Was vom Ruhm übrig bleibt
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Was vom Ruhm übrig bleibt
Wer kennt sie noch, die Fußballvereine vergangener Zeiten und ihre Spielstätten, wenn das Scheinwerferlicht einzig auf die großen Stadien und Vereine der Gegenwart gerichtet ist? Das Ausstellungsprojekt der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaf t in Breslau und wochenblatt.pl „Was vom Ruhm übrig bleibt …“ greift diese Frage auf und nimmt den Betrachter mindestens noch bis zum 17. Juni in Breslau und bald hof fentlich auch in Oldenburg auf eine Spurensuche in die Breslauer Fußballgeschichte mit – während Slask Wroclaw noch die Meisterschaf t 11/12 feiert ... von Till Scholtz-Knobloch www.wochenblatt.pl U Was vom Ruhm übrig bleibt ... Breslauer Fußballarchäologie 50 Seit 1920 spielte der BFV 06 „An den Oswitzer Friedhöfen“; der Platz bot 6.000 Zuschauern Platz. Heute zeigt selbst die Nachnutzung Verfallsspuren! nter Denkmalschutz stehen mittlerweile unzählige Bauwerke. Feine Jugendstillvillen, Gebäude aus der Gründerzeit, Häuser verschiedensten Alters, deren Architektur typisch für die Epoche ist, in welcher sie erbaut wurden. Auch schlichte Gebäude aus den Fünfzigern oder Fabrikgebäude, wie das Fagus-Werk in Alfeld, das im letzten Jahr sogar auf den Status des UNESCOWeltkulturerbes gehievt wurde, werden „ausgezeichnet“ und können mitunter sogar Touristen anlocken. Fußballstadien haben da einen deutlich schwereren Stand. Obwohl sie oft über Jahrzehnte Anlaufstelle für unzählige Zuschauer sind oder waren, historische 51 Vorwärts-Rasensport Gleiwitz (Gliwice) Preußen Zaborze Beuthner SuSV 09 (Bytom) DFB-Gründungsmitglied SV Blitz Spiele in ihnen ausgetragen wurden und sie ebenfalls über architektonische Besonderheiten ihrer Erschaffenszeit verfügen, wird nur selten eine schützende Hand über die Stadien gelegt, um sie für nachkommende Generationen zu erhalten. Es ist noch gar nicht so lange her, dass im Fußball-Norden Deutschlands der VfB Oldenburg aus seiner ehemaligen Spielstätte „Donnerschwee“ ausziehen musste, und in unserer nordvier-Ausgabe Nummer 15 berichteten wir unlängst über die Einmottung des Stadions Marienthal, wo der SC Concordia Hamburg unter Flutlicht nahezu unzählige Fußballschlachten austrug. In einer Zeit der großen Fußballtempel mit aufgeblähten internationalen Wettbewerben müssen die Anhänger historischer Stadionarchitektur zunehmend länger suchen, um historische und gleichzeitig noch im Spielbetrieb befindliche Fußballplätze mit dem Flair früherer Tage auf der Fußballlandkarte zu finden. Die Fans der RegionalligaNord-Aufsteiger Victoria Hamburg und des VfR Neumünster sollten es daher zu schätzen wissen, alle zwei Wochen in typische Stadien ihrer Zeit pilgern zu können – jedenfalls was den geschichtlichen Gesichtspunkt betrifft. Auch die AdolfJäger-Kampfbahn von Altona 93 und das Rudolf-Kalweit-Stadion der Blauen vom SV Arminia Hannover gehören zu den größeren, nördlichen Grounds, auf denen seit Jahrzehnten in beinahe unveränderter Umgebung dem Leder nachgestellt wird. In anderen Ländern, wie z. B. Polen, verläuft die Entwicklung analog. Viele Plätze, auf den denen in früheren Tagen bedeutsame Spiele ausgetragen wurden, sind nicht mehr vorhanden oder in Vergessenheit geraten, während dieser Tage in Polen die EM das Fernseh- und Straßenbild beherrscht. Die Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft mit Sitz in 52 Breslau hat nun in Zusammenarbeit mit der in Polen verlegten und in deutscher und polnischer Sprache verfassten Zeitung „Wochenblatt“ eine Ausstellung ins Leben gerufen, bei welcher es sich um die bedeutendsten Breslauer Vereine und damit die Geschichte des Fußballs in Breslau dreht. Neben vielen Informationen gibt es historische Bilder sowie aktuelle Aufnahmen von Stadien oder Stadionfragmenten zu sehen, die aus der Zeit stammen, als sie Kulisse z. B. bei Spielen um deutsche Meisterschaften waren, heute jedoch ein nahezu unbeachtetes Dasein zwischen Wohnblocks oder anderswo fristen. Till Scholtz-Knobloch, Chefredakteur vom wochenblatts.pl, hat viel Zeit und Herzblut in die Ausstellung investiert, die im Anschluss an ihre Premiere in Schlesien auch in Braunschweig, Salzgitter und möglichst noch in Oldenburg ihre Pforten öffnen soll. Einen kleinen historischen Abriss über den Fußball in Breslau, garniert mit einigen Bildern, wollen wir in diesem Zusammenhang in nordvier vorstellen – für den Fall, dass der geneigte Leser in diesen Tagen keine Zeit hat, eine Reise nach Schlesien anzutreten. Aus der Breslauer Fußballgeschichte vor 1945 2010/11 spielten 646 SeniorenHerrenmannschaften in Niederschlesien mit seinen über 2,8 Mio. Einwohnern. Zum Vergleich: Der Fußballverband der Freien Hansestadt Bremen (660.000 Einwohner) hatte gleichzeitig 654 SeniorenHerrenmannschaften im Spielbetrieb. Im Fußball sind also über viermal so viele Deutsche gegenüber Polen im Verein organisiert. Das traditionell stark entwickelte deutsche Vereinswesen stand auch vor dem Krieg in Breslau in voller Blüte. Neben den dort führenden Vereinen komplettierten Klubs wie dem VSV Union Wacker 08, SC Alemannia 09, PfL, SC Minerva Rasenfreunde 09, SV Straßenbahn, SV Großmarkthalle 1892, SV Grüneiche 1924, SC Sturm Brockau, PostSV Stephan, SC Askania 09, FC Eintracht 07, SC Deutsch Lissa, SC Hundsfeld, BBC 22, SC Viktoria, SV Borussia Carlowitz, BBC Teutonia 22, SC Falke oder SC Germania den „Breitensport“. Parallel existierten Vereine mit eigenen Meisterschaften der Deutschen Turnerschaft (DT), des „Rotsports“ (Kommunisten), der Deutschen Jugendkraft (DJK) als katholische Sportorganisation und des Arbeitersports (ATSB; 1924 wurde Stern Breslau Deutscher ATSB-Vizemeister. Nach der Gleichschaltung durch die Nazis wurde der Verein als 1. FC Breslau neu gegründet). Wo heute im Stadtbild Breslaus oft nichts mehr auf einstige sportliche Erfolge hinweist, finden wir morbide Relikte des Zahns der Zeit. Es sind meist nicht die großen Arenen, die wir heute kennen, aber schon nach dem 1. Weltkrieg drängten sich oft fünfstellige Zuschauermassen auf Plätzen, die nun neben kleineren Holztribünen auch mit gemauerten Stehtraversen für neue Zeiten tauglich gemacht wurden und denen man heute ihre einstige Bedeutung nicht mehr ansieht. Die Verstädterung gab den Menschen über die Klubs ihres Viertels ein Heimatgefühl ganz neuer Art. Einige wenige Plätze wurden auch nach 1945 Träger eines solchen Heimatgefühls wie etwa das Stadion an der ul. Oporowska des WKS Slask (zuvor Sportpark Gräbschen), von dessen Ursprüngen heute jedoch fast niemand mehr etwas ahnt. Und wer weiß, jetzt wo – wie einst bei der Schlesierkampf bahn – alle vom neuen EM-Stadion sprechen, könnte auch das Stadion an der ul. Oporowska mehr und mehr ins Abseits geraten, bis eines Tages auch hier der Zahn der Zeit zuschlägt und Wehmut hinterlassen wird. Im April 2012 feierte Polen 170 Jahre Eisenbahn bezogen auf die damals in deutschen Grenzen befindliche Strecke Breslau-Ohlau. Hingegen soll im Fußball dieses „Bodenprinzip“ (also die heutigen Grenzen) nicht gelten? Dr. Eugeniusz Piasecki ließ als Turnlehrer 1890 erstmals im galizischen Lemberg Fußball spielen, wo 1903 der erste Klub „Slawa“ gegründet wurde. Beides sind zentrale Eckdaten der Fußballfrühgeschichte in Polen. Aber sind wir konsequent und legen die gleichen Maßstäbe wie bei der Eisenbahn an, dann ist bezogen auf die heutigen Grenzen Breslau die Wiege des Fußballs in Polen, auch wenn damals polnische Akteure fehlten. Denn hier war es am 6. September 1892 zu einem ersten öffentlich dargebotenen Fußballspiel von Mitgliedern des ATV (Alter Turn-Verein) Scheitnig gekommen. Die Fußballer des ATV gründeten am 13. Oktober 1898 auch den ersten schlesischen Fußballklub, den FC Breslau, der bis 1908 auf dem Spielplatz an der Pferderennbahn Scheitnig kickte und der sich ab 1910 VfB (Verein für Bewegungsspiele) nannte. Ob nun erstes Spiel 1892 oder erster Klub 1898, nirgendwo im Gebiet des heutigen Polens begann der Fußball früher! Feiern wir also nicht nur die EM, sondern auch 120 Jahre Fußball im Gebiet des heutigen Polens. Auch als sich am 28. Januar 1900 in Leipzig Vertreter von 86 Fußballvereinen versammelten, um den Deutschen Fußball-Bund zu gründen, war Breslau vertreten. Dort allerdings durch den aus einem Radfahrverein hervorgegangenen SV „Blitz“ (ab 1907 VfR), von dem sich 1901 der dritte „Pionier“ SC Schlesien 01 abspaltete. In Schlesien war jedoch erst am 25. Februar 1903, dem Jahr der ersten deutschen Meisterschaft, der „Verband Breslauer Ballspielvereine“ durch den FC, den SV Blitz, den SC Schlesien 01 und einem Vorläufer der Vereinigten Breslauer Sportfreunde, den SC Preußen 02, gegründet worden. 1904 fanden sich die Vereine aus der Textilstadt Forst und aus Cottbus zu einem Verband der Niederlausitz zusammen. Die Verbände Breslaus und der Niederlausitz wurden am 18. März 1906 zum Südostdeutschen Fußballverband (SOFV) mit der Maßgabe vereinigt, die noch unorganisierten Gebiete in Schlesien und der Mark Posen mit in ihre Reihen zu nehmen. Das bevölkerungsreiche oberschlesische Industriegebiet bildete noch im Gründungsjahr unter Beteiligung von SC Diana, SC Germania und dem ersten Kattowitzer Klub Preußen 05 (später 1. FC Kattowitz), Borussia Myslowitz, Preußen 06 Ratibor sowie dem oberschlesischen Pionier Ratibor 03 den dritten SOFV-Bezirk neben der Niederlausitz und Breslau. 1910 gelang es dem SOFV dann auch Posen zu Fragment vom Stadion des SC Hertha Breslau 53 einer Bezirksgründung zu führen – mehrere Jahre hatten der Deutsche Sportverein (DSV) Posen und Britannia Posen mangels lokaler Konkurrenz im Breslauer Bezirk mitgespielt. Sechster Bezirk wurde 1911 die Oberlausitz, wo der SC Preußen Görlitz (später STC) die Entwicklung 1906 ins Rollen brachte. Neue Vereine schossen nach dem 1. Weltkrieg wie Pilze aus dem Boden. An den Fronten hatten sich die Soldaten der Völker, ehe oder nachdem sie aufeinander schossen, gegenseitig das neue Spiel beigebracht und freundschaftlich im Sport die Kräfte gemessen. In der Chronik des DFB hieß es 1925 zu seinem 25-jährigen Bestehen mit Blick auf Posen und Ostoberschlesien: „Durch den Krieg und seine Folgen sind dem SOFV schwere Gebietsverluste entstanden, wie sie im Verhältnis zur Größe des SOFV kein anderer Landesverband im DFB zu erleiden hatte“. Dennoch nahm die Zahl der Aktiven im SOFV rapide zu, denn der ursprünglich elitäre Fußball wandelte sich nach dem Krieg zum Sport der Massen, denn nun hatten auch Arbeiter die nötige Freizeit. Sportlich ist dies daran abzulesen, dass manche Pionierklubs den Anschluss verloren und nun die durch Arbeiter geprägten Großstadtklubs aus Hindenburg, Beuthen oder Gleiwitz Erfolge feierten. Der SOFV mit seiner Geschäftsstelle an der Viktoriastr. 85 (ul. Lwowska) und später an der Piastenstr. 31 (ul. Piastowska) existierte nur bis zur nationalsozialistischen Gleichschaltung 1933, die immerhin sportlich mit der Bildung einer gesamtschlesischen Gauliga für den neuen „Sportgau Schlesien“ als einen der 16 Gaue in Deutschland einen erheblichen Fortschritt brachte. Nach der Aufgliederung in eine nieder- und eine oberschlesische Gruppe 1941 erfolgte 1943/44 der Spielbetrieb in Niederschlesien kriegsbedingt nur noch in fünf Gruppen. In einer Endrunde setzte sich der STC Hirschberg als Meister vor der Breslauer 54 SpVg 02 durch, ehe am 26. September 1944 die wegen Papiermangels gemeinsam erscheinenden Fachzeitschriften „Fußball/Kicker“ verkündeten, dass „im Gau Niederschlesien der Sportbetrieb ruht“. Mit dem Zusammenbruch galten alle Vereine als aufgelöst. Wer ahnt schon, dass auf diesem freilich veränderten Areal schon bis 1945 großer Fußball geboten wurde. Nach der Vertreibung bestritt eine schlesische Auswahl immerhin von Zeit zu Zeit Spiele gegen andere Auswahlteams wie 1951 vor vollen Rängen gegen Niedersachsen anlässlich der Hannovermesse im Stadion des SV Arminia Hannover. Während jedoch der polnische Klub Pogon Lemberg durch den polnischen Konsul in der Ukraine 2009 neugegründet wurde, wartet z. B. die Breslauer SpVg 02 noch auf ihre Wiedergeburt. Meister des Südostdeutschen Fußballverbandes (SOFV): 1906, 1907: SC Schlesien 01 Breslau; 1908: VfR 1897 Breslau; 1909: SC Allemannia Cottbus; 1910: VfR 1897 Breslau; 1911: FC Askania 01 Forst, 1912; ATV 1896 Liegnitz; 1913, 1914: FC Askania 01 Forst; 1920-24: Vereinigte Breslauer Sportfreunde; 1925: FC Viktoria 01 Forst; 1926: Breslauer SC 08; 1927: Vereinigte Breslauer Sportfreunde; 1928: Breslauer SC 08; 1929 SC Preußen 1910 Zaborze; 1930-33 Beuthener SuSV 09. Meister der Gauliga Schlesien: 1934, 1937: Beuthener SuSV 09, 1935-36, 1938-41: Vorwärts-Rasensport Gleiwitz Meister der Gauliga Niederschlesien: 1942: Breslauer SpVg 02, 1943: Luftwaffen-SV Reinecke Brieg, 1944: STC Hirschberg Anmerkungen: Schlesien Breslau und der VfR fusionierten 1934 zum VfR Schlesien 1897 Breslau, die Vereinigten Breslauer Sportfreunde und der Breslauer SC 08 1933 zur Breslauer SpVg 02. DSKG Breslau D ie Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft wurde bereits 1957 im niederschlesischen Waldenburg (Wałbrzych) gegründet, wo im Gegensatz zum übrigen Niederschlesien ein Teil der Bevölkerung der Vertreibung 1945 entging, da hier zahlreiche Fachkräfte im Bergbau benötigt wurden. Einer Waldenburger Familie und noch dort gebürtig entstammt z.B. Sportreporter Marcel Reif. Nach der schwierigen Zeit der Polnischen Volksrepublik wurde der Verband 1991 in Niederschlesiens Hauptstadt Breslau (Wrocław) neu registriert. Von den 640.000 Einwohnern der Stadt hat ein erheblicher Anteil selbst vertriebene Vorfahren; ein Großteil der Neusiedler nach 1945 kam dabei aus der heute ukrainischen EM-Stadt Lemberg, die bis zur Teilung Polens durch das Dritte Reich und die Sowjetunion 1939 zu Polen gehörte. Die DSKG widmet sich vor allem der Kulturarbeit, der Pflege und Popularisierung der deutschen Sprache sowie regionalen Traditionen. Zu den Hauptaufgaben gehören darüber hinaus die Aufarbeitung und Vermittlung der niederschlesischen Geschichte und des kulturellen Erbes Niederschlesiens. Weitere Schwerpunkte sind die Jugendarbeit, die Arbeit mit Kindern sowie die Unterstützung der Mitglieder im sozialen Bereich. Die DSKG vertritt die deutsche Minderheit in der multikulturellen Stadt und ist die Dachorganisation für die deutsche Minderheit in Niederschlesien. Dabei wird besonderer Wert auf gute Zusammenarbeit mit der Mehrheitsgesellschaft und mit anderen Minderheitenorganisationen gelegt. Internetseite: www.ntkswroclaw.vdg.pl 55 Camillo Ugi A uch wenn er keine echte „Breslauer Lerge“ war – Camillo Ugi wurde von den Fußballfans in Schlesien als ihr erster Star geliebt. Der Sohn eines italienischen Vaters war 1906 mit dem VfB aus seiner Heimatstadt Leipzig Deutscher Meister geworden, spielte zwischen 1909 und 1912 15 Fritz („Seppl“) Blaschke Mal in der deutschen Nationalmannschaft und war damit, als es ihn 1912 nach Breslau zog, Rekordnationalspieler des DFB. Als Elektromechaniker, der Kinematographen herstellte, ging er 1905 zum erfolgreichen SC Germania Sao Paulo nach Brasilien. Doch beruflich lief es wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht gut, er kehrte nach Leipzig zurück. Nach kurzen Intermezzi in Frankreich und beim FSV Frankfurt war er Teilnehmer der Olympischen Spiele 1912 von Stockholm, wo er mit dem 16:0 der deutschen Mannschaft über Russland den bis heute gültigen Rekordsieg feierte. Nach Olympia nahm Ugi ein Angebot des Fußballmäzens Leo Levin bei den aufstrebenden Breslauer Sportfreunden Breslauer Spielerlegenden an, verbunden mit der Aussicht, eine eigene Werkstatt für Kinematographen zu eröffnen. Der 1. Weltkrieg beendete die Breslauer Zeit, und nach dem Krieg landete Ugi wieder in Sachsen. Ugi starb 1970 in Leipzig. Ausgerechnet sein einziges Länderspiel in seiner Heimatstadt Leipzig bestritt er als Spieler der Breslauer Sportfreunde und somit als erster schlesischer Nationalspieler! D er 1899 in Breslau geborene Blaschke galt als erster echter schlesischer Topspieler. „Seppl“ begann seine Lauf bahn bei den Breslauer Sportfreunden und feierte den ersten großen Erfolg 1920 mit dem Endrundensieg über den SC Union 06 Oberschöneweide (heute 1. FC Union Berlin), als er mit einem Tor vier Minuten vor Schluss die Wende einläutete, die drei Minuten später sein Freund Hermann Pohla mit dem 3:2 perfekt machte. Viermal gelang Blaschke mit den Sportfreunden der Einzug in die Endrunde der Deutschen Meisterschaft, ehe er 1924 zum Lokalrivalen BSC 08 wechselte. Mit diesem schaltete der feine Techniker sensationell den damals führenden Dresdner SC im Achtelfinale aus. Karrierehöhepunkt war der 4:3-Viertelfinalsieg nach Verlängerung in Grüneiche (Dabie, heutiger Sleza-Platz) 1929 gegen Bayern München. 12.000 Fans feierten den dreifachen Torschützen frenetisch! Kurios ist, dass Blaschke nie in die Nationalmannschaft berufen wurde. Nach der Vertreibung führte er den VfB Oldenburg 1949 als Trainer in die erstklassige Oberliga. Die sogenannte „Breslau-Elf“, die 1937 in der Schlesierkampfbahn Dänemark mit 8:0 besiegte (Foto), gehört zu den größten und bekanntesten Mannschaften in der Geschichte Deutschlands, die von Sportjournalisten 1999 immerhin unter die Top-ten bei der Suche nach der Mannschaft des Jahrhunderts gewählt wurde. 56 Camillo Ugi und Fritz Blaschke kickten jedoch schon einige Jährchen vor der Zeit der „Breslau-Elf“. 57 Endspiel um die deutsche Meisterschaft 1909 in Breslau Vereinigte Breslauer Sportfreunde und Breslauer SC 08 In Gräbschen spielte fast immer die Nr. 1 – ob „02“ oder WKS Slask Die Gelb-Schwarzen aus den Huben – SC Hertha 1915 Breslau Gauliga-Dauerbrenner – SC Vorwärts 1910 Breslau Emporkömmling der 40er-Jahre – SC Alemannia Breslau 1 1 D D D D 909 wurde der deutsche Meister in Breslau auf dem „Semmlerplatz“ des SC Schlesien 01 an der Kaiser-Wilhelm-Straße (ul. Powstanców Slaskich) in Kleinburg (Borek) ermittelt, der noch kein Stadion, sondern vermutlich eine abgesteckte Wiese gewesen sein dürfte. Häufig wurde damals noch auf Weiden oder Exerzierplätzen gespielt. 1.500 Zuschauer wohnten am 30. Mai dem 4:2-Erfolg vom Karlsruher FC Phönix über den Berliner Thorball- und Fußball-Club Viktoria 1889 bei. Das Areal ist bis heute nicht genau lokalisiert, befand sich vermutlich leicht nördlich des Straßenbahndepots. 920 gelangten die „Vereinigten Breslauer Sportfreunde“ bis ins Halbfinale der Deutschen Meisterschaft, 1929 ebenso der Breslauer SC 08. Beide Vereine wurden 1933 zur Breslauer Sportvereinigung 1902 zusammengeschlossen, die im Sportpark Gräbschen an der Opperauer Straße (Stadion ul. Oporowska) kickte. Doch nach dem Zusammenschluss stand „02“ in Schlesien bereits im Schatten von Beuthen 09 und Vorwärts-Rasensport Gleiwitz, das ebenfalls 1936 ein Halbfinale erreichte. Ein Vorrücken in ein Endspiel der deutschen Meisterschaft blieb ihnen allen jedoch versagt. Historische Spiele und Klubs ie Breslauer Sportvereinigung 1902 (Breslauer SpVg 02 oder kurz „Breslau 02“) entstand 1933 durch Fusion der „Vereinigten Breslauer Sportfreunde“ – die 1913 aus dem Zusammenschluss vom „Verein Breslauer Sportfreunde“ (bis 1911 SC 1904) und SC dem Preußen hervorgegangen waren – und dem Breslauer SC 08. Die Fusion initiierten die Nazis, die einen dominierenden Breslauer Klub für die 1933 gegründete Gauliga Schlesien schaffen wollten – schließlich wurden zwei ehemalige Halbfinalisten der Deutschen Meisterschaft vereint. Zudem folgte der Zusammenschluss dem allgemeinen Bestreben nach Großvereinen, mit denen man oft milieubedingte Verankerungen zu sprengen suchte. Dass dabei mit den Vereinigten Breslauer Sportfreunde ein jüdisch-großbürgerlich geprägter Klub verschwand, war aus Sicht der Nazis ein positiver Begleiteffekt. In dieses Bild fügt sich ebenfalls ein, dass der neue Klub im Sportpark Gräbschen (Stadion ul. Oporowska) mit 15.000 Plätzen angesiedelt wurde, der nach dem 1. Weltkrieg für Vereine des Arbeitersports in Deutschland angelegt worden war, die 1933 zwangsaufgelöst wurden. er SC Hertha 1915, der anfänglich einen Ball als Wappen führte, erlebte seinen Zenit kurz vor Kriegsbeginn als bester Klub der Stadt. Das 1920 bezogene Stadion an der Schönstraße (ul. Piekna) in den Huben fasste 10.000 Zuschauer und ist noch heute in der Struktur erkennbar. er Spiel-Club Vorwärts 1910 war an der 51er Straße (frühere Lange Gasse; ul. Dluga) unscheinbarer Dauergast in der Gauliga. Platzstruktur und Zuschauerwälle sind noch gut zu erahnen. Auf dem benachbarten Autohandelsgelände dürfte Platznachbar Minerva gekickt haben. er Spiel-Club Alemannia Breslau von 1909, der 1941 in die Gauliga aufstieg, spielte am „Rosenthaler Kanal“ an der Neptunstraße (ul. Jugoslawianska). Heute lässt sich der Platz anhand örtlicher Begebenheiten nicht mehr lokalisieren. In der folgend auszugsweise wiedergegebenen Ewigen Gauligatabelle findet sich der Verein auf Platz 26: Schlesierkampfbahn (Olympiastadion) F ür das in den 20er Jahren erbaute Stadion wurde der Architekt Richard Konwiarz, der nach der Vertreibung aus Kriegstrümmern in Hannover das Niedersachsenstadion anlegen ließ, 1932 mit der Olympischen Bronzemedaille für Architektur ausgezeichnet. Polen gastierte 1935 in der Schlesierkampf bahn und verlor gegen die deutschen Gastgeber 1:0. Die deutschen Sportjournalisten wählten 1999 die Weltmeisterelf von 1954 als deutsche Mannschaft des Jahrhunderts. Unter den Top Ten findet sich aber auch die legendäre „Breslau-Elf“, die in einem atemberaubenden Spiel am 16. Mai 1937 in der Schlesierkampf bahn Dänemark vor 40.000 Zuschauern unter Trainerduo Sepp Herberger (WM-Trainer 1954) und Otto Nerz 8:0 besiegte; fünffacher Torschütze dabei war Otto Siff ling vom SV Waldhof aus Mannheim. In weiteren Länderspielen spielte Deutschland 1939 in der Schlesierkampf bahn 4:4 gegen das Protektorat Böhmen und Mähren sowie 1941 4:0 gegen die Slowakei. Deutsche Schlesienauswahl 1951 in Hannover Der SC Hertha 1915, der anfänglich einen Ball als Wappen führte und später ein Kleeblatt, erlebte seinen Zenit kurz vor Kriegsbeginn als bester Klub der Stadt. Das 1920 bezogene Stadion an der Schönstraße (ul. Piękna) in den Huben fasste 10.000 Zuschauer und ist noch heute in der Struktur erkennbar. 1. Vorwärts-Rasensport Gleiwitz 185 2. Breslauer SpVg 02 183, 3. Preußen Hindenburg (ehem. Preußen Zaborze) und Breslauer FV 06 145, 5. Beuthener SuSV 09 138, 6. SC Hertha 1915 Breslau 132, 7. SC Vorwärts 1910 Breslau 84 (…) 14.SV 33 Klettendorf 39 (…) 23.VfB Breslau 18 (…) 26.SC Alemannia 09 Breslau 12 (…) 31. 1. FC Breslau 10 (…) 35. Luftwaffen-SV Immelmann Breslau 5 „02“ konnte jedoch die sportlichen Erwartungen nicht erfüllen, auch wenn man in Breslau meist führend war (1935 lagen jedoch Vorwärts und der BFV 06 vor „02“, 1936 der BFV 06 sowie 1939 und 1940 der SC Hertha). Bild links: Telegramm aus Breslau nach Karlsruhe im Jahr 1909 zur Meisterschaft des Karlsruher FC Phönix (heute Karlsruher SC) Erfolgreicher Gauligist – Breslauer FV 06 Das VfB-Stadion und der Sieg über den FC Bayern Elitärer VfR Schlesien 1897 D er Pionier VfB Breslau kam sportlich später nicht mehr mit und spielte nur in zwei Saisons Gauliga. Auf dem VfB-Platz in Grüneiche bezwang 1929 jedoch der Breslauer SC 08 den FC Bayern München im Viertelfinale der deutschen Meisterschaft in einem dramatischen Spiel vor 12.000 Zuschauern mit 4:3 nach Verlängerung. Lina Radke-Batschauer lief hier nach dem 800m-Olympiasieg 1928 in Amsterdam eine Ehrenrunde. D M er Breslauer FV 06 brachte mit Richard Hanke einen Nationalspieler hervor, der beim 1:1 1930 gegen Norwegen in Breslau sogar den deutschen Treffer erzielte. Der Verein entstand 1912 durch Fusion des SC Pfeil von der 51er Straße (ul. Dluga) mit dem SV Corso vom Gandauer Exerzierplatz. In der Meisterschaftsendrunde 1927 schied der spätere Dauergast in der Gauliga im Achtelfinale beim damals großen VfB Leipzig (heute 1. FC Lokomotive) aus. 58 it der Fusion 1934 vom SC Schlesien 01 und VfR 1897 fanden sich die einstigen elitären Pioniere nach anfänglichen Trennungen und Abspaltungen wieder zusammen – nicht jedoch in Kleinburg, sondern am 1913 vom SC Schlesien 01 bezogenen Platz an der Kürassierstraße (ul. Hallera). Der mehrmalige südostdeutsche Meister konnte vereint nicht mehr an alte Erfolge im Fußball anknüpfen, soll jedoch den gepf legtesten Platz gehabt haben. SV 33 Klettendorf – das schlesische Hoffenheim M it der Gleichschaltung der Nazis wurden Vereine des Arbeitersports zwangsaufgelöst. Vermutlich die Kicker des verbotenen Arbeitervereins „Freie Turnerschaft (FT) BreslauSüdost“ gründeten außerhalb der Stadtgrenzen im damals noch verträumten Dorf Klettendorf mit 2.800 Einwohnern (1975 zu Breslau eingemeindet) den SV 1933, der sich mit braun-weißen Vereinsfarben zu „tarnen“ wusste. Nach vier Aufstiegen in Folge erreichten die Klettendorfer 1937 die Gauliga und waren als Dorf klub das „schlesische Hoffenheim“ damaliger Zeit. Der Aufstieg der Männer des 6.000 Plätze fassenden Stadions an der Gaswerkstraße (ul. Dozynkowa), die sich bis 1940 in der Gauliga halten konnten, war dank des Sponsors, der Zuckerfabrik von Rath, Schöller und Skähne möglich. Die erfolgreichste Saison des Underdogs! Auswärts konnte Klettendorf zwar nur bei Absteiger SC Vorwärts 1910 Breslau mit einem 2:0-Sieg punkten. Die größte Saisonüberraschung war jedoch der 2:0-Heimsieg des SV 33 über den späteren Schlesienmeister SpVgg Vorwärts-Rasensport Gleiwitz. Gauliga Schlesien 1937/38: 1. Vorwärts-Rasensport Gleiwitz (Gliwice) 2. Breslauer SpVg 02 (Wroclaw) 3. SC Preußen 1910 Hindenburg (Zabrze) 4. SC Hertha 1915 Breslau (Wroclaw) 5. SV 33 Klettendorf (Klecina) 6. Reichsbahn SG Gleiwitz (Gliwice) 7. Sportfreunde Klausberg (Mikulczyce) 8. Breslauer FV 06 (Wroclaw) 9. Vorwärts Breslau (Wroclaw) 10. Beuthener SuSV 09 (Bytom) 29:7 27:9 19:17 18:18 16:20 15:21 15:21 14:22 14:22 13:23 55:19 56:28 34:29 25:40 24:47 33:33 22:33 27:26 24:35 38:48 59