Der andere Drogenbericht - Drogen Macht Welt Schmerz
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Der andere Drogenbericht - Drogen Macht Welt Schmerz
Bürgerkrieg Bodenerosion Waldrodung Geldwäsche Vertreibung Hunger Landraub Mexiko Afghanistan Kokain Crack Mafia Korruption Umweltschäden Kolumbien Der andere Drogenbericht Drogen Macht Welt Schmerz Der andere Drogenbericht Impressum Herausgeber: EarthLink e.V. Projekt „Drogen und Entwicklung“ Frohschammerstr. 14 D-80807 München T: +49 - 89 - 35 65 21 02 F: +49 - 89 - 35 65 21 06 E-Mail: info@earthlink.de www.earthlink.de www.drogenmachtweltschmerz.de Text Nicoleta Schwachulla, Christian Wanninger, Bernhard Henselmann, Lydia Stehberger Umschlag und Layout Lydia Stehberger, Bernhard Henselmann Mitarbeit, Recherchen Förderhinweis Wir danken der Aktion Mensch - dieGesellschafter.de und Mission EineWelt sehr herzlich für die Finanzierung dieser Broschüre im Rahmen unseres Projektes „Drogen und Entwicklung“. Susanne André, Christina Fuchs, David Hentschel, Katja Höreth, Einar Kaufmann, Markus Maier, Andrew Meggs, Marion Perz, Amrei Pirzer, Paulina Reinartz, Kristin Schall, Alexandra Schmitt, Fabian Spörer, Janik Stövhase, Markus Treml, Monika Wagner, Elisa Lina Wege, Verena Wellenhofer, Susanne Wildgruber Druck Laserline, 13355 Berlin, 12/2010 gedruckt auf Recyclingpapier aus 100% Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Umweltengel 2 Drogen Macht Welt Schmerz Inhaltsverzeichnis Warum ein anderer Drogenbericht? ........................................................ 4 Weltweiter Drogenkonsum .................................................................... 5 Vom Kokablatt zum Kokain ................................................................... 6 Vom Mohn zum Heroin ......................................................................... 7 Vom Hanf zu Haschisch und Marihuana ................................................... 9 Politische Folgen ............................................................................... 11 Wirtschaftliche Folgen ........................................................................ 12 Soziale Folgen ................................................................................... 13 Ökologische Folgen ............................................................................ 15 Maßnahmen gegen Drogenanbau ......................................................... 16 Quellen und weiterführende Literatur ................................................... 18 Der andere Drogenbericht 3 Warum ein anderer Drogenbericht? Öffentlichkeitswirksam werden wir seit langem vor den Gefahren des Drogenkonsums für unsere Gesundheit und Gesellschaft gewarnt. Der Blick auf die Konsequenzen in Entwicklungsländern bleibt aber verstellt. Dabei sind Drogenkonsum und Entwicklungsprobleme eng miteinander verflochten. So führen Produktion, Handel und Konsum illegaler, pflanzenbasierter Drogen zu schwerwiegenden entwicklungspolitisch relevanten Folgen, die in dieser Broschüre dargestellt werden. Weltweit ist die Nachfrage nach pflanzenbasierten Drogen, wie Kokain, Heroin oder auch Cannabis ungebrochen hoch. In den Anbauländern herrschen Armut und soziale Probleme. Fehlende staatliche Strukturen und mangelnde Rechtsstaatlichkeit, Korruption und bewaffnete Konflikte begünstigen Anbau, Produktion und Handel illegaler Drogen. Ökonomische Strukturen richten sich auf einen illegalen Markt aus. Zunehmend entsteht eine wirtschaftliche Abhängigkeit. In Verbindung mit geschwächten politischen Strukturen werden nachhaltige Entwicklungsprozesse behindert. Die entwicklungspolitisch relevanten Folgen sind zahlreich und eng miteinander verwoben. Neben sozialen Folgen, wie der Gefährdung der indigenen Bevölkerung in den jeweiligen Anbaugebieten oder komplexen innerstaatlichen sozialen Spannungen zwischen Polizei, Drogenmafia und Bevölkerung, haben Drogenanbau, -handel und -konsum auch volkswirtschaftliche Konsequenzen. Davon berührt werden zum Beispiel Arbeitsmarkt und Steuern oder die Finanzierung von Polizei und Justiz. Zu den politischen Folgen zählen die Destabilisierung des Staates, Begünstigung von Bürgerkriegen, Korruption und Kriminalität sowie Menschenrechtsverletzungen. Ökologische Folgen ergeben sich beispielsweise aus der Abholzung des Regenwalds sowie durch Vergiftung und Verseuchung von Böden und Gewässern, vor allem durch drogenbekämpfende Maßnahmen. Schließlich gefährdet die zunehmende Drogenabhängigkeit in den Anbauländern bestehende Familienstrukturen. Um diesen entwicklungspolitisch relevanten Folgen entgegenzutreten, wurden eine Reihe von Maßnahmen entwickelt: So unterstützt die Entwicklungsorientierte Drogenpolitik nationale Strategien in Entwicklungs- und Transformationsländern, um die negativen Folgen des Drogenanbaus und -handels zu minimieren. Subventionen von exklusiven Nischenprodukten werden als Alternativen zum Anbau von Drogenpflanzen gefördert. Daneben gibt es repressive staatliche Drogenvernichtungsmaßnahmen, die Teil eines strategischen Sicherheitskonzeptes sind. 4 Drogen Macht Welt Schmerz Weltweiter Drogenkonsum Nach Angaben des UNO-Büros gegen Drogen und Verbrechen (UNODC), konsumierten im Jahr 2009 185 Millionen Menschen, das sind drei Prozent der Weltbevölkerung, illegale Drogen. Die Mehrheit von ihnen, nämlich 150 Millionen, konsumierten Cannabis. Es gab 15 Millionen Konsumenten von Opiaten, wie Heroin, Morphium oder Opium und 13 Millionen Menschen nahmen Kokain. Etwa 70 Millionen EU-Bürger haben mindestens einmal Cannabis konsumiert, 23 Millionen Menschen in den vergangenen zwölf Monaten. Rund drei Millionen konsumieren fast täglich Cannabis. Damit bleibt Cannabis die am häufigsten konsumierte illegale Droge in Europa. An zweiter Stelle folgt Kokain, das zunehmend Modedrogen, wie Ecstasy, wieder ablöst. Vier Prozent aller erwachsenen Europäer haben schon einmal das weiße Pulver geschnupft, gespritzt oder geschluckt. Die meisten Drogenkonsumenten der Welt leben in den USA. Neben Cannabis finden Kokain und synthetische Drogen einen großen Absatz. Rund 40 Prozent der Amerikaner haben schon einmal Marihuana konsumiert. Seit 40 Jahren kämpft die US-Regierung gegen den Handel und den Konsum von Drogen – jedoch ohne dauerhaften Erfolg. In den Großstädten Afrikas stellt die wachsende Verbreitung von harten Drogen ein gravierendes Problem dar. War Afrika zunächst nur als Transitland für den internationalen Drogenhandel interessant, so sind in den vergangenen Jahren afrikanische Drogenhändler massiv in den internationalen Rauschgifthandel eingestiegen. Heute landet ein Teil der Schmuggelware auf den lokalen Märkten. Die UN-Drogenkommission schätzt die Zahl der Kokainkonsumenten in Afrika auf 1,1 Millionen. In Asien steigt der Konsum dieser Rauschmittel mit wachsendem Wohlstand. Aber auch in Afghanistan ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Drogenabhängigen dramatisch gestiegen. Eine Million Afghanen greifen regelmäßig zu Opiaten, aber auch zu Marihuana sowie Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Der Anteil der Süchtigen an der Bevölkerung ist demnach mit acht Prozent etwa doppelt so hoch wie im weltweiten Durchschnitt. Auf der arabischen Halbinsel, wie z.B. im Jemen, wird insbesondere die Droge Khat konsumiert. In den Slums Südamerikas verbreiten sich zunehmend unter dem Begriff „Paco“ Rauschmittel, die als Neben- und Abfallprodukte bei der Kokainproduktion anfallen. Klebrige Brösel werden mit diversen Substanzen gestreckt, z.B. mit Putzmitteln, Antibiotika und Rattengift. Eine Portion Paco kostet umgerechnet weniger als einen Euro. Mittlerweile hat Paco das Leimschnüffeln ersetzt. Paco schädigt Lunge, Herz, Leber und das Gehirn. Viele Süchtige leiden unter Psychosen, die meisten werden gewalttätig. Der andere Drogenbericht Nigerianische Drogenbanden kontrollieren heute bereits ein Fünftel des Heroinmarkts in New York und haben z.B. auch den südafrikanischen Markt weitgehend unter sich aufgeteilt. Seit es in Agentinien Kokainküchen gibt, verbreitet sich die Billigdroge Paco. Die argentinische Wirtschaftskrise von 2001 gilt mit als Grund. Zehntausende sind von der Droge abhängig. Sieben Paco-Süchtige sterben täglich. 5 Vom Kokablatt zum Kokain Anbau, Produktion und Transitrouten Aus der Kokapflanze wird Kokain bzw. Crack hergestellt, indem die frischen Blätter der Pflanze zunächst zu Kokapaste verarbeitet werden. Dies findet vorzugsweise direkt in den Anbaugebieten statt. Durch die Zugabe von Chemikalien wie Kerosin, Karbonaten oder Schwefelsäure und das Stampfen oder Auspressen der Blätter wird die Kokapaste gewonnen, die andernorts zu Kokain weiterverarbeitet wird. Die Hauptanbaugebiete der Kokapflanze liegen in den südamerikanischen Staaten Kolumbien, Peru und Bolivien, besonders an den Ostabhängen der Anden in Höhenlagen von 1.000 bis 2.000 Metern, aber auch in den tropischen Tieflandgebieten Perus und den bolivianischen Yungas. In kleineren Einheiten (0,25 bis 0,5 Hektar) werden – angepasst an die topographische Lage - durch Terrassenanbau Kokapflanzen kultiviert. Neben klimatisch günstigen Bedingungen sind auch strukturelle Gegebenheiten mit verantwortlich für die dortige Verbreitung der Kokapflanze: Die Unerschlossenheit großer Gebiete in den Subtropen und die damit verbundene fehlende staatliche Kontrolle sowie ein hohes Angebot an Arbeitskräften, Ernteeinbrüche, Wirtschaftskrisen oder politische Konflikte begünstigen den Anbau. Die Schwäche staatlicher Strukturen fördert kriminelle Netzwerke. Koka-Anbau und Konsum werden in Südamerika bereits seit circa 5.000 Jahren für medizinische und rituelle Zwecke betrieben und haben daher traditionelle Wurzeln. Seit langer Zeit steigern Hochlandbauern und Bergwerksarbeiter ihr Durchhaltevermögen mit Koka. Außerdem kann aus den Blättern Tee hergestellt werden, der gegen die Höhenkrankheit hilft. Das Kauen der Blätter unterdrückt das Hungergefühl. Über die weltweit größten Anbauflächen verfügt mittlerweile Kolumbien, nachdem es seit den 90er Jahren zu einer Verschiebung der Anbauregionen von Peru und Bolivien kam. Laut dem World Drug Report 2009 ist die Gesamtanbaufläche von Koka um 8 Prozent zurückgegangen und liegt nun bei 167.000 Hektar. Verantwortlich dafür ist ein massiver Rückgang der Anbauflächen von 18 Prozent in Kolumbien durch Vernichtungskampagnen. Aufgrund der traditionellen Verwurzelung des Kokaanbaus ist die rechtliche Situation in den einzelnen Ländern unterschiedlich. Während der Anbau der Kokapflanze in Kolumbien verboten ist und geahndet wird, herrschen in Bolivien unterschiedliche Gesetze: Der Anbau für die Drogenherstellung ist verboten, aber es gibt auch speziell ausgewiesene Zonen, in denen der Anbau für traditionelle Konsumformen erlaubt ist. In Peru ist der Kokaanbau grundsätzlich nicht illegal, wird jedoch von der halbstaatlichen Behörde ENACO (Empresa Nacional de Coca) überprüft. In allen genannten Ländern ist aber die Herstellung von chemisch veränderten Derivaten verboten. Schätzungen der Interpol-Lyon zufolge gelangen jährlich etwa 150 Tonnen Kokain aus Südamerika nach Europa – teils über Transitländer, teils auf direktem Weg. Aufgrund ihrer geographischen Lage zählen Venezuela, die Karibikstaaten, Brasilien, Ecuador und Mexiko zu den bedeutendsten Transitstaaten. Venezuela bietet sich durch seine benachbarte Lage und seine direkten Flugverbindungen nach Europa als Transitland an. Die karibischen Inseln bieten den Dro6 Drogen Macht Welt Schmerz genhändlern eine ideale geografische Ausgangslage, da sie günstig zwischen Südamerika, den USA und Europa gelegen sind und nahezu unmöglich überwacht werden können. Mexiko gilt als das wichtigste Transitland für den Schmuggel in die USA. Der Drogenschmuggel läuft zum Großteil über den Seeweg und den Luftweg ab. In Europa zählen Spanien und die Niederlande zu den größten Einfallstoren für geschmuggeltes Kokain aus Südamerika. Seit 2009 kommt es vermehrt dazu, dass Schmuggelrouten geändert werden, um US-amerikanischen und britischen Marinekontrollen zu entgehen. Die Balkanstaaten, die eigentlich dem Heroinschmuggel aus Afghanistan und Zentralasien nach Westeuropa dienten, werden zunehmend auch für den Kokainschmuggel verwendet. Oft sind es Staaten mit schwachen Regierungsstrukturen, die von Drogenschmugglern als Transitländer bestimmt werden. Seit relativ kurzer Zeit kommt es auch in Westafrika im sogenannten „eurafrikanischen Korridor“ dazu, dass Kokainvorräte angelegt werden, die von dort entweder direkt oder über den Balkan nach Europa aber auch nach Russland, Asien und Australien transportiert werden. Vom Mohn zum Heroin Anbau, Produktion und Transitrouten Wie das latina-press Nachrichtenportal berichtet, wurde in einem Grenzfluss zwischen Ecuador und Kolumbien ein U-Boot beschlagnahmt, das offensichtlich für den Schmuggel von Kokain durch den Pazifik entwickelt wurde. Überrascht waren die Beamten von der Hightech-Ausrüstung des Bootes. In den letzten Jahren wurden vor den süd- und mittel-amerikanischen Küsten vermehrt UBoote mit Kokainladungen aufgehalten. Heroin wird aus Rohopium, dem eingetrockneten Milchsaft des Schlafmohns (papaver somniferum) gewonnen. Durch Röstung des Rohopiums, Extraktion der Röstung und mehrmonatige Fermentation mit einem Pilz entsteht das rauchbare Opium: „Chandu“. Heroin gewinnt man, indem das Morphium aus dem Rohopium extrahiert und mittels einer chemischen Reaktion mit Essigsäure in Diacetylmorphin umgewandelt wird. Dieser Substanz gab man wegen seiner „heroischen“ Wirkung den Namen Heroin. Es gibt zwei Hauptanbaugebiete für Schlafmohn: Das „Goldene Dreieck“ und den „Goldenen Halbmond“. Goldenes Dreieck Das „Goldene Dreieck“ umfasst eine Region im Grenzgebiet der drei Staaten Myanmar, Laos und Thailand, in der Schlafmohn zur Opiumbzw. Heroinherstellung angebaut wird. Der Name leitet sich zum einen von der geometrischen Form der drei Länder ab, zum anderen vom Gold, das chinesischen Händlern zu Beginn des Handels zur Bezahlung diente. Die Regierungen der Staaten des Goldenen Dreiecks gehen in unterschiedlicher Schärfe gegen den Mohnanbau vor. In Thailand, wo der Anbau inzwischen illegal ist sowie in Laos bemühen sich die Regierungen, den Tourismus als Ersatzeinkommensquelle zu etablieren. Seit 1996 sind in Laos Produktion, Handel und Gebrauch von Opium strafbar, allerdings sind noch immer zehntausende Laoten opiumabhängig. Myanmar gilt nach wie vor als weltweit zweitgrößter Opiumproduzent nach Afghanistan. Das Opium stammt hier hauptsächlich aus der autonomen „special region 2“ im Shan Staat im Nordosten Myanmars. Laut einem Bericht des Büros der Vereinten Nationen zur Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) aus dem Jahr 2009 ist der Mohnanbau in Südostasien inzwischen sehr zurückgegangen Der andere Drogenbericht 7 Das Opium gelangte nach dem Sieg der Kommunisten in China in die Region des Goldenen Dreiecks, als einige ethnische Minderheiten aus China flohen, bei denen das Rauchen von Opium eine lange Tradition hat. Opium stellte für sie die wichtigste Einkommensquelle dar und so entstand ein reger Handel. Als der Absatzmarkt für Rauschgift während des Vietnamkriegs Ende der 60er Jahre stark anstieg, wurde das Goldene Dreieck immer bedeutsamer. Auch nach Ende des Krieges stieg die Produktion weiter an, da die Nachfrage aus dem Westen größer wurde. und beträgt mit 34.000 Hektar nur noch ein Viertel der Produktionsmenge Afghanistans. Thailand zählt aufgrund seiner verschwindend geringen offiziellen Produktionsmenge nicht mehr zu den Mohnanbauländern. Dennoch nehmen laut Zeitungsberichten illegaler Drogenhandel und -anbau wieder zu. Obwohl Grenzkontrollen vermehrt wurden, kann Thailand dem Problem kaum beikommen, wenn nicht die nördlichen Nachbarländer, sprich Laos und Myanmar, selbst wirksame Maßnahmen ergreifen. Myanmar verzeichnete in den Jahren 2008 bis 2009 eine Steigerung der Produktion von 11 Prozent. In Laos stieg die Produktion im Vergleich zum Vorjahr um 19 Prozent an, ist insgesamt mit nur 1.900 Hektar aber relativ gering. Heroin aus Südostasien wird vermehrt über Bangladesch geschmuggelt. Die geographische Lage des Landes an den Grenzen von Myanmar und Indien macht es für den Heroinschmuggel zu einem äußerst günstigen Transitland. Drogenkuriere aus Pakistan, Autos und Züge aus Indien, Schiffe über den Seeweg der Bucht von Bengalen oder Überlandtransporte mit Lastwagen und öffentlichen Verkehrsmitteln - es gibt zahlreiche Schmuggelwege für Heroin aus Myanmar und anderen südostasiatischen Staaten nach Bangladesch. Hauptumschlagsplatz ist – neben dem Flughafen – der Hafen von Chittagong. Bedient werden hauptsächlich Südafrika und Kanada, die per Schiffstransport gut erreicht werden können. Goldener Halbmond „Goldener Halbmond“ nennt man Asiens Hauptproduktionsgebiet für illegales Opium. Die Gebirgszüge von Afghanistan, dem Iran und Pakistan bilden die Halbmondform. Nach einem aktuellen Bericht der UN stammen 93 Prozent des weltweit produzierten Opiums aus Afghanistan. Während in den 80er Jahren das Goldene Dreieck (Myanmar, Laos und Thailand) den Drogenweltmarkt bediente, hat der Goldene Halbmond heute fast eine Monopolstellung. Nahezu verdreifacht haben sich die Anbauflächen in Afghanistan seit der Invasion durch die USA im Jahr 2001. Allein im Jahr 2009 stieg der Ertrag um ein Drittel auf 8.200 Tonnen jährlich. Weil die Nachfrage annähernd konstant geblieben ist, lagern die Taliban überschüssiges Opium als „Schwarzmarktdevise“ ein. Afghanische Bauern erhalten etwa 122 Dollar für ein Kilogramm Rohopium. Die Taliban verlängern die inländische Wertschöpfungskette, indem sie das rohe Opium vor Ort direkt weiterverarbeiten: In einfachen Kesseln wird es mit kochendem Wasser und Kalk verrührt, dabei sinken die meisten Pflanzenbestandteile zu Boden. An der Oberfläche bildet sich eine graue Morphiumschicht. Das Morphium wird abgeschöpft, mit Ammoniak gewaschen, gefiltert und in der Sonne getrocknet. Die so entstandene Morphinbase ist nahezu geruchlos, formbar und lässt sich bequem in Plattenform schmuggeln. Bis vor kurzem fand die weitere, technisch aufwändige Verarbeitung zu Heroin weitgehend im Ausland statt, hauptsächlich in der Türkei. Neuerdings rüsten jedoch auch afghanische Labore auf und stellen nicht nur Morphinbase, sondern auch gelbes oder weißes Heroin her. Aus zehn Kilogramm Opium wird etwa ein Kilogramm Heroin. Neben Heroin werden auch Haschisch und Kokain im Goldenen Halbmond produziert. 80 Prozent des afghanischen Bestandes wird über die „Balkanroute“ nach Westeuropa geschmuggelt. Von Afghanistan führt der Schmug- 8 Drogen Macht Welt Schmerz gelweg über den Iran, die Türkei und die Balkanländer zu den verschiedenen Zielen in Westeuropa. Auch entlang dieser Route floriert der Drogenmarkt. Ein Kilogramm Heroin kostet in Afghanistan selbst 2.000 bis 2.500 US-Dollar, an der Grenze zu Pakistan bereits 3.000, im Iran schon 5.000 Dollar. Sobald das Heroin dann über die Türkei Europa erreicht, kostet das Kilogramm 8.000 Dollar. Obwohl in der Türkei und im Iran oft große Mengen an Drogen beschlagnahmt werden, landet der Großteil des Heroins in Europa. Nachdem es die Türkei passiert hat, erreicht es Bulgarien, danach wird es über die anderen Balkanländer hauptsächlich nach Deutschland und die Niederlande transportiert, von wo aus es weiter nach Spanien, Großbritannien und Frankreich geschmuggelt wird. In den Transitländern besteht neben dem Konsum der Drogen auch das Problem der Bildung krimineller Strukturen. Die zweite, weniger frequentierte Route ist die „Seidenroute“, über die das Heroin nach Russland oder auch Europa geschmuggelt wird. Transitländer sind Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Kirgistan und Kasachstan. In Europa wird es nach Polen, Tschechien und die Balkanländer geliefert. Afghanisches Heroin wird aber auch vermehrt über Indien nach Europa und Nordamerika geschmuggelt. Hier wird der Landweg über Pakistan, Nepal und Bangladesch genutzt. Die Stadt Mumbai hat sich zu einem der wichtigsten Geschäfts- und Schmuggelzentren entwickelt. Vom Hanf zu Haschisch und Marihuana Anbau, Produktion und Transitrouten Die Cannabispflanze Hanf wird weltweit angebaut und begründet in Bezug auf das Produktionsvolumen und die Konsumentenzahl den weltweit größten illegalen Drogenmarkt. Dem Weltdrogenbericht von 2009 zufolge steht Marokko mit der größten Anbaufläche von 60.000 Hektar an der Spitze, gefolgt von Mexiko, Paraguay und Kasachstan. Auch in Südafrika, Kolumbien, den USA und Kanada wird Hanf in großem Stil angebaut. In Europa sind die bedeutendsten Cannabisproduzenten die Niederlande, Albanien und die Schweiz. In den Niederlanden wurde in den vergangenen Jahren der Gewächshausanbau erheblich ausgebaut. Obwohl in Albanien große Cannabisplantagen entstanden, bleibt Marokko der Hauptlieferant für den europäischen Markt. Die bekanntesten Verwendungsformen für Hanf sind Marihuana, Haschisch und Haschischöl. Marihuana wird aus den getrockneten weiblichen Blütenständen gewonnen und geraucht. Haschisch ist das gepresste Harz, das geraucht oder in Speisen konsumiert wird. Aus der Pflanze extrahiert wird Haschischöl verdampft und eingeatmet oder gelutscht. Lateinamerikanisches Cannabis wird entweder in die USA geschmuggelt oder über die karibischen Häfen nach Europa geschifft. Auch in den mittleren und südlichen Ländern Afrikas wird Cannabis angebaut: Hanfkraut aus den kleineren Staaten Lesotho, Malawi und Swaziland wird über Südafrika mit Schiff oder Flugzeug nach Europa transporDer andere Drogenbericht 9 tiert. Annähernd die Hälfte des beschlagnahmten Haschischs wird in Spanien sichergestellt, gefolgt von Marokko und Frankreich. In Pakistan wird neben landeseigenem Haschisch auch Cannabis aus Afghanistan beschlagnahmt. In den vergangenen Jahren erlangten auch zentralasiatische Staaten wie Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kasachstan als Produktions- und Transitländer für Cannabis zunehmende Bedeutung. Diese „Seidenroute“ hat die klassische „Balkanroute“ über den Bosporus uninteressant werden lassen. In Europa sind Amsterdam, London und Kopenhagen Hauptumschlagplätze für Cannabisprodukte. 10 Drogen Macht Welt Schmerz Politische Folgen Die Drogenwirtschaft beschädigt zielgerichtet demokratische Strukturen und schwächt systematisch die demokratische Entwicklung in den Drogenanbau-, -produktions- und -transitländern. Drogengelder finanzieren Wahlkampfkampagnen für Politiker aller Lager und führen diese damit in eine dauerhafte Abhängigkeit. Polizei, Justiz, Politiker und Journalisten werden bestochen, korrumpiert und eingeschüchtert. Elementare demokratische Grundrechte, wie Pressefreiheit, Gewaltenteilung und freie Wahlen werden massiv gefährdet und zum Teil außer Kraft gesetzt. Mit Geldern aus dem illegalen Drogenhandel werden Waffen, Munitionen und Sprengstoff für terroristische Aktivitäten gekauft um Staaten weltweit zu destabilisieren. Verletzung von Menschenrechten, Destabilisierung des Staates und Korruption am Beispiel Mexikos Im Jahr 2002 haben amerikanische Bundesermittler erstmals direkte Verbindungen zwischen dem Drogenhandel in den USA und der Finanzierung von Terroristen in Übersee aufdecken können, wie etwa die Hisbollah. Dem mexikanischen Präsidenten Felipe Calderóns droht das staatliche Machtmonopol zunehmend aus den Händen zu gleiten. In Mexiko führt das Militär immer mehr Aufgaben der öffentlichen Sicherheit aus und erhält Vorrechte, die ihre Autonomie stärken. Die in einer Demokratie notwendige zivile Kontrolle über die Armee schwindet. Besonders bedrohlich wirkt die Unvorhersehbarkeit der Abfolge, in der ganze Regionen und Städte in den Griff der Drogenmafia fallen. Mexikos Drogenkartelle expandieren auch in Richtung Süden und destabilisieren damit auch andere Staaten. Die Provinz Huehuetenango im Norden Guatemalas an der Grenze zu Mexiko ist schon ganz in der Hand des mexikanischen Golf-Kartells. Der guatemaltekische Präsident Colom sandte im Dezember vergangenen Jahres tausende Soldaten an die Grenze, damit das organisierte Verbrechen aus Mexiko nicht noch andere Regionen des Staates unter Kontrolle nimmt. Mexikanische Drogenbanden operieren in 41 Ländern. In Argen-tinien, Paraguay, Venezuela, Bolivien und den mittelamerikanischen Staaten haben sie bereits eine kriminelle Infrastruktur aufgebaut. Der Drogenhandel schwächt und beschädigt die Demokratien in Mittel- und Lateinamerika. Die UNO schätzt, dass bis zu 60 Prozent der mexikanischen Bürgermeister geschäftlich oder durch Freundschafts- oder Familienbeziehungen mit dem organisierten Drogenhandel verbunden sind. Korruption, die in Mexiko schon seit vielen Jahren verbreitet ist, hat durch zunehmende Drogengeschäfte eine neue Dimension angenommen. Die Gewinne aus dem Drogenhandel werden zu Teilen dazu genutzt, die Kooperation oder das „Wegsehen“ der Behörden oder einzelner Beamter zu erkaufen. Falls diese nicht bestechlich sind, kommen auch Einschüchterungen und Todesdrohungen zum Einsatz. Während des anhaltenden mexikanischen Drogenkriegs wurden schon tausende Menschen ermordet, darunter zahlreiche Politiker, Justizbeamte und Journalisten. Die Korruption hat auch auf die Polizei übergegriffen. Jedes Jahr werden hunderte von Polizisten oder sogar ganze Einheiten entlassen, die mit den Drogenhändlern Geschäfte gemacht haben. Die Drogenkartelle erzielen aus dem Verkauf von Kokain, Heroin, Marihuana und chemischen Drogen einen jährlichen Gewinn von circa 250 Mrd. US-Dollar. Davon werden schätzungsweise 350 MilDer andere Drogenbericht 11 lionen US-Dollar für die Korrumpierung von Behördenmitarbeitern aufgewendet. Afghanistans Drogenkarriere: Politische Abhängigkeiten und Verstrickungen Dem amtierenden Präsidenten Hamid Karzai wird Untätigkeit im Kampf gegen den Drogenhandel vorgeworfen. Grund hierfür sei die Verstrickung von hochrangigen afghanischen Politikern in die Drogenindustrie. Präsident Karzai verfügt über eine äußerst schwache Machtbasis, die er bei Laune halten muss, will er nicht die Unterstützung der Legislative verlieren, die sonst seine Politik blockieren würde. Es wird von der Versteigerung des Polizeipostens in Drogenanbaugebieten in Afghanistan an den Höchstbietenden berichtet. Eine sechsmonatige Ernennung mit einem Monatsgehalt von 60 US-Dollar kostet 100.000 US-Dollar, garantiert aber die administrative und polizeiliche Macht im Distrikt. Eine strengere Mahnung der westlichen Staaten erfolgt nicht, da die afghanische Regierung sonst auf nationaler Ebene noch schwächer erscheinen würde. Da der Süden des Landes weiterhin kaum staatlicher Kontrolle unterliegt, ist es für Mitglieder der politischen Gremien - meist frühere Kriegsherren - relativ einfach, sich in einer ordnungspolitischen Grauzone zu bewegen und Profite aus der Drogen- und Schattenwirtschaft rein zu waschen. Politik, Verwaltung und Drogenmafia sind in Afghanistan von der obersten bis zur untersten Distriktebene miteinander verwoben. Die Polizei in den Drogenanbaugebieten ist hochgradig korrupt. So müssen Bauern für den „Schutz“ ihrer Mohnfelder zahlen oder es wird Opium konfisziert und dann von der Polizei selbst weiterverkauft. Auch für die Ausschaltung von Konkurrenz im Drogenhandel fließt Schmiergeld an die Polizei. Wirtschaftliche Folgen Drogenökonomie Produktion, Handel und Konsum von Drogen beeinflussen die Ökonomie eines Staates, zum Teil sogar sehr ähnlich wie legale wirtschaftliche Betätigungen. Die Drogenwirtschaft trägt zum Wirtschaftswachstum bei und schlägt sich in vielen Staaten deutlich im Bruttoinlandsprodukt nieder. In Kolumbien sind es beispielsweise etwa 8 Prozent. Einige Länder, wie zum Beispiel Peru und Bolivien, hängen mitunter stark von der Drogenwirtschaft ab. Der Anbau von Pflanzen für die Produktion illegaler Drogen führt zu wirtschaftlicher Abhängigkeit und zur Ausrichtung der ökonomischen Strukturen auf einen illegalen Markt. Durch die hohe Lukrativität des Drogenhandels werden legale wirtschaftliche Aktivitäten vernachlässigt. Oft passen sich die lokalen, sozialen und politischen Strukturen dieser Entwicklung an. Die Vermögensverteilung in einem Land verschiebt sich noch mehr zugunsten von Wenigen. Für die Interessen des Staates ist diese einflussreiche Drogenökonomie ambivalent. Auf der einen Seite wird generell die staatliche Zahlungsbilanz verbessert, genauso wie Dollarliquidität und Währungsstabilität. Investitionen durch Gelder aus dem Drogenhandel können zudem legale Arbeitsplätze schaffen. Auf der anderen Seite führt eine aus der Drogenökonomie resultierende Überbewertung der nationalen Währung zu verringerten Exportchancen. Verschlechterte Bedingungen für ausländische Investoren sowie die scheinbare NichtLukrativität legaler Geschäfte sind weitere Probleme. Die illegale Ge- 12 Drogen Macht Welt Schmerz winnabschöpfung der Drogenhändler kann vom Staat natürlich nicht besteuert werden, das quasi-legale, „gewaschene“ Privateigentum dagegen wird vom Staat besteuert und geschützt. Volkswirtschaftliche Auswirkungen Drogenkonsum und -handel wirken sich negativ auf die Leistungsfähigkeit und Produktivität einer Volkswirtschaft aus. Dem Arbeitsmarkt geht mit den vornehmlich jungen Drogenopfern wertvolle Arbeitskraft verloren. Gesundheitliche Folgeerscheinung durch den Drogenkonsum belasten die Volkswirtschaft ebenso, wie die Verfolgung von Drogenkriminalität durch Polizei, Zoll und Justiz. Strukturelle Verzerrungen Einnahmen aus der Drogenwirtschaft werden in der Regel nicht investiv und somit produktionsfördernd eingesetzt, sondern meist für importierte Luxusgüter oder den Erwerb von Ländereien und Immobilien. Auch wenn die Drogenökonomien das Bruttoinlandsprodukt eines Landes erhöhen, geht das Geld nie in nachhaltige breitenwirksame Entwicklungen. Überhaupt ist es meist nur ein sehr geringer Teil der Gewinne, der wieder in das Erzeugerland zurückfließt. Diese Gewinne können in strukturschwachen Ländern interne Wirtschaftskrisen durch den allgemein erhöhten Geldumlauf für Dienstleistungen zwar zeitweilig abfedern, langfristig jedoch helfen sie weder das Investitionsvolumen zu erhöhen, noch strukturelle Wirtschaftsprobleme zu lösen. Generell führen große Mengen an illegalem Geld zu inflationärem Druck für die nationale Wirtschaft und zu strengeren Gesetzen. Dies wiederum kann zu höheren Zinsraten und zur Verdrängung legaler privater Investitionen führen. Mindestens 30 Prozent des Vermögens aller Kolumbianer gehört den Drogenhändlern. Ein Drittel aller Importe nach Kolumbien werden mit Drogengeldern bezahlt. Der Erlös aus dem Drogenschmuggel für die mexikanischen Kartelle – bei einer Gewinnmarge von rund 80 Prozent – liegt bei rund 40 Milliarden USDollar. Nach den Gewinnen aus der nationalen Erdölproduktion ist der Drogenhandel damit die zweitwichtigste Einkommensquelle Mexikos. Wirtschaftliche Schwächung auf Mikroebene Die Drogenökonomie beeinflußt natürlich nicht nur gesamtwirtschaftliche Prozesse und Entwicklungen, sondern hat gerade für die Kleinbauern in den jeweiligen Produktionsländern schwerwiegende Folgen, insbesonders wenn sie nicht an ihr beteiligt sind. Aufgrund der starken Dynamik des Drogengeschäfts kommt es zu Preisschüben bei anderen Gütern, wie zum Beispiel bei Nahrungsmitteln, Vieh, Weide- und Ackerland oder Futter. Oft sind die für den Kokaund Mohnanbau geeigneten Flächen identisch mit den traditionellen Anbaugebieten für die kleinflächige Landwirtschaft, die wiederum für die lokale Versorgung der Bevölkerung unabdingbar sind. Der Fokus auf die illegale Drogenwirtschaft führt zur Vernachlässigung anderer Wirtschaftszweige und kann zum Beispiel dazu führen, dass der Lebensmittelbedarf nicht durch eigenen Anbau im Land gedeckt werden kann. Soziale Folgen Kriminalität und Gewalt In Boomzeiten der Kokaproduktion erfüllte sich für manche Kleinbauern und Migranten der Traum vom schnellen Geld. Die Kehrseite dabei ist, ein Ausbeutungs- und Gewaltverhältnis zu kriminellen Organisationen des Drogenhandels, auf das sich eingelassen werden muss. Der andere Drogenbericht 13 Das Drogengeld wird oft zur Finanzierung weiterer illegaler Aktivitäten verwendet. Es wird beispielsweise für den Bau von Casinos und Bars benutzt, die wiederum Prostitution und Spielsucht fördern. Ein unmittelbares Problem der Drogenproduktion ist die steigende Zahl der Drogenabhängigen in den Anbauländern und die damit einhergehende Beschaffungskriminalität. In Myanmar begehen immer mehr Männer Diebstähle oder verkaufen Drogen, um ihre Abhängigkeit zu finanzieren. Auch in Transitregionen, wie in Westafrika oder der Karibik, sind eine erhöhte Zahl von Kokainmissbrauch und drogenbezogene Straftaten, u.a. auch Geldwäscheaktivitäten zu verbuchen. Die Gegenmaßnahmen des Staates bzw. der Polizei bewirken häufig eine Verschärfung der Situation. Anstrengungen, Drogenhändler zu verhaften und ihre Organisationen zu zerschlagen, münden in neue Gewalt. Wird ein Kartell zerschlagen, ergibt sich für ein anderes die Gelegenheit für ein neues Geschäft, das mit Gewalt seine Kontrolle über den Dogenhandel verteidigt. Gesundheitsgefährdung Die wohl stärkste Bedrohung für Leib und Leben stellt die zunehmende Abhängigkeit von im Land selbst produzierten Drogen dar. Galten früher die Entwicklungsländer als Anbauregionen und die Industrieländer als Konsumzentren, so hat sich dies etwas gewandelt. In Pakistan und im Iran konsumieren mehr als drei Millionen Menschen regelmäßig Heroin. In Thailand war der Anbau von Mohn zwar zurückgegangen, der Drogenmissbrauch im eigenen Land jedoch erschreckend angestiegen. In Lateinamerika wird in steigendem Maße Kokain in den billigeren, aber weitaus gefährlicheren Formen „Crack“ und „Basuco“ konsumiert. Vor allem in den Armutsvierteln der riesigen Metropolen breitet sich die Drogenszene rasant aus. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass 40 Prozent der AIDS-Erkrankungen auf den gemeinsamen Gebrauch von Injektionsnadeln zurückzuführen sind. Während Lateinamerika hierbei eine eher untergeordnete Rolle spielt, sind gerade die Entwicklungsländer Asiens und Afrikas betroffen. In Asien gehen bis zu 70 Prozent der Neuinfektionen auf Drogenkonsum zurück. Die betroffenen Länder liegen zumeist auf der Haupthandelsroute von Afghanistan nach Europa. Zwischen 150.000 und 250.000 Heroinkonsumenten soll es in Burma geben, ebenfalls vordringlich entlang der Handelsrouten. Armut Obwohl mit Produktion und der Handel von Drogen sehr viel Geld erwirtschaftet, bleibt dieses nur den wenigen Drogenbossen am Ende der Wertschöpfungskette vorbehalten. Die im Drogenanbau tätigen Kleinbauern begeben sich in ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zu den Zwischenhändlern. Auch bei Preisschwankungen oder Ernteausfällen müssen sie liefern. Um ihre Schulden begleichen zu können, bleibt den Bauern teilweise nichts anderes übrig, als ihren Besitz oder gar ihre Töchter zu verkaufen. Die Annahme, dass Drogenbauern wohlhabend sind, ist in den meisten Fällen falsch. Den Drogenbauern gelingt es nicht, durch Koka- oder Schlafmohnanbau ihren wirtschaftlichen Status nachhaltig zu verbessern. Die Anbaugebiete sind häufig abgelegen. Bewohner leiden unter Unterernährung, Kindersterblichkeit und Analphabetismus und sind von politischen und gesetzlichen Rechten ausgeschlossen. 14 Drogen Macht Welt Schmerz Binnenflüchtlinge Im Dezember 2000 begann eine große Militäraktion in Verbindung mit einer massiven Besprühung der Felder aus der Luft, dem sogenannten „Plan Colombia“. Die Menschen flüchteten aus ihren Gebieten, entweder in die Elendsviertel der Städte oder in andere ländliche Regionen. Dies führte in Kolumbien zu mehr als 2 Millionen Binnenflüchtlingen. Familie und Bildung Der Zusammenhalt von Familien wird gefährdet. Insbesondere Frauen und Kinder sind körperlicher und verbaler Gewalt der abhängigen Männer ausgesetzt. Kinder werden vernachlässigt und Schulgebühren können nicht mehr bezahlt werden. Die Versorgung der Familie ist nicht mehr sichergestellt. Gerade mittel- und perspektivenlose Jugendliche lassen sich leicht zum Drogenhandel verführen, der ihnen einen kleinen Nebenverdienst ermöglicht. Diese Jugendlichen geraten dann immer weiter in den Sog der Kriminalität, oft werden sie auch mit Drogen bezahlt und geraten so selbst in die Abhängigkeit. Indigenen Bevölkerung Der Drogenanbau ist eng mit Kulturzerstörung verbunden. Obwohl es verschiedenen indigenen Bevölkerungsgruppen über Jahrhunderte hinweg gelungen ist, ihre Kultur zu bewahren, ist heute in vielen Fällen ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Existenz gefährdet. Ihre oft schwer zugänglichen Gebiete sind begehrte Flächen für die Drogenmafia. Gegen bewaffnete Gruppierungen, die sich aus dem Drogenhandel finanzieren, haben die Indigenen keine Chance. Die Menschen in den Anbaugebieten Vietnams haben das niedrigste Haushaltseinkommen des gesamten Landes. In Pakistan ist es die Hälfte des Landesdurchschnitts, in Afghanistan beträgt das Geldeinkommen der Mohnbauern nur wenig mehr als einen Dollar pro Tag und Haushaltsmitglied. Die Tarahumara, ein Indianervolk aus dem Norden Mexikos, sind beispielsweise täglich in Auseinandersetzungen mit der Drogenmafia verwickelt. In Baborigame, in Mexiko, werden pro Woche drei bis vier Indigene von Killerkommandos der Drogenmafia ermordet. In weniger gravierenden Fällen werden sie gezwungen ihr Land zu verlassen oder für den Drogenanbau zur Verfügung zu stellen. Ökologische Folgen Die Abholzung des Regenwaldes für Drogenpflanzungen, die Behandlung der Pflanzen mit Dünger und Herbiziden, toxische Abfälle aus der Drogenproduktion und die großlächige Besprühung von Drogenfeldern mit Vernichtungsmitteln verursachen schwerwiegende ökologische Schäden. Die Gesamtfläche der Koka-Pflanzungen in Kolumbien, Bolivien und Peru beträgt circa 200.000 Hektar. In den andinen Hochländern führt die Rodung zu Bodenerosion, die das natürliche Wasserreservoir der Waldböden zerstört. Dies bedroht Biodiversität und Wasserversorgung. Auch chemische Substanzen beeinträchtigen die Wasserqualität. Vor allem bei großflächigem Drogenanbau kommt es zu massivem Einsatz von Fungiziden, Herbiziden, Pestiziden und Kunstdünger. Für die Kokainherstellung in den Anden fallen jährlich circa 600 Millionen Liter Chemikalien an, die nicht legal entsorgt werden können. Pro Hektar Kokapflanzen würde dies zwei Tonnen hoch toxischer CheDer andere Drogenbericht 15 mieabfälle, wie Petroleum, Schwefelsäure, Kalk, Karbid und Toluol entsprechen. Die größten Umweltschäden werden vermutlich jedoch durch Maßnahmen zur Drogenbekämpfung verursacht. Kolumbien ist weltweit das einzige Land, in dem Drogenpflanzungen aus der Luft mit den nervenschädigenden Herbiziden Glyfosat, Tebuthioron und Exazinon besprüht werden. Diese Herbizide dringen in das gesamte Ökosystem ein, wo sie Kautschuk-, Kakao- und Nahrungsmittelpflanzungen sowie Seen und Sümpfe verseuchen. Das Besprühen von Drogenpflanzungen führt auch mittelbar zu ökologische Folgeschäden: So weichen die Bauern, um dem Gift zu entgehen, in entlegene Gebiete aus. Die ungenutzten Flächen dienen daraufhin Grundbesitzern als Viehweiden, was weitere Entwaldung nach sich zieht. Wenn der Anbau in schwer zugängliche Regenwaldgebiete verlagert wird, kommt es zu einer Fragmentierung der Anbauflächen, die zu einer schnelleren Zerstörung auch großer Flächen führt. Umweltschäden oberhalb der 3.000 Metergrenze sind mittlerweile nicht mehr rückgängig zu machen. In den Naturschutzgebieten Zentralamerikas breiten sich immer mehr mexikanische Drogenkartelle aus. Der Petén in Guatemala, die größte Regenwaldreserve der Region, ist besonders betroffen: In den Jahren 2007 und 2008 gingen jeweils 23.000 Hektar Regenwald verloren. Auch wenn das Land vordergründig für Landwirtschaft und Viehzucht verwendet wird – tatsächlich dient es als Zwischenlager der Kartelle, als Mohn-Anbaufläche und für Produktionslabore. Auch die Sierra Tarahumara im Nordwesten Mexikos ist bedroht. Sie bildet ein Ökosystem mit der größten Biodiversität Nordamerikas – und stellt eines der größten Drogenanbaugebiete der Welt dar. An der Nordgrenze kontrollieren die Narcotraficantes gewaltige Ländereien, die ihnen als Basis für den Drogenschmuggel mit Kokain südamerikanischer Herkunft dienen. In entlegeneren Gebieten wird auf den gerodeten Flächen Cannabis und Schlafmohn angebaut. Artenreichtum sowie der Bestand des gesamten Ökosystems sind aufgrund der fortschreitenden Rodung massiv gefährdet. Maßnahmen gegen Drogenanbau Entwicklungsorientierte Drogenpolitik Seit den UN-Sondergeneralversammlungen zur Drogenkontrolle in den Jahren 1998 und 2009 wird ein hohes drogenpolitisches Engagement der internationalen Gemeinschaft gefordert. Die Bundesregierung will mit ihrem Programm Entwicklungsorientierte Drogenpolitik (EOD) die negativen individuellen und gesellschaftlichen Folgen von Drogenproduktion und -handel minimieren. Das Programm setzt an thematischen Schnittstellen, wie ländlicher Entwicklung, Krisen- und Armutsprävention und Gesundheitsförderung an. Dabei nimmt es auch eine Vernetzungs- und Beratungsfunktion ein, plant Pilot- und Kleinprojekte und unterstützt deutsche und internationale Partnerinstitutionen. Ein besonderes Augenmerk gilt der Entwicklung von Alternativen im Kontrast zu repressiven Maßnahmen der Drogenkontrolle. Hierbei liegt der Focus auf der Reduzierung des Drogenanbaus sowie der Verbesserung der Lebensbedingungen in den Anbaugebieten. Dazu 16 Drogen Macht Welt Schmerz gehören die Sicherung der ökonomischen Lebensgrundlagen, die Förderung physischer und sozialer Infrastruktur, Institutionenförderung und Kommunikation, Kooperation und Koordination zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen. Um die Rahmenbedingungen schon im Vorfeld abschätzen und regionale Programme darauf zuschneiden zu können, arbeitet die EOD mit der sogenannten Drogen-Profil-Analyse. Dabei werden Drogenökonomie, Produktion, Handel und Konsum und deren Auswirkungen in der jeweiligen Region vorab untersucht. Als Alternative zum Opiumanbau in Afghanistan wird von anderen Organisationen z.B. versucht, den Anbau von Safran zu etablieren. Um ein Gramm Safran zu erzielen, müssen 200 Knospen der Krokuspflanze „Crocus Sativus“ gepflückt werden. Ein Kilogramm Safran höchster Qualität erzielt 1.000 Euro. Um die Produktion zu steigern, werden Jahr für Jahr entstehende Tochterknollen der Pflanze verpflanzt. Über ein Kleinkreditsystem können die Bauern den Anbau finanzieren: Sie bekommen die Knollen kostenlos, müssen aber fünf Jahre lang jedes Jahr 20 Prozent der Ernte an die Organisation abgeben. Plan Colombia: Staatlicher Drogenkrieg Der Plan Colombia ist ein Programm der kolumbianischen Regierung, das die Armee legitimiert, im „Drogenkrieg“ für polizeiliche Zwecke aktiv zu werden. Er gilt als Teil eines durch die USA entwickelten strategischen Sicherheitskonzepts für den amerikanischen Kontinent. Die USA bewilligten 3,7 Milliarden Dollar Militärhilfe und planten im Jahr 2004, ihr Militärpersonal in Kolumbien zu verdoppeln. Die Folgen der Drogenbekämpfungsmaßnahmen sind verheerend für Umwelt und Gesellschaft: So werden vermeintliche Kokapflanzungen - hauptsächlich im Besitz der Guerillaorganisation FARC - mit einer Vielzahl an Pflanzenvernichtungsmitteln (Pilze und Herbizide) besprüht, was dazu führt, dass jeweils neben zwei Hektar Drogenpflanzungen auch ein Hektar Wald und Nutztflächen vernichtet werden. Davon sind vorwiegend arme Bevölkerungsgruppen betroffen. Der andere Drogenbericht 17 Quellen und weiterführende Literatur Enzyklopädien: „Drugs“, Interpol: www.interpol.int/public/Drugs Drug-Infopool, www.drug-infopool.de Suchtmittel.de, www.suchtmittel.de Hanf-Info, www.hanf-info.ch „Plan Colombia“, Wikipedia, www.wikipedia.org Studien und Länderberichte: „World Drug Report 2009“, United Nations Office on Drugs and Crime „Report of the International Narcotics Control Bard for 2008, United Nations (New York, 2009) „Drogen und Entwicklung in Lateinamerika“, Aktionsprogramm Drogen und Entwicklung / Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (Hrsg.), (Eschborn, Sept. 2001), www.gtz.de „Der Markt der Drogen“, Klaus Stempel, Bundeskriminalamt Wiesbaden „Entwicklungsorientierte Drogenkontrolle - Politik, Strategien, Erfahrungen und intersektorale Lösungsansätze“, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Deutschland und Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (Hrsg.) 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