auszugsweise:
"(3) Bei Privatstiftungen, die nicht unter § 5 Z 6 oder 7 oder unter § 7 Abs. 3 fallen, sind
weder bei den Einkünften noch beim Einkommen zu berücksichtigen, sondern nach
Maßgabe des § 22 Abs. 3 gesondert zu versteuern:
1. In- und ausländische Kapitalerträge aus
-Geldeinlagen und sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten (§ 93 Abs. 2 Z 3 des
Einkommensteuergesetzes 1988),
-Forderungswertpapieren im Sinne des § 93 Abs. 3 Z 1 bis 3 des
Einkommensteuergesetzes 1988, wenn sie bei ihrer Begebung sowohl in rechtlicher als
auch in tatsächlicher Hinsicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten werden,
-Forderungswertpapieren im Sinne des § 93 Abs. 3 Z 4 und 5 des
Einkommensteuergesetzes 1988,
soweit diese Kapitalerträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 27 des
Einkommensteuergesetzes 1988 gehören.
2. Einkünfte aus der Veräußerung von Beteiligungen im Sinne des § 31 des
Einkommensteuergesetzes 1988, soweit nicht Abs. 4 angewendet wird.
Die Besteuerung (§ 22 Abs. 3) von Kapitalerträgen und Einkünften aus der Veräußerung
von Beteiligungen unterbleibt insoweit, als im Veranlagungszeitraum Zuwendungen im
Sinne des § 27 Abs. 1 Z 7 des Einkommensteuergesetzes 1988 getätigt worden sind
und davon Kapitalertragsteuer einbehalten worden ist sowie keine Entlastung von der
Kapitalertragsteuer auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt."
Aus dem Urteil des EuGH geht hervor, dass der letzte Satzteil dieser Bestimmung
("sowie keine Entlastung von der Kapitalertragsteuer auf Grund eines
Doppelbesteuerungsabkommens erfolgt") in Bezug auf Begünstigte in einem anderen
Mitgliedstaat mit Art. 56 EG unvereinbar und daher im vorliegenden Fall nicht anzuwenden
ist.
Da den Einkünften gemäß § 13 Abs. 3 KStG 1988 von 82.736,93 Euro (2001) und
61.115,71 Euro (2002) Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 von denen
Kapitalertragsteuer einbehalten wurde in Höhe von 329.184,48 Euro (2001) und 79.279,20
Euro gegenüber stehen, die Zuwendungen daher die Einkünfte übersteigen kommt es in
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beiden Jahren zu keiner Zwischenbesteuerung gemäß § 13 Abs. 3 in Verbindung mit § 22
Abs. 3 KStG 1988 aber auch zu keiner Gutschrifterteilung im Jahr 2002.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und die angefochtenen Bescheide abzuändern.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird.
Da die gegenständliche Rechtsfrage vom Verwaltugnsgerichtshof mit Erkenntnis vom
10. November 2015, 2015/13/0001 entschieden wurde, ist eine Revision nicht zulässig.
Wien, am 27. Jänner 2016
Seite 4 von 4
GZ. RV/7102226/2008
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache
der BF , f , vertreten durch V gegen den Bescheid des Finanzamtes für
Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom 20. Juni 2008, ErfNr . , betreffend
Gesellschaftsteuer zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Am 28. Dezember 2005 war ein Vertrag über die Gründung der X Beteiligungs
GmbH in Form eines Notariatsaktes errichtet worden. Der Gründer Dr. X. bringt in
Anrechnung auf die von ihm übernommene Stammeinlage eine Sacheinlage und zwar
45% der Kommanditanteile an der Bf auf Grundlage der Einbringungsbilanz zum
Einbringungsstichtag 31. März 2005 - die einen integrierenden Bestandteil des Vertrages
bildet - ein.
Im Vertrag war festgehalten: „Für die Einbringung werden die steuerlichen Wirkungen des
Artikels lll UmGrStG in Anspruch genommen“.
Der Einbringungsbilanz ist zu entnehmen, dass Dr. X. eine bare Einlage gemäß
§ 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG in Höhe von € 1,250.000 an die Bf - diese in der Folge
Beschwerdeführerin (Bf) genannt - geleistet hatte. .
Im Zuge eines Vorhalteverfahrens durch das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern
in Wien (nunmehr Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel) – kurz FAG brachte die Bf vor.
„Der einbringende Gesellschafter (Dr. X. ) hat im Zuge der Einbringung vom Wahlrecht
gemäß g 16 Abs. 5 UmgrStG Gebrauch gemacht und eine Einlage gemäß § 16 Abs.5
Ziffer 1 getätigt, die auch in der Einbringungsbilanz berücksichtigt wurde.
Die Höhe dieser Einlage beträgt € 1,25 Mio.. Unter Anwendung des
Umgründungsteuergesetzes ist es dem Einbringenden erlaubt, rückwirkend auf den
Einbringungsstichtag das Vermögen nach § 12 UmgrStG durch Einlagen nach § 16 (5)
UmgrStG zu erhöhen. lm konkreten Fall wurde daher aus steuerlicher Sicht eine Erhöhung
des variablen Kapitalkontos des eingebrachten Mitunternehmeranteils durchgeführt.
Eine rückwirkende Erhöhung des variablen Kapitalkontos vor Durchführung der
Umgründung löst keinen gesellschaftssteuerrechtlichen Tatbestand aus. Laut Rz 1227
UmgrStG der Umgründungssteuerrichtlinien würde nach Ansicht der Finanzverwaltung
nur dann eine Gesellschaftssteuerpflicht entstehen, wenn eine Kapitalgesellschaft
als Einbringender fungieren würde: In diesem Fall bestünde zumindest nach Ansicht
der Finanzverwaltung keine Gesellschaftssteuerbefreiung für Rechtsvorgänge, durch
welche die Einbringungsfähigkeit des Vermögens nach § 12 Abs. 2 erreicht wird und
für Einlagen nach § 16 Abs. 5 UmgrStG. Da im konkreten Fall als Einbringender eine
natürliche Person (Dr. X. ) fungiert, ist daher jedenfalls auch gem. Rz 1227 UmgrStG
kein geselIschaftssteuerrechtlicher Tatbestand gegeben.“
Mit Bescheid vom 20. Juni 2008 setzte das FAG der Bf gegenüber jedoch
Gesellschaftssteuer für die durch Dr. X. im Zuge der Einbringung geleistete Einlage
gemäß § 16 Abs. 5 UmgStG in Höhe von € 12.500,- fest. Das Finanzamt führte dazu aus:
„Es liegt eine freiwillige Leistung des Gesellschafters vor, die geeignet ist, den Wert der
Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Somit sind alle Tatbestandsmerkmale erfüllt und es ist
Gesellschaftssteuerpflicht gegeben.
Zum Verweis auf die RZ 1227 der Umgründungssteuerrichtlinien und dem Vorbringen,
dass auf Grund dieser Rechtsansicht des Bundesministeriums die Leistung einer
natürlichen Person nicht gesellschaftsteuerpflichtig sei, wird folgendes ausgeführt.
Die zitierte RZ ist nur als Klarstellung zu verstehen, dass selbst die Einbringung durch eine
Kapitalgesellschaft gesellschaftssteuerpflichtig ist. Der Umkehrschluss, dass Einlagen von
natürlichen Personen nicht gesellschaftssteuerpflichtig seien ist nicht zulässig.“
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung legte das Finanzamt dem
unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.
Nun war die gegenständliche Berufung am 31. Dezember 2013 beim unabhängigen
Finanzsenat anhängig und es ist daher die Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 323
Abs. 38 BAO auf das Bundesfinanzgericht übergegangen. Es ist die Rechtssache somit
als Beschwerde im Sinne des Art 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gem. § 2 Z. 4 KVG vom 16.10.1934 i.d.Fassung BGBL I BGBL I 21/1995 unterliegen
der Gesellschaftsteuer folgende freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an
eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der
Gesellschaftsrechte zu erhöhen.
a) Zuschüsse
b)...
c)...
d)...
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Gem. § 7 KVG wird die Steuer bei Leistungen (§ 2 Z. 2-4) vom Wert der Leistung
berechnet. Der Steuersatz beträgt 1 % der Bemessungsgrundlage. Steuerschuldner ist die
Kapitalgesellschaft.
Gem. § 22 Abs. 3 Umgründungssteuergesetz BGBl. Nr. I 699/1991 in der maßgeblichen
Fassung (im Folgenden kurz UmgrStG genannt ) sind Einbringungen nach §§ 12 und
dafür gewährte Gegenleistungen nach § 19 von den Kapitalverkehrsteuern und von den
Gebühren nach § 33 TP 15, 16 und 21 GebG 1957 befreit, wenn das zu übertragende
Vermögen am Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages länger als 2 Jahre als
Vermögen des Einbringenden besteht.
Gem. § 12 Abs. 1 UmgrStG liegt eine Einbringung iSd dieses Bundesgesetzes vor,
wenn Vermögen im Sinne des Abs. 2 auf Grundlage eines Einbringungsvertrages
(Sacheinlagevertrages) nach Maßgabe des § 19 einer übernehmenden
Körperschaft tatsächlich übertragen wird. Voraussetzung ist, dass das Vermögen
am Einbringungsstichtag, jedenfalls aber am Tage des Abschlusses des
Einbringungsvertrages einen positiven Verkehrswert besitzt.
Abs. 2 der zitierten Gesetzesbestimmung normiert:
Zum Vermögen zählen nur
Z. 1 Betriebe und Teilbetriebe......
Z. 2 Mitunternehmeranteile, das sind Anteile an Gesellschaften, bei denen die
Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, wenn sie zu einem Stichtag
eingebracht werden, zu dem eine Bilanz der Mitunternehmerschaft vorliegt ,an der die
Beteiligung besteht.
Gem. § 19 UmgrStG muss die Einbringung ausschließlich gegen Gewährung von neuen
Anteilen an der übernehmenden Körperschaft erfolgen.
Abs. 2 :Die Gewährung von neuen Anteilen kann unterbleiben,
Z. 1- soweit die übernehmende Körperschaft den Einbringenden mit eigenen Anteilen
abfindet
Z. 2 - soweit die Anteilsinhaber der übernehmenden Körperschaft den Einbringenden mit
bestehenden Anteilen an dieser abfinden;
Im Beschwerdefall wurde nicht die Einbringung des Kommanditanteiles des Herrn Dr. X.
in die X Beteiligungs GmbH aus der Sicht des KVG beurteilt.
Vielmehr ist entscheidungswesentlich , dass die vor der Einbringung der Kommanditanteile
des Dr. X. geleistete Zahlung in Höhe von € 1,250.000,- an die Bf dazu diente, die
Einbringungsvoraussetzungen für die danach folgende Vermögensübertragung nach Art.
III UmgrStG herbeizuführen.
Dieser Vorgang lag zeitlich betrachtet vor der Einbringung des Kommanditanteils in die
GmbH. Dies ist ersichtlich aus der Zusammenschau des Vertrages vom 28. Dezember
2005 und der Einbringungsbilanz zum 31. März 2005 – im Vertrag ist auf Seite 3
ausgeführt: „Herr Dr. X. erklärt, dass das vorstehend näher bezeichnete Unternehmen „ Bf
“ und der von diesem übertragene Mitunternehmeranteil am Tag des Abschlusses dieses
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Einbringungsvertrages einen positiven Verkehrswert hat. Der Buchwert des eingebrachten
Mitunternehmeranteils beträgt € 1,519.046,06.
Aus der Einbringungsbilanz ist erkennbar, dass sich der Betrag von € 1,519.046,06 erst
nach Leistung der Bareinlage in Höhe von € 1,250.000,- durch Herrn Dr. X. ergab.
Diese Leistung stellt damit eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung iSd § 2 Z 4 lit a KVG
dar (vgl VwGH 29.6.2006, 2003/16/0497 ).
Aus den angeführten Gründen war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG
die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der
grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung
fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Für den gegenständlichen Fall liegt bereits eine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes
vor, die besagt, dass e ine Gesellschaftsteuerbefreiung für Einlagen, die der Einbringende
im Rückwirkungszeitraum auf seine eingebrachten Mitunternehmeranteile getätigt hat,
dem UmGrStG nicht entnommen werden kann (she Erkenntnis vom 26. Juni 2006,
Zl. 2003/16/0497). Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 9. November 2015
Seite 4 von 4
GZ. RV/7102838/2014
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin xyz in der Beschwerdesache Bf.,
vertreten durch Dr.Heinz Tauschek, öffentlicher Notar, Elisabethstr 17, 2340 Mödling ,
gegen den Bescheid des Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom
000, ERFNR 111, betreffend Festsetzung der Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 5 Abs.1 Z 1
GebG zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Laut Punkt I des Mietvertrages vom 18.04.1990 vermietete A. (VP 1 genannt), an B.
, und C. , cc , (VP 2 genannt) das Bestandobjekt , lt. beiliegendem Plan, im ersten
Stock des Hauses X. , Y. , xy Wien- L. , samt- im beiliegenden Plan schraffiert
ausgewiesenen- Keller, samt erforderlichen Zugang sowie den in Punkt XXI dieses
Vertrages verzeichneten Fahrnissen.
Punkt II dieses Vertrages lautet wie folgt:
Die VP1 vermietet und die VP2 mieten das unter I, näher bezeichnete Bestandobjekt unter
den nachfolgenden Bedingungen, ausschließlich als Kanzlei von Ziviltechnikern für die
Bestandnehmer selbst.
Jede andere Benützungsart ist untersagt. Jede Weitergabe, Untervermietung gänzliche
oder teilweise Überlassung welcher Art und unter welcher Bezeichnung immer, entgeltlich
oder unentgeltlich, ist ausdrücklich ausgeschlossen.
Für den Fall, dass das Objekt kraft Gesetzes auf eine andere Person übergeht, ist
vereinbarungsgemäß der Übergang auf eine juristische Person und auf mehr als zwei
natürliche Personen ausdrücklich ausgeschlossen.
Punkt III lautet wie folgt:
Das Mietverhältnis beginnt am 1.6.1990 und wird auf unbestimmte Zeit vereinbart.
Eine Kündigung kenn jeweils am Ende eines Kalendervierteljahres unter Einhaltung einer
sechsmonatigen Kündigungsfrist erfolgen. Eine Aufkündigung kann nur unter Einhaltung
der Kündigungsbestimmung des § 29 bis 36 MRG erfolgen.
Das Vertragsverhältnis wird aber im Übrigen dem Mietrechtsgesetz nicht unterstellt.
In Punkt IV dieses Vertrages wurde als Mietentgelt die Entrichtung eines Hauptmietzinses
von ÖS 30.000,00 sowie des verhältnismäßigen Anteils an Betriebskosten und des
verhältnismäßigen Anteiles an den an der Liegenschaft zu entrichtenden öffentlichen
Abgaben vereinbart.
Mit Einbringungsvertrag vom 05.09.2011 brachte der zweitangeführte Mieter
(fortan C. genannt) sein nicht protokoliertes, seit mehr als zwei Jahren bestehendes
Einzelunternehmen: Ziviltechnikerkanzlei C.mit der Geschäftsanschrift xx Wien
X. , in die Bf.., (fortan Beschwerdeführer=Bf. genannt), gemäß Artikel III des
Umgründungssteuergesetzes,(UmgrStG), ein.
Am 05.07.2013 wurde zwischen Frau D. , als Vermieterin und der Bf.,als Mieterin,
der verfahrensgegenständliche Vertrag abgeschlossen, welcher als Anpassung
des bestehenden Mietvertrages zwischen den genannten Parteien, über die
Kanzleiräumlichkeiten in xx Wien, X. , tituliert ist.
Punkt I dieses Vertrages lautet wie folgt:
Mit Einbringungsvertrag vom 05.09.2011 hat C.mit der Geschäftsanschrift: xx Wien, X.
in die GmbH eingebracht. Diese Eintragung wurde am 22.09.2011 in das Firmenbuch beim
Handelsgericht I eingetragen.
Punkt II lautet wie folgt:
Das zum Einzelunternehmen des Herrn C.gehörige Bestandverhältnis ist sohin auf die
GmbH übergegangen. Die GmbH ist sohin Mieterin dieses Bestandverhältnisses, welcher
Mietübergang vermieterseits unter der Bedingung der Berücksichtigung der Anpassungen
des Mietvertrages durch diesen Vertrag vollhinhaltlich anerkannt wird.
In Punkt III dieses Vertrages wird eine Mietzinsanpassung, rückwirkend mit 01.01.2011
vereinbart.( Hauptmietzins idHv € 2.870,00 excl. USt, verhältnismäßiger Anteil an den
Betriebskosten excl. USt, verhältnismäßiger Anteil an der von der Liegenschaft zu
erbringenden öffentlichen Abgaben excl. USt)
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In Punkt V werden die Rechtsfolgen eines Machtwechsels für die Parteien vereinbart ( d.h.
wenn die Bf. ihr Unternehmen iSd § 12 Abs.1 und 5 MRG veräussert oder verpachtet
oder wenn sich die rechtlichen oder wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten in der
GmbH entscheidend ändern, wobei § 12a Abs.3 MRG sinngemäß anzuwenden ist,
es der Vermieterin freisteht, das Mietverhältnis unter Einhaltung der sechsmonatigen
Kündigunsfrist zu beenden oder den Hauptmietzins, ab jenen den Machtwechsel
folgenden Kalendermonat, marktkonform anzupassen) und festgehalten, dass für den
ersten Machwechsel, bei dem der derzeitige Alleingesellschafter der GmbH die Position
als Machthaber in der GmbH verliert keine Anpassung des Mietzinses vorgenommen wird.
In Punkt VI gibt die Mieterin einen bis zum 31.12.2014 währenden einseitigen
Kündigungsverzicht ab und es wird festgehalten, dass der letzte Satz des Punktes II des
Mietvertrages vom 18.04.1990 auf den /die jeweiligen Vermieter des Mietobjekts nicht
gilt und im Übrigen auf die weiter aufrechten Bestimmungen des Punktes III Abs.2 des
bestehenden Mietvertrages hingewiesen.(Siehe oben)
Punkt VII lautet wie folgt:
„Dieser durch die Einbringung des Einzelunternehmens in die Gesellschaft bedingte
Übergang der Hauptmietrechte auf die GmbH ist gemäß § 22 Umgründungssteuergesetz
(gemeint ist offenbar § 42 ) von den Rechtsgebühren befreit, da das Einzelunternehmen
am Tage des Abschlusses des Einbringungsvertrages länger als zwei Jahre als Vermögen
des Einbringenden bestanden hat. Sollten durch diese Anpassung Rechtsgebühren
ausgelöst werden, so sind diese alleine von der Mieterin zu tragen.“
Die Unterzeichnung dieses Vertrages erfolgte durch beide Parteien am 05.07.2013
Mit dem im Spruch dieses Erkenntnisses angeführten Bescheid setzte des Finanzamt
für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel für den Vertrag über die Anpassung des
bestehenden Mietvertrages die Gebühr gemäß § 33 TP 5 Abs.1 Z 1mit Euro 1.363,82
(Bemessungsgrundlage: vereinbarter Hauptmietzins € 2.870,00 plus Betriebskosten
geschätzt € 287,00 = € 3.157,00 plus Umsatzsteuer: € 631,40 sohin gesamt € 3.788,40
x 36 Monate (§ 33 TP 5 Abs.31 Satz GebG: Gesamt: € 136.382,40) fest. Da es im zu
beurteilenden Vertrag zu Änderungen gegenüber dem Mietvertrag vom 18.04.1990
gekommen sei lägen die Voraussetzung der Gebührenbefreiung iSd § 42 UmgrStG nicht
vor.
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Dagegen erhob die Bf., durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter, fristgerecht
Beschwerde.
Die Voraussetzung für eine Gebührenfreiung seien gemäß den Bestimmungen des
§ 42 Umgründungssteuergesetz gegeben. Veränderungen hinsichtlich Rechte und
Verbindlichkeiten des ersten Mietvertrages seien ohne Einfluss auf die Gebührenpflicht,
wenn sie mit der Bemessungsgrundlage nichts zu tun haben. Dazu wurde auf Arnold,
9
5
Rechtsgebühren zu § 21 GebG, auf Gaier, Gebührengesetz zu § 21 GebG und Stingel/
Nidetzkx Immobilien & Steuern
23
zu § 21 GebG verwiesen.
Darüber hinaus seien die Betriebskosten falsch eingeschätzt worden, welche für das
Kalenderjahr 2012 € 2.273,23 und somit monatlich € 189,44 betragen haben.
Diese Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 22.04.2014
als unbegründet ab. Im zu beurteilenden Fall läge aufgrund dessen, dass der Vertrag
über die Anpassung nicht von denselben Vertragsparteien abgeschlossen worden ist,
kein Zusatz oder Nachtrag im gebührenrechtlichen Sinn, sondern ein Neuabschluss des
Vertrages vor.
Der Bestimmung des § 42 UmgrStG sei nicht zu entnehmen, dass alle Vertragsabschlüsse
und Nachträge, wann auch immer sie angeschlossen worden sind, der Befreiung
gemäß leg.cit und damit auch der Bestimmung des § 21 GebG unterliegen. Die erst
zweiundzwanzig Monate nach der Einbringung erfolgte Anpassung des Mietvertrages
könne nicht als kausal zur Einbringung angesehen werden.
Dagegen brachte die Bf, durch ihren rechtlichen Vertreter, einen Vorlageantrag an
das Bundesfinanzgericht,(BFG), ein, und führte- im Hinblick auf die Ausführungen der
Beschwerdevorentscheidung- folgendes aus:
Der Einwand der belangten Behörde, der Vertrag über die Anpassung des Mietvertrages
vom 18.04.1990 anzusehen, entbehre jeder rechtlichen Logik, da aufgrund der
genannten Einbringung des Einzelunternehmens in die GmbH nur die Rechtsnachfolgerin
diesen Vertrag hat abschließen können. Eine zeitliche Limitierung zum Abschluss des
Anpassungsvertrages sei in § 42 UmgrStG nicht vorgesehen. Ausschlaggebend für die
Gewährung, der , in dieser Gesetzesbestimmung normierten, Befreiung, sei lediglich,
dass der begünstigte Vorgang nach dem UmgrStG kausal für die Vertragsübernahme
ist. Die Vertragsübernahme sei aus Anlass des begünstigten Vorganges nach Art.III des
UmgrStG, nämlich der Einbringung, erfolgt. Der Einbringungsvertrag sei im Vertragspunkt
I festgehalten worden, und die umgründungssteuerliche Rechtsgebührenbefreiung
sei ausdrücklich in Punkt VII genannt worden. Hinsichtlich des aufgezeigten
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Anlasszusammenhanges wurde auf die Rechtsprechung zu VwGH29.03.2007,
2004/16/0185, 0187 , sowie auf Rz 1889 der Umgründungssteuerrichtlinien 2002 idgF und
Rz 556 der Gebührenrichtlinien verwiesen.
Das BFG hat dazu erwogen:
Die Gebührenschuld entsteht, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inland
errichtet wird,
1. bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften
a) wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt wird, im Zeitpunkt der
Unterzeichnung; (§ 16 Abs.1 Z 1 lit.a Gebührengesetz 1957,(GebG),)
Für die Festsetzung der Gebühren ist der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten
Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der
durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.(§ 17 Abs.1 GebG)
Werden durch einen Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits ausgefertigten Urkunde die
darin beurkundeten Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfang nach
geändert oder wird die vereinbarte Geltungsdauer des Rechtsgeschäftes verlängert, so ist
dieser Zusatz oder Nachtrag im Umfang der vereinbarten Änderung oder Verlängerung als
selbstständiges Rechtsgeschäft gebührenpflichtig. (§ 21 GebG)
Der Rechtsgebühr unterliegen
Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den
Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen
bestimmten Preis erhält, nach dem Wert
1. im Allgemeinen 1 v.H. (§ 33 TP 5 Abs.1 Z 1 GebG)
Bei unbestimmter Vertragsdauer sind die wiederkehrenden Leistungen mit dem
Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem
dieser Vertragsdauer entsprechenden vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem
Achtzehnfachen des Jahreswertes. (§ 33 TP 5 Abs.3 GebG)
Rechtsgeschäfte, mit denen anlässlich eines gebühren-oder kapitalverkehrsteuer
begünstigten Vorganges nach Art.III bis IV des ersten Hauptstückes eine Vertragsstellung
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übertragen wird (Vertragsübernahme), sind von den Stempel-und Rechtsgebühren
befreit. Wird ein Darlehen-oder Kreditvertrag übertragen, bleibt der für den übertragenden
Rechtsträger gebührenrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt für Prolongationen durch den
neuen Rechtsträger maßgeblich. (§ 42 Umgründungssteuergesetz, (UmgrStG))
Nach § 12 Abs.1 UmgrStG idF AbgÄG 2005, BGBl I 2005/161 des Art III UmgrStG liegt
eine Einbringung iSd Bundesgesetzes vor, wenn Vermögen iSd § 12 Abs.2 UmgrStG
auf Grundlage eines schriftlichen Einbringungsvertrages ( Sacheinlagevertrages) und
einer Einbringungsbilanz nach Maßgabe des § 19 UmgrStG einer übernehmenden
Körperschaft tatsächlich übertragen wird.
Im zu beurteilenden Fall ist unbestritten, dass der, als Anpassung des bestehenden
Mietvertrages bezeichnete, Vertrag vom 05.07.2013 seinem Inhalt nach unter den Begriff
Bestandvertrag des § 33 TP 5 Abs.1 GebG fällt, und dass Bf... sein Einzelunternehmen
in die Bf. gemäß der vorstehenden Bestimmung des UmgrStG eingebracht hat. Strittig
jedoch ist, ob der Vertrag vom 05.07.2013 iSd§ 42 UmgrStG von der Rechtsgebühr befreit
Dazu ist festzustellen:
In Abs.1 des § 17 GebG ist als Prinzip-Urkundenprinzip festgelegt, dass für die
Beurteilung der Gebührenschuld der schriftlich festgelegte Inhalt der Urkunde maßgebend
ist.( z.B. VwGH 24.05.2012,2009/16/0257)
Das Urkundenprinzip besagt dass
a) die Gebührenpflicht grundsätzlich an das Vorhandensein eines Schriftstücks gebunden
ist
b) für die Feststellung der Gebührenpflicht ausschließlich der Inhalt des Schriftstückes
maßgebend ist und dass
c) die Gebührenpflicht so oft besteht, als Schriftstücke bezüglich des gleichen
gebührenpflichtigen Tatbestandes errichtet werden (VwGH 19.12.1986,86/15/0071)
Der Zeitpunkt in dem die Gebührenschuld entsteht, ist auch als Bewertungsstichtag
entscheidend. (VwGH 16.02.1985, 83/15/0040)
Bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften (z.B. Bestandsverträgen) entsteht die
Gebührenschuld, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterzeichnet wird, gemäß
§ 16 Abs.1 Z 1 lit.a im Zeitpunkt der Unterzeichnung.
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§ 21 GebG hat-abgesehen von der Verlängerung der Geltungsdauer des
Rechtsgeschäftes- die Änderung von bereits beurkundeten Rechten oder
Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfang nach zum Inhalt.
Die Vertragsübernahme ist mangels Parteienidentität kein Anwendungsfall des § 21
GebG. (GebR Rz 554)
Nach § 42 UmgrStG sind Rechtsgeschäfte , mit denen anlässlich eines
gebührenbegünstigten Vorganges nach Art III bis IV UmgrStG-das sind Einbringungen,
Zusammenschlüsse, Realteilungen und Spaltungen-eine Vertragsstellung übertragen wird
(Vertragsübernahme), von den Stempel und Rechtsgebühren befreit.
Bei dem im Gesetz selbst nicht geregelten ,aber von Lehre und Rechtsprechung
anerkannten, Institut der Vertragsübernahme wird ein rechtsgeschäftlicher Vorgang
verstanden, im Zuge dessen, unter Zustimmung aller Beteiligten, eine gesamte
Vertragsstellung auf einen neuen Partner übertragen wird, mit welchem das
Schuldverhältnis in seiner Gesamtheit festgesetzt worden ist, ohne dass sich an
der Identität des betreffenden Vertrages etwas ändert. Gebührenrechtlich ist die
Vertragsübernahme dem Abschluss eines neuen Rechtsgeschäftes gleichzustellen.
(VwGH 29.06.2004, 2004/16/0075; 29.03.2007,2004/16/0185)
Bezogen auf den zu beurteilenden Fall bedeuten diese rechtlichen Ausführungen
zunächst, dass sämtliche mit der Anwendung des § 21 GebG im Zusammenhang
stehenden Äusserungen im Verfahren erster Instanz für das gegenständliche
Beschwerdeverfahren unerheblich sind. Darüber hinaus ist im Hinblick auf die
vorstehenden Ausführungen zu erwägen:
Im letzten Absatz des Abs.II des Mietvertrages vom 18.04.1990 wird ausdrücklich
festgehalten, dass im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge (so auch einer durch
Einbringung bedingten Gesamtrechtsnachfolge) der Übergang des Mietobjektes an eine
juristische Person, also auch auf eine GmbH ausgeschlossen wird.
In Punkt II des Vertrages vom 05.07.2013 wird ausdrücklich festgehalten, dass der
Mieterübergang infolge der Unternehmenseinbringung, seitens der Vermieterin nur
unter der Bedingung der in Punkten III bis VI enthalten, o.a. Anpassungen anerkannt
wird. Erst danach hat-lt. Pkt.VI des Vertrages vom 05.07.2013 Abs.II letzter Absatz des
Mietvertrages vom 18.04.1990 für die Vermieterseite keine Gültigkeit mehr.
Alleine aus diesem Vertragsinhalt heraus liegt der Übernahme der Vertragstellung des
Mieters lt. vom 18.04 1990 nicht die Einbringung nach Art.III des UmgrStG zugrunde ,
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sondern sind dafür die mit dem Vertrag vom 05.07.2013 vereinbarten Anpassungen
kausal. Die Vermieterin hat nur aufgrund dieser Anpassungen der Bf, die Rechtsstellung
des Mieters eingeräumt. Der von der Bf. behauptete Anlasszusammenhang zwischen der
Einbringung und dem Eintritt der Bf. in den Mietvertrag vom 18.04.1990 war somit nicht
gegeben.
Somit war die Befreiung gemäß § 42 UmgrStG nicht zu gewähren und die Bestandgebühr
gemäß § 33 TP 5 Abs.1 Z 1 und Abs.3 erster Halbsatz GebG festzusetzen.
Zu der von der Bf, als dabei zu hoch angesetzt gerügten, vom Finanzamt, im Ausmaß von
10% des monatlichen Hauptmietzinses, geschätzten monatlichen Betriebsausgaben ist zu
erwägen:
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (z.B. 17.02.1994,93/16/0160) sind
Betriebskosten in die Bemessungsgrundlage des Bestandvertrages einzubeziehen.
Bei Bestandverträgen, bei denen die Betriebskosten ziffernmäßig nicht feststehen, können
im Sinne der bisherigen Übung die Betriebskosten mit 10% des Mietzinses geschätzt
werden. Im Übrigen kann bei der Erledigung solcher Akten die Verordnung BGBl II
1999/242 sinngemäß herangezogen werden.(Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band
I, Rechts und Stempelgebühren, § 33 TP 5 Rz 99)
§ 2 dieser Verordnung lautet wie folgt:
„Hat der Bestandnehmer sich vertraglich zwar zur Einbringung von Leistungen verpflichtet,
die in der Urkunde aber ziffernmäßig nicht angeführt werden, so sind diese Leistungen
mit den Beträgen, die im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld (§ 16 GebG)
tatsächlich anfallen, anzusetzen .“
Im zu beurteilenden Fall handelt es sich iSd § 16 Abs.1 Z 1 lit.a GebG bei diesem
Zeitpunkt um den 05.07.2013, den Tag der Unterfertigung des Vertrages über die
Anpassung des Mietverhältnisses.
Da die Bf. die Höhe der, zu diesem Stichtag tatsächlich angefallenen, Betriebskosten
weder nachgewiesen noch bekannt gegeben hat, waren diese mit 10% des Mietzinses
sohin mit € 287,00bei der Steuerbemessung anzusetzen.
Der bekämpfte Bescheid erwies sich somit sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach
als zu Recht erlassen.
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Aus den aufgezeigten Gründen war die Beschwerde abzuweisen.
Zur Unzulässigkeit der Revision ist festzustellen :
Gemäß § 280 Abs.1 lit.d BAO haben Ausfertigungen von Erkenntnissen und Beschlüssen
der Verwaltungsgerichte den Spruch einschließlich der Entscheidung, ob eine Revision
beim Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG zulässig ist, zu enthalten.
Gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes eine
Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlich
Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu
lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum
Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig
ist.
Da die, in diesem Erkenntnis zu beurteilenden, Rechtsfrage nach der, in der Begründung
dieses Beschlusses aufgezeigten, ständigen und einheitlichen Rechtsprechung des
VwGH entschieden wurde, war die Revision nicht zuzulassen.
Wien, am 28. September 2015
Seite 9 von 9
26.02.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
26.02.2015
Geschäftszahl
Ro 2014/15/0041
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Mag. Zaunbauer-Jenkins, über die Revision des H P in R, vertreten durch die Ditachmair &
Partner Beratungsunternehmen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs GmbH in 4020 Linz,
Dinghoferstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 14. April 2014, RV/5100886/2010,
betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2008 (vor dem Bundesfinanzgericht belangte Behörde: Finanzamt
Braunau Ried Schärding), zu Recht erkannt:
Spruch
Das Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Vertrag vom 29. Mai 2009 brachte der Revisionswerber seinen Betrieb (Architekturunternehmen) zum
Stichtag 31. August 2008 ohne Kapitalerhöhung in die P GmbH ein. Dies wurde dem Finanzamt mit Meldung
vom 29. Mai 2009 ohne Anschluss einer Bilanz des Betriebes zum Einbringungsstichtag (Stichtagsbilanz)
angezeigt. Vorgelegt wurden der Einbringungsvertrag samt Notariatsakt und Protokoll der außerordentlichen
Generalversammlung der P GmbH vom 29. Mai 2009, die Einbringungsbilanz zum 31. August 2008 sowie eine
Liste der übernommenen Mitarbeiter des Einzelunternehmens.
Mit Bescheiden vom 16. und 26. April 2010 schrieb das Finanzamt dem Revisionswerber Umsatzsteuer für
das Jahr 2008 in Höhe von (letztlich) 274.633,99 EUR vor, mit einem weiteren Bescheid vom 16. April 2010
setzte es die Einkommensteuer für das Jahr 2008 mit 307.036,44 EUR fest. Diese Bescheide wurden im
Wesentlichen damit begründet, dass eine Bilanz für den gesamten Betrieb des Einbringenden zum gewählten
Stichtag (dem 31. August 2008) der Einbringungsanzeige vom 29. Mai 2009 nicht beigelegen und auch nach
schriftlichem Vorhalt vom 24. November 2009 nicht fristgerecht nachgereicht worden sei. Auch zum
28. Februar 2010 (nach Ablauf von neun Monaten ab dem Abschluss des Einbringungsvertrages) sei die Bilanz
für den eingebrachten Betrieb nicht vorgelegen, weshalb die Anwendungsvoraussetzung gemäß § 12 Abs. 2 Z 1
Umgründungssteuergesetz (UmgrStG) nicht gegeben sei und daher nach den allgemeinen Regeln des
Steuerrechts ein Tauschvorgang gemäß § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 zum Einbringungsstichtag mit einem daraus
resultierenden Veräußerungsgewinn in Höhe von 765.771,55 EUR vorliege. Zur Begründung des
Umsatzsteuerbescheides führte das Finanzamt zusätzlich aus, es liege nach den allgemeinen Tauschgrundsätzen
hinsichtlich der Übertragung des Vermögens eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Als
Bemessungsgrundlage sei der Unternehmenswert laut einem Bewertungsgutachten vom 19. Mai 2009 angesetzt
worden, wobei die übernommenen Schulden bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen nicht abgezogen werden
dürften.
Gegen die genannten Bescheide erhob der Revisionswerber Berufung mit der Begründung, eine
Akteneinsicht am 31. Mai 2010 habe ergeben, dass dem Finanzamt (nunmehr) alle erforderlichen Unterlagen
vorlägen und damit alle Anwendungsvoraussetzungen für die Einbringung nach Art. III UmgrStG gegeben seien.
§ 6 Z 14 lit. b EStG 1988 sei nicht anzuwenden.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die nunmehr als Beschwerde geltende
Berufung des Revisionswerbers als unbegründet ab und sprach aus, dass die angefochtenen Bescheide
unverändert bleiben.
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Verwaltungsgerichtshof
26.02.2015
Begründend führt es dazu im Wesentlichen aus, in der außerordentlichen Generalversammlung vom
29. Mai 2009 sei beschlossen worden, das nicht protokollierte Einzelunternehmen DI P rückwirkend mit Stichtag
31. August 2008 nach Art. III UmgrStG in die P GmbH einzubringen. Die Einbringung sei dem Finanzamt mit
Schreiben vom 29. Mai 2009 bekannt gegeben worden, die - mit Vorhalt vom 24. November 2009 angeforderte
und telefonisch mehrmals urgierte - Stichtagsbilanz zum 31. August 2008 sei dem Finanzamt jedoch erstmals am
30. März 2010 per E-Mail übermittelt worden. Aus dem Inhalt eines Telefonates vom 30. März 2010 mit dem
steuerlichen Vertreter könne geschlossen werden, dass die Stichtagsbilanz zum 31. August 2008 in den im
Mai 2009 dem Finanzamt vorgelegten Unterlagen nicht enthalten gewesen sei. Der steuerliche Vertreter sei
davon ausgegangen, dass ein solcher Zwischenabschluss für das eingebrachte Unternehmen nicht erforderlich
sei. Im Übrigen sei weder ein Nachweis des Erstellungszeitpunktes der nachträglich vorgelegten Stichtagsbilanz
noch ein Nachweis der rechtzeitigen Vorlage erbracht worden. Die Stichtagsbilanz, die ein Tatbestandsmerkmal
des § 12 Abs. 2 Z 1 UmgrStG darstelle, sei bei Einbringungen mit Finanzamtszuständigkeit vor Ablauf der
Neunmonatsfrist des § 13 Abs. 1 UmgrStG zu erstellen. Die Meldung beim Finanzamt sei systematisch der
Anmeldung beim Firmenbuch nachempfunden und müsse daher alle Mindestelemente des
Einbringungsvertrages, den Jahres- bzw. Zwischenabschluss im Sinne einer steuerlichen Stichtagsbilanz sowie
die Einbringungsbilanz enthalten. Fehle einer innerhalb der Neunmonatsfrist erfolgten Meldung der Jahres- bzw.
Zwischenabschluss, so habe die Abgabenbehörde nach Ansicht der Finanzverwaltung den Einbringenden zur
Vorlage der fehlenden Unterlagen aufzufordern, woraufhin der rückwirkende Stichtag anzuerkennen sei, wenn
der Einbringende der Aufforderung innerhalb von zwei Wochen nachkomme - dies allenfalls auch außerhalb der
Neunmonatsfrist. Widrigenfalls sei von einer verspäteten Meldung am Tag des Eingangs der fehlenden
Unterlagen auszugehen.
Das Finanzamt habe den Revisionswerber aufgefordert, bis zum 9. Dezember 2009 einen Jahres- bzw.
Zwischenabschluss zum 31. August 2008 im Sinne des § 12 Abs. 2 UmgrStG (Stichtagsbilanz) vorzulegen.
Dieser Aufforderung seien der Revisionswerber erst am 30. März 2010 nachgekommen, weshalb eine
Verletzung der Anwendungsvoraussetzungen des Art. III UmgrStG vorliege und somit für die Übertragung des
Vermögens eine Tauschbesteuerung nach § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 zu erfolgen habe.
Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig, weil zur Frage
einer Verletzung der Anwendungsvoraussetzungen des Art. III UmgrStG mangels Vorliegens einer
Stichtagsbilanz und zu einer diesbezüglichen Sanierungsmöglichkeit bislang keine Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes existiere.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene
Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von
Verfahrensvorschriften, aufzuheben. Der Revisionswerber erachtet sich im Wesentlichen in seinem Recht auf
Anwendung des Art. III UmgrStG (Buchwerteinbringung an Stelle der Anwendung des Tauschgrundsatzes)
verletzt.
Das Bundesfinanzgericht legte die Verwaltungsakten sowie die seitens des Finanzamtes erstattete
Revisionsbeantwortung vor, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Revisionswerber bringt vor, die (aus der Einbringungsbilanz problemlos ableitbare) Stichtagsbilanz
stelle keine Anwendungsvoraussetzung des Art. III UmgrStG dar, sondern sei ein bloßes Formalerfordernis,
dessen (restriktive) Erhebung zur Anwendungsvoraussetzung nicht den Zwecksetzungen des § 12 Abs. 2
Z 1 UmgrStG entspreche. Im Gesetz sei keine Frist für die Aufstellung der Stichtagsbilanz geregelt, weshalb
deren nachträgliche Erstellung auf den Einbringungsstichtag grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung zulässig
sei. Fristversäumnisse würden gemäß § 13 Abs. 1 UmgrStG nach der Intention des Gesetzgebers nicht zur
Versagung der Umgründungsbegünstigungen führen. Im Übrigen sei die Stichtagsbilanz rechtzeitig vorgelegt
worden, nämlich sogleich nach telefonischer Urgenz beim steuerlichen Vertreter des Revisionswerbers am
30. März 2010; der Vorhalt des Finanzamtes vom 24. November 2009 sei dem Revisionswerber nicht
zugegangen, weshalb für ihn keine Möglichkeit bestanden habe, die Stichtagsbilanz innerhalb einer von der
Abgabenverwaltung als maßgeblich erachteten Frist von zwei Wochen nachzureichen. Die belangte Behörde sei
in diesem Zusammenhang ihrer Ermittlungspflicht hinsichtlich der Zustellung des besagten Vorhaltes vom
24. November 2009 nicht nachgekommen. Auch das Bundesfinanzgericht sei ohne Begründung davon
ausgegangen, dass der Vorhalt ordnungsgemäß zugestellt worden sei, was in Wahrheit nicht der Fall gewesen
sei.
Die im Revisionsfall maßgebenden Bestimmungen des Umgründungssteuergesetzes, BGBl. Nr. 699/1991
idF BGBl. I Nr. 161/2005 (UmgrStG), lauten (auszugsweise) wie folgt:
"Artikel III Einbringung
§ 12. Anwendungsbereich
(1) Eine Einbringung im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn Vermögen (Abs. 2) auf Grundlage
eines schriftlichen Einbringungsvertrages (Sacheinlagevertrages) und einer Einbringungsbilanz (§ 15) nach
Maßgabe des § 19 einer übernehmenden Körperschaft (Abs. 3) tatsächlich übertragen wird. Voraussetzung ist,
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Verwaltungsgerichtshof
26.02.2015
dass das Vermögen am Einbringungsstichtag, jedenfalls aber am Tag des Abschlusses des
Einbringungsvertrages, für sich allein einen positiven Verkehrswert besitzt. Der Einbringende hat im Zweifel die
Höhe des positiven Verkehrswertes durch ein begründetes Gutachten eines Sachverständigen nachzuweisen.
(2) Zum Vermögen zählen nur
1. Betriebe und Teilbetriebe, die der Einkunftserzielung gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 des
Einkommensteuergesetzes 1988 dienen, wenn sie zu einem Stichtag eingebracht werden, zu dem eine Bilanz (§ 4
Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988) für den gesamten Betrieb des Einbringenden vorliegt. (...)
§ 13. Einbringungsstichtag
(1) Einbringungsstichtag ist der Tag, zu dem das Vermögen mit steuerlicher Wirkung auf die übernehmende
Körperschaft übergehen soll. Der Stichtag kann auch auf einen Zeitpunkt vor Unterfertigung des
Einbringungsvertrages rückbezogen werden. In jedem Fall ist innerhalb einer Frist von neun Monaten nach
Ablauf des Einbringungsstichtages (§ 108 der Bundesabgabenordnung)
- die Anmeldung der Einbringung im Wege der Sachgründung bzw. einer Kapitalerhöhung zur
Eintragung in das Firmenbuch und
- in den übrigen Fällen die Meldung der Einbringung bei dem gemäß § 58 der Bundesabgabenordnung für
die übernehmende Körperschaft zuständigen Finanzamt
vorzunehmen. Erfolgt die Anmeldung oder Meldung nach Ablauf der genannten Frist, gilt als
Einbringungsstichtag der Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages, wenn dies innerhalb einer Frist
von neun Monaten nach Ablauf des Ersatzstichtages (§ 108 BAO) dem gemäß § 58 der
Bundesabgabenordnung für die übernehmende Körperschaft zuständigen Finanzamt gemeldet wird und die
in § 12 Abs. 1 genannten Voraussetzungen auf den Ersatzstichtag vorliegen.
(...)"
Gemäß § 6 Z 14 lit. b EStG 1988 gilt die Einbringung von Wirtschaftsgütern und sonstigem Vermögen in
eine Körperschaft als Tausch im Sinne der lit. a leg. cit., wenn sie nicht unter das UmgrStG fällt.
Nach § 12 Abs. 2 Z 1 UmgrStG sind nur (Teil)Betriebe einbringungsfähig, "wenn sie zu einem Stichtag
eingebracht werden, zu dem eine Bilanz (§ 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1988) für den gesamten
Betrieb des Einbringenden vorliegt" (so genannte Stichtagsbilanz). Die Gesetzesmaterialien führen dazu
aus (Erl RV 266 BlgNR XVIII. GP, 23): "Das Verknüpfen der (Teil)Betriebseinbringung mit dem
Vorliegen einer steuerlichen Bilanz ist eine notwendige Folge der Tatsache, dass nach § 13 zu jedem
beliebigen Stichtag eingebracht werden kann. Grundlage einer Einbringung zum Regelbilanzstichtag ist der
Jahresabschluss des einbringenden Kaufmannes, bei anderen Einbringenden eine Vermögensübersicht
(Steuerbilanz im Sinne des § 4 EStG). Grundlage einer Einbringung zu einem Zwischenstichtag muss eine
auf diesen Tag erstellte Steuerbilanz sein, sodass auch in diesem Fall Bestand und Wert des Vermögens
festgestellt werden kann. Abs. 1 sieht daher auch bei Teilbetriebseinbringungen auf einen Zwischenstichtag
eine den gesamten Betrieb umfassende Steuerbilanz vor."
Die Stichtagsbilanz dient der Gewinnermittlung und Ergebnisabgrenzung für den Einbringenden bis zum
Einbringungsstichtag; im praktischen Regelfall wird sie gleichzeitig die Grundlage für die Aufstellung der
(von der Stichtagsbilanz zu unterscheidenden) Einbringungsbilanz nach § 15 darstellen, womit ihr
mittelbar auch Bedeutung für die Feststellung des buchmäßigen Einbringungswertes zukommt. Die
Stichtagsbilanz wird als Anwendungsvoraussetzung für die Einbringung von Betrieben und Teilbetrieben
betrachtet (vgl. Furherr in Kofler, Umgründungssteuergesetz3, § 12 Tz 102).
Bedeutung kommt der Stichtagsbilanz insbesondere bei Einbringung von Teilbetrieben oder
Mitunternehmeranteilen zu, weil bei einer Teilbetriebseinbringung eine Steuerbilanz für den Gesamtbetrieb
des Einbringenden bzw. im Falle der Einbringung eines Mitunternehmeranteiles eine Bilanz der
Mitunternehmerschaft auf den Einbringungsstichtag vorliegen muss. Wird wie im gegenständlichen Fall
der gesamte Betrieb in eine Körperschaft eingebracht, erfüllt auch die Einbringungsbilanz nach Vornahme
allenfalls notwendiger steuerlicher Anpassungen im Sinne des Erkenntnisses vom 29. Jänner 2015,
2011/15/0169, das Erfordernis des § 12 Abs. 2 Z 1 UmgrStG. Nach dem vom Finanzamt nicht in Abrede
gestellten Vorbringen des Revisionswerbers umfasste die Einbringungsbilanz alle am Einbringungsstichtag
vorhandenen Aktiva und Passiva des Einzelunternehmens. Die Korrektur der Einbringungsbilanz um die
Entnahmen iSd § 16 Abs. 5 UmgrStG ist einer (tatsächlich auch erfolgten) Bilanzberichtigung nach § 4
Abs. 2 EStG 1988 gleichzuhalten. Würde man mit dem Bundesfinanzgericht auch in einem solchen Fall
von einer Nichtanwendbarkeit des Art. III UmgrStG ausgehen, erwiese sich die damit verbundene
Rechtsfolge der vollen Gewinnrealisierung als überschießend.
Das Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG
aufzuheben.
Von der Durchführung der seitens des Revisionswerbers beantragten mündlichen Verhandlung konnte
gemäß § 39 Abs. 1 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGHAufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 26. Februar 2015
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GZ. RV/5100439/2011
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RR
in der Beschwerdesache
B F, Adr1, vertreten durch STB, Adr2, gegen den Bescheid des Finanzamtes FA, vertreten
durch AB, vom 28.10.2010, St.Nr. xxxx, betreffend Einkommensteuer 2009 nach
Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.11.2015 im Beisein des Schriftführers
SF
zu Recht erkannt:
Der Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der im den angefochtenen
Einkommensteuerbescheid angeführten Abgabe betragen:
Bemessungsgrundlage
Jahr
Art
2009
Einkommen
Höhe
Abgabe
Art
41.935,50 € Einkommensteuer
anrechenbare
Höhe
11.612,75 €
-13.712,03 €
Lohnsteuer
ergibt folgende festgesetzte Einkommensteuer (Gutschrift)
-2.099,28 €
Die Berechnung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe sind dem
als Anlage angeschlossenen Berechnungsblatt, das einen Bestandteil dieses
Bescheidspruches bildet, zu entnehmen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensablauf:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf) ist als Komplementär im Ausmaß von
50% der Firma C KG beteiligt; die restliche Beteiligung im Ausmaß von 50% wird vom
Kommanditisten gehalten.
2. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 machte er aus dem
Titel des Verlustabzuges Sonderausgaben in Höhe von 30.119,82 € geltend.
3. Über Nachfrage des Finanzamtes erläuterte er dies folgendermaßen:
Die Fa. A GmbH wurde per 29.2.2008 in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt und
die C KG errichtet. Die Gesellschafter der A GmbH B F und D F hielten einen Anteil
von je 50% am Stammkapital. In der durch die Umwandlung errichteten C KG bleibt das
Beteiligungsverhältnis gleich.
Die Verlustvorträge errechnen sich daher wie folgt:
Verlustvorträge der A GmbH 2007
215.715,04
"Verbrauch" 2008 (75% v. Gewinn 105.607,96)
-79.205,97
136.509,07
50% B F
68.254,54
50% D F
68.254,53
4. Nachdem ein Verlustabzug im Erstbescheid ursprünglich anerkannt worden war,
erging im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens gemäß § 299 BAO ein neuerlicher
Einkommensteuerbescheid 2008 vom 23.06.2010, in dem dieser unberücksichtigt
blieb. Begründend wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass aufgrund der §§ 10
UmgrStG iVm 4 Z 1a UmgrStG bei einer Umwandlung gemäß Art. II UmgrStG zum
28.2.2008 eine Geltendmachung der Verluste durch den Gesellschafter der KG erst im
darauf folgenden Veranlagungszeitraum – dh erst bei der Einkommensteuerveranlagung
2009 und nicht bereits 2008 – möglich sei. Darüber hinaus wurde dem Bf bereits im
Rahmen der Bescheidbegründung für das Jahr 2008 die Ansicht der Finanzverwaltung
mitgeteilt, dass im Rahmen der Umwandlung der Fa. E GmbH gemäß Art. II UmgrStG
in die Fa. C KG ein Übergang der noch nicht verrechneten Verluste nicht stattgefunden
haben könne, da dies voraussetze, dass auch das den Verlust verursachende Vermögen
an das Nachfolgeunternehmen übertragen werde (Verweis auf § 4 Z 1 lit. c UmgrStG).
Der Einkommensteuerbescheid 2008 erwuchs in Rechtskraft.
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5. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 machte der Bf
abermals Sonderausgaben aus dem Titel des Verlustabzuges in Höhe von 38.134,72 €
geltend.
6. Im Zuge des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 28. Oktober 2010 wurden
diese nicht anerkannt, wobei begründend – zum Teil gleichlautend mit der Begründung
betreffend Einkommensteuer 2008 – im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wurde:
Unter Anwendung des Artikels II des Umgründungssteuergesetzes sei seitens der
Gesellschafter B und D F durch Anrechnung von jeweils 50% des Eigenkapitals der
umgewandelten A GmbH mit Vertrag vom 17.9.2008 rückwirkend auf den 29.02.2008
die Fa. C KG gegründet worden. Dabei sei beabsichtigt gewesen, die bis zum
Umgründungsstichtag bei der Fa. E GmbH nicht zur Verrechnung gekommenen
Verlustvorträge gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 KStG in Höhe von insgesamt -110.107,08 €
ebenfalls auf die neu gegründete KG übergehen zu lassen bzw. im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung der Beteiligten im Ausmaß ihrer Beteiligung (jeweils 50%)
einer Verwertung zuzuführen.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung habe jedoch im Rahmen der Umwandlung
ein Übergang der noch nicht verrechneten Verluste nicht stattgefunden, da
dies voraussetze, dass auch das den Verlust verursachende Vermögen an das
Nachfolgeunternehmen übertragen werde. Gemäß § 4 Z 1 lit. c UmgrStG sei, "wenn
der Umfang der Betriebe, Teilbetriebe oder nicht in einem Betrieb zurechenbaren
Vermögensteile am Verschmelzungsstichtag gegenüber jenem im Zeitpunkt des
Entstehens der Verluste derart vermindert sei, dass nach dem Gesamtbild der
wirtschaftlichen Verhältnisse eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben sei, der von
diesen Betrieben, Teilbetrieben oder Vermögensteilen verursachte Verlust vom Abzug
ausgeschlossen".
Im gegenständlichen Fall sei vor dem Umwandlungsstichtag das Anlagevermögen
der übertragenden Gesellschaft fast vollständig veräußert worden (BW 28.2.2007:
256.160,00 €; BW 28.2.2008: 9.720,00 €; Anlagenerlös WJ 2008: 385.500,00 €) und in der
Folge auch die Zahl der Beschäftigten drastisch reduziert worden. Eine Vergleichbarkeit
des übergegangenen Vermögens mit jenem zum Zeitpunkt der Verlustentstehung sei
somit nicht mehr gegeben.
7. Dagegen erhob der Bf durch seine steuerliche Vertreterin innerhalb verlängerter
Rechtsmittelfrist mit Schreiben vom 15. Dezember 2010 Berufung und beantragte für
den Fall der Vorlage an die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Durchführung einer
mündlichen Verhandlung.
Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung sei im gegenständlichen Fall nach dem
Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Vergleichbarkeit der Unternehmen
tatsächlich gegeben.
Die A GmbH sei ursprünglich eine kleine Transport GmbH gewesen, die sich
ausschließlich mit Granittransporten und Erdbau beschäftigt habe.
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Zur Ausweitung des Geschäftsbetriebes sei als erfolgsversprechende Unternehmensidee
im Mai 2004 eine Raupenmobile Bakkenbrechanlage angeschafft worden. Dieses mobile
Gerät habe die Option ermöglicht, Bauschutt und auch Asphalt, der beim Abbau der
alten Straßen anfällt, recyceln zu können. Leider habe sich diese Geschäftsidee als nicht
gewinnbringend herausgestellt und die sehr hohen Abschreibungen der Anlage hätten
Verluste ausgelöst. Dieses Kapitel sei im Einvernehmen mit der Bank durch einen Verkauf
der Anlage abgeschlossen.
Dieses fehlgeschlagene Investitionsprojekt habe in einem Zwangsausgleich gemündet, in
welchem aber – in Verbindung mit dem Verkauf dieser Anlage und der Realisierung der
darin enthaltenen stillen Reserven – nur die Verluste aus diesem Bereich wieder eliminiert
hätten werden können. Übrig sei der ursprüngliche Transport- und Erdbaubetrieb mit
den diesem Bereich zuzuordnenden Verlusten geblieben. Dieser Urbetrieb sei nach dem
Zwangsausgleich fortgeführt, entsprechend der ursprünglichen Ausrichtung repositioniert
und von der Nachfolgegesellschaft fortgeführt worden.
§ 10 UmgrStG bestimme für den Verlustabzug bei Umwandlungen nach Art. II UmgrStG,
dass § 8 Abs. 4 Z 2 des KStG anzuwenden sei, und verweise ergänzend auf § 4 Z 1
lit. a, c und d UmgrStG. Danach würden Verluste im Rahmen der Buchwertfortführung
insoweit als abzugsfähige Verluste der übernehmenden Körperschaft gelten, als sie den
übertragenen Betrieben zugerechnet werden könnten. Lit. c fordere weiters, dass nach
dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse der übertragene Betrieb mit jenem im
Zeitpunkt des Entstehens der Verluste vergleichbar sein müsse.
Damit normiere § 10 UmgrStG keinen eigenen Tatbestand, sondern übertrage explizit die
Anwendung des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG. Nach dieser Bestimmung stehe der Verlustabzug ab
jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen in Folge einer
wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur nach dem
Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben sei.
Für die Beurteilung, ob eine derartige Veränderung stattgefunden habe, sei daher auf
Lehre und Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 Z 2 KStG zurückzugreifen:
Ansatzpunkt sei der Verlust der Vergleichbarkeit, also der Verlust der wirtschaftlichen
Identität. Dabei müsse dieser durch das Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse
angezeigt werden. Die im § 8 angeführten Strukturänderungen seien jene Elemente,
die bei der Beurteilung des Gesamtbildes heranzuziehen seien. Sie seien aber
nicht als Definition des Verlustes der wirtschaftlichen Identität zu verstehen. Jedes
Tatbestandsmerkmal dürfe nicht isoliert gesehen werden, sondern immer nur in
Verbindung mit dem Begriff Gesamtbild der Verhältnisse. Das führe im Ergebnis dazu,
dass der Verlust der Vergleichbarkeit nur unter besonders qualifizierten Umständen
anzunehmen sei (vgl. Quantschnigg/Renner/Schellmann/ Stöger, Die Körperschaftsteuer
1988, Bd. II, Tz 278, 278/1 und 279 zu § 8).
Nach Ansicht der Lehre müssten für den Verlust der wirtschaftlichen Identität
(Vergleichbarkeit) alle Elemente einer Strukturänderung kumulativ vorliegen.
Als grundlegende Strukturänderung werde eine vollkommene Änderung des
Unternehmensgegenstandes gesehen. Im gegenständlichen Fall werde dieser in keiner
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Weise geändert, es werde dieselbe Tätigkeit, wie sie im Zeitraum der Entstehung der
Verluste ausgeübt worden sei, auch im Zeitpunkt der Umwandlung ausgeübt.
Zu den Strukturänderungen im Einzelnen:
Eine organisatorische Strukturänderung habe im gegenständlichen Fall nicht
stattgefunden, weil im Bereich der Willensbildung durch die Umwandlung kein Austausch
der leitenden Organe erfolgt sei: Der Bf sei als Gesellschafter-Geschäftsführer der
umgewandelten GmbH zum Komplementär der Nachfolgegesellschaft geworden.
Seine Beteiligung mit 50% sei gleich geblieben. Der zweite Gesellschafter mit einer
50%igen Beteiligung sei Kommanditist in der Nachfolgegesellschaft mit ebenfalls 50%iger
Beteiligung geworden.
Auch eine wirtschaftliche Strukturänderung habe nicht stattgefunden:
Eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur setze grundsätzlich einen Wechsel
oder eine Erweiterung des Unternehmensgegenstandes voraus. Bleibe der
Unternehmensgegenstand gleich, so könne eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur
vorliegen, wenn im wesentlichen Umfang neues Betriebsvermögen zugeführt werde.
Ein bloßes Schrumpfen der betrieblichen Tätigkeit einer Körperschaft könne nach Sinn
und Zweck der Regelung nicht als wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur
angesehen werden (vgl. ebenda Tz 287). Auch durch das Folgeunternehmen werde
die bestehende Struktur fortgeführt bzw. seien lediglich Erneuerungsinvestitionen zur
von Anfang an bestehenden Struktur erfolgt (der Bereich der Brechanlage sei ja ein
Teilbereich, der erst 2004 dazugekommen sei, sich durch die hohen Abschreibungen
als Verlustbringer herausgestellt habe und der durch den Verkauf der Anlage bzw. den
Zwangsausgleich im Zusammenhang damit eliminiert worden sei).
Die Bestimmung des § 10 UmgrStG sei durch die ausdrückliche Anwendung des § 8
Abs. 4 Z 4 KStG keine Maßnahme zur quantitativen Beschränkung von Verlustvorträgen
im Verhältnis zum Betriebsumfang, sondern eine Maßnahme, den "Transfer" von
Verlustvorträgen zu unterbinden, wenn die wirtschaftliche Identität einer Körperschaft nach
dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht mehr gegeben sei. Qualitative Merkmale könnten
grundsätzlich dafür Indikatoren sein, diese seien jedoch immer im Zusammenhang mit
dem "Gesamtbild der Verhältnisse" zu würdigen. So könnte durch ein weitgehendes
Schrumpfen einer bestehenden wirtschaftlichen Einheit und anschließend der
Schaffung einer neuen wirtschaftlichen Einheit durch das Nachfolgeunternehmen die
"Vergleichbarkeit nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse" verloren
gegangen sein. Eine bloße Schrumpfung ohne anschließendes "andersartiges" Wachstum
hingegen könne nicht zum Verlust der wirtschaftlichen Identität führen (vgl. ebenda
Tz 287 Abs. 2 und Wolf, ÖWZ 2002, 38ff). Auch in diesen Fällen den Verlustvortrag zu
versagen, würde nicht den Intentionen des Gesetzes (die durch den Verweis auf § 8 KStG
ganz eindeutig seien) entsprechen. Weiters würde sich eine unzumutbare Belastung
eines gerade erst sanierten Unternehmens dadurch ergeben, dass es zu einer nach
seiner Gesundschrumpfung unangepassten überteuerten Rechtsform verurteilt würde,
wenn es nicht gravierende steuerliche Nachteile in Kauf nehmen wolle – was sowohl
den Intentionen des Umgründungssteuerrechtes an sich als auch der Gleichmäßigkeit
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der Besteuerung widerspräche. Es werde daher der Antrag gestellt, die Verlustvorträge
anzuerkennen.
8. Mit Berufungsvorentscheidung vom 26. Jänner 2011 wurde die gegenständliche
Berufung vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen, wobei begründend im
Wesentlichen Folgendes ausgeführt wurde:
Die Fa. A GmbH sei mit Vertrag vom 17.9.2008 gemäß § 5 UmwG unter gleichzeitiger
Errichtung einer eingetragenen Personengesellschaft – Fa. C KG – umgewandelt
worden. Für Verluste der übertragenden Körperschaft, die bis zur Umgründung noch nicht
verrechnet worden seien, sei § 4 Z 1 lit. a, c und d UmgrStG anzuwenden. Das Recht
auf den fortgesetzten Verlustabzug sei mit dem Vorhandensein des verlusterzeugenden
Objektes zum Umwandlungsstichtag verknüpft.
In der Berufung werde ausgeführt, dass die verlusterzeugende Backenbrechanlage schon
vor dem Umwandlungsstichtag verkauft worden sei; außerdem habe eine "Schrumpfung"
des Betriebes stattgefunden.
Nach den UmgrStR seien als Parameter für die wirtschaftliche Vergleichbarkeit
quantitative Messgrößen wie Umsatz, Beschäftigtenzahl, Anlagevermögen,
Auftragsvolumen heranzuziehen. Diese Messgrößen seien bei der Fa. C KG deutlich
geringer (1 Beschäftigte, USt-Kleinunternehmer, geringeres Anlagevermögen).
Der Umfang des Betriebes am Umwandlungsstichtag sei gegenüber jenem im Zeitpunkt
des Entstehens der Verluste derart vermindert, dass nach dem Gesamtbild der
wirtschaftlichen Verhältnisse eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben sei. Nach § 4 Z 1
lit. c UmgrStG sei in diesem Fall der Verlust vom Abzug ausgeschlossen.
9. Mit Schreiben vom 1. März 2011 beantragte der Bf, seine Berufung der
Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag), wobei in
diesem Zusammenhang zunächst auf die ausführliche Begründung in der Berufungsschrift
verwiesen wurde. Zusätzlich wurde Folgendes eingewendet:
Verlustbringer seien einerseits der die Granittransporte und den Erdbau umfassende
laufende Betrieb und andererseits eine vor nicht allzu langer Zeit erfolgte Ausweitung
des Geschäftsbetriebes um eine Backenbrechanlage gewesen. Diese Ausweitung sei
durch den Verkauf der Backenbrechanlage wegen Unrentabilität zurückgenommen und die
daraus (insbesondere aus den hohen Abschreibungen der Anlage) resultierenden Verluste
durch den Gewinn (aus den stillen Reserven) der Backenbrechanlage egalisiert worden.
Die verbleibenden Verlustvorträge würden nachvollziehbar aus dem jahrelang ausgeübten
Betrieb mit einer charakteristischen Tätigkeit im Bereich Granittransporte und Erdbau
stammen.
Ein Betrieb verliere dadurch, dass er kleiner werde, nicht seine Identität, wenn sich die
Relationen der wesentlichen Determinanten zueinander nicht verschieben und keine
zusätzlichen Geschäftsbereiche, Finanzierungen oder Tätigkeiten dazukommen würden.
Die "Anwendung" der Umgründungssteuerrichtlinien ohne Berücksichtigung des im
Einzelnen wirklich zugrunde liegenden Sachverhaltes widerspreche der Absicht und
dem Sinn des Gesetzes: Mit der gesetzlichen Bestimmung solle Missbrauch durch
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die "Verschleppung" von Verlustvorträgen in andere Bereiche oder deren "Verkauf"
unterbunden werden – das zeige auch die Historie der rechtlichen Entwicklung. Im
gegenständlichen Fall würde diese Auslegung dazu führen, dass entgegen der Absicht
des Gesetzgebers, nämlich dem Betrieb und den damit verbundenen Personen die
Möglichkeit zu geben, durch steuerliche Nutzung der erlittenen Verluste den Betrieb
weiter fortzuführen und damit zu erhalten, entschieden würde. Dementsprechend
normiere § 4 Z 1 lit. c, dass die Vergleichbarkeit des Betriebes "nach dem Gesamtbild
der wirtschaftlichen Verhältnisse" zu beurteilen sei. Dieses Gesamtbild erschöpfe sich
aber nicht in den drei in den Umgründungssteuerrichtlinien (als Interpretationshilfe)
vorgeschlagenen Parametern.
10. Mit Vorlagebericht vom 1. April 2011 wurde die gegenständliche Berufung vom
Finanzamt dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur
Entscheidung vorgelegt.
11. Am 29.04.2011 erging ein Feststellungsbescheid für das Jahr 2009, mit welchem
die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Fa. C KG gemäß § 188 BAO einheitlich und
gesondert festgestellt wurden. Der Einkunftsanteil des Gesellschafters B F (= Bf) wurde
mit einem Verlust von -2.102,21 € festgestellt.
12. Mit BGBl I 51/2012 (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) wurde im
Rahmen der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit 1. Jänner 2014 das
Bundesfinanzgericht eingerichtet und der bisher als Abgabenbehörde zweiter
Instanz fungierende Unabhängige Finanzsenat per 31. Dezember 2013 aufgelöst. Die
Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei dieser
Behörde anhängigen Verfahren ging auf das Bundesfinanzgericht über (Art. 129 iVm
Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG idF BGBl I 51/2012).
Zu diesem Zeitpunkt beim Unabhängigen Finanzsenat anhängige Berufungen sind gemäß
§ 323 Abs. 38 BAO idF BGBl I 14/2013 (Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012)
nunmehr vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 BVG zu erledigen. Auch die gegenständliche Berufung war daher als Beschwerde zu
behandeln und darüber mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes zu entscheiden.
13. Im Rahmen der beim Bundesfinanzgericht am 04.11.2015 durchgeführten
mündlichen Verhandlung betonte die steuerliche Vertreterin des Bf's, dass der
Verlust der Identität eines Unternehmens nicht bloß an Hand quantitativer Kriterien,
sondern auch im Einzelfall qualitativ zu prüfen sei. Eine wesentliche Komponente
sei die Arbeitskraft der Gesellschafter-Geschäftsführer und das damit verbundene
Firmen-Knowhow. Das Anlagevermögen sei nicht in seiner Größe, sondern in seiner Art
bestimmend. Der Zwangsausgleich habe die Voraussetzungen für die Fortführung des
Unternehmens geschaffen. Es sei zu einem Gesundschrumpfen des Unternehmens, zu
einer "Redimensionierung" gekommen. Es habe in den bisherigen Bereichen mit kleineren
Geräten weitergearbeitet und einen anderen Kundenkreis (Privat- statt Firmenkunden)
angesprochen. Mit Geldern der Gesellschafter sei es nach und nach gelungen, den
Kernbereich durch Reinvestitionen wieder aufzubauen, was ohne bestehende Struktur,
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Firmenwert, Kontakte und Knowhow nicht möglich gewesen wäre. Der Umsatz habe
sich bei der KG in allen Bereichen wieder aufgebaut. In diesem Zusammenhang legte
die steuerliche Vertreterin eine Aufstellung der Umsatzentwicklung bei der KG ab 2008
vor, wonach die Umsätze von 11.068,00 € (2008) über 21.067,00 € (2009), 55.461,00 €
(2010), 35.686,00 € (2011), 49.273,00 € (2012) auf 91.417,00 € (2013) angestiegen
waren. Das sei eine Auswirkung des Sanierungsvorganges, nicht der Umwandlung.
Der Bf habe ein Dienstverhältnis mit sehr flexiblen Arbeitszeiten angenommen, um dem
Familienunternehmen Geschäfte zu vermitteln. Der andere Gesellschafter, sein Bruder,
habe intensiv gearbeitet. Der Sinn der Bestimmung sei, die missbräuchliche Verwendung
von Verlustvorträgen zu unterbinden. Hier sei ein klassischer Sanierungsfall gegeben, eine
Familiengesellschaft, die organisatorisch, personell, vom Tätigkeitsbereich her seit 1995
bestanden habe. Eine rein quantitative Beurteilung bei der Prüfung der wirtschaftlichen
Identität werde dem Auftrag des Gesetzes nicht gerecht.
Der Bf wies darauf hin, dass die Firma nach wie vor die gleiche sei. Es werde die
gleiche Tätigkeit ausgeübt, nur die kostenintensive Brechanlage sei weggefallen. Die
Firma sei verkleinert worden. Von der Bank habe man keine Kredite mehr bekommen.
Privatvermögen müsse erst verdient und könne nur langsam zugeschossen werden.
Hauptsächlich würde derzeit mit Mietmaschinen gearbeitet und aus Kostengründen
für Privatkunden gearbeitet. In den letzten Jahren sei sukzessive investiert worden.
Er verdiene das Geld mit seiner nichtselbständigen Tätigkeit. Die dortigen Kunden
seien teilweise Firmen, bei denen er auch günstig Maschinen leihen könne. Er arbeite
im Verkauf von Brech- und Siebanlagen und habe einen All-in-Vertrag, könne sich
die Zeit also frei einteilen. Er sei im Außendienst und hauptsächlich in Steinbrüchen,
Schottergruben und bei Erdbauunternehmen unterwegs, die die gleiche Tätigkeit wie das
frühere Unternehmen ausüben. Das bestehende Knowhow im Bereich der Brechtätigkeit
könne er einbringen und erreichen, dass sein Bruder zB kurzfristig Disponententätigkeiten
ausüben könne.
Die Vertreterin der belangten Behörde bekräftigte im Rahmen der mündlichen
Verhandlung ihren Standpunkt, dass der Umfang des Betriebes am Umwandlungsstichtag
nicht vergleichbar mit jenem zum Zeitpunkt der Verlustentstehung sei.
Zum Hinweis der Richterin, dass der Zwangsausgleich schon 2005, der Verkauf
der Brechanlage aber erst am 20.03.2007 gewesen sei, gab die steuerliche
Vertreterin an, dass die Finanzierung der Anlage durch die Bank erfolgt sei, dies unter
Eigentumsvorbehalt. Die Bank habe den Zwangsausgleich ermöglicht, indem sie dem
Unternehmen für den Verkauf der Anlage länger Zeit gelassen habe, um einen besseren
Preis dafür erzielen zu können. Der Käufer habe dann aber nicht nur die Anlage gewollt,
sondern auch die dazu passenden Geräte. Zum Transport habe man einen überschweren
LKW samt riesigem Sattelauflieger gebraucht. Auch eine Raupe habe dazu gehört. Da der
nunmehr kleinere Betrieb das nicht mehr benötigte, wäre dies mitverkauft worden.
Über Frage der Richterin, was die GmbH nach dem 20.03.2007 noch gemacht habe,
da die Erlöse von cirka 25.000,00 € laut Bilanz noch aus "Lohnbrechen" mit der
Backenbrechanlage herrührten, führte der Bf aus, dass er einen Arbeitsplatz gesucht
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habe. Mit dem Rest des Verbliebenen sei versucht worden, noch ein bisschen zu arbeiten.
Er habe seinen Bruder als Disponent und Ingenieur mit entsprechendem Knowhow bei der
Bedienung von Brechanlagen vermittelt. Der Bf selbst habe eine Arbeit gesucht, mit der
er Geld verdienen und gleichzeitig Arbeit für das Unternehmen vermitteln habe können.
Es sei eine Umgründungs- bzw. Orientierungsphase gewesen. Zunächst sei einmal der
Verkauf der Anlagen wichtig gewesen, um die Kredite der Bank bedienen zu können
und schuldenfrei zu werden. Von den eigenen Forderungen seien die GesellschafterGeschäftsführer zurückgestanden. Danach hätten sie Arbeiten je nach Gelegenheit
übernommen. Nach einem Jahr sei ein Klein-LKW gekauft worden. Leider verdiene er
nicht genug für größere Investitionen.
Die steuerliche Vertreterin wies ergänzend auf den Umsatz der KG in den restlichen zehn
Monaten des Jahres 2008 in Höhe von 11.000,00 € hin, der vorwiegend mit Bruchschotter,
Maschinen- und Personalverleih sowie Stein- und Schotterhandel gemacht worden sei
(Verweis auf vorgelegte Umsatzentwicklung). Die KG habe eine Spaltmaschine, einen
Splitterspaltzylinder zur Verfügung gehabt und die wesentlichen Leistungsträger, die
Brüder F mit dem wesentlichen Firmen-Knowhow und den Kontakten.
Über Frage der Richterin, ob eben diese Geräte am 28.02.2008 neu angeschafft worden
seien, erwiderte die steuerliche Vertreterin, dass man nun statt der großen die kleineren
Geräte verwendet habe. Der Bf ergänzte, dass man wegen des kleineren Baggers einen
Steinspalter angeschafft habe. Teilweise sei ein Lastwagen angemietet worden, vor allem
habe man am Anfang aber mit einem Privat-PKW-Anhänger gearbeitet. Erst nach und
nach seien weitere Anschaffungen gemacht worden. Samt der Personalbereitstellung
seines Bruders für andere Firmen seien die Umsätze langsam in Schwung gekommen.
Das Gewerbe sei im Herbst 2007 aus Kostengründen ruhend gemeldet worden. Die
steuerliche Vertreterin wies darauf hin, dass das aber nur vorübergehend gewesen sei.
Auch die Umwandlung von der GmbH in eine KG sei aus Kostengründen passiert, der
Jahresabschluss sei aufwändiger, Kammerumlage sei in dreifacher Höhe zu zahlen.
Der wirtschaftliche Grund der Rechtsformänderung sei gewesen, dass man bei dem
redimensionierten Unternehmen in der Fortführung nach der Sanierung die teure
Rechtsform genauso wenig gebraucht habe wie den schweren Sattelaufleger. Wenn man
gerade über den Winter keine großartigen Einnahmen erwarte, würden auch kleinere
Beträge beim Sparen helfen.
Zur Frage der Richterin, wonach aus der Bilanz zum Ende des Wirtschaftsjahres 2008
zwar 0 Arbeiter, aber 2 Angestellte hervorgingen, während es laut Lohnzettelauskunft
2008 nur noch eine Beschäftigte, die Mutter des Bf's, gegeben habe, gab die steuerliche
Vertreterin an, dass es sich offensichtlich um ein Abgrenzungsproblem gehandelt habe.
Im Jahresabschluss 2008 seien wegen des abweichenden Wirtschaftsjahres auch noch
Daten aus dem Jahr 2007 erfasst, die Lohnzettelauskunft betreffe nur das Kalenderjahr
2008.
Abschließend beantragte die Amtsvertreterin die Abweisung der Beschwerde
entsprechend der Beschwerdevorentscheidung.
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Die steuerliche Vertreterin des Bf's hielt fest, dass es sich hier um ein langjähriges
Familienunternehmen mit einer sehr konstanten Tätigkeit in drei Bereichen seit
dem Jahr 1995 handle. Das Unternehmen habe nach einem Zwangsausgleich
durch Restrukturierung und Redimensionierung den Fortbestand gesichert. Die
Rechtsformänderung sei aus Kostengründen erfolgt und nicht, um Verlustvorträge zu
lukrieren. Das sei nur eine positive Nebenwirkung gewesen. Die Eigentümer hätten
erhebliche Arbeits- und Geldleistungen aus sonstigem Einkommen aufgewendet, um den
Familienbetrieb zu erhalten. Es sei daher nur im Sinne des Institutes des Verlustvortrages,
dass dieser bei fortgesetztem Bemühen tatsächlich auch steuermindernd anerkannt
werde. Es werde daher die Anerkennung der Verluste beantragt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
I) Streitpunkt:
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren war strittig, ob und inwieweit im Gefolge
einer Umgründung (Umwandlung) die Verluste der übertragenden Gesellschaft
(Kapitalgesellschaft/GmbH) auf die übernehmende Gesellschaft (Personengesellschaft/
KG) übertragen und in der Folge von deren Gesellschafter als Sonderausgaben aus dem
Titel des Verlustabzuges geltend gemacht werden konnten.
II) Sachverhalt:
Aus der Aktenlage bzw. den Ermittlungsergebnissen laut dargestelltem Verfahrensablauf
ergibt sich zusammenfassend folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:
Die Fa. A GmbH (vormals E A GmbH) wurde mit Notariatsakt vom 07.07.1995 errichtet.
Die Anteile wurden zuletzt zu je 50% von B F (= Bf) und dessen Bruder D F gehalten.
Die Firma ermittelte den Gewinn gemäß § 5 EStG 1988 für ein abweichendes
Wirtschaftsjahr, das jeweils am 28. bzw. 29.02. eines Jahres endete.
Am 25.02.2004 wurde von der Gesellschaft, die sich mit Granittransporten und
Erdbau beschäftigte, zur Ausweitung des Geschäftsbetriebes eine raupenmobile
Backenbrechanlage um 408.000,00 € brutto (340.000,00 € netto) angeschafft und ins
Anlagevermögen aufgenommen. Mit dieser Anlage konnten Bauschutt und Asphalt
recycelt werden.
Am Datum1 wurde über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet, der in einem
Zwangsausgleich mündete. Mit Annahme des Zwangsausgleichs am Datum2 wurde der
Konkurs per Datum3 wieder aufgehoben.
Aufgrund der negativen Betriebsergebnisse der Kapitalgesellschaft waren per 28.02.2006
Verlustvorträge aus folgenden Jahren noch nicht verrechnet:
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1999
-3.360,88
2000
-14.870,53
2001
-15.725,31
2004
-70.673,93
2005
-190.394,55
2006
-19.015,68
Summe
314.040,88
Am 20.03.2007 schied die im Jahr 2004 angeschaffte Backenbrechanlage mit einem
Buchwert von 231.000,00 € wieder aus dem Anlagevermögen des Betriebes aus.
Daneben gingen auch sämtliche anderen Geräte und Maschinen (Förderbandwaage,
Backenbrecheranlage LOKOMO, Raupenbagger, Radlader) sowie auch zur
Gänze die Anlagegüter des Fuhrparks (LKW Volvo, 2 Sattelanhänger) ab, sodass
sich gegenüber dem Buchwert zum 28.02.2007 in Höhe von 276.866,00 € zum 29.02.2008
nur noch ein Buchwert des Anlagevermögens in Höhe von 10.170,00 € ergab. Dieser
Buchwert zum 29.02.2008 umfasste allerdings ausschließlich am 28.02.2008 angeschaffte
Anlagegüter (Spaltmaschine, Splitter, Spaltzylindergerät).
Mit Vertrag vom 17.09.2008 wurde die Fa. A GmbH rückwirkend per 29.02.2008 in eine
Kommanditgesellschaft umgewandelt und die C KG errichtet.
An der nunmehrigen Personengesellschaft waren zu je 50% der Bf B F als Komplementär
und D F als Kommanditist beteiligt, was auch dem Beteiligungsverhältnis dieser
vormaligen beiden Gesellschafter an der A GmbH entsprach.
Die jeweils per Ende Februar ermittelten Betriebsergebnisse der GmbH in den Jahren
2007 und 2008 beliefen sich auf folgende Höhe und entwickelte sich der durch
Verlustabzug ergebende restliche Verlustvortrag in folgender Weise:
2007
Einkünfte aus GW
Verlustabzug
Restl. Verlustvortrag
98.325,84
-98.325,24
215.715,04
-79.205,97
136.509,07
(inkl. Sanierungsgew.
iHv 122.735,97)
2008
105.607,96
Da ihm seiner Ansicht nach 50% dieses Betrages, nämlich 68.254,53 €, in seiner
Eigenschaft als Gesellschafter der C KG als Verlustvortrag zufielen, machte der Bf im
Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2009 einen Teilbetrag hievon in Höhe von
38.134,72 € als Sonderausgaben aus dem Titel des Verlustabzuges geltend.
Das Finanzamt verwehrte diesen Verlustabzug im angefochtenen
Einkommensteuerbescheid 2009 vom 28.10.2010 mit der Begründung, dass das
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den Verlust verursachende Vermögen nicht mehr mit dem anlässlich der Umgründung
übergegangenen Vermögen vergleichbar sei.
Dagegen ist das Beschwerdebegehren gerichtet, wobei in diesem Zusammenhang
auf die Beibehaltung der wirtschaftlichen Identität hingewiesen wurde, die durch
die ausdrückliche Bezugnahme in § 10 UmgrStG auf § 8 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 für
den Übergang der Verlustvorträge maßgeblich sei. Eine bloße Schrumpfung ohne
"andersartiges Wachstum", wie es im gegenständlichen Fall gewesen sei (Beibehaltung
des Unternehmensgegenstandes und der Gesellschafterstruktur) könne nicht zum Verlust
der wirtschaftlichen Identität führen. Die Versagung des Verlustvortrages auch in diesen
Fällen widerspräche der Intention des Gesetzgebers.
Die Entwicklung des Vermögens der GmbH bzw. jene der Beschäftigtenzahl und des
Personalaufwandes in den Jahren ab 2005 stellte sich folgendermaßen dar:
2005
Beschäftigte
2006
2007
2008
2 Arbeiter
2 Arbeiter
3 Arbeiter
0 Arbeiter
1 Angestellte/r
2 Angestellte
2 Angestellte
2 Angestellte
71.238,00
44.973,00
20.531,00
0,00
306.267,00
282.224,00
256.160,00
9.720,00
1.148,00
350,00
175,00
450,00
135,00
0,00
0,00
0,00
378.788,00
327.547,00
276.866,00
10.170,00
1)
Anlagevermögen/
Sachanlagen:
Fuhrpark
Baumaschinen
Büro, EDV
Sonstige
2)
3)
4)
Betriebsausst.
Summe/
Anlagevermögen
5)
Veräußerungserlös/
385.500,00
Fuhrpark, Geräte
20.03. bzw.
04.04.2007
Anschaffungskosten/
11.300,00
Anlagevermögen
28.02.2008
Umsatzerlöse
378.883,10
293.994,42
281.449,00
Bilanzssumme
436.561,02
408.880,53
413.889,85
6)
25.763,05
54.894,92
1) Am Umwandlungsstichtag war noch eine Angestellte (= Mutter der Gesellschafter)
vorhanden.
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2) Die im Jahr 2003 angeschafften zwei Sattelanhänger und der LKW Volvo waren am
20.3.2007 veräußert worden.
3) Dieser Buchwert umfasst drei erst am 28.2.2008 angeschaffte Geräte
(Spaltmaschine, Splitter, Spaltzylindergerät - Anschaffungskosten gesamt 10.800,00 €).
Sämtliche den Buchwert zum 28.02.2007 bildenden (2004 und 2006 angeschafften)
Maschinen (Backenbrechanlage, Backenbrecheranlage LOKOMO, Förderbandwaage,
Raupenbagger, Radlader) waren am 20.03. bzw. 04.04.2007 veräußert worden, um die
Kredite der Bank nach dem Zwangsausgleich zu befriedigen.
4) Der Buchwert von 450,00 € betrifft einen am 28.2.2008 angeschafften Schreibtisch.
5) Bei diesen Erlösen handelt es sich um die laufenden Erlöse. 2008 kamen zu diesen
noch Erlöse aus Anlagenverkauf im Ausmaß von 385.500,00 € (= Verkauf der Anlagen laut
Punkt 1 und 2 am 20.03. bzw. 04.04.2007).
6) Darin enthalten Erlöse "Lohnbrechen" (Backenbrechanlage) in Höhe von 24.749,78 €.
Der Bf nahm nach dem Abverkauf der Anlagegüter eine nichtselbständige Arbeit auf, der
andere Gesellschafter (Bruder) übernahm gelegentliche Disponententätigkeiten. Da von
der Bank keine Kreditmittel zur Verfügung gestellt wurden, wurden erst per 28.02.2008
wieder Anlagegüter (siehe Punkt 3) angeschafft. Mit diesen wurde der Betrieb in kleinerem
Umfang fortgeführt.
Das Gewerbe (Sprengungsunternehmen, Teilgewerbe Erdbau, Güterbeförderung) wurde
per 30.09.2007 ruhend gemeldet. Per 18.02.2008 hinsichtlich "Teilgewerbe Erdbau" wieder
aufgenommen.
Nach Erlassung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2009 erging am
29.04.2011 ein Bescheid, mit dem die Einkünfte der Fa. C KG gemäß § 188 BAO
einheitlich und gesondert festgestellt wurden. Der Einkunftsanteil des Bf's wurde darin mit
-2.102,21 € ausgewiesen (Einkünfte aus Gewerbebetrieb).
III) Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt des Finanzamtes betreffend den Bf sowie
den vom Bundesfinanzgericht angeforderten Akten des Finanzamtes betreffend
die Fa. A GmbH und die C KG, insbesonders aus den darin aufliegenden Bilanzen
(einschließlich Umwandlungsbilanz), Verträgen (Umwandlungsvertrag, KG-Vertrag),
Firmenbuchauszügen und Mitteilungen der Wirtschaftskammer S über Ruhend- und
Wiederbetriebsmeldung betreffend das Gewerbe.
Weiters wurden die Ergebnisse der vor dem Bundesfinanzgericht durchgeführten
mündlichen Verhandlung berücksichtigt. Im Rahmen dieser Verhandlung wurden die sich
aus den Akten ergebenden und vorgetragenen Wertansätze von den Parteien nicht in
Zweifel gezogen.
IV) Rechtliche Beurteilung:
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A) Rechtsgrundlagen/Allgemeines:
Die für die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Beschwerdefalles maßgeblichen
Rechtsgrundlagen lauten folgendermaßen:
A) Allgemeine Bestimmungen zur Umwandlung:
§ 7 des Umgründungssteuergesetzes, BGBl 699/1991 (in der Folge kurz UmgrStG) Anwendungsbereich:
"(1) Umwandlungen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind
1. errichtende Umwandlungen nach dem Bundesgesetz über die Umwandlung von
Handelsgesellschaften, BGBl. Nr. 304/1996, wenn am Umwandlungsstichtag und am Tag
des Umwandlungsbeschlusses ein Betrieb vorhanden ist,
….
(3) Rechtsnachfolger sind der Hauptgesellschafter (§ 2 Abs. 1 UmwG),
beziehungsweise dessen Gesellschafter (Mitunternehmer), oder die Gesellschafter
(Mitunternehmer) der errichteten Personengesellschaft (§ 5 Abs. 1 UmwG).
(4) Auf Umwandlungen sind die §§ 8 bis 11 anzuwenden."
§ 1 des Bundesgesetzes über die Umwandlung von Handelsgesellschaften,
BGBl 304/1996, (in der Folge kurz UmwG) in der für den Beschwerdezeitraum
geltenden Fassung – Begriff der Umwandlung:
"Kapitalgesellschaften können nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen unter
Ausschluß der Abwicklung durch Übertragung des Unternehmens im Weg der
Gesamtrechtsnachfolge auf einen Gesellschafter oder in eine offene Gesellschaft oder
Kommanditgesellschaft (Nachfolgerechtsträger) umgewandelt werden."
§ 5 UmwG - Umwandlung unter gleichzeitiger Errichtung einer eingetragenen
Personengesellschaft:
"(1) Die Hauptversammlung (Generalversammlung) einer Kapitalgesellschaft kann die
Errichtung einer offenen Gesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft und zugleich
die Übertragung des Vermögens der Kapitalgesellschaft auf die offene Gesellschaft oder
Kommanditgesellschaft beschließen. An dieser Personengesellschaft müssen Personen,
deren Anteilsrechte zumindest neun Zehntel des Grundkapitals (Stammkapitals) der
Kapitalgesellschaft umfassen, beteiligt sein; die übrigen Gesellschafter haben einen
Anspruch auf Abfindung. ..."
B) Bestimmungen zum Verlustabzug:
§ 10 UmgrStG (Verlustabzug):
"§ 8 Abs. 4 Z 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 ist nach Maßgabe folgender
Bestimmungen anzuwenden:
1. a) Für Verluste der übertragenden Körperschaft ist § 4 Z 1 lit. a, c und d anzuwenden.
b) Übergehende Verluste sind den Rechtsnachfolgern als Verluste gemäß § 18 Abs. 6
des Einkommensteuergesetzes 1988 oder § 8 Abs. 4 Z 2 des Körperschaftsteuergesetzes
1988 in jenem Ausmaß zuzurechnen, das sich aus der Höhe der Beteiligung an der
umgewandelten Körperschaft im Zeitpunkt der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses
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in das Firmenbuch ergibt. Dabei sind die Anteile abfindungsberechtigter Anteilsinhaber
den Rechtsnachfolgern quotenmäßig zuzurechnen.
….
3. § 4 Z 2 ist auf Verluste der übertragenden und der übernehmenden Körperschaft
anzuwenden."
§ 8 Abs. 4 KStG 1988 - Einlagen, Entnahmen und Einkommensverwendung (in der
für den Beschwerdezeitraum geltenden Fassung):
"(4) Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben
abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen:
1. Ausgaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 1, 6, 7 und 8 des Einkommensteuergesetzes
1988.
2. Der Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs. 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes 1988.
Der Verlustabzug steht ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des
Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und
wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der
Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse
wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf).
Dies gilt nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen
mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen.
Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen
Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille Reserven steuerwirksam
aufgedeckt werden."
§ 4 UmgrStG – Verlustabzug:
"§ 8 Abs. 4 Z 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 ist nach Maßgabe folgender
Bestimmungen anzuwenden:
1. a) Verluste der übertragenden Körperschaft, die bis zum
Verschmelzungsstichtag entstanden und noch nicht verrechnet sind, gelten
im Rahmen der Buchwertfortführung ab dem dem Verschmelzungsstichtag
folgenden Veranlagungszeitraum der übernehmenden Körperschaft insoweit als
abzugsfähige Verluste dieser Körperschaft, als sie den übertragenen Betrieben,
Teilbetrieben oder nicht einem Betrieb zurechenbaren Vermögensteilen zugerechnet
werden können. Voraussetzung ist weiters, dass das übertragene Vermögen am
Verschmelzungsstichtag tatsächlich vorhanden ist.
b) Verluste der übernehmenden Körperschaft, die bis zum Verschmelzungsstichtag
entstanden und noch nicht verrechnet sind, bleiben abzugsfähig, soweit die Betriebe,
Teilbetriebe oder nicht einem Betrieb zurechenbaren Vermögensteile, die die Verluste
verursacht haben, am Verschmelzungsstichtag tatsächlich vorhanden sind.
c) Ist in den Fällen der lit. a und b der Umfang der Betriebe, Teilbetriebe oder
nicht einem Betrieb zurechenbaren Vermögensteile am Verschmelzungsstichtag
gegenüber jenem im Zeitpunkt des Entstehens der Verluste derart vermindert, dass
nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Vergleichbarkeit nicht
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mehr gegeben ist, ist der von diesen Betrieben, Teilbetrieben oder Vermögensteilen
verursachte Verlust vom Abzug ausgeschlossen.
d) Im Falle der Verschmelzung verbundener Körperschaften sind vortragsfähige
Verluste der Körperschaft, an der die Beteiligung besteht, um abzugsfähige
Teilwertabschreibungen zu kürzen, die die beteiligte Körperschaft auf die Beteiligung
in Wirtschaftsjahren, die nach dem 31. Dezember 1990 geendet haben, vorgenommen
hat;...
2. Ein Mantelkauf, der den Abzug von Verlusten ausschließt, liegt auch dann vor, wenn
die wesentlichen Änderungen der Struktur zu einem Teil bei der übertragenden und zum
anderen Teil bei der übernehmenden Körperschaft erfolgen. Änderungen zum Zwecke der
Verbesserung oder Rationalisierung der betrieblichen Struktur im Unternehmenskonzept
der übernehmenden Körperschaft stehen Sanierungen im Sinne des § 8 Abs. 4 Z 2 dritter
Satz des Körperschaftsteuergesetzes 1988 gleich."
§ 18 Abs. 6 und 7 EStG 1988:
"(6) Als Sonderausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens auch Verluste
abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt
nur,
- wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und
- soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen
Kalenderjahre berücksichtigt wurden.
Die Höhe des Verlustes ist nach den §§ 4 bis 14 zu ermitteln.
(7) Bei einem Steuerpflichtigen, der den Gewinn nach § 4 Abs. 3 ermittelt, können Verluste
nach Abs. 6 berücksichtigt werden, wenn diese in den vorangegangenen drei Jahren
entstanden sind."
B) Erwägungen:
1) Zum Umwandlungsvorgang – errichtende Umwandlung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1
UmgrStG:
Umwandlungen sind Vorgänge, bei denen die Rechtsform des Unternehmens geändert
wird. Es gibt formwechselnde Umwandlungen, bei denen sich die Identität des
Unternehmens nicht ändert, sowie übertragende Umwandlungen, bei denen sich diese
2
ändert (Kofler, UmgrStG , § 7 Rz 1, 2 und 4).
Innerhalb der übertragenden Umwandlungen ist zu unterscheiden zwischen
verschmelzenden Umwandlungen (= Übertragungen auf den Hauptgesellschafter) und
errichtenden Umwandlungen (= Übertragung auf eine durch die Umwandlung
errichtete Personengesellschaft).
Gesellschaftsrechtliche Grundlage der Umwandlungen ist das UmwG. Der übertragende
Rechtsträger geht unter und das Vermögen wird mittels Gesamtrechtsnachfolge
unter Ausschluss der Liquidation auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen.
Seite 16 von 30
2
Übertragende Umwandlungen können unter Art. II UmgrStG fallen (Kofler, UmgrStG , § 7
Rz 4).
In den Anwendungsbereich des Umgründungssteuergesetzes fallen gemäß § 7
Abs. 1 Z 1 UmgrStG (Art. II) "errichtende Umwandlungen nach dem Bundesgesetz
über die Umwandlung von Handelsgesellschaften, BGBl. Nr. 304/1996, wenn am
Umwandlungsstichtag und am Tag des Umwandlungsbeschlusses ein Betrieb vorhanden
ist."
Nachfolgerechtsträger ist bei einer errichtenden Umwandlung eine neu gegründete
Personengesellschaft (zB OG oder KG). Die übertragende Kapitalgesellschaft
erlischt mit der Eintragung der Umwandlung in das Firmenbuch. Das Vermögen (der
Betrieb) der Kapitalgesellschaft geht im Zuge der Umwandlung auf die neu errichtete
Personengesellschaft über. Rechtsnachfolger im Sinne des UmgrStG sind gemäß § 7
Abs. 3 UmgrStG die Gesellschafter (Mitunternehmer) der errichteten Personengesellschaft
(§ 5 Abs. 1 UmwG).
Auf Grund der Rückwirkensfiktion gilt auch steuerlich das Vermögen der übertragenden
Kapitalgesellschaft dem Rechtsnachfolger am Beginn des dem Umwandlungsstichtag
folgenden Tages als übertragen. § 8 Abs. 3 UmgrStG normiert dazu, dass das
Einkommen so zu ermitteln ist, als ob der Vermögensübergang mit Ablauf des
Umwandlungsstichtages erfolgt wäre.
Ertragsteuerlich endet somit für die übertragende Kapitalgesellschaft mit Ablauf
des Umwandlungsstichtages ihr letztes Wirtschaftsjahr. Die übertragende
Kapitalgesellschaft wird mit dem Gewinn oder Verlust aller im Kalenderjahr des
Umwandlungsstichtages endenden (Rumpf-) Wirtschaftsjahre letztmalig veranlagt (Walter,
Umgründungssteuerrecht, 7. Auflage, Rz 232; UFS 6.5.2010, RV/1160-L/08).
Im gegenständlichen Fall erfolgte eine Übertragung des Vermögens einer
Kapitalgesellschaft (= A GmbH) auf eine Personengesellschaft (= C KG).
Dass es sich hiebei um eine errichtende Umwandlung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 UmgrStG
handelte, auf die Art. II UmgrStG anwendbar ist, stand zwischen den Parteien des
Beschwerdeverfahrens nicht in Streit.
2) Zum Verlustabzug:
Strittig war im gegenständlichen Beschwerdeverfahren, ob auf Basis der für eine
Umwandlung nach Art. II UmgrStG anwendbaren Bestimmungen ein Übergang der
Verlustvorträge der GmbH auf die Rechtsnachfolger möglich sei.
Die für die Beurteilung von Zulässigkeit und Art eines entsprechenden Verlustabzuges bei
den Rechtsnachfolgern maßgeblichen gesetzlichen Anordnungen finden sich – zum Teil
in Form von Verweisen auf Bestimmungen des Körperschaftssteuergesetzes sowie § 4
UmgrStG – in § 10 UmgrStG (siehe obiges Zitat).
Seite 17 von 30
2.1. Zum Verhältnis § 10 UmgrStG/§ 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988:
§ 10 UmgrStG verweist zunächst auf die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 ,
woraus sich Folgendes ergibt:
- bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben ist grundsätzlich auch der
Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs. 6 und 7 EStG 1988 (= Verluste, die in einem
der vorangegangen Jahre entstanden sind und noch nicht verbraucht wurden) zu
berücksichtigen;
- in Fällen des Mantelkaufes steht ein Verlustabzug ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu,
ab dem die Identität des Steuerpflichtigen nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen
Verhältnisse nicht mehr gegeben ist, außer wenn diese Änderungen zum Zwecke der
Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles
betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen;
- Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der
wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille
Reserven aufgedeckt werden.
Durch die indirekte Anwendbarkeit der Bestimmung des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988
ist somit zunächst gewährleistet, dass die Verlustvorträge des Rechtsvorgängers in
Umgründungsfällen beim Rechtsnachfolger auch berücksichtigt werden können, wenn
die zivilrechtliche Identität des Rechtssubjektes (hier: Personengesellschaft/KG anstatt
Kapitalgesellschaft/GmbH) nicht bestehen bleibt, dies aber eben nur nach Maßgabe der
unten näher zu prüfenden Kriterien des § 4 Z 1 lit. a, c und d UmgrStG.
Dass im gegenständlichen Fall noch nicht verbrauchte Verluste aus den Vorjahren
vorlagen, ist unstrittig. Die Möglichkeit des Abzuges dieser Verluste war daher nach den
Kriterien des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 iVm § 4 Z 1 lit. a, c und d UmgrStG zu prüfen.
Der Bf wendete in seiner Beschwerdeschrift (= vormals Berufung) ein, dass durch
die explizite Übertragung der Anwendung des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 in den
Tatbestand des § 10 UmgrStG der Verlustabzug ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zustehe,
ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der
organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur nach dem Gesamtbild der Verhältnisse
wirtschaftlich nicht mehr gegeben sei. In der Folge stellt er, zurückgreifend auf Lehre
und Judikatur zum Mantelkauftatbestand des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988, dar, dass eine
wirtschaftliche Strukturänderung schon allein deshalb nicht vorgelegen habe, weil sich der
Unternehmensgegenstand in keiner Weise geändert habe. Im Zeitpunkt der Umwandlung
werde dieselbe Tätigkeit ausgeübt, wie sie im Zeitraum der Entstehung der Verluste
ausgeübt worden sei. Eine organisatorische Strukturänderung habe ebenfalls nichts
stattgefunden, weil im Bereich der Willensbildung durch die Umwandlung kein Austausch
der leitenden Organe erfolgt sei. Der Bf sei als Gesellschafter-Geschäftsführer der
umgewandelten GmbH zum Komplementär der Nachfolgegesellschaft geworden. Seine
Beteiligung mit 50% sei gleich geblieben. Der zweite Gesellschafter sei Kommanditist in
der Nachfolgegesellschaft mit ebenfalls 50%iger Beteiligung geworden.
Seite 18 von 30
Die Bestimmung des § 10 UmgrStG sei durch die ausdrückliche Anwendung des
§ 8 Abs. 4 Z 4 KStG 1988 keine Maßnahme zur quantitativen Beschränkung von
Verlustvorträgen im Verhältnis zum Betriebsumfang, sondern eine Maßnahme, den
"Transfer" von Verlustvorträgen zu unterbinden, wenn die wirtschaftliche Identität einer
Körperschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht mehr gegeben sei.
Hiezu ist Folgendes auszuführen:
Dem Bf ist grundsätzlich nicht darin entgegenzutreten, dass sich im gegenständlichen Fall
durch die Umwandlung weder eine Änderung des Unternehmensgegenstandes noch der
handelnden Personen ergeben hat.
Allein aus dieser Feststellung ist aufgrund des Verhältnisses der Bestimmungen des
§ 10 UmgrStG und § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 für sein Beschwerdebegehren aber nichts
gewonnen.
Durch die Bezugnahme auf § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 in den §§ 4 und 10 UmgrStG
wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass die Möglichkeit des Verlustabzuges
auch in Umgründungsfällen gegeben ist, dies aber nur unter den dort festgelegten
Bedingungen (arg.: "§ 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 ist nach Maßgabe folgender Bestimmungen
anzuwenden: …"; siehe hierzu auch VwGH 22.02.2007, 2006/14/0033). Für Verluste
übertragender Körperschaften sind dies eben die in § 4 Z 1 UmgrStG dargestellten
Bedingungen, darunter jene des § 4 Z 1 lit. a und c UmgrStG (Vorhandensein des
verlustverursachenden Vermögens; Vergleichbarkeit aufgrund des Umfanges des
Betriebes) zu überprüfen.
Wenn der Bf in seiner Beschwerde die wirtschaftliche und organisatorische Identität
anspricht, so bezieht er sich hierbei auf den in § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 2. Satz
festgehaltenen "Mantelkauftatbestand".
Dass ein solcher Mantelkauf vorlag, wird aber gar nicht unterstellt, zumal im
gegenständlichen Fall mangels Erwerbs der Anteile einer Kapitalgesellschaft, die als
Rechtssubjekt bestehen geblieben wäre, ohnehin keine zivilrechtliche Identität mehr
gegeben war (Wolf, Der Mantelkauf im Österreichischen Abgabenrecht, ÖZW 2002, 38ff;
23
Quantschnigg ua, KStG , § 4 Rz 54 – danach handelt es sich beim Mantelkauf um den
Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die in der Regel ihre wirtschaftliche
Tätigkeit eingestellt hat, aber als solche noch bestehen bleibt und somit – im Unterschied
zur wirtschaftlichen Identität – ihre zivilrechtliche Identität beibehält).
Das UmgrStG knüpft zwar ebenfalls an die Mantelkaufbestimmung des § 8 Abs. 4 Z 2
KStG 1988 an, erweitert aber deren Anwendungsbereich bei Umgründungen (Hügel
in Hügel/Mühlehner/Hirschler, UmgrStG § 4 Rz 1ff). Die – in diesem Zusammenhang
vorgesehenen – gesonderten Regelungen des UmgrStG sind im Verhältnis zu den
"allgemeinen Regelungen" des § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 lex specialis (vgl. Massoner,
Mantelkauf, 46ff mwH; Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr,KStG § 8 Tz 520; UFS 24.06.2013,
RV/1067-L/06).
Zu prüfen war daher hier nicht die mangelnde Vergleichbarkeit aufgrund des Verlustes der
wirtschaftlichen Identität nach Maßgabe des Mantelkauftatbestandes.
Seite 19 von 30
2.2. Zur Sonderregelung des § 4 UmgrStG:
§ 4 UmgrStG regelt einerseits den grundsätzlichen Übergang des Verlustabzuges iSd
§ 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 der übertragenden auf die übernehmende Gesellschaft,
das Erfordernis der Buchwertfortführung und den Zeitpunkt der Berücksichtigung,
sieht aber andererseits eine Reihe von Einschränkungen dieses "Übergangs des
Verlustabzugs" und analoge Beschränkungen des Fortbestehens von Verlusten der
übernehmenden Gesellschaft vor. § 4 Z 1 lit. a und c möchten den Fall ausschließen, dass
eine übertragende "Verlustgesellschaft" zur Verlustverwertung auf eine übernehmende
"Gewinngesellschaft" verschmolzen wird, und unterbinden den Übergang von Verlusten
insoweit, als das verlustverursachende Vermögen am Verschmelzungsstichtag nicht mehr
(lit. a) oder im Sinne einer "qualifizierten Umfangsminderung" nicht mehr in wirtschaftlich
4
vergleichbarer Form (lit. c) vorhanden ist (Kofler in Kofler, UmgrStG , § 4 Rz 4).
Infolge der sich aus den §§ 4 und 10 UmgrStG iVm § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988
grundsätzlich ergebenden Möglichkeit des Verlustabzuges gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988
durch die übernehmende Gesellschaft waren die sich aus § 10 Z 1 UmgrStG iVm § 4
Z 1 UmgrStG ergebenden zusätzlichen Voraussetzungen für einen Verlustabzug zu
prüfen:
§ 4 Z 1 lit. b UmgrStG bezieht sich auf Verluste der übernehmenden Gesellschaft und ist
hier nicht relevant; § 4 Z 1 lit. d UmgrStG gilt für verbundene Körperschaften und kommt
hier ebenfalls nicht zum Tragen.
Prüfungswürdig erschienen im gegenständlichen Fall § 4 Z 1 lit. a und c UmgrStG:
2.2.1. Prüfung nach § 4 Z 1 lit. a UmgrStG:
Gemäß § 4 Z 1 lit. a UmgrStG gelten noch nicht verrechnete Verluste ab dem dem
Verschmelzungsstichtag folgenden Veranlagungszeitraum insoweit als abzugsfähige
Verluste, als sie den übertragenen Betrieben, Teilbetrieben oder nicht einem Betrieb
zurechenbaren Vermögensteilen zugerechnet werden können, wobei das übertragene
Vermögen am Verschmelzungsstichtag tatsächlich vorhanden sein muss.
2.2.1.1. Im gegenständlichen Fall ist der dem Umwandlungsstichtag 28.2.2008 folgende
Veranlagungszeitraum das Jahr 2009.
Die Prüfung hatte, wie auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren unstrittig, für den
Veranlagungszeitraum 2009 zu erfolgen.
2.2.1.2. Diese Bestimmung erfordert weiters, dass das verlustverursachende Vermögen
am Umwandlungsstichtag vorhanden sein muss. Führt die übertragende Gesellschaft
einen Betrieb, ist Beurteilungseinheit ein weggefallener Betrieb oder Teilbetrieb
(Jann, Umgründungen im Steuerrecht, 2. Aufl., Wien 2015, S. 52). Entscheidend
ist, ob der verlustverursachende Betrieb oder Teilbetrieb am Umwandlungsstichtag
als eigenständiges Verlustobjekt tatsächlich vorhanden ist. Die Begriffe Betrieb
oder Teilbetrieb sind nach ertragsteuerlichen Kriterien auszulegen. Betrieb ist die
Zusammenfassung von menschlicher Arbeitskraft und sachlichen Produktionsmitteln
Seite 20 von 30
zu einer organisatorischen Einheit zur Erzielung von Einkünften (VwGH 18.11.2009,
2006/13/0160 mwN). Wird ein bereits eingestellter Betrieb nachträglich wieder
aufgenommen, ändert dies nichts am Wegfall der damit verbundenen Verlustvorträge
(VwGH 26.06.2014, 2010/15/0140).
Im gegenständlichen Fall steht fest, dass das gesamte Anlagevermögen des Betriebes
der übertragenden GmbH am Beginn des Wirtschaftsjahres 2007/2008 (im März 2007)
zwecks Schuldentilgung im Gefolge des Zwangsausgleichs abverkauft wurde. Ebenso
begab sich der Betrieb seiner Arbeitskräfte; lediglich eine Angestellte, die Mutter der
Gesellschafter-Geschäftsführer, verblieb. Im Herbst 2007 wurde das Gewerbe ruhend
gemeldet. Erst knapp vor dem Umwandlungsstichtag (29.02.2008) wurden am 28.02.2008
wieder Anlagegüter angeschafft, um den Betrieb in kleinerem Umfang fortzuführen.
Unter Bedachtnahme darauf, dass etwa gerade auch bei einem Transportunternehmen
der Fuhrpark zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehört (VwGH 30.09.1999,
97/15/0016), erschien im gegenständlichen Fall die Unterstellung naheliegend, dass der
verlustverursachende Betrieb mit dem Abverkauf des Anlagevermögens und damit seiner
wesentlichen Betriebsgrundlagen eingestellt worden war, zumal im Herbst 2007 auch
das Gewerbe ruhend gemeldet wurde. Erst knapp vor dem Umwandlungsstichtag wurde
er mit anderen wesentlichen Betriebsgrundlagen (anderem Anlagevermögen) wieder
aufgenommen.
Damit wäre das Schicksal der Beschwerde aber schon entschieden. Die
Wiederaufnahme des einmal eingestellten (verlusterzeugenden) Betriebes knapp vor dem
Umwandlungsstichtag ändert nämlich nach der oben zitierten Rechtsprechung nichts am
Wegfall der durch diesen verursachten Verlustvorträge gemäß § 4 Z 1 lit. a UmgrStG.
Der Bf konnte allerdings im Zuge des Beschwerdeverfahrens (insbesonders im Rahmen
der mündlichen Verhandlung) glaubhafte Anhaltspunkte dafür darlegen, dass eine
Betriebsfortführung jedenfalls geplant war, sobald es die finanziellen Möglichkeiten
wieder erlaubten (dies im Unterschied zu VwGH 26.06.2014, 2010/15/0140, wo solche
Anhaltspunkte nicht vorgelegen hatten).
Keine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn ein Betrieb bloß ruhend ist, das heißt nur
vorübergehend in der Absicht eingestellt wird, ihn in absehbarer Zeit wieder aufzunehmen
(zB wegen Beschädigung oder Zerstörung wesentlicher Betriebsgrundlagen; siehe
Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 24 Tz 15).
Im gegenständlichen Fall wurde das Gewerbe im Februar 2008 tatsächlich wieder
aufgenommen; anstatt der verkauften Anlagegüter wurden Geräte gekauft, mit denen
der Betrieb in kleinerem Umfang wieder fortgesetzt werden konnte. Dass dieser Ankauf
aufgrund mangelnder Kreditmöglichkeiten erst nach mehreren Monaten möglich, aber
immer beabsichtigt war, konnte der Bf in der mündlichen Verhandlung glaubhaft darlegen.
Das Bundesfinanzgericht erachtete es daher für notwendig, eine Prüfung des vorliegenden
Sachverhaltes auch im Hinblick auf den (tatsächlich auch von der belangten Behörde
herangezogenen) Tatbestand des § 4 Z 1 lit. c UmgrStG durchzuführen:
2.2.2. Prüfung nach § 4 Z 1 lit. c UmgrStG:
Seite 21 von 30
Gemäß § 4 Z 1 lit. c UmgrStG ist dann, wenn u.a. in den Fällen des lit. a der Umfang
des Betriebes bzw. von einem solchen nicht zurechenbaren Vermögensteilen am
Verschmelzungsstichtag gegenüber jenem im Zeitpunkt des Entstehens der Verluste
derart vermindert ist, dass nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse
eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist, der von diesem Betrieb, Teilbetrieb oder
Vermögensteilen verursachte Verlust vom Abzug ausgeschlossen.
In Lehre und Verwaltungspraxis hat sich in diesem Zusammenhang die Bezeichnung als
"qualifizierte Umfangsminderung" herauskristallisiert.
Bei betriebsführenden Körperschaften wird damit der üblicherweise als qualifizierte
Betriebseinschränkung bezeichnete Sachverhalt angesprochen. Maßgeblich ist, dass
die Vergleichbarkeit am Verschmelzungsstichtag gegeben ist (Bruckner in Helbich/
Wiesner/Bruckner, Umgründungen, I § 4 Rz 42). Übertragen auf die Umwandlung ist
das der Umwandlungsstichtag. Das verlusterzeugende Vermögen im Zeitpunkt der
Verlustentstehung muss somit mit jenem im Zeitpunkt des Umwandlungsstichtages
vergleichbar sein. Dabei ist ausgehend vom Umfang des Vermögens zum
Verschmelzungsstichtag für jedes vergangene Wirtschaftsjahr die Vergleichbarkeit zu
9
prüfen ("Rückwärtsbetrachtung"; Walter, Umgründungssteuerrecht 2013 , Rz 115f unter
Verweis auf die UmgrStR 2002 RZ 218ff).
Das Gesetz gibt keine Auskunft darüber, anhand welcher betriebswirtschaftlicher
Parameter die Vergleichbarkeit zu beurteilen ist. Aufgrund des verwendeten Begriffes
"Umfang" ist auf quantitative und nicht auf qualitative betriebswirtschaftliche Kriterien
abzustellen. Irrelevant sollte daher – im Gegensatz zur Mantelkaufregelung des § 8 Abs.4
Z 2 KStG – auch eine Änderung des Betriebsgegenstandes sein. Bei betrieblichen
Einheiten kommen nach herrschender Ansicht dafür sinnvollerweise vor allem folgende
Kriterien in Frage:
• Umsatz
• Auftragsvolumen und Produktionsvolumen
• Anlagevermögen, Anlagenintensität
• Umlaufvermögen
• Bilanzsumme
• Substanzwert
• Beschäftigtenzahl
Die Grenze, ab der eine Vergleichbarkeit im Sinne des lit. c wegen Minderung eines
für die "Identifizierung" einer Einkunftsquelle maßgeblichen betriebswirtschaftlichen
Parameters nicht mehr gegeben ist, wird von einem Teil der Literatur (Quantschnigg
in FS Bauer, 255ff; Huber, FJ 1992, 102ff; unklar Schneider, SWK 1992, A I 257ff) und
Verwaltungspraxis (BMF 11.5.1994, RdW 1994, 264; UmgrStR 2002 Rz 222, 1190) mit
25% angegeben. Demnach ist eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben,
wenn maßgebliche Parameter auf ein nur 25%iges oder geringeres Ausmaß absinken.
Ein anderer Teil der Literatur nimmt das Fehlen der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit erst
Seite 22 von 30
4
bei einem Absinken auf 10% und weniger an (zB Helbich, Umgründungen , 307; Helbich/
5
Wiesner, Umgründungen , 71; Hügel/Mühlechner/Hirschler, UmgrStG, § 4 Rz 41; in
diesem Sinne auch UFS 24.06.2013, RV/1067-L/06; siehe zu alldem auch Bruckner in
Helbich/Wiesner/Bruckner, Umgründungen, I § 4 Rz 46).
Gleichgültig wie man die Schwelle beziffert, entscheidend ist eine Gesamtschau
der Parameteränderungen. Auf die Reduktion eines einzigen Paramters kann es
nicht ankommen (Hügel, Grenzüberschreitende und nationale Verschmelzungen im
Steuerrecht, Wien 2009, § 4 Rz 51).
Auch nach herrschender Ansicht in der Betriebswirtschaftslehre kann die
Unternehmensgröße und ihre Veränderung nicht anhand eines einzigen Kriteriums
beurteilt werden (Bruckner in Helbich/Wiesner/Bruckner, Umgründungen, I § 4 Rz 47).
Entscheidend ist immer eine Gesamtbetrachtung aller herangezogenen Messgrößen
4
(Wundsam/Zöchling/Huber/Khun, UmgrStG , § 4 Rz 19 unter Verweis auf Bruckner,
Objektbezogener Verlustvortragsübergang bei Verschmelzungen in Bergmann
(Hrsg),Praxisfragen zum Körperschaftsteuerrecht, Werilly-FS 84).
Hat sich der Umfang des Vermögens qualifiziert vermindert, geht ein von diesem
Vermögen verursachter, aber noch nicht verrechneter Verlust zur Gänze verloren;
eine anteilige Verminderung ist in lit. c nicht vorgesehen (Bruckner in Helbich/Wiesner/
Bruckner, Umgründungen, I § 4 Rz 48).
§ 4 Z 1 lit. c UmgrStG legt die Vergleichszeitpunkte für die Beurteilung der qualifizierten
Umfangsminderung einerseits mit dem Verschmelzungsstichtag und andererseits
dem Zeitpunkt des Entstehens der Verluste fest. Hinsichtlich des Entstehens des
Verlustvortrages ist das verlustverursachende Vermögen jener Vermögensbestand, der
am betreffenden Bilanzstichtag zur Verfügung stand. Sodann ist die Vergleichbarkeit am
Verschmelzungsstichtag (Umwandlungsstichtag) maßgeblich; spätere Änderungen sind
für die Frage des Verlustüberganges oder des weiteren Verlustabzuges nach § 4 Z 1 ohne
4
Bedeutung ( Kofler/Six in Kofler, UmgrStG , § 4 Rz 109).
Wendet man nun diese in Literatur und Verwaltungspraxis zur Frage der "qualifizierten
Umfangsminderung" im Sinne des § 4 Z 1 lit. c UmgrStG getätigten Aussagen auf den
beschwerdegegenständlichen Fall an, so führt dies zu folgendem Ergebnis:
2.2.2.1. Feststellung der Verlustentstehungszeitpunkte:
Wesentlich erscheint im gegebenen Zusammenhang zunächst die Feststellung, in
welchem Zeitraum jene Verluste entstanden sind, deren Vortrag der Bf begehrt.
Laut Aktenlage stellten sich die bis Ende des Wirtschaftsjahres 2006 noch offenen
Verlustvorträge der GmbH folgendermaßen dar:
1999
-3.360,88
2000
-14.870,53
2001
-15.725,31
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2004
-70.673,93
2005
-190.394,55
2006
-19.015,68
Summe
-314.040,88
In den Jahren 2007 und 2008 wurden die aufgrund positiver Einkünfte der
Kapitalgesellschaft folgendermaßen verwertet:
Einkünfte aus GW
2007
98.325,84
Verlustabzug
Restl. Verlustvortrag
-98.325,24
215.715,04
-79.205,97
136.509,07
Inkl. Sanierungsgew.
iHv 122.735,97
2008
105.607,96
Der Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 ist von Amts wegen im ersten Jahr
vorzunehmen, in welchem der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Abzug der anderen
Sonderausgaben einen positiven Betrag ergibt. Ein allfälliger Rest ist bei Vorliegen
hinreichender Einkünfte im jeweils nächstfolgenden Jahr abzuziehen. Die gesetzliche
Vorschrift für den Verlustabzug gibt dem Abgabepflichtigen kein Wahlrecht, wann er von
dem Recht des Verlustabzuges Gebrauch machen will (VwGH 19.9.2013, 2012/15/0014).
Der Verlustabzug ist somit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu verrechnen; besteht aus
mehreren Jahren ein Verlustabzug, so ist zunächst der ältere abzuziehen (Wiesner/
Grabner/Wanke, EStG § 18 Anm. 189f). Bei Verlustvorträgen aus verschiedenen
Jahren ist daher stets derjenige aus dem früheren Jahr vorrangig abzuziehen (Büsser in
Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer – Kommentar, 39. Lfg., § 18 Abs. 6 und 7 Rz
10
7.1; Doralt/Renner, EStG , § 18 Rz 311). Der Verlustabzug ist somit zwingend sobald als
möglich und im größtmöglichen Umfang vorzunehmen (UFS 30.7.2004, RV/3675-W/02;
Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 18 Anm. 190).
Dies führt im gegenständlichen Beschwerdefall zu folgendem Ergebnis:
Durch die übertragende GmbH wurde per 28.02.2008 (= Umwandlungsstichtag) von deren
Verlustvorträgen noch ein Betrag von 79.205,97 Euro verbraucht, sodass insgesamt ein
unverbrauchter Restbetrag an Verlustvorträgen in Höhe von 136.509,07 Euro verblieb
(siehe hiezu auch Aufstellung des Bf im Veranlagungsverfahren 2008).
Wie sich aus der Zusammenschau mit obiger Aufstellung betreffend Verlustentwicklung
ergibt, umfasst dieser Betrag an offenen Verlustvorträgen zunächst den noch nicht
verbrauchten (verrechneten) Verlust aus dem Jahr 2005 (117.493,39 Euro) sowie den
gesamten Verlust des Jahres 2006 (19.015,68 Euro).
Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass diese Art der Verlustverrechnung keine, wie vom Bf
in seinem Vorlageantrag vermeint, vorrangige Verrechnung der in den Wirtschaftsjahren
2007 und 2008 erzielten positiven Einkünfte mit Verlusten aus der Backenbrechanlage
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ermöglicht. Vielmehr waren jeweils die älteren Verluste des Betriebes zur Verrechnung zu
bringen, sodass im gegenständlichen Fall letztlich jene aus den Jahren 2005 und 2006
zum Vortrag verblieben.
Es waren daher die betriebswirtschaftlichen Parameter laut Bilanzen zum 28.02.2005
und 2006 jenen laut Umwandlungsbilanz zum 28.02.2008 gegenüberzustellen.
2.2.2.2. Vergleichsprüfung im Hinblick auf den Umfang des Betriebes:
Wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zur gleichlautenden
Formulierung des § 1 Abs. 5 Satz 2 StruktVG ausgesprochen hat, sind bei Prüfung
der Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Umfangsminderung nach dem Gesamtbild
der wirtschaftlichen Verhältnisse bei Betrieben generell insbesonders der Umsatz,
das Anlagevermögen und das Auftragsvolumen von Bedeutung (VwGH 18.7.2001,
99/13/0194). Des Weiteren wird sich die Auswahl der Kriterien auch an unternehmensund branchenspezifischen Umständen, die auf das Gesamtbild der Verhältnisse einen
Einfluss haben, zu orientieren haben (siehe hiezu auch Bruckner/Kolienz in ÖStZ 2007,
474ff unter Verweis auf den UmgrStR-Wartungserlass 2006/2007).
Welche Kriterien im konkreten Fall zur Prüfung der Vergleichbarkeit tatsächlich geeignet
sind, ergibt sich somit auch aus der Eigenart des Betriebes, wobei sich die Bedeutung
der einzelnen Gruppen von Vermögenswerten für den Betrieb auch aus den jeweiligen
Bilanzansätzen erschließen lässt.
Im gegenständlichen Fall erschien es sachgerecht, vor allem die Parameter
Anlagevermögen sowie Beschäftigtenzahl heranzuziehen, da bei einem Betrieb, der
sich mit Granittransporten und Erdbau beschäftigt, auf der Hand liegt, dass in diesem
Zusammenhang vor allem entsprechende Geräte und Fahrzeuge sowie diese bedienende
Arbeiter notwendig sind (siehe hiezu auch VwGH 30.9.1999, 97/15/0016, wonach zu
den wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Transportunternehmens vor allem der
Fuhrpark zählt). Dass das Knowhow der Geschäftsführer, auf das von der steuerlichen
Vertreterin des Bf's in der mündlichen Verhandlung besonders hingewiesen wurde,
beim beschwerdegegenständlichen Betrieb zu den wesentlilchen Betriebsgrundlagen
gehören würde, kann in Bezug auf den gegenständlichen Unternehmensgegenstand
nicht erachtet werden, zumal ein bestimmtes Fachwissen des Betriebsinhabers bzw.
Geschäftsführers bei Betrieben in der Regel generell zu unterstellen ist. Gerade
das angesprochene Wissen um die Bedienung der Backenbrechanlage hatte aber zudem
für den am Umwandlungsstichtag bestehenden Betrieb keine Bedeutung mehr. Dass das
Umlaufvermögen nur eine untergeordnete Rolle spielt, lässt sich auch aus den Bilanzen
der übertragenden Gesellschaft in den Verlustjahren ersehen. Wesentlich erschien im
gegenständlichen Fall im Zuge des Vergleiches jedoch das Kriterium der Umsätze.
Das für die Beurteilung wesentliche Gesamtbild der Verhältnisse ergibt sich für den
gegenständlichen Fall aus folgender Aufstellung:
2005
Beschäftigte
2 Arbeiter
2006
2 Arbeiter
2007
3 Arbeiter
2008
0 Arbeiter
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1 Angestellte/r
2 Angestellte
2 Angestellte
2 Angestellte
71.238,00
44.973,00
20.531,00
0,00
306.267,00
282.224,00
256.160,00
9.720,00
1.148,00
350,00
175,00
450,00
135,00
0,00
0,00
0,00
378.788,00
327.547,00
276.866,00
10.170,00
Anlagevermögen/
Sachanlagen:
Fuhrpark
Baumaschinen
Büro, EDV
Sonstige
Betriebsausst.
Summe/
Anlagevermögen
(2005: 2,68%;
(Prozentsatz)
2006: 3,10%)
Veräußerungserlös/
385.500,00
Fuhrpark, Geräte
20.03.,
04.04.2007
Anschaffungskosten/
11.300,00
Anlagevermögen
(2,93%)
28.02.2008
(Prozentsatz/
Veräußerungswert)
Umsatzerlöse
378.883,10
293.994,42
281.449,00
(Prozentsatz)
25.763,05
(2005: 6,80%;
2006: 8,76%)
Bilanzsumme
(Prozentsatz)
436.561,02
408.880,53
413.889,85
54.894,92
(2005: 12,57%;
2006: 13,43%)
Zusammenfassend ist aus obigen Berechnungen ersichtlich, dass die laufenden
Leistungserlöse/Umsätze auf unter 10% gegenüber den Wirtschaftsjahren 2005 und
2006 gefallen sind, wobei zu beachten war, dass die Umsätze des Wirtschaftsjahres
2007/2008 fast zur Gänze aus Erlösen aus dem Betrieb der am 20.03.2007 veräußerten
Backenbrechanlage (Erlöse "Lohnbrechen" = 24.749,78 €) bestanden. Die Bilanzsumme
liegt zum 28.02.2008 nur knapp über 10% der Werte 2005 bzw. 2006.
Auffällig erscheint jedoch, dass gerade der für einen Betrieb dieser Art wesentliche
Faktor Anlagevermögen maßgeblich unter 10% geschrumpft ist und die Zahl der
beschäftigten Arbeitnehmer von 2 auf 0 gesunken ist. Wenngleich noch immer 2
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Angestellte ausgewiesen sind, so muss doch festgestellt werden, dass ein Betrieb von
der Art des beschwerdegegenständlichen vor allem von der Werktätigkeit von Arbeitern
geprägt ist, die die Maschinen und die Kraftfahrzeuge bedienen. Außerdem war, wie sich
anlässlich der mündlichen Verhandlung ergab, am Umwandlungsstichtag auch nur noch
eine Angestellte, die Mutter der Geschäftsführer, vorhanden.
Was das Anlagevermögen angeht, so ergibt sich aus der Umwandlungsbilanz zum
28.02.2008, dass die "Raupenmobile Backenbrechanlage" per 20.03.2007 mit einem
Buchwert von 231.200 Euro aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden ist. Ebenso sind
sämtliche übrige Geräte bzw. Baumaschinen mit diesem Tag (Backenbrecheranlage
LOKOMO, Förderbandwaage, Raupenbagger) bzw. am 04.04.2007 (Radlader) aus dem
Betriebsvermögen abgegangen. Weiters schieden alle Fahrzeuge (LKW Volvo mit 10.249
Euro/Buchwert sowie zwei Sattelanhänger) per 20.03.2007 aus dem Betriebsvermögen
aus und belief sich der Wert des Fuhrparks per 28.02.2008 auf 0,00 Euro. Die qualifizierte
Minderung des Anlagevermögens resultierte demnach nicht lediglich aus einer
Wertminderung, sondern tatsächlich aus einer umfänglichen Verminderung.
Der im Frühjahr 2007 erzielte Veräußerungserlös für Anlagevermögen (insbesonders
Fuhrpark und Baumaschinen) betrug 385.500,00 €. Demgegenüber wurden am
28.02.2008 neue Geräte (Spaltmaschine, Splitter, Spaltzylindergerät) um 10.800,00 €
sowie weiters ein Schreibtisch um 500,00 € angeschafft. Auch bei Gegenüberstellung des
Veräußerungswertes des Anlagevermögens (395.500,00 €) und des Anschaffungswertes
der neuen Anlagegüter (11.300,00 €) ergibt sich lediglich ein Prozentsatz von 2,93%.
Insgesamt musste also festgestellt werden, dass das verlustverursachende bzw. zur Zeit
der Verlustentstehung vorhandene Anlagevermögen (darunter die vom Bf angesprochene
kostenintensive Backenbrechanlage) am Umwandlungsstichtag nicht mehr vorhanden war.
Im Verein damit, dass ein Großteil der im gegenständlichen Fall anwendbaren
betriebswirtschaftlichen Parameter auf Werte wesentlich unter 10% (siehe
Anlagevermögen, Arbeiter, Umsätze) bzw. nur geringfügig über 10% (Bilanzsumme)
abgesunken war, kann nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes unter Beachtung des
Gesamtbildes der Verhältnisse vom Umfang des Betriebes her nicht mehr von einer
Vergleichbarkeit des Betriebes im Sinne des § 4 Z 1 lit. c UmgrStG gesprochen werden.
2.3. Der Bf beruft sich insbesonders auf die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 8
Abs. 4 Z 2 KStG 1988. Daraus gehe hervor, dass es zu einem Verlust der Identität des
Steuerpflichtigen nur infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und
wirtschaftlichen Struktur käme, was gegenständlich eben nicht der Fall sei. Er verweist
in diesem Zusammenhang auch auf die zur Qualifikation von Strukturänderungen im
Sinne dieser Bestimmung entwickelte Lehre und Rechtsprechung sowie darauf, dass
sämtliche Elemente einer Strukturänderung kumulativ vorliegen müssten. Ein Verlust der
wirtschaftlichen Identität sei im gegenständlichen Fall somit nicht gegeben gewesen.
Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass sich diese Aussagen auf Fälle des Mantelkaufes
im Sinne des § 8 Abs. 4 Z 2 2. Satz KStG 1988 beziehen.
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Dass im gegenständlichen Fall kein Mantelkauf (= Erwerb von GmbH-Anteilen unter
Weiterbestand der zivilrechtlichen Identität der GmbH als juristische Person) vorliegt,
wurde bereits oben unter Punkt 2.1. dargelegt.
Wie jedoch ebenfalls dargestellt, verlangt der Gesetzgeber für die Gewährung des
Verlustabzugs bei Umgründungssachverhalten darüber hinaus die Erfüllung der
Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Z 1 lit. c UmgrStG, wonach eine Vergleichbarkeit
des Umfanges des Betriebes nach rein quantitativen Kriterien gegeben sein muss. Die
Identität der "wirtschaftlichen Betätigung" allein ist in diesem Zusammenhang nicht
ausreichend (siehe VwGH 18.07.2001, 99/13/0194 zur gleichlautenden Bestimmung
des § 1 Abs. 5 StruktVG 1969 idF 563/1980). Eine Vergleichbarkeit nach quantitativen
Kriterien ist im gegenständlichen Fall aber unter Bedachtnahme auf die obigen
Erwägungen nicht gegeben.
2.4. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung stellten der Bf und dessen Vertreterin vor
allem auch die steigende Umsatzentwicklung bei der KG in den Folgejahren (2008 bis
2013) als Folge der Sanierung sowie die Bemühungen beider Gesellschafter, Geldmittel
für weitere Investitionen zu verdienen, dar.
Wenn diese Darstellung vom Bundesfinanzgericht auch als durchaus glaubhaft und aus
betriebswirtschaftlicher Sicht vorbildliche Maßnahmen zur Sicherung des Bestandes des
Familienunternehmens erachtet wurden, so konnten diese Umstände aufgrund der klaren
gesetzlichen Formulierung keinen Einfluss auf die rechtliche Qualifikation der hier strittigen
Problematik des Überganges der Verlustvorträge nehmen.
Für die Vergleichbarkeit des Betriebsumfanges sind nach der eindeutigen gesetzlichen
Bestimmung des § 4 Z 1 lit. c UmgrStG die Verhältnisse am Umwandlungsstichtag
maßgeblich; spätere Änderungen sind für die Frage des Verlustüberganges oder des
weiteren Verlustabzuges nach § 4 Z 1 ohne Bedeutung ( Bruckner in Helbich/Wiesner/
4
Bruckner, Umgründungen, I § 4 Rz 42; Kofler/Six in Kofler, UmgrStG , § 4 Rz 109).
2.5. Dem Einwand des Bf's, dass die Versagung des Verlustvortrages im gegenständlichen
Fall nicht der Intention des Gesetzgebers entspreche, muss entgegnet werden, dass
die Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen nur innerhalb des äußerst möglichen
5
Wortsinnes der entsprechenden Vorschriften erfolgen kann (Ritz, BAO , § 21 Rz 3; VwGH
18.11.2008, 2006/15/0129). Auch im Verwaltungsrecht sind die Auslegungsvorschriften der
§§ 6 und 7 ABGB anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
ist bei der Auslegung von Verwaltungsgesetzen in erster Linie von der Wortinterpretation
in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung auszugehen.
Nur wenn sich aus der Wortinterpretation keine Anhaltspunkte ergeben, also der Wortlaut
des Gesetzes unklar bleibt, kann zur Auslegung der gesetzlichen Bestimmung auf die
Materialien zurückgegriffen werden (VwGH 23.03.2001, 98/06/0240). Dies bedeutet, dass
sich eine Interpretation nach dem behaupteten Willen des Gesetzgebers nur innerhalb des
sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung ergebenden Sinnes möglich ist.
Die Vorschrift des § 4 Z 1 lit. c UmgrStG ordnet nach ihrem klaren Wortlaut den
Ausschluss des Verlustabzuges an, wenn sich der Umfang des Betriebes am
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Verschmelzungsstichtag gegenüber jenem im Zeitpunkt des Entstehens der Verluste
derart vermindert hat, dass nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse
eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist. Die umfängliche Vergleichbarkeit des
am Umwandlungsstichtag noch vorhandenen verlustbehafteten Vermögens stellt also
eine zusätzliche Voraussetzung für den Verlustübergang dar (Kofler/Six in Kofler,
4
UmgrStG , § 4 Rz 101). Wenn dem Bf auch grundsätzlich darin zugestimmt werden
kann, dass der Gesetzgeber durch die Einfügung dieser Bestimmung vor allem
Gestaltungsfälle zur Verlustverwertung (Fortführen des Betriebes auf "Sparflamme")
verhindern wissen wollte, so ändert dies nichts daran, dass nach deren Wortlaut der klare
Auftrag eines Vergleiches des Betriebsumfanges zwischen Verlustentstehungszeitpunkt
und Verschmelzungsstichtag (Umwandlungsstichtag) besteht. Aus diesem Gebot der
stichtagsbezogenen Vergleichsprüfung ergibt sich eindeutig, dass, wie bereits unter
Punkt 2.4. dargelegt, spätere Änderungen für die Frage des Verlustüberganges oder des
weiteren Verlustabzuges nach § 4 Z 1 ohne Bedeutung sind (Bruckner in Helbich/Wiesner/
4
Bruckner, Umgründungen, I § 4 Rz 42; Kofler/Six in Kofler, UmgrStG , § 4 Rz 109).
Ebenso ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 4 Z 1 lit. c UmgrStG,
wie vom Bf vermeint, keine gesetzliche Grundlage für die qualitative Prüfung
der wirtschaftlichen Identität nach dem Vorbild der Mantelkaufbestimmung. Die
Betrachtung nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse bezieht sich aufgrund
des eindeutigen Gesetzeswortlautes vielmehr auf den "Umfang des Betriebes" bezogen
auf die Vergleichszeitpunkte (Verlustentstehungszeitpunkt/Umwandlungsstichtag).
2.6. Insgesamt konnte dem gegenständlichen Beschwerdebegehren aufgrund obiger
Erwägungen nicht beigetreten werden und war es daher abzuweisen.
3. Zur Abänderung des Bescheides:
Der Bf war im beschwerdegegenständlichen Jahr 2009 an der Fa. C KG als Gesellschafter
beteiligt und bezog hieraus anteilig Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Mit (rechtskräftigem) Feststellungsbescheid 2009 vom 29.04.2011 wurden diese
Einkünfte vom Finanzamt gemäß § 188 BAO einheitlich und gesondert festgestellt.
Der Einkunftsanteil beträgt laut diesem Bescheid -2.102,21 €. Diese Einkünfte aus
Gewerbebetrieb waren im angefochtenen Bescheid nicht berücksichtigt worden.
Gemäß § 192 BAO werden in einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen,
die für andere Feststellungsbescheide, für Messbescheide oder für Abgabenbescheide
von Bedeutung sind, diesen Bescheiden zugrunde gelegt, auch wenn der
Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist.
Ein in der Sache ergehendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hat getreu der
Bestimmung des § 192 BAO die Feststellungen jener Feststellungsbescheide zugrunde zu
legen, die zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses dem Rechtsbestand angehören
(VwGH 25.06.2008, 2006/15/0094; Fischerlehner, Abgabenverfahren [2013], § 192
Anm. 2).
Seite 29 von 30
Das Bundesfinanzgericht hatte daher den sich aus dem sich aus dem
Feststellungsbescheid 2009 ergebenden Verlustanteil des Bf's als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb in seinem Erkenntnis in Ansatz zu bringen.
V) Zum Abspruch über die Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die Beurteilung der Verminderung des Betriebsumfanges zwischen
Verlustentstehungszeitpunkt und Umwandlungsstichtag ist zwar grundsätzlich im Einzelfall
zu würdigen. Allerdings gibt es zur Beurteilung von Art und Ausmaß der qualifizierten
Umfangsminderung im Zusammenhang mit der Prüfung der Vergleichbarkeit im Sinne
des § 4 Z 1 lit. c UmgrStG noch keine höchstgerichtliche Judikatur. Eine Revision war
daher zuzulassen.
Linz, am 24. November 2015
Seite 30 von 30
GZ. RV/2100203/2013
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch V als Vorsitzende und die weiteren
Senatsmitglieder R als Berichterstatter, L1 (Arbeiterkammer Steiermark) und L2
(Landwirtschaftskammer Steiermark) in der Beschwerdesache Bf., atypisch stiller
Gesellschafter, F, vertreten durch BDO Graz GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und
Steuerberatungsgesellschaft, Hallerschloßstraße 1, 8010 Graz, gegen die Bescheide
des Finanzamtes Graz-Stadt vom 27. Februar 2012, betreffend Feststellung von
Einkünften gemäß § 188 BAO der X GmbH und atypisch stille Gesellschafter für die
Kalenderjahre 2006 und 2007, im Beisein der Schriftführerin K in der Sitzung am
26. März 2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe:
Das Finanzamt hat im Rahmen einer Außenprüfung bei der X GmbH und atypisch Stille
folgende Feststellungen getroffen:
Die X GmbH führe einen Betrieb, der die Entwicklung und den Vertrieb von
Projektführungssoftware zum Gegenstand habe. Zu den Stichtagen 31. März
und 31. Dezember 2006 habe sich nach den Zusammenschlussverträgen vom
27. Dezember 2006 und 28. September 2007 die X GmbH mit der Y GmbH (treuhändig für
Q und Bf.) gemäß Art. IV UmgrStG in Form einer atypisch stillen Gesellschaft (Anteile: Q:
3,80%; X GmbH: 90,88% und Bf.: 5,32%) zusammengeschlossen.
Ein neu eingetretener atypisch stiller Gesellschafter würde an den ab dem
Zusammenschlussstichtag entstandenen Gewinnen bzw. Verlusten entsprechend der
gesellschaftsvertraglich festgelegten Beteiligungsquote am Vermögen der Unternehmerin
beteiligt werden.
Ergänzend sei im Zusammenschlussvertrag vereinbart worden, dass ein neu eintretender
atypisch stiller Beteiligter im Jahr seines Beitrittes einen über seine Beteiligungsquote
hinaus gehenden Verlust bis zur Höhe von 190% seiner stillen Einlage zu übernehmen
habe. Als wirtschaftlicher Grund für diese Vereinbarung werde von der steuerlichen
Vertreterin in der Vorhaltsbeantwortung vom 21. Mai 2010 ausgeführt, dass die
Beteiligungsnehmerin (X GmbH=Geschäftsherrin) in den letzten Geschäftsjahren zur
Sicherstellung der Finanzierungsbasis und des operativen Geschäftsbetriebes erhöhte
Aufwendungen, insbesondere in Forschung und Entwicklung, tätigen habe müssen. Diese
in der Vergangenheit durch die Geschäftsherrin erbrachten Vorleistungen würden durch
eine überproportionale Übernahme von Verlusten durch den neu eintretenden stillen
Beteiligten abgegolten werden.
Es sei, da die Beteiligung der atypisch stillen Gesellschafter jeweils rückwirkend
unter Anwendung des Art. IV UmgrStG erfolgt sei, davon auszugehen, dass zum
Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung der überproportional zur Beteiligungsquote zu
übernehmende Verlust von 190% der Einlage bereits festgestanden bzw. bereits im
Wesentlichen abschätzbar gewesen sei. Die unternehmensrechtlich getroffene Gewinnbzw. Verlustverteilung sei auch für steuerliche Belange anzuerkennen, wenn sie dem
unterschiedlichen Kapital-, Arbeits- und etwaigen Haftungsrisiko der Gesellschafter
Rechnung trage oder Gegenstand der Vorsorge gegen Steuerlastverschiebungen
bei einem Zusammenschluss nach Art. IV UmgrStG sei. Wenn diese Vereinbarung
aber in einem offenbaren Missverhältnis zur Beteiligung und Mitarbeit der einzelnen
Gesellschafter stehe, sei sie mit steuerlicher Wirkung zu korrigieren (Rz 5883 EStR 2000
mwN).
Wirtschaftlicher Gehalt der vorliegenden Verlustaufteilungsvereinbarung sei, dass
durch die überproportionale Verlustzuweisung an die neu eintretenden atypisch stillen
Gesellschafter die durch Entwicklungsaufwendungen bereits in Vorjahren entstandenen
Aufwendungen bzw. Verluste des Unternehmers bzw. der Mitunternehmerschaft von den
jeweils neu eintretenden atypisch stillen Gesellschaftern übernommen werden würden.
Diese Übernahme von Aufwendungen aus Zeiträumen, in denen der neu beigetretene
atypisch stille Gesellschafter gar nicht beteiligt gewesen sei, bedeute aber nichts anderes
als eine rückwirkende Beteiligung an Verlusten des Unternehmers.
Eine Teilnahme eines neu beigetretenen Gesellschafters an Gewinnen/Verlusten, die vor
seinem Beitritt entstanden sind, sei steuerlich nicht zulässig. Die bisher vorgenommene
Verlustaufteilung sei daher mit steuerlicher Wirkung in der Weise zu korrigieren, dass
den jeweils neu beigetretenen atypisch stillen Gesellschaftern jeweils nur die ihrer
Beteiligungsquote entsprechenden Verluste in den einzelnen Jahren zuzurechnen
seien. Auf die Anwendung des Art. IV UmgrStG würden sich durch die korrigierte
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Verlustzuweisung keine Auswirkungen ergeben (vgl. Bericht vom 23. Februar 2012 über
das Ergebnis der Außenprüfung, Tz 1 und Beilage 1).
Gegen die auf dieser Basis geänderten Gewinnfeststellungsbescheide - Verlustaufteilung
unter Bedachtnahme auf die Beteiligungsverhältnisse (Q: 3,80%; X GmbH: 90,88%
und Bf.: 5,32%) - hat der Beschwerdeführer (Bf.) mit nachstehender Begründung das
Rechtsmittel der Beschwerde, die sich ausschließlich gegen die Änderung der erklärten
Verlustverteilung richte, erhoben:
A) Sachverhalt
Das Finanzamt habe zutreffend festgestellt, dass sich die X GmbH im Prüfungszeitraum
2006 bis 2008 mit der Entwicklung und dem Vertrieb von Projektführungssoftware
beschäftigt habe. Bei dieser im Juni 2005 gegründeten Gesellschaft handle es sich
um ein forschungsintensives High-tech-Unternehmen, das sich im Prüfungszeitraum
in der Start-Up-Phase befunden und daher in Verbindung mit der Softwareentwicklung
hohe Vorlaufkosten, insbesondere für Forschung und Entwicklung zu tragen gehabt
habe, die im Erfolgsfall in späteren Perioden zu entsprechenden Überschüssen führen
sollten. Ein derartiges Geschäftsmodell sei mit einem hohen Risiko sowie mit einem
hohen Finanzierungsbedarf verbunden. Hinzu komme, dass die Aufwendungen für die
Software-Entwicklung gemäß § 197 UGB in der Unternehmensbilanz nicht aktiviert werden
dürften, sodass die Gesellschaft in der Entwicklungsphase durch hohe Bilanzverluste
gekennzeichnet sei.
Da die Möglichkeiten einer klassischen Kreditfinanzierung aufgrund des fehlenden
Besicherungspotentials nur in stark eingeschränktem Ausmaß offenstünden,
seien derartige Gesellschaften generell auf Risikokapital angewiesen, somit auf
Kapitalgeber, die unter Bedachtnahme auf das zukünftige Chancenpotential bereit seien,
unternehmerische Risiken zu übernehmen und allenfalls auch den Totalverlust des von
ihnen eingesetzten Kapitals in Kauf zu nehmen.
In den Jahren 2006 und 2007 hätten sich Bf. und Q in diesem Sinne an der X GmbH
als atypisch stille Gesellschafter beteiligt und der Gesellschaft stille Einlagen als
Risikokapital zur Verfügung gestellt. Die atypisch stillen Beteiligungen seien in Anwendung
des Art. IV UmgrStG eingegangen worden, wobei die Zusammenschlüsse stets als
Verkehrswertzusammenschluss mit Buchwertfortführung (Quotenverschiebung) erfolgt
seien, wobei die atypisch stillen Gesellschafter jeweils von der Y GmbH als Treuhänder
vertreten worden seien.
1. Zusammenschluss zum Stichtag 31.3.2006 (Tranche 1)
Mit Zusammenschlussvertrag bzw. Vertrag über die Errichtung einer atypisch stillen
Gesellschaft vom 27. Dezember 2006 habe sich die Y GmbH als atypisch stille
Gesellschafterin mit einer Einlage von 75.000 € an der X GmbH beteiligt, wobei die
Einlage treuhändig für Bf. zu zwei Dritteln und für Q zu einem Drittel erfolgt sei. Als
Zusammenschlussstichtag sei der 31. März 2006 festgelegt worden.
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Abweichend vom Beteiligungsverhältnis sei vereinbart worden, dass allfällige Verluste
im Zeitraum von 1. April 2006 bis 31. Dezember 2006 bis zu 190% der Einlage vorrangig
dem neu eintretenden atypisch stillen Gesellschafter zugewiesen werden würden. Nach
dem 31. Dezember 2006 entstehende Gewinne und Verluste seien den Mitunternehmern
entsprechend der Beteiligungsquote zuzurechnen. Eine Vereinbarung über die
Zurechnung von Verlusten, die vor dem Zusammenschlussstichtag angefallen waren, sei
nicht getroffen worden.
2. Zusammenschluss zum Stichtag 31.12.2006 (Tranche 2)
Mit Zusammenschlussvertrag bzw. Vertrag über die Errichtung einer atypisch
stillen Gesellschaft vom 28. September 2007 habe sich erneut die Y GmbH als
atypisch stille Gesellschafterin mit einer Einlage von 75.000 € an der X GmbH & Still
beteiligt, wobei die Einlage treuhändig jeweils zur Hälfte für Bf. und Q erfolgt sei. Als
Zusammenschlussstichtag sei der 31. Dezember 2006 festgelegt worden.
Abweichend vom Beteiligungsverhältnis sei vereinbart worden, dass allfällige Verluste im
Zeitraum von 1. Jänner 2007 bis 31. Dezember 2007 bis zu 190% der Einlage vorrangig
dem neu eintretenden atypisch stillen Gesellschafter zugewiesen werden würden. Nach
dem 31. Dezember 2007 entstehende Gewinne und Verluste seien entsprechend der
Beteiligungsquote zuzurechnen. Eine Vereinbarung über die Zurechnung von Verlusten,
die vor dem Zusammenschlussstichtag angefallen waren, sei nicht getroffen worden.
B) Begründung des Finanzamtes
Die Nichtanerkennung der überproportionalen Verlustzuweisungen an die neu
beigetretenen atypisch stillen Gesellschafter werde im Wesentlichen damit begründet,
dass es dadurch zur steuerlich unzulässigen Teilnahme der neuen Mitunternehmer an
Verlusten käme, die vor deren Beitritten entstanden seien.
Das Finanzamt anerkenne aber ausdrücklich, dass sich durch die korrigierte
Verlustzuweisung keine Auswirkungen auf die Anwendung des Art. IV UmgrStG ergeben
würden. Dies impliziere daher auch, dass das Finanzamt die Zulässigkeit der steuerlich
rückwirkenden Teilnahme an einem Verlust/Gewinn im Rahmen von Zusammenschlüssen
nach Art. IV UmgrStG, soweit sich diese Teilnahme auf Verluste/Gewinne beziehe, die ab
dem Zusammenschlussstichtag entstanden seien, anerkenne.
Das Finanzamt erkenne damit in zutreffender Weise die in den vorliegenden Fällen
erfolgte rückwirkende Teilnahme der neu beigetretenen atypisch stillen Gesellschafter
an Verlusten, die ab dem jeweiligen Zusammenschlussstichtag entstanden seien,
dem Grunde nach an. Die Behörde beschränke die Anerkennung allerdings auf eine
beteiligungsproportionale Quote am Gesamtverlust. Denn sie gehe davon aus, dass die
überproportionale Tragung von (NACH dem Zusammenschlussstichtag entstandenen)
Verlusten durch die neu beigetretenen atypisch stillen Gesellschafter einer - unzulässigen
- Teilnahme an Verlusten aus Perioden VOR ihrem Beitritt, dh. aus Perioden VOR
dem Zusammenschlussstichtag gleichkomme. Die Behörde qualifiziere daher die
über die Beteiligungsquote hinausgehende Tragung von Verlusten, die NACH dem
Seite 4 von 23
Zusammenschlussstichtag entstanden seien, als Tragung von Verlusten, die in Perioden
VOR dem Zusammenschlussstichtag angefallen seien.
Da die in Rede stehenden Zusammenschlussverträge nur Vereinbarungen über die
Verteilung von solchen Ergebnissen enthielten, die NACH dem Zusammenschlussstichtag
entstehen, vermöge die Behörde ihre Ansicht allerdings nicht auf die vertraglichen
Vereinbarungen zu stützen. Als Begründung führe die Behörde die Bestimmung
des § 21 Abs. 1 BAO an, wonach abgabenrechtliche Fragen nach dem wahren
wirtschaftlichen Gehalt und nicht nach der äußeren Erscheinungsform des Sachverhaltes
zu beurteilen seien. Der wirtschaftliche Gehalt der im vorliegenden Fall vorgenommenen
Verlustaufteilungsvereinbarung sei nach Ansicht der Behörde jener, "dass durch die
überproportionale Verlustzuweisung an die neu eintretenden atypisch stillen Gesellschafter
die durch Entwicklungsaufwendungen bereits in Vorjahren entstandenen Aufwendungen
bzw. Verluste des Unternehmers bzw. der Mitunternehmerschaft von den jeweils neu
eintretenden atypisch stillen Gesellschaftern übernommen werden."
Die Behörde spreche wörtlich von der "Übernahme von Aufwendungen aus Zeiträumen,
in denen der neu beigetretene atypisch stille Gesellschafter gar nicht beteiligt war",
wobei dies nichts anderes als "eine rückwirkende Beteiligung an Verlusten des
Unternehmens" sei. Eine derartige Teilnahme eines neu beigetretenen Gesellschafters
an Gewinnen/Verlusten, die vor seinem Beitritt entstanden seien, sei nach Ansicht
der Behörde steuerlich nicht zulässig. Aus diesem Grund seien die vorgenommenen
Verlustaufteilungen zu korrigieren.
Im Ergebnis nehme die Behörde daher eine Umqualifikation einer alinearen Verteilung
von laufenden Verlusten auf Basis der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gemäß
§ 21 Abs. 1 BAO in eine - verpönte - Verteilung von Verlusten aus früheren Perioden vor.
Sie deute eine Abrede über die laufende Ergebnisverteilung in wirtschaftlicher Betrachtung
als unzulässige Teilnahme an Verlusten aus Vorperioden.
C) Rechtliche Würdigung
1. Alineare Gewinn-/Verlustverteilungen sind grundsätzlich steuerlich anzuerkennen
a) Maßgeblichkeit der Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern
Wie die Behörde selbst feststelle, seien für die Gewinn- bzw. Verlustverteilung
einer Gesellschaft die Vereinbarungen der Gesellschafter, insbesondere jene des
Gesellschaftsvertrages, maßgebend. Im vorliegenden Fall einer stillen Gesellschaft
ermögliche der dispositive Charakter des § 181 Abs. 1 UGB den Gesellschaftern, die
Gewinn- und Verlustverteilung weitestgehend frei zu gestalten. Die unternehmensrechtlich
getroffene Ergebnisverteilung sei somit grundsätzlich auch für steuerliche Belange
anzuerkennen. Daraus folge, dass vom Beteiligungsverhältnis abweichende,
alineare Gewinn- bzw. Verlustzuweisungen grundsätzlich möglich und zulässig seien.
Voraussetzung sei nach der Verwaltungspraxis, dass die unternehmensrechtliche
Gewinnverteilung dem unterschiedlichen Kapital-, Arbeits- und dem etwaigen
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Haftungsrisiko der Gesellschafter Rechnung trage, somit wirtschaftlich gerechtfertigt
werden könne (vgl. Rz 5883 EStR 2000).
Trage die unternehmensrechtliche Gewinnverteilung diesen Anforderungen in
sachgerechter Weise Rechnung, sei eine weitergehende Angemessenheitsprüfung
nicht erforderlich, wenn es sich bei den beteiligten Personen um einander fremde
Gesellschafter handle. Bei nicht durch eine Nahebeziehung verbundenen Vertragspartnern
könne nämlich nach einhelliger Auffassung von Rechtsprechung, Verwaltungspraxis
und Schrifttum üblicherweise davon ausgegangen werden, dass eine Vereinbarung
über die Gewinnverteilung einer Mitunternehmerschaft dem Beitrag der Gesellschafter
zur Erreichung des Gesellschaftszweckes entspreche. Eine Angemessenheitsprüfung
werde daher nur in Fällen von Nahebeziehungen zwischen den Gesellschaftern für
notwendig erachtet, die einen mangelnden Interessengegensatz in Bezug auf die
Gewinnverteilung bewirken könnten. Dies könne neben Familiengesellschaften etwa
auch bei der GmbH & Still der Fall sein, wenn Gesellschafter der GmbH auch atypisch
still beteiligt seien. Da eine Angemessenheitsprüfung hinsichtlich der getroffenen
Ergebnisverteilungsabreden von der Behörde nicht vorgenommen worden sei, werde
nur auf die wirtschaftliche Rechtfertigung der hier in Frage stehenden alinearen
Gewinnverteilungsabreden eingegangen.
b) Wirtschaftliche Rechtfertigung der alinearen Verlusttragung in den konkreten Fällen
Der wirtschaftliche Beweggrund für die überproportionale Verlustzuweisung an die neu
beitretenden atypisch stillen Gesellschafter sei in einem Beitrag zur Existenzsicherung
des zusammenschlussgegenständlichen Betriebes gelegen. Die überproportionale
Verlustzuweisung an die Stillen habe die bilanz- und finanzierungstechnischen
Probleme des zusammenschlussgegenständlichen Betriebes, die aufgrund der hohen
Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in der Vergangenheit entstanden seien,
gelindert. Die überproportionale Verlustzuweisung habe somit die Folgewirkungen
dieser Vorleistungen des Geschäftsherrn in bilanzieller und finanzierungstechnischer
Hinsicht lindern sollen, indem eine Verbesserung des Bilanzbildes bewirkt und zukünftige
Entnahmemöglichkeiten für die Stillen bei sofortiger Kapitalzufuhr und Minimierung von
Kapitalkosten erreicht worden seien. Gleichzeitig sei durch diesen Beitrag eine Teilung
des bislang allein beim Geschäftsherrn liegenden Haftungsrisikos für solche Forschungsund Entwicklungsaufwendungen bewirkt worden, die sich eventuell künftig als frustrierte
Aufwendungen erweisen sollten. Derartige Beiträge von Risikokapitalgebern könnten bei
forschungsintensiven High-Tech-Unternehmen als branchenüblich bezeichnet werden.
Nach der Verwaltungspraxis sei die von den Gesellschaftern getroffene (alineare)
Verlustverteilung anzuerkennen, wenn sie dem unterschiedlichen Kapital-, Arbeits- oder
Haftungsrisiko der Gesellschafter Rechnung trage. Genau diese Voraussetzungen erfülle
die alineare Verlusttragung im vorliegenden Fall, indem sie einen Risikoausgleich in Bezug
auf die Tragung der Anlaufverluste in der Entwicklungsphase bewirkt habe.
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Auch nach der Rechtsprechung des BFH zur vergleichbaren deutschen Rechtslage
richte sich der steuerliche Gewinn des einzelnen Mitunternehmers in Ermangelung
einer steuerlichen Regelung nach dem unternehmensrechtlichen (in Deutschland:
handelsrechtlichen) Gewinnverteilungsschlüssel, wenn dem nicht besondere
steuerrechtliche Bestimmungen entgegenstünden. Besondere steuerliche Gründe,
die der abweichenden Verteilung entgegenstehen könnten, könnten insbesondere
eine außerbetriebliche Veranlassung oder Rechtsmissbrauch sein. Disquotale
Gewinnvereinbarungen würden nach der Rechtsprechung des BFH steuerlich anerkannt,
wenn sie durch die wirtschaftlichen Verhältnisse begründet und vor der Gewinnentstehung
beschlossen worden seien. Selbst wenn andere als steuerliche Gründe für eine disquotale
Gewinnvereinbarung nicht erkennbar gewesen seien, habe der BFH die Gewinnverteilung
steuerlich anerkannt. Eine betriebliche Veranlassung einer vorrangigen Verlustzuteilung
habe der BFH etwa in dem Umstand gesehen, dass die neu eingetretenen Gesellschafter
die neu entstehenden Verluste finanziell tragen würden. Das sei etwa der Fall, wenn
Gesellschaftern im Jahr des Eintritts in die Gesellschaft "im Interesse einer gleichmäßigen
Behandlung der Aufbau- und Anlaufleistungen" erhöhte Verluste zugewiesen werden
würden.
Solche Verlustvereinbarungen seien aber nur dann anzuerkennen, wenn sichergestellt sei,
dass der ab Eintritt der neuen Gesellschafter entstandene Verlust die disproportionalen
Verlustanteile der neuen Gesellschafter in ihrer Summe abdecke.
Der BFH erkenne - wie auch der VwGH in Österreich - disproportionale
Verlustzuweisungen nicht an, die auf die Übernahme von Verlusten aus Perioden vor dem
Eintritt des neuen Gesellschafters zurückzuführen seien.
Zusammenfassend sei daher nach der Rechtsprechung des BFH eine Ergebnisverteilung,
derzufolge neu eintretende Gesellschafter im Jahr ihres Eintritts einen erhöhten Anteil am
Verlust erhielten, steuerlich grundsätzlich anzuerkennen. Dies gelte, soweit sich diese
Ergebnisverteilungsabrede auf künftige Ergebnisse erstrecke und weder außerbetrieblich
veranlasst noch missbräuchlich sei.
Wie bereits angeführt, habe die alineare Verlustzuweisung das Bilanzbild der
Geschäftsherrin verbessert. In den vorliegenden Fällen habe die Einlage der atypisch
stillen Gesellschafter aus bilanzrechtlicher Sicht kein Eigenkapital im Sinne des Postens A.
nach § 224 Abs. 3 UGB dargestellt, sondern sei in der unternehmensrechtlichen
Bilanz gesondert im Fremdkapital ausgewiesen gewesen. Ausschlaggebend
dafür seien insbesondere die fehlende Nachrangigkeit gewesen sowie die in den
Gesellschaftsverträgen vorgesehehenen Kündigungsmöglichkeiten der stillen
Gesellschafter bzw. die damit verbundenen Kapitalrückzahlungsverpflichtungen, die gegen
das Gebot der fehlenden Befristung der Kapitalüberlassung verstießen und einen Ausweis
der Einlagen der atypisch stillen Gesellschafter im Eigenkapital nicht zuließen.
Daran habe auch der in den Zusammenschlussverträgen verankerte Hinweis auf
die Zurechenbarkeit der Einlagen zum "wirtschaftlichen Eigenkapital" nichts zu
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ändern vermögen. Denn die "wirtschaftliche" - aber eben nicht bilanzrechtliche Eigenkapitalqualität des überlassenen Kapitals habe primär aus der überproportionalen
Verlusttragung resultiert, da nicht einmal eine Nachrangigkeit der Ansprüche der stillen
Gesellschafter gegenüber anderen Gläubigern vereinbart worden sei.
Vor diesem Hintergrund habe erst die Verlustübernahme durch die atypisch stillen
Gesellschafter eine Verbesserung des unternehmensrechtlichen bilanziellen Eigenkapitals
bewirkt, indem eben ein Teil des laufenden Verlusts nicht mehr im Bilanzposten
"Bilanzverlust" (§ 224 Abs. 3 A. IV. UGB) ausgewiesen hätte werden müssen, sondern
vorab den atypisch stillen Gesellschaftern zugewiesen und mit deren Einlagen verrechnet
worden seien. Dadurch habe die X GmbH in ihren Bilanzen einen erheblich geringeren
Bilanzverlust bzw. ein erheblich höheres Eigenkapital ausgewiesen, als dies bei bloß
beteiligungsproportionaler Verlusttragung durch die atypisch stillen Gesellschafter
der Fall gewesen wäre. Dieser Effekt sei aufgrund der hohen Verluste, die ein HighTech-Unternehmen in der Start-Up-Phase typischerweise in Kauf nehmen müsse, von
besonderer Bedeutung.
Ein weiterer Grund für die Vereinbarung der überproportionalen Verlustzuweisungen
an neu beigetretene atypisch stille Gesellschafter sei darin gelegen, dass dadurch
die künftigen Entnahmemöglichkeiten der Stillen eingeschränkt würden und dies
finanztechnische Vorteile für die Geschäftsherrin mit sich bringe. Grundsätzlich könnte
eine Beschränkung der Entnahmemöglichkeiten auch durch vertragliche Vereinbarungen
erreicht werden, jedoch sei dies im vorliegenden Fall in Zusammenschau mit der für
die X GmbH bedeutsamen Verbesserung der bilanziellen Eigenkapitalausstattung, die
durch die überproportionale Verlusttragung der stillen Gesellschafter erreicht worden
sei, zu sehen. Durch diese überproportionale Verlusttragung der Stillen habe keine
Notwendigkeit mehr bestanden, weitere Beschränkungen der Entnahmemöglichkeiten
der stillen Gesellschafter vorzusehen. Denn die überproportionale Verlusttragung
habe bereits ein Hinausschieben von "Zinszahlungen" an diese bewirkt, da sie zur
vollen Entnahme von künftigen Gewinnanteilen erst nach vollständiger Auffüllung ihres
Verlustverrechnungskontos berechtigt gewesen seien.
Die aus der überproportionalen Verlusttragung durch die stillen Gesellschafter
resultierende Entnahmebeschränkung sei äußerst effizient gewesen und auf die
Bedürfnisse eines in der Start-Up-Phase befindlichen High-Tech-Unternehmens
zugeschnitten: Die Risikokapitalgeber hätten dadurch solange überhaupt keinen Anspruch
auf eine Vergütung bzw. Verzinsung des von ihnen eingesetzten Kapitals, als sich das
Unternehmen in der Verlustphase (Entwicklungsphase) befunden habe. Dadurch seien
dem Unternehmen in dieser Zeit keine Kapitalkosten für das überlassene Risikokapital
entstanden, sodass daraus weder die Liquidität noch das Ergebnis belastet worden seien.
Erst nach Überwindung der Entwicklungsphase sei mit Vergütungsansprüchen der stillen
Gesellschafter in Form von Gewinnanteilen zu rechnen. Diese hätten jedoch erst nach
Auffüllen des Verlustverrechnungskontos zu Liquiditätsabflüssen bei der Geschäftsherrin
führen können. Die mit dieser Regelung verbundene Minimierung der Kapitalkosten für
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das stille Beteiligungskapital und der positive Liquiditätseffekt jeweils in der Anlaufphase
seien den Bedürfnissen eines forschungsintensiven High-Tech-Unternehmens in der StartUp-Phase ideal entgegen gekommen.
Folge man der Argumentation der Finanzverwaltung, dass jeweils nur der aliquote Anteil
am Vermögen auch für die Gewinnverteilung maßgeblich sein sollte, hätte dies aus der
Sicht des Mitunternehmerrisikos den paradoxen Effekt, dass der zuletzt einsteigende
Gesellschafter zuerst über ein entnahmefähiges Kapitalkonto verfüge. Damit wäre eine
nicht erklärbare Umkehr der wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber den steuerlichen
Verhältnissen im Bereich der Risikotragung gegeben. Derartige Effekte über abweichende
Entnahmeregelungen zu steuern, würde voraussetzen, dass man die Zukunft vorhersehen
könnte. Genau dies sei nicht möglich und daher Grundsatz jeglicher Risikotragung. Somit
werde es bereits seit Jahren als dem Interessensausgleich bestehender Investoren und
der späteren Investoren am ehesten entsprechend angesehen, wenn die einzahlenden
Investoren jeweils die Aufwendungen bzw. den Verlust jenes Geschäftsjahres tragen, den
ihre Einzahlung betreffe. Dies trage der Weiterentwicklung des Unternehmens Rechnung
und entspreche der tatsächlichen Risikotragung.
Da die alinearen Verlustverteilungen in den vorliegenden Fällen betrieblich veranlasst
gewesen seien, seien sie steuerlich anzuerkennen.
2. Es wurden keine Verluste verteilt, die vor dem Zusammenschlussstichtag entstanden
sind
Die hier in Frage stehenden alinearen Verlustzuweisungen wären, wie die Behörde
ausführe, steuerlich nicht anzuerkennen, wenn die im Rahmen der hier in Frage
stehenden Zusammenschlüsse nach Art. IV UmgrStG neu beigetretenen Mitunternehmer
an Gewinnen oder Verlusten beteiligt worden wären, die VOR den jeweiligen
Zusammenschlussstichtagen angefallen waren. Dazu sei es aber in den vorliegenden
Fällen nicht gekommen. Wie die Behörde selbst einräume, seien die neu beitretenden
Mitunternehmer nach den Zusammenschlussverträgen stets nur an solchen Gewinnen/
Verlusten beteiligt worden, die NACH dem Zusammenschlussstichtag angefallen
seien. Dieser Umstand habe sich auch faktisch dadurch bestätigt, dass die alinear
vorgenommenen Verlustverteilungen nur die ab den Zusammenschlussstichtagen
entstandenen Verluste betroffen hätten und nicht über diese hinausgegangen
seien. Dass auch nur dies intendiert gewesen sei, ergebe sich eindeutig aus den
Zusammenschlussvereinbarungen. In diesem Sinn sei mit der Rechtsprechung des
BFH davon auszugehen, dass nur nach Eintritt der neuen Gesellschafter entstandene
Verluste zugewiesen werden würden. Daran ändere auch die Aussage des steuerlichen
Vertreters der X GmbH & Still im Vorhalteverfahren nichts. Diese sei lediglich darauf
gerichtet gewesen, die wirtschaftlichen Gründe, dh. die betriebliche Veranlassung der
disproportionalen Verlustzuweisung zu begründen.
Dem stehe auch nicht entgegen, dass der wirtschaftliche Beweggrund für die alineare
Verteilung der laufenden Verluste zum Teil darin gelegen sei, dass der Geschäftsherr
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- ein forschungsintensives High-Tech-Unternehmen - verlusttragendes Risikokapital
benötigt habe, weil er in Zeiträumen vor den Zusammenschlüssen selbst hohe Verluste,
insbesondere aus Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zu tragen gehabt
habe. Diese hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen des Geschäftsherrn
hätten einerseits zu einem entsprechend hohen Finanzierungsbedarf geführt. Da aber
derartige Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen gemäß § 197 UGB nicht aktiviert
werden dürften, habe der Betrieb des Geschäftsherrn zudem hohe Bilanzverluste und
eine entsprechend niedrige Eigenkapitalbasis ausgewiesen. Da auch für die Zukunft
weitere Verluste aus der Fortsetzung der Entwicklungstätigkeit zu erwarten gewesen
seien, sei es für den Geschäftsherrn von besonderer Bedeutung gewesen, Risikokapital
zu akquirieren, das einen überproportionalen Anteil an den zukünftigen Verlusten tragen
würde. Erst durch eine überproportionale Verlusttragung durch die neu beitretenden
Stillen sei es ermöglicht worden, aúch die Eigenkapitalbasis und damit das Bilanzbild des
zusammenschlussgegenständlichen Betriebes entscheidend zu verbessern.
Gleichzeitig sei dadurch auch ein positiver Finanzierungseffekt erreicht worden, weil die
Kapitalkosten minimiert worden seien, indem die zukünftigen Entnahmemöglichkeiten
der Stillen durch die Belastung ihres Verlustverrrechnungskontos beschränkt bzw.
hinausgeschoben worden seien.
Der wirtschaftliche Beweggrund für die überproportionale Verlustzuweisung an die Stillen
sei daher in einem Beitrag zur Existenzsicherung des zusammenschlussgegenständlichen
Betriebes gelegen. Die überproportionale Verlustzuweisung an die Stillen habe die
bilanz- und finanzierungstechnischen Probleme des zusammenschlussgegenständlichen
Betriebes, die aufgrund der hohen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in der
Vergangenheit entstanden seien, gelindert. Die überproportionale Verlustzuweisung
habe somit der Linderung der Folgewirkungen dieser Vorleistungen des Geschäftsherrn
in bilanzieller und finanzierungstechnischer Hinsicht, was durch eine Verbesserung
des Bilanzbildes und das Hinausschieben zukünftiger Entnahmemöglichkeiten
für die Stillen bei sofortiger Kapitalzufuhr und Minimierung von Kapitalkosten
erreicht worden sei, gedient. Gleichzeitig sei durch diesen Beitrag eine Teilung des
bislang allein beim Geschäftsherrn liegenden Haftungsrisikos für Forschungs- und
Entwicklungsaufwendungen, die sich eventuell als frustrierte Aufwendungen erweisen
sollten, bewirkt worden.
Derartige Beiträge von Risikokapitalgebern könnten bei forschungsintensiven High-TechUnternehmen als branchenüblich bezeichnet werden. Sie erschienen auch aus der Sicht
der Risikokapitalgeber fair, da sie zu einer ausgewogenen Risikoverteilung führten.
Dass die wirtschaftliche Rechtfertigung für die alineare Verteilung laufender Verluste
im Anlassfall zum Teil auf Entwicklungen in der Vergangenheit (in Form der für das
Geschäftsmodell eines forschungsintensiven High-Tech-Unternehmens typischen
Verlustsituation und des damit verbundenen Kapitalbedarfs) zurückgehe, könne aber
aus steuerlicher Sicht nicht dazu führen, dass die Verteilung laufender Verluste in eine
Verteilung von Verlusten aus Vorperioden umqualifiziert wird. Denn bei der wirtschaftlichen
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Rechtfertigung der Ergebnisverteilungsabrede könne weder von der Historie des
Unternehmens noch von der aus der Entwicklung in der Vergangenheit resultierenden
Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens zum Zeitpunkt des Beitritts des
neuen Mitunternehmers abstrahiert werden.
Auch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Sinne des Art. 21 Abs. 1 BAO vermöge
nichts daran zu ändern, dass in den vorliegenden Fällen nur die nach Eintritt der
neuen Gesellschafter entstandenen Verluste (alinear) auf die Mitunternehmer verteilt
worden seien, und nicht etwa Verluste, die schon vor dem Zusammenschlussstichtag
entstanden seien. Denn auch in wirtschaftlicher Betrachtung hätten sich die in den
Zusammenschlussverträgen getroffenen Ergebnisverteilungsabreden ausschließlich auf
laufende Ergebnisse ab dem Zusammenschlussstichtag bezogen.
Wenn nun die Behörde vermeine, es habe sich nach dem wahren wirtschaftlichen
Gehalt bei der überproportionalen Verlustzuweisung im Beitrittsjahr um eine "Übernahme
von Aufwendungen" aus Zeiträumen, in denen der neu beigetretene atypisch stille
Gesellschafter gar nicht beteiligt gewesen sei, gehandelt, verkenne sie den wahren
wirtschaftlichen Gehalt der getroffenen Vereinbarungen. Denn die Vertragsteile hätten
auch in wirtschaftlicher Hinsicht nur die alineare Verteilung von laufenden Verlusten ab
dem Zusammenschlussstichtag in bestimmten Grenzen vereinbart. Dadurch sollte in
wirtschaftlicher Hinsicht ein Risikoausgleich erreicht werden. Denn der Geschäftsherr
hätte aus seiner Software-Entwicklungstätigkeit bzw. aus seinen "Vorleistungen" bereits
vor dem Beitritt der neuen Mitunternehmer hohe Ausgaben bzw. Verluste zu tragen gehabt
und hätte aufgrund des Geschäftsmodells bis zum Abschluss der Entwicklungsphase
noch weitere Verluste erwartet. Eine bloß beteiligungsproportionale Verlusttragung
durch die neu beitretenden Mitunternehmer hätte diese aus Risikogesichtspunkten
bevorzugt. Darüber hinaus hätte sie das Bilanzbild nur unwesentlich verbessert sowie
den beitretenden Mitunternehmern raschere Entnahmemöglichkeiten eröffnet und
dadurch zu höheren Kapitalkosten geführt. Dass nicht Verluste aus Perioden vor dem
Eintritt der neuen Gesellschafter Gegenstand der erfolgten und hier in Frage stehenden
Verlustzuweisung gewesen seien, werde auch dadurch erwiesen, dass tatsächlich nur der
nach Eintritt der neuen Gesellschafter erwirtschaftete Verlust zur ungleichen Verteilung
gelangt sei.
Die Abgabenbehörde nehme unter Rückgriff auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise
einen anderen Sachverhalt als gegeben an als die Gesellschafter (und die Gesellschaft
selbst). Sie stütze ihre Auffassung einzig und allein auf die Stellungnahme des
steuerlichen Vertreters der X GmbH, die sie ganz offenkundig missverstanden habe. Die
faktische Lage entspreche nicht dem von der Behörde angenommenen Sachverhalt:
Faktum sei, dass nur der nach Eintritt der neuen Gesellschafter erwirtschaftete Verlust
an die neuen Gesellschafter zur Verteilung gelangt sei. Das ergebe sich eindeutig aus
den hier in Frage stehenden Zusammenschlussverträgen und den Bilanzen der hier in
Frage stehenden Besteuerungszeiträume. Die Aussagen des steuerlichen Vertreters
zur betrieblichen Veranlassung der alinearen Gewinnverteilung seien aufgrund der
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Tatsachenlage gar nicht geeignet gewesen, eine abweichende Sachverhaltsbeurteilung
vorzunehmen. Die Bestimmung des § 21 Abs. 1 BAO erlaube nicht eine eigenständige
Beurteilung und Umdeutung des Sachverhalts nach freischwebend wirtschaftlichen
Gesichtspunkten. Genau eine solche habe die Abgabenbehörde aber vorgenommen.
3. Ergebnis
Aus den angeführten Gründen seien die in den Jahren 2006 und 2007 vorgenommenen
alinearen bzw. überproportionalen Verlustzuweisungen an die jeweils neu beigetretenen
atypisch stillen Gesellschafter auch mit steuerlicher Wirkung anzuerkennen. Für eine
Beschränkung dieser Verlustzuteilungen an die jeweils neu beigetretenen atypisch stillen
Gesellschafter auf die ihrer Beteiligungsquote entsprechenden Verluste bestehe keine
Handhabe.
Der Bf. hat im Schreiben vom 5. März 2015 zur Stellungnahme der Betriebsprüfung zur
Beschwerdeschrift vom 3. April 2013 im Wesentlichen Nachstehendes ausgeführt:
1. Allgemeines
Auf Seite 12 der Stellungnahme vom 3. April 2013 gebe das Finanzamt zwar an, weiterhin
an der in der Bescheidbegründung vorgenommenen Beurteilung - der wirtschaftliche
Gehalt im Sinne des § 21 Abs. 1 BAO der alinearen Verlustverteilung bestehe darin,
dass durch die überproportionale Verlustzuweisung an die neu eintretenden atypisch
stillen Gesellschafter die bereits in Vorjahren entstandenen Aufwendungen bzw.
Verluste des Unternehmens von den neu eintretenden Gesellschaftern übernommen
worden seien - festzuhalten, jedoch entspreche diese Aussage in keinster Weise
dem Inhalt der Stellungnahme, in der versucht werde den in der Beschwerde
angeführten außersteuerlichen Gründen (Verbesserung der Eigenkapitalstruktur,
Entnahmebeschränkungen) die Berechtigung abzusprechen und Argumente für eine
willkürliche Verlustzuteilung darzustellen.
2. Die vorrangige Verlustzuweisung an die atypisch Stillen soll zu keiner Verbesserung der
Eigenkapitalstruktur geführt haben (Seite 5ff)
Da im vorliegenden Fall die Zusammenschlussverträge keine Nachrangigkeit des
Beteiligungskapitals im Falle der Liquidation oder Insolvenz der Gesellschaft vorsehen
würden und auch ein ordentliches Kündigungsrecht vereinbart worden sei, seien
die Voraussetzungen für einen Ausweis des atypisch stillen Beteiligungskapitals als
Eigenkapital (§ 224 Abs. 3 A UGB) im Jahresabschluss der X GmbH nicht erfüllt. Auf
Grund der fehlenden Nachrangigkeit sei nicht einmal der gesonderte Ausweis nach dem
Eigenkapital als "Hybridkapital" zulässig.
Es sei unstrittig, dass es sich bei den Einlagen der atypisch stillen Gesellschafter um
eine Sonderposition handle, die aus Transparenzgründen als eigener Posten, nämlich
als Fremdkapital, ausgewiesen worden sei. Denn als bilanzielles Fremdkapital sei
grundsätzlich jeder andere Passivposten, der nicht "Eigenkapital" darstelle, anzusehen.
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Der Umstand, dass die Einlagen der atypisch stillen Gesellschafter zwar im
Innenverhältnis der Vertragsparteien als "wirtschaftliches Eigenkapital" aufgrund der
Gewinn- bzw. Verlusttragung und der Beteiligung am Firmenwert und den stillen Reserven
bezeichnet werde, führe jedoch nicht dazu, dass die Einlagen der atypisch stillen
Gesellschafter dem bilanziellen Eigenkapital der X GmbH zuzuordnen wären. Demnach
seien diese Formulierungen in den Zusammenschlussverträgen für die Frage, ob die
alinearen Verlustzuweisungen zu einer Verbesserung des Bilanzbildes der X GmbH
geführt hätten, unbeachtlich.
Faktum sei, dass die X GmbH bei einer linearen Verlustzuweisung in den Jahren 2006
und 2007 per 31. Dezember 2007 ein negatives Eigenkapital von 12.000 Euro und bei
alinearer Verlustzuweisung ein (positives) Eigenkapital von 81.000 Euro auszuweisen
habe.
3. Die wirtschaftliche Begründung der Entnahmebeschränkung durch die alineare
Verlustzuweisung wird von der Behörde nicht anerkannt (Seite 6ff)
Die Notwendigkeit der Einschränkung der Entnahmemöglichkeit der atypisch stillen
Gesellschafter werde von der Betriebsprüfung in der Stellungnahme auf Seite 7 offenbar
anerkannt. In welcher Form dies erfolge müsse auf Grund der Vertragsrechtsautonomie
der Disposition der Vertragspartner überlassen werden. Es liege nicht im Ermessen der
Abgabenbehörden, Verträge, die einen klaren außersteuerlichen Hintergrund hätten, nicht
anzuerkennen, weil andere Auswirkungen dieser Verträge auch steuerliche Folgen hätten.
Wenn derartige Abreden über alineare Ergebnisverteilungen steuerlicht nicht anerkannt
werden würden, werde es gerade bei Start-up Gesellschaften im Technologiebereich
schwieriger, Investoren zu finden.
An Hand eines Rechenbeispieles wird gezeigt, dass im Falle einer linearen
Verlustzuweisung der atypisch stille Gesellschafter bereits im 4. Jahr nach Leistung der
Einlage von seinem Entnahmerecht Gebrauch machen könnte, während im Falle einer
alinearen Verlustzuweisung dies selbst im 7. Jahr noch nicht möglich wäre. Dies bringe
dem Geschäftsherrn zweifelsohne einen Finanzierungsvorteil.
Zusammenfassend sei festzustellen, dass die alineare Verlustzuweisung einerseits zu
einer Verbesserung des Bilanzbildes und andererseits zu einem Finanzierungsvorteil für
den Geschäftsherrn durch die dadurch geschaffene Entnahmebeschränkung geführt habe.
Damit lägen zweifelsohne beachtliche sachliche und außersteuerliche Gründe für die
vorgenommene Vertragsgestaltung vor.
4. Die Verlustverteilung erfolgte nach Ansicht der Behörde "willkürlich" (Seite 7ff)
Zur Ansicht der Behörde, wonach die Verlustverteilung willkürlich erfolgt sei und in
einem Missverhältnis zur Beteiligung und Mitarbeit der einzelnen Gesellschafter
stehe, sei anzumerken, dass unter fremden Gesellschaftern die Angemessenheit der
Gewinnverteilung in der Regel nicht zu prüfen sei; der natürliche Interessensgegensatz
rechtfertige die Vermutung, dass die vereinbarte Gewinnverteilung dem Beitrag des
Gesellschafters entspreche. Auf Grund der wirtschaftlichen Gründe - Verbesserung des
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Bilanzbildes der X GmbH sowie die Beschränkung der künftigen Entnahmemöglichkeiten für die vorgenommene Vertragsgestaltung gehe der Vorwurf der "Willkür" ins Leere.
In wirtschaftlicher Betrachtungsweise könne die alineare Verlustzuweisung an die neu
eingetretenen atypisch stillen Gesellschafter auch als eine Art Gewinnvorab zugunsten der
Geschäftsherrin gesehen werden, da diese für die Geschäftsführung allein verantwortlich
gewesen sei.
Die Tatsache, dass die bestehenden Gesetze eine alineare Ergebnisverteilung nicht
verbieten würden, werde auch von der Behörde grundsätzlich anerkannt.
Auf Seite 10 werde auch die Rückwirkung der Beteiligungen der atypisch stillen Beteiligten
als schädlich für die steuerliche Anerkennung der Ergebnisverteilung angesehen.
Die Behörde kritisiere einerseits die rückwirkende Teilnahme am Ergebnis, das bei
Unterfertigung der Zusammenschlussverträge bereits abschätzbar wäre, durch die stillen
Gesellschafter, erkenne diese aber andererseits ausdrücklich an.
Im Rahmen von Zusammenschlüssen gemäß Art. IV UmgrStG könne innerhalb der
Rückwirkungsfrist zum Umgründungsstichtag beigetreten werden. Der Beitretende
nehme dann rückwirkend ab dem Zusammenschlussstichtag am Ergebnis der
Mitunternehmerschaft teil.
Wenn die Betriebsprüfung die aufgrund der Bestimmungen des
Umgründungssteuergesetzes rückwirkende Ergebniszuteilung als schädlich für die
alineare Ergebniszuteilung umdeute, erfolge dies
• entgegen dem ausdrücklichen Gesetzteswortlaut des Umgründungssteuergesetzes,
• entgegen den Intentionen des Gesetzgebers und
• entgegen der in den EStR 2000 ausdrücklich festgehaltenen Rechtsansicht des BMF.
Weiters werde auf den Seiten 10ff die zeitlich nahe aber vertraglich bezüglich der
Verlustzuweisung unterschiedlich gestaltete Kapitalerhöhung der Geschäftsherrin
einerseits und atypisch stiller Beteiligter andererseits als Argument gegen die steuerliche
Anerkennung der vertraglichen Ergebnisverteilung angeführt. Die Abgabenbehörde
übersehe hier aber völlig, dass ein Vergleich dieser beiden Beteiligungsformen nicht
sachgerecht sein könne. Zwar erhalte der atypisch stille Beteiligte vorerst einen höheren
Verlustanteil, umgekehrt erfolge aber im Gewinnfalle auch die Gewinnverteilung zunächst
an die atypisch stillen Gesellschafter (vgl. Pkt. 3.9. der Zusammenschlussverträge);
den Gesellschaftern der Geschäftsherrin komme zunächst gar kein Gewinnanteil zu.
Während die atypisch stillen Gesellschafter bezüglich der Gewinnzuteilung nämlich ein
Entnahmerecht (nach "Auffüllung" ihres negativen Kapitalkontos) hätten, stehe dieses
einem Aktionär nur bei Vorliegen eines entsprechenden Bilanzgewinnes und nur aufgrund
eines gesonderten Gesellschafterbeschlusses zu, einem Minderheitsaktionär mangels
durchsetzungsfähiger Mehrheit für einen Ausschüttungsbeschluss allein gar nicht.
Man könne nicht zwei zivilrechtlich vollkommen unterschiedliche Beteiligungsformen
abgabenrechtlich ident bewerten.
Seite 14 von 23
Sowohl die Gegenüberstellung des Eigenkapitals bei alinearer und quotaler
Verlustzuweisung als auch die Gegenüberstellung der Entnahmemöglichkeiten zeigten,
welche Vorteile durch die getroffenen Vereinbarungen geschaffen worden seien. Es lägen
somit ausreichend sachliche Gründe für die getroffenen Vereinbarungen vor, sodass
Willkür ausgeschlossen sei.
5. Zusammenfassende Würdigung
Zusammenfassend sei festzuhalten, dass den atypisch stillen Gesellschaftern weder
Aufwendungen bzw. Verluste aus Perioden vor dem jeweiligen Zusammenschlussstichtag
zugewiesen worden seien, noch die Ergebnisverteilung willkürlich erfolgt sei. Die
Verbesserung des Bilanzbildes der X GmbH gepaart mit den aus der Sicht der X GmbH
reduzierten Kapitalkosten aufgrund der geschaffenen Entnahmebeschränkung
rechtfertigten die alineare Ergebnisverteilung und würden das Vorliegen wesentlicher
sachlicher und außersteuerlicher Gründe beweisen. Somit seien die zwischen fremden
Dritten getroffenen Vereinbarungen auch für steuerliche Zwecke anzuerkennen.
Das Finanzamt hat in der Vorhaltsbeantwortung vom 17. März 2015 unter Bekräftigung
der in der Stellungnahme vom 3. April 2013 dargelegten Rechtsansicht des Bundesweiten
Fachbereichs eine weitere Äußerung als entbehrlich gehalten.
Die bevollmächtigte Vertreterin des Bf. hat in der mündlichen Verhandlung Nachstehendes
ausgeführt:
"Von seiten des Parteienvertreters des Bf. wird nach Rücksprache mit der
bevollmächtigten Vertreterin der X GmbH und atypisch stille Gesellschafter erklärt, dass
für das gegenständliche Verfahren der Bf., Bf., als gemeinsamer Bevollmächtigter gem. §
81 BAO für die X GmbH und atypisch stille Gesellschafter zu qualifizieren ist.
Dr. Rabel bringt vor:
In der Stellungnahme der Behörde vom 3.4.2013 kommt nicht klar zum Ausdruck, auf
welcher rechtlichen Grundlage die alineare Ergebnisverteilung versagt werden soll.
Während die Bescheidbegründung dies noch auf eine Verteilung von Verlusten aus
Vorperioden stützt, scheint die Behörde in der Stellungnahme ihre Argumentation lediglich
auf eine "willkürliche" Ergebnisverteilung der laufenden Verluste des betreffenden
Geschäftsjahres zu stützen. Damit wird aber eine vollkommen andere rechtliche
Grundlage herangezogen, die von der Behörde nicht ausdrücklich genannt wird. Unseres
Erachtens kann eine derartige Argumentation nur auf § 22 BAO gestützt werden. Eine
missbräuchliche Gestaltung liegt aber im vorliegenden Fall schon deshalb nicht vor, weil
gewichtige außersteuerliche Gründe für die alineare Ergebnisverteilung bestanden haben.
Außerdem handelt es sich bei start-up Unternehmen im Technologiebereich auch um
keine ungewöhnliche, sondern um eine branchenübliche Regelung.
Soweit die Behörde in der Stellungnahme argumentiert, die Ergebnisbeteiligung sei
zwingend aus dem Verhältnis zwischen dem Verkehrswert und Einlage des Stillen
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abzuleiten, ist entgegen zu halten, dass dann eine alineare Ergebnisverteilung überhaupt
nie gerechtfertigt werden könnte. Tatsächlich basierte die Substanzbeteiligung der stillen
Gesellschafter auf dem einvernehmlich festgelegten Verkehrswert und wurden aus den
genannten wirtschaftlichen Gründen abweichende Ergebnisverteilungsquoten vereinbart.
Auch ein Vergleich des stillen Beteiligungskapitals mit der Stammkapitalerhöhung
im Jahr 2007 ist deshalb unzutreffend, weil einerseits stilles Beteiligungskapital
eine vollkommen andere Rechtsposition vermittelt als Stammkapital, das stille
Beteiligungskapital nicht einmal nachrangig gestellt wurde und das Stammkapital
als reines Eigenkapital von vornherein voll verlusttragend ist. Beim Stammkapital
sind daher keine Sondervereinbarungen notwendig, um die volle Verlusttragung
herzustellen, während das stille Beteiligungskapital erst durch die überproporzionale
Verlusttragung quasi ins Eigenkapital umgegliedert werden konnte. Außerdem unterlagen
die Stammkapitalgeber auf Grund der zuvor erzielten Verluste ohnedies auch einer
Ausschüttungssperre.
Der Vertreter des Bf. stellt den Antrag auf Stattgabe der Beschwerde."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Der aufgrund der Gewinnermittlungsvorschriften ermittelte Gewinn bzw.
Verlust einer Mitunternehmerschaft ist grundsätzlich nach den Vereinbarungen
im Gesellschaftsvertrag auf die Gesellschafter aufzuteilen (vgl. VwGH 27.4.2000,
96/15/0185). Die unternehmensrechtlich getroffene Gewinn-/Verlustverteilung ist
dabei auch für steuerliche Belange anzuerkennen, wenn sie dem unterschiedlichen
Kapital-, Arbeits- und dem etwaigen Haftungsrisiko der Gesellschafter angemessen
Rechnung trägt. Steht die Gewinn-/Verlustverteilungsvereinbarung allerdings in einem
offenbaren Missverhältnis zu der Beteiligung, zur Mitarbeit und zum Haftungsrisiko
der einzelnen Gesellschafter, ist sie mit steuerlicher Wirkung zu korrigieren (vgl. dazu
auch das zur Strafsache wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung
(Einkommensteuer) im Zusammenhang mit der überproportionalen Verlustzuweisung an
atypisch stille Gesellschafter ergangene Urteil des OGH 31.1.2001, 13 Os 57/00, wonach
"Verlust- (wie Gewinn-)anteile dem Anteil des Gesellschafters am Betriebsvermögen
entsprechen müssen und Abweichungen davon dann gerechtfertigt bzw. geboten sein
können, wenn besondere Haftungsrisiken übernommen werden oder der Arbeitseinsatz
eines Gesellschafters entlohnt wird. ... Ob die Verlustzuweisungen an die atypischen
Gesellschafter der C***** Leasing GmbH und Mitgesellschafter und der C***** Consult
Finanz und ***** GmbH rechtsrichtig im Verhältnis ihrer Anteile am Betriebsvermögen
erfolgt sind und ob eine allfällige Abweichung von diesem Verhältnis nur aus den oben
Seite 16 von 23
dargelegten Umständen vorgenommen wurde, ... wurde vom Erstgericht infolge seiner
irrigen Rechtsansicht nicht festgestellt").
Mit der Eingabe vom 27. Dezember 2006 hat die bevollmächtigte Vertreterin der
X GmbH unter Anschluss des Zusammenschlussvertrages vom 27. Dezember 2006 dem
Finanzamt mitgeteilt, dass sich die Y GmbH als atypisch stille Gesellschafterin treuhändig
zu zwei Drittel für Bf. und zu einem Drittel für Q an der X GmbH unter Inanspruchnahme
des Art. IV UmgrStG rückwirkend zum 31. März 2006 beteiligt habe.
Im "Zusammenschlussvertrag bzw. Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer atypisch
stillen Gesellschaft" haben die Y GmbH als Beteiligungsgeber und die X GmbH als
Beteiligungsnehmer ua. Folgendes vereinbart:
"I. VERTRAGSGEGENSTAND
1.1 Vertragsgegenstand ist der Zusammenschluss des Beteiligungsgebers als
atypisch stiller Gesellschafter mit dem Beteiligungsnehmer unter Anwendung
des Art. IV Umgründungssteuergesetz zu einer atypisch stillen Gesellschaft. Es
ist die Absicht der Vertragspartner, durch einen Zusammenschlussvertrag eine
Beteiligung des Beteiligungsgebers zu erreichen, die im Innenverhältnis der Beteiligung
eines Kommanditisten an einer Kommanditgesellschaft entspricht. Insoweit daher
die Vertragspartner nicht abweichende Regelungen getroffen haben bzw. die
§§ 178ff HGB nicht zwingend etwas anderes anordnen, sind die Bestimmungen über
die Kommanditgesellschaft im Sinne der §§ 161ff HGB auf das Beteiligungsverhältnis
anzuwenden.
1.2 Der Zusammenschluss erfolgt gemäß den Bestimmungen des Artikel IV
Umgründungssteuergesetz zum Stichtag 31.03.2006 (Zusammenschlussstichtag).
1.3 Die Voraussetzung der Anwendung des § 23 Abs. 1 Umgründungssteuergesetz,
wonach das übertragene Vermögen am Zusammenschlussstichtag und am
Vertragsabschlussstichtag des Zusammenschlusses einen positiven Verkehrswert besitzt,
ist gegeben.
II. BETEILIGUNGSNEHMER
2.1 Der Beteiligungsnehmer ist eine unter FN 000000x im Firmenbuch des
Landesgerichtes Graz eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit
einem zur Gänze einbezahlten Stammkapital in Höhe von EUR 35.000,-- (Euro
fünfunddreißigtausend).
2.2 Der Beteiligungsnehmer führt einen Betrieb, dessen Gegenstand die Entwicklung und
der Vertrieb von Software aller Art ist, insbesondere die Entwicklung und der Vertrieb von
Projektführungssoftware.
III. ZUSAMMENSCHLUSS
3.1 Der Beteiligungsgeber stellt dem Beteiligungsnehmer im Rahmen dieses
Zusammenschlusses unter der aufschiebenden Bedingung gemäß Abs. 3.5
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eine, dem wirtschaftlichen Eigenkapital des Beteiligungsnehmers zurechenbare
Einlage (im folgenden kurz Beteiligungsmittel) von EUR 75.000,00 (in Worten: Euro
fünfundsiebzigtausend) zur Stärkung der Eigenkapitalstruktur des Beteiligungsnehmers
zur Verfügung.
3.2 Eine Nachschussverpflichtung des Beteiligungsgebers besteht nicht.
3.3 Der Zusammenschluss erfolgt als Verkehrswertzusammenschluss mit
Buchwertfortführung (Quotenverschiebung) auf Grundlage der als Anlage /3.3 diesem
Zusammenschlussvertrag angeschlossenen Zusammenschlussbilanz zum 31.03.2006,
welche aus der Zwischenbilanz des Beteiligungsnehmers zum 31.03.2006 (Anlage /3.3a)
abgeleitet wurde. Als Vorsorgemaßnahme zur Vermeidung einer Steuerlastverschiebung
gemäß § 24 Abs. 2 UmgrStG wird eine Buchwertübernahme mit Quotenverschiebung der
Kapitalkonten und Rückkorrektur in Ergänzungsbilanzen vereinbart.
3.4 Der unter Punkt II. dieses Zusammenschlussvertrages dargestellte Betrieb des
Beteiligungsnehmers besitzt zum Zusammenschlussstichtag einen positiven Verkehrswert.
3.5 Die Beteiligungsmittel werden einlangend bis zum 29. Dezember 2006 als Einlage
auf das Konto mit der Nummer 00000000000, BLZ 20815 bei der Steiermärkischen
Bank und Sparkassen AG, lautend auf X GmbH geleistet. Sofern die Beteiligungsmittel
nicht bis zum 29.12.2006 als Einlage geleistet werden (Einlangen), wird dieser
Zusammenschlussvertrag mangels Eintritts der aufschiebenden Bedingung nicht
rechtswirksam und ist daher rückwirkend aufgehoben. Der Beteiligungsgeber hat in
diesem Fall alle entstandenen Kosten zu tragen.
3.6 Mit Zahlung der Beteiligungsmittel ist der Beteiligungsgeber als atypisch stiller
Gesellschafter entsprechend seiner Beteiligungsquote an Gewinn, Verlust und am
gesamten Vermögen des Beteiligungsnehmers (einschließlich des Firmenwertes "goodwill" und der stillen Reserven, ab dem Zusammenschlussstichtag) beteiligt. Abweichend
vom Beteiligungsverhältnis werden allfällige Verluste im Zeitraum von 1.4.2006 bis
31.12.2006 bis zu 190% der Einlage vorrangig dem Beteiligungsgeber zugewiesen.
3.7 Die einvernehmlich zwischen dem Beteiligungsgeber und Beteiligungsnehmer
vereinbarte und festgesetzte Beteiligung von insgesamt 7,29% wurde ausgehend von dem
einvernehmlich festgesetzten Verkehrswert des Beteiligungsnehmers (exklusive Einlage)
von EUR 953.500,00 (in Worten: Euro neunhundertdreiundfünfzigtausendfünfhundert) zum
Zusammenschlussstichtag festgelegt.
3.8 Das sich so ergebende Beteiligungsverhältnis ist für die Ermittlung der
Gewinn- und Verlustbeteiligung sowie des Abschichtungsguthabenserlöses
(Auseinandersetzungsguthabens) maßgeblich. Das Beteiligungsverhältnis kann sich nach
Maßgabe dieses atypisch stillen Gesellschaftsvertrages durch die Aufnahme weiterer
stiller Gesellschafter, die Ausgabe von Beteiligungsrechten, sowie aufgrund sonstiger
Maßnahmen nach VP 3.10 verändern.
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3.9 Unter Gewinn und Verlust im Sinne dieses Zusammenschlussvertrages ist
der Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag gemäß § 231 Abs. 2 Z 22 HGB zuzüglich
der Steuern von Einkommen und vom Ertrag gemäß § 231 Abs. 2 Z 21 HGB zu
verstehen. Dies entspricht dem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit
gemäß § 231 Abs. 2 Z 17 HGB +/- dem außerordentlichen Ergebnis gemäß
§ 231 Abs. 2 Z 20 HGB.
3.10 Die Aufnahme weiterer atypisch-stiller Gesellschafter, Kapitalerhöhungen,
Gesellschafterzuschüsse, sonstige Eigenkapitalzuführungen, die Ausgabe von
Genussrechten oder von anderen Beteiligungsrechten, die Einfluss auf die
Beteiligungsquote des atypisch stillen Gesellschafters an Gewinn, Verlust und
Abschichtungsguthaben haben, bedürfen jedenfalls der vorherigen Zustimmung des
Beteiligungsgebers, wenn die Ausgabe derartiger Beteiligungsrechte aufgrund eines
günstigeren Ausgabepreises für die Beteiligung des Beteiligungsgebers verwässernde
Wirkung hat. Für die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrages bereits
vorgesehene und dem Beteiligungsgeber bekannte, beabsichtigte Eigenkapitalzufuhr von
rd. € 600.000,00 (Euro sechshunderttausend) im Jahr 2007 wird die Zustimmung hiermit
bereits ausdrücklich erteilt.
...
V. ENTNAHMERECHT
5.1 Unter der Voraussetzung, dass der Beteiligungsgeber seine Einlage gemäß Punkt III.
dieses Zusammenschlussvertrages vollständig geleistet hat, ist er jährlich zur Entnahme
der auf ihn entfallenden Gewinnanteile berechtigt. Entnahmen des Beteiligungsgebers
sind jedoch erst möglich, wenn das durch steuerliche Verlustzuweisungen negative
Verrechnungskonto des Beteiligungsgebers durch nachfolgende Gewinne wieder aufgefüllt
wurde und auf diesem ein Guthaben besteht."
Mit der Eingabe vom 28. September 2007 hat die bevollmächtigte Vertreterin der X
GmbH unter Anschluss des Zusammenschlussvertrages vom 27. August 2007 (gemeint
wohl: 28. September 2007) dem Finanzamt mitgeteilt, dass sich die Y GmbH mit einer
weiteren Tranche als atypisch stille Gesellschafterin treuhändig je zur Hälfte für Bf. und
für Q an der X GmbH unter Inanspruchnahme des Art. IV UmgrStG rückwirkend zum
31. Dezember 2006 beteiligt habe. Weiters sei bei der X GmbH eine Kapitalerhöhung, die
ebenfalls als Zusammenschluss angezeigt werde, erfolgt.
Auszugweise lauten die Bestimmungen in dem zwischen der Y GmbH als
Beteiligungsgeber und der X GmbH als Beteiligungsnehmer abgeschlossenen
"Zusammenschlussvertrag bzw. Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer atypisch
stillen Gesellschaft" wie folgt:
"III. ZUSAMMENSCHLUSS
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3.1 Der Beteiligungsgeber stellt dem Beteiligungsnehmer im Rahmen dieses
Zusammenschlussvertrages unter der aufschiebenden Bedingung gemäß Abs. 3.5 eine,
dem wirtschaftlichen Eigenkapital des Beteiligungsnehmers zurechenbare Einlage (im
Folgenden auch kurz "Beteiligungsmittel" genannt) von EUR 75.000,00 (in Worten: Euro
fünfundsiebzigtausend) zur Stärkung der Eigenkapitalstruktur des Beteiligungsnehmers
zur Verfügung; ferner stellt die X GmbH den ihr im Rahmen der Kapitalerhöhung vom
14.5.2007 als Eigenkapital zur Verfügung gestellten Betrag von insgesamt EUR 495.000,-(in Worten: Euro vierhundertfünfundneunzigtausend) mit steuerlicher Rückwirkung
zum Zusammenschlussstichtag als rückbezogene Einlage gem. § 24 Abs. 1 iVm
§ 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG zur Verfügung (siehe Anlage 3.3).
...
3.6 Mit Zahlung der Beteiligungsmittel ist der Beteiligungsgeber entsprechend
seiner Beteiligungsquote an Gewinn, Verlust und am gesamten Vermögen des
Beteiligungsnehmers (einschließlich des Firmenwertes "good-will" und der
stillen Reserven, ab dem Zusammenschlussstichtag) beteiligt. Abweichend vom
Beteiligungsverhältnis werden allfällige Verluste im Geschäftsjahr 2007 von bis zu 190%
der geleisteten Beteiligungsmittel vorrangig dem Beteiligungsgeber zugewiesen.
3.7 Das Beteiligungsausmaß wird auf Basis des einvernehmlich festgelegten
Verkehrswertes zwischen dem Beteiligungsgeber und Beteiligungsnehmer mit 4,56%
festgelegt. Unter Berücksichtigung der bereits aufgrund des Beteiligungsvertrages
vom 27.12.2006 geleisteten Einlage sowie aufgrund von Kapitalmaßnahmen im
Rückwirkungszeitraum diesbezüglich eingetretenen Verwässerung beträgt das
Beteiligungsausmaß nunmehr insgesamt 9,12%, sodass die Beteiligungsnehmerin mit
verbleibend 90,88% beteiligt ist.
3.8 Das sich so ergebende Beteiligungsverhältnis ist für die Ermittlung der
Gewinn- und Verlustbeteiligung sowie des Abschichtungsguthabenserlöses
(Auseinandersetzungsguthabens) maßgeblich. Das Beteiligungsquotenverhältnis kann
sich nach Maßgabe dieses atypisch stillen Gesellschaftsvertrages durch die Aufnahme
weiterer stiller Gesellschafter, die Ausgabe von Beteiligungsrechten, sowie aufgrund
sonstiger Maßnahmen nach VP 3.10 verändern."
Die Begründung des Finanzamtes - "Wirtschaftlicher Gehalt der hier vorgenommenen
Verlustaufteilungsvereinbarung ist, dass durch die überproportionale Verlustzuweisung an
die neu eintretenden atypisch stillen Gesellschafter die durch Entwicklungsaufwendungen
bereits in Vorjahren entstandenen Aufwendungen bzw. Verluste des Unternehmers
bzw. der Mitunternehmerschaft von den jeweils neu eintretenden atypisch stillen
Gesellschaftern übernommen werden. Diese Übernahme von Aufwendungen aus
Zeiträumen, in denen der neu beigetretene atypisch stille Gesellschafter gar nicht beteiligt
war, bedeutet aber nichts anderes als eine rückwirkende Beteiligung an Verlusten des
Unternehmers. Eine Teilnahme eines neu beigetretenen Gesellschafters an Gewinnen/
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Verlusten, die vor seinem Beitritt entstanden sind, ist steuerlich nicht zulässig." (vgl.
Bericht vom 23. Februar 2012 über das Ergebnis der Außenprüfung, Tz 1, letzter Absatz)
- erweist sich, wie die bevollmächtigte Vertreterin des Bf. in der Beschwerdeschrift zu
Recht rügt, insoweit als unzutreffend, als sie offenkundig einen aktenwidrigen Sachverhalt
unterstellt. Denn nach den unmissverständlichen Vereinbarungen in den vorliegenden
Zusammenschlussverträgen (vgl. Punkt 3.6, zweiter Satz des Zusammenschlussvertrages
vom 27. Dezember 2006 und Punkt 3.6, zweiter Satz des Zusammenschlussvertrages
vom 28. September 2007), aus den Bilanzen und aus den Beilagen zu den Erklärungen
der Einkünfte von Personengesellschaften 2006 und 2007 ist unzweifelhaft ersichtlich,
dass jeweils nur der für das laufende Jahr (1. April bis 31. Dezember 2006 und 1. Jänner
bis 31. Dezember 2007) ermittelte Verlust zur Verteilung gelangt ist. Vom Bf. sind somit
keine Aufwendungen, die in Jahren vor seinem Beitritt entstanden sind, übernommen
worden. Damit kann der strittigen Verlustaufteilungsvereinbarung aber auch nicht, wie
das Finanzamt vermeint, als wirtschaftlicher Gehalt unterstellt werden, dass durch die
überproportionale Verlustzuweisung an die neu eintretenden Gesellschafter die durch
Entwicklungsaufwendungen bereits in Vorjahren entstandenen Aufwendungen bzw.
Verluste von den neu eintretenden atypisch stillen Gesellschaftern übernommen werden.
Diese Argumentation findet in der Aktenlage keine Deckung.
Dennoch war dem Beschwerdebegehren aus nachstehenden Erwägungen nicht zu
entsprechen:
Die vom Bf. für die strittige Verlustverteilungsvereinbarung - in den Streitjahren
erfolgte jeweils eine Verlustzuweisung in Höhe von 190% der Einlage - ins Treffen
geführten "sachlichen und außersteuerlichen Gründe" - Finanzierungsvorteil für die X
GmbH durch die Entnahmebeschränkung und die Verbesserung des Bilanzbildes der
X GmbH - stellen ausschließlich Umstände in der Sphäre des Beteiligungsnehmers
dar, denen nach dem eingangs zitierten Urteil des OGH 31.1.2001, 13 Os 57/00, keine
entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt.
Hingegen hat sich die Prüfung der strittigen Gewinn-/Verlustverteilungsvereinbarung im
Hinblick auf deren steuerliche Anerkennung ausschließlich an der Höhe der Beteiligung
am Betriebsvermögen, der Mitarbeit und dem Haftungsrisiko des Beteiligungsgebers (=
atypisch stiller Beteiligter) zu orientieren.
Die durch Leistung der Einlagen (2006: 50.000 Euro und 2007: 37.500 Euro) erworbene
Beteiligung des Bf. am gesamten Vermögen der X GmbH beträgt unbestritten 5,32% (vgl.
Beilage 1 zur Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung
vom 20. Februar 2012). Dieses Beteiligungsverhältnis ist nach dem vorhin zitierten Urteil
des OGH zwingend der Verlust- bzw. Gewinnverteilung zugrunde zu legen. Abweichungen
sind nur dann gerechtfertigt bzw. geboten, wenn besondere Haftungsrisiken übernommen
worden sind oder der Arbeitseinsatz eines Gesellschafters entlohnt wird.
Eine Mitarbeit des Bf. am Unternehmen der Mitunternehmerschaft (X GmbH und atypisch
stille Gesellschafter) hat in den Streitjahren nicht stattgefunden.
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Zum Haftungsrisiko des Bf. ist festzustellen, dass lt. 4.4 des Zusammenschlussvertrages
vom 27. Dezember 2006 und vom 28. September 2007 der Beteiligungsgeber in keinem
Fall (auch nicht im Insolvenzfall) verpflichtet ist, eine allfällige Differenz zwischen Verlusten
und bezahlter Einlage auszugleichen. Damit beschränkt sich das Haftungsrisiko des Bf.
auf den Verlust seiner Einlage, was wohl keinesfalls eine über das Beteiligungsverhältnis
(5,32%) hinausgehende Verlustzuteilung rechtfertigt.
Auch die Argumentation, dass in den Jahren vor den Zusammenschlussstichtagen erhöhte
Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen angefallen seien, die von der X GmbH
allein zu tragen gewesen wären, vermag nicht zu überzeugen. Denn abgesehen davon,
dass dieser Umstand nach den obigen Ausführungen kein zulässiges Kriterium für eine
vom Beteiligungsverhältnis abweichende Verlust- bzw. Gewinnverteilung darstellt, ist
wohl ohnedies davon auszugehen, dass sich dieser Umstand (Verlust 12.4.-31.12.2005:
63.000 Euro und Verlust 1.1.-31.3.2006: 19.000 Euro) bereits in der Ausmessung der
für die Ergebnisverteilung maßgeblichen Beteiligungsquote der X GmbH (90,88%)
niedergeschlagen hat.
Da demnach der vom Bf. zur Erreichung des Gesellschaftszweckes durch bloße
Zahlung der vereinbarten Einlage geleistete Beitrag keinesfalls eine über sein
Beteiligungsverhältnis von 5,32% hinausgehende Verlustzuteilung rechtfertigt, konnte der
Beschwerde kein Erfolg beschieden sein.
An dieser, am eingangs zitierten Urteil des OGH orientierten Beurteilung, vermögen auch
die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, die sich in einer Wiedergabe von
einzelnen, bereits in der Beschwerdeschrift und in der Stellungnahme vom 5. März 2015
dargelegten Argumenten erschöpfen, nichts zu ändern.
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des
Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt,
der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung
fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da für die strittige
Rechtsfrage der steuerlichen Anerkennung einer alinearen Verlustzuweisung an atypisch
stille Gesellschafter im Zuge eines Zusammenschlusses nach Art. IV UmgrStG eine
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, ist die Revision zulässig.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
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Graz, am 26. März 2015
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GZ. RV/7102287/2013
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde der Bf., vertreten
durch Vertr. vom 28.6.2013 gegen die Bescheide des Finanzamtes Neunkirchen Wr.
Neustadt vom 31.05.2013 betreffend Umsatzsteuer 9-12/2012 und 1-4/2013 sowie vom
24.6.2013 betreffend Umsatzsteuer 5/2013 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide zur Festsetzung der Umsatzsteuer werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind dem Ende der folgenden
Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses
Erkenntnisses.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Die beschwerdeführende Gesellschaft mbH. (Bf.) wurde mit Erklärung vom 13.9.2012
durch den einzigen Gesellschafter A. für die Tätigkeit eines Bilanzbuchhalters
errichtet. Als Geschäftsführer fungiert GF .
In der Niederschrift vom 29.5.2013 über das Ergebnis einer Umsatzsteuersonderprüfung
für September 2012 – April 2013 hielt das Finanzamt folgendes fest:
Die Gesellschaft habe derzeit keine Arbeitnehmer beschäftigt und entfalte keine unternehmerische Tätigkeit. Die Gewerbeberechtigung werde der Geschäftsführer zur
Verfügung stellen. Ein Businessplan liege vor.
Die Bf errichte auf einem 4.123 m² großen Grundstück in X. ein Gebäude mit einem
Bürotrakt (93,79 m²) und zwei Wohnungen (209,53 m²) und einem Keller (159,24 m²).
Das Büro soll später für die Geschäftstätigkeit der Bf genutzt, eine Wohnung soll dem
Geschäftsführer und seiner Familie (drei Kinder) als Dienstwohnung zur Verfügung gestellt
werden. Die Nutzung der zweiten Wohnung sei noch offen. Die Liegenschaft habe die
Gattin des Geschäftsführers am 30.3.2012 gekauft. Zwischen der Gattin und der Bf
bestehe ein Baurechtsvertrag vom 15.11.2012, in dem der Gattin auch ein Vorkaufsrecht
für das Gebäude eingeräumt worden sei.
Die Tätigkeit der Bf bestehe derzeit in der Errichtung des Gebäudes bzw. in der Planung
und Überwachung der Gebäudeerrichtung. Der Bauvertrag sei am 13.11.2012 namens der
Bf durch GF unterzeichnet worden.
Die Bf habe für die Zeiträume 9-12/2012 und 1-4/2013 Umsatzsteuervoranmeldungen mit
Vorsteuerguthaben abgegeben.
Der VwGH beurteile die Zurverfügungstellung einer Dienstwohnung danach, ob die
Kapitalgesellschaft eine vergleichbare Wohnung auch für die Nutzungsüberlassung
an einen fremden Arbeitnehmer hergestellt hätte. Der zukünftige Bewohner GF wirke
bei der Errichtung, Planung und Gestaltung der Dienstwohnung eigentümergleich mit.
Die Tatsache, dass das Grundstück der Gattin und zukünftigen Mitbewohnerin der
Dienstwohnung gehöre, und die Einräumung des Vorkaufsrechts seien nicht fremdüblich.
Nicht für das Unternehmen ausgeführt gelten nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit a UStG 1994
Leistungen, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben iSd § 20 Abs. 1
Z 1 bis Z 5 EStG 1988 bzw § 8 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 Z 1 bis Z 5 KStG 1988 sind. Der
EuGH habe die Vorsteuerabzugsberechtigung bei gemischt genutzten Gegenständen
einer juristischen Person bei Zusammenhang mit einer nicht unternehmerischen Tätigkeit
versagt (EuGH 12.2.2009, C-515/07, VNLTO).
Da Aufwendungen für privaten Wohnraum zu den Aufwendungen der Lebensführung
zählen, sei die fremdunübliche Zurverfügungstellung von Wohnraum eine
Einkommensverwendung im Sinne des § 8 Abs. 2 KStG, was nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit a
UStG 1994 eine Versagung des Vorsteuerabzuges zur Folge habe. Die Vorsteuer, die auf
die Errichtung der Dienstwohnungen entfalle (65,28%), sei daher nicht anzuerkennen.
Entsprechend dieser Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung ergingen Bescheide
zur Festsetzung von Umsatzsteuer für 9-12/2012, 1-4/2013 und 5/2013.
In der Beschwerde vom 28.6.2013 wandte die Bf gegen diese Bescheide ein, dass alle
die spätere Berufsausübung vorbereitenden Tätigkeiten bereits zur unternehmerischen
Sphäre zählen, auch die Errichtung des Betriebsgebäudes. Das aus einem Büro- und
einem Wohnteil bestehende Gebäude sei ein einheitlich errichtetes Betriebsgebäude der
Gesellschaft und werde von dieser auch betrieblich genutzt. Die Art der Nutzung liege in
der Ermessensentscheidung des Gesellschafters. Das Gebäude sei so konzipiert, dass
der Büroteil jederzeit aufgestockt werden könne und die beiden Wohneinheiten jederzeit
separat vermietet werden können.
Es gehe auch der Einwand des § 8 Abs. 2 KStG ins Leere, da der typische Anteilsinhaber
einer GmbH. die Gesellschafter seien. Von einer Einkommensverteilung im Sinne des
§ 8 Abs. 2 KStG könne nur gesprochen werden, wenn sie gesellschaftsrechtlich motiviert
ist, dh. wenn der Empfänger ein Anteilsinhaber ist oder eine eigentümerähnliche Position
besitzt. Der Alleingesellschafter habe nicht die Absicht, einen Teil des Betriebsgebäudes
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selbst zu Wohnzwecken zu nutzen. Er werde der Bf ausschließlich in beratender Funktion
zur Verfügung stehen.
Die angefochtenen Bescheide mögen daher erklärungsgemäß abgeändert werden.
Der Betriebsprüfer führte in einer Stellungnahme vom 17.7.2013 aus, dass die Bf ihre
Geschäftstätigkeit noch nicht begonnen habe und noch keine Dienstnehmer beschäftige.
Der Vorsteuerabzug für die Wohnungserrichtungskosten sei wegen der fehlenden
Fremdüblichkeit versagt worden. Der Geschäftsführer GF werde mit seiner Familie
mindestens eine Wohnung als Dienstnehmer bewohnen.
In einem Vorvertrag im Absatz „Präambel“ sei die Absicht bekundet, die Unternehmen des
Gesellschafters A. und des Geschäftsführers in das gemeinsame Unternehmen (eben
die Bf) einzubringen. Es sei die Abtretung der Geschäftsanteile an den Geschäftsführer
vorgesehen, dieser sei dann Gesellschafter der Bf.
In einem „Businessplan 2013“ sei unter Punkt 8 angeführt, dass der Geschäftsführer mit
absolvierter Steuerprüfung nach der Pensionierung des A. in der nächsten Generation
dessen Steuerberatungskanzlei übernehmen werde.
Der Geschäftsführer habe 15.000 € zu den Baukosten dazugezahlt, um den Baufortschritt
in Gang zu halten. Dazu sei zu bemerken, dass der Geschäftsführer kein Gesellschafter
sei, sondern zukünftiger Dienstnehmer der Bf und zukünftiger Bewohner des Gebäudes.
Fraglich sei, ob ein fremder Dienstnehmer ohne vertragliche Absicherung Zahlungen
leisten würde.
Nach Ansicht des Finanzamtes sei keine Fremdüblichkeit gegeben und sei die Schaffung
von Wohnraum für den Geschäftsführer und zukünftigen Gesellschafter nicht dem
betrieblichen Bereich der Bf zuzurechnen. Die auf die Errichtungskosten von Wohnraum
entfallende Vorsteuer sei nicht abzugsfähig.
In einer Gegenäußerung vom 12.8.2013 erläuterte der steuerliche Vertreter der Bf,
wirtschaftlicher Hintergrund der Gründung der Bf sei vor Allem die Übernahme der Klientel
der Steuerberatungskanzlei des Gesellschafters sowie die Sicherung der Ablösezahlung
und somit die Alterssicherung des Gesellschafters.
Berufsrechtlich sei derzeit die Gründung einer Steuerberatungsgesellschaft nicht möglich,
da der Geschäftsführer nicht über die notwendige Befähigung verfüge. Diese werde er
voraussichtlich in zwei bis drei Jahren erlangen. Danach stehen einer berufsrechtlichen
Übergabe der Klientel nur formalrechtliche Voraussetzungen entgegen.
Erfahrungsgemäß würden sich übernehmenswillige Kanzleinachfolger nicht immer an
die vorherigen Vereinbarungen halten und gründen mit einem Teil der betreuten Klientel
eine unabhängige Kanzlei, ohne die vereinbarte Ablöse zu bezahlen. Dieser Gefahr
wolle der Alleingesellschafter durch die starke Einbindung des Geschäftsführers mit einer
Dienstwohnung entgehen.
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Es werde zu einem noch nicht festgelegten Zeitpunkt zu einer Verschiebung der
Geschäftsanteile vom jetzigen Alleingesellschafter zum jetzigen Geschäftsführer kommen.
Eine private Nutzung eines Gebäudeteiles durch den Alleingesellschafter sei nicht geplant.
Grundlage für steuerliche Sachverhalte seien die tatsächlichen und bestehenden
wirtschaftlichen Verhältnisse und nicht zukünftig geplante Ereignisse. Bei einer Änderung
der wirtschaftlichen Verhältnisse habe der Gesetzgeber entsprechende Regelungen
getroffen.
Zur Abzugsfähigkeit der Vorsteuer für Betriebsgebäude gebe es zahlreiche Judikate. Zu
verweisen sei auf den zusammenfassenden Artikel von Mayr, SWK 18/2013, 831ff, in
welchem als Conclusio festgestellt werde, dass nach der Rechtslage ab 1.1.2011 bei einer
Änderung der Verhältnisse eine Vorsteuerberichtigung nach § 12 Abs. 10a UStG 1994
(Zwanzigstelberichtigung) vorzunehmen sei.
Hinsichtlich der Zahlung des Geschäftsführers in Höhe von 15.000 € sei festzuhalten, dass
dieses Darlehen ohne Wissen und Willen des Gesellschafters gegeben worden sei.
Auf einen Vorhalt des Bundesfinanzgerichts gab der Geschäftsführer der Bf ergänzend
folgendes bekannt:
Die Bf habe ihre Bilanzbuchhaltertätigkeit im Juli 2013 begonnen.
Die Errichtungskosten des Wohn-/Bürogebäudes von insgesamt 740.680,90 €
seien durch ein Darlehen des Gesellschafters sowie ein Darlehen von dessen
Steuerberatungsgesellschaft finanziert worden. Die beiden Wohnungen seien weder
besonders repräsentativ noch auf spezielle Bedürfnisse des Geschäftsführers abgestimmt
und entsprechen fremdvergleichbaren Wohneinheiten. Eine der Wohnungen diene ihm als
Hauptwohnsitz. Er versteuere dafür einen Sachbezug in Höhe von 633,78 €. Die zweite
Wohnung stehe derzeit leer, da die finanziellen Mittel zum Ausbau fehlen. Einer derzeit
im Werkvertrag tätigen Bilanzbuchhalterin sei aber die Wohnung – nach Fertigstellung –
zugesagt worden.
Hinsichtlich der geplanten Einbringung der vom ihm betriebenen Bilanzbuchhalterkanzlei
in die Bf legte der Geschäftsführer dar, dass es mit den Hausbanken Verhandlungen gebe,
um den Ankauf des Klientenstocks zu finanzieren, da er keinen Ratenkauf abschließen
wolle. Die Abtretung solle noch in diesem Jahr durchgeführt werden. Sollte es zu keiner
Fremdfinanzierung kommen, sei eine Teilfinanzierung durch die Steuerberatungs GmbH
des Gesellschafters der Bf angedacht.
Der Gesellschafter A. plane in naher Zukunft keine teilweise Abtretung der
Geschäftsanteile, da er die Ablegung der Steuerberaterprüfung durch den Geschäftsführer
abwarten wolle, was erst in drei bis vier Jahren zu schaffen sei.
Übermittelt wurden der Geschäftsführer-Dienstvertrag und die Bilanz 2014.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
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Sachverhalt :
Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde am 13.9.2012 von einem Alleingesellschafter
für die Tätigkeit eines Bilanzbuchhalters gegründet. Im Anschluss errichtete die Bf
aufgrund eines Baurechtsvertrages auf einem Grundstück, das im Eigentum der Gattin
des Geschäftsführers steht, ein Gebäude mit Bürotrakt und zwei Wohnungen. Das
Gebäude wurde in das Betriebsvermögen der Gesellschaft aufgenommen. Der - an der
Bf nicht beteiligte - Geschäftsführer wurde mit Dienstvertrag vom 13.10.2012 bestellt.
Die Bf hat ihre Tätigkeit ab Juli 2013 im neu errichteten Büro aufgenommen, das vom
Geschäftsführer und zwei weiteren Dienstnehmern genutzt wird.
Eine der Wohnungen mit einer Wohnnutzfläche von 108 m² steht in Verwendung des
Geschäftsführers, der an dieser Adresse seit 4.9.2014 seinen Hauptwohnsitz gemeldet
hat. Laut Dienstvertrag wird die Wohnung dem Geschäftsführer als Sachbezug – neben
einem Bruttomonatsbezug von 1.000 € - überlassen. Im Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses hat der Geschäftsführer die Wohnung zu räumen. Die zweite Wohnung ist
noch nicht ausgebaut und soll gemäß dem Parteienvorbringen künftig einer Mitarbeiterin
zur Verfügung gestellt werden.
Aktenkundig ist die Absicht, die Steuerberatungskanzlei des Alleingesellschafters
und die Bilanzbuchhalterkanzlei des Geschäftsführers in die Bf einzubringen und die
Gesellschaftsanteile an der Bf an den Geschäftsführer abzutreten.
Gemäß einem ergänzenden Schriftsatz vom 12.8.2013 durch den Gesellschafter A
liegt der wirtschaftliche Hintergrund der Gründung der Bf darin, dass der Kundenstock
der Steuerberatungskanzlei A nach dessen Pensionierung bzw. nach Ablegung der
Steuerberaterprüfung durch den Geschäftsführer der Bf an diesen übergeben werden soll.
Die starke Einbindung des Geschäftsführers durch die Dienstwohnung dient der Sicherung
der vorgesehenen Ablösezahlung.
Das Finanzamt ging davon aus, dass der Geschäftsführer als (zukünftiger) Gesellschafter
der Bf anzusehen sei und dass die Errichtung des Gebäudes – was die beiden
Wohnungen betrifft – mangels Fremdüblichkeit nicht als für das Unternehmen ausgeführt
gilt, sodass die auf die Errichtungskosten der Wohnungen entfallende Vorsteuer nicht
abzugsfähig sei.
Rechtslage :
Nach der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von
anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer
für Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt
worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit a UStG 1994 gelten nicht als für das Unternehmen ausgeführt
Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, deren Entgelte überwiegend keine
abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 EStG 1988
oder der § 8 Abs. 2 KStG 1988 und § 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 KStG 1988 sind.
Seite 5 von 7
Die Aufwendungen einer Kapitalgesellschaft für die Errichtung von Wohnraum sind in
diesem Sinn dann nicht abzugsfähig, wenn die Zurverfügungstellung des Wohnraums
als verdeckte Ausschüttung an einen Gesellschafter anzusehen ist. Eine verdeckte
Ausschüttung kann nach allgemeiner Rechtsansicht auch verwirklicht werden, wenn der
Vorteilsempfänger nicht der Gesellschafter selbst, sondern eine ihm nahestehende Person
ist.
Ein als verdeckte Ausschüttung zu qualifizierender Vermögensvorteil kann auch
in Hinblick auf ein zukünftiges Gesellschafterverhältnis erfolgen. Die Leistungen
der Kapitalgesellschaft müssen aber in einem engen zeitlichen oder sachlichen
Zusammenhang mit dem späteren Gesellschafterverhältnis stehen (Achatz/Kirchmayer,
KStG, § 8 Tz 245; Raab/Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, KSt,
§ 8 Tz 148/1).
In einem Fall, in dem eine Grundstücksveräußerung zu fremdunüblichen Konditionen an
den Geschäftsführer erfolgte, dem noch am selben Tag sämtliche Gesellschaftsanteile
übertragen wurden, hat der Verwaltungsgerichtshof einen solchen engen zeitlichen
Zusammenhang gesehen, der zur Annahme einer verdeckten Ausschüttung führt (VwGH
15.9.2011, 2008/15/0256).
Erwägungen:
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Geschäftsführer, der eine der Wohnungen in dem
von der Bf errichteten Gebäude nutzt, an der Bf nicht beteiligt ist. Nach der Aktenlage
gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Geschäftsführer eine dem Alleingesellschafter „nahestehende Person“ ist. Eine private Nutzung des Gebäudes durch den
Gesellschafter erfolgt nicht.
Soweit eine spätere Gesellschafterstellung des Geschäftsführers beabsichtigt ist, so ist
jedenfalls bis September 2015 keine Übertragung von Gesellschaftsanteilen erfolgt und ist
laut den Angaben des Geschäftsführers die Übertragung nicht in naher Zukunft geplant.
Ein enger zeitlicher Zusammenhang der Wohnraumerrichtung mit einer zukünftigen
Gesellschafterstellung im Sinne der genannten Rechtsprechung und Literatur kann bei
dieser Sachlage nicht erkannt werden. Die Tatsache allein, dass das gegenständliche
Grundstück im Eigentum der Ehegattin des Geschäftsführers steht und dieser ein
Vorkaufsrecht für das Gebäude eingeräumt wurde, reicht für die Annahme eines engen
Zusammenhangs mit der geplanten Übertragung von Gesellschaftsrechten nicht aus.
Die Abgabenbehörde hat von der Gelegenheit einer Stellungnahme zu diesen
Überlegungen nicht Gebrauch gemacht und hat auch nicht dargestellt, ob und
inwiefern dem Geschäftsführer der Bf durch die Nutzung der Wohnung überhaupt ein
unangemessener Vorteil zukommt. In Hinblick auf die zweite, leerstehende Wohnung,
die einer Mitarbeiterin zugedacht ist, kommt die Annahme eines Vorteils für den
Geschäftsführer von vorneherein nicht in Betracht.
Seitens der Bf wurde der wirtschaftliche Hintergrund für die Gesellschaftsgründung und
die Zurverfügungstellung der Dienstwohnung an den Geschäftsführer plausibel dargestellt.
Seite 6 von 7
Die Errichtung des Gebäudes ist daher zur Gänze dem Unternehmensbereich der Bf
zuzurechnen. Der Vorsteuerabzug ist somit auch für den Teil der Errichtungskosten
anzuerkennen, der auf die Dienstwohnungen entfällt. Gegen die Höhe der beantragten
Vorsteuerbeträge hat das Finanzamt keine Einwendungen vorgebracht.
Der Beschwerde ist daher Folge zu geben.
Berechnung:
USt für 9-12/2012
Steuerbarer Umsatz
Vorsteuern
Umsatzsteuerfestsetzung
USt für 1-4/2013
USt für 5/2013
0,00
0,00
0,00
26.979,07
15.374,55
25.849,46
-26.979,07
-15.374,55
-25.849,46
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG
i. V. m. § 25a Abs. 1 VwGG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer
Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das
Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche
Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig. Im vorliegenden Fall waren
Sachverhaltselemente bzw. die Beweiswürdigung strittig. Im Übrigen folgte das
Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur
des Verwaltungsgerichtshofes.
Wien, am 5. November 2015
Seite 7 von 7
30.04.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
30.04.2015
Geschäftszahl
Ra 2014/15/0015
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofrätin
Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein des
Schriftführers Mag. Dr. Hohenecker, über die Revision des Finanzamtes Bregenz in 6900 Bregenz,
Brielgasse 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. Juni 2014, Zl. RV/1100338/2012,
betreffend Umsatzsteuer 2011 (mitbeteiligte Partei: U F in H, vertreten durch die Kantner Wirtschaftstreuhand
und Steuerberatungs GmbH in 6900 Bregenz, Mariahilfstraße 27d), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die mitbeteiligte Partei erwarb im Jahr 2010 eine Eigentumswohnung um 249.800 EUR, die im Jahr 2011
fertiggestellt und mit Mietvertrag vom 18. August 2011 um monatlich 466,92 EUR "netto, und zwar unabhängig
davon, ob die Bestandgeberseite umsatzsteuerpflichtig ist oder nicht" vermietet wurde.
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2011 machte die Mitbeteiligte die ihr aus der Anschaffung der
Wohnung und den Handwerkerleistungen in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbeträge von zusammen
41.516,97 EUR als Vorsteuern geltend.
Mit Umsatzsteuerbescheid vom 5. April 2012 setzte das Finanzamt den "Gesamtbetrag der steuerpflichtigen
Lieferungen und sonstigen Leistungen" wie auch den "Gesamtbetrag der Vorsteuern" für das Jahr 2011 jeweils
mit null fest.
Begründend verwies das Finanzamt auf die von der Mitbeteiligten vorgelegten Prognoserechnungen, die
innerhalb des relevanten Zeitraumes von 20 Jahren einen Werbungskostenüberschuss auswiesen, sodass vom
Vorliegen von Liebhaberei iSd § 1 Abs. 2 LVO auszugehen sei.
Ihrer gegen den Umsatzsteuerbescheid 2011 erhobenen Berufung schloss die Mitbeteiligte eine (wiederum)
geänderte Prognoserechnung an, in welcher nunmehr innerhalb eines Zeitraumes von 20 Jahren ein positives
Gesamtergebnis ausgewiesen wurde. Zu diesem Ergebnis gelangte die Mitbeteiligte, indem sie zwei
Sondertilgungen (zu Unrecht) auf der Einnahmenseite der Prognoserechnung erfasste.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (gemäß § 323 Abs. 38 BAO als
Beschwerde zu erledigenden) Berufung statt und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof
unzulässig sei.
Die Mitbeteiligte habe ein Wohnbauförderungsdarlehen in Anspruch genommen und sei deshalb § 10
Abs. 5 der Neubauföderungsrichtlinie 2011 des Landes Vorarlberg unterlegen, welcher bis zur gänzlichen
Darlehenstilgung eine absolute Mietzinsobergrenze von 6,20 EUR pro m2 Nutzfläche vorsähe. Da eine
solcherart gedeckelte Miete von vielen Vermietern, die die Wohnbauförderung für die Anschaffung einer
Investorenwohnung lukrieren wollen, verrechnet werde, sei die von der Mitbeteiligten verlangte Miete
fremdüblich
Mit Erkenntnis vom 25. April 2013, 2010/15/0107, habe sich der Verwaltungsgerichtshof in dem Fall einer
Kleinlandwirtschaft mit Tierzucht stillschweigend von der Rechtsansicht verabschiedet, wonach für die
umsatzsteuerliche Liebhabereibeurteilung von Betätigungen iSd § 1 Abs. 2 LVO das Kriterium der objektiven
Ertragsfähigkeit maßgeblich sei. Stattdessen sei nun das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit iSd
Mehrwertsteuerrichtlinie zu prüfen. Dazu sei ein Vergleich anzustellen, wie sich die näheren Umstände, unter
denen der Steuerpflichtige die Betätigung ausübe, zu jenen Umständen verhielten, unter denen die entsprechende
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wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt werde (marktkonformes Verhalten). Da "laut der neuen
Rechtsprechung des VwGH bei marktkonformem Verhalten der Steuerpflichtigen eine wirtschaftliche Tätigkeit
iSd Richtlinien 77/338/EWG und 2006/112/EG auch bei einkommensteuerlicher Liebhaberei vorliegt", könne
das Vorliegen steuerrechtlicher Liebhaberei die Festsetzung der Umsatzsteuer mit null durch das Finanzamt
nicht tragen. Die Mitbeteiligte habe die Wohnung zu einem marktkonformen Mietzins vermietet, sodass trotz
einkommensteuerrechtlicher Liebhaberei eine unternehmerische Tätigkeit iSd UStG vorliege, weshalb der
Berufung (Beschwerde) stattzugeben sei und sich bei steuerpflichtigen Umsätzen von 1.907,31 EUR ein
Vorsteuerüberhang von 41.290,29 EUR errechne.
Eine ordentliche Revision sei unzulässig, weil sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem angeführten
Erkenntnis vom 25. April 2013 im Falle einer Kleinlandwirtschaft mit Tierzucht stillschweigend von der
Rechtsansicht verabschiedet habe, wonach für die umsatzsteuerliche Liebhabereibeurteilung von Betätigungen
iSd § 1 Abs. 2 LVO das Kriterium der objektiven Ertragsfähigkeit maßgeblich sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu dessen Zulässigkeit das
revisionswerbende Finanzamt vorbringt, das angefochtene Erkenntnis missachte die Judikatur des
Verwaltungsgerichtshofes zur umsatzsteuerlichen Behandlung der so genannten "kleinen Vermietung" (Hinweis
auf die hg. Erkenntnisse vom 16. Februar 2006, 2004/14/0082, und vom 7. Juni 2005, 2000/14/0035) und
erweise sich aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn
sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das
Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt
oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht
einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der
Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG
nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der
Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu
überprüfen.
Die Revision ist zulässig und berechtigt, weil das Bundesfinanzgericht von der Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.
Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 LVO 1993 idF BGBl. II Nr. 358/1997 ist Liebhaberei anzunehmen bei einer
Betätigung, wenn Verluste entstehen "aus der Bewirtschaftung von Eigenheimen, Eigentumswohnungen und
Mietwohngrundstücken mit qualifizierten Nutzungsrechten."
§ 2 Abs. 4 LVO 1993 in der angeführten Fassung lautet:
"Bei Betätigungen gemäß § 1 Abs. 2 liegt Liebhaberei dann nicht vor, wenn die Art der Bewirtschaftung
oder der Tätigkeit in einem absehbaren Zeitraum einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen
über die Werbungskosten (§ 3) erwarten lässt. Andernfalls ist das Vorliegen von Liebhaberei ab Beginn dieser
Betätigung so lange anzunehmen, als die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit nicht im Sinn des
vorstehenden Satzes geändert wird. Bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 3 gilt als absehbarer Zeitraum
ein Zeitraum von 20 Jahren ab Beginn der entgeltlichen Überlassung, höchstens 23 Jahren ab dem erstmaligen
Anfallen von Aufwendungen (Ausgaben)."
Abschnitt II der LVO 1993 lautet:
"Umsatzsteuer
§ 6. Liebhaberei im umsatzsteuerlichen Sinn kann nur bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs. 2, nicht
hingegen bei anderen Betätigungen vorliegen."
Durch § 28 Abs. 5 Z 4 UStG 1994, BGBl. Nr. 663/1994, wurde die Liebhabereiverordnung 1993 in den
Geltungsbereich des UStG 1994 übernommen und angeordnet, dass diese Verordnung (auch) als auf Grund
dieses UStG 1994 - in Ausführung des § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 - ergangen gilt.
Nach Art. 135 Abs. 1 Buchstabe l
Mehrwertsteuersystemrichtlinie, im Folgenden: MwStSystRL, (der inhaltlich Art. 13 Teil B Buchstabe b der
sechsten
Mehrwertsteuerrichtlinie, im Folgenden: 6. RL, entspricht) befreien die Mitgliedstaaten die Vermietung und
Verpachtung von Grundstücken von der Steuer. Davon ausgenommen sind die Gewährung von Unterkunft im
Hotelgewerbe, die Vermietung zu Campingzwecken, die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von
Fahrzeugen, die Vermietung von Betriebsvorrichtungen und Maschinen und die Vermietung von Schließfächern.
Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen.
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Art. 137 Abs. 1 Buchstabe d MwStSystRL ermächtigt die Mitgliedstaaten, den Steuerpflichtigen eine
Option zur Steuerpflicht einzuräumen. Nach Abs. 2 wird den Mitgliedstaaten bei der Optionsgestaltung ein
Spielraum eingeräumt, indem ausdrücklich festgelegt ist, dass die Mitgliedstaaten den Umfang des Optionsrechts
einschränken sowie die Modalitäten der Ausübung bestimmen können. Die Mitgliedstaaten können auch
bestimmte
Umsätze
oder
Gruppen
von
Steuerpflichtigen
vom
Optionsrecht
ausnehmen
(vgl. Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, Band Ib, 37. Lieferung, 393).
Die Vermietung von Grundstücken ist nach dem Unionsrecht somit grundsätzlich als steuerbefreit zu
behandeln (mit Verlust des Vorsteuerabzuges). Österreich wurde im Beitrittsvertrag die Ermächtigung
eingeräumt, bis Ende 1998 einen ermäßigten Steuersatz auf die Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke
anzuwenden, sofern der Satz nicht unter 10% liegt. Durch die Richtlinie 2000/17/EG, ABl. L 84/24, wurde diese
Erlaubnis als Dauerrecht in die 6. RL übernommen. Im zeitlichen Geltungsbereich der im Revisionsfall bereits
anzuwendenden MwStSystRL räumt Art. 117 Österreich das Recht ein, auf die Vermietung von Grundstücken
für Wohnzwecke (unbefristet) einen ermäßigten Steuersatz, sofern dieser Steuersatz mindestens 10% beträgt,
anzuwenden.
Bis zum Beitritt Österreichs zur EU hatten § 1 Abs. 2 und § 6 LVO 1993 iVm § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1972
normiert, dass die Vermietung von Wohnraum, der geeignet ist, vom Vermieter für seine privaten Wohnzwecke
(Lebensführung) genutzt zu werden (so genannte "kleine Vermietung"), wenn sie notorisch zu Verlusten führt,
umsatzsteuerlich als Liebhaberei (somit keine Umsatzsteuerpflicht und kein Vorsteuerabzug) qualifiziert wird.
Mit dem Beitritt Österreichs zur EU ist das UStG 1994 in Kraft getreten, womit Österreich sein
Umsatzsteuerrecht an die Vorgaben des Unionsrechts, insbesondere an die 6. RL, angepasst hat. Durch § 28
Abs. 5 Z 4 UStG 1994 hat der Gesetzgeber den Inhalt der LVO 1993 in den ab dem Beitritt geltenden
Rechtsbestand übernommen. Dabei ging er davon aus, dass Betätigungen iSd § 1 Abs. 2 LVO 1993 weiterhin
umsatzsteuerlich nicht von Relevanz sind, weil es sich hiebei entweder um nichtunternehmerische Tätigkeiten
iSd Art. 4 der 6. RL handelt oder - soweit die verlustträchtige Vermietung im Einzelfall eine unternehmerische
Tätigkeit darstellt - diese nach Art. 13 Teil B Buchstabe b der
6. RL mehrwertsteuerbefreit unter Ausschluss des Vorsteuerabzugs ist (vgl. Sarnthein in SWK 2005, S 515).
Schon in dem vom revisionswerbenden Finanzamt verwiesenen Erkenntnis vom 16. Februar 2006,
2004/14/0082, VwSlg. 8110/F, ist der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass die umsatzsteuerliche
Regelung der in Rede stehenden verlustträchtigen Vermietung von privat nutzbarem Wohnraum (so genannte
"kleinen Vermietung" iSd § 1 Abs. 2 iVm § 6 LVO 1993, § 2 Abs. 5 Z 2 iVm § 28 Abs. 5 Z 4 UStG 1994) nicht
den Vorgaben der 6. RL widerspricht. Die österreichische Regelung findet aus unionsrechtlicher Sicht ihrem
materiellen Gehalt nach Deckung in Art. 13 Teil B Buchstabe b der 6. RL (nunmehr Art. 135 MwStSystRL),
wobei die innerstaatliche Regelung der in Rede stehende Vermietung von Wohnraum (keine
Umsatzsteuerpflicht, kein Vorsteuerabzug) als Steuerbefreiung unter Vorsteuerausschluss zu verstehen ist
(vgl. hiezu auch Ruppe/Achatz, UStG4, § 2 Tz 258/2, Windsteig in Melhardt/Tumpel, UStG, § 2 Rz 379,
Rauscher/Grübler, Steuerliche Liebhaberei2, Rz 547f; Renner, SWK 2006, S 391; Sarnthein, SWK 2006, S 414
und S 503).
Die Besteuerung von Grundstücksvermietungen ist eine Befugnis, die den Mitgliedstaaten abweichend von
der allgemeinen Regel des Art. 135 MwStSystRL, wonach Mietgeschäfte grundsätzlich befreit sind, eingeräumt
ist. Das Recht auf Vorsteuerabzug gilt daher in diesem Kontext nicht automatisch, sondern nur, wenn die
Mitgliedstaaten von der in Art. 135 MwStSystRL genannten Befugnis Gebrauch gemacht haben (vgl. zur 6. RL
die Urteile des EuGH vom 9. September 2004, C-269/03, Vermietungsgesellschaft Objekt Kirchberg, Rn. 20,
vom 3. Februar 2000, C-12/98, Far, Rn. 13, vom 4. Oktober 2001, C-326/99, Stichting Goed Wonen, Rn. 45, 52
und vom 29. April 2004, C-487/01, Gemeente Leusden, Rn. 48, 66). Den zuletzt angeführten Urteilen des EuGH
lagen jeweils nationale Bestimmungen zu Grunde, die danach differenzierten, ob durch die Vermietung eine
bestimmte Rendite (Gemeente Leusden, Rn. 16) bzw. ein bestimmter Ertrag (Stichting Goed Wonen, Rn. 9)
erzielt wird. Eine vergleichbare Differenzierung nimmt die LVO 1993 vor, die darauf abstellt, dass der
Unternehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraumes aus der Vermietung einen Gesamteinnahmenüberschuss
erzielt. Wettbewerbserwägungen stellte der EuGH in diesen Urteilen - wohl im Hinblick darauf, dass die unechte
Steuerbefreiung der Grundstücksvermietung der grundsätzlich vom Unionsrecht vorgegebene Zustand ist - nicht
an.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Folge auch in den Erkenntnissen vom 20. September 2007,
2005/14/0125, 23. September 2010, 2006/15/0318, 7. Juli 2011, 2007/15/0255 (diesem Beschwerdefall lag schon
keine unternehmerische Vermietung zu Grunde), vom 29. Februar 2012, 2008/13/0029, sowie vom
26. April 2012, 2011/15/0175, mit eingehender Begründung zum Unionsrecht, ausgesprochen, dass
umsatzsteuerlich "Liebhaberei" bei Vermietung von privat nutzbarem Wohnraum im Sinne des § 1 Abs. 2
LVO 1993 vor dem Hintergrund des Unionsrechts als Umsatzsteuerbefreiung (mit Vorsteuerausschluss)
anzusehen ist.
Von dieser in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht ist der Verwaltungsgerichtshof - entgegen der
Auffassung des Bundesfinanzgerichtes - auch nicht im hg. Erkenntnis vom 25. April 2013, 2010/15/0107,
"stillschweigend" abgewichen.
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Im Erkenntnis 2010/15/0107 ging es um die Frage des Vorliegens einer wirtschaftlichen Tätigkeit iSd Art. 4
Abs. 1 und 2 der 6. RL in Bezug auf eine Betätigung, die nicht als Grundstücksvermietung zu beurteilen war.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des
§ 1 Abs. 2 LVO 1993 Tätigkeiten erfasst, die auch im Verständnis des Unionsrechts oftmals nicht als
wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen werden können. Tätigkeiten, die ein Hobby darstellen oder der
Freizeitgestaltung dienen, bilden keine wirtschaftlichen Betätigungen iSd Unionsrechtes. Wird eine Tätigkeit
nicht zur Erzielung von Einnahmen, sondern beispielsweise aus persönlicher Neigung ausgeübt, darf auch die
Erzielung gelegentlicher Einnahmen nicht dazu führen, als Unternehmer einen Vorsteuerabzug zu erlangen
(vgl. die Urteile des EuGH vom 26. September 1996, Enkler, C-230/94, Rn. 27 bis 30, und zur Nutzung eines
Privatforstes das Urteil vom 19. Juli 2012, R?dlihs, C- 263/11, Rn. 33 bis 40). Die dem Erkenntnis 2010/15/0107
zu Grunde liegende Tätigkeit (Kleinlandwirtschaft mit Schafzucht) stellt eine derartige Betätigung dar, die
sowohl als bloße Freizeitbetätigung, als auch (in besonderen Ausnahmefällen, vgl. im Übrigen auch das
hg. Erkenntnis vom 19. September 2013, 2011/15/0157) zur Einnahmenerzielung ausgeübt werden kann.
Solcherart bedurfte es im seinerzeitigen Beschwerdefall Feststellungen zu den näheren Umständen, unter denen
die zu beurteilende Betätigung ausgeübt wurde, also zum Vorliegen eines marktkonformen Verhaltens.
Im streitgegenständlichen Revisionsfall hat das Bundesfinanzgericht das Vorliegen einer wirtschaftlichen
Tätigkeit bejaht, was vom revisionswerbenden Finanzamt nicht in Abrede gestellt wird und im Hinblick auf die
unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen (dauernde Vermietung zu "fremdüblichen" Bedingungen) auch auf keine
Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes stößt. Mit der daraus gezogenen Rechtsfolge hat das
Bundesfinanzgericht nach dem oben Gesagten hingegen die Rechtslage verkannt. Wie ausgeführt, ergibt sich aus
§ 2 Abs. 5 Z 2 und § 28 Abs. 5 Z 4 UStG 1994 iVm der LVO 1993, dass die dauerhaft verlustträchtige
Vermietung einer Eigentumswohnung (anders als die im Erkenntnis vom 25. April 2013 zu beurteilende
Schafzucht), auch wenn es sich dabei um eine unternehmerische Tätigkeit handelt, als steuerfreie
Grundstücksvermietung nicht der Umsatzsteuer unterliegt und kein Recht auf Vorsteuerabzug vermittelt.
Ob das Bundesfinanzgericht die Vermietung zu Recht als Liebhaberei iSd LVO 1993 beurteilt hat, ist nicht
Gegenstand der außerordentlichen Revision. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in der
Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei war daher nicht einzugehen.
Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig und war deshalb gemäß § 42
Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 30. April 2015
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GZ. RV/5100724/2009
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Thomas Krumenacker in der
Beschwerdesache TV, gegen die Bescheide des FA Linz vom 07.10.2008 betreffend
Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bi s 2007 zu Recht erkannt:
Die Bescheide werden abgeändert.
Umsatzsteuer 2005:
Vorsteuern: -8.925,48 €
Vorsteuern betreffend Steuerschuld nach § 19 Abs. 1 zweiter Satz: -6.315,00 €
Die übrigen Bemessungsgrundlagen bleiben unverändert.
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit -720,67 €
Umsatzsteuer 2006:
Vorsteuern: -36.227,89 €
Vorsteuern betreffend Steuerschuld nach § 19 Abs. 1 zweiter Satz: -23.137,50 €
Die übrigen Vorsteuern und Bemessungsgrundlagen bleiben unverändert.
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit -8.238,59 €
Umsatzsteuer 2007:
Vorsteuern: -7.809,75 €
Die übrigen Vorsteuern und Bemessungsgrundlagen bleiben unverändert.
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit -5.877,44 €
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) wird für nicht zulässig erklärt.
Entscheidungsgründe
Anlässlich einer Betriebsprüfung stellt der Prüfer fest und nahm er nachstehende
Beurteilungen vor:
A. Reitwegenetz
Der TV ließ durch einen deutschen Unternehmer (DE) ein Reitwegenetz planen. Die
Rechnung darüber legte DE ohne Umsatzsteuer mit dem Hinweis auf den Übergang
der Steuerschuld. Weil der TV eine Körperschaft öffentlichen Rechts ist, schulde er
die Umsatzsteuer. Da besagte Leistung jedoch dem Hoheitsbereich zuzuordnen sei,
stehe ein diesbezüglicher Vorsteuerabzug nicht zu. Der TV hat bisher weder besagte
Umsatzsteuerschuld ausgewiesen noch einen diesbezüglichen Vorsteuerabzug geltend
gemacht.
B. Werknutzungsrechtsvertrag
DE hat auf Basis zahlreicher Grundlagenarbeiten für den TV eine "Freizeitkarte" erstellt,
in der verschiedene Reitrouten eingezeichnet und beschrieben sind. Das dort abgebildete
Logo scheint auch auf den Hinweisschildern auf. Auf der Rückseite der Karte werden die
beteiligten Gemeinden vorgestellt und Sponsoren werben für ihre Betriebe. Der TV hat die
grundsätzlich ihm zustehenden Werknutzungsrechte befristet bis zum 31.12.2008 dem
DE gegen eine einmalige Gebühr von 80.000,00 € überlassen. (Die Freizeitkarte kosten
9,80 €.). Die 80.000,00 € hat der TV als Umsatz mit Übergang der Steuerschuld erklärt.
Für die Nutzung der Reitwege hat der TV kein Entgelt verlangt. Die Einräumung der
Werknutzungsrechte stehe in keinem Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb
des Reitwegenetzes. Es liege daher eine unentgeltlich erfolgte infrastrukturelle Maßnahme
vor, die dem nichtunternehmerischen Bereich des TV zuzuordnen sei. Lediglich die
Werbemaßnahmen zählen zum unternehmerischen Bereich und berechtigen zum
Vorsteuerabzug.
C. Mythos Pferd
Ein Themenweg "Mythos Pferd" führt vom Gelände der Landesausstellung direkt ins
Ortszentrum. Er stellt daher eine wichtige Infrastruktureinrichtung dar. Durch Einbindung
des Themas "Pferd" ins Ortsbild (lebensgroße Skulpturen in verschiedenen Materialien)
soll eine zusätzliche Attraktion für Urlaubsgäste geschaffen und die kulturelle und
historische Bedeutung des Pferdes hervorgehoben werden.
Für die Nutzung des Themenweges hat der TV kein Entgelt verlangt. Die Einräumung der
Werknutzungsrechte stehe in keinem Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb
des Themenweges. Es liege daher eine unentgeltlich erfolgte infrastrukturelle Maßnahme
vor, die dem nichtunternehmerischen Bereich des TV zuzuordnen sei.
D. Funparcour
Anlässlich der Landesausstellung wurde ein mit leichten Hindernissen versehener, ein
zusätzliches Freizeitangebot darstellender Trainingsparcour geschaffen.
Für die Nutzung des Funparcours hat der TV kein Entgelt verlangt. Die Einräumung der
Werknutzungsrechte stehe in keinem Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb
des Themenweges. Es liege daher eine unentgeltlich erfolgte infrastrukturelle Maßnahme
vor, die dem nichtunternehmerischen Bereich des TV zuzuordnen sei.
Bescheide des Finanzamtes
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Das Finanzamt folgte den Feststellungen und Beurteilungen des Prüfers und erließ
entsprechend geänderte Bescheide.
In den Beschwerden führte die steuerliche Vertreterin aus:
1. Sachverhalt:
Der TV ist gem § 4 Abs. 1 des OÖ Tourismusgesetzes von 1990 eine Körperschaft
öffentlichen Rechts. Als solche ist der Verband gem § 2 Abs. 3 UStG 1994 nur im Rahmen
seiner Betriebe gewerblicher Art (BgA, § 2 KStG 1988) gewerblich oder beruflich tätig, und
damit auch nur in diesem Bereich unternehmerisch tätig.
In der Niederschrift über das Ergebnis der Betriebsprüfung vom 3.9.2008 geht
die Finanzverwaltung davon aus, das iZm dem Vertrag über die Übertragung von
Werknutzungsrechten kein BgA vorliegt und in der Folge der TV nicht zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist. Für das Projekt „Reitwegenetz“ selbst sowie das Projekt „Mythos Pferd“
und „Funparcour“ wurde der Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt, dies seien rein
infrastrukturelle Maßnahmen, die unentgeltlich erfolgten. Es bestehe kein Zusammenhang
dieser Projekte mit der entgeltlichen Überlassung der Werknutzungsrechte aus der
„Freizeitkarte“. Das Projekt „Reitwegenetz“ wurde der Umsatzsteuer unterworfen und der
Vorsteuerabzug versagt.
An dieser Stelle ersuchen wir um Nachsicht für die Unachtsamkeit des TV, der die
betreffende Steuerschuld nach § 19 Abs. 1 UStG 1994 abzuführen hatte. Da jedoch davon
auszugehen ist, dass der TV in diesem Bereich als Unternehmer zum Vorsteuerabzug
berechtigt ist, kommt es durch die Umsatzsteuer-/Vorsteuerverrechnung (aus Reverse
Charge) zu einem Nullsummenergebnis, wodurch das Versäumnis der Abgabe keinen
finanziellen Nachteil für die Finanzverwaltung darstellt.
Die Betriebsprüfung stützt sich dabei auf die UStR 2000, wonach für Leistungen,
die für den hoheitlichen Bereich der Körperschaft erbracht wurden, keine
Vorsteuerabzugsberechtigung zustehe (Rz 268). Dem Prüfbericht zufolge wären alle drei
zuvor genannten Projekte dem hoheitlichen Bereich des Tourismusverbandes zuzuordnen
und der unternehmerische Bereich nur auf die Werknutzungsrechteüberlassung
(„Werknutzungsrechtsvertrag“) begrenzt, der somit für sich separat einen BgA darstelle.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Privatwirtschaftliche Tätigkeit:
Die Tätigkeit des TV ist iSd UFS-Erkenntnisses vom 29.4.2005, RV/0429-L/04, jedenfalls
als privatwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen
Wenn in der Folge vom Projekt „Reitwegenetz“ die Rede ist, sind darunter auch die
Projekte „Mythos Pferd“ und „Funparcour“ zu verstehen, die als Nebenprodukte des
Hauptprojektes gelten (Pkt G im Leistungsverzeichnis des Hauptprojekts: „Planung
der Thementouren“). Diese Projekte stehen im untrennbaren Zusammenhang mit dem
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Werknutzungsvertrag und sind aufgrund ihrer engen sachlichen und organisatorischen
Verknüpfung als einheitlicher BgA zu qualifizieren.
Der Betriebsprüfer ist der Ansicht, dass für den entgeltlichen Werknutzungsrechtsvertrag
kein BgA nach § 2 KStG vorliegt und ordnet diesen, wie das Projekt „Reitwegenetz“,
dem hoheitlichen Bereich zu. Für diese Argumentation wird einerseits die hoheitliche
Aufgabendefinition für Tourismusverbände gem Rz 273 UStR und andererseits die
unentgeltliche Bereitstellung des Reitwegenetzes als Basis verwendet. Unserer Ansicht
sind weder die letztgenannten Punkte zutreffend, noch - und vor allem - sind die Projekte
„Reitwegenetz“ und der „Werknutzungsrechtsvertrag“ als getrennte BgA nach Rz 66 KStR
anzusehen.
Dazu ist auszuführen, dass die Qualifizierung des Projektes „Reitwegenetz“ als „Errichtung
und Betrieb infrastruktureller Einrichtungen“ nach Rz 273 UStR nicht zutreffend ist. Zudem
ist die Rz 273 UStR im Prüfbericht abweichend wiedergegeben, da im Originaltext (Doralt
[Hrsg.], Steuererlässe, Band III, 22. Auflage, Wien 2008, S 68) das Wort „Reitwege“ nicht
vorhanden ist. Wie der Leistungsbeschreibung des Projektes zu entnehmen ist, kam es zu
keiner Errichtung oder baulichen Bearbeitung des Reitwegenetzes von Seiten der Firma
DE (Vertragspartner des Projekts „Reitwegenetz“), vielmehr war dieses bereits vorhanden.
Der Vertrag beinhaltet lediglich die Streckensichtung (Pkt IV A des
Leistungsverzeichnisses) und die gesamte Netzplanung (Pkt IV B), wobei uE die
Leistungen „Planung der Thementouren“, „Erstellung der GPS Knotenpunkte“,
„Controlling“, „Wartung“ und „Softwarelizenzen“ etc (Pkt IV C bis H) unter Netzplanung zu
subsumieren sind. Die Beschilderung stellt schließlich jene Leistung dar, die notwendig
ist um das konzipierte Reitwegenetz bzw die Thementouren überhaupt in der Praxis
realisieren zu können - bzw wäre es vice versa nicht rational, ein Reitwegenetz nur auf
Karten, ohne tatsächliche spezielle Wegbeschilderung, abzubilden.
Da es sich weiters auch nicht um eine „willkürliche“ bzw standortbezogene
Ortbeschilderung wie Markierungen und Panoramatafeln iSd Rz 273
UStR („Ortsgestaltung“) handelt, sondern um die gezielte Erstellung einer
immateriellen Hauptleistung (Informationssystem, Kartografie) mit materiellen
Ausprägungen (Beschilderung), ist die Einordnung iSd RL Rz 273 jedenfalls unter
„Gästeinformationssystem“ - und damit im unternehmerischen Bereich gem § 2 Abs. 1
UStG 1994 - vorzunehmen.
2.2. Einheitlicher BgA:
Die Betriebsprüfung argumentiert an dieser Stelle einerseits mit der - mangels
Entgeltlichkeit - fehlenden Voraussetzung für das Reitwegenetz als BgA, andererseits
mit der Trennung des Projektes von der entgeltlichen Nutzung der Projektfrüchte im
Rahmen der befristeten Werknutzungsrechtsübertragung an die Firma DE. Dem ersten
Punkt steht entgegen, dass bereits die Absicht, Einnahmen zu erzielen ausreicht, um eine
unternehmerische Tätigkeit iSd § 2 Abs. 1 UStG 1994 anzunehmen.
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Diese, vom TV beabsichtigte Einnahmenerzielung lässt sich daraus ableiten,
dass die kartografischen Voraussetzungen zur Erstellung einer Karte bereits im
Leistungsverzeichnis enthalten sind (zB Erstellung von GPS Knotenpunkten). Weiters
wird in der Projektbeschreibung laut Förderantrag auf die Erstellung eines Kartenund Informationssystems Bezug genommen, genauso wie im Leistungsverzeichnis
unter Pkt „C. Allgemeine Infotafeln“ auf die Reitwanderkarte verwiesen wird. Die
Ausgestaltung des Kartenmaterials bestimmt sich jedoch wiederum durch Vorgaben aus
dem Werknutzungsrechtsvertrag, genauso wie dort zurück auf das Hauptprojekt verwiesen
wird: „DE erstellt für das Projekt ‚Reitwegenetz’ eine für die Benutzer geeignete Karte mit
den nachstehend angeführten Mindestkriterien“ (Pkt II 1, S 2, Werknutzungsrechtsvertrag
vom 23.6.2005).
Bereits aus den Verträgen ist also eine wechselseitige Verflechtung der Projekte als auch
die Tatsache, dass das Projekt „Reitwegenetz“ überhaupt erst die Voraussetzungen für die
entgeltliche Werksnutzungsrechteübertragung darstellt, ersichtlich. Dieser Argumentation
folgend lässt sich nun die Absicht der Erzielung von Einnahmen gem § 2 Abs. 1 UStG
1994 auch für das Projekt „Reitwegenetz“ nicht von der Hand weisen. Folglich ist das
Vorliegen von nur einem einzigen BgA gem Rz 67 KStR, der sämtliche hier genannten
Projekte im Ganzen beinhaltet, nahe liegend. Diese Argumente werden außerdem durch
die Tatsache untermauert, dass sämtliche Verträge und Beschlüsse am gleichen Tag, dem
23.6.2005, unterzeichnet wurden.
Des Weiteren ist dem Kreditgenehmigungsschreiben des Landes OÖ zu entnehmen,
dass auch dort die Ansicht der Einheitlichkeit der Projekte „Reitwegenetz“ und
„Werknutzungsrechtsvertrag“ geteilt wird: „Dieser Betrag soll durch den Vertrieb einer
im Gesamtprojekt inkludierten Reiterkarte […]“ (Schreiben über die Genehmigung des
Kredites von Herrn Dr. Pömer vom 10.2.2005, Oberösterreichische Landesregierung,
Abteilung Gewerbe, S 2). Zu beachten ist an dieser Stelle zudem, dass sowohl in den
Projektanträgen als auch in der Förderungsvereinbarung mit dem Land Oberösterreich
(Pkt IV), die Finanzierung des Gesamtprojektes von vornherein durch die Einnahmen aus
dem Werknutzungsrechtsvertrag vorgesehen war. Neben der wirtschaftlich-funktionalen
Verflechtung war somit auch eine finanzielle Verrechnung der Projekte „Reitwegenetz“ und
„Werknutzungsrechtsvertrag“ stets vorgesehen bzw überhaupt Grundlage des gesamten
Vorhabens.
Die Einnahmen von 80.000,00 € für das zeitlich befristete Überlassen der Nutzungsrechte
am Kartenmaterial an DE stellen zweifelsohne Einnahmen von wirtschaftlichem Gewicht
dar. Ferner ist im Leistungsverzeichnis unter Pkt C die Schaffung von Werbe- und
Präsentationsflächen erwähnt, womit auch eine nachhaltige Einnahmenerzielungsabsicht
nach § 2 Abs. 1 UStG 1994 erkennbar ist.
Nach Beiser (GesRZ 2003, 314) hängt die Frage „ob ein oder mehrere BgA gegeben
sind, [...] davon ab, wie die wirtschaftliche Selbstständigkeit abzugrenzen ist.“ Diese
knüpft wiederum an die Merkmale nach § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 KStG an: besondere
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Leitung, geschlossener Geschäftskreis, Buchführung oder ein ähnliches auf eine Einheit
hindeutendes Merkmal.
Organisatorische Eigenschaften, die nach Beiser oder auch Rz 66 KStR auf das Vorliegen
eines einzelnen BgA hindeuten, sind also oben genannte Merkmale. Da der TV nur
aus ein bis zwei ständigen MitarbeiterInnen besteht (siehe nachfolgende Grafik; Rot =
wechselndes Personal), ist eine Trennung nach diesen organisatorischen Vorgaben für die
Projekte „Reitwegenetz“ und „Werknutzungsrechtsvertrag“ in zwei einzelne BgA uE nicht
möglich. Für diese Ansicht spricht auch, dass funktional-sachliche Merkmale wie zB eine
personelle und räumliche Verflechtung (Beiser) für die Projekte gegeben sind.
Ein Organigramm (oben als Grafik bezeichnet) bestätigt obige Ausführungen.
Beiser schließt mit der Ansicht, dass funktionale, sachliche, tätigkeitsrelevante und
inhaltliche Merkmale zu berücksichtigen sind, um das Vorliegen eines oder mehrerer
BgA zu bestimmen. Weiters führt er aus: „Organisatorisch und/oder inhaltlichfunktional umfassendere Einheiten werden nicht in kleinere Einheiten zerschlagen; ein
organisatorisch und/oder inhaltlich-funktional umfassender BgA bleibt ein BgA.“ (Beiser,
GesRZ 2003, 314)
Die Behandlung verschiedener Betätigungen als einheitlicher Geschäftsbetrieb nach
den allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen ist jedoch dann geboten, wenn sie in
wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine
Einheit bilden. Indizien dafür sind:
Zentraler Wareneinkauf,
(weitgehende) Identität hinsichtlich der handelnden Personen (zB Personal),
einheitliche Preisgestaltung,
in den Grundsätzen zentral geleitete Betriebsführung oder Aufsicht bzw
einheitliche Buchführung.
Nicht maßgeblich für die Qualifikation eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ist nach
der Rechtsprechung des VwGH die Entgeltlichkeit der Betätigung.
In diesem Zusammenhang ist auf das VwGH-Urteil vom 28.11.1980, 1709/77,
hinzuweisen, welches zum BgA einer Körperschaft öffentlichen Rechts ergangen ist. In
diesem Erkenntnis hat der VwGH ausgesprochen, dass ein BgA auch dann gegeben
ist, wenn mehrere oder sogar die Mehrzahl der Tätigkeiten unentgeltlich erbracht
werden, sofern die aus Tätigkeiten dieses Betriebes erzielten Einnahmen von einigem
wirtschaftlichen Gewicht sind. Im Prüfungszeitraum lagen diese Einnahmen auch ohne der
gegenständlichen zusätzlichen Aktivitäten bei jährlich rund 10.000,00 €.
Zum Vorliegen eines einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ist auch
das Urteil des BFH vom 27.10.1993, I R 60/91, BStBl II 1994, 573 (siehe dazu
Finanzjournal 3/1996, 70), von grundlegender Bedeutung: Der BFH entschied, dass
die Beschaffung von Müll und der Verkauf der bei der Verbrennung gewonnen Energie
einen einheitlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründet. Eine Aufspaltung
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in Müllabnahme, Müllbeseitigung und Verkauf der hierbei entstehenden Energie in
verschiedene wirtschaftliche Geschäftsbetriebe würde im Übrigen, da letztlich nur
die Müllbeseitigung dem Anliegen des Umweltschutzes entspräche, dazu führen,
dass die entgeltliche Entgegennahme von Müll und die Veräußerung steuerpflichtige
wirtschaftliche Geschäftsbetriebe wären, was unter Berücksichtigung der kostenintensiven
Müllverbrennung zu wirtschaftlich unsinnigen Ergebnissen führen würde. Die Tatsache,
dass die Klägerin für den Müll als Heizmaterial nichts zu bezahlen hat, sondern von den
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsverpflichteten bezahlt wird, löst den sachgesetzlichen
und auch durch den Abfallbeseitigungsvertrag begründeten engen Zusammenhang
zwischen Anschaffung von Müll und Erzeugung sowie Verkauf von Energie nicht. Sie hat
nur Auswirkungen auf die Kostenkalkulation.
Ebenso hat der VwGH in seinem Urteil vom 23.2.1982, 82/14/0012, ausgesprochen,
dass Einnahmen von einigem wirtschaftlichen Gewicht keinesfalls bedeuten, dass
innerhalb der Einrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes die Tätigkeit, aus
der Einnahmen erzielt werden, losgelöst von den übrigen, nicht der Einnahmenerzielung
dienenden Tätigkeiten dieser Einrichtung, gesehen werden können. Bilden nämlich
mehrere Tätigkeiten eine Einheit in der Form, dass ein ursächlicher Zusammenhang
zwischen den einzelnen Tätigkeiten besteht, so ergeben sie insgesamt einen BgA, auch
wenn aus einem Teil der Tätigkeiten keine Einnahmen erzielt werden.
3. Zusammenfassung:
Zusammengefasst stellt daher das Projekt „Reitwegenetz“ auf Ebene des TV eine
unternehmerische Tätigkeit dar. Eine Trennung des BgA in einen Bereich in dem
Einnahmen erzielt werden, von jenem Bereich ohne entsprechender Einnahmenerzielung
ist nicht möglich, da sowohl des Projekt „Reitwegenetz“ als auch die Werknutzungsrechte
das Fundament der Arbeit darstellen und dem Zweck des Gästeinformationssystems
dienen.
Aufgrund der wechselseitigen Verflechtung der Projektverträge, der zeitlichen Kongruenz
der Vertragsunterzeichnung sowie aufgrund des Fehlens jeglicher Trennmöglichkeit der
organisatorisch-funktionalen Merkmale liegt ein einheitlicher, unteilbarer BgA vor.
Dementsprechend würde auch die Vorsteuerabzugsfähigkeit nach § 12 UStG 1994 für
die von der Betriebsprüfung gekürzten Posten (im Betriebsprüfungsbericht als Tz 2, 4,
5 und 6 bezeichnet) wieder in vollem Ausmaß zustehen. Dies hätte weiters zur Folge,
dass auch für die Reverse Charge Umsatzsteuer nach § 19 Abs. 1 UStG 1994 in Tz 1 der
Vorsteuerabzug gem § 12 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 gegeben sein müsste.
Damit ergibt sich aber auch, dass aufgrund des einheitlichen BgA sämtliche
Vorsteuerbeträge, die mit diesem in Zusammenhang stehen, abzugsfähig sind.
In der Folge schränkte TV das Begehren auf Zuerkennung von 50% der bisher begehrten
Vorsteuern ein.
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Über die Beschwerden wurde erwogen:
Wie in den Beschwerden zutreffend ausgeführt sind das Reitwegenetz, die (befristete)
Überlassung von Werknutzungsrechten, der Themenweg "Mythos Pferd" und der
"Funparcour" als Gesamtkonzept anzusehen. Aus diesem und den weiteren in den
Beschwerden angeführten Gründen liegt ein einheitlicher Betrieb gewerblicher Art vor,
zumal die damit erzielten Umsätze von einigem wirtschaftlichen Gewicht sind.
Die strittigen Tätigkeiten stellen jedoch auch Infrastrukturmaßnamen dar, die grundsätzlich
in den hoheitlichen Aufgabenbereich eines Tourismusverbandes fallen.
Dienen bezogene Leistungen sowohl der Ausführung steuerpflichtiger Umsätze als
auch der Erfüllung nichtunternehmerischer (satzungsmäßiger) Zwecke, steht ein
Vorsteuerabzug nur mit jener Quote zu, die sich aus dem Verhältnis der Verwendung für
steuerpflichtige Zwecke einerseits und für nichtunternehmerische Zwecke andererseits
ergibt (VwGH vom 30.06.2015, 2011/15/0163).
Im konkreten Fall lässt sich das Verhältnis der genannten Zwecke zueinander nicht genau
beziffern. Eine Aufteilung hat daher im Schätzungswege zu erfolgen, wobei eine solche
mit 50% zu 50% den Verhältnissen gerecht werden dürfte. Auf diese Aufteilung wurden die
Beschwerden auch eingeschränkt.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie
von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt,
insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der
bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet
wird.
Keine der genannten Voraussetzungen trifft jedoch zu.
Linz, am 31. Dezember 2015
Seite 8 von 8
GZ. RV/7103393/2011
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Rudolf Wanke über die
Beschwerde des Dr. Alfred K*****, *****Adresse*****, vertreten durch PWT Pannonische
Wirtschaftstreuhand GmbH, 7201 Neudörfl, Hauptstraße 26, vom 3. 1. 2011 gegen
den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart, 7001 Eisenstadt,
Neusiedlerstraße 46 vom 2. 12. 2010 betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2008,
Steuernummer 38*****, zu Recht erkannt:
I. Die als Beschwerde weiterwirkende Berufung wird gemäß § 279 BAO als unbegründet
abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 3. 5. 2010
Das Finanzamt erließ gegenüber dem Berufungswerber (Bw) und späteren
Beschwerdeführer (Bf), Dr. Alfred K*****, einem Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für
Kinder und Jugendheilkunde, Facharzt für Pädiatrische Intensivmedizin und Allgemein
beeidetem gerichtlich zertifiziertem Sachverständigen, mit Datum 3. 5. 2010 einen
Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2008 mit einer Umsatzsteuerfestsetzung von 0,00 €.
Eine nähere Begründung enthält der Umsatzsteuerbescheid nicht.
Aufhebungsbescheid Umsatzsteuer 2008 vom 2. 12. 2010
Das Finanzamt hob mit Bescheid vom 2. 12. 2012 den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr
2008 vom 3. 5. 2010 gemäß § 299 BAO auf und begründete dies so:
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei
oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben,
wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 2. 12. 2010
Das Finanzamt erließ daraufhin ebenfalls mit Datum 2. 12. 2010 gegenüber dem Bf einen
neuen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2008, dem anders als im bisherigen Bescheid
neben steuerfreien Umsätzen mit Vorsteuerausschluss steuerpflichtige Umsätze von
60.600,00 € zugrunde liegen, was zu einer Umsatzsteuerfestsetzung von 12.120,00 €
führte.
Eine Begründung enthält der Umsatzsteuerbescheid nicht.
Die näheren Umstände der Erlassung dieses Umsatzsteuerbescheides lassen sich auch
aus den vom Finanzamt am 21. 4. 2015 vorgelegten Akten nicht erschließen.
Während die Berufung von einer vorangegangenen Betriebsprüfung (Außenprüfung)
spricht, wird im Vorlagebericht des Finanzamtes ausgeführt, dem angefochtenen Bescheid
liege nicht das Ergebnis einer Außenprüfung zugrunde. Ein Arbeitsbogen über eine
durchgeführte Außenprüfung wurde im Zuge der Aktenvorlage vom Finanzamt nicht
vorgelegt. Im Akt des Finanzamts zur gegenständlichen Berufung findet sich allerdings
eine Stellungnahme einer namentlich näher genannten "Prüferin", die inhaltlich Eingang in
die Berufungsvorentscheidung fand.
Berufung
Mit Schreiben vom 3. 1. 2011, beim Finanzamt eingelangt am 4. 1. 2011, erhob die
steuerliche Vertretung namens des Bf Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 2008
vom 2. 12. 2010:
... im Vollmachtsnamen unseres o. a. Mandanten ergreifen wir innerhalb offener
Rechtsmittelfrist gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 02.12.2010, eingelangt am
09.12.2010, (der Erstumsatzsteuerbescheid 2008 vom 03.05.2010 wurde gemäß § 299
BAO aufgehoben) das ordentliche Rechtsmittel der
BERUFUNG.
Unser Mandant hat im Prüfungszeitraum Gutachten über Asylwerber für das
Innenministerium (Altersbestimmungen) auf entgeltlicher Basis erstellt. Die
Betriebsprüfung hat in dieser Gutachtenerstellung keine ärztliche Leistung erblickt
(die die unechte Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 f Ziff. 19 UStG nach sich ziehen
würde), sondern ist in diesem Zusammenhang von einer Tätigkeit ausgegangen, die
dem Normalsteuersatz unterliegt. Diese Rechtsansicht wird dezidiert zurückgewiesen,
Seite 2 von 32
da nach unserer Ansicht die Erstellung der oben angeführten Gutachten dem typischen
Tätigkeitsbild des Arztes entspricht.
Ausdrücklich räumt § 2 Abs. 3 Ärztegesetz die Befugnis ein, dass Ärzte ärztliche
Zeugnisse ausstellen und ärztliche Gutachten erstatten können.
Dies wird auch durch die Umsatzsteuerrichtlinien RZ 946 erkannt:
Auch die Ausstellung von ärztlichen Zeugnissen und der Erstattung von ärztlichen
Gutachten gehört zur Berufstätigkeit als Arzt. Nach innerstaatlichem Recht ist daher davon
auszugehen, dass die unechte Umsatzsteuerbefreiung für Ärzte auch diese Tätigkeit
umfasst.
Die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Ziff. 19 UStG 1994 (steuerfrei sind die Umsätze aus
der Tätigkeit des Arztes) geht auch in diesem Zusammenhang nicht dadurch verloren,
dass der Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens durch einen Dritten erteilt wird (in
diesem Fall das Bundesasylamt der Republik Österreich).
Dass es sich im konkreten Fall um eine ärztliche Tätigkeit handelt, ergibt sich unserer
Ansicht nach bereits aus dem beigelegten Schreiben unseres Mandanten, in dem er eine
Zusammenstellung und Übersicht der ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit den
angeführten Gutachten anführt. Bei diesen angeführten Tätigkeiten handelt es sich um
Tätigkeiten, die aufgrund des notwendigen fachspezifischen Wissens ausschließlich durch
einen Arzt und unter Anwendung von ärztlichen Methoden und unter Anwendung von
ärztlichen Instrumentarien ausgeführt werden.
Die ärztliche Tätigkeit kann nicht dahingehend restriktiv ausgelegt werden, dass nur
solche Tätigkeiten, die der medizinischen Betreuung von Personen bzw. dem Schutz
der Gesundheit dienen als der unechten Steuerbefreiung zugänglich gesehen werden.
Die Leistungen unseres Mandanten im Zusammenhang mit der Altersbestimmung bei
Asylwerbern können daher nur aufgrund der Art der vorgenommenen Untersuchungen
dem Berufsbild des Arztes zugeordnet werden und sind daher im Ausfluss der
Berufstätigkeit als Arzt der unechten Steuerbefreiung zugänglich.
Dies wird auch klar durch die Umsatzsteuerrichtlinien RZ 946 untermauert. Diese
Richtlinien definieren die umsatzsteuerliche Rechtsmeinung der Verwaltung zur
Behandlung von Gutachten.
Diese führen klar aus, dass Gutachten zur Berufstätigkeit der Ärzte gehören und unter die
Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Ziff. 19 UStG fallen.
• Lediglich folgende ärztliche Gutachten fallen nicht unter die Steuerbefreiung des § 6
Abs. 1 Ziff. 19 UStG 1994:
• Die auf biologische Untersuchungen gestützte Feststellung einer anthropologischerbbiologischen Verwandtschaft (EuGH 14.09.2000, Rs C-384/98);
• Ärztliche Untersuchungen über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim
Menschen und die dermatologische Untersuchung von kosmetischen Stoffen;
• Psychologische Tauglichkeitstests, die sich auf die Berufsfindung erstrecken;
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• Ärztliche Bescheinigungen für Zwecke eines Anspruches nach dem
Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KVOG), BGBI. Nr. 152/1957 idgF (EuGH
20.11.2003, Rs C-307/01);
• Ärztliche Gutachten in laufenden Gerichtsverfahren, wie z.B.:
• Ärztliche Gutachten für zivil- und strafrechtliche Haftungsfragen (EuGH 20.11.2003, Rs
C-307/01 );
• Ärztliche Gutachten über ärztliche Kunstfehler (EuGH 20.11.2003, Rs C-307/01 );
• Ärztliche Gutachten im Zusammenhang mit Invaliditäts-, Berufs-, oder
Erwerbsunfähigkeitspensionen sowie über Leistungen aus Unfallversicherungen (EuGH
20.11.2003, Rs C-212/01 );
• Ärztliche Gutachten zur Feststellung des Grades einer Invalidität, Berufs- oder
Erwerbsminderung.
Andere ärztliche Gutachten in laufenden Gerichtsverfahren sind ebenfalls steuerpflichtig,
außer sie dienen dem Schutz der Gesundheit des Betreffenden, wie z.B. Gutachten über
die Vernehmungs- oder Verhandlungsfähigkeit oder Haftvollzugstauglichkeit.
Diese Aufzählung ist eine ausschließliche, d.h. das sämtliche andere Gutachten im
Rahmen der Tätigkeit als Arzt als unecht steuerbefreit zu behandeln sind. Keines der
hier angeführten Gutachten entspricht in der Art und Weise jenen Gutachten, die unser
Mandant erstellt hat und die nunmehr im Zuge des Betriebsprüfungsverfahrens als
umsatzsteuerpflichtig behandelt wurden. Die Besteuerung der berufsgegenständlichen
Gutachten stellt daher eine Abweichung von der herrschenden Verwaltungsmeinung dar.
Die umsatzsteuerliche Behandlung von Gutachten von Ärzten war nicht immer gleich. Ab
dem Zeitraum 01.01.2001 wurden nur folgende ärztliche Gutachten nicht unter die unechte
Steuerbefreiung gestellt:
• Auf biologische Untersuchungen gestützte Feststellung einer anthropologisch
erbbiologischen Verwandtschaft,
• auf die ärztliche Untersuchung auf die pharmakologische Wirkung eines Medikamentes
bei Menschen und die dermatologische Untersuchung von kosmetischen Stoffen und
• auf psychologische Tauglichkeitstest, die sich auf die Berufsfindunq erstrecken.
Interessant in diesem Zusammenhang ist jedoch, das aufgrund des Erlasses vom
25.05.2004 193/2004 die RZ 946 kurzfristig eine andere Fassung hatte, die jedoch mit
dem Erlass vom 22.07.2004, 218/2004 AOF rückwirkend außer Kraft gesetzt wurde und
durch die oben angeführte aktuelle Rechtsmeinung ersetzt wurde.
Hierbei wurde in Reaktion auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes
kurzfristig (ohne Rechtswirkung zu entfalten) auch folgende Atteste unter die
Umsatzsteuerpflicht gestellt:
Atteste mit denen der Gesundheitszustand von Personen bestätigt werden und die zur
Vorlage bei Verwaltungsbehörden zur Abwicklung von Verfahren dienen, die mit dem
Schutz der Gesundheit nicht zusammenhängen, z.B. Atteste für die Erreichung einer
steuerlichen Begünstigung.
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Nach unserer Ansicht würde das Gutachten unseres Mandanten betreffend
Altersbestimmung am ehesten zu dieser Gutachtenkategorie gehören. Diese Art von
Atteste wurden im Jahr 2004 zwar kurzfristig in die Umsatzsteuerrichtlinien übernommen,
wurden jedoch durch den Erlass vom 22.07.2004 wie oben angeführt rückwirkend
wieder außer Kraft gesetzt und fanden in die Umsatzsteuerrichtlinien, die bis heute gültig
sind. keine Aufnahme mehr. Der Rückschluss kann nur der sein, dass die herrschende
Verwaltungsmeinung jene Gutachten, wie sie unser Mandant erstellt, ebenfalls unter die
unechte Umsatzsteuerbefreiung subsumiert sieht.
Es ist unserem Mandanten klar, dass die bestehenden Umsatzsteuerrichtlinien, die
offensichtlich die Gutachtertätigkeit unseres Mandanten in diesem Fall als unecht
steuerbefreit sehen, keinen klagbaren Anspruch vermitteln. Jedoch stellt nach
unserer Ansicht ein Abweichen von dieser allgemeinen gültigen Verwaltungsmeinung
einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Unser Mandant hat auf die bestehende
Verwaltungsmeinung vertraut und die aus dem Gutachten resultierenden Honorare
unecht steuerbefreit behandelt. Auf diese unechte Steuerbefreiung hat er auch seine
Kalkulation betreffend Honorargestaltung aufgebaut. Es kann daher nicht sein, dass unser
Mandant im Vertrauen auf die allgemeine Verwaltungsmeinung nunmehr einen Nachteil
dahingehend erleidet, dass er für die auf Basis der unechten Steuerbefreiung kalkulierte
Honorare nunmehr Umsatzsteuer zu entrichten hat.
Weiters sei ausgeführt, dass unser Mandant im Zusammenhang mit der ärztlichen
Tätigkeit der Altersermittlung, wie auch seinem Schreiben zu entnehmen ist, aufgrund der
angewandten medizinischen Methoden sehr wohl auch Krankheitszustände diagnostiziert
hat bzw. mit der Altersbestimmung eine Gesundheitsprüfung durchgeführt hat, die für die
künftige medizinische Betreuung der Asylanten notwendig war.
Wir ersuchen Sie daher den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 02.12.2010 ersatzlos
aufzuheben und den ursprünglichen Rechtszustand wiederherzustellen.
Beigefügt war eine Aufstellung des Bf:
Zusammenstellung und Übersicht der ärztlichen Leistungen im Zusammenhang mit den
GUTACHTEN über Asylwerber (Altersbestimmung)
1. Messung von Körpergröße, Gewicht und Kopfumfang
2. Auskultation von Herz und Lunge
3. Inspektion des Abdomens
4. Inspektion des Haarwuchses inclusive Körper und Bartbehaarung
5. Inspektion des Genitale und Reifungsbestimmung nach Tannerstadien
6. Ultraschalluntersuchung und Größenmessung beider Nieren
7. Ultraschalluntersuchung und Größenbestimmung der Schilddrüse mit eventueller
krankhafter Knotenbildung
8. Beurteilung des psychischen Zustandes des zu Untersuchenden
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Aus den Punkten 1- 8 ergab sich dann eine Beurteilung des wahrscheinlichen Alters des
zu Untersuchenden.
Berufungsvorentscheidung Umsatzsteuer 2008 vom 27. 10. 2001
Mit Berufungsvorentscheidung vom 27. 10. 2011 wies das Finanzamt die Berufung "vom
04.01.2011" gegen den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 2. 10. 2010 als unbegründet ab:
Das Ziel einer ärztlichen Leistung ist dafür ausschlaggebend, ob diese von der
Mehrwertsteuer zu befreien ist. Wird eine ärztliche Leistung daher in einem
Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der
Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit,
sondern die Erstattung eines Gutachtens, das Voraussetzung einer Entscheidung ist, die
Rechtswirkungen erzeugt, so findet die Steuerbefreiungsregelung keine Anwendung.
Auch wenn die Erbringung der Leistung bei Erstellung eines ärztlichen Gutachtens
Anforderungen an die medizinische Kompetenz des Erbringers stellt und für den Arztberuf
typische Tätigkeiten wie die körperliche Untersuchung des Patienten oder die Prüfung
seiner Krankheitsgeschichte umfassen kann, ist das Hauptziel der Leistung nicht der
Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit
der Person, über die das Gutachten erstellt wird. Eine solche Leistung, die die im
Gutachtenauftrag gestellten Fragen beantworten soll, soll vielmehr einem Dritten den
Erlass einer Entscheidung ermöglichen, die gegenüber dem Betroffenen oder anderen
Personen Rechtswirkungen erzeugt.
Zwar kann das Gutachten mittelbar zum Schutz der Gesundheit des Betroffenen
beitragen, indem ein neues gesundheitliches Problem entdeckt oder eine frühere
Diagnose berichtigt wird.
Gleichwohl bleibt es der Hauptzweck jeder derartigen Leistung, eine gesetzlich oder
vertraglich vorgesehene Bedingung für die Entscheidungsfindung eines anderen zu
erfüllen. Für eine solche Leistung kann die Steuerbefreiungsregelung daher nicht gelten.
Zwar subsumiert das UStG das Ausstellen von ärztlichen Gutachten unter die
Berufstätigkeit als Arzt, allerdings sind einige klar definierte Anwendungsfälle gestützt
auf die Judikatur des EuGH von der Befreiung ausgenommen, so auch biologische
Untersuchungen mit dem Ziel einer anthropologisch-erbbiologischen Feststellung.
Die Altersbestimmung von Personen ist eine biologische Untersuchung, welche zur
Feststellung der Volljährigkeit der Person durchgeführt wird, und in keiner Weise der
Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit von Personen dient.
Sowohl Abstammungsgutachten als auch Altersdiagnosen sind Teilgebiete der
biologischen und forensischen Anthropologie. Anthropologie ist die Wissenschaft vom
Menschen, seinem Wesen und seiner Entwicklung.
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Anthropologisch-erbbiologische Gutachten können eine Vielzahl von Tatsachen
feststellen, so zum Beispiel ein Verwandtschaftsverhältnis, eine Zwillingsdiagnose, die
Identifizierung von Skeletten oder aber auch das Alter einer Person. Es werden immer
ähnliche Verfahren angewandt, so etwa die Identifizierung nach Bildern (Biometrie), der
Atlasmethode mittels Röntgenbildern, das Vergleichen mit statistischen Mittelwerten, der
Plausibilitätskontrolle anhand sichtbarer Merkmale oder auch Blutgruppentests.
Gutachten für die Altersbestimmung von Personen können somit eindeutig unter dem Titel
anthropologisch-erbbiologische Gutachten eingereiht werden.
Biologische Untersuchungen, welche anthropologische oder erbbiologische Tatsachen
feststellen, fallen nicht unter die Steuerbefreiung des §6 Abs. 1 Z19 UStG, und daher ist
die Steuerfreiheit für derartige Gutachten zu versagen.
Vorlageantrag
Mit als "Berufung" bezeichnetem Schreiben vom 16. 11. 2011 stellte die steuerliche
Vertretung Vorlageantrag und führte unter anderem aus:
Die Ablehnung unseres Berufungsbegehrens werde grundsätzlich mit zwei Argumenten
untermauert:
1. Das Ziel einer ärztlichen Leistung ist dafür ausschlaggebend, ob diese von der
Mehrwertsteuer zu befreien ist. Ist Ziel der ärztlichen Leistung nicht der Schutz
einschließlich der Aufrechterhaltung oder die Wiederherstellung der Gesundheit,
sondern die Erstattung eines Gutachtens, das Voraussetzung einer Entscheidung
ist, die Rechtswirkung erzeugt, so findet die Steuerbefreiungsregelung für Gutachten
keine Anwendung. Ist der Hauptzweck einer derartigen Leistung, eine gesetzliche oder
vertraglich vorgesehene Bedingung für die Entscheidungsfindung eines anderen zu
erfüllen, kann somit die Steuerbefreiungsregelung nicht gelten.
2. Abstammungs-, Altersdiagnosen sind Teilgebiete der biologischen und forensischen
Anthropologie. Anthropologisch-Erbbiologische Gutachten können eine Vielzahl
von Tatsachen feststellen, so auch das Alter von Personen. Gutachten für die
Altersbestimmung von Personen können somit eindeutig unter den Titel anthropologischerbbiologische Gutachten eingereiht werden.
Dazu möchten wir nunmehr wie folgt ausführen:
1. Art der Untersuchung
Es sei dezidiert festgestellt, dass die Untersuchung, die unser Mandant durchgeführt
hat, definitiv keine anthropologisch-erbbiologische Gutachten sind. Unser Mandant
ist weder anthropologisch noch erbbiologisch vorgebildet und ist weder mit den
Methoden der Anthropologie noch mit den Methoden der Erbbiologie vertraut. Damit
tatsächlich eine solche anthropologisch-erbbiologische Untersuchung durchgeführt
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werden könnte, müsste man sich dieser Wissenschaft und der Methoden und Techniken
dieser bedienen. Dies hat definitiv nicht stattgefunden. Wie Sie aus dem beiliegendem
Schreiben unseres Mandanten ersehen können, wurde eine ärztliche Leistung respektive
Ultraschalluntersuchung von Nieren und Schilddrüse durchgeführt. Erbbiologische
forensische Tätigkeiten kann somit nur jener durchführen, der aufgrund seiner Ausbildung
mit den Erfahrungen und Techniken diese Untersuchungen vertraut ist und diese somit
auch durchführen kann.
2. Gutachten für Entscheidungsfindung
Bezugnehmend auf die Ausführungen in der Bescheidbegründung, dass ausschließlich die
ärztlichen Leistungen, die dem Schutz der Aufrechterhaltung und der Wiederherstellung
eines Gesundheitszustandes ist, der unechten Steuerbefreiung zugänglich sind, nicht die
Erstattung eines Gutachtens, das Voraussetzung für eine Entscheidungsfindung ist, die
Rechtswirksamkeit erzeugt, sei folgendes gesagt:
Aus der gängigen Verwaltungsmeinung, die sich aus RZ 946 USt-Richtlinien manifestiert,
kann man diese Argumentation definitiv nicht ableiten.
Dies geht erstens schon aus dem ersten Absatz der RZ 946 hervor. Darin wird ausgeführt,
dass die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Ziff. 19 UStG nicht dadurch verlorengeht, dass
der Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens von einem Dritten erteilt wird (z.B. Gutachten
über den Gesundheitszustand im Zusammenhang mit einer Versicherungsleistung). Die
RZ 946 subsummiert somit Gutachten über den Gesundheitszustand im Zusammenhang
mit einer Versicherungsleistung unter die Umsatzsteuerbefreiung. Es handelt sich
hier genau um solche Gutachten wie in der Bescheidbegründung beschrieben, die
Ust-pflichtig wären. Es wird lediglich der Gesundheitszustand festgestellt, wobei
der Gesundheitszustand offensichtlich Voraussetzung für eine Entscheidung ist die
Rechtswirkung erzeugt. Hauptziel der Feststellung des Gesundheitszustandes ist nicht der
Schutz, die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, sondern lediglich
die Feststellung eines Gesundheitszustandes, die wiederum Voraussetzung für eine
Entscheidung ist, die Rechtswirkung erzeugt.
3. Anthropologisch-Erbbiologisches Gutachten
Die Bescheidbegründung subsumiert die Altersbestimmung unseres Mandanten unter
die auf biologischen Untersuchungen gestützten Feststellungen einer anthropologischerbbiologischen Verwandtschaft.
Die RZ 946 führt hierzu aus:
Lediglich die Erstattung folgender ärztlicher Gutachten fällt nicht unter die Steuerbefreiung
des § 6, Abs. 1, Ziff. 19 UStG 1994:
• die auf biologischen Untersuchungen gestützte Feststellung einer anthropologischenerbbiologischen Verwandtschaft (EuGH 14.9.2000 RsC-384198)
Aus dieser Bestimmung ist erstens zunächst der Begriff "lediglich" abzuleiten. Lediglich
heißt in diesem Fall ausschließlich. Das bedeutet, dass nur die im Folgenden angeführten
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Gutachten tatsächlich nicht dieser Steuerbefreiung zugänglich sind. Somit ist nur
die anthropologisch-erbbiologische Feststellung einer" Verwandtschaft" nicht unter
die Steuerbefreiung zu subsumieren. Eine Umdeutung dahingehend, dass jegliche
anthropologisch-erbbiologische Untersuchung zu einer Steuerpflicht führt, ist unseres
Erachtens nicht statthaft, lediglich die Feststellung einer anthropologisch-erbbiologischen
Verwandtschaft. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass die EuGH-Erkenntnis
angeführt wird.
Weiters wird die enge Begriffsbestimmung der RZ 946 (erbbiologisch-anthropologische
Verwandtschaft) noch dadurch unterstützt, dass im Erlass vom 04.12.1996 194/1996
AÖF bereits angeführt wurde, das Gutachten zur Erstattung von anthropologischerbbiologischen Gutachten nicht unter die Steuerbefreiung für Ärzte fallen (somit
waren nach damaliger Verwaltungsmeinung alle solche Gutachten USt-pflichtig). Hier
wurde somit klar bestimmt, dass alle anthropologisch-erbbiologische Gutachten von
dieser Steuerbefreiung nicht umfasst sind. Im Erlass vom 04.12.1996 werden daher
anthropologisch-erbbiologischen Gutachten zur Gänze als Steuerpflichtig erklärt. In
der aktuellen RZ 946, die bezüglich der anthropologisch-erbbiologischen Gutachten
mit Wirkung ab 01.01.2001 eingeführt wurden, wurden nur mehr jene anthropologischerbbiologischen Untersuchungen steuerpflichtig gestellt die sich auf Verwandtschaften
beziehen. Somit kann eine Ust-pflicht bezüglich Gutachten Altersbestimmung, auch
wenn sie sich anthropologisch-erbbiologischer Methoden bedient, nie auf RZ 946
Umsatzsteuerrichtlinien gestützt werden, da diese lediglich bei Feststellung von
Verwandtschaftsverhältnissen anwendbar sind.
Weiters verweisen wir auf unser Schreiben vom 03.01.2011 (Berufung). Unser Mandant
hat auf die allgemeine Verwaltungsübung, manifestiert den Umsatzsteuerrichtlinien
vertraut. Eine Abkehr von diesen Verwaltungsgrundsätzen kann nur einen Verstoß gegen
Treu und Glauben darstellen.
Wir ersuchen Sie daher den USt-Bescheid 2008 ersatzlos aufzuheben und den
ursprünglichen Rechtszustand wiederherzustellen und um Aussetzung wie oben
beschrieben der Umsatzsteuerzahllast zuzüglich Zinsen.
Beigefügt war eine Stellungnahme des Bf:
Die gutachten für das BMI wurden nicht als antropologisch-erbbiologische Gutachten
durchgeführt, da weder Verwandtschaftsverhältnissse noch Rassenmerkmale
Skelettidentifizierungen etc . zur Altersbestimmung herangezogen wurden.
Es wurde eine ärztliche Untersuchung durchgeführt und eine Ultraschalluntersuchung
von Nieren und Schilddrüse gemacht. Aus diesen ärztlichen Untersuchungsergebnissen
wurden Rückschlüsse auf das mögliche Alter gezogen.
Ein anthropologisch- erbbiologische Gutachten wurde definitiv nicht erstellt, es wurde
ausschließlich eine ärztliche medizinische Untersuchung durchgeführt.
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Weiterer Akteninhalt
Dem vorgelegten Finanzamtsakt lässt sich in Zusammenhang mit diesem Verfahren noch
entnehmen, dass die gegenständliche Gutachtenstätigkeit - Feststellung, ob alleinreisende
junge Asylwerber das 18. Lebensjahr bereits überschritten haben, was bejahendenfalls
der Asylbehörde eine Abschiebung in jenes Land, das die Asylwerber innerhalb der EU
als erstes betreten haben ("Dublin II"-Verordnung), ermögliche, was bei unter 18jährigen
Asylwerbern nur in Ausnahmefällen möglich sei - Gegenstand von Medienberichten und
parlamentarischen Anfragen war.
Diese Gutachten gehen auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 16. 4.
007, 2005/01/0463) zurück und waren mehrfach Gegenstand von Entscheidungen das
damaligen Asylgerichtshofes.
Diesen lassen sich beispielsweise folgende Beschreibungen der Gutachtertätigkeit des Bf
entnehmen:
Am 11.08.2008 wurde der Beschwerdeführer von Dr. XXXX zwecks Feststellung
seines Alters untersucht. In dem Sachverständigengutachten werden Größe, Gewicht,
Geschlecht, Hautkolorit, Körperbau, Kopfumfang, Anzahl der Zähne, Art der Behaarung,
Farbe der Nägel und Größe der Nieren und Volumen der Schilddrüse wiedergegeben.
Ohne nähere Begründung folgt eine Zusammenfassung, wonach "aufgrund der äußeren
Inspektion, des äußeren Eindruckes sowie der sonographischen Messgrößen von Nieren
und Schilddrüse das Alter des Beschwerdeführers auf 21 bis 23 Jahre, jedoch deutlich
über dem 18. Lebensjahr eingeschätzt" werde. Dem Sachverständigengutachten wurden
eine Stellungnahme bezüglich der Untermauerung der Altersfeststellung von Asylanten
mittels Ultraschalluntersuchung von Niere und Schilddrüse, ein Auszug aus dem Lehrbuch
"Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie", Hofmann et al, 3. Auflage, aus
welchem hervorgeht, dass Länge und Volumen der Nieren mit dem Alter der Patienten
korrelieren "- besser aber mit der Körperlänge" sowie ein Schreiben mit Literaturangaben
über die Normdaten in der Ultraschalldiagnostik für Erwachsene und Kinder beigelegt.
(AsylGH 17. 8. 2009, S4 403.222-2/2009/2E).
Aufgrund der Zweifel des Bundesasylamtes an der behaupteten Minderjährigkeit des
Beschwerdeführers wurde dieser zu einer ärztlichen Altersfeststellung durch Dr. XXXX
geladen. In dessen als Sachverständigengutachten bezeichnetem Befund vom 18.09.2008
werden Größe, Gewicht, Geschlecht, Körperbau, Kopfumfang , Anzahl der Zähne, Art
der Behaarung, Farbe der Nägel, Größe der Nieren sowie Volumen der Schilddrüse
wiedergegeben. Das Gutachten schließt mit folgender Zusammenfassung: "Aufgrund
physiologischer Kriterien, die für die Altersbestimmung herangezogen werden, wie
Körperbehaarung, welche im konkreten Fall starke männliche Elemente zeigt, sowie
dem Bartwuchs, Zahnstatus und die Begutachtung des Körperbaus mit einer Wertigkeit
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von 65% sowie der Berücksichtigung psychologischer Elemente bei der Befragung und
Verhaltensbeobachtung im Rahmen der Untersuchung mit einer Wertigkeit von ca. 15%,
unterstützt durch die Ultraschalluntersuchung von Nieren und Schilddrüse , welche sich
sämtlich innerhalb der Erwachsenennormwerte bezogen auf Körpergröße und -gewicht
befinden, wird das Alter (des Beschwerdeführers) auf 23-25 Jahre, jedoch deutlich über
dem 18. Lebensjahr eingeschätzt." ... Dieses Gutachten ist, wie der Asylgerichtshof bereits
in gleichgelagerten Fällen aussprach (z. B. AsylGH 24.07.2008, S12 400.630-1/2008),
nur kursorisch gehalten. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht möglich, schlüssig
nachzuvollziehen, wie der Gutachter zu der von ihm festgelegten Altersbestimmung
gelangen konnte...
(AslyGH 28. 7. 2009, S3 403.582-1/2009/4E)
Da die Erstbehörde Zweifel an der vom Beschwerdeführer behaupteten Minderjährigkeit
hatte, beauftragte sie Dr. K. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zur
Feststellung des Alters des Beschwerdeführers. Das Gutachten ist ausgesprochen
kursorisch gehalten. Genauere Angaben über die spezifische Qualifikation des Gutachters
und die Verlässlichkeit der von ihm verwendeten Methoden, sowie die Gewichtung der
verschiedenen Methoden untereinander fehlen. An dieser Einschätzung vermag auch
die dem Gutachten beigefügte Stellungnahme von Dr. K. nichts zu ändern, in der er die
von ihm angewandte Methode zur Altersfeststellung mittels Ultraschalluntersuchung von
Niere und Schilddrüse zu untermauern versucht. In dieser Stellungnahme wird nämlich
einerseits keinerlei spezifische ausgewiesene Expertise Dr. K. zur Altersfeststellung
dargelegt und andererseits bestätigt, dass für die Feststellung des Alters einer Person
die Methode der Vermessung von Niere und Schilddrüse lediglich als Unterstützung des
subjektiven Eindrucks der körperlichen Stigmata und der persönlichen Einschätzung
dienen könne. Zudem gesteht die Stellungnahme zu, dass Überschneidungen der
Messdaten aus dem Kinder- und Jugendalter und aus dem Erwachsenenalter möglich
seien und eine genaue Feststellung des chronologischen Alters mit der Methode der
Vermessung von Nieren- und Schilddrüsenvolumen nicht möglich seien. Dies sei nach
Ansicht Dr. K. nur mittels eines Handwurzelröntgens und Bestimmung des Knochenalters
möglich. Aus dem Gutachten von Dr. K. geht nun geradezu nicht hervor, in wie weit im
gegenständlichen Fall in nachvollziehbar dargestellter Weise andere Methoden zwecks
Feststellung des Alters konkret angewandt worden sind. Im Gutachten von Dr. K. wird
somit nicht dargestellt, wie und in wie fern unter Zugrundelegung anderer Methoden
Rückschlüsse auf das konkrete Alter des Beschwerdeführers gezogen werden konnten.
Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht möglich, schlüssig nachzuvollziehen, wie
der Gutachter zu der von ihm festgelegten Altersbestimmung gelangen konnte (siehe
auch schon AsylGH 14.07.2008, S1 400131-1/2008; 24.7.2008, S12 400630-1/2008).
Die Schlüssigkeit des Gutachtens ist jedoch nach der dargelegten Rechtsprechung eine
Grundvoraussetzung, um es als Beweismittel für die Volljährigkeit des Antragstellers
heranziehen zu können...
(AslyGH 17. 10. 2008, D3 401536-1/2008/3E)
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2.3. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch
aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin
II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen
Prüfung zuständig ist.
Hierbei ist entscheidungsrelevant, ob der Beschwerdeführer tatsächlich volljährig
ist, da andernfalls jedenfalls eine Zuständigkeit Österreichs gemäß Art. 6 der
Dublin-II VO bestünde. Da die Erstbehörde Zweifel an der vom Beschwerdeführer
behaupteten Minderjährigkeit hatte, beauftragte sie Dr. A.K. mit der Erstellung eines
Sachverständigengutachtens zur Feststellung des Alters des Beschwerdeführers (AS
123 ff). Das Gutachten ist ausgesprochen kursorisch gehalten, Angaben über die
spezifische Qualifikation des Gutachters und die Verlässlichkeit der von ihm verwendeten
Methoden, sowie die Gewichtung der verschiedenen Methoden untereinander fehlen.
Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht möglich, schlüssig nachzuvollziehen, wie der
Gutachter zu der von ihm festgelegten Altersbestimmung gelangen konnte. Sonstige
Umstände, die den Befund der Volljährigkeit decken könnten (zB widersprüchliche
Aussagen zu Lebensgeschichte) sind ebenso nicht ersichtlich. Unter diesen Prämissen
kann aber der Kritik in der Beschwerde hinsichtlich vermeintlicher Unschlüssigkeit
des Gutachtens und Ungeeignetheit der Untersuchungsergebnisse auf Basis der
Aktenlage nicht hinreichend begegnet werden. Es muss von Amts wegen Aufgabe der
Erstbehörde sein, gerade in einem wissenschaftlich notorischerweise sensiblen Bereich
wie jenem der "Altersfeststellung" vor Befassung eines Gutachters Erhebungen zu dessen
Untersuchungsmethodik und Reputation (sofern diese nicht als notorisch anzusehen ist)
zu machen.
An dieser Einschätzung vermag auch die Stellungnahme von Dr. A.K. nichts zu
ändern, in der er die von ihm angewandte Methode zur Altersfeststellung mittels
Ultraschalluntersuchung von Niere und Schilddrüse zu untermauern versucht. In dieser
Stellungnahme wird nämlich einerseits keinerlei spezifische ausgewiesene Expertise Dris.
A.K. zur Altersfeststellung dargelegt und andererseits bestätigt, dass für die Feststellung
des Alters einer Person die Methode der Vermessung von Niere und Schilddrüse
lediglich als Unterstützung des subjektiven Eindrucks der körperlichen Stigmata und
der persönlichen Einschätzung dienen könne. Zudem gesteht die Stellungnahme zu,
dass Überschneidungen der Messdaten aus dem Kinder- und Jugendalter und aus dem
Erwachsenenalter möglich seien und eine genaue Feststellung des chronologischen
Alters mit der Methode der Vermessung von Nieren- und Schilddrüsenvolumen nicht
möglich seien. Dies sei nach Ansicht Dris. A.K. nur mittels eines Handwurzelröntgens
und Bestimmung des Knochenalters möglich. Aus dem Gutachten von Dr. A.K. geht
nun geradezu nicht hervor, in wie weit im gegenständlichen Fall in nachvollziehbar
dargestellter Weise andere Methoden zwecks Feststellung des Alters konkret angewandt
worden sind. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass der
Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 21.06.2008 darauf hinweist, dass
er nur sehr kurz untersucht worden ist, ohne dass es dabei zu einem Gespräch
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gekommen sei. Im Gutachten von Dr. A.K. wird somit nicht dargestellt, wie und in wie
fern unter Zugrundelegung anderer Methoden Rückschlüsse auf das konkrete Alter des
Beschwerdeführers gezogen werden konnten.
Da die Erstbehörde also eine entscheidungsrelevante Vorfrage hinsichtlich der
Zuständigkeit Griechenlands nicht hinreichend geklärt hat, war gemäß § 41 Abs 3 3. Satz
AsylG vorzugehen. So die Erlassung einer neuerlichen Unzuständigkeitsentscheidung
beabsichtigt ist, werden zum Thema des Alters des Beschwerdeführers ergänzende
Entscheidungsgrundlagen dem Verfahren zugrunde zulegen und dem Parteiengehör zu
unterwerfen sein...
(AslyGH 24. 7. 2008, S12 400.630-1/2008/2E)
Aus www.holzinger.at, Umsatzsteuerpflicht ärztlicher Gutachtertätigkeit, wurde vom
Finanzamt am 16. 9. 2011 folgende Information entnommen:
Umsatzsteuerpflicht ärztlicher Gutachtertätigkeit
Die in Art 13 Teil A Abs 1 Buchstabe c 6. MwSt-RL normierte Mehrwertsteuerbefreiung
gilt nicht für die Leistung eines Arztes, die in der Erstellung eines Gutachtens zum
Gesundheitszustand einer Person in Hinblick darauf besteht, Anhaltspunkte zu
gewinnen, die für oder gegen einen Antrag auf Zahlung einer Invaliditätspension
sprechen. Dass der medizinische Sachverständige von einem Gericht oder einer
Pensionsversicherungsanstalt beauftragt wurde, ist hierfür ohne Belang. (EuGH 20. 11.
2003, C-212/01, Unterpertinger)
Im gegenständlichen Vorabentscheidungsfall stellte sich dem Landesgericht Innsbruck (als
Arbeits- und Sozialgericht) die Frage, ob die von einem medizinischen Sachverständigen
erbrachte Leistung - nämlich Erstellung eines Gutachtens zum Gesundheitszustand
einer Person in Hinblick auf Anhaltspunkte, die für oder gegen einen Antrag auf Zahlung
einer Invaliditätspension sprechen - von der Mehrwertsteuerpflicht befreit ist. Es war
der Auffassung, dass sich nicht eindeutig feststellen lasse, ob unter die Umsätze aus
der Tätigkeit als Arzt iSd § 6 Abs 1 Z 19 UStG auch ärztliche Untersuchungen fallen,
die den Zweck haben, Invalidität, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit festzustellen oder
auszuschließen.
Mehrwertsteuerbefreiung nur für Heilbehandlung
Nach Art 13 Teil A Abs 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates
vom 17. 5. 1977 [zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage] (6. MwSt-RL) werden nicht sämtliche Leistungen, die im Rahmen
der Ausübung ärztlicher und arztähnlicher Berufe erbracht werden können, von der Steuer
befreit, sondern nur die Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin, die ein autonomer
gemeinschaftsrechtlicher Begriff ist.
Heilbehandlung
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Der Begriff Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin erfasst solche ärztliche
Maßnahmen nicht, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung
und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen
vorgenommen werden (vgl EuGH 14. 9. 2000, C-384/98, Fall D).
Wenn die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin auch einen therapeutischen
Zweck haben müssen, folgt daraus doch nicht zwangsläufig, dass dieser Begriff eine
besonders enge Auslegung verlangt. Aus dem Urteil EuGH 10. 9. 2002, C-141/00,
Ambulanter Pflegedienst Kügler, geht nämlich hervor, dass ärztliche Leistungen, die zum
Zweck der Vorbeugung erbracht werden, für eine Steuerbefreiung nach Art 13 Teil A
Abs 1 Buchstabe c 6. MwSt-RL in Betracht kommen. Selbst wenn sich herausstellt, dass
Personen, die sich vorbeugenden Untersuchungen oder anderen ärztlichen Maßnahmen
unterziehen, an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, steht die Einbeziehung
dieser Leistungen in den Begriff Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin im
Einklang mit dem Zweck, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken, der den
Steuerbefreiungsregelungen des Art 13 Teil A Abs 1 Buchstaben b und c 6. MwSt-RL
gemein ist.
Ärztliche Gutachtertätigkeit
Das Ziel einer ärztlichen Leistung ist dafür ausschlaggebend, ob diese von der
Mehrwertsteuer zu befreien ist. Wird eine ärztliche Leistung daher in einem
Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der
Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit ist,
sondern die Erstattung eines Gutachtens, das Voraussetzung einer Entscheidung ist, die
Rechtswirkungen erzeugt, so findet die Steuerbefreiungsregelung des Art 13 Teil A Abs 1
Buchstabe c 6. MwSt-RL auf diese Leistung keine Anwendung.
Auch wenn die Erbringung der Leistung bei Erstellung eines ärztlichen Gutachtens
Anforderungen an die medizinische Kompetenz des Erbringers stellt und für den Arztberuf
typische Tätigkeiten wie die körperliche Untersuchung des Patienten oder die Prüfung
seiner Krankheitsgeschichte umfassen kann, ist das Hauptziel der Leistung nicht der
Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit
der Person, über die das Gutachten erstellt wird. Eine solche Leistung, die die im
Gutachtenauftrag gestellten Fragen beantworten soll, soll vielmehr einem Dritten den
Erlass einer Entscheidung ermöglichen, die gegenüber dem Betroffenen oder anderen
Personen Rechtswirkungen erzeugt.
Zwar kann der Betroffene ein ärztliches Gutachten auch selbst veranlassen, und es
kann mittelbar zum Schutz der Gesundheit des Betroffenen beitragen, indem ein neues
gesundheitliches Problem entdeckt oder eine frühere Diagnose berichtigt wird. Gleichwohl
bleibt es der Hauptzweck jeder derartigen Leistung, eine gesetzlich oder vertraglich
vorgesehene Bedingung für die Entscheidungsfindung eines anderen zu erfüllen. Für eine
solche Leistung kann die Steuerbefreiungsregelung des Art 13 Teil A Abs 1 Buchstabe c 6.
MwSt-RL daher nicht gelten.
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Unabhängig von Allgemeininteresse
Ohne Belang ist dabei, dass das ärztliche Gutachten für die Zwecke einer Klage auf
Gewährung einer Invaliditätspension erstattet wird, dass der Gutachter von einem Gericht
oder einer Pensionsversicherungsanstalt beauftragt wurde oder dass die Kosten des
Gutachtens nach nationalem Recht der SV-Anstalt auferlegt werden. Auch wenn diese
Umstände belegen mögen, dass die Gutachtenerstellung im Allgemeininteresse liegt,
lässt der Wortlaut des Art 13 Teil A Abs 1 Buchstabe c 6. MwSt-RL die Anwendung der
dort vorgesehenen Steuerbefreiung auf ärztliche Leistungen nicht zu, deren Ziel nicht der
Schutz der menschlichen Gesundheit ist.
Gemäß Rz 946 UStR 2000 tolerieren es die Finanzbehörden, wenn ein Arzt
seine Gutachten, die er im Auftrag von Dritten erstellt (zB Gutachten über den
Gesundheitszustand in Zusammenhang mit einer Versicherungsleistung), nach § 6 Abs 1
Z 19 UStG steuerfrei belässt.
Diese Erlassregelung ist aufgrund des vorliegenden EuGH-Urteils gemeinschaftsrechtlich
nicht haltbar.
Vorlage
Mit Bericht vom 23. 11. 2011 legte das Finanzamt die Berufung dem damaligen
Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Der UFS entschied nicht über die Berufung.
Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am 31. 12. 2013 bei dem Unabhängigen Finanzsenat
als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom
Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit 1. 1. 2014 auch gegenüber dem
Bundesfinanzgericht.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Der Bf ist Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Kinder und Jugendheilkunde, Facharzt
für Pädiatrische Intensivmedizin und Allgemein beeideter gerichtlich zertifizierter
Sachverständiger.
Im Jahr 2008 erstattete der Bf Gutachten für das Bundesasylamt darüber, ob Asylwerber
das 18. Lebensjahr bereits überschritten haben.
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Diese Gutachten basierten auf einer ärztlichen Untersuchung wie folgt:
1. Messung von Körpergröße, Gewicht und Kopfumfang
2. Auskultation von Herz und Lunge
3. Inspektion des Abdomens
4. Inspektion des Haarwuchses einschließlich Körper- und Bartbehaarung
5. Inspektion des Genitale
6. Ultraschalluntersuchung und Größenmessung beider Nieren
7. Ultraschalluntersuchung und Größenbestimmung der Schilddrüse unter Prüfung
eventueller krankhafter Knotenbildung
8. Beurteilung des psychischen Zustandes des zu Untersuchenden.
Die vom Bf erstatteten Gutachten betrafen die Feststellung des Alters des jeweiligen
Asylwerbers. Diese Gutachten wurden vom Bundesasylamt im Asylverfahren als
Beweismittel betreffend das Alter des jeweiligen Asylwerbers herangezogen.
Das der Bf erbbiologische Gutachten erstellt hat, kann nicht festgestellt werden.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Bf Gutachten erstellt hat, die dem Stand
der Wissenschaft der forensischen Anthropologie entsprochen haben.
Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass die vom Bf vorgenommen Untersuchungen
und die hierauf basierenden Gutachten, für die der Bf vom Bundesasylamt honoriert
wurde, dem Schutz, der Aufrechterhaltung oder der Wiederherstellung der Gesundheit der
Untersuchten dienten. Sie waren insbesondere keine Untersuchungen i. S. d. § 29 Abs. 6
Z 8 AslyG 2005 (nach gesundheitsrechtlichen Vorschriften des Bundes vorgesehene
Untersuchungen).
Das Entgelt für die Gutachtenserstellungen betrug im Jahr 2008 insgesamt 60.600,00 €.
Beweiswürdigung
Das Bundesfinanzgericht folgt hinsichtlich der Darstellung der streitgegenständlichen
Tätigkeit den Angaben des Bf, die sich mit den in mehreren Entscheidungen des
Asylgerichtshofes gegebenen Darstellungen decken.
Ob die Gutachten geeignet waren, mit der erforderlichen Bestimmtheit das Alter der
untersuchten Asylwerber festzustellen, was vom AsylGH mehrfach verneint wurde, ist für
die steuerliche Beurteilung nicht von Bedeutung.
Anhaltspunkte dafür, dass der Bf erbbiologische Gutachten erstellt hat, finden sich nach
der Aktenlage nicht.
Die forensische Anthropologie befasst sich unter anderem mit der Altersbestimmung von
Personen, wobei üblicherweise - siehe auch die Judikatur des AsylGH - der Zahnstatus
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erhoben und eine medizinisch-röntgenologische Handwurzelknochenuntersuchung
vorgenommen wird. Letztere Untersuchung wurde vom Bf jeweils nicht vorgenommen,
hinsichtlich des Zahnstatus wurde offenbar die Anzahl der Zähne, nicht aber deren
Zustand erhoben (siehe auch die wiedergegebenen Auszüge aus Entscheidungen
des AsylGH). Der Bf führt diese Befundaufnahmen auch nicht in seiner der Berufung
beigefügten Aufstellung an.
Daher kann auch nicht festgestellt werden, dass die vom Bf erstellten Gutachten dem
Stand der Wissenschaft der forensischen Anthropologie entsprochen haben, auch wenn
sie mit dem Zweck erstellt wurden, das Alter der Untersuchten zu bestimmen.
Für die steuerliche Beurteilung ist jedoch - siehe unten - die Einreihung in ein bestimmtes
medizinisches Fachgebiet nicht von Bedeutung.
Dass die Gutachten der Prävention vor oder der Heilung von Krankheiten gedient haben,
behauptet nicht einmal der Bf selbst.
Dass bei Diagnose einer Krankheit im Zuge einer Untersuchung für ein Gutachten dieser
Umstand dem Untersuchten mitgeteilt worden wäre, ergibt sich schon aus der ärztlichen
Ethik; derartige Diagnosen waren aber nicht Zweck der Untersuchungen.
Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bemessungsgrundlagen,
insbesondere das Entgelt von 60.600,00 €, sind nicht strittig.
Rechtsgrundlagen
§ 6 Abs. 1 UStG 1994 lautet i. d. F. BGBl. I Nr. 140/2008:
§ 6. (1) Von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
1. Die Ausfuhrlieferungen (§ 7) und die Lohnveredlungen an Gegenständen der Ausfuhr
(§ 8);
2. die Umsätze für die Seeschiffahrt und für die Luftfahrt (§ 9);
3. a) die Beförderungen von Gegenständen im grenzüberschreitenden
Beförderungsverkehr und im internationalen Eisenbahnfrachtverkehr und andere sonstige
Leistungen, wenn sich die Leistungen
aa) auf Gegenstände der Einfuhr in das Gebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen
Union beziehen und die Kosten für diese Leistungen in der Bemessungsgrundlage für die
Einfuhr (§ 5) enthalten sind oder
bb) unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen oder auf eingeführte Gegenstände
beziehen, die im externen Versandverfahren in das Drittlandsgebiet befördert werden;
b) die Beförderungen von Gegenständen nach und von den Inseln, die die autonomen
Regionen Azoren und Madeira bilden;
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c) sonstige Leistungen, die sich unmittelbar auf eingeführte Gegenstände beziehen,
für die zollamtlich eine vorübergehende Verwendung im Inland, ausgenommen die
Gebiete Jungholz und Mittelberg, bewilligt worden ist, und der Leistungsempfänger ein
ausländischer Auftraggeber (§ 8 Abs. 2) ist. Dies gilt nicht für sonstige Leistungen, die sich
auf Beförderungsmittel, Paletten und Container beziehen;
d) die Beförderungen von Personen mit Schiffen und Luftfahrzeugen im
grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr, ausgenommen die Personenbeförderung
auf dem Bodensee.
Lit. a bis c gelten nicht für die im § 6 Abs. 1 Z 8, 9 lit. c und 13 bezeichneten Umsätze
und für die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes einschließlich der
Werkleistung im Sinne des § 3a Abs. 3. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung der
lit. a bis c müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein;
4. die Lieferung von Gold an Zentralbanken;
5. die Vermittlung
a) der unter Z 1 bis 4 und Z 6 fallenden Umsätze,
b) der Umsätze, die ausschließlich im Drittlandsgebiet bewirkt werden,
c) der Lieferungen, die nach § 3 Abs. 9 als im Inland ausgeführt zu behandeln sind.
Nicht befreit ist die Vermittlung von Umsätzen durch Reisebüros für Reisende,
wenn die vermittelten Umsätze in einem anderen Mitgliedstaat ausgeführt werden.
Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer buchmäßig
nachgewiesen sein;
6. a) die Lieferungen von eingeführten Gegenständen an Abnehmer, die keinen Wohnsitz
(Sitz) im Gemeinschaftsgebiet haben, soweit für die Gegenstände zollamtlich eine
vorübergehende Verwendung im Inland, ausgenommen die Gebiete Jungholz und
Mittelberg, bewilligt worden ist und diese Bewilligung auch nach der Lieferung gilt. Nicht
befreit sind die Lieferungen von Beförderungsmitteln, Paletten und Containern;
b) die Leistungen der Eisenbahnunternehmer für ausländische Eisenbahnen in den
Gemeinschaftsbahnhöfen, Betriebswechselbahnhöfen und Grenzbetriebsstrecken;
c) die Lieferungen, ausgenommen Lieferungen neuer Fahrzeuge im Sinne des Art. 1
Abs. 8 des Anhanges, und die sonstigen Leistungen an
- die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates errichteten ständigen diplomatischen
Missionen, berufskonsularischen Vertretungen und zwischenstaatlichen Einrichtungen
sowie deren Mitglieder, und
- die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates stationierten Streitkräfte der
Vertragsparteien des Nordatlantikvertrages, soweit sie nicht an die Streitkräfte dieses
Mitgliedstaates ausgeführt werden, wenn diese Umsätze für den Gebrauch oder
Verbrauch dieser Streitkräfte, ihres zivilen Begleitpersonals oder für die Versorgung ihrer
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Kasinos oder Kantinen bestimmt sind und wenn diese Streitkräfte der gemeinsamen
Verteidigungsanstrengung dienen.
Für die Steuerbefreiung sind die in dem anderen Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen
maßgebend. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer
dadurch nachgewiesen werden, daß ihm der Abnehmer eine von der zuständigen Behörde
des anderen Mitgliedstaates oder, wenn er hiezu ermächtigt ist, eine selbst ausgestellte
Bescheinigung auf amtlichem Vordruck aushändigt. Der Bundesminister für Finanzen
kann durch Verordnung bestimmen, wie der Unternehmer die übrigen Voraussetzungen
nachzuweisen hat;
d) - die Lieferung von Kraftfahrzeugen an Vergütungsberechtigte im Sinne des § 1 Abs. 1
Z 1 IStVG für ihren amtlichen Gebrauch,
- die Lieferung eines Kraftfahrzeuges innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren
an Vergütungsberechtigte im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 IStVG für ihren persönlichen
Gebrauch,
- die Vermietung von Grundstücken an Vergütungsberechtigte im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1
IStVG für ihren amtlichen Gebrauch und
- die Vermietung von Grundstücken für Wohnzwecke an Vergütungsberechtigte im Sinne
des § 1 Abs. 1 Z 2 IStVG, so weit sie ihrem persönlichen Gebrauch dienen.
§ 1 Abs. 3 IStVG (Grundsatz der Gleichbehandlung) ist sinngemäß anzuwenden.
Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer durch eine vom
Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten nach amtlichem Vordruck ausgestellte,
ihm vom Abnehmer auszuhändigende Bescheinigung nachgewiesen werden. Der
Bundesminister für Finanzen trifft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für
auswärtige Angelegenheiten durch Verordnung die nähere Regelung hinsichtlich der
Bescheinigung.
7. die Umsätze der Träger der Sozialversicherung und ihrer Verbände, der
Krankenfürsorgeeinrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 2 des Beamten-Krankenund Unfallversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 200/1967, und der Träger des öffentlichen
Fürsorgewesens untereinander und an die Versicherten, die mitversicherten
Familienangehörigen, die Versorgungsberechtigten oder die Hilfeempfänger oder die zum
Ersatz von Fürsorgekosten Verpflichteten;
8. a) die Gewährung und die Vermittlung von Krediten sowie die Verwaltung von Krediten
und Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber,
b) die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln. Das
gilt nicht, wenn die Zahlungsmittel wegen ihres Metallgehaltes oder ihres Sammlerwertes
umgesetzt werden,
c) die Umsätze im Geschäft mit Geldforderungen und die Vermittlung dieser Umsätze,
ausgenommen die Einziehung von Forderungen,
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d) die Umsätze von im Inland gültigen amtlichen Wertzeichen zum aufgedruckten Wert,
e) die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Einlagengeschäft und
Kontokorrentverkehr einschließlich Zahlungs- und Überweisungsverkehr; das Inkasso von
Handelspapieren,
f) die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze,
ausgenommen die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren,
g) die Umsätze und die Vermittlung von Anteilen an Gesellschaften und anderen
Vereinigungen,
h) die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten
sowie die Vermittlung dieser Umsätze,
i) die Verwaltung von Sondervermögen nach dem Investmentfondsgesetz, BGBl.
Nr. 532/1993, und dem Immobilien-Investmentfondsgesetz, BGBl. I Nr. 80/2003, und
die Verwaltung von Beteiligungen im Rahmen des Kapitalfinanzierungsgeschäftes (§ 1
Abs. 1 Z 15 des Bankwesengesetzes, BGBl. Nr. 532/1993) durch Unternehmer, die eine
Konzession für dieses Geschäft besitzen, sowie die Verwaltung von durch die anderen
Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen;
j) die Lieferung von Anlagegold, einschließlich Anlagegold in Form von Zertifikaten über
sammel- oder einzelverwahrtes Gold und über Goldkonten gehandeltes Gold, durch die
ein Eigentumsrecht an Anlagegold oder ein schuldrechtlicher Anspruch auf Anlagegold
begründet wird, sowie die Optionsgeschäfte mit Anlagegold und die Vermittlung der
Lieferung von Anlagegold.
Anlagegold im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:
aa) Gold in Barren- oder Plättchenform mit einem von den Goldmärkten akzeptierten
Gewicht und einem Feingehalt von mindestens 995 Tausendstel, unabhängig davon, ob es
durch Wertpapiere verbrieft ist oder nicht;
bb) Goldmünzen,
- die einen Feingehalt von mindestens 900 Tausendstel aufweisen,
- die nach dem Jahr 1800 geprägt wurden,
- die in ihrem Ursprungsland gesetzliches Zahlungsmittel sind oder waren und
- die üblicherweise zu einem Preis verkauft werden, der den Offenmarktwert ihres
Goldgehaltes um nicht mehr als 80% übersteigt.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung ein Verzeichnis jener Münzen
aufstellen, die diese Kriterien jedenfalls erfüllen. Die in dem Verzeichnis angeführten
Münzen gelten als Münzen, die während des gesamten Zeitraumes, für den das
Verzeichnis gilt, die genannten Kriterien erfüllen;
k) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 106/1999)
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9. a) die Umsätze von Grundstücken im Sinne des § 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes 1987;
b) die Vergütungen jeder Art einschließlich der Reisekostenersätze, die an Mitglieder des
Aufsichtsrates, Verwaltungsrates oder andere mit der Überwachung der Geschäftsführung
beauftragte Personen für diese Funktion gewährt werden;
c) die Umsätze aus Versicherungsverhältnissen und aus Pensionskassengeschäften im
Sinne des Pensionskassengesetzes, soweit für diese Umsätze ein Versicherungsentgelt
im Sinne des § 3 des Versicherungssteuergesetzes 1953 gezahlt wird oder
das Deckungserfordernis gemäß § 48 des Pensionskassengesetzes oder
vergleichbare Deckungsbeträge überwiesen werden, sowie die Leistungen, die darin
bestehen, daß anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird, weiters die
Umsätze aus dem Mitarbeitervorsorgekassengeschäft im Sinne des Betrieblichen
Mitarbeitervorsorgegesetzes - BMVG, BGBl. I Nr. 100/2002;
d) aa) die Umsätze, die unter die Bestimmungen des § 33 TP 17 Abs. 1 Z 6, 7 und 8 des
Gebührengesetzes 1957 fallen,
bb) die vom Konzessionär (§ 14 des Glücksspielgesetzes, BGBl. Nr. 620/1989) auf Grund
der vom Bundesminister für Finanzen bewilligten Spielbedingungen für die Mitwirkung im
Rahmen der Ausspielungen gemäß den §§ 6 bis 13 des Glücksspielgesetzes gewährten
Vergütungen sowie die vom Konzessionär geleisteten Vergütungen an die österreichische
Postsparkasse für die Mitwirkung an der Abwicklung dieser Ausspielungen,
cc) die Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs. 3 des Glücksspielgesetzes und
dd) die mit dem Betrieb von Spielbanken, denen eine Bewilligung gemäß § 21
Glücksspielgesetz erteilt wurde, unmittelbar verbundenen Umsätze, ausgenommen
Ausspielungen mittels Glücksspielautomaten;
10. a) die Umsätze der Blinden, wenn sie nicht mehr als drei sehende Arbeitnehmer
beschäftigen und die Voraussetzungen der Steuerfreiheit durch eine Bescheinigung
über den Erhalt der Blindenbeihilfe oder durch eine Bestätigung der zuständigen
Bezirksverwaltungsbehörde oder durch den Rentenbescheid oder eine Bestätigung des
zuständigen Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nachweisen. Nicht als
Arbeitnehmer gelten die Ehefrau, die minderjährigen Abkömmlinge, die Eltern des Blinden
und die Lehrlinge. Die Steuerfreiheit gilt nicht für die Umsätze von Gegenständen, die
einer Verbrauchsteuer unterliegen, wenn der Blinde Schuldner der Verbrauchsteuer ist;
b) die unmittelbar dem Postwesen dienenden Umsätze der Österreichischen Post
Aktiengesellschaft;
c) Lieferungen, Umbauten, Instandsetzung, Wartung, Vercharterung und Vermietung von
Luftfahrzeugen, einschließlich der darin eingebauten Gegenstände oder der Gegenstände
für ihren Betrieb, die durch staatliche Einrichtungen verwendet werden;
11. a) die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder
berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen
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allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden
Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, daß eine den öffentlichen Schulen
vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird;
b) die Umsätze von Privatlehrern an öffentlichen Schulen und Schulen im Sinne der lit. a;
12. die Umsätze aus den von öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder
Volksbildungsvereinen veranstalteten Vorträgen, Kursen und Filmvorführungen
wissenschaftlicher oder unterrichtender oder belehrender Art, wenn die Einnahmen
vorwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden;
13. die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter und Versicherungsvertreter;
14. die Umsätze von gemeinnützigen Vereinigungen (§§ 34 bis 36 der
Bundesabgabenordnung), deren satzungsgemäßer Zweck die Ausübung oder Förderung
des Körpersportes ist; dies gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder eines wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebes im Sinne des § 45 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung ausgeführt
werden;
15. die Umsätze der Pflege- und Tagesmütter oder Pflegeeltern, die regelmäßig mit der
Betreuung, Erziehung, Beherbergung und Verköstigung von Pflegekindern verbunden
sind, sowie die Umsätze, soweit sie in der Betreuung, Beherbergung und Verköstigung
von pflegebedürftigen Personen, die im Rahmen der Sozialhilfe bei Pflegefamilien
untergebracht sind, bestehen;
16. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, auf welche
die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, und von
staatlichen Hoheitsrechten, die sich auf die Nutzungen von Grund und Boden beziehen;
die Überlassung der Nutzung an Geschäftsräumen und anderen Räumlichkeiten auf
Grund von Nutzungsverträgen ist als Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken
anzusehen. Nicht befreit sind:
- die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke;
- die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller
Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines
Grundstückes sind;
- die Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen;
- die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Räumlichkeiten oder Plätzen für das
Abstellen von Fahrzeugen aller Art;
- die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Campingzwecke;
17. die Leistungen von Personenvereinigungen zur Erhaltung, Verwaltung oder zum
Betrieb der in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Teile und Anlagen einer
Liegenschaft, an der Wohnungseigentum besteht, und die nicht für Wohnzwecke
verwendet werden;
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18. die Umsätze der Kranken- und Pflegeanstalten, der Alters-, Blinden- und
Siechenheime sowie jener Anstalten, die eine Bewilligung als Kuranstalt oder
Kureinrichtung nach den jeweils geltenden Rechtsvorschriften über natürliche
Heilvorkommen und Kurorte besitzen, soweit sie von Körperschaften des öffentlichen
Rechts bewirkt werden und es sich um Leistungen handelt, die unmittelbar mit der
Kranken- oder Kurbehandlung oder unmittelbar mit der Betreuung der Pfleglinge im
Zusammenhang stehen;
19. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Dentist, Psychotherapeut, Hebamme sowie als
freiberuflich Tätiger im Sinne des § 52 Abs. 4 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 102/1961
in der Fassung BGBl. Nr. 872/1992 und des § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes BGBl.
Nr. 460/1992; steuerfrei sind auch die sonstigen Leistungen von Gemeinschaften, deren
Mitglieder Angehörige der oben bezeichneten Berufe sind, gegenüber ihren Mitgliedern,
soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der nach dieser Bestimmung
steuerfreien Umsätze verwendet werden und soweit die Gemeinschaften von ihren
Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen
Kosten fordern;
20. die sonstigen Leistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung
erbringen, sowie die Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker. Das
gilt nicht für die Lieferungen von Zahnersatz, bei denen sich der Ort der Lieferung gemäß
Art. 3 Abs. 3 aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates nach Österreich verlagert, wenn für
die an den Unternehmer erbrachten Leistungen im anderen Mitgliedstaat das Recht auf
Vorsteuerabzug nicht ausgeschlossen ist.
21. die Lieferungen von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch;
22. die Beförderungen von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hiefür
besonders eingerichtet sind;
23. die Leistungen der Jugend-, Erziehungs-, Ausbildungs-, Fortbildungs- und
Erholungsheime an Personen, die das 27. Lebensjahr nicht vollendet haben, soweit diese
Leistungen in deren Betreuung, Beherbergung, Verköstigung und den hiebei üblichen
Nebenleistungen bestehen und diese von Körperschaften öffentlichen Rechts bewirkt
werden;
24. folgende Umsätze des Bundes, der Länder und Gemeinden:
a) die Leistungen, die regelmäßig mit dem Betrieb eines Theaters verbunden sind,
b) die Musik- und Gesangsaufführungen, insbesondere durch Orchester, Musikensembles
und Chöre,
c) die Leistungen, die regelmäßig mit dem Betrieb eines Museums, eines botanischen
oder eines zoologischen Gartens sowie eines Naturparks verbunden sind;
25. die in den Ziffern 18, 23 und 24 genannten Leistungen, sofern sie von Körperschaften,
Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder
kirchlichen Zwecken dienen (§§ 34 bis 47 der Bundesabgabenordnung), bewirkt werden.
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Dies gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen
Betriebes, eines Gewerbebetriebes oder eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes im
Sinne des § 45 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung ausgeführt werden;
26. die Lieferungen von Gegenständen, wenn der Unternehmer für diese Gegenstände
keinen Vorsteuerabzug vornehmen konnte und die gelieferten Gegenstände ausschließlich
für eine nach den Z 7 bis 25 steuerfreie Tätigkeit verwendet hat;
27. die Umsätze der Kleinunternehmer. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im
Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im
Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben
die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer
Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb
eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich. Nicht unter die Steuerbefreiung
fallen die Umsätze, die nach § 20 Abs. 4 und 5 besteuert werden;
28. die sonstigen Leistungen von Zusammenschlüssen von Unternehmern, die
überwiegend Bank-, Versicherungs- oder Pensionskassenumsätze tätigen, an ihre
Mitglieder, soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der genannten steuerfreien
Umsätze verwendet werden und soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern
lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten
fordern. Das gilt auch für sonstige Leistungen, die zwischen Unternehmern erbracht
werden, die überwiegend Bank-, Versicherungs- oder Pensionskassenumsätze ausführen,
soweit diese Leistungen unmittelbar zur Ausführung der genannten steuerfreien Umsätze
verwendet werden, und für die Personalgestellung dieser Unternehmer an die im ersten
Satz genannten Zusammenschlüsse.
§ 2 Ärztegesetz 1998 lautet:
Der Beruf des Arztes
§ 2. (1) Der Arzt ist zur Ausübung der Medizin berufen.
(2) Die Ausübung des ärztlichen Berufes umfaßt jede auf medizinisch-wissenschaftlichen
Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den
Menschen ausgeführt wird, insbesondere
1. die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und
psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Mißbildungen und
Anomalien, die krankhafter Natur sind;
2. die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinischdiagnostischer Hilfsmittel;
3. die Behandlung solcher Zustände (Z 1);
4. die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut;
5. die Vorbeugung von Erkrankungen;
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6. die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der medizinischen
Fortpflanzungshilfe;
7. die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen
Hilfsmitteln;
8. die Vornahme von Leichenöffnungen.
(3) Jeder zur selbständigen Ausübung des Berufes berechtigte Arzt ist befugt, ärztliche
Zeugnisse auszustellen und ärztliche Gutachten zu erstatten.
Art. 132 RL 2006/112/EG (Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem) lautet:
Artikel 132
(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
a) von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende
Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und
Telekommunikationsdienstleistungen;
b) Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng
verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter
Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht
vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und
Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art
durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden;
c) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung
der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe
durchgeführt werden;
d) Lieferung von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch;
e) Dienstleistungen, die Zahntechniker im Rahmen ihrer Berufsausübung erbringen, sowie
Lieferungen von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker;
f) Dienstleistungen, die selbstständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine
Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige
sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen,
soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung
des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese
Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt;
g) eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen
und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime,
Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als
Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden;
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h) eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundene Dienstleistungen und
Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere
von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte
Einrichtungen;
i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und
Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen
und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die
mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden
Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;
j) von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht;
k) Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für die
unter den Buchstaben b, g, h und i genannten Tätigkeiten und für Zwecke geistlichen
Beistands;
l) Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die
Einrichtungen ohne Gewinnstreben, welche politische, gewerkschaftliche, religiöse,
patriotische, weltanschauliche, philanthropische oder staatsbürgerliche Ziele verfolgen,
an ihre Mitglieder in deren gemeinsamen Interesse gegen einen satzungsgemäß
festgelegten Beitrag erbringen, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer
Wettbewerbsverzerrung führt;
m) bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende
Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die
Sport oder Körperertüchtigung ausüben;
n) bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von
Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem
betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht werden;
o) Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen bei Veranstaltungen durch
Einrichtungen, deren Umsätze nach den Buchstaben b, g, h, i, l, m und n befreit sind,
wenn die Veranstaltungen dazu bestimmt sind, den Einrichtungen eine finanzielle
Unterstützung zu bringen und ausschließlich zu ihrem Nutzen durchgeführt werden,
vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt;
p) von ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen durchgeführte Beförderung von
kranken und verletzten Personen in dafür besonders eingerichteten Fahrzeugen;
q) Tätigkeiten öffentlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten, ausgenommen Tätigkeiten mit
gewerblichem Charakter.
(2) Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe o können die Mitgliedstaaten alle
erforderlichen Beschränkungen, insbesondere hinsichtlich der Anzahl der Veranstaltungen
und der Höhe der für eine Steuerbefreiung in Frage kommenden Einnahmen, vorsehen.
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Beschwerdevorbringen
Die als Beschwerde weiterwirkende Berufung sieht die Rechtswidrigkeit des
angefochtenen Bescheides zusammengefasst darin, dass
• nach UStR 2000 Rz 946 i. d. F. BMF 25. 11. 2008, BMF-010219/0458-VI/4/2008
(anzuwenden ab 1. 1. 2007) die Ausstellung von ärztlichen Zeugnissen und die
Erstattung von ärztlichen Gutachten zur Berufstätigkeit als Arzt (§ 2 Abs. 3 ÄrzteG 1998)
gehöre und die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 ("Steuerfrei sind die
Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt") nicht dadurch verloren gehe, "dass der Auftrag
zur Erstellung eines Gutachtens von einem Dritten erteilt wird (zB Gutachten über den
Gesundheitszustand im Zusammenhang mit einer Versicherungsleistung)"; lediglich
bestimmte, dort näher angeführte Gutachten steuerpflichtig seien und die vom Bf
durchgeführten Begutachtungen nicht unter den Begriff "anthropologisch-erbbiologisch"
fielen;
• ein Abweichen von "einer allgemein gültigen Verwaltungsmeinung einen Verstoß gegen
Treu und Glauben" darstelle und
• § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 nicht restriktiv ausgelegt werden dürfe.
Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides
Damit vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides
aufzuzeigen:
Umsatzsteuerrichtlinien
Die Beschwerde räumt ein, dass die Umsatzsteuerrichtlinien des BMF für den Bf "keinen
klagbaren Anspruch" vermitteln.
Die UStR 2000 stellen für das Bundesfinanzgericht keine beachtliche Rechtsquelle dar.
Das Bundesfinanzgericht ist nicht zur Interpretation von Verwaltungsrichtlinien, die siehe deren Präambel - einen Auslegungsbehelf zum UStG 1994 darstellen sollen,
berufen, sondern hat dem Recht zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. BFG 10. 9. 2014,
RV/7101458/2013).
Daher kann es dahingestellt bleiben, ob die - wechselnden - Ausführungen in den
einzelnen Fassungen von UStR 2000 Rz 946 mit dem Recht in Einklang standen.
Bemerkt wird, dass die Rechtsansicht des BMF, dass nur bestimmte ärztliche
Gutachten steuerfrei seien, bereits dem Verfahren zum Urteil EuGH 20. 11. 2003,
C-212/01, Unterpertinger, ECLI:EU:C:2003:625) zugrunde lag und dort nicht geteilt wurde.
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Treu und Glauben
Treu und Glauben ist nach der Rechtsprechung eine allgemeine, ungeschriebene
Rechtsmaxime, die grundsätzlich auch im öffentlichen Recht zu beachten ist. Gemeint ist
damit, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und seinem Verhalten
zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf,
was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben (vgl. BFG 17. 2. 2015,
RV/7100323/2015, ECLI:AT:BFG:2015:RV.7100323.2015).
Allerdings ist das in Art. 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsgebot stärker als der
Grundsatz von Treu und Glauben. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann sich
in jenem Bereich auswirken, in welchem es auf Fragen der Billigkeit (§ 20 BAO;
z.B. Wiederaufnahme des Verfahrens, § 303 BAO) ankommt (VwGH 14. 7. 1994,
91/17/0170). Von Bedeutung ist dieser Grundsatz – im Rahmen einer vorzunehmenden
Ermessensübung – dort, wo der Steuerpflichtige durch die Abgabenbehörde (auf Grund
einer erteilten Auskunft) zu einem bestimmten Verhalten veranlasst wurde (VwGH 26.
1. 1993, 89/14/0234) oder im Vertrauen auf einen Erlass des BMF ein erlasskonformes
Verhalten gesetzt hat (VwGH 27. 11. 2003, 2003/15/0087).
Der steuerlich vertretene Bf hat den Aufhebungsbescheid unangefochten belassen. Im
Rahmen der dortigen Ermessensübung wäre zu prüfen gewesen, ob der Bf tatsächlich
im Vertrauen auf einen Erlass ein erlasskonformes Verhalten gesetzt hat. Selbst wenn
dies der Fall gewesen sein sollte, wäre dieser Umstand mit dem Gebot der Effektivität des
Unionsrechts (vgl. für viele etwa EuGH 17. 7. 2014, C-169/14, Sánchez Morcillo und Abril
García, ECLI:EU:C:2014:2099 17/07/2014) abzuwägen.
Bei der Prüfung der Rechtsrichtigkeit des Umsatzsteuerbescheides ist diese Frage jedoch
nicht von Bedeutung.
"Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt"
Zutreffend ist, dass § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt"
umsatzsteuerfrei stellt.
Ebenfalls zutreffend ist, dass gemäß § 2 Abs. 3 ÄrzteG 1998 jeder zur selbständigen
Ausübung des Berufes berechtigte Arzt befugt ist, ärztliche Zeugnisse auszustellen und
ärztliche Gutachten zu erstatten.
Nun ist zu beachten, dass § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 in Ausführung von Art. 13 Teil
A Abs. 1 Buchstabe c RL 77/388/EWG (nunmehr: von Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c RL
2006/112/EG) erging, demzufolge "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die
im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen
und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden," umsatzsteuerfrei sind.
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Die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 ist inhaltsgleich mit Art. 13 Teil A Abs.
1 lit. c der Sechsten Richtlinie (VwGH 26. 1. 2006, 2002/15/0076) und dieser Buchstabe
wiederum mit Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c der Mehrwertsteuerrichtlinie.
Das nationale Recht ist richtlinienkonform auszulegen (vgl. etwa VwGH 30. 10. 2014,
2011/15/0123).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union sind
Befreiungsbestimmungen - so auch die gegenständliche - restriktiv auszulegen (vgl. für
viele EuGH 14. 9. 2000, C-384/98, D., ECLI:EU:C:2000:444).
Der EuGH interpretiert Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstaben b und c der RL 77/388/EWG
(Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem), die inhaltlich mit Art. 132 Abs. 1 Buchstaben b und c RL
2006/112/EG (Mehrwertsteuerrichtlinie) übereinstimmen, in ständiger Rechtsprechung
dahingehend, dass von der Steuerfreiheit für "Heilbehandlungen im Bereich der
Humanmedizin" nur jene Tätigkeiten im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und
arztähnlichen Berufe umfasst sind, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose oder
Therapie erbracht werden, nicht aber sonstige Tätigkeiten (EuGH, 10. 9. 2002, C-141/00,
Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, ECLI:EU:C:2002:473).
So fallen medizinische Leistungen, die nicht in der medizinischen Betreuung von
Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln einer Krankheit oder einer
anderen Gesundheitsstörung (EuGH 14. 9. 2000, C-384/98, D., ECLI:EU:C:2000:444)
oder in der Vorbeugung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen (EuGH 20.
11. 2003, C-212/01, Unterpertinger, ECLI:EU:C:2003:625) bestehen, nicht in den
Anwendungsbereich dieser Bestimmung.
Die „Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin", ist ein autonomer
gemeinschaftsrechtlicher bzw. unionsrechtlicher Begriff. Die die im Rahmen der
Ausübung ärztlicher und arztähnlicher Berufe erbrachten Leistungen der allgemeinen
Regel des Artikels 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie (Artikel 2 Absatz 1 der
Mehrwertsteuerrichtlinie) für die Mehrwertbesteuerung unterworfen, wenn sie nicht
vom Begriff der „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" oder von einer
anderen Bestimmung dieser Richtlinie über die Steuerbefreiung erfasst werden (vgl.
EuGH 20. 11. 2003, C-307/01, Peter d'Ambrumenil und Dispute Resolution Services Ltd,
ECLI:EU:C:2003:627).
Es werden durch diese Bestimmungen nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten
von der Umsatzsteuer befreit, sondern nur diejenigen, die einzeln aufgeführt und sehr
genau beschrieben sind (EuGH 12. 11. 1998, C-149/97, Institute of the Motor Industry,
ECLI:EU:C:1998:536).
So hat der Gerichtshof entschieden, dass anthropologisch-erbbiologische Untersuchungen
zum Zweck einer Vaterschaftsfeststellung als Gerichtssachverständiger nicht von der
Umsatzsteuer befreit sind (EuGH 14. 9. 2000, C-384/98, D., ECLI:EU:C:2000:444),
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ebenso Sachverständigengutachten im Auftrag der Pensionsversicherung zwecks Prüfung
des Anspruchs auf eine Invaliditätspension (EuGH 20. 11. 2003, C-212/01, Unterpertinger,
ECLI:EU:C:2003:625) oder ärztliche Sachverständigengutachten schlechthin (vgl. EuGH
20. 11. 2003, C-307/01, Peter d'Ambrumenil und Dispute Resolution Services Ltd,
ECLI:EU:C:2003:627).
.
Zu ärztlichen Gutachten hat der Gerichtshof ausdrücklich festgehalten (EuGH 20. 11.
2003, C-212/01, Unterpertinger, ECLI:EU:C:2003:625, RN 43 und 44):
"Besteht nämlich die Leistung in der Erstellung eines ärztlichen Gutachtens, ist das
Hauptziel, auch wenn die Erbringung der Leistung Anforderungen an die medizinische
Kompetenz des Erbringers stellt und für den Arztberuf typische Tätigkeiten wie die
körperliche Untersuchung des Patienten oder die Prüfung seiner Krankheitsgeschichte
umfassen kann, nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder
Wiederherstellung der Gesundheit der Person, über die das Gutachten erstellt wird. Eine
solche Leistung, die die im Gutachtenauftrag gestellten Fragen beantworten soll, soll
vielmehr einem Dritten den Erlass einer Entscheidung ermöglichen, die gegenüber dem
Betroffenen oder anderen Personen Rechtswirkungen erzeugt. Zwar kann der Betroffene
ein ärztliches Gutachten auch selbst veranlassen, und es kann mittelbar zum Schutz
der Gesundheit des Betroffenen beitragen, indem ein neues gesundheitliches Problem
entdeckt oder eine frühere Diagnose berichtigt wird. Gleichwohl bleibt es der Hauptzweck
jeder derartigen Leistung, eine gesetzlich oder vertraglich vorgesehene Bedingung für
die Entscheidungsfindung eines anderen zu erfüllen. Für eine solche Leistung kann die
Steuerbefreiungsregelung des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten
Richtlinie daher nicht gelten.
Ohne Belang ist dabei, dass das ärztliche Gutachten für die Zwecke einer Klage auf
Gewährung einer Invaliditätspension erstattet wird, dass der Gutachter von einem Gericht
oder einer Pensionsversicherungsanstalt beauftragt wurde oder dass die Kosten des
Gutachtens nach nationalem Recht der Letztgenannten auferlegt werden. Auch wenn
diese Umstände belegen mögen, dass die Gutachtenerstellung im Allgemeininteresse
liegt, lässt der Wortlaut des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten
Richtlinie die Anwendung der dort vorgesehenen Steuerbefreiung auf ärztliche Leistungen,
deren Ziel nicht der Schutz der menschlichen Gesundheit ist, nicht zu."
Wird eine ärztliche Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung
zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder
Wiederherstellung der Gesundheit ist, sondern die Erstattung eines Gutachtens, ist
diese nicht mehrwertsteuerfrei. Die Belastung dieser Leistungen mit der Mehrwertsteuer
steht im Hinblick auf das Ziel dieser Leistungen nicht im Widerspruch zu dem Zweck, die
Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken und den Einzelnen den Zugang zu diesen
Leistungen zu erleichtern (vgl. EuGH 20. 11. 2003, C-307/01, Peter d'Ambrumenil und
Dispute Resolution Services Ltd, ECLI:EU:C:2003:627). Der Gerichtshof hat im Detail
entschieden:
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1. Die in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388/
EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern — Gemeinsames Mehrwertsteuersystem:
einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage vorgesehene Befreiung von der
Mehrwertsteuer gilt für folgende ärztliche Leistungen:
— ärztliche Untersuchungen von Personen im Auftrag von Arbeitgebern oder
Versicherungsunternehmen,
— die Entnahme von Blut oder anderen Körperproben zwecks Untersuchung auf Viren,
Infektionen oder andere Krankheiten im Auftrag von Arbeitgebern oder Versicherern,
— das Bescheinigen einer gesundheitlichen Eignung, wie z. B. der Reisefähigkeit,
dann, wenn diese in erster Linie dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen dienen
sollen.
2. Diese Steuerbefreiung erfolgt hingegen nicht für folgende Leistungen, die im Rahmen
der Ausübung des Arztberufes erbracht werden:
— das Ausstellen von ärztlichen Bescheinigungen für Zwecke eines
Kriegsrentenanspruchs,
— ärztliche Untersuchungen für die Erstellung von Gutachten für Haftungsfragen und
die Bemessung des Schadens von Personen, die die Erhebung einer Klage wegen
Körperverletzung in Erwägung ziehen,
— die Erstellung von ärztlichen Gutachten im Anschluss an solche Untersuchungen sowie
die Erstellung von Gutachten auf der Grundlage von Arztberichten ohne Durchführung
ärztlicher Untersuchungen,
— ärztliche Untersuchungen für die Erstellung von Gutachten über ärztliche Kunstfehler
für Personen, die die Erhebung einer Klage in Erwägung ziehen,
— die Erstellung von ärztlichen Gutachten im Anschluss an solche Untersuchungen sowie
die Erstellung von Gutachten auf der Grundlage von Arztberichten ohne Durchführung
ärztlicher Untersuchungen.
Die Rechtsprechung, dass nur ärztlichen Leistungen, die zu dem Zweck erbracht werden,
die menschliche Gesundheit zu schützen, aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen,
die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Sechsten Richtlinie (bzw. Art. 132
Abs. 1 Buchstaben b und c der Mehrwertsteuerrichtlinie) vorgesehene Steuerbefreiung
zugutekommt, hat der Gerichtshof wiederholt bekräftigt (zuletzt EuGH 13. 3. 2014,
C-366/12, Klinikum Dortmund gGmbH, ECLI:EU:C:2014:143).
Dass die vom Bf erstellten Gutachten nicht in erster Linie dem Schutz der Gesundheit
der Betroffenen dienten, sondern damit der Beweis erbracht werden sollte, dass den
Betroffenen nicht der besondere Schutz, der für alleinreisende jugendliche Asylwerber
rechtlich vorgesehen ist, zukommt, liegt auf der Hand.
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Diese Gutachten dienen nicht der Heilbehandlung gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchstabe c RL
2006/112/EG.
Damit ist das Entgelt für diese Gutachten nicht von der Umsatzsteuer befreit.
In der Literatur wurde UStR 2000 Rz 946 betreffend Gutachten infolge dieser Judikatur als
"evident unionsrechtswidrig" bezeichnet. Steuerpflichtig seien vielmehr alle Gutachten, bei
denen ein Zusammenhang mit einer medizinischen Betreuung nicht besteht bzw. die nicht
4
dem Schutz der Gesundheit dienen (Ruppe/Achatz, UStG § 6 Rz 417/13).
Die Bemessungsgrundlagen sind nicht strittig.
Abweisung der Beschwerde
Die Beschwerde ist daher gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
Revisionsnichtzulassung
Eine Revision ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn ein Erkenntnis von der Lösung
einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil
der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht,
eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da die Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen ärztliche Gutachten
umsatzsteuerfrei sind, in der Rechtsprechung des EuGH eindeutig geklärt ist, liegt
keine Rechtsfrage vor, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dass nationale Normen
unionsrechtskonform auszulegen sind, entspricht der Judikatur von EuGH und VwGH.
Es bedarf im gegenständlichen Fall angesichts der eindeutigen ständigen Judikatur des
EuGH keiner weiteren Präzisierung durch den VwGH.
Wien, am 7. September 2015
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16.09.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
16.09.2015
Geschäftszahl
2012/13/0046
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte
Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein
der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der M A in W, vertreten durch Dr. Alejandra Navarro
de Chalupa, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Kantgasse 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates,
Außenstelle Wien, vom 30. Dezember 2011, Zl. RV/1508-W/06, betreffend Umsatzsteuer 2002, zu Recht
erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen
zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei ist ein Verein, der eine "Montessori-Diplomausbildung" für Lehrerinnen
und Lehrer, Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, Eltern und "andere Interessierte" anbietet. Die Kurse
schließen mit dem "Diplom der Österreichischen Gesellschaft für Montessori-Pädagogik" ab. Strittig ist für das
Streitjahr 2002 die von der beschwerdeführenden Partei in Anspruch genommene Steuerfreiheit der erzielten
Umsätze gemäß § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994.
Mit dem angefochtenen, der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Finanzamts
über Umsatzsteuer für das Streitjahr in einem anderen Punkt stattgebenden Bescheid verneinte die belangte
Behörde die Steuerfreiheit der Umsätze. Sie begründete dies im Wesentlichen wie folgt:
"Gegenständlich ist zu prüfen, ob von der Bw. eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit
ausgeübt wird. Maßstab für diese Vergleichbarkeit ist der Inhalt des Lehrstoffes. Der Lehrstoff der Bw. muss
dabei dem Umfang und dem Lehrziel nach annähernd dem einer öffentlichen Schule (z.B. dem der BAKIP
(Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik)) entsprechen. Die Übereinstimmung im Lehrstoff darf sich nicht
bloß auf einen untergeordneten Teil oder einzelne Gegenstände beschränken.
Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist nach Ansicht des UFS die unterschiedliche Zulassung zu der
Bw. und zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen:
Zum Beispiel ist bei der Aufnahme als Kindergartenpädagoge in öffentlichen Vergleichsinstituten für die
Zulassung zur Ausbildung eine gesetzlich vorgeschriebene Eignungsprüfung vorgesehen (in Prüfungsform).
Es gibt zwei Wege, die Ausbildung in der BAKIP zu absolvieren:
1.) Die fünfjährige Ausbildung nach einer Eignungsprüfung im Zuge der Oberstufe. Der Abschluss erfolgte
mit Reifeprüfung und Diplom für Kindergartenpädagogen/In.
2.) Die Ausbildung zum Kindergartenpädagogen im Rahmen eines 6-semestrigen Kollegs. Voraussetzung
sind abgelegte Reifeprüfung oder Berufsreifeprüfung und abgelegte und bestandene Eignungsprüfung.
Zum Unterschied dazu findet bei der Bw. das Auswahlverfahren im Zuge eines dreitä(g)igen
Einführungsseminars statt. In Zweifelsfällen, ob eine Eignung für den Beruf besteht oder nicht, finden dann noch
in Einzelfällen Einzelgespräche statt. Die Bw. hat dieses Auswahlverfahren laut ihren eigenen Aussagen derart
gestaltet, da eine Intention der Montessori-Pädagogik Vermeidung unnötigen Stresses ist.
Die Art des Auswahlverfahrens entspricht laut Bw. der Philosophie der Montessori-Pädagogik und ein
herkömmliches Prüfungsverfahren würde nach Aussage der Bw. den Montessori-Lehransatz verletzen.
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Verwaltungsgerichtshof
16.09.2015
Bereits diese unterschiedlichen Ansätze des Auswahlverfahrens spiegeln die unterschiedlichen Intentionen
der Bw. und der Vergleichsinstitutionen wider, sich sozusagen die 'passenden Schüler' auszuwählen. Wenn auch
die Bw. im Zuge des Berufungsverfahrens betonte, dass lediglich die 'Lehr- bzw. Lern'- Methode der Bw.
gegenüber den Vergleichsinstitutionen eine andere sei, so zeigen bereits die unterschiedlichen Auswahlverfahren
bei der Bw. bzw. bei den Vergleichsinstitutionen die unterschiedlichen Intentionen zwischen den öffentlichen
Institutionen und der Bw. wider. Aufgrund der beiden völlig unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen bzw. erfordernisse und Auswahlverfahren ist der UFS zu der Ansicht gelangt, dass sich durch diese unterschiedlichen
Zugangsvoraussetzungen und die unterschiedlichen Auswahlverfahren auch bei den Vergleichsinstitutionen und
der Bw. völlig unterschiedlichen Schülergruppierungen (für die Bw. bzw. demgegenüber für die
Vergleichsinstitutionen) qualifizieren werden. Die bereits bei den Ausgangsvoraussetzungen und den
Auswahlverfahren 'gelebten' unterschiedlichen Intentionen zwischen der Bw. und den Vergleichsinstituten
bekräftigen die Ansicht des UFS, dass auch die Tätigkeiten der Bw. und der Vergleichsinstitutionen bereits
aufgrund der unterschiedlichen 'gelebten' Intentionen nicht vergleichbar iSd o.a. § 6 UStG 1994 idgF sind,
weshalb die Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze der Bw. schon allein aus diesem Grund nicht lukriert werden
kann.
In diesem Zusammenhang ist als weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen der Bw. und den von ihr
genannten Vergleichsinstituten, wie zum Beispiel der BAKIP, anzuführen, dass das Zeugnis der BAKIP ein
Diplom iSd Artikels 11 Buchstabe c) der Richtlinie 2005/36/EG darstellt, wohingegen das Diplom bzw. der
Schulabschluss der Bw. kein Diplom iSd angeführten Richtlinie ist.
Die Bildungs- und Ausbildungsgänge an den österreichischen berufsbildenden höheren Schulen
einschließlich deren Sonderformen sowie die Bildungs- und Ausbildungsgänge an Meisterschulen,
Meisterklassen, Werkmeister- und Bauhandwerkerschulen, deren Struktur in Rechts- und
Verwaltungsvorschriften festgelegt ist, sind dem Diplomniveau der Richtlinie 2005/36/EG zuzuordnen (gemäß
Artikel 13 Absatz 2 Unterabsatz 3 und Anhang III). Das Zeugnis stellt somit ein Diplom im Sinne des
Artikels 11 Buchstabe c) der Richtlinie 2005/36/EG dar.
Wie die Richtlinie ausdrücklich klarstellt, eröffnet dieser Ausbildungsabschluss den Zugang zu einem
reglementierten Beruf in einem anderen EU-Mitgliedstaat, der für den Berufszugang den erforderlichen
Abschluss einer Hochschul- oder Universitätsausbildung von (bis zu) vier Jahren verlangt. Die Richtlinie
eröffnet somit den Berufszugang, regelt aber keine Gleichhaltung von akademischen Graden.
Der erfolgreiche Abschluss eines Kollegs stellt ein Diplom im Sinne des Artikels 11 Buchstabe c) Ziffer i
der Richtlinie dar und entspricht gemäß Artikel 13 Absatz 3 der Richtlinie einem Ausbildungsnachweis, der eine
Hochschul- oder Universitätsausbildung von (bis zu) vier Jahren abschließt, unabhängig davon, ob die im
Aufnahmestaat geforderte Ausbildung
Artikel 11 Buchstabe d) oder Artikel 11 Buchstabe e) der Richtlinie zuzuordnen ist.
Z.B. gilt der erfolgreiche Abschluss der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik sowie der
Bildungsanstalt für Sozialpädagogik als Absolvierung eines besonders strukturierten Ausbildungsgangs gemäß
Artikel 11 Buchstabe c) Ziffer ii und Anhang II der Richtlinie.
Ein weiteres wesentliches Unterschiedsmerkmal zwischen der Bw. und den von ihr genannten
Vergleichsinstituten ist, dass das Ausbildungsziel ein anderes ist. Als ausgebildeter Montessori-Pädagoge/In ist
es nicht möglich, an jeder öffentlichen Schule als Lehrer zu unterrichten. Die Montessori-Ausbildung ist daher
nach Ansicht des UFS wie bereits des Finanzamtes dahingegen im Bereich des öffentlichen Schulwesens eine
anerkannte Zusatzausbildung. Dies reicht jedoch nicht aus, um die Voraussetzungen für die Umsatzsteuerfreiheit
iSd o.a. § 6 leg. cit. zu erfüllen, zumal daraus eindeutig ersichtlich ist, dass das Lehrziel zwischen der Bw. und
den gegenständlichen Vergleichsinstitutionen unterschiedlich ist. Die Absolventen der öffentlichen
Vergleichsinstitute werden zu selbständigen 'klassenführenden' Pädagogen in öffentlichen Bildungseinrichtungen
ausgebildet und erhalten auch eine diesbezügliche Berufsberechtigung im gesamten EU-Raum, währenddessen
die Bw. die Absolventen als selbständige Montessori-Pädagogen grundsätzlich für Montessori-Einrichtungen
ausbildet, und die, wie die Bw. ausführt, weltweit in etwa 200 Montessori-Institutionen arbeiten können. Als
wesentliches Unterscheidungskriterium ist anzuführen, dass die bei der Bw. ausgebildeten 'MontessoriPädagogen' keine EU-weite Berufsberechtigung für öffentliche Bildungseinrichtungen haben.
Als wesentlicher Unterschiedspunkt ist also, wie der Finanzamtsvertreter bereits in der mündlichen
Verhandlung betonte, anzuführen, dass das Diplom von der BAKIP (von der Bw. als Vergleichsinstitut genannt)
von der EU völlig anerkannt ist, hingegen ist die Ausbildung der Bw. innerhalb der EU nicht völlig anerkannt.
Wie bereits das Finanzamt ausführte, sind gem. § 6 Abs 1 Z. 11 lit a UStG die Umsätze von privaten
Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit es sich um die Vermittlung
von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausbildung dienende Fertigkeiten
handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt
wird, von der Umsatzsteuer befreit. Wesentliche Voraussetzung ist u.a., dass eine den öffentlichen Schulen
vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird. Vergleichbarkeit bedeutet wesentliche Übereinstimmung in Bezug auf
Lehrstoff nach Umfang und Lehrziel, wobei bezüglich der Vergleichbarkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist.
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Verwaltungsgerichtshof
16.09.2015
Da die Lehrziele in der Bw. und in öffentlichen Vergleichsinstitutionen (beispielsweise der BAKIP) nicht
wesentlich übereinstimmen, zumal die öffentlichen Schulen im berufungsrelevanten Vergleichsbereich
Pädagogen und Pädagoginnen bzw. Lehrer und Lehrerinnen für Unterrichtstätigkeit bzw. Erziehungstätigkeit in
öffentlichen Schulen bzw. in öffentlichen Einrichtungen wie Kindergärten ausbilde(n), wobei die Schüler der
diesbezüglichen öffentlichen Schulen bzw. Einrichtungen die dementsprechenden umfangreichen EU-weiten
Berufsberechtigungen erhalten, bildet die Bw. dahingegen eben ihre Schüler für Schulen bzw. Einrichtungen, die
im Sinne der Montessori-Pädagogik geführt werden, aus. Das heißt, die 'Lehrer' bzw. 'Pädagogen', die an
öffentlichen Schulen für öffentliche Schultätigkeit ausgebildet werden, dürfen nicht in 'MontessoriEinrichtungen' bzw. '(bestimmte(n)) Alternativschulen' selbständig als 'klassenführende' Pädagogen bzw. Lehrer
arbeiten. Gleichermaßen dürfen auch Lehrer bzw. Pädagogen, die von der Bw. für Montessori-Schulen bzw.
Montessori-Einrichtungen (z.B. Montessori-Kindergärten) ausgebildet wurden, nicht selbständig als
'klassenführende' Lehrer bzw. Pädagogen an öffentlichen Vergleichs-Schulen bzw. öffentlichen VergleichsEinrichtungen wie öffentlichen Kindergärten arbeiten. Wiewohl die Montessori-Pädagogen als Montessori(Lehr)Kräfte möglicherweise in öffentlichen Schulen ihr Wissen zur Verfügung stellen könnten, gilt die
Montessori-Pädagogik in öffentlichen Schulen nur als Zusatzqualifikation und ist nicht ausreichend für die
selbständige 'klassenführende' Lehrer- bzw. Pädagogentätigkeit an öffentlichen Schulen. Umgekehrt ist es
durchaus vorstellbar, dass (an öffentlichen Vergleichsinstitutionen) für den Unterricht an öffentlichen
Einrichtungen ausgebildete Pädagogen auch ihr Wissen als Zusatzwissen in Montessori-Schulen bzw.
Montessori-Kindergärten einbringen könnten, allerdings dann dort auch nicht selbständig klassenführend als
'Montessori-Pädagogen' bzw. 'Montessori-Lehrer', sondern 'nur' zum Anbieten ihrer Qualifikation eben als
Zusatzwissen in 'Begleitung' zum Montessori-Lehrer bzw. Montessori-Pädagogen, der eben wiederum für die
Montessori-Einrichtungen aufgrund seiner Ausbildung bei der Bw. seine Berufsberechtigung für die MontessoriSchulen bzw. Montessori-Kindergärten bzw. Montessori-Einrichtungen hat. Wie die Bw. in der mündlichen
Berufungsverhandlung ausführte, haben eben die an den öffentlichen Vergleichsinstituten ausgebildeten Lehrer
umgekehrt auch nicht die nötige Qualifikation bzw. Berufsberechtigung, um als Montessori-Lehrer bzw.
Montessori-Pädagoge selbständig 'klassenführend' in Montessori-Einrichtungen bzw. Montessori-Schulen oder
auch Montessori-Kindergärten tätig sein zu können.
Wenn nun die Bw. ausführt, dass umgekehrt auch das staatliche Diplom nicht ausreicht, um in einer
Montessori-Einrichtung zu unterrichten, so bestätigt dies weiters die Ansicht des UFS, dass die Voraussetzungen
für die Steuerfreiheit iSd § 6 Abs. 1 Z. 11 lit a UStG 1994 nicht vorliegen, zumal nicht nachgewiesen werden
konnte, dass eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird, zumal eben keine
vergleichbare Tätigkeit durch die Bw. im Vergleich mit den öffentlichen Schulen ausgeübt wird, da eben, wie
die Bw. selbst bestätigt, auch das staatliche Diplom im Gegenzug (dazu) nicht ausreicht, um in einer MontessoriEinrichtung selbständig 'klassenführend' zu unterrichten. Als ausgebildeter Montessori-Pädagoge ist es eben
auch nicht möglich, an jeder öffentlichen Schule selbständig 'klassenführend' zu unterrichten. Wenn es sich auch
bei der Montessori-Ausbildung nach Ansicht des UFS - wie bereits das Finanzamt ausgeführt hat - zweifellos um
eine anerkannte Zusatzausbildung für die Arbeit an öffentlichen Schulen handelt, so konnte dennoch aus den
angeführten Gründen nicht nachgewiesen werden, dass von der Bw. eine den öffentlichen Schulen vergleichbare
Tätigkeit ausgeübt wird. Dies ist jedoch unabdingbare Voraussetzung für das Lukrieren der Steuerfreiheit iSd § 6
Abs. 1 Z 11 lit a leg. cit. Angeführt wird, dass jedenfalls ein Teil der Tätigkeit bzw. des Umsatzes der Bw.
(sicherlich unstrittigerweise) von vorneherein nicht unter die 'Vergleichbarkeitsbeurteilung' mit der Tätigkeit von
öffentlichen Schulen fällt bzw. fallen würde, weshalb eine allfällige Gewährung der Umsatzsteuerfreiheit (was
jedoch gegenständlich nach Ansicht des UFS nicht vorliegt) lediglich nur einen Teilbereich der Gesamtumsätze
der Bw. betreffen würde, weshalb es dann bezüglich Umsatzsteuer zu einer Aufteilung in steuerfreie und
steuerpflichtige Umsätze kommen müsste (was jedoch berufungsgegenständlich ohnehin nicht vorliegt, da die
Umsatzsteuerfreiheit nach Ansicht de(s) UFS insgesamt für den kompletten Umsatz der Bw. nicht anzuerkennen
ist).
Lt. MA 10 (für Personalangelegenheiten) dürfen Absolventen der Bw. ausschließlich in Montessori-Schulen
bzw. in Montessori-Kindergärten bzw. in 'Alternativschulen' selbständig klassenführend unterrichten. Das
Gleiche gilt umgekehrt auch für Lehrer an öffentlichen Schulen, wonach laut Auskunft des Stadtschulrates für
Wien die unabdingbare Voraussetzung für eine Beschäftigung als Lehrer in einer Schule der Stadt Wien die
Lehramtsprüfung (abgelegt an einer 'Vergleichsinstitution' bzw. 'Vergleichseinrichtung') ist.
Da eine Vergleichbarkeit der Tätigkeit der Bw. mit der Tätigkeit an öffentlichen Schulen bzw.
Vergleichsinstitutionen somit nicht vorliegt, ist die Steuerbefreiung gem § 6 Abs 1 Z 11 lit a UStG 1994 nicht
anwendbar. Insgesamt konnte von der Bw. nicht nachgewiesen werden, dass sie eine den öffentlichen Schulen
bzw. öffentlichen Einrichtungen vergleichbare Tätigkeit ausübt.
Dieser Berufungspunkt ist daher abzuweisen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Vorlage der Akten und
Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen,
die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
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Von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 fallenden Umsätzen sind nach § 6 Abs. 1 Z 11 lit. a UStG 1994
die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen
steuerfrei, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder
der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, dass eine den öffentlichen
Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird.
Unionsrechtlich findet diese Befreiungsbestimmung ihre Grundlage im Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i
der - im Beschwerdefall noch anzuwendenden - 6. EG-RL, 77/388/EWG. Diese Bestimmung umfasst "die
Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung
oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von
Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere
Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung".
Die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2013, 2011/15/0109, behandelten
Fragen der mit 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1777/2005 des Rates vom
17. Oktober 2005 und ihrer Nachfolgeverordnung stellen sich im vorliegenden, das Jahr 2002 betreffenden Fall
noch nicht. Einer den Zweck dieser Befreiungsbestimmung nicht beachtenden engen Auslegung des § 6 Abs. 1
Z 11 lit. a UStG 1994 ist der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das Erfordernis einer
richtlinienkonformen Interpretation aber schon im Erkenntnis vom 29. Februar 2012, 2009/13/0016, das
ebenfalls einen Streitzeitraum vor dem Inkrafttreten der erwähnten Verordnung betraf, entgegengetreten. Dass
Vergleichbarkeit nicht Identität bedeute, wurde schon in dem Erkenntnis vom 2. Dezember 1987, 87/13/0015,
ÖStZB 1988, 349, hervorgehoben.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde auf die ihr - anders als das Erkenntnis vom
29. Februar 2012 - schon vorliegende Judikatur nicht Bezug genommen und nicht versucht, den Fall in
Auseinandersetzung mit den bisher - meist noch ohne europarechtlichen Hintergrund - entschiedenen Fällen
richtig zuzuordnen (vgl. zuletzt die Übersicht bei Rattinger in Melhardt/Tumpel, UStG2, § 6 Rz 417 f). Im
angefochtenen Bescheid werden in vielfacher Wiederholung im Wesentlichen drei Unterschiede zwischen der
strittigen Ausbildung und der zum Vergleich herangezogenen dargestellt (Zulassungsverfahren nicht in
Prüfungsform, kein Diplom im Sinne einer später erlassenen Richtlinie, keine Vermittlung der Befugnis, als
"klassenführender Pädagoge" an einer öffentlichen Schule zu unterrichten). Auf diese Unterschiede stützt die
belangte Behörde ohne Abwägung mit den - etwa beim Lehrstoff - auch gegebenen Gemeinsamkeiten die
"Ansicht", dass die Tätigkeiten nicht "vergleichbar" seien, wozu sie ohne Judikaturnachweis oder sonstige
Begründung dargelegt, bei der Prüfung der Vergleichbarkeit sei "ein strenger Maßstab anzulegen".
Letzteres entspricht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch im vorliegenden Zusammenhang wie schon im Fall des Erkenntnisses vom 29. Februar 2012, 2009/13/0016, auf das gemäß § 43 Abs. 2
zweiter Satz VwGG verwiesen wird - nicht dem Erfordernis einer richtlinienkonformen Interpretation, weshalb
der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben
war.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der
VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 16. September 2015
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GZ. RV/5101273/2009
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Thomas Krumenacker in der
Beschwerdesache BF, gegen die Bescheide des FA Linz vom 16.09.2009 betreffend
Umsatzsteuer für die Jahre 2007 und 2008 sowie vom 15.06.2012 betreffend
Umsatzsteuer für die Jahre 2009 und 2010 zu Recht erkannt:
Die Bescheide werden abgeändert.
Umsatzsteuer 2007:
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Leistungen: 46.772,37 €
Dieser ist mit 10% zu versteuern. Die Umsatzsteuer beträgt daher 4.677,24 €
Gesamtbetrag der Vorsteuern: -841,90 €
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit 3.835,33 €
Umsatzsteuer 2008:
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Leistungen: 45.959,31 €
Dieser ist mit 10% zu versteuern. Die Umsatzsteuer beträgt daher 4.595,93 €
Gesamtbetrag der Vorsteuern: -827,27 €
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit 3.768,66 €
Umsatzsteuer 2009:
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Leistungen: 50.621,96 €
Dieser ist mit 10% zu versteuern. Die Umsatzsteuer beträgt daher 5.062,20 €
Gesamtbetrag der Vorsteuern: -911,20 €
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit 4.151,00 €
Umsatzsteuer 2010:
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Leistungen: 38.473,96 €
Dieser ist mit 10% zu versteuern. Die Umsatzsteuer beträgt daher 3.847,40 €
Gesamtbetrag der Vorsteuern: -692,53 €
Die Umsatzsteuer wird daher festgesetzt mit 3.154,87 €
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer hat das Studium der Sozialarbeit absolviert. Er war im gesamten
Beschwerdezeitraum als Sozialpädagoge im Rahmen eines freien Dienstvertrages
für den Verein XY tätig und übernahm dabei die stundenweise Einzelbetreuung von
Jugendlichen (Personen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben). Nach außen
hin (gegenüber Behörden, insbesondere den Jugendwohlfahrtsbehörden) ist nur der
Verein XY aufgetreten.
Nach den Beschwerdeausführungen hat der Verein XY folgende Leistungen angeboten:
Einzelbetreuung als „Betreutes Wohnen“, quasi als letzte Stufe vor der Selbständigkeit der
stationär betreuten Jugendlichen
Einzelbetreuung für sonstige förderungsbedürftige Minderjährige in eigenen Wohnungen,
in der Ursprungsfamilie oder als Sondermaßnahme in stationären Einrichtungen
Sozialpädagogische Familienhilfe
Die sozialpädagogische Einzelbetreuung ist eine stundenweise Betreuungsform
für Kinder und Jugendliche, die in ihrer Ursprungsfamilie leben, oder bereits in einer
eigenen Wohnung. Das Ausmaß der Betreuung wird mit der zuständigen Behörde je nach
Notwendigkeit geregelt, sollte aber 10 Stunden / Woche nicht unterschreiten.
Die sozialpädagogische Einzelbetreuung ist auf das individuelle Verhaltensbild des
Jugendlichen abgestimmt. Wenn der/die Betreuer/in, das Team und die einweisende
Behörde zu dem Schluss kommen, dass ein Kind/Jugendlicher gewisse Lernziele erreicht
hat, so wird die Gesamtstruktur der neuen Situation entsprechend umgestaltet (mehr oder
weniger Betreuungszeit, Wohnortwechsel, Arbeitsplatz, Umfeld, …).
Um eine den Problemen und Verhaltensweisen eines Jugendlichen entsprechende,
zusätzliche Förderung zu ermöglichen, können Ressourcen wie Erlebnispädagogik,
Psychotherapie, Soziotherapie, Sensibilisierungs- und Wahrnehmungsübungen, Übungen
zur Körpererfahrung, Trauer und Ablösearbeit, usw. nach Absprache mit dem zuständigen
Jugendhilfeträger in Form eines begleitenden Angebotes hinzugefügt werden.
Die Sozialpädagogische Familienhilfe ist in zwei Produktgruppen unterteilt.
Erstens....
....als begleitende Unterstützung für Familien, deren Kinder sich in stationärer Betreuung
befinden:
Zur Mitarbeit bereite Eltern werden nach Möglichkeit in den pädagogischen Prozess
einbezogen und von unseren Betreuern unterstützt. Probleme im Familiensystem werden
nach Wunsch in systemischen Familienberatungen aufgearbeitet um eine Rückführung
des Jugendlichen in die Ursprungsfamilie möglich zu machen.
Familienarbeit als Zugang zum Ursprungssystem
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Die Familienarbeit dient auch dazu, das Kind/den Jugendlichen in seinem
Ursprungsumfeld kennen zu lernen, um Verhaltensweisen besser verstehen und gezielt
an bestehenden “Believes“ und eingefleischten Regelsystemen arbeiten zu können.
Zu diesem Zweck werden im Zuge der Wochenendprogramme Besuchsfahrten zu den
einzelnen Familien unternommen.
Familienarbeit zur Verankerung von Veränderungen
Die Familienarbeit gewinnt immer mehr an Wichtigkeit, da es eine Sache ist, mit dem
Kind bzw. Jugendlichen ein neues Verhaltensbild zu erarbeiten, und eine völlig andere,
allerdings essentiell wichtige, die Anerkennung der durch die Veränderung entstehenden
neuen Rolle.
Um diesen Prozess zu ermöglichen wird durch gezielte Kontakte die neue Rolle des
Jugendlichen im Ursprungssystem verankert.
Zweitens....
Familienarbeit und -beratung für überforderte Familiensysteme
Familien, die auf Grund diverser Umstände in der Erziehung der Kinder überfordert sind
bzw. sich in problematische Situationen gebracht haben wird entsprechende präventive
Hilfe gewährt, um eventuelle weiter reichende Hilfen nicht nötig machen. Die beratende
Arbeit mit dem gesamten Familiensystem kann auch noch durch eine Einzelbetreuung
für gefährdete Kinder und Jugendliche ergänzt werden. Dabei arbeiten ein Einzelbetreuer
und ein Familienbetreuer eng zusammen, aber mit klar unterschiedlich definierten
Aufgabenstellungen und Zuständigkeiten.
Der Beschwerdeführer betreute die Jugendlichen „vor Ort“, also in ihrer Ursprungsfamilie,
im Heim, im Gefängnis oä.. Gegenstand der Einzelbetreuung ist daher die individuelle
Lebensbegleitung für verhaltensauffällige Jugendliche vor Ort. Unter anderem wird auch
mit dem Jugendlichen das Kino besucht, es wird auswärts gegessen usw.
Infolge der „Vor-Ort-Betreuung“ der Jugendlichen unterhielt der Beschwerdeführer keine
entsprechende Infrastruktur wie in Jugendheimen üblich (Schlafräume, Speisesäle, Spiel-,
Lern- oder Erholungsräume, Spiel- und Sportplätze). Der Beschwerdeführer stellt auch
keine sonstige Infrastruktur für die Betreuung der Jugendlichen, wie Spielsachen, Spieloder Sportgeräte zur Verfügung.
Der Beschwerdeführer erklärte seine diesbezüglichen Umsätze als mit dem ermäßigten
Steuersatz zu versteuern. Das Finanzamt versteuerte diese Umsätze jedoch (für das Jahr
2007 nach einer Wiederaufnahme) mit dem Normalsteuersatz.
In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass nach § 10 Abs. 2 Z 14 UStG 1994 Leistungen
der Jugend-, Erziehungs-, Ausbildungs-, Fortbildungs- und Erholungsheime an Personen,
die das 27. Lebensjahr nicht vollendet haben, soweit diese Leistungen in deren Betreuung,
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Beherbergung, Verköstigung und den hiebei üblichen Nebenleistungen bestehen, dem
ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Auf die Bezeichnung komme es nicht an. Auch Kinderheime, Kindergärten, Kinderhorte,
Schülerheime, Jugendherbergen und Studentenheime fallen unter die Ermäßigung. Dies
treffe daher auch für Einrichtungen zu, in denen die Kinder bzw. die Jugendlichen nur über
Tag betreut werden, zB Kindergärten, Tagesheime Halbinternate usw. (Scheiner/Kolacny/
Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 10 Abs. 2 Z 14, Tz 6 und 7).
Nicht erforderlich sei daher, dass sämtliche begünstigte Leistungen erbracht werden.
Der Begriff "Betreuung" gehe sehr weit und umfasse daher jede Förderung des geistigen
und körperlichen Wohlbefindens des Menschen.
Nach dem Urteil des EuGH vom 07.09.1999, C-216/97, Gregg, können auch natürliche
Personen Einrichtungen sein.
Das Finanzamt führte dazu aus, dass unstrittig sei, dass der Beschwerdeführer
sozialpädagogische Betreuungsleistungen in Form von stundenweiser Einzelbetreuung
Jugendlicher erbringt.
.......(Die Ausführungen des Finanzamtes zur Steuerbefreiung werden nicht
wiedergegeben, weil es nicht um die Steuerbefreiung geht.)
Fraglich sei jedoch, ob der Beschwerdeführer ein „Jugend-, Erziehungs-, Ausbildungs-,
Fortbildungs- oder Erholungsheim“ im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 14 UStG 1994 ist.
Untergliedert man den Gesetzestext näher, so müssen folgende Umstände kumulativ
vorliegen:
Es muss ein Jugendheim vorliegen,
welches Leistungen an Personen erbringt, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben, soweit
diese Leistungen in der Betreuung, Beherbergung, Verköstigung und den hierbei üblichen
Nebenleistungen bestehen.
Der Begriff „Jugendheim“ sei im österreichischen UStG nicht legaldefiniert. Nach dem
herrschenden Sprachgebrauch definiert man Jugendheim als Einrichtung bzw. Heim, das
der Erziehung, Freizeitgestaltung und Erholung Jugendlicher dient (Duden). Nach Ruppe/
4
Achatz , § 6 Tz. 424 sei unter Heim nach der Verkehrsauffassung eine Einrichtung zu
verstehen, zu deren wesentlichen Leistungen die nicht nur vorübergehende Betreuung
und wohl auch die Beherbergung zählt. Schon die frühere Verwaltungspraxis bezog
jedoch auch Einrichtungen ein, die nur der Betreuung über Tage dienen bzw. bei
denen ein dauernder Wechsel stattfindet und erstreckte damit die Begünstigung auch
auf Kindergärten, Kinderhorte und Jugendherbergen. Auf die Bezeichnung des Heimes
kommt es ebenfalls nicht an. Auch Kinderheime, Kindergärten, Kinderhorte, Schülerheime,
Jugendherbergen und Studentenheime fallen darunter. Es sind auch Einrichtungen
erfasst, in denen die Kinder bzw. Jugendlichen nur über Tag betreut werden, wie zB
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Kindergarten, Tagesheim, Halbinternat, usw (vgl. Kommentar zur Mehrwertsteuer/UStG
1994 von Scheiner/Kolacny/Caganek, § 10 Abs. 2 Z 14, Tz. 7)....
Der Beschwerdeführer hat aber keine feste Einrichtung bzw. ein Gebäude oder auch
nur einzelne Räumlichkeiten, wo sich die Jugendlichen zur Betreuung aufhalten. Der
Beschwerdeführer ist ausschließlich als Subunternehmer für den Verein XY tätig.
Es findet ausschließlich eine „Vor-Ort-Betreuung“ in der Familie, im Heim (wo der
Jugendliche bereits untergebracht ist) oder im Gefängnis statt. Daneben findet noch
eine gewisse Freizeitgestaltung mit dem Jugendlichen (Kino, Essen gehen) statt.
Neben der sozialpädagogischen Einzelbetreuung durch den Beschwerdeführer wird
keine weitere Leistung angeboten wie in Heimen üblich (Beherbergung, Verköstigung
sowie übliche Nebenleistungen wie das Zurverfügungstellung von Spielplätzen,
Sportplätzen oder Spielzeug). Üblicherweise wird in jedem Heim – selbst wenn dieses
nur der Tagesbetreuung dient (wie Kindergarten oder Tagesinternat) – ein gewisses
Leistungsbündel (wie Betreuung und Verköstigung und Nebenleistungen wie Nutzung
von Spielplätzen) angeboten. Der Beschwerdeführer bietet jedoch lediglich die
stundenweise sozialpädagogische Betreuung vor Ort ohne weitere Leistungen wie in
Jugendheimen üblich.
Die strittigen Leistungen unterliegen daher nicht dem ermäßigten Steuersatz.
.......(Die Ausführungen des Finanzamtes zur Judikatur des EuGH betreffend
Steuerbefreiung werden nicht wiedergegeben, weil es nicht um die Steuerbefreiung geht.)
Seitens des Finanzamtes werde auch nicht bestritten, dass eine Einrichtung mit
sozialem Charakter auch eine natürliche Person umfassen könne (wie auch richtig in
der Beschwerde zur Rs Gregg formuliert). Die Entscheidung Gregg hebe hervor, dass
der Gerichtshof in Randnummer 18 des Urteils Gregg davon ausgegangen ist, dass der
Begriff der Einrichtung eine abgegrenzte Einheit bezeichnet, die eine bestimmte Funktion
erfüllt. Dabei handle es sich um ein Merkmal, das ebenso gut auf juristische Personen wie
auch auf eine oder mehrere natürliche Personen zutreffen könne, die ein Unternehmen
betreiben. Allerdings lag der Rs. Gregg unstrittig ein anderer Sachverhalt zugrunde,
nämlich der, wonach die beiden Personen Gregg selbst ein Heim betrieben haben und
nicht bloß als Subunternehmer tätig wurden.
Die Sichtweise, dass ein bloßer Subunternehmer keine Einrichtung mit sozialem Charakter
ist, wurde im Übrigen auch durch das deutsche BFG in seiner richtungsweisenden
Entscheidung BFH, Urteil v. 08.11.2007, Az. V R 2/06 geteilt.
Auch in der neueren deutschen Rechtsprechung des FG Köln am 22.10.2014 zu 4 K
2056/11 hat das Gericht entschieden, es reiche für die Anerkennung eines Unternehmers
als eine Einrichtung mit sozialem Charakter nicht aus, dass der Unternehmer lediglich
als Subunternehmer für eine vom Mitgliedstaat ausdrücklich oder zumindest aufgrund
unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zu dem örtlichen Träger der Sozialversicherung
anerkannte Einrichtung tätig wird.
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Über die Beschwerden wurde erwogen:
Nach § 10 Abs. 2 Z 14 UStG 1994 unterliegen Leistungen der Jugend-, Erziehungs-,
Ausbildungs-, Fortbildungs- und Erholungsheime an Personen, die das 27. Lebensjahr
nicht vollendet haben, soweit diese Leistungen in deren Betreuung, Beherbergung,
Verköstigung und den hiebei üblichen Nebenleistungen bestehen, dem ermäßigten
Steuersatz.
Nach Art. 98 Abs. 1 und 2 RL 2006/112/EG dürfen die Mitgliedstaaten einen oder zwei
ermäßigte Steuersätze anwenden, jedoch nur auf die Lieferung von Gegenständen und
Dienstleistungen der im Anhang III genannten Kategorien.
Nach Z 15. des Anhanges sind dies die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung
von Dienstleistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige
Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit, soweit sie
nicht gemäß den Artikeln 132, 135 und 136 von der Steuer befreit sind.
Wenn diese Ziffer so auszulegen wäre, dass nur Leistungen von gemeinnützigen
Einrichtungen steuersatzermäßigt werden dürfen, soweit diese wohltätigen Zwecken
dienen oder (wohl nicht "und") soweit diese im Bereich der sozialen Sicherheit liegen,
hätte Österreich den Ermäßigungstatbestand zu weit gefasst. Der innerstaatliche
Tatbestand darf aber deswegen nicht enger, also zulasten des Steuerpflichtigen, ausgelegt
werden.
Wenn besagte Ziffer hingegen so auszulegen wäre, dass die Erbringung von Leistungen
von gemeinnützigen Einrichtungen, die wohltätigen Zwecken dienen, die erste Alternative
und die Erbringung von Leistungen, die im Bereich der sozialen Sicherheit liegen,
zweite Alternative darstellt, fielen die strittigen Leistungen möglicherweise darunter.
Weil aber die Normierung von Steuersatzermäßigung nur auf einer Ermächtigung an die
Mitgliedstaaten beruht, könnte sich der Steuerpflichtige nicht mit Erfolg auf die für ihn
günstigere Richtlinienbestimmung berufen.
Maßgeblich ist daher ausschließlich das innerstaatliche Recht, das allerdings
unionsrechtskonform auszulegen ist.
Unstrittig erbringt der Beschwerdeführer Betreuungsleistungen und müssen die im
§ 10 Abs. 2 Z 14 UStG 1994 genannten Leistungen nicht kumulativ vorliegen. Das
Finanzamt meint aber, weil der Beschwerdeführer nur einen (kleinen) Teil der von Heimen
üblicherweise erbrachten Leistungen erbringt, sei seine Tätigkeit nicht mit der eines
Heimes vergleichbar und falle daher nicht unter die Steuersatzermäßigung.
Im Urteil vom 07.09.1999, C-216/97, Gregg, hat der EuGH betreffend die Steuerbefreiung
ausgeführt, dass der Begriff der Einrichtung zwar die Existenz einer abgrenzbaren
Einheit, die eine bestimmte Funktion erfülle, nahelege. Dieses Merkmal treffe aber nicht
nur auf juristische Personen zu, sondern auch auf eine oder mehrere Personen, die
ein Unternehmen betreiben. Diese Auslegung, nach der der Begriff der "Einrichtung"
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nicht nur juristische Personen bezeichne, stehe insbesondere im Einklang mit dem dem
gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegenden Grundsatz der steuerlichen
Neutralität. Besagter Grundsatz verbiete es nämlich, dass Wirtschaftsteilnehmer, die die
gleichen Umsätze bewirken, bei deren Besteuerung unterschiedlich behandelt werden.
Dass das Ehepaar Gregg selbst ein Heim betrieb (und keine steuerbefreite Einrichtung
sein wollte), also nicht bloß als Subunternehmer tätig wurde, ändert an obiger generellen
Aussage des EuGH nichts.
Da der Grundsatz der steuerlichen Neutralität generell gilt, ist dieser auch auf
Steuersatzermäßigungen anzuwenden. Dies hat auch der VwGH im Erkenntnis vom
27.11.2014, 2011/15/0079 bestätigt. Er hat darin ua. ausgeführt, dass im Bereich der
Umsatzsteuer im Grundsatz der steuerlichen Neutralität das Gebot der Gleichbehandlung
konkurrierender Unternehmer zum Ausdruck kommt, welches es verbietet, vergleichbare
Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln.
Wie bereits ausgeführt müssen nicht alle der im § 10 Abs. 2 Z 14 UStG 1994 genannten
Leistungen kumulativ vorliegen. Auch isoliert betrachtet ist die Betreuung daher
steuersatzermäßigt. Erbringt ein Heim gegenüber einem bestimmten Jugendlichen nur
eine "Vor-Ort-Betreuung", unterliegt diese Leistung (sofern sie nicht steuerbefreit ist)
dem ermäßigten Steuersatz. Dies auch dann, wenn im jeweiligen Fall nicht alle sonst
üblichen Nebenleistungen erbracht werden. Genau dieser Fall liegt aber vor, weil ja
letztlich der Verein (das Heim) die "Vor-Ort-Betreuung" unter Verwendung der an ihn vom
Beschwerdeführer erbrachten Leistung erbringt.
Die vom Finanzamt ins Treffen geführten Urteile des BFG und des FG Köln sind nicht
einschlägig, weil es darin um die Frage der Steuerbefreiung ging.
Die strittigen Leistungen sind daher neutralitätskonform unter § 10 Abs. 2 Z 14 UStG 1994
zu subsumieren.
Linz, am 30. Dezember 2015
Seite 7 von 7
30.09.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
30.09.2015
Geschäftszahl
2012/15/0129
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin
Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der
Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Beschwerde des Dr. G H in N, vertreten durch die
Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, gegen den Bescheid des
unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 15. Mai 2012, Zl. RV/0679-S/10, miterledigt RV/0680S/10, RV/0359-S/11, betreffend
u. a. Umsatzsteuer 2006, 2007 und 2009, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Umsatzsteuer 2006, 2007 und 2009 betrifft, wegen
Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen
bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Arzt mit der Befugnis zum Betrieb einer ärztlichen Hausapotheke, errichtete in
den Jahren 2006 und 2007 zwei miteinander verbundene Gebäude. In den Gebäuden befinden sich die
Privatwohnung des Beschwerdeführers, dessen Arztpraxis und die Hausapotheke. Unstrittig ist, dass die
Gebäude zu 60,58 % privat und zu 39,42 % betrieblich verwendet werden.
In den Steuererklärungen 2006 und 2007 teilte der Beschwerdeführer die auf die betrieblich verwendeten
Gebäudeteile entfallende Vorsteuer im Verhältnis der steuerpflichtigen Umsätze aus der Hausapotheke (etwa
67 %) zu den unecht befreiten Umsätzen als Arzt auf. Die Veranlagung zur Umsatz- und Einkommensteuer
erfolgte zunächst erklärungsgemäß.
Anlässlich einer die Jahre 2006 bis 2008 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung hielt der Prüfer dem
Beschwerdeführer - unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2010,
2007/15/0289 - vor, dass der Umsatzschlüssel keinen sachgerechten Aufteilungsmaßstab darstelle und die
Vorsteuer nach dem Flächenschlüssel aufzuteilen sei. In weiterer Folge brachte der Beschwerdeführer vor, dass
die betrieblich verwendeten Gebäudeteile zu 32,55 % ausschließlich für die ärztliche Tätigkeit, zu 8,07 %
ausschließlich für den Betrieb der Hausapotheke und zu 59,38 % gemischt genutzt würden. Er legte dar, dass
sowohl die Patienten als auch die Kunden der Hausapotheke im Warteraum Platz nehmen und sich anschließend
entweder zu einer Untersuchung durch den Arzt oder für die apothekenrechtliche Information und Beratung
sowie die Abgabe der Medikamente in eines der beiden Sprechzimmer begeben würden. Für die solcherart
gemischt genutzten Flächen stelle der Umsatzschlüssel den sachgerechten Aufteilungsmaßstab dar. Abweichend
dazu stellte der Prüfer fest, dass die Sprechzimmer nur für die unecht steuerbefreite ärztliche Tätigkeit genutzt
würden.
Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ - nach Wiederaufnahme der Verfahren - u.a. der angeführten
Feststellung entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2007.
In der Umsatzsteuererklärung für 2009 teilte der Beschwerdeführer die Vorsteuer wiederum im Verhältnis
der steuerpflichtigen Umsätze aus der Hausapotheke (etwa 71,65 %) zu den unecht befreiten Umsätzen als Arzt
auf. Abweichend dazu wurden vom Finanzamt Vorsteuern im Ausmaß von 9,12 % als auf den Betrieb der
Hausapotheke entfallend anerkannt.
www.ris.bka.gv.at
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Verwaltungsgerichtshof
30.09.2015
Der Beschwerdeführer berief u.a. gegen die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2006, 2007 und 2009 und
brachte vor, der Prüfer habe nur den Lagerraum unter den Begriff "ärztliche Hausapotheke" subsumiert.
Tatsächlich sei damit der gesamte Betrieb mit all seinen Räumen gemeint. Der Lagerraum einer Hausapotheke
bestehe nur aus Regalen auf engstem Raum mit den einsortierten Arzneimitteln und dürfe - so wie in
öffentlichen Apotheken - von Betriebsfremden nicht betreten werden. Was in der öffentlichen Apotheke die
Offizin sei, sei bei der Hausapotheke das Sprechzimmer. Hier finde die Beratung und Information der Kunden
sowie die Abgabe der Arzneimittel statt. Einer ärztlichen Hausapotheke seien räumlich jene Bereiche
zuzuordnen, die für den Betrieb funktional erforderlich seien und auch tatsächlich dafür verwendet würden. Es
sei daher nicht richtig, dass die ärztlichen Sprechzimmer ausschließlich für ärztliche Leistungen genutzt würden.
Tatsache sei vielmehr, dass die Sprechzimmer für ärztliche Leistungen und für die umsatzsteuerpflichtige
Abgabe von Medikamenten genutzt würden, weil nur der Arzt selbst die Abgabe von Arzneimitteln durchführen
dürfe.
Das Finanzamt legte
Berufungsvorentscheidung vor.
die
Berufungen
der
belangten
Behörde
ohne
Erlassung
einer
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer schriftlich vor, dass die ärztliche Hausapotheke nach der
Apothekenbetriebsordnung der Versorgung jener Patienten diene, die vom niedergelassenen Arzt behandelt
würden. Die Abgabe von Arzneimitteln an Nicht-Patienten sei nur in besonderen Fällen zulässig. Schon daraus
erhelle, dass die Abgabe von Arzneimitteln an Nichtpatienten nur in Ausnahmefällen vorkomme. Auch
widerspreche es der Lebenserfahrung, dass Patienten, die nur Leistungen der Hausapotheke in Anspruch
nähmen, weil sie mit dem Rezept eines anderen Arztes kämen oder ein nicht rezeptpflichtiges Arzneimittel
kaufen wollten, im Wartezimmer Platz nehmen müssten und dann ins Sprechzimmer des Arztes gerufen würden.
Viel wahrscheinlicher erscheine es, dass diese Kunden ihre Medikamente im Empfangsbereich erhielten und
bezahlten. Da ein Arzt im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit zur Beratung und Information über die von ihm
verordneten Medikamente verpflichtet sei, verbleibe für eine zusätzliche Beratung durch den Arzt "quasi als
Apotheker" kein Raum. Daraus ergebe sich wiederum, dass den Medikamentenumsätzen nur noch die Abgabe
der Heilmittel und deren Bezahlung zugeordnet werden könne. In der Praxis sei es wohl so, dass Patienten mit
dem Rezept zum Empfangsbereich gingen, wo ihnen die Medikamente ausgehändigt würden und die
Verrechnung stattfinde. Selbst wenn die Abgabe der Heilmittel durch den Arzt im Sprechzimmer erfolgen sollte,
sei die reine Medikamentenabgabe gegenüber der ärztlichen Tätigkeit zeitlich derart untergeordnet, dass sie zu
vernachlässigen sei. Bei der Verwendung der Räumlichkeiten sei aber auch die zeitliche Komponente der
Tätigkeiten mit einzubeziehen. Es sei offensichtlich, dass ein Allgemeinmediziner den weitaus größten Teil der
Zeit für die ärztliche Tätigkeit aufbringe. Auch das Wartezimmer diene in erster Linie den Patienten, die den
Arzt wegen seiner ärztlichen Leistung aufsuchten und müsse daher der unecht befreiten Tätigkeit zugeordnet
werden.
Der Beschwerdeführer nahm zum Vorhalt dahingehend Stellung, dass die Ausführungen zum Wartezimmer
nicht der Praxis entsprächen. Es wäre - von Ausnahmen abgesehen - nur schwer begründbar, warum
"Fremdpatienten" den eigenen Patienten vorgezogen werden sollten. Sollte die Beratung über Medikamente zur
ärztlichen Tätigkeit gehören und für eine zusätzliche Beratung durch den Arzt "quasi als Apotheker" kein Raum
verbleiben, bliebe auch für öffentliche Apotheker kein Raum für eine zusätzliche Beratung. Dies stimme aber
weder mit der Lebenserfahrung noch mit der Apothekenbetriebsordnung überein, die als ein wesentliches
Element der "apothekerlichen Berufsausübung" die Information und Beratung fordere. Das müsse sinngemäß
auch für die Hausapotheken gelten. Die Apothekenbetriebsordnung bestimme, dass Medikamente nur durch den
Arzt (und nicht durch das Personal) abgegeben werden dürften. Sollten die Medikamente tatsächlich im
Empfangsbereich abgegeben werden, würde dies bedeuten, dass sich der Arzt im Wesentlichen dort aufhalten
müsste, was in der Praxis ebenfalls nicht feststellbar sei. Wenn z.B. Dauermedikamente gleichbleibender Art nach Konsultierung des Arztes - in Sonderfällen im Empfangsbereich abgegeben würden, könne davon nicht auf
den Normalfall der Medikamentenabgabe geschlossen werden. Richtig sei, dass der überwiegende zeitliche
Anteil für die ärztliche Tätigkeit aufgewendet werde, allerdings werde die Tatsache nicht gewürdigt, dass die
Ordinationszeiten von Allgemeinmedizinern mit Hausapotheke weit über jenen von Allgemeinmedizinern ohne
Hausapotheke lägen, woraus hervorginge, dass dies dem Zeitaufwand für die Medikamentenabgabe zuzurechnen
sei.
Das Finanzamt führte in einer Replik auf die Stellungnahme aus, dass dem Arzt mit Hausapotheke die
Abgabe von apotheken-, aber nicht rezeptpflichtigen Arzneimitteln nicht gestattet sei. Hinsichtlich der ärztlichen
Sprechzimmer und des Warteraumes schließe sich das Finanzamt der Rechtsauffassung der belangten Behörde
an. Soweit der Beschwerdeführer die Auffassung vertrete, dass die Geschäftstätigkeit einer Hausapotheke
steuerlich nicht anders als die einer öffentlichen Apotheke zu behandeln sei, lasse er außer Acht, dass er auch im
Rahmen der Hausapotheke als Arzt und nicht als Apotheker tätig werde. Nur die gesetzlich zulässige Lieferung
von Medikamenten aus der Hausapotheke stelle keinen Umsatz aus der ärztlichen Tätigkeit dar.
Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde die Bescheide betreffend
Umsatzsteuer 2006 und 2007 zu Lasten und den Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2009 zu Gunsten des
Beschwerdeführers ab.
www.ris.bka.gv.at
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Verwaltungsgerichtshof
30.09.2015
Zwischen Beschwerdeführer und Finanzamt herrsche Einigkeit darüber, dass die Aufteilung der Vorsteuern
nach einem Flächenschlüssel zu erfolgen habe. Streit bestehe darüber, welche Räumlichkeiten in die Berechnung
des Flächenschlüssels als gemischt genutzte Räume einzubeziehen seien, konkret, ob die beiden Sprechzimmer
des Beschwerdeführers dem Betrieb der Hausapotheke dienten. Im Verfahren vor der belangten Behörde seien
zudem Zweifel darüber aufgetaucht, ob die vom Finanzamt vorgenommene Zuordnung des Wartezimmers zu
den gemischt genutzten Räumen zu einem sachgerechten Ergebnis führe.
Die Argumentation des Beschwerdeführers gehe im Wesentlichen in die Richtung, dass in den
Sprechzimmern Medikamentenumsätze getätigt würden, weil er dort die Medikamentenabgabe und die Beratung
über die verschriebenen Medikamente vornehme. Im Wartezimmer nähmen auch "Fremdpatienten" als Kunden
der Hausapotheke Platz. Dieses Vorbringen überzeuge nicht, weil es sich bei den Medikamentenumsätzen eines
hausapothekenführenden
Arztes
- nach
der
Konzeption
des
Apothekengesetzes
und
der
Apothekenbetriebsordnung - "zum weitaus überwiegenden Teil (eventuell sogar nahezu ausschließlich)" um
Medikamente handle, die der Arzt selbst zuvor verschrieben habe. Zur Beratung und Information über die von
ihm verordneten Heilmittel sei der Arzt aber im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit verpflichtet (§ 2
iVm § 51 Ärztegesetz 1998). Daher seien "die Information über verordnete Medikamente sowie das Stellen und
Beantworten von Fragen zur ärztlichen Leistung" zu zählen. Zu den Medikamentenumsätzen könne also nur die
Abgabe (körperliche Übergabe) der Medikamente zu rechnen sein, die - wenn sie wirklich, wie vom
Beschwerdeführer behauptet, "im Normalfall" im Sprechzimmer erfolgen sollte - von zeitlich absolut
untergeordneter Bedeutung sei. In der Literatur werde zur Aufteilung von Vorsteuern die Auffassung vertreten,
dass dem Gesetzesauftrag, den Vorsteuerabzug insoweit zu gewähren, als der Gegenstand bzw. die bezogene
Leistung für besteuerte Umsätze verwendet werde, im Wege einer sachgerechten Schätzung nachzukommen sei.
Eine solche werde sich "bei räumlicher Mischnutzung an den räumlichen und bei zeitlicher Mischnutzung an den
zeitlichen Nutzungsverhältnissen" orientieren. Die körperliche Übergabe der Medikamente sei aber gemessen an
der ärztlichen Leistung von vernachlässigbarer zeitlicher Bedeutung. Der Beschwerdeführer führe aus, dass der
überwiegende zeitliche Anteil zwar für die ärztliche Tätigkeit aufgewendet werde, dass aber die tatsächlichen
Ordinationszeiten von Allgemeinmedizinern mit Hausapotheke weit über jenen von Allgemeinmedizinern ohne
Hausapotheke lägen, woraus hervorgehe, dass dies dem Zeitaufwand für die Hausapotheke zuzurechnen sei.
Einen Nachweis dafür bleibe er aber schuldig. Tatsächliche Ordinationszeiten seien für die Abgabenbehörde
auch nicht "recherchierbar", weil sie nicht mit den Ordinationszeiten übereinstimmten, die ein Arzt auf seinem
Ordinationsschild anführe. Zur Abgabe der Medikamente gestehe der Beschwerdeführer selbst zu, dass
Dauermedikamente gleichbleibender Art im Empfangsbereich abgegeben würden. Daraus werde aber auch klar,
dass das Wartezimmer und die Sprechzimmer ausschließlich von Personen benützt würden, die, sollten sie
anschließend Medikamente erwerben, zuvor als Patienten mit einer ärztlichen Leistung samt Verordnung eines
Heilmittels und Ausstellen eines Rezeptes versorgt worden seien. Personen, die im Wartezimmer Platz nähmen,
warteten als Patienten und nicht unmittelbar als Apothekenkunden. Die Nutzung des Wartezimmers unterscheide
sich damit in nichts von der Nutzung des Wartezimmers eines Arztes ohne Hausapotheke. Laut Rechtsprechung
komme es nur auf Flächen an, die unmittelbar dem Bewirken von Medikamentenumsätzen dienten (Hinweis auf
das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2010, 2007/15/0289). Diese Voraussetzung treffe
auf das Wartezimmer nicht zu.
Die Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007 seien daher dahingehend abzuändern, dass auch die Fläche des
Wartezimmers nicht zu den gemischt genutzten Räumen zähle und ein Vorsteuerabzug hinsichtlich dieser Fläche
zur Gänze zu versagen sei. Der Umsatzsteuerbescheid 2009 sei ebenfalls zu ändern, allerdings zu Gunsten des
Beschwerdeführers. Das Finanzamt habe nur hinsichtlich der Fläche des Apothekenlagers einen Vorsteuerabzug
gewährt und die gemischt genutzten Flächen zur Gänze außer Betracht gelassen. Da der Vorsteuerabzug
hinsichtlich der laufenden Kosten im gleichen Ausmaß gewährt werden könne wie hinsichtlich der
Errichtungskosten, sei die auf die gemischt genutzten Flächen entfallende Vorsteuer anteilig abziehbar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem einfachgesetzlich
gewährleisteten subjektiven Recht auf Vorsteuerabzug verletzt und führt in den Beschwerdegründen aus, dass
die Umsatzsteuerbescheide 2006, 2007 und 2009 an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von
Verfahrensvorschriften bzw. an inhaltlicher Rechtswidrigkeit leiden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 12 UStG 1994 in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung lautet auszugsweise:
"§ 12 (1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1.
Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung
(§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein
Unternehmen ausgeführt worden sind. ...
...
(3) Vom Vorsteuerabzug sind ausgeschlossen:
www.ris.bka.gv.at
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Verwaltungsgerichtshof
30.09.2015
1.
Die Steuer für die Lieferungen und die Einfuhr von
Gegenständen, soweit der Unternehmer diese Gegenstände zur
Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet;
2.
die Steuer für sonstige Leistungen, soweit der
Unternehmer diese sonstigen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze in Anspruch nimmt;
...
(4) Bewirkt der Unternehmer neben Umsätzen, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen, auch
Umsätze, bei denen ein solcher Ausschluss nicht eintritt, so hat der Unternehmer die Vorsteuerbeträge nach
Maßgabe der Abs. 1 und 3 in abziehbare und nicht abziehbare Vorsteuerbeträge aufzuteilen.
(5) An Stelle einer Aufteilung nach Abs. 4 kann der Unternehmer
1.
die Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der zum
Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätze zu den übrigen
Umsätzen in nicht abziehbare und abziehbare Vorsteuerbeträge
aufteilen, oder
2.
nur jene Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der
Umsätze aufteilen, die den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Abs. 3 führenden Umsätzen und den
übrigen Umsätzen nicht ausschließlich zuzurechnen sind.
...
(6) Die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach Abs. 5 ist ausgeschlossen, wenn in einem
Veranlagungszeitraum die auf Grund der Aufteilung der Vorsteuern nach Umsätzen sich ergebende abziehbare
Vorsteuer um mehr als 5 %, mindestens aber um 75 Euro, oder um mehr als 750 Euro höher ist als die Vorsteuer,
welche sich auf Grund der Aufteilung nach Abs. 4 ergibt.
..."
Aus den angeführten Bestimmungen ergibt sich, dass hinsichtlich der "Zurechenbarkeit" der Vorsteuer
darauf abzustellen ist, ob und inwieweit der Unternehmer, dem eine Lieferung oder eine sonstige Leistung mit
Umsatzsteuerausweis in Rechnung gestellt wird, diese Lieferung oder sonstige Leistung zur Ausführung
steuerpflichtiger oder unecht steuerbefreiter Umsätze in Anspruch nimmt. Grundsätzlich verlangt das Gesetz
eine Zuordnung nach Maßgabe des Zusammenhanges der Vorsteuern mit den Ausgangsumsätzen. Entscheidend
ist der objektive wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den für das Unternehmen erworbenen Gegenständen
bzw. sonstigen Leistungen und den eigenen unternehmerischen Leistungen (Ruppe/Achatz, UStG4, § 12 Tz 265
mit Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung). Bei Vorsteuerbeträgen, die sowohl mit unecht steuerfreien als auch
mit anderen Umsätzen im Zusammenhang stehen, muss ein Aufteilungsmaßstab gewählt werden, der im
Einzelfall zu einem möglichst sachgerechten Ergebnis führt. Eine bestimmte Vorgangsweise schreibt das Gesetz
hierfür nicht vor. Zulässig ist jede Methode, die eine wirtschaftlich zutreffende Zuordnung der Vorsteuerbeträge
gewährleistet (Ruppe/Achatz, aaO, § 12 Tz 267, mit weiteren Nachweisen). Fehlen die Grundlagen für eine
sachgerechte exakte Zuordnung dieser gemischten Vorsteuerbeträge nach § 12 Abs. 4 UStG 1994, so ist zu
schätzen.
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die Aufteilung der Vorsteuern im
Zusammenhang mit der Errichtung und dem laufenden Betrieb eines Ordinationsgebäudes samt Hausapotheke
durch einen Arzt nach dem Flächenschlüssel zu erfolgen habe. Unter Bezugnahme auf das Erkenntnis vom
23. Februar 2010, 2007/15/0289, VwSlg 8518/F, vertrat sie weiters die Auffassung, dass es dabei nur auf jene
Flächen ankäme, die unmittelbar dem Bewirken von Medikamentenumsätzen dienten. Da
hausapothekenführende Ärzte "zum weitaus überwiegenden Teil (eventuell sogar nahezu ausschließlich)"
Medikamente abgeben würden, die sie zuvor selbst verschrieben hätten, zähle "die Information über verordnete
Medikamente sowie das Stellen und Beantworten von Fragen zur ärztlichen Leistung". Zu den
Medikamentenumsätzen könne also nur die Abgabe (körperliche Übergabe) der Medikamente zu rechnen sein,
die - wenn sie wirklich, wie vom Beschwerdeführer behauptet, "im Normalfall" im Sprechzimmer erfolgen
sollte - von zeitlich absolut untergeordneter Bedeutung sei. Da dem Gesetzesauftrag, den Vorsteuerabzug
insoweit zu gewähren, als der Gegenstand bzw. die bezogene Leistung für besteuerte Umsätze verwendet werde,
im Wege einer sachgerechten Schätzung nachzukommen sei, habe sich die Schätzung "bei räumlicher
Mischnutzung an den räumlichen und bei zeitlicher Mischnutzung an den zeitlichen Nutzungsverhältnissen" zu
orientieren. Wegen der zeitlich absolut untergeordneten Nutzung stehe dem Beschwerdeführer hinsichtlich der
Sprechzimmer daher keine Vorsteuer zu.
Mit diesen Ausführungen hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. Februar 2010, 2007/15/0289, VwSlg 8518/F, den
Flächenschlüssel als sachgerechten Maßstab für die Aufteilung der Vorsteuern aus der Errichtung eines
Ordinationsgebäudes samt Räumlichkeiten für die Hausapotheke angesehen. Hierbei kommt es - wie im
angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt wird - nur auf die Flächen an, die unmittelbar dem Bewirken der
Umsätze der Hausapotheke oder der Tätigkeit als praktischer Arzt dienen. Dass für Flächen, auf denen
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Verwaltungsgerichtshof
30.09.2015
Medikamentenumsätze in einem zeitlich nur absolut untergeordneten Ausmaß unmittelbar bewirkt werden, kein
Vorsteuerabzug zu gewähren ist, ist aus dem angeführten Erkenntnis nicht ableitbar.
Flächen, die unmittelbar dem Bewirken der Umsätze der Hausapotheke dienen, stellen in jedem Fall
gemischt genutzte Flächen dar. Schließt man daher - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht aus, dass die körperliche Übergabe der Medikamente in den Sprechzimmern erfolgte, ist dem Umstand der
zeitlich untergeordneten Nutzung der Sprechzimmer bei der Aufteilung der auf die Sprechzimmer entfallenden
Vorsteuern Rechnung zu tragen. Diese Aufteilung muss - entgegen der vom Beschwerdeführer im
Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung - gemäß § 12 Abs. 5 und 6 UStG 1994 nicht nach dem
Umsatzschlüssel erfolgen, wenn dieser zu keinem möglichst sachgerechten Ergebnis führt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er
gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79
Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am 30. September 2015
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22.10.2015
Gericht
Verwaltungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
22.10.2015
Geschäftszahl
Ro 2015/16/0029
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte
Dr. Mairinger und Dr. Thoma, Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie Hofrat Mag. Straßegger als Richter im Beisein
des Schriftführers Mag. Klammer über die Revision des G T in W, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg,
Steuerberater in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 5/DG, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom
14. April 2015, Zl. RV/7300084/2014, betreffend Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG, zu Recht
erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Unbestritten ist, dass der Revisionswerber in Wien das Unternehmen eines Massagesalons und EscortService betrieb. Für die Monate Jänner bis August 2005 erstattete er Umsatzsteuervoranmeldungen in der Höhe
von insgesamt EUR 2.852,14. Im November 2006 fand im Unternehmen eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für
den Zeitraum Jänner bis August 2005 statt. Mit "Verständigung gem. § 82 (1) iVm § 14 (3) FinStrG" vom
16. Oktober 2007 setzte das Finanzamt 4/5/10 als Finanzstrafbehörde erster Instanz den Revisionswerber davon
in Kenntnis, dass gegen ihn in Ansehung der Feststellungen der abgabenbehördlichen UmsatzsteuerSonderprüfung vom 20. November 2006 finanzstrafrechtliche Vorerhebungen geführt würden. Er werde zu
gegebener Zeit Gelegenheit zur Rechtfertigung erhalten.
Mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 4. Februar 2013 bestätigte der unabhängige
Finanzsenat u.a. die Festsetzung von Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 2005, ausgehend von Umsätzen zu 20%
von EUR 419.789,59, mit EUR 73.161,14. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde lehnte der
Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 18. September 2013, 2013/13/0034, gemäß § 33a VwGG ab.
Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 2014 sprach der Spruchsenat beim Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg
als Organ dieses Finanzamtes als Finanzstrafbehörde den Revisionswerber schuldig, im Bereich des
Finanzamtes Wien 8/16/17 vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG
entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Jänner
bis August 2005 in der Höhe von EUR 44.800,-- bewirkt zu haben, wobei er den Eintritt der Verkürzungen nicht
nur für möglich, sondern auch für gewiss gehalten habe, wodurch er das Finanzvergehen der
Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG begangen habe. Er wurde hiefür nach § 33 Abs. 5 FinStrG
unter Bedachtnahme auf § 23 Abs. 3 leg. cit. mit einer Geldstrafe von EUR 18.000,-- bestraft; für den Fall der
Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wurde gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von
45 Tagen festgesetzt. Gemäß § 185 FinStrG wurde der Revisionswerber zum Ersatz der Kosten des
Strafverfahrens in der Höhe von EUR 500,-- verpflichtet.
Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. April 2015 änderte das Bundesfinanzgericht mit
dem angefochtenen Erkenntnis den Spruch des Erkenntnisses erster Instanz gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG
dahingehend ab, dass der Revisionswerber schuldig erkannt werde, vorsätzlich unter Verletzung der
Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen Verkürzungen von
Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis August 2005 jeweils in der Höhe von EUR 5.600,-pro Monat (zusammen EUR 44.800,--) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und
damit acht Abgabenverkürzungen nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG bewirkt zu haben. Gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG
wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 16.000,-- verhängt und gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG für den Fall
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ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 40 Tagen festgesetzt. Im Übrigen wurde die
Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wurden die Kosten des verwaltungsbehördlichen und des
verwaltungsgerichtlichen Strafverfahrens gemäß § 185 Abs. 1 lit a FinStrG mit EUR 500,-- bestimmt. Weiters
sprach das Gericht aus, dass eine Revision hinsichtlich der Rechtsfrage, ob die Unterlassung der Erlassung eines
Einleitungsbescheides verfahrensgegenständlich einen wesentlichen Verfahrensfehler darstelle oder nicht,
zulässig sei.
Begründend erwog das Gericht nach Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere der mündlichen
Verhandlung vom 14. April 2015, soweit für das Revisionsverfahren von Belang:
"Überlegungen des BFG zum Verfahrensrecht und der Prüfung der Verjährungsfrage:
...
Die Verständigung gemäß § 82 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 3 FinStrG vom 16. Oktober 2007 stellt eine
Verfolgungshandlung gegen den Bf. (gegen eine bestimmte Person als den eines Finanzvergehens Verdächtigen)
dar. Aus der Anführung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 20. November 2006 ergibt sich der zeitliche
Rahmen 1-8/2005 und der Tatverdacht hinsichtlich von Vergehen in Voranmeldungszeiträumen. Damit ist
hinsichtlich der Finanzvergehen nach§ 33 Abs. 2 lit. a FinStrG für die Zeiträume 1-8/2005 ein
Finanzstrafverfahren gegen den Bf. innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des§ 31 Abs. 2 FinStrG anhängig
geworden.
Nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2. BAO i. V. § 31 Abs. 1 letzter Satz FinStrG ist festzustellen, dass die
Verjährungsfrist für die Festsetzung der Umsatzsteuer 2005 mit Ablauf des Jahres 2005 begonnen hat. Demnach
tritt die absolute Verjährung (§ 31 Abs. 5 FinStrG) hinsichtlich von Vergehen zu Umsatzsteuervorauszahlungen
für die Monate 1-8/2005 erst mit Ablauf des Jahres 2015 ein.
Das Verfahren nach§ 33 Abs. 1 lit. a i.V.m. 13 FinStrG wurde mit der Einvernahme des Beschuldigten nach
den Bestimmungen der StPO am 19. November 2013 anhängig.
Diese Einvernahme lag jedoch außerhalb der fünfjährigen Verfolgungsverjährungsfrist, daher ist
hinsichtlich des Vergehens der versuchten Verkürzung der Jahresumsatzsteuer 2005 keine Strafbarkeit mehr
gegeben (Strafaufhebungsgrund der Verfolgungsverjährung).
In seinem Urteil eines verstärkten Senates vom 21.11.1991 (14 Os 127/90) ging der OGH von seiner
bisherigen Rechtsansicht einer echten Realkonkurrenz zwischen § 33 Abs. 2 lit. a und § 33 Abs. 1 FinStrG ab
und begründete dies damit, dass die Hinterziehung der Umsatzsteuer im Voranmeldungsstadium eine
(mitbestrafte) Vortat darstelle, die die Hinterziehung der veranlagten Jahresumsatzsteuer als Haupttat erst
ermöglicht oder erleichtert.
Dieser Rechtsansicht schloss sich auch der VwGH in seinem Erkenntnis vom 11.11.1992, 92/13/0179 an.
Im Erkenntnis des VwGH vom 21.9.2009, 2009/16/0083, wird zu dieser Rechtsfrage genauer ausgeführt:
'Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Strafbarkeit einer
Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG dann ausgeschlossen, wenn eine Strafbarkeit
infolge der nachfolgenden Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 leg. cit. wegen des gleichen
Umsatzsteuerbetrages für denselben Zeitraum kein Hindernis entgegensteht, weil in einem solchen Fall die
Tathandlung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG als eine - durch die Abgabenhinterziehung nach § 33
Abs. 1 nachbestrafte - Vortat zu betrachten ist (...).
Unbeschadet des Umstandes, dass es sich bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG
hinsichtlich der Umsatzsteuer bestimmter Voranmeldungszeiträume um eine mit der Abgabenhinterziehung nach
§ 33 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer eines diese Voranmeldungszeiträume (mit)umfassenden
Veranlagungszeitraumes nachbestrafte Vortat handelt, werden die beiden Taten durch zu unterschiedlichen
Zeitpunkten verwirklichte unterschiedliche Sachverhalte begangen, wodurch die in § 33 Abs. 1 und Abs. 2
lit. a FinStrG umschriebenen Tatbestände erfüllt werden. Dabei entsprechen nicht nur zu verschiedenen
Zeitpunkten verwirklichte Sachverhalte den verschiedenen Tatbildern, sondern auch in der Qualifikation
unterschiedlichen subjektiven Tatbeständen, weil für die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG
der qualifizierte Vorsatz der Wissentlichkeit (dolus principalis) erforderlich ist, während zur
Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) ausreicht.'
Einer Strafbarkeit wegen des Versuches der Verkürzung der Jahresumsatzsteuer 2005 steht das Hindernis
der Verfolgungsverjährung entgegen, daher ist die Verkürzung im Voranmeldungsstadium nicht als konsumierte
Vortat zu sehen.
Zudem war der gegenständliche Verkürzungsbetrag laut Umsatzsteuersonderprüfung, da die
Umsatzsteuernachschau bereits vor Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2005
abgeschlossen war, der Abgabenbehörde vor einer Durchführung einer Jahresveranlagung bekannt und war
zudem die Abgabennachforderung mit Rechtsmittel angefochten worden, demnach konnte es der Bf. - wie der
UFS und das BFG mehrmals in gleichgelagerten Fällen judiziert haben - auch nicht mehr ernstlich für möglich
halten, dass (außerhalb einer Rechtsmittelentscheidung) eine Abgabenfestsetzung unterhalb der Abgabenhöhe
der Umsatzsteuernachschau bewirkt werden könnte. Die subjektive Tatseite für einen Versuch der Verkürzung
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22.10.2015
der Jahresumsatzsteuer ist im Umfang der bereits entdeckten Verkürzungen nicht mehr möglich, der Bf. konnte
es nur noch hinsichtlich übersteigender Beträge ernstlich für möglich halten, eine Abgabenverkürzung bewirken
zu können.
Die Finanzstrafbehörde war somit berechtigt, das mit Verfolgungshandlung vom 16. Oktober 2007
anhängig gemachte Verfahren nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG für die Zeiträume 1- 8/2005 weiterzuführen.
...
Eine wissentliche Verkürzung einer Umsatzsteuervorauszahlung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG stellt ein
vorsätzliches Finanzvergehen dar, demnach hätte nach § 83 Abs. 2 FinStrG unverzüglich nach dem Beschluss
nach § 202 Abs. 1 FinStrG der Staatsanwaltschaft Wien vom 28. März 2014 ein Einleitungsbescheid ergehen
müssen, was jedoch unterblieben ist.
Erst mit FinStrG-Novelle 2007, BGBl I 2007/44 gültig ab 1.1.2008 kam die Passage: 'Die Verständigung
bedarf eines Bescheides, wenn das Strafverfahren wegen Verdachts eines vorsätzlichen Finanzvergehens,
ausgenommen einer Finanzordnungswidrigkeit, eingeleitet wird.' in das Finanzstrafgesetz und mit FinStrGNov 2010, BGBl I 2010/104 gültig ab 1.1.2011 verlor dieser Bescheid eine Überprüfungsmöglichkeit im
Beschwerdeverfahren.
Welche Beschuldigtenrechte soll ein nicht rechtsmittelfähiger Bescheid einräumen? Dazu ein Auszug aus
den historischen Standardbegründungen in Beschwerdeverfahren gegen Einleitungsbescheide:
...
Diese Vorgaben für einen Einleitungsbescheid erfüllt die Stellungnahme der Amtsbeauftragten vom
22. April 2014 in materieller Sicht. Dem Beschuldigten wurde mit diesem Schreiben mitgeteilt, dass die
Finanzstrafbehörde ihn beschuldige als Einzelunternehmer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur
Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen für den Zeitraum 1-8/2005
eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Höhe von EUR 44.800,00 bewirkt und dies nicht
nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und damit ein Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33
Abs. 2 lit. a FinStrG begangen zu haben. Diese Anschuldigung wird auf Seite 2 bis 4 der Stellungnahme mit
Ausführungen zur Umsatzsteuernachschau und dem bisherigen Geschehen im Finanzstrafverfahren begründet.
Der Bf. wurde in der Folge zwei Mal vor dem Spruchsenat als Beschuldigter gehört und sein Verteidiger
hat eine schriftliche Stellungnahme zum Tatvorwurf nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG an den Spruchsenat
eingebracht.
Zwischen der Stellungnahme der Amtsbeauftragten und der Erkenntniserlassung durch den Spruchsenat lag
letztlich ein Zeitraum von fast 6 Monaten, somit ist dem Bf. auch ausreichend Zeit und Gelegenheit zur
Verfügung gestanden, seine Verteidigungsrechte nach der konkretisierten Anschuldigung zu Vergehen nach § 33
Abs. 2 lit. a FinStrG entsprechend wahrnehmen zu können.
Eine Beeinträchtigung berechtigter Parteieninteressen kann damit in der Unterlassung der Befolgung der
Verfahrensvorschrift der Erlassung eines Einleitungsbescheides nicht gesehen werden. Diese Unterlassung stellt
demnach nach Ansicht des BFG einen unwesentlichen Verfahrensfehler dar.
Zur Prüfung des Schuldspruches durch den Spruchsenat ist zunächst dem Vorbringen in der Beschwerde
beizupflichten, dass nicht ein Vergehen, sondern acht Vergehen zu prüfen sind, da sich eine Tat nach § 33 Abs. 2
lit. a FinStrG auf die wissentliche Verkürzung einer Umsatzsteuervorauszahlung eines Tatzeitraumes, in diesem
Fall bei monatlicher Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen, eines Monats bezieht.
Zum objektiven Tatbestand:
Den durch den Bf. mittels Voranmeldungen einbekannten Zahllasten hinsichtlich des von ihm betriebenen
Begleitservice und Massagestudio stehen die Ergebnisse einer Umsatzsteuersonderprüfung gegenüber.
Auszug aus der Berufungsentscheidung zu RV/3326-W/08:
'Das geprüfte Unternehmen war im überprüften Zeitraum nach eigenen Angaben und nach den Feststellungen
des Finanzamtes zumindest mit 'Begleitungen' (Escortservice) und 'Massagen' beschäftigt.
Im Zuge der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurden durch das geprüfte Unternehmen trotz
mehrmaliger Aufforderung Unterlagen, die ursprünglich vorhanden waren, oder zur Ermöglichung des
Geschäftsbetriebes vorhanden gewesen sein müssen, nicht vorgelegt.
...
Entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung, Zuschätzung von EUR 200.000,00 für Begleitungen
und EUR 24.000,00 für Massagen wurde am 20.11.2006 ein Festsetzungsbescheid betreffend Umsatzsteuer 18/2005 erlassen, was eine Nachforderung von EUR 44.800,00 nach sich zog.'
...
Es ist nunmehr zu prüfen, ob diese abgabenbehördliche Schätzung als qualifizierte Vorprüfung auch für
Zwecke des Finanzstrafverfahrens übernommen werden kann:
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22.10.2015
Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen wird zunächst auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs
verwiesen:
Die Schätzung der Abgabenbemessungsgrundlagen hindert zwar grundsätzlich die Annahme einer
Abgabenhinterziehung nicht, jedoch trägt die Finanzstrafbehörde die Beweislast für die Richtigkeit der
Schätzung. Eine Abgabenhinterziehung kann nur dann angenommen werden, wenn sich nach entsprechender
Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschuldigten sagen lässt, dass seine Verantwortung nach
menschlichem Ermessen nicht richtig sein kann. Dabei reicht die Tatsache, dass Geschäftsvorgänge nicht in die
Buchhaltung aufgenommen wurden und Mängel der Aufzeichnungen festzustellen waren, für sich alleine nicht,
Verkürzungsvorsatz anzunehmen, weil es vielmehr der Feststellung bedarf, welche finanzstrafrechtlich zu
verantwortenden Vorgänge zu den festgestellten Abgabenverkürzungen geführt haben (...).
Die Schätzung der beeinträchtigten Abgaben kann eine durchaus tragfähige Grundlage für die Entscheidung
in Finanzstrafsachen bilden. Die Finanzstrafbehörde trägt jedoch - anders als im Abgabenverfahren - die
Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung (...).
Feststeht, dass der Bf. seit dem Jahr 2000 die Vermittlung von selbständigen Begleitpersonen und
Massagetätigkeit als Einzelunternehmer betrieben hat (Aktenlage und seine Angaben).
Dazu erliegen im Arbeitsbogen Kopien von Einstellungsurkunden der A (siehe S 78, 80, 85, 95, 105, 112,
116, 126, 131, 142 des Arbeitsbogens), wobei in der Folge jedoch festgehalten wird, dass selbständige
Begleitpersonen (Gewerbeschein) beschäftigt werden. Unter Punkt 8 wird festgehalten, dass es der Agentur
obliegt, welche Personen vermittelt werden und ausschließlich mit einem Mitarbeiter der Agentur verrechnet
wird und weitere Kundenkontakte nur über die Agentur abgewickelt werden.
Der Bf. hat dazu erklärt, dass er ein Muster dieser Verträge durch seine Tätigkeit im Hotel von einem Gast
erhalten hat.
Das Unternehmen des Bf. erbrachte somit im Tatzeitraum eine Vermittlungsleistung, ihm sind alle für die
Begleitung angefallenen Entgelte als Umsätze zuzurechnen.
...
Der Bf. bewarb die Dienste der Begleitagentur auf den in der abgabenrechtlichen Berufungsentscheidung
bereits genannten domains. Aufgrund des im Einstellungspapier festgestellten Geschäftsablaufes hatte der Kunde
zunächst mit der Begleitagentur in Kontakt zu treten. Eine direkte Kontaktaufnahme des Kunden mit einer
Begleitperson war nicht vorgesehen. Wollte der Kunde eine Leistung des Begleitservice in Anspruch nehmen,
musste er auf jeden Fall mit dem Unternehmen des Bf. Kontakt aufnehmen.
Somit beschränkte sich die Tätigkeit des Bf. nicht auf die bloße Herbeiführung eines zwischen der
Begleitdame und dem Kunden stattfindenden Leistungsaustausches.
Von der Begleitagentur wurde festgelegt, ob das Geschäft zustande kam und welche Begleitperson den
Auftrag übernehmen sollte. Nachdem die Begleitperson durch das Unternehmen des Bf. entsprechend informiert
worden war, erschien sie zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Treffpunkt.
Nach den Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung hat der Bf. somit als Einzelunternehmer die
gegenständlichen Leistungen im eigenen Namen erbracht und sind die Gesamtentgelte der Umsatzsteuer zu
unterziehen.
Zu den vom Unternehmen zur Verfügung gestellten Unterlagen ist festzuhalten, dass im Arbeitsbogen (S 17
bis 40) handschriftliche Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben für alle 8 Prüfungsmonate erliegen.
Des Weiteren erliegen auf den Seiten 41 bis 44 des Arbeitsbogens Kopien eines Monatskalenders, auf dem
in der entsprechenden Datumsspalte ebenfalls handschriftliche Eintragungen aufscheinen, die nach identer
Handschrift aussehen und die Einnahmen wie in der Einnahmen/Ausgabenrechnung enthalten.
Dazu gibt es im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Einlassungen, durch wen und wann diese
'angeblichen' Grundaufzeichnungen erstellt wurden (siehe Vorhalt in der mündlichen Verhandlung vor dem
BFG). Der letztlich angepassten Angabe des Bf., dass dies die Handschrift seiner Frau sei, wird Glauben
geschenkt. Auffällig ist, dass diese Kopien danach aussehen, als wäre durchgehend ein und dasselbe
Schreibwerkzeug verwendet worden, was für eine Nacherstellung spricht.
In der Folge wird auf die in der Einnahmen/Ausgabenrechnungen enthaltenen Eingänge und Ausgaben des
Unternehmens detailliert eingegangen.
Für Jänner 2005 sind beispielsweise 33 Begleitungen mit unterschiedlichen Einnahmen pro Begleitung im
Rahmen von EUR 117,00 bis EUR 964,07 (mit der Bezeichnung inkl.) und 11 Massagen erfasst, die jeweils mit
EUR 73,00 (mit der Bezeichnung inkl.) eingetragen sind.
Dazu hat der Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem BFG ausgesagt, dass Massageleistungen stets
EUR 73,00 gekostet haben, bei Kreditkartenbezahlungen sich die eingetragenen unrunden Beträge ergeben
haben und bei Barumsätzen nur der Betrag erfasst worden sei, der dem Unternehmen verblieben sei.
Allein diese angebliche Vorgangsweise, dass bei Massageumsätzen und Kreditkartenumsätzen jeweils der
gesamte kassierte Betrag auch in das Rechenwerk des Unternehmens Eingang gefunden haben soll, nicht jedoch
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22.10.2015
bei Bargeschäften im Begleitservice, macht die vorgelegten Erlösaufzeichnungen unglaubhaft. Wer tatsachlich
die Unterschrift auf den Kassaeingangsbelegen (S 47 des Arbeitsbogens) zu Massageumsätzen geleistet hat,
konnte im Verfahren nicht geklärt werden, daraus ergibt sich jedoch, dass jedenfalls eine weitere Person außer
dem Bf. und seiner Frau Inkassos vorgenommen hat.
Das geprüfte Unternehmen hat mittels der 8 Umsatzsteuervoranmeldungen einen Gesamtumsatz von
EUR 47.749,48 erklärt, d.h., dass der durchschnittliche monatliche Umsatz bei ca. EUR 6.000,00 gelegen wäre.
Neben den Telefonkosten für Produkte verschiedener Anbieter weist die Einnahmen/Ausgabenrechnung auch
Kosten für die A. Werbeagentur auf (siehe Blatt 49 bis 52 des Arbeitsbogens), allein im Monat Jänner 2005
waren dies EUR 4.383,21. Dem steht ein erklärter Umsatz für diesen Monat von EUR 6.675,73 gegenüber.
In Summe wurden für die 8 Monate Prüfungszeitraum allein an die A. Werbeagentur EUR 26.886,54 für
Werbung ausgegeben (zur Erinnerung bei einem angeblichen Umsatz von EUR 47.749,48).
Schon die Ausgaben für Werbemaßnahmen und das Betreiben von drei domains zeigen auf, dass die
erklärten Umsätze auch in keiner wirtschaftlich vernünftig zu bezeichnenden Relation dazu stehen. Dass 80 %
der erzielten Umsätze für Werbemaßnahmen aufgegangen sein sollen, wie der Bf. vor dem BFG behauptet hat,
ist - obwohl in dieser Branche unzweifelhaft hohe Werbekosten anfallen nicht glaubhaft.
Zu den im gesamten Zeitraum einheitlichen Preisen für Massagen (nur zwei Mal gibt es Eintragungen mit
einem etwas höheren Preis) ist auf die dem entgegenstehende Angebotspalette auf den Seiten 169-171 zu
verweisen. Demnach konnte man montags bis sonntags zwischen 10 Uhr und 22 Uhr klassische Massage,
IQ Massage, Regeniumcare Massage, Boostermassage, Power-Napping, Tantra-indische Massage und
Thaibodymassage buchen. Und alles kostet immer EUR 73,00?
Der Bf. hat dazu vor dem BFG ausgesagt, dass die Terminvereinbarung auch zu Massagen telefonisch
erfolgt sei, seine Damen jedoch keine entsprechende Ausbildung aufgewiesen hatten und daher die beworbenen
Leistungen nicht in dem angebotenen Spektrum erbracht worden seien.
Die hohen Werbungskosten sind jedoch leichter in Relation zu den 60 Frauennamen zu bringen, die auf der
Rückseite von Seite 6 des Arbeitsbogens notiert wurden und den 21 verschiedenen Bezeichnungen in den
Werbeaufträgen (Seite 49 bis 53 des Arbeitsbogens).
Auch zu den 60 Frauennamen wurden unterschiedliche Bezeichnungen der Damen gewählt: Ladies, Vip,
Platinum und World Models.
Dazu wurde während des gesamten Verfahrens vorgebracht, dass das Unternehmen nicht 60 Personen unter
Vertrag gehabt habe und ein und dieselbe Person mit verschiedenen Bezeichnungen beworben worden sei.
Der Bf. hat lediglich die Beschäftigung von 12 Damen durchschnittlich bejaht. Auf Seite 62 des
Arbeitsbogens sind Namen, Geburtsdaten und Anschriften von 9 Frauen genannt, dazu hat der Bf. zugestanden,
diese Personen dem Betriebsprüfer namhaft gemacht zu haben.
Von Majdanova V. erliegt unter Seite 78 auch ein undatierter Einstellungsvertrag als Begleitdame der A.
Auf Seite 80 befindet sich ein Einstellungsvertrag von Paula M. vom 19.6.2005, auf Seite 85 ein wiederum
undatierter
Einstellungsvertrag von Ildiko T., auf Seite 95 ein undatierter
Einstellungsvertrag von Sabrina H., auf Seite 105 ein Einstellungsvertrag mit Liubov V. vom 20.5.2005, auf
Seite 106 ein
undatierter Einstellungsvertrag mit Romana R., auf S 126 ein
undatierter Einstellungsvertrag mit Mariana B., auf S 131 ein
undatierter Einstellungsvertrag mit Monika B. und auf Seite 142 ein undatierter Einstellungsvertrag mit Carina J.
Monika B. hat am 15. März 2006 vor dem Betriebsprüfer ausgesagt, dass sie im Jahr 2005 Ende Mai
Anfang Juni bei der V E Agentur (Name des Bf.) vorgesprochen und in den nachfolgenden ein bis zwei Wochen
zwei Aufträge erhalten habe.
Bei einem dieser Aufträge habe sie mit einem zweiten Mädchen nach Wiener Neustadt zu einem Kunden
fahren müssen. Dazu sei sie vom Agenturchauffeur (45 jähriger Österreicher) zu Hause abgeholt worden. Sie
habe den Gesamtbetrag von EUR 180,00 kassiert und dem Chauffeur gegeben. Im Auto habe sie davon
EUR 40,00 erhalten. Das zweite Mädchen habe auch EUR 40,00 bekommen.
Beim Auftrag in Wien sei sie von ihrem Lebensgefährten hingebracht worden. In diesem Fall habe sie
EUR 290,00 kassiert. Diesen Betrag habe sie der Chefin gebracht und EUR 110,00 erhalten. Die beiden Aufträge
seien bar kassiert worden.
Bei Mädchen, die der deutschen Sprache nicht mächtig seien, spreche der Chauffeur mit den Kunden und
kassiere das Geld. Mit den Mädchen werde erst später im Auto oder in der Agentur abgerechnet. Sie habe keine
weiteren Aufträge erhalten, da die Chefin den Aufkleber ihrer eigenen neuen Agentur gesehen und sie ordinär
beschimpft habe.
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22.10.2015
Sie könne sich nicht daran erinnern, ob es im Büro der Agentur auf dem Schreibtisch der Chefin eine
Mädchenkartei mit grünen Karteikarten gegeben habe. Nach ihrer Erfahrung könne sie sagen, dass das
Verhältnis zwischen Kreditkarten und Barumsätzen bei 5 zu 95% liege.
In der vorgelegten Einnahmen- Ausgabenrechnung scheinen im angesprochenen Zeitraum weder eine
Eintragung von EUR 180,00 noch eine von EUR 290,00 auf und auch keine korrespondierenden Eintragungen
zu den dem Unternehmen verbliebenen Anteilen. Die Angaben spiegeln auch nicht das vom Bf. behauptete
Verteilungsverhältnis 55% Dame, 45 % Unternehmen wieder, jedoch wird die Kreditkartenquote von dieser
Begleitdame niedriger angegeben als in der Umsatzsteuersonderprüfung angesetzt wurde.
Es wurde in der Niederschrift zwar unrichtig V E genannt, aber die Agentur des Bf. steht richtig auf der
Ladung und sein Name wurde nach der Agenturbezeichnung genannt, zudem hat er dem Prüfer den Namen der
einvernommenen Dame genannt, daher ist glaubhaft, dass sie, wenn auch nur sehr kurzfristig für das
Unternehmen tätig war.
Da sie selbst eine Agentur betrieben hat, ist der Senat davon ausgegangen, dass sie die
Branchengepflogenheiten kannte, daher werden ihre Angaben zum Verhältnis Bargeschäfte und
Kreditkartengeschäfte als zutreffend bewertet.
Carina J. hat ebenfalls vor dem Betriebsprüfer ausgesagt, dass sie ab Juli 2005 bis 2. August 2008
(Anmerkung:
August 2008 kann ebenfalls nicht zutreffen, weil die NS am 10.5.2006 aufgenommen wurde, demnach kann nur
August 2005 gemeint sein.) beim Unternehmen des Bf. sowohl als Masseurin als auch als Begleitdame gearbeitet
habe.
Als Masseurin habe sie zwischen 10 Uhr und 20 Uhr an der Adresse G.-gasse anwesend sein und auf
Kunden warten müssen. Sie sei 4 bis 5 Tage dort gewesen und habe durchschnittlich pro Tag zwei Kunden
gehabt. Es sei so gut wie immer zu sexuellen Handlungen gekommen. Die Tarife seien zu dieser Zeit wie folgt
gewesen: 1 Stunde Massage ohne sexuelle Handlung EUR 90,00, davon seien ihr EUR 50,00 verblieben,
Massage mit Geschlechtsverkehr EUR 145,00, davon seien ihr EUR 90,00 verblieben, Massage mit Französisch
EUR 130,00, wovon ihr EUR 50,00 verblieben seien und Massage mit Handendspannung EUR 109,00, wovon
ihr EUR 70,00 verblieben seien.
Bereits vor der Massage sei mit der entsprechenden Telefonistin abgerechnet worden.
Es habe drei Telefonistinnen und die Chefin gegeben, die abwechselnd an den Telefonen gesessen seien.
Die Arbeitszeiten der Telefonistinnen seien von 6 Uhr bis 20 Uhr bzw. von 20 Uhr bis 6 Uhr gewesen. Die
Telefone seien rund um die Uhr besetzt gewesen. Von allen Massagekunden, die sie gehabt habe, hätten nur 2
bis 3 mit Kreditkarte bezahlt, die anderen in bar.
Bei den Begleitungen sei sie von der Telefonistin angerufen und vom Chauffeur abgeholt worden. Sie habe
das Geld kassiert und mit dem Chauffeur abgerechnet. Durchschnittlich seien ihr EUR 50,00 bis EUR 60,00
verblieben. Unter dem Titel A habe eine Stunde von EUR 150,00 aufwärts gekostet. Es habe auch billigere
Tarife aufgrund von Inseraten in den Tageszeitungen gegeben, die sich auf EUR 90,00 belaufen haben. In allen
Fällen habe eine weitere Stunden EUR 90,00 gekostet. Von den 15 bis 20 Escortkunden habe kein Einziger mit
Kreditkarte bezahlt.
Aus dieser Niederschrift ergibt sich, dass allein 4 Personen Telefondienste geleistet haben und eine weitere
Person Chauffeurdienste. Der Bf. war 2006 32 Jahre und damit im selben Alter wie die Dame, die den Chauffeur
auf 45 Jahre geschätzt hat, demnach war dies eine andere Person, was der Bf. vor dem BFG auch zugestanden
hat.
Beide Damen gaben die Kreditkartenumsätze in einer nahezu geringfügigen Größenordnung an, was dafür
spricht, dass eine Annahme von 10 % Kreditkartenumsätzen als sehr großzügig geschätzt anzusehen ist.
Auch die Angaben von Carina J. sind nicht in eine Relation zu den im Arbeitsbogen erliegenden
handschriftlichen Aufzeichnungen zu angeblichen Einnahmen des Bf. und seinen Angaben zu den
Einheitspreisen für Massageleistungen zu bringen.
Aus ihren Angaben können grob Rückschlüsse auf ihr aus dieser Tätigkeit im Juli 2005 in dem
Unternehmen des Bf. bezogenes Einkommen gezogen werden. Grob geschätzt auf 4 Wochen,
20 Massagen x 50 = 1.000 und 17 Begleitungen x 55 = 935 für Begleitungen, demnach hätte sie knapp unter
2.000 Euro bezogen, was ein Einkommen von fast einem Drittel des für diesen Monat angegebenen Umsatzes
ausgemacht hätte. Bei einem Verteilungsverhältnis von 55% Einnahme der Dame und 45% Einnahme des Bf.
hätte sie demnach schon allein ca. 2/3 des erklärten Umsatzes erwirtschaftet, was somit bildhaft vor Augen führt,
dass die erklärten Umsätze in keiner Relation zum tatsachlichen Geschäftsumfang stehen.
Die beiden einvernommenen Damen wurden durch den Bf. namhaft gemacht, es ist nicht ersichtlich, dass
sie einen Grund gehabt hätten ihn zu belasten. Ihre Angaben sind daher zur Beweiswürdigung hinsichtlich des
tatsachlichen Umfanges des Geschäftsbetriebes des Bf. heranzuziehen.
Überlegungen zur Übernahme der Schätzung der Massageumsätze für Zwecke des Strafverfahrens:
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Die Zeugin spricht von 2 Massagen/Tag, womit ihr eben allein im Juli ca. 1.000 Euro verblieben sein
dürften, dem steht ein erklärter Umsatz des Unternehmens aus diesem Titel von EUR 912,50 entgegen.
Bei Gesamtumsätzen von EUR 5.873,33 in 8 Monaten aus dem Titel Massagen rechnet sich eine
Öffnungszeit von täglich 10 bis 22 Uhr und eine Besetzung mit 4 Telefonistinnen unzweifelhaft nicht.
Dass Kunden von dem großen Angebotsspektrum im Internet angezogen, telefonisch darüber aufgeklärt
werden, dass lediglich Einheitsmassagen um EUR 73,00 erbracht werden können und dennoch dieses
Unternehmen als Leistungserbringer wählen, ist doch nur damit erklärbar, dass andere als die beworbenen
Zusatzleistungen erwartet bzw. wohl auch in Aussicht gestellt wurden. Für den von Carina J. angegebenen
Geschäftsumfang von zwei Kunden/Tag erscheinen auch die beschriebenen Räumlichkeiten des Unternehmens
als ausreichend, wobei mangels valider Aufzeichnungen naturgemäß auch nicht ausgeschlossen werden kann,
dass Massageleistungen nicht auch außerhalb der Unternehmensräumlichkeiten erbracht wurden.
Schon allein eine Kalkulation von 243 Tagen x 146 (2 Massagen zu EUR 73,00 wie vom Bf. als
Einheitspreis behauptet) ergäbe einen Umsatz von EUR 35.478,00, also wesentlich mehr als von der
Betriebsprüfung angesetzt (24.000 + 5.873,33 = EUR 29.873,33), daher kann die abgabenbehördliche Schätzung
auch unter den strengeren Prämissen eines Finanzstrafverfahrens unbedenklich übernommen werden, da diese
Beträge jedenfalls als Untergrenze einer Abgabenverkürzung in diesem Bereich anzusehen sind. Unter
Berücksichtigung der Aussagen der beiden einvernommenen Damen und unter Würdigung der vorliegenden
Unterlagen zu den Unternehmensdaten ist die Zuschätzung bezüglich der Massageumsätze von EUR 24.000,00
auch für Zwecke des Strafverfahrens als objektiver Tatbestand heranzuziehen.
Überlegungen zur Übernahme der Schätzung der Begleitumsatze für Zwecke des Strafverfahrens:
Dass fast 61 % der Begleitungen mit Kreditkarte bezahlt worden sein sollen, steht in einem krassen
Gegensatz zu den Angaben der Begleitdamen und zu den Gepflogenheiten in dieser Branche, die wie auch der
Bf. in seinem Vorbringen im Abgabenfestsetzungsverfahren stets betont hat auf äußerste Diskretion setzt, was
nun mal bei Bargeldzahlungen in einem anderen Ausmaß gegeben ist als bei Zahlungen mit Kreditkarte, wo
Zahlungen durch Ausweis der Zahlungsempfänger überprüfbar sind.
Gänzlich unglaubhaft ist in diesem Zusammenhang die Verfahrenseinlassung des Bf., dass er bei
Kreditkartenbezahlung den Damen ihren Anteil auch erst nach Zahlungseingang bei seinem Unternehmen
ausbezahlt haben will. Bei behaupteten fast 61% Kreditkartenzahlungen hätten demnach die Damen einen
Gutteil ihres Einkommens erst zeitversetzt erhalten, was nicht in Einklang mit der hohen Personalfluktuation in
dieser Branche steht. Niemand, der nur ein paar Wochen oder Monate in einer Agentur beschäftigt ist, wartet
jeweils so lange auf einen so hohen Anteil seines Honorars. Es mag schon zutreffen, dass die Kreditkartenerlöse
mit Stammkunden erzielt wurden, aber ihr Anteil am Gesamterlös des Unternehmens des Bf. kann nicht in der
behaupteten Höhe bestehen.
Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Aufzeichnungen und Angaben des Bf. auch die Erlöse aus dem
Begleitservice betreffend nicht richtig sein können, weswegen die Schätzungsberechtigung gegeben ist.
Weitere Eckdaten zur Ausgaben-Einnahmenseite:
Werbung laut eigenen Unterlagen EUR 26.886,54, Telefonkosten für 5 Anbieter laut eigenen Unterlagen
EUR 2.694,82, Miete pro Monat EUR 693,07 für das Unternehmenslokal, Strom in Summe 1.173,60, Kosten für
4 Telefonistinnen und einen Fahrer, eigene Lebenshaltungskosten des Bf. und seiner Frau, die nach den Angaben
des Bf. im Tatzeitraum kein anderes Einkommen gehabt hat, jedoch ein Auto und die Miete für den Wohnsitz in
der G.-Str. von EUR 380,00 bezahlt haben soll.
Der Bf. hat vor dem BFG vorgebracht, dass er im Jahr 2005 auch im Hotel am Stubenring gearbeitet habe,
wobei durch den Verteidiger ergänzt wurde, dass dies für einen Bulgaren damals in einem Angestelltenverhältnis
rechtlich nicht zulässig gewesen sei. Tatsachlich ergibt sich aus der Datenbank der Finanzverwaltung auch kein
Einkommen des Bf. aus unselbständiger Arbeit im Jahr 2005 (Einkommen in den Jahren 2003 und 2004 wurde
ebenfalls nur aus Gewerbebetrieb und dies in der Höhe von nicht ganz EUR 9.000,00 für 2004 erklärt). Es ist
daher davon auszugehen, dass die Lebenshaltungskosten des Bf. und seiner Gattin zumindest weitestgehend aus
den Erlösen seines Unternehmens gedeckt wurden.
Nachdem der Bf. wenn dann schwarz im Hotel gearbeitet hat, sind allenfalls aus dieser Tätigkeit erzielte
Einnahmen und Beschäftigungszeiten im Hotel nicht erhebbar.
Überlegungen zum Geschäftsumfang im Begleitservice:
Es gibt keine vollständigen Karteikarten über die Daten der beschäftigten Damen und keine überprüfbaren
Unterlagen zu den erbrachten Leistungen und erzielten Leistungserlösen, nur Eckdaten, aus denen Rückschlüsse
auf die Größe des Betriebes und Angaben der im Abgabenverfahren befragten Damen, aus denen Rückschlüsse
auf die Einsatzfrequenzen der Damen gezogen werden können.
Allein für August 2005 gibt es 150 Werbeschaltungen, Seite 6 Rückseite des Arbeitsbogens
60 Frauennamen, mindestens 21 verschiedene Namensbezeichnungen bei der A. Werbeagentur.
VwGH 2009/16/0190 v. 17.10.2012: Im Finanzstrafverfahren trifft die Finanzstrafbehörde die Beweislast
für die Richtigkeit der Schätzung in dem Sinn, dass der geschätzte Betrag mit der Wirklichkeit solcherart
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22.10.2015
übereinstimmt, dass die Verantwortung des Beschuldigten auch hinsichtlich der Höhe der Verkürzung so
unwahrscheinlich ist, dass sie nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werden kann (...).
Bei einer Schätzung durch eine Finanzstrafbehörde genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als
erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder
gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt
oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt
(...).
Die tatsächliche Abgabenvorschreibung aus dem Titel Begleitumsätze liegt unter acht Begleitungen am Tag
bei Ansatz des Durchschnittswertes an Honoraren laut Betriebsunterlagen.
Erscheint es nach Abhaltung des Beweisverfahrens glaubhaft, dass der Bf. einen Umsatz von
zumindestEUR 241.711 (+ USt, von EUR 290.053,20) erzielt hat?
Um ca. EUR 36.000,00/Monat zu erzielen, könnte bei entsprechenden Preisen auch der zeitgleiche Einsatz
der 12 durch den Bf. einbekannten Damen genügen, wie eine Hochrechnung basierend auf den Angaben der
beiden befragten Damen und die Daten zu anderen Unternehmen dieser Branche zeigen. Dass mehr Personen
beworben erscheinen, als zeitgleich in einem Begleitservice arbeiten, wird zugestanden, da eben in dieser
Branche häufig Agentur gewechselt wird, was sich ebenfalls aus den Angaben der beiden einvernommenen
Damen ergibt.
Mehr als dass eine Person drei Mal unter verschiedenen 'Unternehmen' inseriert wurde, lässt sich jedoch aus
den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Ausdrucken auch nicht ableiten. Eine gleichzeitige
Beschäftigung von Vertragspartnerinnen des Bf. in anderen Unternehmen im Jahr 2005 ergibt sich daraus nicht.
In der Rechtsdatenbank Findok sind zwei Erkenntnisse des UFS ersichtlich, die ebenfalls Umsätze im
Zusammenhang mit Begleitservicetätigkeit behandeln. Demnach wurde bei einem Begleitservice einer
Thailänderin eine nach der Textierung der Berufungsentscheidung ähnliche Vertragsgestaltung gewählt wie sie
im Unternehmen des Bf. bestand. Dieses Unternehmen hatte zwei domains und hat für das Jahr 2005 bereits
unter reiner Ansetzung eines Agenturanteiles (44 %) vor Prüfungsbeginn EUR 182.640,00 als erzielten Umsatz
gemeldet (RV/2048-W/09 v.7.2.2011). Der Gesamtumsatz dieses Unternehmens lag daher im halben Jahr fast
doppelt so hoch wie beim Bf. nunmehr nach der Prüfung errechnet und vorgeschrieben wurde.
Aus der zweiten Entscheidung RV/2126-W/13 v. 20.9.2013 ergibt sich, dass die Finanzverwaltung
beruhend auf Aussagen einvernommener Damen von Mindestverdienstsummen einer Begleitdame von
EUR 2.500,00/Monat ausgeht.
Diese beiden Entscheidungen liefern weitere Indizien dafür, dass die Angaben der verfahrensgegenständlich
einvernommenen Damen nicht als überzogen anzusehen sind.
Der Bf. irrt insoweit, als in der Beschwerdeschrift vorgebracht wird, dass es keine Berechtigungen zur
Annahme gebe, eine Begleitdame habe 8 Begleitungen/Tag erbracht und die Behörde bzw. nunmehr das
Finanzgericht habe dies zu beweisen. Insgesamt wird der Geschäftsumfang so angenommen, dass
durchschnittlich in etwa 8 Begleitungen durch in einem Vertragsverhältnis mit dem Bf. stehenden Damen
erbracht worden sein müssen. Dies können wie sowohl die Aufzeichnungen des Bf. nahelegen, als auch die
Damen ausgesagt haben auch Begleitdienste mehrerer Damen zu einem Auftrag gewesen sein.
In einem Finanzstrafverfahren können den Entscheidungsträgem nicht die Verpflichtungen des
Abgabepflichtigen zum Nachweis der durch ihn wann und in welchem Umfang eingesetzten Damen übertragen
werden, im Finanzstrafverfahren ist es allein die Aufgabe, eine bestimmte Verkürzungshöhe bei einer Tat
festzustellen. Eine verbindliche Feststellung, wie viele Damen wie viele Begleitungen erbracht haben, ist zum
Tatnachweis nicht erforderlich und kann naturgemäß auch bei unvollständigem Belegmaterial eines
Unternehmens und Schätzungsberechtigung niemals erbracht werden.
Die Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschuldigten hat für den Senat ergeben, dass seine
Verantwortung nach menschlichem Ermessen nicht richtig sein kann. Die vorliegenden Aufzeichnungen zu
erzielten Umsätzen entsprechen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.
Die Schätzungen der abgabenbehördlichen Prüfung können, da sie sowohl unter dem Aspekt des Umfanges
des durch Unterlagen dargestellten Werbeaufwandes als auch unter dem Aspekt der Ausgabenseite für Werbung,
der zumindest zeitweiligen Beschäftigung von Telefonistinnen, die eine Erreichbarkeit der Agentur rund um
die Uhr sicher gestellt hat und eines Fahrers sowie der Lebenshaltungskosten des Bf. und seiner Gattin und
üblicher Honorare der Begleitdamen (die errechenbaren EUR 2.000,00 von Carina J. dürften sehr vorsichtig eher
unterbewertet beziffert worden sein) und den Aussagen der beiden einvernommenen Damen zutreffend
erscheinen, auch für die Zwecke des Finanzstrafverfahrens als objektiver Tatbestand übernommen werden.
Der Senat ist in freier Beweiswürdigung der Aktenlagen und der Aussagen zu dem Schluss gekommen, dass
der Bf. jedenfalls in dieser Größenordnung Umsätze seines Unternehmens nicht deklariert und damit
Umsatzsteuervorauszahlungen verkürzt hat.
Anders als in dem vom Verteidiger angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.5.1998,
96/15/0260, an der damals bekämpften Berufungsentscheidung vom Verwaltungsgerichtshof ausgesetzt wurde,
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liegt in diesem Fall keine reine Schätzung nach einem äußeren Betriebsvergleich vor. In die Überlegungen zur
Prüfung der Strafbarkeit von bewirkten Verkürzungen sind sehr wohl Unternehmensdaten eingeflossen und das
Vorbringen des Bf. wurde einer umfangreichen Beweiswürdigung im Sinne einer Haltbarkeit seiner
Behauptungen im Vergleich zur Aktenlage, den Angaben der bei ihm beschäftigten Damen und Eckdaten
anderer Begleitagenturen unterzogen.
Seine Einschätzung, dass der Werbeaufwand fast 2/3 des Umsatzes ausgemacht hat, kann allenfalls so
uminterpretiert werden, dass die Gesamtausgaben des Unternehmens für Werbeaufwand, Bürokosten, Honorare
der Damen, Entlohnung des zusätzlich eingesetzten Fahrers und des gesamten Telefondienstes und Fahrtspesen
in etwa in dieser Größenordnung angesiedelt gewesen sein mögen und dem Bf. ein niedrigeres Einkommen als in
der Folge durch das Finanzamt geschätzt verblieben sein mag, es war jedoch verfahrensgegenständlich wie
eingangs ausgeführt lediglich die Umsatzsteuer 1-8/2005 Prüfgegenstand.
Zu OGH 14.3.2014, 13 Os 10/13 k hält der Oberste Gerichtshof zum Tatbegriff fest: Das Finanzvergehen
der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG wird durch dort pönalisiertes Verhalten
(Zuwiderhandeln gegen die Pflicht zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und zur fristgerechten
Entrichtung der entsprechenden Umsatzsteuervorauszahlungen) in Bezug auf Voranmeldungszeiträume
begangen, sodass sachverhaltsmäßig hinsichtlich eines jeden solchen Zeitraums eine selbständige Tat im
materiellen
Sinn
(§ 21
Abs. 1 FinStrG)
vorliegt.
Durch
das
pauschale
Nennen
eines
Gesamthinterziehungsbetrags für die Voranmeldungszeiträume Februar bis Dezember 2009 werden die
einzelnen Taten nicht hinreichend konkretisiert (RIS-Justiz RS0118311; jüngst 13 Os 15/13z). Dass es in einem
dieser Zeiträume allenfalls zu keiner Umsatzsteuerverkürzung gekommen ist (in welchem Fall diesbezüglich ein
Freispruch zu fällen wäre), ist auf Basis der getroffenen Feststellungen nicht auszuschließen.
Auf Basis der getroffenen Feststellungen zur Geschäftstätigkeit des Bf. ist auszuschließen, dass es in einem
der 8 Tatzeitpunkte nicht zu einer Abgabenverkürzung gekommen ist.
Da einer Schätzung naturgemäß ein Unsicherheitsfaktor anhaften muss, wird beim monatsweisen Ansatz
von einer gleichmäßigen Verkürzung in allen Monaten ausgegangen und keine Bezugsrechnung zu dem nicht
aussagekräftigen Rechenwerk des Bf. zu der von ihm behaupteten Umsatzhöhe vorgenommen.
Da beispielsweise die für Februar ausgewiesenen Erlöse höher sind als die für März, schien eine
Berücksichtigung unterschiedlicher Monatslängen mangels Umsatzrelevanz nicht geboten.
Subjektive Tatseite:
Zur subjektiven Tatseite ist festzustellen, dass der Bf. weder ordnungsgemäße Aufzeichnungen über die
Personen, die für sein Unternehmen Massage- und Begleitleistungen erbracht haben noch über die tatsächlich
erzielten Umsätze erstellt hat und somit die monatlich gemeldeten ausgesprochen geringen Zahllasten in keiner
Relation zu den tatsachlich erzielten Umsätzen stehen.
Er hatte mangels valider Berechnungsgrundlagen zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten keine
Vorstellung von der Höhe der tatsächlich durch sein Unternehmen erzielten Erlöse, seinen
Unternehmensausgaben und die durch ihn verkürzten Abgaben.
Ein 'Billigsegment' unter EUR 100,00 wie von einer der befragten Damen ausgesagt und laut Aktenlage
beworben, stellte der Bf. zunächst in Abrede, dann ergänzte er, dass in diesem Bereich den Kunden zusätzliche
Fahrtkosten verrechnet worden seien, worüber wiederum die Unternehmensaufzeichnungen keine Auskünfte
bieten.
Hinsichtlich der subjektiven Tatseite, der wissentlichen Verkürzung einer Abgabe ist auch nur gefordert,
dass eine Verkürzung für gewiss gehalten wird. Der Tatvorsatz muss sich nicht auf die Höhe des
Verkürzungsbetrags beziehen (...), wohl aber auf die Unrichtigkeit, auf der die Verkürzung beruht.
Die infolge der Judikatur des OGH in § 33 Abs. 5 FinStrG vorgenommene legistische Klarstellung, was
unter der in der Finanzverwaltung schon seit Jahrzehnten gebräuchlichen Bezeichnung strafbestimmender
Wertbetrag zu verstehen ist, bedeutet, dass hinsichtlich einer Strafbemessung lediglich von dem
Verkürzungsbetrag auszugehen ist, hinsichtlich dessen eine schuldhafte Verkürzung vorliegt.
Diese Unterscheidung erlangt beispielsweise dann Bedeutung, wenn lediglich hinsichtlich eines Teiles einer
Abgabennachforderung für einen Zeitraum eine schuldhafte Verkürzung, für andere Teile jedoch eine
Abgabenvorschreibung aufgrund von schuldlosen Fehlern oder anderslautenden Rechtsansichten vorgenommen
wird, was verfahrensgegenständlich jedoch nicht vorliegt.
Der Bf. hat somit nach Ansicht des BFG die bewirkten Verkürzungen im Gesamtausmaß für gewiss
gehalten und ihm war auch bewusst, dass die abgegebenen Voranmeldungen nicht den tatsächlichen
Geschäftsumfang darlegen (zumindest auch Eventualvorsatzes in Bezug auf die Verletzung der Verpflichtung
zur Abgabe der korrekten Umsatzsteuervoranmeldungen). Die subjektive Tatseite für Vergehen nach § 33 Abs. 2
lit. a FinStrG ist demnach erfüllt.
Gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG wird die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des für
den Strafrahmen maßgeblichen Verkürzungsbetrages (der ungerechtfertigten Abgabengutschrift) geahndet.
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Dieser umfasst nur jene Abgabenbeträge (ungerechtfertigte Gutschriften), deren Verkürzung im Zusammenhang
mit den Unrichtigkeiten bewirkt wurde, auf die sich der Vorsatz des Täters bezieht.
Grundlage für die Strafbemessung ist gemäß § 23 Abs. 1 FinStrG die Schuld des Täters.
Gemäß § 23 Abs. 2 FinStrG sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen,
wobei im Übrigen die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches gelten.
Bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von EUR 44.800,00 hat der Spruchsenat eine Geldstrafe von
EUR 18.000,00 ausgesprochen. Dies entspricht 20,08% der Strafdrohung.
Bei der Strafbemessung für den Bf. berücksichtigte der Spruchsenat laut Erkenntnis die Unbescholtenheit
und das lange Zurückliegen der Tat als mildernd. Als erschwerend keinen Umstand.
Gemäß § 23 Abs. 3 FinStrG sind bei der Bemessung der Geldstrafe auch die persönlichen Verhältnisse und
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.
Das Unternehmen des Bf. ist nicht mehr aktiv. Über das Vermögen des Bf. wurde am 1.7.2014 das
Konkursverfahren eröffnet. Die Schlussabrechnung wurde am 16. Dezember 2014 genehmigt und der Konkurs
nach teilweiser Befriedigung der Massegläubiger am 12. Jänner 2015 aufgehoben.
Hinsichtlich Umsatzsteuer 2005 haftet der gesamte nach der Prüfung nachgeforderte Betrag weiterhin aus.
Dazu sowie zu weiteren Abgabenschuldigkeiten von insgesamt EUR 391.093,00 ist die Einbringung ausgesetzt.
Es ist daher hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Verkürzungsbetrages von einem dauerhaften
Abgabenausfall auszugehen.
Der Bf. hat nach seinen Angaben vor dem BFG derzeit ein Einkommen von EUR 360,00 und
Sorgepflichten für eine Tochter.
Mangels verwertbarer Anhaltspunkte für ein höheres Einkommen des Bf. (der ausgesagte Betrag würde
nicht einmal den von ihm für seine vorherige Wohnung angegebenen Mietzins decken und der Bf. hat keine
Verfahrenshilfe beantragt) wird daher wie auch schon im Verfahren vor der Finanzstrafbehörde von engen
wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen. Auffällig ist dabei auch die im Zuge der Verhandlung bekannt
gegebene geplante Ortsabwesenheit des Bf. vom 14.4.2015 bis 10.9.2015 im Zusammenhang mit seiner
Sorgepflicht für ein schulpflichtiges Kind. Demnach sind wohl auch Betreuungskosten für seine Tochter zu
finanzieren.
Unberücksichtigt blieb bisher das langjährige Wohlverhalten seit der Tat und die nicht von dem Bf. zu
vertretende überlange Verfahrensdauer, dem steht erschwerend der mehrmalige Tatentschluss entgegen. Der
zusätzliche Milderungsgrund und der Erschwerungsgrund gleichen einander aus, während für die überlange
Verfahrensdauer ein gesondert ausgewiesener Abschlag vorgenommen wird.
Das Strafverfahren gegen den Bf. wurde mit Verständigung vom 16. Oktober 2007 anhängig, jedoch ist
wegen des Rechtsmittelverfahrens gegen die Abgabenvorschreibung das verfahrensgegenständliche
erstinstanzliche Erkenntnis erst am 1. Oktober 2014 erlassen worden. Diese lange Verfahrensdauer hat der Bf.
nicht zu verantworten, daher wird ein Abschlag von EUR 2.000,00 vorgenommen und die Geldstrafe neu mit
EUR 16.000,00 bemessen.
Die obigen Ausführungen zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen gelten auch für die Ausmessung
der im Spruch ersichtlichen Ersatzfreiheitsstrafe, wobei es, wie wiederum zahlreichen Entscheidungen in der
Findok zu entnehmen ist, der langjährigen Spruchpraxis des UFS und auch der des BFG entspricht, dass für
EUR 400,00 Geldstrafe ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe bemessen wird.
Die nunmehr ausgesprochene Geld- und Ersatzfreiheitstrafe entsprechen nach dem Dafürhalten des
erkennenden Senates den spezial- und generalpräventiven Erfordernissen und sind im Bereich der einschlägigen
Spruchpraxis bei dauerhaften Abgabenverkürzungen angesiedelt. Die Höhe der verhängten Strafen soll damit
einerseits den Bf. von weiteren diesbezüglichen Verfehlungen abhalten und andererseits potentielle
Nachahmungstäter abschrecken.
Kostenentscheidung
Die Verfahrenskosten gründen sich auf § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG, wonach pauschal ein Kostenersatz im
Ausmaß von 10% der verhängten Geldstrafe, maximal aber ein Betrag von EUR 500, 00 festzusetzen ist.
Zahlungsaufforderung
...
Zur Zulässigkeit der Revision
Zur Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Unterlassung der Erlassung eines
Einleitungsbescheides verfahrensgegenständlich als unwesentlicher Fehler zu bewerten war oder ob in
wortgetreuer Befolgung der diesbezüglichen Bestimmung des Finanzstrafgesetzes in dieser Fallkonstellation
einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung ein Einleitungsbescheid zu erlassen gewesen wäre und der Schuldspruch
unter Verletzung zwingender verfahrensrechtlicher Bestimmungen zustande gekommen ist, wird die ordentliche
Revision zugelassen."
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22.10.2015
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der sich der Revisionswerber in folgenden
"subjektivöffentlichen Rechten verletzt (§ 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG)" erachtet:
"? Im Recht darauf, nicht wegen Hinterziehung von Vorauszahlungen an USt für die Monate Jänner bis
August 2005 jeweils in Höhe von EUR 5.600 (zusammen daher: EUR 44.800) gemäß § 33 Abs 2 lit a FinStrG
schuldig gesprochen (verurteilt) zu werden.
? Im Recht darauf, nicht wegen Hinterziehung eben dieser USt-Vorauszahlungen gemäß § 33 Abs 5 FinStrG
zu einer Geldstrafe von EUR 16.000 bzw gemäß § 20 Abs 1 FinStrG zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer
von 40 Tagen verurteilt zu werden.
? Im Recht darauf, aus demselben Grund nicht zum Ersatz der mit EUR 500 bestimmten Kosten des
verwaltungsbehördlichen und des - gerichtlichen Strafverfahrens verpflichtet zu werden.
? Im Recht darauf, wegen bereits eingetretener Verjährung der Strafbarkeit der USt für die Monate Jänner bis
August 2005 nicht bestraft zu werden.
? Im Recht auf Einstellung des Finanzstrafverfahrens mangels Vorliegens der Voraussetzungen für einen
Schuldspruch."
Er beantragt, das angefochtene Erkenntnis in seinem gesamten Inhalt aufzuheben.
Der Bundesminister für Finanzen erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er hinsichtlich der vom
Gericht für die Zulassung der Revision genannten Rechtsfrage die Abweisung der Revision als unbegründet,
hinsichtlich der übrigen in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen deren Zurückweisung als unzulässig unter
Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig,
wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil
das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung
fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht
einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch
Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses
auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG) ist nach Abs. 4 leg. cit. nicht
zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache
1. eine Geldstrafe von bis zu EUR 750,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und
2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu EUR 400,-- verhängt wurde.
Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG hat die Revision die Bezeichnung der Rechte zu enthalten, in der der
Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte).
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133
Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss
zurückzuweisen.
Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG
an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der
"ordentlichen" (d.h. vom Verwaltungsgericht nach § 25a Abs. 1 VwGG für zulässig erklärten) Revision hat der
Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass
die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere
Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa den Beschluss vom 9. September 2015,
Ro 2015/16/0028, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes legt der Revisionspunkt den Prozessgegenstand
des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens fest und steckt den Rahmen ab, an den der Verwaltungsgerichtshof bei
der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses gebunden ist. Ist der Revisionspunkt unmissverständlich
ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich. Die
Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses, aber auch der Zulässigkeit einer Revision an den
Verwaltungsgerichtshof hat daher im Rahmen des Revisionspunktes zu erfolgen und sich auf das dort geltend
gemachte Recht zu beschränken (vgl. den Beschluss vom 26. August 2015, Ra 2015/16/0075).
Soweit die vorliegende Revision in Übereinstimmung mit dem Ausspruch des Gerichtes über die
Zulässigkeit der Revision hinsichtlich der Rechtsfrage, ob die Unterlassung eines förmlichen
Einleitungsbescheides einen wesentlichen Verfahrensfehler darstelle oder nicht, einleitend ihre Zulässigkeit
behauptet und die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses in der unrichtigen Beurteilung der
Verständigung vom 16. Oktober 2007 als nach dem FinStrG ausreichend rügt, kann eine nähere
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Verwaltungsgerichtshof
22.10.2015
Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage unterbleiben, weil sich der Revisionswerber in den von ihm
bezeichneten Revisionspunkten in keinem konkreten korrespondierenden Recht verletzt erachtet. Eine
Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses in seiner Beurteilung der Verständigung vom 16. Oktober 2007
hat daher zu unterbleiben.
Die vorliegende Revision sieht ihre Zulässigkeit weiters darin, dass ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 2
lit a FinStrG trotz Ergehen eines Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2005 erfolgt sei. Die Hinterziehung nach
§ 33 Abs. 2 lit a FinStrG werde, wenn in der Folge für den gleichen Umsatzsteuerbetrag und denselben
Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen der Hinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG zumindest versucht werde,
von letzterem konsumiert. Allerdings werfe die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Fragen auf, weil die
Straflosigkeit einer "nachbestraften Vortat" an die Bedingung einer Ahndung nach § 33 Abs. 1 FinStrG geknüpft
werde. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei methodisch fragwürdig. Die Strafbarkeit für die
Verkürzung der Umsatzsteuer für das Jahr 2005 nach § 33 Abs. 1 FinStrG sei, wie das Gericht ausgeführt habe,
bereits verjährt. Dem sei uneingeschränkt zuzustimmen. Die Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes, der
eine "nachbestrafte Vortat" nur bei einer nachfolgenden Verurteilung wegen Verkürzung der Jahresumsatzsteuer
annehme, decke nur den Regelfall ab, nicht hingegen auch den Sonderfall, dass für die Jahres-Umsatzsteuer
bereits Verjährung der Strafbarkeit eingetreten sei und einer Verurteilung dieses Hindernisses in Form dieses
Strafaufhebungsgrundes entgegen stehe. Dem Grundgedanken der Scheinkonkurrenz entspreche es, nur das
primäre Gesetz anzuwenden und das verdrängte gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Diese Überlegung gelte für
den Schuldspruch und für die Verjährung gleichermaßen. Auch insoweit komme der "Verdrängungsansatz" zum
Tragen: Sei das verdrängende Delikt (hier: § 33 Abs. 1 FinStrG) bereits verjährt, so lebe die Strafbarkeit des
verdrängten Delikts (hier: § 33 Abs. 2 lit a FinStrG) nicht wieder auf.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ziehen die Beurteilung des Gerichts, wonach eine
Strafbarkeit der Verkürzung an Umsatzsteuer für das Jahr 2005 im Grunde des § 33 Abs. 1 FinStrG bereits
verjährt sei, nicht in Zweifel. Das Gericht sah, wie eingangs wiedergegeben, eine Strafbarkeit für die
Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG infolge der eingetretenen Verfolgungsverjährung
hinsichtlich des Vergehens nach § 33 Abs. 1 FinStrG wegen des Versuchs der Verkürzung der
Jahresumsatzsteuer 2005 für gegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zu der von der Revision aufgeworfenen, vom wiedergegebenen
Revisionspunkt erfassten Rechtsfrage bislang nicht explizit geäußert.
Gemäß § 31 Abs. 1 FinStrG erlischt die Strafbarkeit eines Finanzvergehens durch Verjährung. Die
Verjährungsfrist beginnt, sobald die mit Strafe bedrohte Tätigkeit abgeschlossen ist oder das mit Strafe bedrohte
Verhalten aufhört. Gehört zum Tatbestand ein Erfolg, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dessen Eintritt zu
laufen. Sie beginnt aber nie früher zu laufen als die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Abgabe, gegen die
sich die Straftat richtet.
Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter
Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung
bewirkt.
Nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung weiters schuldig, wer vorsätzlich
unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von den § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden
Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies
nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.
Die Vergehen nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit a FinStrG stehen zueinander in Realkonkurrenz.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (beginnend mit dem Urteil eines
verstärkten Senates vom 21. November 1991, 14 Os 127/90) wird das Finanzvergehen der
Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG, wenn in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Betrag
und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG versucht wird, von letzterem
konsumiert.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Strafbarkeit einer
Abgabenhinterziehung im Sinn des § 33 Abs. 2 lit a FinStrG dann ausgeschlossen, wenn einer Strafbarkeit
infolge der nachfolgenden Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 leg. cit. wegen des gleichen
Umsatzsteuerbetrages für denselben Zeitraum kein Hindernis entgegensteht, weil in einem solchen Fall die
Tathandlung im Sinn des § 33 Abs. 2 lit a leg. cit. als eine - durch die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1
nachbestrafte - Vortat zu betrachten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Jänner 2001, 2000/14/0109
= Slg. 7.580/F, vom 3. September 2008, 2008/13/0076, vom 4. Februar 2009, 2007/15/0142, sowie vom
21. September 2009, 2009/16/0083 = Slg. 8.472/F).
Unbeschadet des Umstandes, dass es sich bei der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG
hinsichtlich der Umsatzsteuer bestimmter Voranmeldungszeiträume um eine mit der Abgabenhinterziehung nach
§ 33 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer eines dieser Voranmeldungszeiträume (mit)umfassenden
Veranlagungszeitraumes nachbestrafte Vortat handelt, werden die beiden Taten durch zu unterschiedlichen
Zeitpunkten verwirklichte unterschiedliche Sachverhalte begangen, wodurch die in § 33 Abs. 1 und Abs. 2
lit a FinStrG umschriebenen Tatbestände erfüllt werden. Dabei entsprechen nicht nur die zu verschiedenen
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Verwaltungsgerichtshof
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Zeitpunkten verwirklichten Sachverhalte den verschiedenen Tatbildern, sondern auch in der Qualifikation
unterschiedlichen subjektiven Tatbeständen, weil für die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG
der qualifizierte Vorsatz der Wissentlichkeit (dolus principalis) erforderlich ist, während zur
Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) ausreicht (vgl. das
zitierte Erkenntnis vom 21. September 2009 mwN).
Um unionsrechtlich (Art. 50 GRC) oder verfassungsrechtlich (Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPMRK - vgl. Ratz in
Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 - WK, Rz 31 vor §§ 28 bis 31 StGB mwN) unzulässige oder bloß als
unbillig empfundene (vgl. Ratz aaO Rz 26 vor §§ 28 bis 31 StGB) Doppelbestrafungen mehrerer strafbarer
Handlungen, die zueinander in einer Nahebeziehung einer Ideal- oder Realkonkurrenz stehen, zu vermeiden,
wird statt eines echten Zusammentreffens nur eine scheinbare Konkurrenz der strafbaren Handlungen
angenommen.
Realkonkurrierende strafbare Handlungen verjähren grundsätzlich jede für sich gesondert (vgl. Marek in
WK2, Rz 12 zu § 57, sowie Tischler in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer, Salzburger Kommentar zum
Strafgesetzbuch, Rz 12 zu § 57).
Bei Konsumation einer Nachtat (scheinbare Realkonkurrenz) wird die Meinung vertreten, dass die
Verdrängung der Nachtat durch Verjährung der Haupttat nicht tangiert werde (Burgstaller,
Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393 ff und 459 ff, insbes. 465 f; Marek, aaO, Rz 13 zu § 57, unter
Hinweis auf Ratz, aaO, Rz 74 vor §§ 28 bis 31; Tischler, aaO).
Abgesehen davon, dass die zitierten (sowie weitere, in der Revision zitierte) Meinungen die Regelung des
§ 57 StGB im Auge haben, die sich jedoch in ihrem Regelungsgehalt sowohl von ihrem Wortlaut als auch von
ihrer Systematik her von § 31 FinStrG unterscheidet, und nur die Konstellation der Konsumation der Nachtat
behandeln, würde eine für die Konstellation realkonkurrierender Finanzvergehen aufrechterhaltene Annahme
einer Verdrängung der (nicht mehr nachbestraften) Vortat durch die verjährte Nachtat den Telos für die
Annahme einer solchen Verdrängung, nämlich die Vermeidung unbillig empfundener Doppelbestrafungen,
verfehlen, weil durch die Verjährung der Nachtat eine solche Doppelbestrafung ohnehin nicht mehr in Betracht
kommen kann. Der Verwaltungsgerichtshof findet daher auch in der vorliegenden Revision keinen Anlass, von
seiner ständigen, eingangs zitierten Rechtsprechung abzugehen, dass die Strafbarkeit einer
Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG dann (und nur dann) ausgeschlossen ist, wenn einer
Strafbarkeit infolge der nachfolgenden Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 leg. cit. wegen des gleichen
Umsatzsteuerbetrages für denselben Zeitraum kein Hindernis entgegensteht.
Da im vorliegenden Revisionsfall der Strafbarkeit für die in Rede stehenden Umsatzsteuerbeträge für die
verfahrensgegenständlichen Monate Jänner bis August 2005 im Zusammenhang mit der Abgabenhinterziehung
nach § 33 Abs. 1 FinStrG das Hindernis der Verjährung nach § 31 Abs. 1 FinStrG entgegen steht, ist die
Strafbarkeit der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG nicht ausgeschlossen.
Der in diesem Punkt zulässigen Revision kommt daher keine Berechtigung zu.
Die Revision führt weiter ins Treffen, dass sich das Gericht die Schätzung aus dem Abgabenverfahren zu
Eigen gemacht habe. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Vorwurf kann allerdings schon deshalb
unterbleiben, weil die Revision die eingangs wiedergegebenen, eingehenden und originären, über die bloße
Übernahme einer Schätzung hinausgehenden Überlegungen des Gerichts zur Untermauerung der
Tatsachenannahmen ("Überlegungen zur Übernahme der Schätzung der Begleitumsätze für Zwecke des
Strafverfahrens") schlichtweg übergeht.
Weiters rügt die Revision Mängel der Beweiswürdigung und in der Anlegung eines "falschen
Beweismaßes" durch das Gericht.
Kein Erfolg beschieden ist dieser Verfahrensrüge, die sich zwar in der Wiedergabe von der Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofes (vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) und von Lehre verbreitert,
ohne allerdings in den eingehenden, eingangs wiedergegebenen Erwägungen des Gerichts etwa eine
Überschreitung der freien Beweiswürdigung durch eine Unschlüssigkeit aufzuzeigen (vgl. den Beschluss vom
26. August 2015, Ra 2015/16/0070).
Soweit die Revision offensichtlich auch eine Unangemessenheit der Strafe unter dem Titel "zu geringer
Abschlag für die überlange Verfahrensdauer" moniert, vermag sie allein mit dem Hinweis darauf, dass Judikatur
des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage noch nicht vorliege, damit keine Zulässigkeit Revision zu
beanspruchen, weil der Handhabung des vom Gericht im Revisionsfall explizit berücksichtigten
Milderungsgrundes der Verfahrensdauer keine über den Einzelfall hinausweisende Bedeutung zukommt.
Inwieweit die unter den Revisionspunkten angesprochene Verpflichtung zum Kostenersatz irgendeine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG anspricht, führt die Revision
überhaupt nicht aus.
Die vorliegende Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Ein Spruch über den Aufwandersatz hat zu unterbleiben, weil der die Revisionsbeantwortung erstattende
Bundesminister für Finanzen nicht gemäß § 22 VwGG in das Verfahren eingetreten und daher nicht Partei des
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Verwaltungsgerichtshof
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Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ist (vgl. die Beschlüsse vom 1. Juli 2015, Ro 2014/12/0055 und
Ro 2014/12/0068).
Wien, am 22. Oktober 2015
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GZ. RV/1300007/2014
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Gerald Daniaux in der
Finanzstrafsache gegen a, vertreten durch Mag. Rainer Rangger, Steuerberater/
Wirtschaftstreuhänder, 6973 Höchst, Bonigstraße 11, wegen der Finanzvergehen der
Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die
Beschwerde des Beschuldigten vom 29. September 2014 gegen das Erkenntnis des
Finanzamtes Bregenz als Finanzstrafbehörde vom 03. September 2014, StrafNr. b, in
der Sitzung am 29. Juni 2015 in Abwesenheit des Beschuldigten, jedoch in Anwesenheit
seines Verteidigers Mag. Rainer Rangger, des Amtsbeauftragten HR Dr. Walter Blenk
sowie der Schriftführerin VB Jennifer Reinher nach Durchführung einer mündlichen
Verhandlung folgendes Erkenntnis gefällt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Das angefochtene Erkenntnis bleibt unverändert.
Die Verfahrenskosten betragen gemäß § 185 FinStrG € 500,00.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Erkenntnis des Finanzamtes Bregenz als Finanzstrafbehörde vom 3. September
2014 wurde Herr c für schuldig befunden, er habe im Amtsbereich des Finanzamtes
Bregenz als Abgabepflichtiger im Zeitraum 2004 bis 2012 vorsätzlich unter Verletzung
der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich durch Einreichung
unrichtiger Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2011, in welchen er die
ausländischen Kapitaleinkünfte aus seinem Wertpapierdepot bei der d verschwiegen
habe, für die Jahre 2003 bis 2011 eine Verkürzung an Einkommensteuer in Höhe von
€ 28.125,33 (2003.€ 3.655,49; 2004: € 3.891,12; 2005: € 3.050,47; 2006: € 2.981,51;
2007: € 3.856,01; 2008: € 4.063,68; 2009: € 2.416,22; 2010: € 2.176,83 2011: € 2.034,00)
bewirkt und hiemit die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1
FinStrG begangen,
weswegen über ih gemäß §§ 33 Abs. 5 iVm 21 Abs. 1 und 2 FinStrG eine Geldstrafe in
Höhe von € 5.700,00 und für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe
von 25 Tagen verhängt wurde.
Weiters wurden dem Beschuldigten gemäß § 185 Abs. 1 lit a FinstrG der Ersatz
pauschaler Verfahrenskosten in Höhe von € 500,00 auferlegt.
Als mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit, als erschwerend die wiederholte
Tatbegehung über einen langen Zeitraum gewertet. Insgesamt liege eine missglückte
Selbstanzeige vor, welcher Umstand allerdings nur in der Strafbemessung
Berücksichtigung finden könne. Durch die Verhängung der Mindeststrafe des § 23 Abs. 4
FinStrG habe dieser Umstand auch gebührend Berücksichtigung gefunden.
Der Bf. hat durch seinen Rechtsvertreter gegen das Erkenntnis binnen Frist Beschwerde
erhoben und einleitend auf den Schriftsatz vom 18. Juni 2014 verwiesen. In diesem
Schriftsatz (Einspruch gegen die Strafverfügung vom 21. Mai 2014) wird u.a. ausgeführt,
dass der Bf. mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 aufgefordert worden sei, die
Unterlagen 2003 bis 2011 bis 18. November offenzulegen. Daraufhin sei onlinemäßig
ein Antrag auf Fristverlängerung bis 31. Jänner 2014 gestellt worden. Dieser Antrag
sei anscheinend vom Finanzamt nie bearbeitet worden. Vielmehr seien mit Datum 18.
Dezember 2013 der Einkommensteuerbescheid 2003 und am 22. Jänner 2014 die
Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2012 erlassen worden. In der Strafverfügung werde
ausgeführt, dass eine Beanstandung der Schätzung nicht erfolgt sei, ebenso, dass keine
Offenlegung der Kapitaleinkünfte bis zum 31. Jänner 2014 erfolgt sei. Dazu werde vom
Bf. die Frage erhoben, warum auch. Mit Erlassung der Einkomensteuerbescheide habe
man sich im Rechtsmittelverfahren befunden und somit in einem neuen Rechtsstatus. Im
Rechtsmittelverfahren betreffend die Jahre 2004 bis 2011, eingebracht am 19. Februar
2014, sei wiederum beantragt worden, die Frist zur Beibringung der Unterlagen bis
Ende März 2014 zu erstrecken. Dies wegen der umfangreichen Unterlagenbeibringung
und Bearbeitung. Es liege dem Bf. bzw. dessen Verteidiger ein Schreiben von MinR.
Mag. Peter Höbart vor, dass nach Ansicht des BMF in begründeten Einzelfällen für
Zeiträume ab 2004 bei Vorliegen eines Fristverlängerungsansuchens die ursprünglich
knapp gehaltene 14 Tagefrist verlängerbar sei. Diesem Fristverlängerungsansuchen sei
zeitgerecht mit Datum 12. November nachgekommen worden. Es sehe für den Bf.
so aus, dass dieser Antrag vom Finanzamt noch nie bearbeitet worden sei. Die
Festsetzung der Strafe werde nun damit aurgumentiert, dass der Antrag beim Finanzamt
nie eingereicht worden sei und die Beibringung der Unterlagen erst per Ende März
erfolgt sei. Das Finanzamt führe in der Begründung zur Strafverfügung aus, dass
von einer Offenlegung der Besteuerungsgrundlagen innerhalb einer vom Finanzamt
angemessenen Frist auch unter Berücksichtigung des beim Finanzamt nicht eingelangten
Fristverlängerungsansuchens vom 12. November 2013 nicht gesprochen werden
könne. Dem sei entgegenzuhalten, dass das Fristverlängerungsansuchen noch immer
unerledigt und somit noch immer gültig sei. Vielmehr hätte vom Finanzamt eine Erledigung
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erfolgen müssen, in welcher Form auch immer, dies sei aber nicht erfolgt. Des weiteren
könne der strafbestimmende Wertbetrag nicht nachvollzogen werden. Darin seien auch
die Jahre 2003 mit € 3.655,49 und das Jahr 2008 mit € 4.063,68 enthalten gewesen.
Diese Jahre seien beim strafbestimmenden Wertbetrag nicht zu berücksichtigen.
Sowohl für das Jahr 2003 und auch für das Jahr 2008 seien die im Schätzungswege
mit Erlassung des Steuerbescheides festgesetzten Kapitaleinkünfte anerkannt worden.
Für diese Jahre seien lediglich nachträglich die Werbungskosten berichtigt worden.
Der Steuerzahler habe keinen Einfluss darauf, wie schnell die Finanz Steuerbescheide
erlasse. Hier könne nicht damit argumentiert werden, dass diese erst im Januar 2014
erlassen worden seien und somit eine unangemessen lange Zeit zur Beibringung der
Unterlagen verstrichen sei. Lediglich ergänzend werde vermerkt, dass trotz früherer
Ausführungen nun doch von der Behörde anlässlich von Nachforschungen festgestellt
worden sei, dass das Fristverlängerungsansuchen vom 12. November tatsächlich
rechtswirksam eingebracht worden und bis dato unerledigt sei. Dass dieses Ansuchen
den Sachbearbeiter nicht erreicht habe, dürfe nicht das Problem des Steuerzahlers sein.
Im Erkenntnis werde ausgeführt, dass darüber Streit bestehe, ob eine Offenlegung in
angemessener Zeit und vollständig erfolgt sei und somit die Selbstanzeige strafbefreiende
Wirkung habe. Es werde vom Bf. hierzu weiterhin die Meinung vertreten, dass das
Fristverlängerungsansuchen von der Finanz nicht bearbeitet worden sei und er daher
unter die Regelung laut Schreiben des BMF vom 12. November fallen würde. Die
Verhängung der Strafe sei daher zu Unrecht erfolgt. Wenn im Erkenntnis ausgeführt
werde, dass für die Jahre 2003 und 2008 keine Offenlegung der Einkünfte erfolgt sei, sei
dem entgegenzuhalten, dass die Festsetzung der Kapitaleinkünfte dieser Jahre durch die
Erlassung der Steuerbescheide (vor Fristablauf) durch den Steuerzahler akzeptiert worden
sei und es somit keiner Offenlegung bedurft habe. Die Feststellung der Finanz, dass die
Offenlegung unvollständig gewesen sei, sei nicht richtig. Es seien alle für die Berechnung
der Kapitaleinkünfte relevanten Daten der Finanz übermittelt wporden, lediglich die
Berechnung der Kapitaleinkünfte der "schwarzen Fonds" sei nicht vorgenommen worden.
Die Aussage der Finanz, dass es nicht von Relevanz sei, dass durch die Erlassung der
Steuerbescheide ein neuer Rechtszustand eingetreten sei, und somit ein neuer Fristenlauf
begonnen habe, werde vom Bf. anders gesehen.
In der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2014 haben sowohl der Verteidiger als
auch der Amtsbeauftragte auf das bisherige Vorbringen bzw. die Begründung des
angefochtenen Erkenntnisses verwiesen und diese Inhalte nochmals ausgeführt.
Beantragt wurde vom Amtsbeauftragten Abweisung, vom Rechtsvertreter des
Beschuldigten Stattgabe der Beschwerde.
Der Bf. ist zur Verhandlung trotz ordnungsgemäß ausgewiesener Ladung nicht
erschienen, wobei sein Nichterscheinen zum bestimmten Verhandlungstermin bereits
im Vorfeld von seinem Rechtsvertreter bekanntgegeben wurde und war das persönliche
Erscheinen auch aufgrund des Beschwerdethemas, gegenständlich war eine Rechtsfrage,
nicht notwendig. Die Voraussetzungen für die Durchführung der mündlichen Verhandlung
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und zur Fällung eines Erkenntnisses in Abwesenheit des Beschuldigten waren daher
gemäß § 126 FinStrG gegeben.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zur Selbstanzeige:
§ 29 Abs. 1 FinStrG:
Wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, wird insoweit straffrei, als er seine
Verfehlung darlegt ( Selbstanzeige ). ...
§ 29 Abs. 2 FinStrG:
War mit einer Verfehlung eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall
verbunden, so tritt die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für
die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offen gelegt
werden, und binnen einer Frist von einem Monat die sich daraus ergebenden Beträge, die
vom Anzeiger geschuldet werden, oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann,
tatsächlich mit schuldbefreiender Wirkung entrichtet werden. Die Monatsfrist beginnt bei
selbst zu berechnenden Abgaben (§§ 201 und 202 BAO) mit der Selbstanzeige, in allen
übrigen Fällen mit der Bekanntgabe des Abgaben- oder Haftungsbescheides zu laufen
und kann durch Gewährung von Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO) auf höchstens zwei
Jahre verlängert werden. ...
Die Selbstanzeige ist ein besonderer Strafaufhebungsgrund gleich etwa der tätigen Reue
im allgemeinen Strafrecht. Die darzulegende Verfehlung besteht aus dem stattgefunden
habenden Finanzvergehen, welches vom Anzeiger nachträglich der Behörde zur Kenntnis
gebracht wird (§ 29 Abs. 1 FinStrG).
Nach der alten Rechtslage bis zum 31. Dezember 2010 musste die Entrichtung
entsprechend den Abgabenvorschriften erfolgen (Abs. 2 alte Fassung).
Seit 1. Jänner 2011, neue Rechtslage (FinStrG-Novelle 2010), hat die Entrichtung
der verkürzten bzw. nicht rechtzeitig entrichteten oder abgeführten Abgaben binnen
Monatsfrist (Abs. 2 neue Fassung, Satz 1) zu erfolgen. Dabei beginnt die Monatsfrist
bei Selbstbemessungsabgaben mit der Selbstanzeige, in den übrigen Fällen mit der
Bekanntgabe des Abgaben- oder Haftungsbescheides.
Bei dieser Monatsfrist handelt es sich um eine gesetzliche Frist, die gemäß § 110 Abs. 1
BAO - abgesehen von bewilligten Zahlungserleichterungen - nicht verlängerbar ist (Ritz,
5
BAO , § 108, Rz 2). Im Falle von Veranlagungsabgaben - wie im gegenständlichen Fall beginnt die Frist mit der tatsächlichen Zustellung des Bescheides.
Gemäß Artikel 10 (Verfolgung von Finanzvergehen bei freiwilliger Meldung) Z
1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen
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Eidgenossenschaft vom 14.4.2012 über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern
und Finanzmarkt samt Schlussakte einschließlich der dieser beigefügten Erläuterungen
gilt die freiwillige Meldung ab dem Zeitpunkt der schriftlichen Ermächtigung nach Artikel
9 Absatz 1 als Selbstanzeige nach Paragraph 29 Absatz 1 Satz 1 FinStrG bezogen auf
die gemeldeten Konten oder Depots, wenn die Überprüfung der Angaben nach Artikel 9
Absatz 2 ergibt, dass unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungsoder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt worden ist. Die Rechtsfolgen
bestimmen sich nach Paragraph 29 FinStrG, wobei die für die Feststellung der Verkürzung
bedeutsamen Umstände innerhalb einer von der zuständigen österreichischen Behörde
festgesetzten angemessenen Frist durch die betreffende Person offengelegt werden
müssen.
Der Sachverhalt ist dem Grunde nach unbestritten, jedoch nicht dessen rechtliche
Würdigung.
Der Beschuldigte ist Mitarbeiter der d im Bereich IT. Er unterhielt bei dieser Bank ein
Wertpapierdepot mit einem Kapitalstand per 31. Dezember 2012 von € 581.539,00.
(Kapital)Einkünfte hieraus sind in den Einkommensteuererklärungen 2003 bis 2011 nicht
erklärt worden. Im Rahmen des Steuerabkommens zwischen der Republik Österreich und
der Schweiz vom 13. April 2012 über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und
Finanzmarkt hat der Beschuldigte zur freiwilligen Meldung des Kontos/Depots durch die
Schweizer Bank an die österreichischen Behörden optiert.
Diese Ermächtigung zur freiwilligen Meldung stellt gemäß Art. 10 des Abkommens
eine Selbstanzeige gemäß § 29 Abs. 1 FinStrG dar, wobei die für die Feststellung der
Verkürzung bedeutsamen Umstände innerhalb einer von der zuständigen österreichischen
Behörde festgesetzten Frist durch die betroffene Person offengelegt werden müssen.
Weiters sind für die Erreichung der Straffreiheit der Selbstanzeige die verkürzten Abgaben
rechtzeitig, also binnen Monatsfrist ab Bescheiderlassung, zu entrichten (§ 29 Abs. 2
FinStrG).
Mit Schreiben des Finanzamtes vom 31. Oktober 2013 ist der Beschuldigte aufgefordert
worden, die freiwillige Meldung bis zum 18. November 2013 zu vervollständigen und die
Bemessungsgrundlagen aus den mit dem Konto/Depot bewirkten Steuerverkürzungen
offenzulegen. Dabei ist ausdrücklich auf die Folgen der Nichteinhaltung der Frist für die
Offenlegung - "Sollte dies nicht in der angegebenen Frist bei uns einlangen, so werden
Ihre Einkünfte gemäß § 184 BAO im Schätzungswege ermittelt und festgesetzt" - und
die Monatsfrist für die Bezahlung der Abgabenschuldigkeiten - "Die Monatsfrist für die
Entrichtung allfälliger verkürzter Abgaben beginnt mit der Bekanntgabe (Zustellung)
der auf den berichtigten Besteuerungsgrundlagen basierenden Abgabenbescheiden zu
laufen" - hingewiesen worden. Ein von der steuerlichen Vertretung über Finanzonline
gestelltes Fristverlängerungsansuchen vom 12. November 2013 für die Jahre 2004
bis 2011 bis zum 31. Jänner 2014 ist zwar nicht aktenkundig, ist aber nachweislich
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eingereicht worden. Die Einkommensteuer für 2003 ist in der Folge mit Bescheid
vom 18. Dezember 2013, die Einkommensteuer für 2004 bis 2011 mit Bescheiden
vom 22. Jänner 2014 im Schätzungswege gemäß § 184 BAO festgesetzt worden. Mit
Schreiben vom 16. Jänner 2014 und 19. Februar 2014 hat der Beschuldigte Beschwerde
gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2011 erhoben. Für 2003 ist die
nachträgliche Geltendmachung einer Krankenversicherung als Werbungskosten erfolgt,
eine Offenlegung der Kapitaleinkünfte ist jedoch nicht geschehen. In der Beschwerde vom
19. Februar 2014 gegen die Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2011 ist angekündigt
worden, die fehlenden Unterlagen - ein Fristverlängerungsansuchen wurde hierzu nicht
gestellt - bis Ende März 2014 nachzureichen, was für die Jahre 2004 bis 2007 und
2009 bis 2011 auch tatsächlich erfolgte. Für 2008 ist wiederum keine Offenlegung der
Kapitaleinkünfte erfolgt, sondern wurde das Schätzungsergebnis akzeptiert. Schließlich
wurde die Einkommensteuer 2004 bis 2011 dann mittels Beschwerdevorentscheidungen
in der Folge auch vermindert. Für die Jahre 2004 bis 2007 und 2009 wurden jedoch
Kapitaleinkünfte - vornehmlich aus Investementfonds - noch immer nicht offengelegt und
erklärt, sondern musssten diese seitens der Finanz eruiert werden (2004: € 3.241,01;
2005: € 165,85; 2006: € 1.586,29; 2007: € 4.483,74; 2009: € 248,60). Es verbleibt
schließlich ein strafbestimmender Wertbetrag an verkürzter Einkommensteuer 2003 bis
2011 in Höhe von € 28.125,33. Die Einkommensteuernachforderungen laut ursprünglichen
Schätzungsbescheiden wurden innerhalb der dortigen einmonatigen Zahlungsfrist
entrichtet.
Die subjektive Tatseite wird nicht bestritten, hier wird auf die Tatbegehungen selbst
verwiesen. Der Beschuldigte ist Inhaber eines Wertpapierdepots mit Kapitalständen
zwischen € 365.549,00 (31.12.2003) und € 496.302,00 (31.12.2011). Kapitalerträge, deren
Steuerpflicht ihm bekannt gewesen sind, sind aber willentlich nicht erklärt und ist dadurch
die Einkommensteuer 2003 bis 2011 jeweils zu niedrig festgesetzt worden.
Wenn der Bf. auf seinen Fristverlängerungsantrag vom 12. November 2013 verweist,
in welchem eine Frist für die Beibringung der Unterlagen bis zum 31. Jänner 2014
beantragt wurde, so ist aus diesem Vorbringen nichts für sein Beschwerdebegehren
gewonnen. Auch wenn keine bescheidmäßige Erledigung des Antrages seitens
des Finanzamtes erfolgte, so hat er jedenfalls unbestrittenermaßen weder bis zu
der vom Finanzamt als angemessen gesetzten Frist bis 18. November 2013 noch
bis zum Zeitpunkt der von ihm beantragten Fristverlängerung auf 31. Jänner 2014
die erforderlichen Bemessungsgrundlagen aus dem Konto/Depot beigebracht bzw.
offengelegt. Ein weiters oder direkt anschließendes Fristverlängerungsansuchen wurde
nicht gestellt.
Es ist daher zweifellos keine Offenlegung der erforderlichen Bemessungsgrundlagen
für 2003 - 2011 im Sinne einer Selbstanzeige erfolgt. Die Selbstanzeige hat durch
diese Nichtoffenlegung in der vom Finanzamt festgesetzten Zeit jedenfalls, auch unter
Berücksichtigung einer Verlängerung der Fristsetzung bis zum 31. Jänner 2014, ihre
strafaufhebende Wirkung verloren.
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Insgesamt liegt somit eine verfehlte Selbstanzeige vor, welcher Umstand durch die
Verhängung der - nahezu - Mindeststrafe im Sinne des § 23 Abs. 4 FinStrG ausreichend
Berücksichtigung gefunden hat.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Kostenentscheidung
Die Verfahrenskosten gründen sich auf § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG in der nunmehr
geltenden Fassung, wonach pauschal ein Kostenersatz im Ausmaß von 10% der
verhängten Geldstrafe, maximal aber ein Betrag von € 500,00 festzusetzen ist.
Zur Zulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision zulässig,
da das Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche
Bedeutung zukommt, nämlich, was als angemessene Frist im Sinne des Art. 10
(Verfolgung von Finanzvergehen bei freiwilliger Meldung) Z 1 des Abkommens zwischen
der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 14.4.2012
über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt samt Schlussakte
einschließlich der dieser beigefügten Erläuterungen angesehen werden kann.
Feldkirch, am 29. Juni 2015
Seite 7 von 7
GZ. RV/5100300/2011
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache Ges2neu als
RNF nach Ges1, Adr, vertreten durch Steuerberater, gegen den Bescheid des FA GVG
vom 6. Oktober 2010, betreffend Grunderwerbsteuer, ErfNr. nr2, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 BundesVerfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
Im Zuge größerer Umstrukturierungsmaßnahmen des Firmengeflechts der Unternehmer
U1, U2, U3 haben im Jahr 2007 parallel zwei Einbringungen nach den Vorschriften
des Art. III UmgrStG und im Jahr 2008 eine Spaltung, Firmenänderungen und
eine Verschmelzung stattgefunden, mit dem Ziel, das unbewegliche Betriebsvermögen
(=Betriebsgebäude) und die Liegenschaftsverwaltung in der Ges2neu, =GmbH, zu
konzentrieren und den operativen Betrieb der Ges2alt, =Betrieb, zu übertragen.
Bei allen Transaktionen sollte jedoch das zivilrechtliche Eigentum an den betrieblich
genutzten Liegenschaften unverändert bei den Unternehmern verbleiben,
sodass Einbringung bzw. Verschmelzung nur das Gebäude nicht hingegen den Grund und
Boden umfasst haben.
Dabei wurden folgende GrESt-pflichtige Vorgänge verwirklicht:
I) ErfNr. nr1:
Einbringung am 25. Oktober 2007 der GCoKG, =G-KG, in die Ges2 mit dem Baurecht
EZB1, =BR 1, ob der Liegenschaft EZ1, =L 1, mit einem Einheitswert von 175.795 €
(GrESt 12.305,69 € selbst berechnet und abgeführt - unstrittig).
II) ErfNr. nr2:
Einbringung am 17. Dezember 2007 der DCoKG, =D-KG, in die Ges1, =Holding, mit dem
Superädifikat auf der Liegenschaft EZ2, =L 2, mit einem (Hilfs-)Einheitswert in Höhe von
201.929 € (GrESt 14.440,26 € - RV/5100300/2011).
III) ErfNr. nr3:
Verschmelzung am 26. September 2008 der übertragenden Holding - mitsamt
dem Superädifikat auf L 2 mit einem Einheitswert von 272.800 € - mit der
übernehmenden GmbH, (GrESt 19.401,23 € - RV/5100299/2011).
Hier gegenständlich ist die Einbringung II) der D-KG in die Holding:
Im Firmenbuch war die D-KG, mit den beiden Kommanditisten U1 und U2 eingetragen.
Einzig persönlich haftende Gesellschafterin der D-KG war die Holding.
Mit Einbringungsvertrag vom 17. Dezember 2007 haben U1 und U2 ihre
Kommanditanteile an der D-KG als Sacheinlage auf Basis der Einbringungsbilanz zum
31. März 2007 gegen Gewährung neuer Anteile in die Holding eingebracht, wodurch
alle Gesellschaftsanteile der D-KG in der Hand der einzig unbeschränkt haftenden
Gesellschafterin vereinigt wurden. Mit dieser Einbringung ist gemäß § 142 UGB die DKG mit allen Aktiven und Passiven im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Holding
übergegangen.
Punkt VII des Einbringungsvertrages lautet:
Festgestellt wird, dass die Liegenschaft L 2 , bestehend aus den Grundstücken
Nr. 2 im Ausmaß von 5.119 m² und Nr. 3 im Ausmaß von 5.430 m², im Hälfteeigentum
der Kommanditisten steht. In steuerlicher Hinsicht stellt die Liegenschaft ein
Sonderbetriebsvermögen dar. Diese Grundstücke werden gemäß § 16 Abs. 5
Z 3 UmgrStG zurückbehalten und zählen ab dem Einbringungsstichtag zum
außerbetrieblichen Vermögen der zivilrechtlichen Eigentümer.
Diese Zurückbehaltung des Sonderbetriebsvermögens stellt keine zivilund sachenrechtliche Übertragung dar und verwirklicht somit keinen
grunderwerbsteuerpflichtigen Sachverhalt.
Die auf diesen Grundstücken Nr. 2 und 3 errichteten Gebäude stehen im steuerlichen
Eigentum der D-KG und sind von der gegenständlichen Einbringung umfasst.
Sachenrechtlich stellen diese Gebäude ein Superädifikat dar.
Punkt XII
Die Parteien erklären, dass diese Einbringung nach den Vorschriften des UmGrStG
erfolgen soll. Sie bestimmen diesen Zweck als Auslegungsregel.
Bis zum 31. Jänner 2006 war die den Kommanditisten gehörende Liegenschaft L 2
mit dem im Grun