Haltung bewahren
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Haltung bewahren
Haltung bewahren ken r ä t s Wir n den Ihne ken. Rüc HALTUNG BEWAHREN Haltung bewahren Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was uns aufrecht hält . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Kreuz mit dem Kreuz So untersucht der Arzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Rücken als Spiegel der Seele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 7 11 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Rückenschmerzen ganzheitlich behandeln Das können Sie für Ihren Rücken tun Wenn Sie mehr wissen möchten Impressum 2 1 HALTUNG BEWAHREN HALTUNG Vorwort des ZDF BEWAHREN Was uns aufrecht hält Genau betrachtet, ist der menschliche Rücken ein kleines Wunderwerk der Natur. Wirbel und Gelenke, Bandscheiben, Bänder und Muskeln wirken in ausgeklügelter Weise zusammen, um uns aufrecht zu halten, aber auch beweglich nach allen Seiten. Außerdem dient die Wirbelsäule noch als „Schutzpanzer“ für unser Rückenmark. Liebe Zuschauerin, lieber Zuschauer, zwickt es Sie auch manchmal im Kreuz? Dann sind Sie in guter Gesellschaft: Schätzungsweise 80 % unserer Mitbürger leiden irgendwann im Leben an Rückenschmerzen, die meisten davon zum Glück nur vorübergehend. Doch etwa bei jedem Zehnten wird der akute Schmerz zur ständigen Pein oder kehrt in immer kürzeren Abständen zurück. Muskel- und Skeletterkrankungen begründen fast ein Drittel der Krankschreibungen, und Rückenschmerzen nehmen darunter einen der vorderen Ränge ein. Schlimmer noch – wer wegen chronischer Rückenschmerzen längere Zeit arbeitsunfähig wird, kehrt viel zu oft nicht mehr in den Beruf zurück. Ein Grund, dass Rückenschmerzen chronisch werden, liegt darin, dass akute Beschwerden oft falsch behandelt werden. Kranke neigen dazu, sich möglichst wenig zu bewegen, um dem Schmerz auszuweichen. Vermeintliche Knochenoder Bandscheibenschäden werden 2 operiert, obwohl das oft nur mäßigen Erfolg erwarten lässt. Viel zu wenig berücksichtigt wird dagegen die Bedeutung, die Stress und anderen seelischen Ursachen zukommt. Mit dieser gemeinsam mit der BKK erstellten Broschüre möchten wir Ihnen erklären, welche Ursachen Rückenschmerzen haben und was Sie unternehmen können, um ihnen zu entgehen oder – wenn es Sie schon erwischt hat – sie wieder loszuwerden. Lassen Sie sich von uns den Rücken stärken! Herzlichst Ihr 24 Wirbelkörper bilden zusammen mit dem Kreuz- und dem Steißbein die Grundkonstruktion unserer Wirbelsäule. Jeder einzelne Wirbel besteht aus einem Wirbelkörper und einem Wirbelbogen mit mehreren Fortsätzen. Die nach hinten ragenden Dornfortsätze können Sie spüren, wenn Sie mit dem Finger an der Rückenmitte entlang nach unten fahren. Sie haben übrigens eine wichtige Funktion: Sie sorgen dafür, dass die Wirbelsäule nicht nach hinten umknicken kann. Halswirbelsäule Brustwirbelsäule Direkten Kontakt halten die Wirbel nur über winzige Gelenke an den Wirbelbögen. Die Wirbelkörper sind durch dazwischen liegende Bandscheiben verbunden. Zusätzlich wird die ganze Wirbelsäule mit Bindegewebsbändern gestärkt und stabilisiert. Lendenwirbelsäule Kreuzbein Genialer Puffer: die Bandscheiben Gunther Vogel, PRAXIS – das Gesundheitsmagazin Die Bandscheiben haben zwei Hauptaufgaben: Sie müssen die Stöße und Schläge abpuffern, die Steißbein 3 HALTUNG BEWAHREN HALTUNG BEWAHREN Training hält den Rücken fit beim Gehen und Springen auf den Körper einwirken. Und sie ermöglichen die Beweglichkeit der Wirbelsäule, indem sie sich zusammendrücken und verformen lassen. Das gelingt, weil eine Bandscheibe aus zwei Teilen besteht: aus einem festen äußeren Faserring und einem weichen flüssigkeitsreichen Mittelteil, dem Gallertkern. Bandscheiben müssen ziemlich viel aushalten: So lasten schon beim Stehen in einer gebeugten Position über 100 Kilogramm auf den Bandscheiben der Nerv Rückenmark Wirbelkörper Lendenwirbelsäule, beim Hochheben einer Last aus gebückter Haltung über 200 Kilogramm! Bei Übergewicht liegen die Werte entsprechend höher. Derartig hohe Belastungen pressen gewissermaßen den „Saft“ aus den Scheiben. Sie verlieren im Laufe des Tages an Flüssigkeit und Höhe. Das heißt: Wir werden kleiner. Über Nacht saugen sich die Bandscheiben jedoch wieder mit Flüssigkeit voll, so dass wir am Morgen wieder unsere normale Größe haben. Dieses Prinzip der Flüssigkeitsabgabe und -aufnahme dient auch zur Nährstoffversorgung der Bandscheibe. Ausreichende körperliche Bewegung ist deshalb lebenswichtig für Bandscheiben, denn sie benötigen einen gleichmäßigen und ausgewogenen Wechsel zwischen Beund Entlastung, um sich ausreichend mit Flüssigkeit und Nährstoffen voll zu saugen. Ohne Muskeln geht gar nichts Ohne das komplexe Zusammenspiel vieler Muskeln ist die Wirbelsäule nicht stabil und schon gar nicht beweglich. Das reicht von den winzigen Muskeln zwischen den einzelnen Wirbeln bis hin zu den großen Muskeln von Rücken, Brust und Bauch. All diese Muskel- Wirbelfortsätze 4 Bei gut trainierter Rücken-, Bauch- und Brustmuskulatur haben Rückenschmerzen schlechte Chancen. Regelmäßiger Sport kann Rückenproblemen auf Dauer vorbeugen und lindern. Am besten in Form eines speziellen Rückentrainings, wie es in vielen Sportund Fitnessstudios angeboten wird. Achtung: Bevor Sie sich einer Trainingsgruppe anschließen, sollten Sie die Qualifikation des Trainers prüfen und ein Probetraining absolvieren. Die meisten Krankenkassen bieten bereits auf ihre Qualität geprüfte Bewegungsprogramme wie beispielsweise Rückenschulen oder Wirbelsäulengymnastik an. Hier lernen Sie gleich noch „rückengerechtes“ Alltagsverhalten – z. B. Bücken, Heben, Stehen. gruppen sorgen gemeinsam dafür, dass wir uns aufrecht halten und Bewegungen gezielt und sicher ausführen können. Die moderne Lebensweise mit wenig Bewegung und viel Sitzen tut dem ausgeklügelten Halte- und Bewegungssystem des Rückens nicht gut. Der stärkende und schützende Muskelapparat erschlafft zusehends. Die Bandscheiben altern vorzeitig, weil sie ständig zusammengedrückt und nicht mehr ausreichend mit Nährflüssigkeit versorgt werden. Sensibles gut geschützt Im Schutze des Wirbelkanals, der von den Wirbelbogen gebildet wird, verläuft das Rückenmark. Das ist, vereinfacht gesagt, ein dickes Bündel von Nervenfasern, die nach und nach abzweigen, um den ganzen Körper mit Nerven zu versorgen. Die Nerven verlassen den Wirbelkanal durch kleine Öffnungen zwischen Wirbelbogen und Wirbelfortsätzen und ziehen bis in die Fingerspitzen und die Fußzehen. Sie funktionieren meist in zwei Richtungen: Einerseits geben sie die Befehle des Gehirns an Muskeln und Organe weiter, andererseits leiten sie Meldungen der Sinnesorgane zurück zum Gehirn. Schäden an den Wirbeln oder an den Bandscheiben ziehen oft die Nerven in Mitleidenschaft – 5 Bandscheibe HALTUNG BEWAHREN HALTUNG BEWAHREN Das Kreuz mit dem Kreuz Schmerzen und Lähmungen können die Folge sein. Was Ihr Rücken täglich für Sie leistet Schon morgens beim Aufstehen geht es los: Wenn Sie sich nicht gerade seitlich aus dem Bett wälzen, müssen Rücken- und Bauchmuskulatur kräftig arbeiten. Hosen, Strümpfe und Schuhe anziehen – jedes Mal müssen Sie sich bücken. Dann das Frühstück: Man setzt sich gemütlich hin, der Rücken krümmt sich, die Bandscheiben gleichen es aus. Die Treppe runter springen – die Wirbelsäule fängt die Stöße ab. Und so geht es den ganzen Tag weiter: im Auto sitzen, Tasche aufheben, Wasserkasten oder Wäschekorb schleppen … Was immer Sie tun, Ihr Rücken muss es mitmachen. Sogar wenn Sie nichts tun, besser gesagt: nichts, was Sie körperlich anstrengt. Denn stundenlanges Sitzen am Schreibtisch oder vor dem Computer, wie es viele Jobs heute mit sich bringen, macht dem Rücken arg zu schaffen. Es fördert Verspannungen und Fehlhaltungen, die Bandscheiben leiden, weil sie nicht mehr genügend Nährstoffe bekommen. Büromenschen sollten deshalb besonders auf ihre Sitzhaltung achten (mehr dazu siehe Seite 22). Von falscher Körperhaltung und kaputter Bandscheibe bis hin zum Knochenschwund – eine ganze Reihe von Krankheiten können den Rücken schädigen. Warnschuss Hexenschuss Schmerz ist wichtig. Er ist ein lebenswichtiges Warnsignal vor Gefahren. Wenn der Ischiasnerv zwackt, können z. B. eine verrutschte Bandscheibe, ein eingeklemmter Nerv oder verkantete Wirbelgelenke dahinter stecken, aber auch seelische Belastungen, die sich in Muskelverspannungen äußern. Sie sollten Rückenschmerzen deshalb ebenso ernst nehmen wie jeden anderen Schmerz und nachforschen (lassen), wo es „klemmt“. Haltung bewahren! Die Grundlagen für spätere Kreuzschmerzen werden oft schon in jungen Jahren gelegt. Da schleppt der ABC-Schütze eine schwere Tasche in einer Hand statt einen Ranzen auf dem Rücken. Da lässt sich ein Jugendlicher im wahrsten Sinne des Wortes hängen – die Schultern nach vorne, die Brustwirbelsäule krumm, der Kopf eingezogen. Als Folge der Fehlhaltung gerät das Zusammenspiel von Ge- 6 lenken, Muskeln und Bändern aus der Balance. Hinzu kommt, dass sich immer mehr Kinder und Jugendliche vor dem Sport drücken, wenn es irgend geht. Die Rumpfmuskulatur, wichtige Stütze der Wirbelsäule, erschlafft. Haltungsfehler können sich über Jahre regelrecht festsetzen und sollten deshalb frühzeitig bekämpft werden. CT-Aufnahme eines Bandscheibenvorfalls 7 HALTUNG BEWAHREN HALTUNG die Wirbelsäule dehnen und strecken und, wenn möglich, ein paar leichte Dehnübungen machen. Rückenfeind Arbeitsumgebung Früher galten Rückenschmerzen vor allem als Krankheit von Schwerstarbeitern – erzwungene Fehlhaltungen und kräftezehrende Bewegungsabläufe zermürbten auf Dauer die Wirbelsäule und deren Halteapparat. Heute gibt es weitaus weniger Menschen, die körperlich hart arbeiten müssen, und trotzdem hat die Zahl der Rückenkranken nicht wie erwartet abgenommen, sondern nimmt im Gegenteil ständig zu. Der Grund: Auch am Schreibtisch lauern jede Menge „Rückenfeinde“. Der Computerbildschirm steht zu hoch, zu tief, oder so, dass man ständig den Kopf drehen muss, um ihn zu sehen. Sogar ergonomisch ausgestattete Arbeitsplätze tun dem Rücken nicht nur Gutes: Sie sind oft so sehr darauf ausgerichtet, jede unnötige Bewegung zu vermeiden, dass das Bewegungsbedürfnis des Körpers zu kurz kommt – einzelne Muskeln werden über-, andere unterfordert. Wenn Sie an einem solchen Arbeitsplatz sitzen, sollten Sie regelmäßig aufstehen, 8 Bandscheibe auf Abwegen Die Bandscheiben sind zwar dafür gebaut, hohen Belastungen standzuhalten. Dennoch kann es passieren, dass eine von ihnen „die Form verliert“: Die feste Bindegewebshülle leiert aus, bekommt Risse und kann den Gel-Kern nicht mehr richtig stabilisieren. Druck auf die Bandscheibe – besonders wenn er einseitig erfolgt oder plötzlich sehr massiv auftritt – kann dazu führen, dass sich der Bandscheibenkern in Richtung des Wirbelkanals oder der kleinen Nervenaustrittsstellen vorschiebt. Je nach Ausmaß spricht man von einer „Bandscheibenvorwölbung“ oder vom „Bandscheibenvorfall“. Der Rücken tut weh, der Schmerz strahlt oft bis ins Bein oder den Arm aus, wenn die Bandscheibe dabei auf einen Nerv drückt. Die meisten Bandscheibenprobleme ereignen sich am unteren Teil der Wirbelsäule, der besonders beansprucht wird. Erstes Zeichen, dass etwas nicht stimmt, ist häufig ein Kribbeln im Bein. Zehen, Waden oder Oberschenkel fühlen sich an wie eingeschlafen. Wenn der Druck auf die empfindlichen Nerven größer wird, fallen erste Muskeln aus – man kann sich nicht mehr auf die Zehenspitzen stellen oder den Fuß heben. Sogar zu einer Blasenlähmung kann es kommen. In diesen Fällen heißt es: sofort zum Arzt! Der Druck muss rasch gemindert werden, damit der Nerv nicht auf Dauer Schaden nimmt. Verschleißprobleme im Alter Im Alter verliert die Bandscheibe an Elastizität und Quellfähigkeit. Deshalb kann sie sich nicht mehr so stark vorwölben. Die Folge: Ältere Menschen leiden seltener unter einem Bandscheibenvorfall. Bei ihnen steht bei Rückenschmerzen die Arthrose im Vordergrund; der Verschleiß der Gelenke. Der BEWAHREN Gelenkknorpel wird nach und nach abgebaut, es entstehen kleine Knochenspitzen, welche die Gelenkbewegungen schmerzhaft behindern. Knochenschwund macht Wirbel brüchig Wie alle lebenden Gewebe unterliegt auch der Knochen einem ständigen Auf-, Ab- und Umbau. Normalerweise stehen diese Prozesse in einem Gleichgewicht. Im höheren Lebensalter und ganz besonders bei Frauen nach den Wechseljahren verschiebt es sich in Richtung „Abbau“. Die Folge: Knochenschwund, von Medizinern „Osteoporose“ genannt. Die Knochen brechen dann leichter. Sie Brüchig gewordene Knochenstruktur: Osteoporose 9 HALTUNG BEWAHREN HALTUNG BEWAHREN So untersucht der Arzt sind unter Umständen so morsch, dass schon eine ganz normale Alltagsbelastung ausreichen kann, um den Knochen brechen zu lassen. Ein typisches Zeichen des fortgeschrittenen Knochenschwunds sind brüchige Wirbelkörper, die schließlich in sich zusammensacken. Diese osteoporotischen Wirbelbrüche ereignen sich besonders oft an der Brustwirbelsäule und sind äußerst schmerzhaft. Rundrücken in jungen Jahren Schon Jugendliche können unter krankhaften Wirbelsäulenveränderungen leiden. Häufigstes Beispiel: der so genannte „Morbus Scheuermann“, eine vor allem bei männlichen Jugendlichen vorkommende Wachstumsstörung. Neben genetischen Faktoren kann eine zu hohe Belastung der Wirbel, wenn das Skelett noch nicht völlig ausgereift ist, die Ursache sein. Es kommt zu kleinen Einbrüchen an den oberen und unteren Wirbelflächen – allerdings bei weitem nicht so massiv wie bei der Osteoporose. Trotzdem kann auch der Morbus Scheuermann dazu führen, dass Wirbel sich verformen; sie werden nach 10 vorne immer flacher, der Rücken rundet sich. Bestes Mittel um vorzubeugen ist, Kinder intensiv Sport treiben zu lassen; das kräftigt die Muskulatur, die der Wirbelsäule Halt gibt. Rheuma an der Wirbelsäule Vorwiegend junge Erwachsene kann der „Morbus Bechterew“ befallen, eine spezielle Form des entzündlichen Gelenkrheumatismus. Die Entzündung spielt sich hierbei vorwiegend an den Wirbelgelenken ab und an den Gelenken, die Kreuzbein und Becken verbinden. Charakteristisch für „den Bechterew“ ist, dass der Kranke morgens mit starken Schmerzen im Kreuz aufwacht, die sich erst im Laufe des Vormittags verflüchtigen. Durch die chronische Entzündung können Wirbel- und KreuzbeinBecken-Gelenke allmählich immer mehr versteifen. Wenn akute Rückenschmerzen unerträglich werden oder die Beweglichkeit zu stark einschränken, sollten Sie zum Arzt gehen. Wenn der Rückenschmerz nicht gerade mit Warnzeichen einhergeht (siehe Kasten S. 12) oder Sie sich nicht schon seit Monaten damit plagen, brauchen Sie nicht gleich zum Spezialisten zu gehen. Ihr Hausarzt kann eine Erstuntersuchung durchführen und Sie, sollte es nötig sein, zum Orthopäden überweisen. Grundsätzlich gilt: Schieben Sie den Arztbesuch nicht zu lange hinaus! Schmerzen können sich verselbständigen. Das Nervensystem entwickelt nämlich ein „Schmerzgedächtnis“, das Ihnen auch dann noch Schmerzen bereiten kann, wenn der Auslöser längst beseitigt ist. Das Schmerzgedächtnis umzuprogrammieren, ist meist schwieriger als den ursprünglichen Schmerz zu beseitigen. Erst mal reden Auch beim Orthopäden sind das Gespräch und die körperliche Untersuchung die ersten und wichtigsten diagnostischen „Instrumente“. Das klingt merkwürdig, schließlich geht es doch um Knochen und Gelenke, die sich im Röntgenbild viel besser beurteilen lassen sollten. Doch heute weiß man, dass Rückenschmerzen in vielen Fällen auch auf durch Stress bedingten muskulären Verspannungen basieren, die kein Röntgenbild zeigen kann. Gespräch und Untersuchung können dem Arzt wichtige Anhaltspunkte liefern, was im Argen liegt. Es kann sein, dass sich das Röntgen dann sogar erübrigt. 11 HALTUNG BEWAHREN HALTUNG Gehen Sie bei akuten Rückenschmerzen zum Arzt, wenn … • alle Versuche, den Schmerz zu lindern, erfolglos bleiben • die Schmerzen sich auch nach zwei bis drei Tagen nicht bessern • Sie starke Schmerzen haben, die ins Bein ausstrahlen • Sie schon früher Bandscheibenprobleme hatten oder an der Wirbelsäule operiert wurden Höchste Eile ist bei akutem Rückenschmerz geboten, wenn … • Sie das Gefühl haben, dass Ihr Arm oder Bein einschläft • die Muskeln im Bein oder in den Armen schwächer werden oder gar nicht mehr gehorchen • Sie die Kontrolle über Darm und/oder Blase verlieren Wichtige Fragen Notieren Sie ein paar Stichpunkte, bevor Sie Ihren Arzt aufsuchen. Das erleichtert Ihnen beiden das Gespräch. Wichtige Punkte sind: • Wann hat der Schmerz begonnen (an welchem Tag, zu welcher Tageszeit, bei welcher Tätigkeit)? • Wie hat der Schmerz begonnen (langsam zunehmend, ganz plötzlich)? • Wie fühlt sich der Schmerz an (stechend, drückend, ziehend)? • Wo genau sitzt er, strahlt er in eine Gliedmaße aus? • Hatten Sie solche Beschwerden schon früher? 12 • Spüren Sie weitere Symptome, z. B. Kribbeln oder Gliederschwäche? Bei der anschließenden körperlichen Untersuchung wird der Arzt prüfen, ob Verformungen der Wirbelsäule vorliegen oder Verspannungen der Muskulatur. Er wird Sie von Kopf bis Fuß begutachten. So kann er feststellen, ob beispielsweise ein Bein wesentlich kürzer ist als das andere – dann steht das Becken schief und die Wirbelsäule krümmt sich seitlich, um den Schiefstand auszugleichen. Er wird den Rücken abtasten, um Punkte zu suchen, an denen ein Druck Schmerzen auslöst. Erst dann entscheidet sich, ob bildgebende Verfahren zum Zuge kommen. nutzungserscheinungen der Wirbelsäule, Wirbelbrüche oder Fehlstellungen der Gelenke erkennt man besonders gut im Röntgenbild. Bei Verdacht auf einen Bandscheibenschaden haben sich die Computertomographie (CT) und die Kernspintomographie als die empfindlicheren Nachweismethoden erwiesen. Letztere hat darüber hinaus den Vorteil, dass sie den Körper nicht mit Röntgenstrahlen belastet und noch mehr Details abbildet als die CT. Entzündungen an den Wirbelgelenken, z. B. beim Morbus Bechterew, werden mit einer Szintigraphie sichtbar gemacht. Der Verdacht auf Knochenschwund lässt sich mithilfe einer Knochendichtemessung erhärten oder widerlegen. BEWAHREN Zweitens ist das, was der Arzt im Bild sieht, oft gar nicht die Ursache der Schmerzen, sondern nur ein Nebenbefund. Würde man z. B. 1000 Menschen mittleren Alters mit der Kernspintomographie untersuchen, fände man bei etwa 500 eine vorgewölbte Bandscheibe – ohne dass auch nur einer von ihnen deshalb Probleme hätte. Dass die Ärzte heute nicht mehr jeden Kranken mit Rückenschmerzen gleich zum Röntgen schicken, hat mehrere Gründe. Erstens stecken hinter den Schmerzen in vielen Fällen Ursachen, die sich mit bildgebenden Verfahren nicht darstellen lassen. Röntgen, CT &Co Je nachdem, welche Ursache der Arzt hinter Ihren Beschwerden vermutet, wird er unterschiedliche Untersuchungen veranlassen. Ab13 HALTUNG BEWAHREN HALTUNG BEWAHREN Der Rücken als Spiegel der Seele Lange Zeit glaubte man, Rückenschmerzen seien vorwiegend die Folge von Überlastung und (vorzeitigem) Verschleiß. Ein Irrtum, wie sich herausgestellt hat. Selbst wenn sich Veränderungen an der Wirbelsäule ausmachen lassen, sind häufig psychische Einflüsse für die Schmerzen verantwortlich. Fatales Steinzeiterbe Selbst für manchen Experten kam diese Erkenntnis überraschend. Zwar hatten viele Eingriffe an der Wirbelsäule keineswegs die guten Ergebnisse gebracht, die man sich erhofft hatte, aber die Erkenntnis, dass die meisten Kranken wesentlich bessere Chancen auf eine dauerhafte Linderung ihrer Schmerzen haben, wenn man auch ihre psychischen Probleme von Stress bis Depression behandelt, hat sich erst in den letzten Jahren durchgesetzt. 14 Dass uns Stress, Ärger und Angst nicht nur auf den Magen schlagen, sondern auch in den Rücken fahren, ist auf einen Reflex zurückzuführen, über den schon unsere Vorfahren in der Steinzeit verfügten. Sobald nämlich Gefahr und Probleme drohen, reagiert der Körper, indem er sich auf Angriff oder Flucht einstellt. Dabei wird unwillkürlich die gesamte Muskulatur angespannt, auch und besonders im Bereich des Rumpfes. Das geschieht meistens völlig unbewusst. Weil man heutzutage in unangenehmen Situationen aber nicht einfach losstürmen oder weglaufen kann, bleiben die Muskeln angespannt. Ein Teufelskreis beginnt: Je stärker die Verspannung, desto weniger Einfluss hat man darauf, den Spannungszustand der Muskeln zu verändern – sprich: Man ist nicht mehr in der Lage, die schmerzenden Muskeln bewusst zu entspannen. Eine ständig verspannte Muskulatur verhärtet sich und wird schlechter durchblutet, was den Schmerz noch verstärkt. Schmerz seinerseits wirkt als Reiz, auf den der Körper mit noch mehr Anspannung reagiert – der Teufelskreis schließt sich. Was den Rücken anfällig macht Rückenschmerzen treffen auffällig häufig sehr disziplinierte Menschen, die hohen beruflichen oder privaten Anforderungen genügen müssen, sich und ihr Leben aber scheinbar gut im Griff haben. Sie stehen sozusagen ständig unter Strom, müssen Haltung bewahren, auch wenn sie sich vielleicht gerne mal einfach „hängen lassen“ möchten. Die Muskeln, welche die Wirbelsäule aufrichten und stabilisieren, verspannen und verhärten sich – Schmerzen sind die Folge. gaben, obwohl man die alten gerade eben so bewältigen kann, eine drohende Kündigung, schwere Auseinandersetzungen in der Familie oder im Betrieb. Was deutet auf seelische Ursachen hin? So mancher Rückenpatient hat schon eine lange „Karriere“ mit den unterschiedlichsten Behandlungsverfahren hinter sich – unter Umständen sogar Operationen – bevor die psychischen Ursachen seines Leidens aufgedeckt werden. Das liegt gar nicht unbedingt daran, dass die Ärzte zu spät an derartige Ursachen denken. Aber sie müssen zunächst ausschließen, dass die Schmerzen eine organische Ursache haben. Oft wechselt der Kranke auch den Arzt, wenn Selbstzweifel, Ängste und Depressionen sind häufige Ursachen von Rückenschmerzen. Auch Unzufriedenheit mit der Arbeit kann über kurz oder lang ins Kreuz fahren. Schwedische Forscher haben festgestellt, dass Menschen, die sich in ihrem Job unglücklich fühlen, ein siebenfach höheres Risiko für Rückenschmerzen tragen. Als Auslöser wirken oft Ereignisse, die den negativen Stress akut eskalieren lassen, wie zum Beispiel neue Auf15 HALTUNG BEWAHREN HALTUNG BEWAHREN Rückenschmerzen ganzheitlich behandeln Selbsttest Der folgende Fragebogen kann Ihnen Hinweise geben, ob Ihre Rückenschmerzen möglicherweise psychisch bedingt sind. Er ersetzt nicht die ärztliche Diagnose! Wenn Sie eine oder mehrere Fragen mit Ja beantwortet haben, sollten Sie mit Ihrem Arzt darüber reden, welche Rolle seelische Probleme bei Ihren Beschwerden spielen können. • Stehen Sie unter starkem Stress im Beruf oder im Privatleben? ja nein • Fühlen Sie sich häufiger einmal überfordert? ja nein • Haben Ihre Schmerzen in zeitlichem Zusammenhang mit einem belastenden Ereignis begonnen oder sich deutlich verschlechtert? ja nein Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Familie nicht genügend Rücksicht auf Ihre Schmerzen nimmt? ja nein Haben Sie schon verschiedene Therapien probiert, ohne dass die Schmerzen besser wurden? ja nein Wurde bei Ihnen früher einmal ein psychisches Leiden wie eine Angsterkrankung oder Depression diagnostiziert? ja nein • • • die Behandlung nicht sofort anschlägt. Der nächste Arzt kennt dann die Vorgeschichte nicht genau und wird also womöglich wieder von vorn beginnen mit der Diagnostik. Wenn der Rücken die Seele belastet Auch umgekehrt kann es sein: Lang dauernde Schmerzen, etwa 16 durch eine entgleiste Bandscheibe, können einen Menschen seelisch zermürben. Ganz besonders dann, wenn es allen ärztlichen Anstrengungen zum Trotz nicht gelingt, die Schmerzen zu beseitigen, oder wenn sie immer wiederkehren. Auch in solchen Fällen kann psychologische Unterstützung helfen. Die Kranken lernen dabei, sich aktiv zu entspannen und mit ihrem Schmerz anders umzugehen. Dazu später mehr (siehe Seite 19). So vielfältig wie die Ursachen von Rückenschmerzen ist auch die Palette der Behandlungsverfahren. Sie reicht von Rückengymnastik bis Psychotraining, von Schmerztablette bis Bandscheibenoperation. Das erlaubt eine jedem Kranken individuell angepasste Strategie, die in der Regel mehrere Behandlungsverfahren umfasst. Das Wichtigste zuerst: Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit, bis Sie mit Ihren Rückenschmerzen zum Arzt gehen! Sich Wochen oder gar Monate lang mit dem Schmerz herumzuschlagen, ist kein Zeichen von Tapferkeit, sondern schlicht unsinnig. Lange bestehende Schmerzen neigen dazu, sich in das Nervensystem quasi „einzubrennen“, und ein so genanntes Schmerzgedächtnis entsteht. Mögliche Folge: Das Nervensystem meldet selbst dann noch Schmerzsignale, wenn gar kein Schmerzreiz mehr da ist. Oder es reagiert so überempfindlich, dass schon geringste Berührungen schmerzen, die ein Gesunder als Streicheln empfinden würde. Ein solches Schmerzgedächtnis zu löschen, ist immer ausnehmend schwierig. Manchmal gelingt es gar nicht oder nicht vollständig. Die beste Möglichkeit vorzubeugen, ist deshalb, akute Schmerzen rechtzeitig wirksam zu behandeln. Hilfreiche Erstmaßnahmen Bei akuten Rückenschmerzen ist erst einmal Schonung angesagt (das gilt nicht für chronische Schmerzen!). Hilfreich ist es, den Rücken zunächst zu entlasten, indem man sich hinlegt, die Matratze sollte allerdings nicht zu weich sein. Dann entweder in Seitenlage die Beine anziehen oder in Rückenlage z. B. mithilfe eines dicken Kissens oder eines Kastens 17 HALTUNG BEWAHREN ein Stufenbett bauen, um die gereizten Nerven zu entlasten. Allerdings empfindet nicht jeder Rückenleidende diese Lage als angenehm; „Ausprobieren“ heißt die Devise. Das Gleiche gilt für Wärme, z. B. in Form einer Wärmflasche oder eines Wärmekissens. Milde Wärme entspannt die Muskeln, Überwärmung kann aber auch den Schmerz verstärken, und sollte vor allem bei entzündlichen Prozessen vermieden werden. Müssen Medikamente sein? In vielen Fällen ja. Denn Schmerzen lösen eine Muskelanspannung aus, die ihrerseits den Schmerz verstärkt und Linderung verhindert. Mit einem wirksamen Schmerzmittel kann dieser sich aufschaukelnde Prozess unterbrochen werden. Außerdem wirken viele Schmerzmittel gleichzeitig entzündungshemmend. Besonders bei Bandscheibenleiden tragen Entzündungsreaktionen zur Entstehung der Schmerzen bei. Ein weiteres, wichtiges Argument für Schmerzmittel: Bestimmte hilfreiche Behandlungen wie beispielsweise Krankengymnastik sind oft – zumindest in der ersten Zeit – nur 18 HALTUNG möglich, wenn die Schmerzen durch ein Medikament ausgeschaltet werden. Schmerzmittel können z. B. als Tabletten geschluckt, oder bei sehr starken akuten Rückenschmerzen direkt an den Ort des Geschehens gespritzt werden. Wenn der Arzt eine stärkere Entzündungshemmung für erforderlich hält, kann er auch Kortison dazugeben. Fango, Massage und was dazu gehört Heißluft, Rotlichtbestrahlung, Fango, Massage – es gibt zahlreiche Möglichkeiten, dem schmerzenden Rücken etwas Gutes zu tun. Bei akuten Schmerzen haben diese Verfahren durchaus ihre Berechtigung, vorausgesetzt, sie werden fachlich korrekt durchgeführt. Bei chronischen Schmerzen sollte man sie aber zurückhaltend einsetzen. Der Grund: Sie verführen dazu, sich der Behandlung (und damit auch dem Schmerz) einfach passiv zu ergeben, statt selbst aktiv dagegen vorzugehen. Die Erfahrung lehrt: Rückenkranke, die sich immer wieder nur ihr Rezept für die Massage abholen, haben deutlich schlechtere Chancen, möglichst bald wieder dauerhaft schmerzfrei zu werden. Das Motto heißt: aktiv werden. Gezielt bewegen, stärkt den Rücken Ein chronisch kranker Rücken profitiert von professionell gelehrter Krankengymnastik viel mehr als von Schonung, Badetherapie und Massage. Durch Krankengymnastik können chronische Verspannungen beseitigt, Blockierungen der Wirbelsäule gelöst und verkürzte Muskeln gedehnt werden. Als Prinzip gilt: langsam steigern. Es bringt überhaupt nichts, sich gleich auf die Kraftmaschinen im Fitnessstudio zu stürzen, solange die Rückenmuskeln noch verspannt sind – im Gegenteil, so ein forciertes Training kann die Schmerzen noch verstärken. Wichtig ist, dass Sie aktiv mitarbeiten und die erlernten Rückenübungen daheim konsequent weiter durchführen, auch wenn der Schmerz schon verschwunden ist. BEWAHREN Die Übungen sind nämlich nicht nur Mittel zur Heilung, sondern dienen auch der Vorbeugung. Außerdem vermittelt der Krankengymnast auch rückengerechtes Verhalten für den Alltag und zeigt Ihnen, wie Sie gehen, stehen, sitzen, heben und sich bücken können, ohne den Rücken zu belasten. Beispiele für ein kleines Rückentraining finden Sie auf Seite 22/23. Das kann der Psychologe tun Wie schon mehrfach erwähnt, spielen psychische Einflüsse bei chronischen Rückenschmerzen eine wichtige Rolle. Sie können der eigentliche Ursprung der Rückenbeschwerden sein, aber auch, wenn man z. B. unter ständigen Schmerzen leidet, den Krankheitsverlauf in einer Art Rückkopplung negativ beeinflussen. Als diese 19 HALTUNG BEWAHREN HALTUNG Entspannung durch Anspannen Die progressive Muskelrelaxation, kurz PMR, beruht auf zwei Grundlagen: zum einen auf der Tatsache, dass ein maximal angespannter Muskel sich nach dem „Loslassen“ auch maximal entspannt. Zum anderen spiegelt der Muskelzustand bei vielen Menschen die Seelenlage wider. Wenn jemand innerlich angespannt ist, sind es oft auch die Muskeln. So kann umgekehrt muskuläre Entspannung dabei helfen, insgesamt ruhiger zu werden. Bei der PMR werden nacheinander verschiedene Muskelgruppen einige Sekunden lang angespannt und dann wieder losgelassen. Während der Phasen der Anspannung und Entspannung sollte man genau darauf achten, wie sich die betreffenden Muskeln anfühlen, um die Wahrnehmung für den eigenen Körper zu schulen. Die PMR bietet keine Soforthilfe! Sie muss erlernt werden, und bis die Wirkung spürbar wird, kann es einige Wochen dauern, in denen man täglich üben sollte. Autogenes Training Das autogene Training ist ein Verfahren zur „konzentrativen Selbstentspannung”. Es basiert im Gegensatz zur Hypnose ausschließlich auf der eigenen Vorstellungskraft und wird zumeist in kleinen Gruppen in wöchentlichen Sitzungen vermittelt. Jede Übung dauert 3–5 Minuten und wird im Sitzen oder Liegen bei geschlossenen Augen durchgeführt. In der Regel wird in jeder Sitzung eine Formel eingeübt z. B. „Mein rechter Arm ist ganz schwer“ oder „Mein Körper ist angenehm warm“. Die Übenden konzentrieren sich dann auf die Wahrnehmung dieser Schwere oder Wärme und sollten die Übungen zu Hause mehrfach wiederholen. Zusammenhänge erkannt wurden, hat man damit begonnen, immer häufiger auch Psychologen zur Behandlung hinzu zu ziehen. Der Psychologe kann zum einen dabei helfen, den seelischen Ursachen der Schmerzen auf den Grund zu gehen und sie zu bewältigen. Zum anderen kann er psychologische Techniken vermitteln, die helfen, den Schmerz besser unter Kontrolle zu halten, damit er erträglich wird. Ein Beispiel, das jeder aus eigener Erfahrung kennt: Schmerz wird weniger stark empfunden, wenn man abgelenkt wird, etwa weil jemand das Zimmer betritt. Das liegt daran, dass das Gehirn nur eine bestimmte Menge von Wahrnehmungen zum selben 20 Zeitpunkt zur Kenntnis nehmen und verarbeiten kann. Das kann man sich zunutze machen, um den Schmerz zu dämpfen – durch gezielte Ablenkung bei erhöhtem Schmerzempfinden: z. B. durch Musik hören, spazieren gehen, ein Buch lesen, ein ablenkendes Gespräch. Anhaltende Schmerzen können zudem die Seele zermürben. Der Kranke wird traurig und ängstlich; seine Persönlichkeit verändert sich. Mit psychologischer Hilfe kann man solchen Prozessen rechtzeitig entgegenwirken. Häufig werden auch die Schmerzen geringer, wenn das seelische Gleichgewicht wieder erreicht wird. BEWAHREN Erst mal entspannen … Zum Repertoire der Therapeuten gehören eine Reihe von Entspannungsverfahren, die Sie nach etwas Übung auch alleine ausführen können. Die bekannteste Methode neben dem autogenen Training dürfte die progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen sein, die oft für viele Menschen geeignet ist, die mit dem autogenen Training nicht zurecht gekommen sind (siehe Kasten S. 20). Andere verbreitete Verfahren sind Yoga oder Qi-Gong. Entspannungsmethoden kann man bei speziell dafür ausgebildeten Therapeuten lernen. Ihr Arzt oder Ihre Krankenkasse können Ihnen verhaltenstherapeutisch orientierte Trainingsprogramme empfehlen. Mit psychologischer Unterstützung lernt man, wie die täglichen Belastungen gelassener und sicherer bewältigt werden können. Hier muss der Chirurg ran Die Operation gilt heute bei der Behandlung von Rückenbeschwerden außer in Notfällen (siehe Kasten) als letzte Möglichkeit. Zur Operation wird Ihnen der Arzt deshalb nur raten, wenn andere Behandlungsverfahren keinen Erfolg gebracht haben. Am häufigsten werden heute Bandscheibenleiden operiert. Daneben können auch Tumore oder Entzündungen einen Eingriff nötig machen. Allerdings sind das eher seltene Sonderfälle. Es gibt verschiedene Methoden, um verschlissene Bandscheiben zu sanieren. Meistens operiert man heute „durchs Schlüsselloch“, also mit feinen Sichtgeräten und stabförmigen Instrumenten (Endoskopen), die durch winzige Hautschnitte eingeführt werden. Offene Operationen, die lange Narben am Rücken hinterlassen, sind nur noch in Ausnahmefällen nötig. Wann muss die Bandscheibe schnell operiert werden? Nicht jeder Bandscheibenvorfall ist ein Notfall, der umgehend operiert werden muss. Dringend unters Messer müssen dagegen Kranke, bei denen die Bandscheibe Nerven oder Rückenmark stark eingeklemmt hat und die deshalb Muskellähmungen aufweisen oder Blase und Darm nicht mehr kontrollieren können. Denn Nervengewebe ist sehr empfindlich und verträgt massiven Druck nur kurze Zeit. Sonst können dauerhafte Schäden entstanden sein. 21 HALTUNG BEWAHREN HALTUNG Das können Sie für Ihren Rücken tun BEWAHREN Übung 2 Richtiges Verhalten im Alltag und ein paar gezielte Übungen, die der Rücken- und Bauchmuskulatur zugute kommen – das reicht schon, damit Ihr Rücken lange fit und geschmeidig bleibt. Ihr Verhalten entscheidet darüber, wie es Ihrem Rücken in Zukunft geht. Hier ein paar Tipps für einen rückengesunden Alltag: • Nehmen Sie Haltung an! Stehen, gehen und sitzen Sie aufrecht, mit erhobenem Kopf und geraden Schultern. • Wenn Sie lange stehen müssen, versuchen Sie, einen Fuß erhöht zu stellen; das entlastet die Wirbelsäule. • Vermeiden Sie es, lange in einer starren Position zu sitzen – wechseln Sie Ihre Sitzposition zwischen vorgeneigt, aufrecht und angelehnt. • Wenn Sie eine schwere Last anheben müssen, gehen Sie in die Knie, statt sich zu bücken! Tragen Sie Lasten grundsätzlich dicht am Körper, und fallen Sie dabei nicht ins Hohlkreuz. • Entlasten Sie die Wirbelsäule von überschüssigen Pfunden – versuchen Sie, Ihr Idealgewicht zu erreichen und zu halten. • Sport hält den Rücken fit! Probieren Sie doch mal, wie Ihnen das Rückentraining gefällt. Rückenfreundliche Sportarten sind außerdem Schwimmen, Laufen, Walking, Wandern und Rad fahren. Übungen für jeden Tag Die folgenden Übungen geben Ihnen Anregungen, wie Sie die Muskeln stärken können, die Ihren Rücken stützen. Die einzelnen Übungen sollten Sie fünf- bis zehnmal wiederholen und die Muskeln bei jeder Wiederholung fünf bis zehn Sekunden anspannen. 1. Die Rückenmuskeln kräftigen Knien Sie sich vor das Bett oder die Couch und legen Sie den Oberkörper darauf. Verschränken Sie die Hände hinter dem Kopf und spannen Sie den Rücken an. Jetzt Kopf und Oberkörper leicht anheben ohne ins Hohlkreuz zu fallen und einige Sekunden halten. 2. Bauch und Beine kräftigen Legen Sie sich auf den Rücken und winkeln Sie die Beine in der Hüfte an. Dann in der Luft „Rad fahren“. Zum Abschluss der Übung die Beine ganz anwinkeln und die Knie an die Brust ziehen. Übung 3 4. Katzenbuckel Übung 2 3. Sitzen üben Setzen Sie sich gerade auf einen Stuhl. Heben Sie ein Bein an und führen Sie den Ellbogen des gegenüber liegenden Arms zum Knie. Der andere Arm „drückt“ nach unten. Dann beide Arme erst nach oben, dann nach unten stemmen. Die Seite wechseln. Lehnen Sie sich an die Wand und gehen Sie in die Hocke. Legen Sie die Hände in den Nacken und beugen Sie den Oberkörper nach vorn. Die Ellenbogen nach vorn zu den Knien führen. Wirbel für Wirbel langsam wieder aufrichten. Übung 1 Übung 4 22 23 HALTUNG BEWAHREN Wenn Sie mehr wissen möchten Nie wieder Rückenschmerzen! von Franziska Weber, Taschenbuch, Rowohlt, 9,90 Euro, ISBN 3499615622 Die Rückenschule von Hans-Dieter Kempf, Frank Schmelcher, Jürgen Fischer, Taschenbuch, Rowohlt, 8,50 Euro, ISBN 3499197936 Muskelentspannung nach Jacobsen von Wilhelm Johnen, Verlag Gräfe & Unzer, ca. 11 Euro, ISBN 3774222010 IMPRESSUM Herausgeber: Redaktion: Grafik-Design: ZDF Redaktion Gesundheit und Natur 55100 Mainz Carolin Darschin Mona Wiegand Christian Schlimper, Mainz BKK Bundesverband Kronprinzenstraße 6 45128 Essen Internet: www.bkk.de medi cine medienproduktions gmbh Lise-Meitner-Straße 9 55129 Mainz info@medi-cine.de Manuela Arand Ärztin und Medizinjournalistin Die Verwendung von Texten und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne Zustimmung der Herausgeber unzulässig und strafbar. © ZDF 2004 Die Informationen in dieser Broschüre sind von den Autoren, der Redaktion und den Herausgebern nach bestem Wissen und Gewissen sorgfältig erwogen und geprüft, stellen aber keinen Ersatz für eine medizinische Betreuung jeglicher Art dar. Autoren, Herausgeber und Redaktion übernehmen keinerlei Haftung für etwaige Personen- oder Sachschäden, die sich aus Gebrauch oder Missbrauch der in dieser Broschüre aufgeführten Anwendungsmöglichkeiten ergeben. 24 Noch mehr Informationen finden Sie im Internet: www.praxis.tv.