Prof. Dr. Michael Möllmann: Strukturen und Organisation des
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Prof. Dr. Michael Möllmann: Strukturen und Organisation des
Ambulantes Operieren Strukturen und Organisation des ambulanten Operationszentrums M. Möllmann Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin St. Franziskus Hospital Münster Warum sollte das Thema für uns wichtig sein ? Ambulante OP‘s: Internationaler Vergleich Kanada USA Dänemark Australien Niederlande Belgien Norwegen Schweden England Finnland Schottland Deutschland Spanien Frankreich Hong Kong Italien Portugal OP Arthroskopie Katarakt LH Curettage Varizen Knoten Brust Dupuytren 0% 20% 40% 60% 80% 100% Toftgard C, Parmentier G: International Terminology in Ambulatory Surgery and its Worldwide Practice. In: Day Surgery – Development and Practice. International Association for Ambulatory Surgery 2006 Deutschland USA 46% 24% 5% 28% 49% 11% 42% 93% 96% 84% 91% 80% 94% 100% St. Franziskus-Hospital Münster 2011 && Operative Eingriffe 28.900 davon ~ 11.000 ambulant Case-Mix-Index Durchschnittliche Verweildauer 1.037 5,6 Tage Ursachen geringer ambulanter Fallzahlen - fehlende haus-/fachärztliche Anbindung - insuffiziente Schmerztherapie - fehlende Strukturen - organisatorisch - baulich - personell - ambulante OPs in stationären Versorgungsstrukturen (Patientenwege, Aufwachraumkapazitäten etc.) - bislang gemäßigter finanzieller Druck - mangelndes Verständnis (Arzt / Patient) - ambulante OP „stören“ stationäre Abläufe und führen dadurch zu einer geringeren Ausnutzung der OP- Kapazitäten Ursachen für ungenutzte OP- Kapazitäten II 25% Patient nicht im OP Kein Anästhesist verfügbar Feste OP- Teams -Operateur und Anästhesist verbleiben den ganzen Tag im OP -Befreiung von Funktionsdiensten 16% Kein Operateur verfügbar 11% Kein Funktionsdienst OP verfügbar 11% Kurzfristige Änderung der Reihenfolge möglich 10% Tischaufbau Sonstiges Unklarheit über nächsten Patienten Anästhesist als perioperativer Manager Warten auf Notfall Saal nicht verfügbar (z.B. Defekt) Intensiv nicht aufnahmebereit Fehlende Unterlagen Anästh. Einwilligung und Aufklärung können am OP-Tag erfolgen Fehlende Einwilligung Anästh. 0% 10% 20% 30% Quelle: M. Schuster, Anästhesist 2007; 56: 259-71 Standortwahl – wo soll operiert werden? 1. In den bisherigen Räumen des Krankenhauses • Vor-/Nachteile • Überschneidung ambulanter und stationärer Prozesse • lange Patientenwege 2. In einem „ambulanten Zentrum am Krankenhaus“ • Vor-/Nachteile •vorhandene KH-Infrastrukturen (Sterilisation, Apotheke, Labor, Radiologie) können genutzt werden •postoperative Versorgung (Medikamente, Verbandsmaterial, Hilfsmittel) ist ohne Aufwand planbar •bei Engpässen ist Rückgriff auf KH-Personal möglich •Reaktionsfähigkeit des KH im Falle von Komplikationen (Wettbewerbsvorteil!) 3. In Dependancen, die als selbständige ambulante Einheiten an anderen Orten vom KH betrieben werden • Vor-/Nachteile •wohnortnahe Versorgung •Anfahrtswege Personal Patientenwege - ein zeitkritischer Faktor • der Weg des Patienten von der Aufnahme zum OP sollte so kurz wie möglich sein • Konzentration auf die Ablauforganisation bei der Planung des Baukörpers Patientenwege - ein zeitkritischer Faktor - Trennung der ambulanten und stationären Patienten- und Materialwege - fachbereichsspezifische OP- Nutzung - hochspezialisierte Eingriffe in einer dafür geeigneten Umgebung Möllmann M. Hemping-Bovenkerk A. (2012) Ambulante Anästhesie – Der Wandel des Anästhesisten zum perioperativen Mediziner. aus DAAF Refresher Course. Band 38, Raumnutzungskonzepte: Ambulatorium • Aufnahme und Überwachungsbereich sollten gleich sein • wünschenswert: kreisrunde Konzeption • dann möglich: EINE Pflegekraft überwacht bis zu 10 Patienten ohne Wegezeiten Raumnutzungskonzepte: Ambulatorium II • EIN Anästhesist versorgt (bei entsprechender Organisationsstruktur!) ohne Parallelnarkosen mit kürzestmöglicher Wechselzeit ZWEI OP-Tische • gleiches gilt für den Operateur • Ideal: zentraler Anästhesiearbeitsplatz „funktionelle Einsaaligkeit bei Nullnahtschnittzeit“ Ablaufplan: Orthopädie Dr. M. 26.06.2012 OP-Plan Beginn 8.00 Uhr 1. Pat. 1: TAS Knie 2. Pat. 2: TAS Schulter 3. Pat. 3: Impingement / Schulter 4. Pat. 4: Dupyutren 5. Pat. 5: ME Radius 6. Pat. 6: Bursektomie / Olecranon OP-Ende 12.00 Uhr Anästhesie-Plan Beginn 7.15 Uhr Pat. 2: Katheter, Ø Med. Pat. 3: Katheter Pat. 1: SPA (z.B. Takipril) Pat. 3: LM Pat. 4: IVR / LM Pat. 5 und 6: Plexus / ITN Anästhesiologische Leistungserbringung • Anästhesiologische Leistungen durch am Krankenhaus angestellte Ärzte Vorteile: • • • • Team kennt sich Prozesse und Strukturen sind bekannt wenig leistungs- und finanzorientiert Anästhesiologische Leistungen durch niedergelassene Anästhesisten Vorteile: • Übereinstimmung hinsichtlich Zeiten / Kosten / Verdienst • Ausweitung der Kernarbeitszeiten möglich Unser Model am SFH: • Ehemalige OA / FA der Hauptabteilung betreiben eine Praxis zuständig für alle ambulanten Anästhesien der Belegärzte / Arztpraxen Denkanstoß: telefonische Prämedikationsanamnese Prämedikationsvisite mittels standardisierter Telefoninterviews Universität Adelaide: -Multicenterstudie -ambulant vorgesehene Patienten -Telefoninterview durch med. Laien anhand eines standardisierten Algorithmus -Automat. Anpassung des Algorithmus an gegebene Antworten -Ergebnis: - Anamneseprotokoll - Empfehlung notwendiger Voruntersuchung - Durchführung und Befundung der Voruntersuchung durch Hausarzt Ludbrook et al. bislang unveröffentlichte Daten - 60% Reduktion der pers. Visiten sichere Identifikation von Risikopatienten Zeitersparnis am OP-Tag, da nur noch Risikoaufklärung erforderlich Reduktion unzureichender Anamnesen Denkanstoß: Ausweitung des OP- Spektrums J Arthroplasty 2005 Oct 20 (7 Suppl 3): 33-8 Outpatient total knee arthroplasty with a minimally invasive technique. Berger RA, Sanders S, Gerlinger T, Della Valle C, Jacobs JJ, Rosenberg AG. Department of Orthopaedic Surgery, Rush Medical College, RushPresbyterian-St Luke's Medical Center, Chicago, Illinois 60612, USA. Abstract Fifty consecutive patients were enrolled in this prospective study. This was 37% of the 135 patients undergoing primary total knee arthroplasty (TKA) by one surgeon. The average patient age was 68 years (50-79 years). A comprehensive perioperative management pathway was developed and was implemented, which combined regional anesthesia with a minimally invasive, TKA technique in which the only incision in the capsule and extensor mechanism is a capsular incision from the joint line to the superior pole of the patella. Postoperatively, patients received oral analgesia. After specific discharge criteria were met, 48 patients (96%) chose to go home the day of surgery. No intraoperative complications occurred. There were 3 readmissions, none related to early discharge: gastrointestinal bleed at 8 days, superficial irrigation and debridement at 21 days, and a closed manipulation at 9 weeks. This study demonstrates that, in these selected patients, outpatient TKA was safe with no short-term readmission or complications related to early discharge. This comprehensive pathway may make it possible for this minimally invasive TKA to be done as an outpatient in specialized surgicenters in the future. Schonende Operationstechnik Kombination Allgemeinanästhesie / regionalanästhesiologische Verfahren Adäquate Schmerztherapie Frühe Mobilisation Denkanstoß: Ausweitung des OP- Spektrums Würden Sie diese Patienten ambulant operieren ? Denkanstoß: Ausweitung des OP- Spektrums Das Risiko ist kalkulierbar Patient Pulmonale Erkrankungen Kardiovaskuläre Erkrankungen Risiko Demenz Lebensalter Gewebetrauma Blutverlust OP-Dauer Operation Denkanstoß: ambulante Regionalanästhesie - Verbesserung der perioperativen Schmerztherapie durch konsequente Verwendung von Regionalanästhesieverfahren6 - Lediglich 9% der deutschen ambulant tätigen Zentren nutzen RA- Verfahren7 - Entlassung mit noch bestehender Blockade1 oder mit liegendem RA- Katheter2 - Verwendung elastomerischer Einwegpumpen3,4,5 - Feste Laufrate - Entfernung durch Patienten 1 Klein SM et al. (2002) Ambulatory discharge after long-acting peripheral nerve blockade: 2382 blocks with ropivacaine. Anesth Analg 94:65-70 2 Cheng GS, Choy LP, Ilfeld BM (2008) Regional anesthesia at home. Curr Opin Anaesthesiol 21:488-493 3 Klein SM (2002) Beyond the hospital: continous peripheral nerve blocks at home. Anesthesiology 96:1283-1285 4 Klein SM et al. (2000) Interscalene brachial plexus block with a continous catheter insertion system and a disposable infusion pump. Anesth Analg 91:14731478 5 Klein SM et al. (1999) Major ambulatory surgery with continous regiona anesthesia and a disposable infusion pump. Anesthesiology 91:563-565 6 Segerdahl M et al. (2008) Children in day surgery: Clinical practice and routines. The results from a nation- wide survey. Acta Anaesthesiol Scand 52:821828 7 Lux EA, Stamer U, Meissner W et al. (2008) Postoperative pain after ambulatory surgery. Schmerz 22:171-175 Denkanstoß: Unterkunftskonzepte Schaffung neuer low- care Unterkunftskonzepte für - alleinlebende Patienten - Patienten in schwer zugänglicher Wohnung Hotelähnliche Unterkunft mit: räumlicher Nähe zum Krankenhaus/OP- Zentrum Alarmierungsmöglichkeiten mobiles Monitoring (EKG oder SpO2) ohne: fachärztliche/fachpflegerische Besetzung Kostenübernahme durch Krankenkasse Fazit - - Ausweitung ambulanter Eingriffe zwingend erforderlich Anbindung an bestehende KH- Strukturen zur Nutzung von Synergieeffekten sinnvoll - Keine Überschneidung mit stationärer Patientenversorgung Emanzipation des Anästhesisten vom Kernleistungserbringer hin zum perioperativen Mediziner - Übernahme von Managementfunktionen - Operateur ist der Kernleistungserbringer - Wahrnehmung originärer anästhesiologischer Aufgaben: Prämedikation / Schmerztherapie • ein Ausbau des ambulanten Operierens erfordert das Aufbrechen bisheriger Strukturen und die generelle Bereitschaft neue Wege zu gehen fernab bisheriger Prozesse und Verfahrensweisen • die Wahl des Anästhesieverfahrens ist nur ein Teilaspekt