con moto 2004/05 - Deutsche Bank Stiftung

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con moto 2004/05 - Deutsche Bank Stiftung
con moto
Akademie Musiktheater heute 2004/05
„Die Akademie bietet
einen sinnvollen Rahmen
zur gezielten Förderung
und zum spartenübergreifenden Austausch.”
Engagement bestärken
Wir freuen uns, bereits den vierten Stipendiatenjahrgang in der Akademie Musiktheater
heute begrüßen zu können. Die im Jahr 2001
gegründete Akademie für Kulturmanager,
Dirigenten, Regisseure und Dramaturgen hat
sich inzwischen zu einer festen Größe im
Bereich der Nachwuchsförderung im Musiktheater etabliert.
Die ersten Stipendiaten blicken nun auf
das zweijährige Programm zurück und können Bilanz ziehen. Die durchweg positiven
Rückmeldungen bestätigen unser Konzept:
Die Akademie bietet einen sinnvollen Rahmen
zur gezielten Förderung und zum spartenübergreifenden Austausch. Der gemeinsame
Besuch herausragender Inszenierungen, die
Gelegenheit zu Werkstattgesprächen, die
zahlreichen Treffen und Begegnungen sollen
dabei helfen und dazu ermutigen, über den
Horizont des eigenen Arbeitsalltags hinaus zu
denken. Die Akademie bietet den Freiraum,
die eigenen Projekte zu reflektieren und die
grundsätzliche Frage zu diskutieren, wie
die Kunstform Oper auch im 21. Jahrhundert
mit Leben erfüllt werden kann.
Wir freuen uns über die Erfolge, die unsere Stipendiaten in ihrer Arbeit vorweisen
können und sind dankbar, dass sie sich mit
Kreativität und dem Mut zur eigenen Interpretation der Oper widmen und ihr geben,
was sie verdient: Auseinandersetzung und
Freude gepaart mit Professionalität und
Leidenschaft. Wir freuen uns, dass wir als
Publikum davon profitieren dürfen.
Dr. Tessen von Heydebreck
Mitglied des Vorstands der Deutsche Bank AG
Stipendiaten 04
Willkommen …
4/5
Sparte: Dirigieren
Sparte: Regie
Sparte: Intendanz
Sparte: Dramaturgie
Alexander Adiarte
Jörg Behr
Christoph Gaiser
Dorothea
Hartmann
geboren 1975 in Minneapolis.
Studierte Dirigieren an der Hochschule für Musik in Leipzig, Violine an der Yale School of Music
und Musikwissenschaften am
Yale College in Amerika. Musikalische Assistenz bei
der Jungen Oper Stuttgart und Künstlerischer Leiter
des Synchronie Ensemble für Neue Musik, Leipzig.
Gastdirigate u.a. mit dem Ensemble Modern in
Frankfurt, mit The New Fromm Players in Amerika
und bei der Gruppe Junge Musik in Leipzig.
Dirigierte Mozarts „La Clemenza di Tito“ und „Suor
Angelica“ von Puccini an der Hochschule für Musik
in Leipzig. Stipendiat des Tanglewood Music Festival
sowie Stipendiat des Kompositionsseminars an der
Internationalen Ensemble Modern Akademie.
geboren 1972 in Bremen. Studierte Musiktheater-Regie an
der Hochschule für Musik und
Theater in Hamburg und Violine
an der Hochschule der Künste
in Bremen. 1997–2004 Regieassistent und Spielleiter an der Staatsoper Stuttgart, u.a. bei Jossi
Wieler, Martin Kusej, Joachim Schlömer, Christof
Nel, Hans Neuenfels und Peter Mussbach. Praktika am Nationaltheater Mannheim, der Oper Kiel,
der Staatsoper Berlin und dem Bremer Theater.
Regie am Jungen Forum Musiktheater Hamburg
(„Zaide“/Mozart/Berio), an der Staatsoper Stuttgart
(„Mezzozauber“), am Theater Freiburg („Arianna“/
Marcello) und („Hyperion“/Madernas). Für „Hyperion“
erhielt er 2003 den Götz-Friedrich-Preis. Am Theater
Krefeld/Mönchengladbach folgt 2005 Strawinskys
„Geschichte vom Soldaten“.
Sparte: Dirigieren
Brett Alan Austad
geboren 1974 in Minneapolis.
Studium der Musikwissenschaft
an der Yale University in Amerika und der Freien Universität
Berlin sowie Orchesterdirigieren
an der Hochschule für Musik Dresden. 2003 musikalische Leitung von Phillip Glass’ „In the Penal
Colony“ an der Sächsischen Staatsoper Dresden
sowie bei den Musikfestspielen Bardou, Frankreich.
Seit 1999 verschiedene Konzertdirigate u.a. mit
dem Orchester des Staatstheaters Kassel, der Neubrandenburger Philharmonie und dem Orchester
des Landestheaters Detmold. Carl Maria von
Weber-Stipendium sowie Stipendiat des Dirigentenforums des Deutschen Musikrates. Musikalische
Assistenz beim „Ballettabend Uwe Scholz” an der
Sächsischen Staatsoper Dresden 2003. Von 20012003 Künstlerischer Leiter und Dirigent des
Kammerorchesters Heidenau, Dresden.
Sparte: Intendanz
Thomas
Ellenberger
geboren 1974 in Zürich. Dirigierstudium an der Hochschule
der Künste in Berlin sowie
Chorleitungsstudium an der
Hochschule für Musik und Theater in Bern. Derzeit
Betriebswirtschaftsstudium an der Universität
St. Gallen (HSG). Seit 2003 Leiter des Projekts „Uni
goes Opera“ an der Universität St. Gallen sowie
Dirigent beim Universitätsorchester. 1999–2000
Korrepetition und Nachdirigate für „Traumfresserchen“ von Wilfried Hiller, Hans Otto Theater Potsdam. Dirigent u.a. bei den Berliner Symphonikern,
dem Filmorchester Babelsberg und der Brandenburgischen Philharmonie Potsdam. Praktikum
als musikalischer Assistent und Korrepetitor an der
Deutschen Oper Berlin sowie in der Dramaturgie
am Theater St. Gallen.
geboren 1975 in Spaichingen.
Studium der Musikwissenschaft,
Journalistik und Komparatistik an
der Universität Leipzig. Promotionsstudium an der HumboldtUniversität zu Berlin. Praktika in der Pressestelle des
Gewandhauses zu Leipzig, beim Südwestrundfunk,
DeutschlandRadio, beim Radio-Sinfonie-Orchester
Frankfurt und zuletzt beim Bayerischen Staatsballett.
Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen
Volkes.
Sparte: Regie
geboren 1975 in Heidenheim a.d.
Brenz. Studium der Schulmusik
an der Musikhochschule Freiburg sowie Studium der Germanistik in Tübingen, Freiburg und Wien. Seit November 2003 Dramaturgieassistentin am Nationaltheater
Mannheim. Dort u.a. Mitarbeit bei „Ascanio in Alba“,
„Ernani”, Familienkonzerten und Konzertreihen.
Regieassistenz: „LOL-Laugh out Loud“, WorkShop
Theater Company New York. Dramaturgische
Hospitanzen: „La Traviata“, Theater Basel, „Cosi fan
tutte“, „Mozartwoche 2003“, Nationaltheater
Mannheim. Autorin mehrerer Programmhefte und
Artikel für das Nationaltheater Mannheim.
Marcelo
Cardoso Gama
geboren 1969 in São Paulo.
Studierte Klavier am Konservatorium der Stadt Tupã, Kammermusik am Konservatorium der
Stadt Wien und Musikwissenschaft an der Universität Wien. Regieassistenzen u.a. am Serapions
Theater Wien, an der Wiener Staatsoper („Das Tagebuch der Anne Frank“/ Grigori Frid) an der Neuen
Oper Wien ( „Marco Polo“/ Tan Dun) und am Opernhaus Zürich („Mitridate, Re di Ponto“/ Mozart).
Tätigkeit als Sänger, Schauspieler u.a. am Theater
in der Josephstadt und am Serapions Theater,
Lehrtätigkeit u.a. in Wien und an der Bühnenwerkstatt Graz sowie Musikleiter und Komponist beim
Projekttheater-Studio Wien-New York und beim
Bernhard Ensemble.
Sparte: Dramaturgie
Tina Hartmann
geboren 1973 in Stuttgart.
Studium der Neueren Deutschen
Literatur, Kunstgeschichte und
der Vergleichenden Literaturwissenschaft an der EberhardKarls-Universität in Tübingen und der University of
Kent in Canterbury, England. Begabtenförderung
und Promotionsstipendiatin der Friedrich-EbertStiftung, Promotionspreis der Universität Tübingen
für eine Arbeit über „Goethes Musiktheater“.
Derzeit wissenschaftliche Angestellte sowie
Librettistin für Lucia Ronchettis Oper „Last Desire“.
2003/2004 Stipendiatin des Forum Neues Musiktheater, Stuttgart. 2003 Lektoratsassistentin beim
Prestel-Verlag und Hospitanz an der Staatsoper
Stuttgart.
Stipendiaten 04
… Stipendiaten 2004 – 2006
6/7
Sparte: Dramaturgie
Sparte: Dirigieren
Sparte: Regie
Sparte: Intendanz
Katharina Kost
Tilman Michael
Mathilde Reichler
Verena Thole
geboren 1973 in Ludwigshafen.
Studierte Klavier an der Staatlichen Hochschule für Musik in
Karlsruhe und am Koninklijk
Konservatorium Brüssel, Musikwissenschaft und Philosophie an der Universität
Heidelberg. Derzeit Promotion zum Thema
„Das tragico fine auf venezianischen Opernbühnen
des späten 18. Jahrhunderts“. Stipendiatin der
Friedrich-Naumann-Stiftung. Seit 1999 freie konzertdramaturgische Tätigkeit, u.a. für das Philharmonische Orchester Heidelberg. 1998–2001 Mitarbeit bei der „Marionettenoper im Säulensaal“
am Musikwissenschaftlichen Seminar Heidelberg.
1997–1998 Dramaturgieassistentin (Oper) am
Nationaltheater Mannheim. 2002–2003 Musikdramaturgin des Theaters der Stadt Heidelberg.
geboren 1975 in Stuttgart. Studierte Violoncello und Dirigieren
an der Staatlichen Hochschule
für Musik und Darstellende Kunst
in Stuttgart. Künstlerische Ausbildung im Fach Dirigieren an der Hochschule für
Musik in Köln. Derzeit Assistent des Chordirektors
an der Hamburgischen Staatsoper und bei den Bayreuther Festspielen. 2002 Chordirektor und Korrepetitor an der Jungen Oper der Staatsoper Stuttgart,
2001 Korrepetitor der Jeunesses Musicales Schloss
Weikersheim („La Bohème”) unter der Leitung
von Yakov Kreizberg. Einstudierung u.a. der Opern
„Fidelio”, „Eugen Onegin”, „Rosenkavalier”,
„Wozzeck” und „Dialogues des Carmélites” an
der Hamburgischen Staatsoper.
geboren 1976 in Genf. Studierte
Klavier und Musiktheorie an der
Musikhochschule in Genf sowie
Musikwissenschaft und russische Sprache und Literatur an
der Universität Genf. Derzeit Promotion über das
Rezitativ in der russischen Oper des neunzehnten
Jahrhunderts. Seit 2003 Assistentin des Lehrstuhls
für Musikwissenschaft an der Universität Genf.
Regie und Szenographie für die „Dreigroschenoper“
und „Orphée aux Enfers“ am Théâtre de l’Alhambra
in Genf. 2004 Regie bei „Moskau-Tscherjomuschki“
(Dmitri Schostakowitsch) am Casino-Théâtre-Genf.
Mitwirkung bei diversen Chören und Ensembles.
2003 Arbeit für die Rundfunksendung „Nota Bene“
(RSR) sowie für die Zeitung „La Tribune de Genève“.
Mitarbeit in der Dramaturgie der Oper Genf.
Sparte: Dirigieren
Sparte: Regie
Pavel B. Jiracek
geboren 1981 in Hannover.
1999–2002 Studium Musicology
an der University of Oxford.
Derzeit Studium der Musik- und
Medienwissenschaft und Amerikanistik an der Hochschule für Musik und Theater
in Hannover. Freier Mitarbeiter der Hannoverschen
Allgemeinen Zeitung. Regiehospitanz bei Peter
Konwitschny an der Staatsoper Hannover. Praktika
u.a. bei der Konzertdirektion Schmid, beim Lucerne
Festival und an der Staatsoper Hannover. International Academic Scholarship und Honorary Music
Scholarship, Eton College. Hauptrollen bei zahlreichen Theater- und Musicalproduktionen in Eton
und Oxford.
Alessandro Ratti
geboren 1976 in Genua. Studium
der Anglistik, Musikwissenschaft
und Kunstgeschichte an der
Albert-Ludwig-Universität in Freiburg sowie an der Hochschule
für Musik in Parma, dort auch Tätigkeit als Stimmführer beim Philharmonischen Stadtorchester.
Spezialkurs „Barockvioline“ an der Hochschule für
Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Verschiedene Dirigate als Assistent in Frankreich, Spanien, Deutschland, Schweiz und Italien. Tätigkeit als (Barock-)
Geiger bei verschiedenen Ensembles und Orchestern, u.a. Rias-Jugend-Orchester Berlin. Stipendiat
der Richard-Wagner-Stipendienstiftung 2003.
Sparte: Intendanz
Benjamin Sahler
geboren 1973 in Stuttgart.
Studium der Musiktheaterregie
an der Hochschule für Musik
und Theater Hamburg und der
Betriebswirtschaftslehre an
der Fernuniversität Hagen. Derzeit Aufbaustudium
Kulturmanagement an der Fernuniversität Hagen.
Seit 2003 Regieassistent und Abendspielleiter am
Anhaltischen Theater Dessau. Produktionsassistent
am Stadttheater Minden, Spielleiter Musiktheater
am Südostbayerischen Städtetheater Passau/Landshut. Eigene Inszenierungen u.a. „Castor et Pollux“
(Rameau), „Don Pasquale“ (Donizetti), „Der Kaiser
von Atlantis“ (Viktor Ullmann) und „Joseph and the
Amazing Technicolor Dreamcoat“ (Andrew Lloyd
Webber). Praktika u.a. beim Nationaltheater Mannheim, Deutsche Oper Berlin, Finnische Nationaloper
Helsinki, Bühnen der Stadt Köln.
geboren 1978 in Cloppenburg.
Studium Musikwissenschaft,
Kulturmanagement und Kunstgeschichte an der Hochschule
für Musik in Weimar, der Friedrich-Schiller Universität Jena, der Universität Leipzig
sowie Musik am Goldsmiths College London.
Seit 2003 Praktikum und Assistenz am Deutschen
Nationaltheater und der Staatskapelle Weimar.
Weitere Praktika beim Kunstfest in Weimar und
bei der Deutschen Oper Berlin. Assistenz in der
Opernschule an der Hochschule für Musik in Weimar.
Sparte: Regie
Karsten Wiegand
geboren 1972 in München.
Studium der Neueren Deutschen
Literatur, Politischen Wissenschaften und Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-MaximiliansUniversität München und der Freien Universität
Berlin. Inszenierungen: „Orfeo ed Euridice“
(Christoph Willibald Gluck), Oper Krakau, Goethes
„Faust I“ (gemeinsam mit Julia von Sell) und
„Käthchen von Heilbronn“ (Heinrich von Kleist),
Deutsches Nationaltheater Weimar, „Verbrechen
und Strafe“ (Fjodor M. Dostojewskij) und „Das Maß
der Dinge“ (Neil LaBute), Staatstheater Stuttgart
sowie „Kampf des Negers und der Hunde“ (BernardMarie Koltès) in Passau. Dramaturgie, Textfassung
und Produktionsleitung bei Projekten mit Thomas
Thieme u.a. für das Kunstfest Weimar. 1994–1996
Dramaturg für Schauspiel am Hans Otto Theater
Potsdam. Stipendiat der Studienstiftung des
Deutschen Volkes.
Jury 2004
„Wir müssen aufpassen, dass die Bürokratie
und das Ringen ums Geld nicht alles
andere dominiert. Man muss sich auf die
Kunst konzentrieren.” Guy Montavon
Wichtig ist die
eigene Haltung
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„Was muss bei der Erstellung der
Spielpläne der Opernhäuser Erfurt
und Frankfurt/Main beachtet werden?” und „Was bedeutet La Travia’
ta‘ in der heutigen Zeit für mich?“ –
so lauteten die Aufgaben für die
Bewerber in den Sparten Intendanz
und Regie – Aufgaben, die sehr
unterschiedlich gelöst wurden. Die
Juroren der Akademie Musiktheater
heute wechseln in der Regel jedes
Jahr, es sind führende Leute auf
ihrem Gebiet: Intendanten, Chefdramaturgen, Dirigenten und Regisseure.
In diesem Jahr waren unter
anderem dabei: Guy Montavon,
Generalintendant des Theaters Erfurt
und Sebastian Baumgarten, Chefregisseur in Meiningen und freier
Regisseur für Schauspiel und Oper.
Karajan sagte einmal: „Musik ist der Liebesweg von einer Note zur anderen“. Der Regisseur muss die Musik kennen, um sie den
Mitarbeitern und dem Publikum näher zu
bringen. Die Musik gibt das Tempo vor, ein
Mangel an Tempo führt zu einer schlechten
Inszenierung. Musikalische Leitung und Regie
sollten sich so früh wie möglich zusammen
setzen und über mögliche Interpretationsansätze sprechen.
Herr Montavon, Sie haben in diesem Jahr
die Stipendiaten der Sparte Intendanz
mit ausgewählt. Was sind die Anforderungen an jemanden, der im Bereich
Management/Intendanz arbeiten möchte?
Guy Montavon: Junge Musiktheaterleute
sollten über folgende Eigenschaften verfügen:
Weitsicht, kulturelle Bildung, volle Einsatzbereitschaft, Grundkenntnisse in Arbeitsrecht
und Betriebswirtschaft, Mitarbeiterführung,
gutes Führungsverhalten. Zudem sollten Sie
sich – wenn sie an ein Haus kommen – sehr
früh mit dem jeweiligen Standort und seinen
kulturellen Traditionen auseinander setzen.
Wie wichtig ist es, dass die musikalische
Leitung und die Regie sich über eine
Produktion austauschen. Zu welchem Zeitpunkt sollte das passieren?
Guy Montavon: Regisseure müssen die
Sprache der Musiker sprechen können.
Herr Montavon: Sie sind selbst Musiker,
haben auch mit bekannten Regisseuren
gearbeitet, selbst inszeniert bzw. inszenieren noch. Wie wichtig ist es für den Intendanten eines Opernhauses, etwas vom
Fach zu verstehen?
Guy Montavon: Etwas vom Fach zu verstehen halte ich für eine unbedingte Voraussetzung für diese Arbeit. Der Kontakt zur Basis,
also auch zum technischen Personal, ist überaus wichtig. Es ist von großem Vorteil, sich
auszukennen, zu wissen, wer für welche
Aufgabe geeignet sein könnte – auch bei der
Requisite oder Garderobe. Es entsteht so
auch ein ganz anderer Umgang mit den Mitarbeitern. Ein Intendant, der weiß, wie die
Abläufe funktionieren, wird stärker respektiert.
Fronten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern kommen so nicht zustande bzw.
können schneller abgebaut werden. Wichtig
ist dieses Gefühl: Man arbeitet gemeinsam an
einem Projekt. Die Dynamik, die dadurch ent-
steht, sorgt für eine positive Arbeitsatmosphäre. Und das strahlt natürlich auch auf die
Gäste aus.
Als Generalintendant des jüngsten Theaterneubaus in Deutschland interessiert uns
Ihr persönlicher Blick in die Zukunft:
Welches sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, vor denen die
Opernhäuser in Deutschland stehen?
Guy Montavon: Es geht um nichts weniger
als um das Überleben der künstlerischen
Qualität. Die Zuschüsse werden immer geringer, die Intendanz gerät in eine immer
größere Abhängigkeit von der Politik, von
der Kommunalpolitik. Die Aufgaben eines
Intendanten sind breit gefächert. Wir müssen
aufpassen, dass die Bürokratie und das Ringen ums Geld nicht alles andere dominiert.
Man muss sich auf die Kunst konzentrieren.
Diesen Aspekt darf man nicht aus den Augen
verlieren. Dabei ist es wichtig, junge Menschen schon früh für Kunst und Kultur zu
begeistern. Meiner Meinung nach sollte ein
Theater- oder Opernbesuch auf jedem
Schullehrplan stehen.
Jury 2004
Bemerkungen zum
Musiktheater heute
Sebastian Baumgarten, Chefregisseur des Meininger
Theaters, freier Regisseur Schauspiel und Oper
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Es ist ernsthaft schwer zu sagen, ob alle Ambitionen und Unterstützungen, die dem Musiktheater zu teil werden, wirklich dazu führen,
dass das Musiktheater heute noch – jenseits
einer ornamentalen, historischen Bedeutung
oder Reproduktion von Kunstfertigkeiten –
eine politische, soziale, gemeinstiftende Relevanz hat. Im Repertoire der Opernhäuser
dominiert ein Musiktheater, das sich brav an
dem geschlossenen Werkbegriff orientiert,
immer fleißig auf der Suche nach der x-ten
Neudeutung des Stoffes, den blutigen Skandal markttechnisch förderlich einkalkulierend.
Wenn einzelne Produktionen herausragend
werden, erreichen sie, dass man den Figuren
ihr Tun und Handeln in dieser bemerkenswerten Ausdrucksform abnimmt und die
Realität den biederen Theaterrealismus überragt. Aber trotzdem kreist das Denken eben
vielfach um Figuren und
dramatischen Vortrieb, als
gälte es, die kontinuierliche
Erzählung des Bürgertums
noch linear abzubilden.
Genau dieses Denken ist
auch Grundlage jeder deutschen Regieausbildung.
Das Problem ist nur, dass
die Erzählung des Individuums der Gegenwart
eben anders, diskontinuierlich verläuft. Der
heutige Mensch ist der flexible Mensch. Harte
Brüche kennzeichnen seine Biographie. Diese
Tatsache muss doch dazu führen, andere
Formen der Darstellung zu suchen, um eben
diesem Prozess theatralisch standzuhalten.
Das Schauspiel hat es geschafft, sich mit
der Aufgabe des geschlossenen Werkbegriffs
diesen Tatsachen in seinen postheroischen,
postdramatischen Ansätzen anzunähern.
So kann es möglicherweise bald wieder relevant werden, sofern die Gesellschaft sich
endlich eingestehen kann, dass die Erwerbslosigkeit die bestimmende Mutter einer reichhaltigen Freizeit sein wird. Denn: Was wird
der Mensch mit seiner vielen Freizeit dann
anfangen?
Für mich kann das Ziel einer solchen Akademie im Sinne einer wirklichen Akademie
nur sein, zur Grundlagenforschung mit jungen
Sächsische Staatsoper Dresden, Gespräch zu „Wozzeck”
Theaterleuten aufzufordern. Die gewonnenen
Erkenntnisse einer ernsthaften Arbeit am
Neubegriff des Musiktheaters müssen in die
Hochschulen und Universitäten eingebracht
werden und damit sollte sich dann auch
endlich die Ausbildung verändern. Regiehandwerk ist kein stehender Begriff, sondern
er verändert sich permanent mit der Gesellschaft.
Jury 2004
Funktion
Sparte
Karen Kamensek
GMD, Städtische Bühnen Freiburg
Dirigieren
Roland Kluttig
Dirigent
Dirigieren
Sergio Morabito
Dramaturg Staatsoper Stuttgart
Dramaturgie
Barbara Beyer
freie Regisseurin
Dramaturgie
Guy Montavon
Generalintendant des Theaters Erfurt
Intendanz
Bernd Loebe
Intendant der Oper Frankfurt am Main
Intendanz
Prof. Dr. Peter Mussbach
Intendant der Staatsoper Unter den Linden, Berlin
Regie
Sebastian Baumgarten
Chefregisseur des Meininger Theaters,
freier Regisseur Schauspiel und Oper
Regie
Programm 2004
Sechs Tage im
Ausnahmezustand
Sommerworkshop bei den Opern-Festspielen in München
12/13
Unten, auf Münchens Straßen, zeigt das
Thermometer mehr als 30 Grad im Schatten.
Oben, im Dachgeschoss der Kammerspiele,
in einem schönen, fast nur aus Glas bestehenden Tagungsraum, ist es noch heißer.
Die Stipendiaten der Akademie Musiktheater
heute sind dennoch hellwach. Seit drei Tagen
kommen sie hier zusammen. Am Abend werden sie Charles Gounods Oper „Roméo et
Juliette“ besuchen, in einer Inszenierung des
Regisseurs Andreas Homoki.
Gerade haben Cordula Däuper und Kristina
Gerhard eine kurze Einführung gegeben, zum
Komponisten, zur Werkgeschichte, zur Aufführung und den daran beteiligten Künstlern.
Jetzt wird das Stück kritisch auseinander genommen. Die vier großen, alles dominierenden Duette von Romeo und Julia – sind die
einander nicht allzu ähnlich? Langweilig, sagt
ein Teilnehmer, geradezu lähmend! Ein anderer hält dagegen: Es kann keine Entwicklung
geben, denn dies ist die Vision einer von
Anfang an vollkommenen Liebe. Kein Defekt
also, wohl aber eine Herausforderung für die
Inszenierung.
Solche Fragen zu diskutieren, dafür sei
die Akademie ein idealer Rahmen. Hier
gehe es um grundsätzliche, um inhaltliche
Programm 2004
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Aspekte, sagt der 29jährige Peter Tilling,
der als Dirigent am Badischen Staatstheater
Karlsruhe beschäftigt ist. Die Tagungen
seien eine Bereicherung für alle, die wie er
selbst in der täglichen Arbeit stark von konkreten Problemen der musikalischen Umsetzung beansprucht sind. Natürlich besteht
auch die Arbeit am Theater aus ständigem
Lernen. Aber hier in der Akademie lernt
man anders, intensiver, konzentrierter, frei
von den Zwängen eines Hauses und dem
Druck der nächsten Produktion.
Für den Regisseur Hendrik Müller ist
am Wichtigsten, was durch die Akademie
angestoßen wird, was sich nebenbei entwickelt. Dem Dramaturgen Olaf Schmitt
hat er von einem Projekt erzählt, das in der
Schublade lag und auf den entscheidenden
Anstoß wartete. „Olaf hat ein paar Fragen
gestellt – und da hat's bei mir gezündet!“
Julia Glesner, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit am Theater Erfurt wird vielleicht
einmal Intendantin. Ob's klappt, weiß der
Himmel. Aber wenn – „dann habe ich die
wichtigste Erfahrung hier schon gemacht:
Ich habe 45 spannende Menschen kennengelernt und begriffen, wer mit wem wie
zusammen passt. Ich
könnte heute auf der
Stelle ein großartiges
Team aufstellen!“
Sechs Tage, von
Montag bis Samstag,
arbeitet die Akademie
Musiktheater heute
im Rahmen der OpernFestspiele in München. Tagsüber stehen
Gespräche mit Künstlern, Dramaturgen, mit
Marketing- und Verwaltungsexperten auf
dem Programm. Am Abend geht's in Aufführungen. Die Opernbesuche werden mit
Gästen, in internen Diskussionen und Referaten vor- und nachbereitet.
Je 15 Stipendiaten der Lehrgänge 2002–
2004 und 2003–2005 besuchen die Aka–
demie. Viele haben bereits ein erstes Engagement, einige arbeiten frei, manche studieren noch. Wenn irgend möglich, macht
jeder die gesamten sechs Tage mit. Eine
Woche am Stück, eine Mischung aus Intensivkurs und Ausnahmezustand. Schon
morgens um acht, beim Frühstück im
Inszenierungsgespräche im Dachgeschoss der Kammerspiele
Hotel, fangen die Gespräche über die Oper
an. Nachts um zwölf, beim Bier nach der
Aufführung, sind sie noch nicht zu Ende.
Sollen wir nächstes Jahr nicht auch ein kleineres Haus besuchen? Wo Prominenz und
Prestige vielleicht weniger im Vordergrund
stehen und sich alles auf die Kunst konzentriert?
Und was war mit der Inszenierung vom
Vorabend? Glucks „Orphée et Eurydice“
in der Fassung von Hector Berlioz, auf die
Bühne gebracht von Amir Housseinpour
und Nigel Lowery. Hat niemanden richtig
überzeugt. Macht nichts – auch Auseinandersetzung mit „Schwachpunkten” ist
Inspiration.
„Ich habe 45 spannende
Menschen kennengelernt
und begriffen, wer mit
wem wie zusammen passt”
Julia Glesner
Zur Konzeption der Festspiele: Dr. Hella Bartnig,
Chefdramaturgin der Staatsoper, mit Michael Münch,
Geschäftsführer der Akademie Musiktheater heute
Programm 2004
Gesehen und Gehört
Gemeinsame Inszenierungsbesuche, interne Referate und Gespräche mit Künstlern und
Intendanten bilden den Schwerpunkt des Akademieprogramms. Einmal im Jahr steht
zudem der Besuch eines mehrtägigen Festivals an. 2004 besuchte die Akademie folgende
Festivals, Häuser und Inszenierungen:
16/17
23. November 2004, Künstlerhaus
Mousonturm Frankfurt
19. – 21. Juni 2004, Staatsoper
Hannover
20. – 22. Februar 2004, Sächsische
Staatsoper Dresden
Festakt der Akademie Musiktheater
heute. Werkstattgespräch u.a. mit:
Jörn Arnecke, Bernd Loebe,
Prof. Heiner Goebbels, Cornelius
Meister, Juliane Votteler
Inszenierungsbesuche: „Al gran sole
carico d’amore“, „Fragmente-Stille,
an Diotima”, „Der Tod und das
Mädchen“, „20th Century Blues“.
Gespräche mit: Albrecht Puhlmann,
Johannes Harneit, Jürg Henneberger,
Björn Jensen
Inszenierungsbesuche: „Wozzeck”,
„In the Penal Colony”.
Gespräche mit: Sebastian Baumgarten, Hans-Georg Wegner, HansJoachim Frey, Prof. Gerd Uecker,
Carsten Ludwig, Brett A. Austad
21. – 24. Oktober 2004, Steirischer
Herbst in Graz
Inszenierungsbesuche: „...ce qui
arrive...”, „Fidelio”, RSO Konzert Wien.
Gespräche mit: Peter Oswald, Wolfgang Hofer, Franck Ollu, Dominique
Gonzales-Foerster, Rainer Mühlbach,
Bernd Krispin, Isabelle Mundry,
Christian Scheib
13. – 16. April 2004, Staatsoper
Stuttgart
Inszenierungsbesuche: „Infinito
Nero”, „Die Zauberflöte”.
Gespräche mit: Andreas Breitscheid,
Andrea Scheufler, Hans Tränkle, Prof.
Klaus Zehelein, Juliane Votteler
19. – 24. Juli 2004,
Sommerworkshop München
2. – 4. April 2004, Wiener
Staatsoper
Münchner Opernfestspiele / Inszenierungen: „The Rape of Lucretia”,
„Orphée et Eurydice”, „Roméo et
Juliette”, „Pelléas et Mélisande”,
„Rodelinda”. Gespräche mit:
Dr. Hella Bartnig, Maurice Lausberg,
Bettina Schimmer, Ingrid Zellner, Ivor
Bolton, Paul Daniel, Richard Jones,
Rainer Karlitschek, Deborah Warner,
Prof. Cornel Franz, Natascha Ursuliak,
Martina Weber, David Alden
Besuch der Orchesterhauptprobe zu
„Parsifal”. Gespräche mit: Ioan
Holender, Christine Mielitz, Donald
Runnicles, Dr. Georg Springer
24. – 26. Juni 2004, La Monnaie,
Brüssel
Inszenierungsbesuche: „Mozart/
Concert Arias. Un moto di gioia –
1992“, „Tannhäuser“.
Gespräche mit: Anne Teresa De
Keersmaeker, Jacques Peeters, Luk
Van Den Dries, Bernard Foccroulle,
Kazushi Ono, Daphne Kitschen,
Remi Beelprez
16. – 19. März 2004, Opernhaus
Zürich, Schauspiel Zürich
Inszenierungsbesuche: „O.T. –
eine Ersatzpassion”, „La Grande
Duchesse de Gerolstein”.
Gespräche mit: Christoph Homberger,
Alexander Pereira, Gudrun Hartmann,
Nikolaus Harnoncourt
28. – 29. Februar 2004, Berlin
Arbeitswochenende der Stipendiaten
2002 – 2004. Konzertbesuch Berliner
Philharmoniker: Die Mittagshexe op.
108 (Dvorák), Stabat mater op. 53
(Szymanowski), Symphonie Nr. 4 EsDur „Romantische” (Bruckner).
30. Januar – 1. Februar 2004,
Berlin
Arbeitswochenende der Stipendiaten
2003–2005. Inszenierungsbesuch:
„Die Tote Stadt”, Staatsoper Unter
den Linden.
Gespräche über: „Musiktheater und
Neue Medien”, „Der Theaterraum als
Aufführungsort”, „Status Quo des
öffentlich-rechtlichen Musiktheaters
in Deutschland”, „Musiktheater Quo
vadis?”
29. – 30. Dezember 2003,
Schauspiel Frankfurt
Inszenierungsbesuch: „Landschaft
mit Entfernten Verwandten”.
Gespräche mit:
Prof. Heiner Goebbels, Franck Ollu
Geschäftsführung und Programmleitung bei der Arbeit: Frank Trümper, Sonja Ecker, Catherine Sondermann, Michael Münch
„Nichts ist dauernd als Veränderung – dies ist
das Motto des Festaktes 2004. Die Akademie
hat sich in der Tat verändert in den vergangenen Jahren: ihr Netzwerk ist gewachsen, bei
Planungen von Veranstaltungen an den einzelnen Häusern müssen wir nicht mehr umständlich erklären, wer wir sind. Inhaltlich hat
sich die Akademie aber auch durch Anregungen unserer Kuratoren, Stipendiaten und
Alumni entwickelt. Der Vorsatz für die nächsten Jahre: weiter gute Gespräche ermöglichen, Fragen stellen, Dinge ausprobieren.
Auf das Akademie-Jahr 2005 und die Arbeit
mit „alten“ und neuen Stipendiaten freue ich
mich schon.“
Sonja Ecker
„Die Akademie sehe ich für unsere Stipendiaten als eine große Chance, in Kontakt mit
Menschen und Materie zu reifen und somit
eine eigene, zukunftsfähige Vision für das
Musiktheater zu entwickeln. Und der persönliche Beitrag unserer Stipendiaten ist wiederum eine kontinuierliche Befruchtung der
Akademie.“
Catherine Sondermann
„Ich bin immer wieder gerne bei den Veranstaltungen der Akademie dabei – das Eintauchen in eine andere Welt ist faszinierend
und das Engagement unserer Stipendiaten
kann ich nur bewundern.”
Michael Münch
„In einer Welt mit TÜV- geprüftem BungeeJumping und gemanagten Alters-VorsorgePlänen erscheint die Oper als das letzte
echte Abenteuer. Was könnte es Ehrenhafteres geben, als junge Menschen bei diesem
atemberaubenden Leichtsinn zu unterstützen?”
Frank Trümper
Förderpreise 2004
Eszter Szabó
Wie passen Beethoven
und Kertész zusammen?
18/19
Ein Mal während ihres Stipendiums können sich die Stipendiaten der
Akademie Musiktheater heute für einen Förderpreis der Akademie bewerben.
Sie erhalten einen Zuschuss zu einem eigenen praktischen Projekt, das sie
gemeinsam mit einem Kultur-Partner realisieren. An der Fidelio-Produktion der
Internationalen Musikfestspiele im Chiemgau auf Gut Immling feilten gleich
zwei Stipendiaten, die Regisseurin Eszter Szabó und die Dramaturgin Hannah
Dübgen, die sich bei der Akademie Musiktheater heute kennen lernten.
Was reizt Sie an der Oper „Fidelio” in der
heutigen Zeit?
Hannah Dübgen
Hannah Dübgen: Zwei Grundthemen der
Oper, politische Gefangenschaft sowie partnerschaftliche Liebe und Treue, sind gerade
in der Verstrickung, wie wir sie in „Fidelio”
vorfinden, auch heute noch von Bedeutung.
Zudem reizte uns, die internen Spannungen
in diesem Werk heraus zu arbeiten, das neben
großartiger Musik auch Einiges enthält, was
uns – fast 200 Jahre nach der Uraufführung –
fragwürdig erschien. Ziel war es, die Oper
ernst zu nehmen, ihr Raum zur Entfaltung
zu geben und gleichzeitig einen zeitgenössischen Blickwinkel zu ermöglichen, der sich
mit demselben Thema beschäftigt, aber aus
einer anderen Perspektive und einer anderen
historischen Erfahrung heraus. Als Verfahren
bot sich eine Montage an. In die Oper wurden
Texte aus dem Roman „Liquidation“ des
ungarischen Nobelpreisträgers Imre Kertész
eingefügt.
Eszter Szabó: Was für mich an der Oper
„Fidelio” spannend ist, ist die Kombination
von zwei Faktoren: einerseits die Behandlung
eines hochspannenden Themas der menschlichen Existenz, wie verändert sich die
Kostümentwurf
von Wiebke Horn
Liebe in Krisensituation, und die Frage nach
der inneren Unabhängigkeit. Auf der anderen
Seite die Fremdheit, der fast ideologische
Kommentar Beethovens, die Diskrepanz zwischen seinem Idealismus, seiner aufklärerischen Utopie und unserer historischen und
allgemeinen Lebenserfahrung.
Die Hauptfiguren der Oper sind eindeutig
als Helden gezeichnet, die wissen, auf welcher klaren religiös-moralischen Basis sie stehen, und welche ideologische Antwort und
Tat die Krisensituation, in der sie stecken, verlangt. Florestan steht ungebrochen zu seinen
rebellischen Ideen auch in der Isolationshaft
und Leonore versucht ihren Mann – ihrem
Pflichtgefühl folgend – durch eine hochriskante Aktion zu retten.
Unsere Erfahrung mit zwei verschiedenen
totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts
und die mit ihnen verbundenen psychologischen Phänomene sowie unser heutiges
Verhältnis zur Religion stellt einiges der Beethovschen Sichtweise in Frage. Die Heldenrolle bekommt als solche andere Schattierungen. Für diese Differenzierung der Motivationen der Hauptfiguren brauchten wir für
die Inszenierung eine Parallelgeschichte, die
wir – wie Hannah schon sagte – im Roman
„Liquidation“ von Kertész gefunden haben.
Inszenierung zu integrieren, die die Ausschnitte aus dem Roman von Kertész vortrugen.
Eszter Szabó: Wir präsentierten in der Oper
zwei Perspektiven: einerseits die Beethovsche, in der der Weg zur Wahrheit durch
menschlich-ethische Perfektion führt, und
andererseits die von Kertész, bei dem die
Akzeptanz des Scheiterns die einzig wahre
Alternative ist. Die zwei Perspektiven wurden
durch die Verdoppelung der Hauptfiguren
dargestellt. Die Sängerin Leonore und der
Sänger Florestan vertraten den heroischen,
die Schauspielerin Leonore und der Schauspieler Florestan den reflektierten Anteil der
Figuren. Dabei war es für mich ein besonderer Reiz, im „Opernfeld“ mit Schauspielern
zu arbeiten. Es war besonders spannend, die
zwei Paare in einer gemeinsamen Tanzszene
zusammen zu flechten, in der sich die zwei
Perspektiven gekreuzt haben.
Was war das Spezifische an der Aufführung
in Gut Immling?
Hannah Dübgen: Das Musikfestival im
Chiemgau bietet sowohl besondere Möglichkeiten als auch Herausforderungen. Es bestand die Chance, mit jungen, begabten und
motivierten Sängern zu arbeiten. Dank der
Unterstützung durch den Förderpreis war es
außerdem möglich, zwei Schauspieler in die
Bühnenmodel von Wiebke Horn
Förderpreise 2004
Förderpreise 2004
fast aggressiv affirmativ wirkenden zweiten
Finale.
20/21
Was haben Sie an Ihrer Zusammenarbeit
besonders geschätzt?
Hannah Dübgen: Eszter ist eine außerordentlich genaue, tiefe und selbstkritische Denkerin, die sich intensiv mit dem „Fidelio”-Stoff
auseinandergesetzt hat – immer in dem Versuch, ihn mit der Welt von heute in Verbindung zu bringen.
Für uns beide war schnell klar, dass der
Reiz im Musiktheater heute darin liegt, nach
einer genauen Lektüre und großem Respekt
für ein Meisterwerk wie „Fidelio” auch Zweifel
zuzulassen, was die dort proklamierten Gefühle und Tugenden angeht. Zweifel, die
Beethoven stellenweise selbst gespürt hat –
man denke an das Quartett, wo die vier Figuren wunderbar zusammen singen und dabei
auf denkbar starrsinnigste Weise aneinander
vorbei reden. An anderen Stellen jedoch
schien Beethoven diese Zweifel gewaltsam
zerstreuen zu wollen, beispielsweise in dem
Eszter Szabó: Ohne das starke Bedürfnis, zu
dem vom Stück aufgeworfenen Thema eine
eigenständige öffentliche Aussage machen
zu wollen, macht die Regiearbeit keinen Sinn.
Zu dieser heiklen Angelegenheit braucht man
ein Gegenüber, das zum einen zum freien
Gedankenspiel inspiriert. Zum anderen ist es
wichtig, dass dieses Gegenüber gleichzeitig
als „kreativer Filter“, als eine Art „disziplinierender Spiegel“ wirkt. Dies sind für mich die
wichtigsten Funktionen und Eigenschaften
eines Dramaturgen.
Hannah war in diesem Sinne eine ideale
Partnerin, die mit ihrem Wissen, Artikulationsund auch Einfühlungsvermögen eine sichere,
aber auch tolerante Stütze war. Unsere Unterschiede bezüglich Biografie, Herkunft, Sozialisation und Temperament haben die Aus–
einandersetzung mit dem Stück spannend
gefärbt.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit zwischen Ihnen beiden?
Hannah Dübgen (lacht): Wir haben uns auf
dem Festakt letztes Jahr kennen gelernt, bei
dem die alten und neuen Stipendiaten noch
etwas trinken gegangen sind, nachdem der
offizielle Teil vorbei war. Eszter und ich kamen
ins Gespräch, verstanden uns auf Anhieb sehr
gut, und irgendwann, nach vielen Themen
und Ideen, fragte sie mich: „Hannah, wie findest du eigentlich Fidelio‘?“ Wir vereinbarten
’
ein Treffen für die folgende Woche, um diese
Frage ausführlicher zu diskutieren und haben
auf diesem Weg einige neue Cafés in Berlin
entdeckt … Ziemlich bald fragte mich Eszter,
die von Immling ein Angebot für „Fidelio” bekommen hatte, ob wir nicht zusammen arbeiten wollten. Da habe ich nicht lange gezögert.
Für ihre „Freischütz”-Bearbeitung wurden Regisseur Andreas Bode und
Dramaturg Robert Sollich mit dem Förderpreis ausgezeichnet. Bei dem
musikalischen Germano-Western für Schauspieler und Sänger nach „Der
Freischütz” von Carl Maria von Weber und Friedrich Kind hatte Titus Engel
die musikalische Leitung inne. Die Produktionsleitung übernahm Swantje
Gostomzyk. Premiere war am 19. November 2004 auf Kampnagel in Hamburg.
Ein ungewöhnliches Projekt initiierten Anna Shefelbine und Brigitte
Witzenhause mit der Musiktheateruraufführung „Artikulation Ligeti +++“
im Studio der Akademie der Künste in Berlin. Für die musikalische Leitung
der Produktion im Grenzbereich zwischen Installation und Musiktheater
erhielt Anna Shefelbine den Förderpreis der Akademie. Premiere war am
19. September 2004.
Für die Erarbeitung eines neuen Konzepts für die Oper „Fidelio” von
Ludwig van Beethoven beim 8. Internationalen Musikfestival im Chiemgau
auf Gut Immling erhielt Produktionsdramaturgin Hannah Dübgen den
Förderpreis der Akademie Musiktheater heute. Regie führte Eszter Szabó.
Die Premiere war am 16. Juli 2004.
Die Regisseurin Kristina Wuss inszenierte die lettische Erstaufführung
der Händel-Oper „Rinaldo” auf Schloss Rundale bei Riga. Die Inszenierung
war ein Geschenk der Deutschen Botschaft an die Republik Lettland.
Premiere war am 11. Juli 2004 im Grünen Theater des Schlosses.
Markus Neumeyer wurde für die Produktion „Miss Marple in concert.
Mord nach Maß“ mit dem Förderpreis ausgezeichnet. Er übernahm auch
die musikalische Leitung. Premiere war am 26. Mai 2004 in der Romanfabrik in Frankfurt am Main.
Für die musikalische Leitung bei der Produktion „The Bear” von William
Walton am Musiktheater am Revier, Gelsenkirchen, wurde Askan Geisler
im Januar 2004 mit dem Förderpreis der Akademie Musiktheater heute
ausgezeichnet.
Stipendiaten 2003
„Die Zeit der Primadonnen ist vorbei“
Wünsche und Hoffnungen
Voraussetzung für gutes Musiktheater ist die Zusammenarbeit zwischen
Intendanten, Regisseuren, Dramaturgen und Dirigenten auf allen Ebenen:
Musik, Text, Licht, Bühne, Bewegung – sowohl von Personen als auch in der
Musik – machen diese Kunstform so vielschichtig, aber auch so schwierig.
Die Akademie möchte mit ihrer spartenübergreifenden Arbeit zu Kommunikation und Austausch anregen.
22/23
„Ich hoffe inständig, dass die Zeiten der Primadonnen – der inszenierenden wie der dirigierenden – vorbei sind. Wenn am Abend
Bühne und Graben sich feindlich gesonnen
lediglich coexistieren,
gehe ich frustriert nach
Hause. Ich
wünsche mir
(für meine
eigene Arbeit,
aber auch als Publikum) gemeinsam von szenischer und musikalischer Leitung erdachte
und entwickelte Umsetzungen der Partituren
auf der Bühne. Mit Lust in das Stück eintauchen, sich widersprechen, ergänzen, streiten
– immer miteinander kommunizierend – und
irgendwann wieder auftauchen mit einer
Lesart, die nur durch alle Beteiligten zusammen entstehen konnte. Unsere Theaterstrukturen sind einer solchen Arbeitsweise
selten gewogen. Aber wir können darauf hinarbeiten, und die Akademie kann der Nährboden für ein solches Zusammenarbeiten sein.“
Hendrik Müller, Regisseur
Ich wünsche mir ein Musiktheater der
Proben UND der Aufführungen: oft genug
führen Proben zu ganz anderen Ergebnissen
als zu denen, die man am Abend nutzen
kann. Umgekehrt wünsche ich mir Zeit, innere Ruhe und Vertrauen in die Leistung eines
Ensembles, um selbst laufende Produktionen
immer wieder zu verbessern.
Ich wünsche mir, dass es um Musik UND
um Theater geht: häufig kommt die Musik
zu kurz (genauso gut könnte ich sagen: oft
wird das Theatralische vernachlässigt).
Ich wünsche mir Regisseure, die Sinn für
Klang, Harmonik und Instrumentation haben,
Sänger, die Empfinden für Form bekommen,
ohne das Singen zu verlernen, Musiker, die
ihr optisches Talent nicht begraben, das Denken nicht vergessen und auf der Suche nach
dem Drama in der Musik sind (hat nichts zu
tun mit Lautstärke, Tremolo etc.).
Ich wünsche mir für Akteure wie für
Publikum ein Niveau, dass das „Rand”– Repertoire neben Gängigem bestehen lässt:
das Bekannte wird bereichert und das Neue
und Unbekannte ist nicht denkbar ohne das
Repertoire.“
Peter Tilling, Dirigent
„Ich wünsche mir ein Musiktheater, in welchem das Alte belebt wird, ohne ihm Gewalt
anzutun, und das Neue als Bedürfnis empfunden wird.
Die Stipendiaten 2003
Cordula Däuper
Regisseurin, Diplominszenierung:
„Die Büste des Tiresias” von
Poulenc.
Hannah Dübgen
Freie Dramaturgin, letzte Inszenierung: „Fidelio” beim 9. Internationalen Musikfestival im Chiemgau.
Verschiedene Publikationen.
Ferenc Gábor
Freiberuflicher Dirigent u.a. in
Deutschland, Russland, Rumänien,
Ungarn und Costa Rica. Lehrbeauftragter, Hochschule für Musik
„Hanns Eisler”, Berlin.
Kristina Gerhard
Regisseurin, eigene Regiearbeiten:
„Die schöne Müllerin”, „La chute
de la maison Usher”, „Die Soldaten”
und „Offene Zweibeziehung”.
Szenisches Diplom mit „Onegin”
(Januar 2005), Hochschule für
Musik und Theater Hamburg.
Heribert Germeshausen
Seit September 2004 Leitender
Dramaturg für Musiktheater
am Theater der Stadt Koblenz.
Seit 2004 jeweils in der Festspielzeit Mitarbeit in der Abteilung
Kommunikation bei den Salzburger
Festspielen.
Nicola Gess
Seit Oktober 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar
für Allgemeine und Vergleichende
Literaturwissenschaften, Freie
Universität Berlin.
Anna Malunat
Schließt ihr Studium der Schauspiel- und Musiktheaterregie im
Februar 2005 mit der Uraufführung
von „Der Herr Gevatter”, Staatstheater Saarbrücken, ab.
Hendrik Müller
Regisseur, 2001 – 2003 Leitung
des Freyer-Ensembles, 2004 Regiedebüt am Schlosstheater Rheinsberg, 2005 Inszenierung der szenischen Erstaufführung von Händels
„Brockes Passion”, Philharmonie
Berlin.
Christoph Helge Rehders
Seit 2003 Persönlicher Referent
und Pressesprecher des Kultursenators der Freien Hansestadt
Bremen.
Olaf A. Schmitt
Dramaturg u.a. bei den Salzburger
Festspielen 2002. Verschiedene
Publikationen, u.a. zu Heiner Goebbels und Heiner Müller, Mitherausgabe von „AufBrüche. Theaterarbeit
zwischen Text und Situation”
(Berlin: Theater der Zeit).
Anna Shefelbine
Seit 2004 Musikalische Leiterin des
Leipziger Universitätsorchesters.
Peter Tilling
Seit 2003 Solorepetitor mit
Dirigierverpflichtung am Badischen
Staatstheater Karlsruhe.
Constantin Trinks
Seit der Spielzeit 2002/03 zweiter
Kapellmeister am Saarländischen
Staatstheater Saarbrücken.
Ab der Spielzeit 2005/06 erster
Kapellmeister und stellvertretender
GMD am selben Haus.
Martin Witkowski
Seit 2001 Disponent und Leiter des
künstlerischen Betriebsbüros der
Tonhalle Düsseldorf.
Kristina Wuss
seit 1994 eigene Sprechtheaterund Operninszenierungen. Zuletzt
Produktionsleitung und Regie
„Rinaldo“; demnächst „Die Weiße
Rose“.
Kuratorium
Juliane Votteler, Joachim Schlömer
Die Akademie Musiktheater heute lebt von der Begegnung mit Persönlichkeiten aus dem Musiktheater, die dafür offen sind, sich mit jüngeren
Kollegen auszutauschen, Erfahrungen weiter zu geben, eigene Arbeiten
und Positionen auch einmal zu hinterfragen. Ein herzlicher Dank gilt dem
Kuratorium der Akademie, den Regisseuren, Dramaturgen, Intendanten
und Dirigenten, die uns beraten haben und für Workshops zur Verfügung
standen – aber auch allen anderen, die mit ihrem Einsatz zum Erfolg des
Programms beigetragen haben und beitragen werden.
„Präzises Ungenau“
24/25
Juliane Votteler, Chefdramaturgin an der Staatsoper Stuttgart, seit 2004 Kuratoriumsmitglied der Akademie Musiktheater heute, über Dramaturgie im Deutschen Theater
Das Phänomen des Deutschen subventionierten Stadttheaters, das gerade von fünfzig
Kritikern im Jahrbuch der Zeitschrift „Opernwelt“ zum „Theater des Jahres“ gewählt
wurde, was etwas widersinnig erscheint,
aber genauso gut gemeint war, wie der Vorschlag, dieses „Modell“ zum Weltkulturerbe
der Unesco erklären zu lassen, gründet im
Bestreben, in einer so vielschichtigen und arbeitsteiligen Institution wie dem Theater
Kontinuität zu gewährleisten. Nur so können
die flüchtigen und fragilen Werke der Inszenierungen in einem geschützten Rahmen
entstehen und weiter wachsen. Nur durch die
Stabilität der Finanzierung aus öffentlichen
Geldern konnte ein so flächendeckend-engmaschiges Netz wie die deutsche Theaterlandschaft erhalten bleiben, konnte ein Publikum entstehen, das meist „sein” Theater liebt
und sich immer wieder aufs Neue auf Experimente und Ausflüge in unbekannte Gebiete
der theatralischen Entdeckungen einlässt.
Der aktive Abonnent
und Besucher „spricht“
mit seinem Haus, man
fühlt sich als ein Bestandteil desselben und
der Zuschauer hat einen
Ansprechpartner in der
Institution der Dramaturgie. Eine Einrichtung,
die es nur im deutschsprachigen Theater gibt,
und innerhalb dieser
etwas verstaubt anmutenden Institution des
Theaters ist der Drama-
turg eine Art von Dinosaurier. Die Berufsbezeichnung stammt von Gotthold Ephraim
Lessing und ist bis auf den heutigen Tag
durch und durch dem Geist der Aufklärung
verpflichtet. Lessing schrieb in dieser neu
geschaffenen Funktion nicht nur die Stücke
für „sein“ Theater, das erste deutsche Nationaltheater am Gänsemarkt in Hamburg, er
schrieb über jede dort stattgefundene Aufführung unerbittliche Kritiken und er verwaltete den geistigen Schatz des Hauses in einer
Art täglichen Spurensuche nach dem aktuellen Theater, das er zu schaffen bemüht war:
ein Theater, das in Stoffauswahl, Spielweise
und Dekoration der Zeit, in welcher es entstand, Rechnung trug und mit denen sich der
Besucher im Parkett und in der Loge identifizieren konnte.
Ein Dramaturg besitzt heutigen Tages
meist nicht mehr die Kreativität, Stücke zu
schreiben und eine Institution wie ein Theater
damit zu „füttern“. Aber er ist ganz wesentlich an der Gestaltung einer Inszenierung
beteiligt, indem er das Material vorsortiert
(und hier bereits Entscheidungen trifft, was
wichtig, was zu vernachlässigen ist), indem
er den ganzen Ballast der Sekundärliteratur,
der Fassungen und der Entstehungs- und
Rezeptionsgeschichte zusammenfasst und
dieses Material in eine Form bringt, die es
dem Regisseur, dem Bühnenbildner und dem
Musikalischen Leiter ermöglicht, in das Sujet
„einzutauchen“. Darüber hinaus ist es auch
die Aufgabe des Dramaturgen, die Frage aufzuwerfen, warum uns dieser Stoff heute interessiert und welche Möglichkeiten wir haben,
das, was unser Interesse erweckt, zur Darstellung zu bringen. Es ist also keineswegs
nur die akademische Begleitung, es ist vielmehr die aus der Beobachtung der Realität
gewonnene Sensibilisierung für die theatralische Form, die die Dramaturgie einbringen
sollte.
Die zweite, wichtige Funktion ist aus der
ersten abzuleiten: es ist die Aufrechterhaltung
eines kontinuierlich geführten Diskurses.
Kuratorium
26/27
Die Kontinuität, ein Theater nach Innen und
Außen immer wieder über sich selbst nachdenken zu lassen, und mit anderen in Kontakt
zu kommen, eigene Produktionen mit denen
anderer Häuser zu vergleichen, nachzudenken
und Gespräche zwischen den Künstlern, die
sich auf eine neue Produktion vorbereiten zu
entzünden, dies ist der Luxus, den das deutsche Theater aufs Spiel zu setzen droht, indem es meint, an diesem merkwürdig ungreifbaren Beruf sparen zu können. Denn natürlich
bietet sich diese Berufsparte dem Sparzwang
ganz selbstverständlich an. Zunächst war es
nur der nahe liegende Wunsch, die Aufgaben
von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mit
denen der Dramaturgie zu verquicken, ja vielerorts sind diese Berufsbereiche schon in
einer Person zusammengefasst, was durchaus
Vorteile besitzen kann, wenn denn noch genug Zeit zum unabhängigen Denken bleibt.
Dies aber wird zunehmend erschwert und
auch abgeschafft, weil die Bereiche der Öffentlichkeitsarbeit plötzlich von den Begriffen von
„Marketing“ und „Fundraising“ okkupiert
werden. Wer das Haus nach Außen vertritt
soll gleich noch für die Beschaffung der
Gelder zu dessen Erhalt mitwirken. Genau
hier beginnt jedoch die Schwierigkeit: Die
Unabhängigkeit des Denkens in einem Haus
wird nun von finanziellen Überlegungen überlagert. Eine Beobachtung dieser Prozesse,
eine Gestaltung des Konzeptes, wie sich ein
Sponsor in einem Theater darstellt und eine
Verbindung von Finanzen und Dargestelltem
auf der Bühne im Sinne einer „Reinhaltung“
was die Produktionen betrifft, auch im Sinne
eines erhöhten Vermittlungsauftrages ist
durchaus zu begrüßen. Aber eine Veränderung der Aufgaben im Sinne des „Verkaufes“
einer Vorstellung als Produkt ist schlichtweg
nicht mit der kritischen Funktion zu verbinden, derer es bedarf, um eine Produktion erst
einmal ins Leben zu rufen. Der interne Diskurs ist die notwendige Voraussetzung, um
Strategien zu entwickeln, wie man den veränderten Bedingungen von kultureller Identität
heute gerecht werden kann. Das Denken in
einer Institution aber muss erhalten, gepflegt,
ja noch forciert werden, damit aus Theatern
und anderen kulturellen Institutionen keine
„Veranstaltungsorte“ werden, in denen Vorstellungen gezeigt werden, über deren Genese und Gestaltungsprozesse keiner mehr
Auskunft zu geben vermag. Denn Kunst hat
nicht die Funktion zu unterhalten, ebenso
wenig wie ein Dramaturg die Aufgabe hat,
Inhalte zu stiften, die allen einleuchten. Kunst
hat mit Verstören zu tun, mit Distanz, die
geschaffen wird und uns als Rezipienten aus
unserem Kontext heraushebt und uns gewärtig werden lässt, dass es noch etwas Anderes
gibt, als das, was da ist. Querdenken ist also
die Aufgabe der Dramaturgie als „Vorreiter“,
das „Gegen-den-Strich-Lesen“, das Nachfragen: alles Aufgaben, die den Beruf so ungenau und damit jeden Tag neu definierbar,
somit sehr aufregend machen.
Kuratorium 2004
Funktion
Prof. Dr. Heiner Goebbels
Komponist, Regisseur, Professor für Angewandte
Theaterwissenschaft an der Justus-Liebig-Universität
Gießen
Ioan Holender
Direktor der Wiener Staatsoper
Andreas Homoki
Intendant der Komischen Oper Berlin
Peter Konwitschny
Regisseur
Prof. Dr. Hans Landesmann selbständiger Kulturmanager
Bernd Loebe
Intendant der Oper Frankfurt am Main
Ingo Metzmacher
Hamburgischer Generalmusikdirektor und
Künstlerischer Leiter der Hamburgischen Staatsoper
Christine Mielitz
Operndirektorin Theater Dortmund
Gérard Mortier
Intendant der Opéra National de Paris,
Gründungsintendant Ruhr-Triennale 2002–2004
Prof. Dr. Peter Mussbach
Intendant der Staatsoper Unter den Linden, Berlin
Alexander Pereira
Intendant des Opernhauses Zürich
Albrecht Puhlmann
Intendant Staatsoper Hannover
Prof. Dr. Peter Ruzicka
Intendant und Künstlerischer Leiter der Salzburger
Festspiele
Dr. Georg Springer
Geschäftsführer der Österreichischen BundestheaterHolding GmbH
Juliane Votteler
Chefdramaturgin Staatsoper Stuttgart
Eva Wagner-Pasquier
Künstlerische Beraterin des Festival International d’Art
Lyrique d’Aix-en-Provence
Lothar Zagrosek
Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart
Dr. Klaus Zehelein
Intendant der Staatsoper Stuttgart
Alumni
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Netzwerke und Freundschaften
Die Alumni der Akademie
Die Alumni von heute sind die Gesprächspartner der Akademie von morgen.
Den Kontakt zu halten, ist der Akademie wichtig. Gerne nehmen wir auch
Anregungen und Impulse auf, wie wir die Akademie weiter entwickeln
können. Mindestens einmal im Jahr, beim Festakt der Akademie Musiktheater heute, gibt es dann ein großes Wiedersehen.
Andreas Bode
Freischaffender Regisseur für
Theater- und Musiktheater, Hamburg. Nov. 2004 „Der Freischütz”
nach C. M. von Weber, Kampnagel
Hamburg.
„Viele Seile, viele Knoten, dazwischen Luft –
Networking ist ein Modewort. Die Akademie
Musiktheater heute hat den Begriff erfahrbar
gemacht. Für mich, Dramaturgin und Stipendiatin von 2001 bis 2003, ist ein aktives Netzwerk entstanden.
„Große Namen“ der Musiktheater-Landschaft haben ein Gesicht bekommen – Intendanten, Regisseure und Dirigenten, Opernhäuser und Festspiele. Dass auch sie nur mit
Wasser kochen, war eigentlich klar. Doch jetzt
gibt es eine Vorstellung ihrer Rezepte und
keine Scheu mehr, sie zu befragen. So entsteht der Mut zu eigener Kreativität.
„Kleine Namen“ der Musiktheater-Landschaft sind gute Bekannte geworden. Uns
Alumni verbinden zwei Jahre nicht alltäglicher
Musiktheater-Erfahrung. Geknüpft wurden
Arbeitskontakte und Freundschaften, von der
Einladung zur Premiere über den Besuch auf
der Durchreise bis zur Zusammenarbeit am
gemeinsamen Opernprojekt.
Schließlich lieferte
die Akademie Musiktheater heute Anregungen, immer wieder über die eigene
Entwicklung nachzudenken. Warum
mache ich Musiktheater und was will
ich mit meiner Arbeit
erreichen? In welchen
Strukturen, unter welchen Bedingungen
will ich arbeiten? Wir
jungen Opern-Macher
sind auf der Suche
nach eigenen Antworten. Sie werden die Zukunft des Musiktheaters prägen.”
Swantje Gostomzyk,
freie Dramaturgin, Produktionsleiterin
und Autorin
„Uns Alumni verbinden
zwei Jahre nicht alltäglicher
Musiktheater-Erfahrung”
Stefan Brandt
Seit Mai 2004 Associate bei
McKinsey & Comp., Inc. in Wien.
Leiter des Basler Opernensembles
„Pasticcio Renano”.
Christian Carsten
Regieassistent an der Staatsoper
Hannover.
Maria Fitzgerald
Seit 2002 Studienleiterin mit
Dirigierverpflichtung am Theater
Regensburg, musikalische Leitung
von „Jakob Lenz“ sowie „Les
Brigandes“ 2004.
Askan Geisler
Solorepetitor mit Dirigierverpflichtung am Musiktheater im
Revier Gelsenkirchen.
Dr. Julia Glesner
Seit 2004/05 Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit am Theater Erfurt; seit
2003/04 persönliche Referentin des
Generalintendanten.
Swantje Gostomzyk
Freie Dramaturgin, Produktionsleiterin und Autorin, u.a. für die
Hamburgische Staatsoper, das
Schleswig-Holstein Musik Festival,
Kampnagel Hamburg und die
Salzburger Festspiele.
Annika Haller
Freischaffende Regisseurin und
Regieassistentin.
Liis Kolle
Studium der Musiktheater-Regie
in Berlin. Inszenierungen 2003/04:
„Der Barbier von Sevilla“,
Tartu/Estland sowie „Heiratswechsel“ und „Signor Bruschino“
an der Estnischen Nationaloper.
Malte Krasting
Konzertdramaturg an der
Komischen Oper Berlin.
Peter Krause
Stellvertretender Leiter des
Studienganges Musiktheater-Regie
am Institut für Theater, Musiktheater und Film, Hamburg.
Judith Kubitz
Erste Kapellmeisterin am
Staatstheater Cottbus.
Andreas Leisner
Regieassistent und Spielleiter an
der Staatsoper Unter den Linden,
Berlin. Für 2004/05 weitere
Regiearbeiten in Deutschland und
Österreich geplant.
Cornelius Meister
Zweiter Kapellmeister an der
Staatsoper Hannover. Designierter
Generalmusikdirektor der Stadt
Heidelberg und designierter Leiter
des Philharmonischen Orchesters
Heidelberg.
Daniel Montané
Assistent im Gran Teatre del
Liceu, Barcelona. Aktuelles Projekt:
Uraufführung von “Gaudi”,
Premiere November 2004.
Vera Nemirova
Freischaffende Regisseurin.
Vladislav Karklin
Solorepetitor mit Dirigierverpflichtung am Opernhaus Wuppertaler
Bühnen.
Markus Neumeyer
Seit November 2003 Musical
Director am English Theatre in
Frankfurt/Main. Selbstständig tätig
als Arrangeur und Komponist u.a.
der Frankfurter Frühjahrskollektion,
Neues Frankfurter Schulorchester
und der Neuen Philharmonie
Frankfurt.
Raik Knorscheidt
Spielleiter an der Komischen Oper
Berlin.
Matthias Nöther
Freier Autor von Werkeinführungen, Musik und Musiktheater-
Maren Hofmeister
Künstlerisches Betriebsbüro der
RuhrTriennale.
kritiken sowie Rundfunkarbeit.
2005 Promotion über Gesangsund Sprechästhetik im Deutschen
Kaiserreich.
Isabel Ostermann
Seit 2001 freischaffende Regisseurin mit zahlreichen eigenen
Inszenierungen an internationalen
Theatern und Opernhäusern.
Premil Petrovic
Dirigent, Berlin.
Alexander Radulescu
Seit dem Wintersemester 2004/
2005 Lehrauftrag für szenischen
Unterricht an der Musikhochschule
Augsburg-Nürnberg, diverse
Inszenierungen 2005, z.B. "Die
Entführung aus dem Serail" im
Parktheater Augsburg.
Rebecca H. Rosenthal
Freischaffende Regisseurin.
Robert Sollich
Studium der Theaterwissenschaft
und Philosophie in Berlin.
Elisabeth Stöppler
Freischaffende Regisseurin.
Eszter Szabo
Freischaffende Regisseurin.
Geplante Inszenierungen 2005:
„Geschichte vom Soldaten – Der
Tod klopft an“, Studiobühne Oper
Erfurt sowie „Iphis” (Elena CatsChermine), Young Opera Company
Freiburg.
Ronny Unganz
Seit 2002 Assistent des Geschäftsführenden Direktors der Staatsoper
Unter den Linden.
Klaus Stefan Vogel
Künstlerischer Betriebsdirektor am
Theater Heidelberg.
Bewerbung/Kontakt
Sie möchten sich für das zweijährige
Stipendium der Akademie Musiktheater heute
bewerben?
Geschäftsführer
Michael Münch
Frank Trümper
Bewerben können sich Studenten und
Berufseinsteiger (maximal zwei Jahre
nach Ende des Studiums) aus den Bereichen
Kultur-Management, Dirigieren, Dramaturgie
und Regie. Die Altersgrenze liegt bei 30
Jahren. Das Akademieprogramm findet
berufs- bzw. studienbegleitend statt.
Programmleitung
Sonja Ecker
Catherine Sondermann
Bewerbungsunterlagen für den Jahrgang
2005 – 2007 finden Sie ab Januar 2005
im Internet unter www.musiktheaterheute.org.
Fragen zur Akademie Musiktheater heute
beantworten wir gerne
Telefon: 069 – 910 33 414
Telefax: 069 – 910 38 333
akademie.musiktheater-heute@db.com
www.musiktheater–heute.org
Postadresse
Akademie Musiktheater heute
c/o Deutsche Bank AG
60262 Frankfurt am Main
Impressum
Herausgeber
Akademie Musiktheater heute gGmbH
November 2004
Redaktion
Sonja Ecker
Gestaltung
Schaper Kommunikation
Druck
Druckerei Lembeck
Bildnachweise
Seite 2/5/6: © Cordula Groth
Seite 6, Bild Tilman Michael:
© Foto-Hostrup
Bild Katharina Kost: © Foto-Borchard
Seite 7, Bild Benjamin Sahler:
© Frank Weichelt
Seite 8: © Lutz Edelhoff
Seite 10/11/19/22/23/30:
© Steffen Giersch
Titel+Rückseite, Seite 12/13/14/15/
18/20/22/24: © Regine Körner
Seite 17: © Katrin Schander
Seite 18/19 (Kostümentwürfe und
Bühnenbild): © Wiebke Horn
Seite 21 (von oben nach unten):
(Kampnagel) © Arno Declair
(Ligeti) © Wolfgang Selbach
(Fidelio) © Regine Körner
(Miss Marple) © Die Frankfurter
Frühjahrskollektion
(The Bear) © Rudolf Mayer-Finkes
Seite 24/25: © A. T. Schaefer
Mit freundlicher Unterstützung
durch die
www.musiktheater-heute.org