im pdf-Format - Diabetiker

Transcription

im pdf-Format - Diabetiker
Selbsthilfegruppe diabetischer Kinder und
Typ-1 Diabetiker 97 e.V. Schweinfurt
„Verschiedene Insulinpräparate - unterschiedliche Wirkung“
Zum Thema sprach Dr. Reinhard Koch, Diabetologe
DDG und Oberarzt in der Klinik für Kinder und Jugendliche des Leopoldina-Krankenhauses Schweinfurt im
Rahmen unseres ersten Treffs im neuen Jahr im St.
Kilian Pfarrzentrum Schweinfurt.
Insulin sorge für
•
•
die Senkung des Blutzuckers durch Förderung der Zuckeraufnahme in Muskel-, Fett–
und Leberzelle und
die Hemmung der Zuckerneubildung in der Leber
Insulinmangel führe zu
•
•
hohen Blutzuckerwerten durch Hemmung der Zuckeraufnahme in Muskel-, Fett– und
Leberzelle und
Aktivierung der Zuckerneubildung in der Leber
Industrielle Insuline gebe es als
•
•
•
•
•
Normalinsuline
Basalinsuline
Mischinsuline
kurzwirksame Insulinanaloga
langwirksame Insulinanaloga
Die Unterschiede bestünden in der Konzentration (U 40 bzw. U 100 - was die Anzahl
der Einheiten pro ml bezeichnet), in der Farbe (Normalinsuline und Analoga klar, Misch–
und Verzögerungsinsuline milchig) und in der Wirkung.
Dr. Koch stellt die industriell hergestellten Insuline vor.
Normalinsuline
Hierbei handle es sich um schnell wirksame Humaninsuline mit subkutaner
Lagerung in Sechserkomplexen. Die
Auflösung dauere 15 bis 30 Minuten,
dann setze die Wirkung ein. Ein SpritzEss-Abstand von ca. 15 Minuten sei
deshalb einzuhalten.
Die höchste Wirkung entfalteten Normalinsuline nach 2 bis 3 Stunden, Wirkungesende sei nach 5 bis 8 Stunden. Normalinsuline würden bevorzugt als Mahlzeiten– und Korrekturinsuline verwendet.
Bei größeren Mengen steige die Aufnahmegeschwindigkeit und es verzögerten sich das
Wirkungsmaximum sowie das Wirkungsende - es bestehe die Gefahr von Hypoglykämien.
Verzögerungsinsuline oder Basalinsuline
Die wichtigsten seien die NPH-Insuline (Neutrales Protamin Hagedorn), wobei Protamin
für die verzögerte Wirkung verantwortlich sei.
Der Wirkungsbeginn setze nach 1 bis 2 Stunden ein, das Wirkungsmaximum sei nach 5
bis 8 Stunden, das Wirkungsende nach 12 bis 18 Stunden erreicht.
Je größer die Spritzmenge, desto länger wirke das Basalinsulin. Man könnte Basalinsulin
auch mit Normalinsulin mischen, dann verkürze sich die Wirkungsdauer je höher der
Normalinsulinanteil sei. NPH-Insuline (milchig) müssten vor dem Spritzen gerollt oder
geschwenkt werden, sonst sei die Wirkung nicht berechenbar.
Als ein besonderes Verzögerungsinsulin bezeichnet Dr. Koch das Insulin Semilente, dessen Produktion (leider aufgrund der geringen Nachfrage) noch im März 2006 eingestellt
werde. Semilente sei eine Schweineinsulin-Zinksuspension, die wegen des langsameren Wirkungseintritts und der Maximalwirkung in den frühen Morgenstunden (DawnPhänomen) besonders als nächtliche Basalrate geeignet sei. Semilente verfüge über eine
10-20 Prozent stärkere Wirkung als NPH-Insuline und sei grundsätzlich nicht mischbar.
Mischinsuline
Mischinsuline enthielten sowohl Normal- bzw. Analog- als auch NPH-Insulin, seien von
milchiger Farbe und würden z.B. in einem festen Mischungsverhältnis von 30:70 vorgefertigt. Natürlich könne man Insulin auch vor der Injektion individuell selbst mischen.
Der Vorteil von Mischinsulin sei, dass man sich weniger oft spritzen müsse. Nachteilig sei
hingegen, dass sich der Spritz-Ess-Abstand auf 30 Minuten verlängere – nicht jedoch bei
Mischung mit kurzwirksamen Analoginsulinen. Außerdem sei bei festen Mischungen kein
variabler Essensplan möglich.
Kurzwirksame Insulinanaloga
Hierbei handle es sich um dem
Insulin ähnliche Stoffe, bei denen
die Reihenfolge der Aminosäuren
künstlich verändert sei. Es komme
deshalb subkutan nicht zur Hexamerbildung (siehe Abbildung oben
bei „Normalinsulin“). Die Insulinanalogonmoleküle diffundierten
direkt in die Kapillaren und wirkten deshalb sofort. Das Wirkungsmaximum läge bei 60 bis 90
Minuten und die Wirkungsdauer
betrage 2 bis 5 Stunden.
Neben dem Wegfall des
Spritz-Ess-Abstandes seien
die Vorteile
•
•
•
•
•
variable Mahlzeiten,
Wegfall der Notwendigkeit
von Zwischenmahlzeiten,
mehr Nachkorrekturmöglichkeiten,
geringere Hypoglykämiegefahr und
geringere Wirkungsverlängerung bei Dosissteigerung.
Die Nachteile seien aber
auch zu erwähnen, nämlich
•
•
•
die
die
die
die
erforderliche Insulingabe zu jeder Mahlzeit,
Gefahr der Hypoglykämie bei Sport ein bis zwei Stunden nach der Analoggabe und
Erfordernis von drei Basalgaben im Falle der Verwendung von NPH-Insulin, damit
so genannten „Insulinlöcher“ vermieden werden.
Langwirkende Insulinanaloga
Hier seien gebräuchlich Glargin-Lantus und Detemir-Levemir. Bei beiden Analoga seien
andere Veränderungen in der Insulinstruktur dafür verantwortlich, dass die Wirkdauer ca.
24 Stunden betrage.
Die Vorteile der Langzeitanaloga seien, so Dr. Koch,
•
•
•
•
•
•
•
ein ausgeglichenes flaches Wirkprofil über ca. 24 Stunden,
geringere Fehlerraten beim Spritzen,
geringere Schwankungen bei der Resorption,
keine Abhängigkeit von der Spritzstelle,
i.d.R. nur eine Spritze für die Basalrate,
geringere v.a. nächtliche Unterzuckerungsrate und
die Möglichkeit des Ausschlafens an freien Tagen.
Die Nachteile seien hingegen, dass
•
•
•
die Wirkdauer nicht immer über 24 Stunden reiche,
die klare Lösung die Gefahr der Verwechslung mit schnell wirkendem Insulin birgt und
keine Langzeiterfahrungen über Nebenwirkungen existieren.
Lantus - Primärstruktur
Die Abbildung zeigt
die veränderte Insulinstruktur bei Insulin
Glargin-Lantus:
Gly
A-Kette
SUBSTITUTION
Die Substitution
Arg/Arg in der BKette reduziere die
Löslichkeit im neutralen Bereich, so Dr.
Koch.
21n
Asn
30
B-Kette
EXTENSION
30
Arg Arg
Lantus:
21A-Gly-30Ba-L-Arg-30Bb-L-Arg-insulin
Metaboliten:
M1-21A-Gly-insulin
M2-21A-Gly-des-30B-Thr-insulin
Die Substitution Gly
für Asn in der A-Kette
moduliere die Wirkdauer.
Beim Insulinanalogon
Detemir-Levemir sei
eine C 14 Fettsäure
an die B-Kette gekoppelt. Dieses Molekül binde sich an Albumin und werde so
in die Blutbahn aufgenommen.
Erst das „freie“ Detemir sei biologisch
aktiv – so erkläre sich
die langdauernde
Wirkung.
Analoga hätten unterschiedliche Alterszulassungen:
•
•
•
•
Lispro ab Geburt (Humalog),
Aspart ab zwei Jahren (NovoRapid),
Glargin und Detemir ab sechs Jahren (Lantus und Levemir) und
Arbidra ab 18 Jahren
Resorption von Insulin
Die Variabilität der Insulinresorption von Normal– und NPH-Insulinen bei ein und demselben Patienten betrage 25 Prozent, so Dr. Koch. Bei unterschiedlichen Patienten betrage
die Schwankung der Insulinresorption gar 50 Prozent. Die Variabilität sei bei NPHInsulinen stärker. Diese Variabilität erschwere die Planung und das Verständnis der Patienten für den Insulinbedarf.
Zur Insulintherapie bemerkt Dr. Koch, dass die Insulindosis von der Diabetesphase,
von den individuellen Lebensumständen und von Komplikationen (wie z.B. Ketoazidose)
abhängig sei. Für eine gute Insulintherapie seien in der Regel Normal– und NPH-Insuline
ausreichend. Welche Therapie geeignet sei, werde von Arzt, Eltern und Patient gemeinsam entschieden.
Zusammengefasst konstatiert Dr. Koch, die Diabetesbehandlung sei eine komplexe, von
vielen Variablen beeinflusste Therapie.
Im Januar 2006
gez.
Norbert Mohr
Vorsitzender